Diplomatie der Diktatoren: Der Molotov-Ribbentrop-Pakt Author(s): Susanne Schattenberg Source: Osteuropa , JULI-AUGUST 2009, Vol. 59, No. 7/8, Der Hitler-Stalin-Pakt: Der Krieg und die europäische Erinnerung (JULI-AUGUST 2009), pp. 7-31 Published by: Berliner Wissenschafts-Verlag Stable URL: https://www.jstor.org/stable/44935405 JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact support@jstor.org. Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at https://about.jstor.org/terms Berliner Wissenschafts-Verlag is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Osteuropa This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Susanne Schattenberg Diplomatie der Diktatoren Der Molotov-Ribbentrop-Pakt Der Hitler-Stalin-Pakt kam nicht trotz der verschiedenen Systeme, sondern aufgrund der vielen Gemeinsamkeiten der beiden Führerstaaten zustande. Entscheidend war nicht, dass sich die beiden Ideologien gegenseitig ausschlössen, sondern dass die Formensprache nahezu identisch war: Beide Außenminister etablierten einen neuen Stil in der Diplomatie, der sich in Symbolik, Ton und Tempo glich. Der Pakt war nicht das Verdienst der „alten" Diplomaten, die diese Annäherung erreichten, und auch nicht vorrangig die fatale Folge des Versagens der französisch-britischen Politik. Der Pakt war das Produkt einer „Diplomatie der Führer", die echte Bewunderung füreinander empfanden. , »Anschließend wurde im selben Raum, es war das Arbeitszimmer Molotows, ein kleines einfaches Abendessen zu viert serviert. Gleich zu Anfang gab es eine kleine Überraschung: Stalin stand auf und hielt eine kurze Ansprache, in der er von Adolf Hitler als dem Manne sprach, den er schon immer außerordentlich verehrt habe. In betont freundschaftlichen Worten drückte Stalin die Hoffnung aus, dass mit den jetzt abgeschlossenen Verträgen eine neue Phase in den deutsch-sowjetischen Beziehungen eingeleitet sei. Auch Molotow erhob sich und sprach in ähnlicher Weise. Mit einer ebenso freundschaftlich gehaltenen Ansprache antwortete ich unseren russischen Gastgebern."1 Das schrieb Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop über den Abschluss des Nichtangriffspakts zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und der Sowjetunion am 23. August 1939 in Moskau. Immer wieder ist Entsetzen und Unverständnis darüber geäußert worden, dass sich die sozialistische Sowjetunion mit dem Erzfeind des Kommunismus einließ und Stalin sogar einen Trinkspruch auf Hitler ausbrachte - einen Mann, der ihm nicht nur weltanschaulich diametral gegenüberstand, sondern dessen politische Ziele auch eine konkrete Bedrohung für die Existenz der Sowjetunion darstellten.2 Seitdem beschäftigt sich die Geschichtswissenschaft mit Susanne Schattenberg (1969), Prof. Dr., Historikerin, Direktorin der Forschungsstelle Osteuropa, Universität Bremen Von Susanne Schattenberg erschien zuletzt in Osteuropa: Gespräch zweier Taubstummer"? Die Kultur der Außenpolitik Chruščevs und Adenauers Moskaureise 1955, in: OE, 7/2007, S. 27. Joachim von Ribbentrop: Zwischen London und Moskau. Erinnerungen und letzte Aufzeichnungen. Aus dem Nachlaß, hg. von Annelies von Ribbentrop. Leoni am Starnberger See 1961, S. 182. Sebastian Haffner: Der Teufelspakt. Fünfzig Jahre deutsch-russische Beziehungen. Reinbek 1968. - Wolfgang Leonhard: Der Schock des Hitler-Stalin-Paktes. München 1989. - Gerhard Hass: 23. August 