Au die Masaryk University, Faculty of Aris Ania Nováka 1/1, 60200 BRNO (CZ) / Ii. Frau Jarmila Hudečkova Wien, 26./07/2016 Gutachten Markéta Kulhánková, Das gottgefällige Abenteuer. Eina narratologischc Analyse der byzantinischen erbaulichen Erzählungen (Pro Oriente, 31), Červený Kostelec 2015. Erzählen ist ein Grundbedürfiiis des Menschen und zugleich einer der früheren Ausdrucksformen jeder Kultur. Nicht von ungefähr ist gerade die Erzählliteratur ins Zentrum wissenschaftlichen Interesse gerückt, ja sogar zum alleinigen Gegenstand einer neuen Disziplin, der Narratologie, aufgestiegen. Die antike Welt kannte verschiedene Formen des Erzählens, zuerst in Versform, später auch in Prosa. Sie zelebrierten die Taten und Schicksale mythischer Gottheiten und Helden sowie von Königen und Feldherren, und schließlich auch einfache Menschen, dessen einzige Besonderheit in ihrer außerordentlichen Schönheit lag.. Epos, Drama, Roman sind die Gattungen, in denen sich die verschiedenen Formen des Erzählens kristallisierten. Die nunmehr christianisierte Welt knüpfte an solche antike Vorgänger, in erster Linie an den Roman, entwickelte aber eigene Helden und eigene Formen. Der heilige Mönch und Asket wurde zum neuen Held der christlichen Gemeinschaften, zuerst im Osten, dann auch im Westen; mit Hagiographie bezeichnet die Wissenschaft die verschiedenen Erzählformen, die im 4. Jahrhundert einsetzend, Leben, Wirken und Sterben solcher mönchischen Helden zelebrierten. Hagiographische Werke sind seit jeher Lieblingskinder der Byzantinistik. Sie wurden untersucht als historische Quelle für das ägyptische Frühmönchtum, als Schatzkammer von Informationen über Alltagsleben, Volksfrömmigkeit und Sozialgeschichte allgemein. Dank der generell einfachen und schmucklosen Sprachform gelten sie darüber hinaus als Kronzeuge für die Erschließung der damaligen Umgangssprache. Noch nie allerdings sind hagiographische Werke als das behandelt worden, was sie in erster Linie sind, Erzähltexte, deren primärer Zweck, neben der Vermittlung erbaulicher Inhalte auch die Unterhaltung ihrer Leser- und/oder Hörerschaft war. Diese Lücke versucht nun Markéta Kulhánková (im Folgendem = K) in ihrer schlanken aber gehaltsvollen Monographie zu schließen. Vorwegnehmend sei festgehalten, dass die Autorin ihr Ziel voll und ganz erreicht hat: Ihre Studie darf mit gutem Recht als eine, erstmalige, Neubewertung und Würdigung einer in literarischer Hinsicht vernachlässigter Erzählform. Die Struktur der Monographie zeichnet sieh durch Klarheit und Schlüssigkeit. In der Einleitung (S. 1-40) wird zunächst auf umsichtiger Art und Weise die Frage der Gattung erörtert, zu der die behandelte Texte gehören. Sodann werden die Texte selbst in ihren chronologischen und historischen Kontext präsentiert. Es sind dies die wichtigsten und frühesten Sammlungen erbaulicher Geschichten, die História monachorum in Aegypto und die sogenannten História Lausiaca (beides zusammengestellt an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert), sowie die História religiöse des Theodoretos von Kyrrhos (5. Jh.). Es folgen das Dossier des Hl. Daniel Sketiotes und das Pratum spirituále des Johannes Moschos (6.Jh.) sowie, nach einem Bruch von etwa 300 Jahren, die Sammlung von Paulos, Bischof von Monemvasia. Abgerundet wird die Liste durch eine Erzählung enthalten in einer Predigt des zypriotischen Mönches Neophytos Enkleistos. Ein detaillierter methodologischer Abschnitt mit einer äußerst nützlichen Darlegung der Byzantinisten allgemein nicht vertrauten Fachterminologie sehließt das einführende Kapitel ab. Kapitel 2 (S. 41-66) und 3 (S. 67-90) befassen sich jeweils mit Fragen der Erzählstruktur und der Konstruktion des Erzählraums, Kapitel 4 (S. 91-108) ist der Wahrnehmung und Gestaltung der erzählten Zeit gewidmet, Kapitel 5 (S. 109-130) schließlich analysiert die Funktionen des Erzählers in den verschiedenen Texten. Eine Schlussbetrachtung (S. 131-142) zieht die Fäden der Analyse zusammen und zeichnet in anschaulicher Weise die Enzwicklung der narrativen Strategien im Wandel der Zeit. Eine ausführliche Bibliographie sowie ein Index der Eigen- und Ortsnamen und, besonders nützlich, der literarischen Fachterminologie runden das Werk ab. Die chronologisch angeordnete Analyse zusammen mit der systematischen „Dekomposition" der Texte in ihren narrativen Bausteinen erlauben es K, Entwicklungslinien in der Behandlung ähnlicher Motive aufzuzeigen und ein klares Trend in Richtung Literarisierung von ursprünglich schlichten, der Mündlichkeit verpflichteten Erzählungen zu veranschaulichen. Neben der klaren Strukturierung des Stoffes sticht die Monographie von K nicht zuletzt wegen der einfachen, leicht verständliehen und zugleich gepflegten sprachlichen Gestaltung hervor. Die zahlreich in der Originalsprache kommentierten Tcxtstellen sind stets von akkuraten und eleganten Ubersetzungen begleitet, die die Lektüre auch dem nicht des Griechischen kundigen ermöglichen. Um die Summe zu ziehen: Originalität im Forschungsansatz, klare Strukturierung und schlüssige Argumentationslinie sind die Hauptmerkmale der Monographie von IC, die zweifellos eine Bereicherung für die byzantinistische Forschung darstellt. Die Arbeit erfüllt daher die einer Habilitationsschrift gestellten Anforderungen in vollem Umfang Univ. Doz. Dr. Carolina Cupane Abteilung für Byzanzforschung/lnstitut für Mittelalterforsch ung Hollandstraße 11-13/4. Stock 1020 Wien