Freie UniversitätIftÉMl Berlin Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften Freie Universität Berlin, Institut für Griechische und Lateinische Philologie Habelschwerdter Allee 45. 14195 Berlin Institut für Griechische und Lateinische Philologie Prof. Dr. Bernd Roling Stellv. geschäftsführender Direktor Habelschwerdter Allee 45 14195 Berlin Telefon Fax +(49 30) 83 85 28 97 +(49 30) 83 85 27 67 bernd.roling@fu-berlin.de www.fu-berlin.de/klassphi/ E-Mail Internet Berlin, 18.6.2015 Gutachterliche Stellungnahme zur Habilitationsschrift von Dr. Anna Pumprová, ,Robert Olomoucký: Výklad Písně písní' Spätestens seit den Arbeiten von Jaroslav Kadlec in den siebziger Jahren ist die Bedeutung der .Compilatio super cantica canticorum' des Robert von Olmütz den Mediävisten bekannt und die Notwendigkeit einer Edition dieses Textes unbestritten. Es handelt sich nicht nur um ein Schlüsselwerk der Schriftauslegung im böhmischen Raum, sondern um ein für die ganze Tradition der lateinischen Canticum-Auslegung aussagekräftiges Werk. Umso wertvoller ist es, daß Anna Pumprovä (fortan P.) sich dieses Textes angenommen hat und das Werk in einer ausführlich eingeleiteten Erstedition im Umfang von mehr als 350 Seiten zur Verfügung stellt. Der Edition ist eine umfangreiche Studie (65 Seiten) vorangestellt, die den Hohelied-Kommentar und seinen Verfasser so weit als möglich einordnet und weit aus gründlicher analysiert, als man es von einer gewöhnlichen Einleitung zu einer Edition erwarten könnte. P. beginnt (S. IX-XVI) mit einer Würdigung des Verfassers, des eigenwilligen, in die Politik seiner Zeit eingreifenden und machtbewußten Zisterziensers Robert, dessen exzellente Bildung außer Zweifel steht. Es folgt eine Übersicht über die außer der .Compilatio' noch vorhandenen Schriften des Autors (S. XVI-XXIX), unter denen vor allem eine Bußsumme und eine am Jahreskreis orientierte Predigtsammlung (,Opus super epistolas') zu nennen sind. In beiden Fällen gelingt P. eine erschöpfende, mit reicher Literatur gesättigte mustergültige Einordnung dieser Werke in ihre Gattungsgeschichte, obgleich diese Texte nur bedingt in ihrer Edition zum Tragen kommen. Schon hier beeindruckt die Souveränität, mit der P. die mittellateinischen Texttraditionen ebenso wie die internationalen Forschungsdebatten zu handhaben weiß. Im Zentrum der begleitenden Studie muß natürlich die .Compilatio' des Robert von Olmütz stehen. P. würdigt Roberts Arbeit vor dem Hintergrund der langwährenden Geschichte der Hohelied-Kommentare (S. XXIX-XXXII), um sich dann der unmittelbaren Genese des einzigen Manuskripte zuzuwenden, in dem Roberts Schrift überliefert ist, einer Handschrift, die heute in der Linzer Landesbibliothek verwahrt wird. P. ordnet sie mit guten Argumenten dem zisterzi-ensischen Milieu von Heiligenkeuz zu. Eine sorgfältige Analyse von Aufbau und Inhalt des Manuskriptes schließt sich an (S. XXXII-XXXVI). Als sehr gelungen erweist sich P.'s Untersu- chung der Quellen Roberts, denn es gelingt der Autorin, wie ein subtiler Textvergleich zeigen kann, über die Fülle der von ihr verifizierten Autoritäten, Anselm von Laon, Peter von Blois oder Petrus Comestor, die entscheidende Grundlage Roberts nachzuweisen, die ,Summa A-bel' des Petrus Cantor, ein biblisches Stichwortlexikon mit solider Verbreitung, das der Verfasser als durchgehendes Referenzwerk nutzte. Da die von Stephen H. Barney seit geraumer Zeit angekündigten Ausgabe dieses Textes noch immer nicht erschienen ist, war P. auch hier genötigt, sich auf eine Handschrift zu stützen; denkbar glücklich hat sie sich für die in der Berliner Staatsbibliothek verwahrte Exemplar als unmittelbaren Referenztext entschieden (S. XXXVI-XL). Ähnlich souverän gelingt es P. auch, andere von Robert herangezogene Florile-gien wie den ,Liber scintillarum' des Defensor, dem die meisten Kirchenväterautoritäten entnommen waren, als direkte Quelle zu identifizieren. Ausführlich (S. XL-LVI) behandelt P. im Anschluß vor dem Hintergrund der Geschichte der Bibelexegese Roberts hermeneutische Methodik, die P. wieder mit breiter Nutzung fast der gesamten vorhandenen polyglotten Sekundärliteratur, von Ohly, über Lubac bis zu Dahan, zu würdigen weiß. Ein abschließender Teil der Studie gebührt den Realien der Schriftauslegung (S. LVI-LXV), die Robert von Olmütz als von Cantor inspirierten, doch in vielem auch eigenständigen Bibelkommentator erweisen, der sich dem Text eigenständig nähern konnte, ohne dabei von der etablierten Kommentartradition allzu sehr abzuweichen, wie P. materialreich zeigen kann. Auch hier stützt sich P. auf eine beeindruckende Menge aktueller Forschungsarbeiten. Die vorangestellten Editionsprinzipien folgen dem üblichen Raster, lassen keine Unstimmigkeiten zurück und werden in der ganzen Arbeit P.'s konsequent beibehalten. Lediglich die in diesem Teil der Arbeit genannte Sekundärliteratur hätte auch Eingang in die Gesamtbibliographie finden sollen. Die mit CTE erstellte Edition der .Compilatio' ist mustergültig ausgeführt worden, verzeichnet minutiös und vorbildlich alle Quellen und die in ihnen vermittelten abweichenden Lesarten und bietet in der Textgestalt an keiner Stelle Anlaß zur Kritik. Die Bereitschaft P.'s, skrupulös wirklich jede denkbare Autorität greifbar zu machen, zeigen die Vermerke ,non inveni' selbst dort, wo es sich lediglich um nicht verifizierbare Gemeinplätze des Autors handelt (S. 146, S. 264 [eine Referenz aus dem Umfeld der .Auctohtates Aristotelis']), die sich der Bestimmbarkeit entziehen. Um es zusammenzufassen, P. hat mit ihrer Edition des Robert von Olmütz eine Arbeit vorgelegt, die auf mustergültige Weise textkritische und kodikologische Fähigkeiten mit latinistisch-mediävistischer Fachkompetenz vereinigt und als vorbildlich betrachtet werden kann. Sie erfüllt alle Standards, die an eine Edition gelegt werden können, ja greift in Anspruch und Umsetzung teilweise weit über sie hinaus. Es handelt sich also um eine in jede Hinsicht habilitationswürdige Leistung, die dem Anspruch der internationalen Forschung in der Latinistik und Mittellatinistik in allen Bereichen gerecht wird. Ich möchte diese Arbeit der Kommission daher mit Nachdruck zur Annahme als Habilitation empfehlen. Hochachtungsvoll (Bernd Roling) 2