1939. Der Hitler-Stalin-Pakt. Dokumentation. Berlin 1990, S. 5. Charles E. Bohlen: Witness to History, 1929-1969. New York 973, S. 85. Osteuropa, 59. Jg., 7-8/2009, S. 7-31 This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 8 Susanne Schattenberg der Frage, wie es zu diesem Pakt kam. Traditionell Von wem ging die Initiative aus?3 Von Stalin ode Initiative Stalins gehandelt habe, ist weitgehend den Pakt initiierte.5 Solange die Akten nicht zugän ante diskutiert, ob beide Diktatoren aufeinander rung sei von den deutschen Diplomaten alter Sch jene an, die diesen Diplomaten attestieren, sie hät lers unabwerfbare Zügel anlegen" wollen.7 Parallel Stalin zielgerichtet auf Hitler als Bündnispartner z die Unfähigkeit der britischen und französischen Arme Hitlers trieb.9 Hier soll der Pakt aus einer anderen Perspektive stehen nicht Intentionen, politisches Kalkül und Sprachebene, die eine Verständigung erst ermöglic on von Ingeborg Fleischhauer, die den politischen zuschreibt, war es gerade nicht die alte diplomat 3 Ingeborg Fleischhauer: Der Pakt. Hitler, Stalin und 1938-49. Berlin, Frankfurt/Main 1990, S. 10. - Hass 4 Angelo Rossi: Zwei Jahre deutsch-sowjetisches Bün Allard: Stalin und Hitler. Die sowjetrussische Außenp S. 52ff. - Philipp Walter Fabry: Der Hitler-Stalin-Pa sowjetischen Außenpolitik. Darmstadt 1962. - Walthe Weltkrieges. Eine Studie über die internationalen B furt/Main 1964. - F.A. Krummacher, Helmut Lang deutsch-sowjetischen Beziehungen. Von Brest-Litovs chen 1970, S. 362. - Andreas Hillgruber, Klaus Hildeb logie. Der Hitler-Stalin-Pakt: Parallelen bis heute? Zü 5 Leonidas E. Hill: Die Weizsäcker-Papiere 1933-19 Wheeler-Bennett: Twenty Years of Russo-German R fairs, Oktober 1946, S. 23-43, hier: S. 40f. - Georg Nichtangriffspakt vom August 1939 und die sowjetisc te in Wissenschaft und Unterricht, 17/1966, S. 472-4 tičeskij portret v dvuch tomach, kniga 2. Moskva 19 Hitler. Das Pokerspiel der Diktatoren. Berlin 2002, S 6 Gustav Hilger: Wir und der Kreml. Deutsch-sowje rungen eines deutschen Diplomaten. Frankfurt/Mai Foreign Policy of Soviet Russia, 22. Bd. London 19 Germany and the Soviet Union 1939-1941. Leiden des bolschewistischen Russland. Wiesbaden 1955, S. 36 7 So in erster Linie Ingeborg Fleischhauer, Der Pakt Dahin: Soviet Russia's Foreign Policy. New Haven 19 in Decay. A Study in Disintegration, 1936-40. Lon Two German Ambassadors: Dirksen and Schulenburg The Diplomats, 1919-1939. Princeton New Jersev 1953, S. 477-511. 8 Robert C. Tucker: The Emergence of Stalin's Foreign Policy, in: Slavic Review 4/1977, S. 563- 589. - Simon Sebag Montefiori: Stalin. Am Hof des Roten Zaren. Frankfurt/Main 2006, S. 344. 9 Winston S. Churchill: Memoiren. Der Zweite Weltkrieg. Band 1: Der Sturm zieht auf: 1. Buch: Von Krieg zu Krieg 1919-1939. Hamburg 1949. - A.J.P. Taylor: The Origins of the Second World War. London 1962. - Teddy J. Uldricks: Stalin and Nazi Germany, in: Slavic Review, 4/1977, S. 599-603. - Derek Watson: Molotov' s Apprenticeship in Foreign Policy: The Triple Alliance Negotiations in 1939, in: Europe-Asia Studies, 4/2000, S. 695-722. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Diplomatie der Diktatoren 9 Pakts reüssierte. Im Gegenteil: Der Erfolg verdankte sich len Parvenüs Molotov und Ribbentrop entwickelten, dem rer" entsprechenden eigenen Formensprache. Mit Molotov und Ribbentrop waren zwei Außenminister nicht sein konnten: Beide waren soziale Aufsteiger, selb Diplomatie fremd, Erfüllungsgehilfen ihrer Herren, bera oder jener, die Stalin und Hitler ihnen verliehen hatten nicht trotz der unterschiedlichen Weltanschauungen stat sache, dass es sich bei beiden Seiten um führerzentriert der gleichen Symbolik und Rhetorik bedienten. Inhaltlic sozialismus und Stalinismus unüberwindbare Widersprüc drucksweise waren aber nahezu identisch. Diese gemeins te die Verständigung. Diplomaten ohne Diplomatie Keineswegs gibt es a priori eine spezifische Kultur totalit matie als Kommunikation zwischen Vertretern verschiedener Länder und damit meist auch einander fremder Kulturen begriffen wird, also potentiell die Verständigung zwischen zwei Sprechern verlangt, die sich normalerweise unterschiedlicher Zeichensysteme bedienen, dann muss untersucht werden, auf welchen gemeinsamen Sprachcode sich beide Seiten einigen.10 Üblicherweise ist es das internationale Protokoll, das ein gemeinsames Vokabular und Regelwerk bereitstellt und jedem Zeichen eine verbindliche Bedeutung zuweist, damit es nicht zu Miss- oder Unverständnis kommt. Allerdings lehnten die Bolschewiki mit ihrem Machtantritt 1917 diese Regularien als bourgeoiskapitalistisches Relikt ab und weigerten sich zunächst, z.B. in Brest-Litovsk, auf dieser Basis mit anderen Ländern zu verhandeln.11 Dennoch etablierte das sowjetische Außenministerium keine eigene diplomatische Sprache, sondern lavierte immer wieder zwischen Anpassung, Unterlaufen und Boykott der vom Westen etablierten Regeln.12 Die Ausgestaltung der diplomatischen Kultur war stark von den jeweiligen Akteuren und ihrer Interpretation der diplomatischen Regeln einerseits sowie ihrer Rolle als Vertreter einer Diktatur des Proletariats andererseits abhängig. Fast alle Parteiführer verband ihre Verachtung für professionelle Diplomaten. So war es unter Stalin eine gängige Bestrafung für lästige Parteigenossen, sie als Diplomaten ins Ausland abzuschieben.13 Und gern wurden jene Unglücklichen im Politbüro ver- 10 Susanne Schattenberg: Die Sprache der Diplomatie oder Das Wunder von Portsmouth. Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Außenpolitik, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, 1/2008, S. 3-26. Leo Trotzki: Mein Leben. Versuch einer Autobiographie. Frankfurt/Main 1974, S. 318. Prinz Max von Baden: Erinnerungen und Dokumente. Berlin, Leipzig 1927, S. 189. - Haffner, Teufelspakt [Fn. 2], S. 24. - John W. Wheeler-Bennet: Brest-Litovsk. The Forgotten Peace March 1918. New York 1971, S. 85. 12 Susanne Schattenberg: „Gespräch zweier Taubstummer"? Die Kultur der Außenpolitik Chruščevs und Adenauers Moskaureise 1955, in: Osteuropa, 7/2007, S. 27-46. 13 Fedor Burlatsky: Khrushchev and the First Russian Spring. The Era of Khrushchev through the eyes of his adviser. New York 1988, S. 159. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 10 Susanne Schattenberg lacht, die sich den internationalen Gepflogenheiten a che westliche Kleidungsstücke anzogen und das Pech werden.14 Cut und Livreen, diplomatische Höflichke passten nicht zu Stalins Führungsstil, der das Politbü der geachtet wurde, wer am lautesten die derbsten S Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist die Zäsur vo Stalin den erfahrenen Diplomaten und geschätzten Außenminister Maksim M. Litvínov (1876-1951), Vertrauten, Politbüromitglied Vjačeslav M. Molotov 1930 hatte er den seit 1918 amtierenden Volksko Čičerin (1872-1936) entlassen, der zwar ideologisc aber als Adelsspross ein formvollendeter Diplomat a nov gefolgt, der als langjähriger Kampfgefährte Stal wesentlich revolutionärer wirkte, sich aber durch di erster sowjetischer Vertreter in England verbracht h durch seine Ehe mit einer Britin schließlich ein Ben dem bürgerlichen Diplomaten zur Ehre gereicht hätt seinen gemacht, wie ihm der britische Diplomat Lo Bei Litvínov hatte man mehr als bei anderen so Eindruck, dass man es mit einem Kenner der w zu tun hatte. Seine angenehme jüdische Erscheinu Klang seiner schnellen und gewandten Rede ver Umgang mit anderen war sein erster Instinkt, fre sein, und in Geschäftssachen war er immer ber scharf und dickköpfig sein, aber man hatte imm Unrecht, dass er für Argumente offen war. Sir W ihn, an heiklen Punkten habe man Litvínov mit einem Lächeln bringen und so zu einem, wenn a ständnis kommen können. Mit Molotov wie auc Konsorten [. . .] waren keine solchen Spielchen mö Es ist immer wieder diskutiert worden, ob die Abse Richtungswechsel in der Politik zu bewerten sei: we land und Frankreich, das Litvínov favorisierte, hin z 14 Chruschtschow erinnert sich. Reinbek 1971, S. 408. - Ol geeviča. Moskva 1998, S. 48. - Andrej Gromyko: Erinn 15 Šebag Montefiori, Stalin [Fn. 8], S. 22, 57, 63. 16 Sabine Dullin: Plebeian diplomats? Profiles and skills Cahiers du Monde Russe, 2-3/2003, S. 437-462. 17 LM. Chovratovič: Georgij Vasil'evic Čičerin. Mosk Tschitscherin: Ein Diplomat Leninscher Schule. Berlin Diplomacy and Revolution. G. V. Chicherin and Soviet For 18 Hugh D. Phillips: Between the revolution and the Wes Litvínov. Bouderl992. - Zinovij S. Sejnis: Maksim Ma diplomat, čelovek. Moskva 1989. 19 Lord William Strang: Home and abroad. London 1956 20 Siehe dazu Albert Resi s: The Fall of Litvínov: Har aggression Pact, in: Europe-Asia Studies, 1/2000, S. 33This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Diplomatie der Diktatoren 1 1 Dabei hat man übersehen, dass es hier nicht nur um einen i dern genauso entscheidend um einen Stilwechsel in der Außen es formuliert: Litvinov konnte ein Stirnrunzeln deuten; der Molotov hatte fur solche Finessen kein Verständnis.21 Und noch ein zweiter entscheidender Aspekt unterschied Molotov von Litvinov: Er war ein ergebener Diener seines Herren; Litvinov dagegen hatte den unverzeihlichen Fehler begangen, Stalin vorzuschlagen, den französischen und britischen Kollegen entgegenzukommen. Er hatte sich damit als jemand diskreditiert, dessen Handlungsmaxime nicht allein der Stalinsche Wille war.22 Die Absetzung Litvinovs bedeutete also in erster Linie eine Stalinisierung des Politikstils und kam nicht unbedingt einer inhaltlichen Aussage gleich. Tatsächlich spricht einiges dafür, dass in der Außenpolitik ein neuer Ton und Stil etabliert werden sollten. Denn obwohl der Große Terror 1938 beendet worden war, und obwohl viele Mitarbeiter des Außenamts bereits 1937/38 verhaftet worden waren, ließ Stalin in der Nacht zum 3. Mai 1939 das Außenamt mit NKVD-Männern umstellen und eine neue Verhaftungswelle anlaufen.23 So berichtet der deutsche Botschaftsrat Gustav Hilger: Als erstes beseitigte Molotow aus dem Außenkommissariat den letzten Rest der Intellektuellen, die dem Gesicht dieser Behörde einst das Gepräge gaben, und umringte sich fast ausschließlich mit jungen Großrussen, die dazu erzogen waren, auch die überraschendste Wendung der Stalinschen Außenpolitik widerspruchslos mitzumachen.24 Das Außenamt wurde „plebejisiert, provinzialisiert und russifiziert", so Sabine Dullin.25 Molotov rekrutierte eine neue Generation von Diplomaten: „effizient, leistungsfähig, skrupellos, hart und bedingungslos loyal zum Kreml, was immer er verlangte".26 Stalin glich sein Außenamt in der Formensprache damit auch an das Symbolsystem der Nationalsozialisten an. Ein anderes Zeichen nahm Hitler sicherlich noch aufmerksamer zur Kenntnis. Das Außenkommissariat sollte , judenfrei" sein: „Säubern Sie die , Synagoge'", befahl Stalin.27 Der Austausch des Außenministers war eine Warnung an die Briten, denen Stalin ihren wichtigsten Fürsprecher nahm, und ein Signal an Hitler; 21 Sebag Montefiori, Stalin [Fn. 8], S. 51. 22 Resis, The Fall of Litvinov [Fn. 21, S. 51. 23 Amy Knight, Beria. Stalin's first lieutenant, Princeton 1993, S. lOOf. Nahezu alle Abteilungsleiter des Außenamts wurden „gesäubert"; vier ehemalige bzw. noch amtierende stellvertretende Außenminister wurden erschossen; 140 führende Diplomaten aus den Auslandsvertretungen sowie aus dem Ministerium fielen dem Terror zum Opfer. Viele Botschaften verwaisten: Im Januar 1939 gab es in neun Ländern keinen sowjetischen Vertreter mehr, darunter in den USA, Japan und Polen. Očerki istorii Ministerstva inostrannych del Rossii, Band 2: 1917-2002. Moskva 2002, S. 199f, 238. 24 Hilger, Wir und der Kreml [Fn. 6], S. 276. 25 Dullin, Plebeian diplomats [Fn. 18], S. 444. 26 Charles Roetter: The Diplomatie Art: An Informal History of World Diplomacy. Philadelphia 1963, S. 108. 27 Zitat nach Sebag Montefiori, Stalin [Fn. 8], S. 346. - Siehe auch Watson, Molotov' s Apprenticeship [Fn. 9], S. 698. - John Weitz: Hitler's diplomat. The life and times of J. v. Ribbentrop. New York 1992, S. 97. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 12 Susanne Schattenberg ersteres wurde überhört, letzteres sofort registriert.28 verfehlte ihren Eindruck auf Hitler nicht", so berich Zwei Tage nachdem er die Nachricht erhalten h tigen Amt angewiesen, sofort nach Deutschlan Außenminister zu melden."29 Hitler und Stalin verband ihre Verachtung für die professionelle Diplomatie. Wie Stalin war Hitler bemüht, das Außenamt seinem Politikstil anzupassen - nicht nur inhaltlich, sondern auch formal.30 Er misstraute den Hausherren in der Wilhelmstr. 74-76 und verachtete sie für ihr behäbiges, unflexibles und unzeitgemäßes Verhalten.31 In einer Mischung aus bildungs- und klassenbedingtem Unterlegenheitsbewusstsein und pseudorevolutionärem Vernichtungswillen sah Hitler in den deutschen Karrierediplomaten in sozialer Hinsicht überwiegend stockaristokratische Existenzen und in politischer Hinsicht ,welt- und wirklichkeitsfremde' Miesmacher von , Briefträgerniveau4, so Ingeborg Fleischhauer.32 Hitler wünschte sich Diplomaten als Feilscher und Schacherer: Ein tüchtiger Botschafter muss Vergnügungsdirektor sein können; er muss jedenfalls kuppeln und fälschen können. Was er am wenigsten sein sollte, ist korrekter Beamter.33 Sowohl Stalin als auch Hitler ließen sich aber Zeit, bis sie ihre professionellen Außenminister absetzten und sie durch Gefolgsleute ersetzten, die sich in erster Linie durch totale Loyalität und Servilität auszeichneten:34 Hitler machte Joachim von Ribbentrop am 4. Februar 1938 zu seinem außenpolitischen Erfüllungsgehilfen; Stalin ernannte Molotov am 3. Mai 1939. Erich Sommer charakterisiert die beiden Newcomer: Molotov wurde beispielloses Gedächtnis, Reiß, unermüdliche Arbeitsfähigkeit, aber auch Unbeugsamkeit und Starrsinn nachgesagt. [. . .] Charakterlich und zeitgeschichtlich entsprach er am ehesten dem Typ eines Ribbentrop, der gegen sein besseres Wissen und durch Unterdrückung seines eigenen Gewissens seinem machthungrigen Auftraggeber bedenkenlos die Durchführung außenpolitischer Erpressungen und Abenteuer ermöglichte.35 28 Resis, The Fall of Litvinov [Fn. 211, S. 51. 29 Hilger, Wir und der Kreml [Fn. 6], S. 277. 30 Michael Bloch: Ribbentrop. London 1992, S. 35. - Stefan Creuzberger: Stalin. Machtpolitiker und Ideologe. Stuttgart 2009, S. 233. 31 Weitz, Hitler's Diplomat [Fn. 28], S. 297. 32 Reischhauer, Der Pakt [Fn. 3], S. 42. - Weitz, Hitler's diplomat [Fn. 28], S. 207. 33 Hermann Rauschning: Gespräche mit Hitler. Zürich 1940, S. 249f. Weitz, Hitler's diplomat [Fn. 28], S. 152. - Sebag Montefiori, Stalin [Fn. 8], S. 343. - Hilger, Wir und der Kreml [Fn. 6], S. 276. Erich F. Sommer: Botschafter Graf Schulenburg: Der letzte Vertreter des deutschen Reiches in Moskau. Asendorf 1989, S. 59. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Diplomatie der Diktatoren 1 3 Stalin und Joachim von Ribbentrop am 23. August 1939. © This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 14 Susanne Schattenberg Aufstieg zweier Außenminister Tatsächlich gab es zwischen den beiden Außenminis samkeiten in ihren Ambitionen, ihrer Abhängigkei Habitus, als ideologische Unterschiede, die sie trenn 1893 in Wesel am Rhein in einer keineswegs adligen Offiziersfamilie geboren. Das „von" legte er sich seiner blaublütigen Tante adoptieren ließ.36 Dies Streben nach höheren gesellschaftlichen Weihe jeden Preis in den Club der Reichen und Aristok werden, ist immer wieder als Beweis für Ribbentro Ehrgeiz interpretiert worden.37 Dabei war er zunäc Junge, den Karl May so stark begeisterte, dass er b nicht, wie vom Vater vorgesehen, Offizier zu werd waren Metz, Arosa, Grenoble, London, Montreal un schen Tätigkeit nachging, bevor er 1914 Hals über K Krieg zu ziehen.39 In seiner Zeit im Ausland lernte er nicht nur perfek sich auch eine große Weitläufigkeit und Stilsicherhei zunehmende Arroganz und Wichtigtuerei einher; Spö tadellosen äußerlichen Erscheinung mit Bowlerhat un länders40 und verhöhnten ihn als „Ribbensnob".41 19 das Enfant terrible der Sekt-Dynastie Henkell, di Goebbels soll über Ribbentrop gesagt haben: „Seinen hat er geheiratet, und sein Amt hat er sich erschwin Nichtsdestoweniger war dies eine Liebesheirat, die o die beide unersättlich nach gesellschaftlicher Anerke Wenn das junge Paar Ribbentrop ausging, da nouveaux riches unterwegs. Trotz ihrer Villa u sie ihren Platz in der höheren Gesellschaft Berl 36 Bloch, Ribbentrop [Fn. 31], S. lf. 37 Ebd., S. 18. - Weitz, Hitler's diplomat [Fn. 28], S. 6 Erinnerungen. München 1950, S. 154. - Hilger, Wir un chim C. Fest: Das Gesicht des Dritten Reiches. Profile ein Zürich 1986, S. 244. 38 Weitz, Hitler's diplomat [Fn. 28], S. 7. - Ribbentrop, Zwis 39 Ribbentrop, Zwischen London und Moskau [Fn. 1], [Fn. 28], S. 8ff. - Bloch, Ribbentrop [31], S. 5-8. 40 Bloch, Ribbentrop [Fn. 31], S. 15. 41 Fest, Das Gesicht des Dritten Reichs [Fn. 38], S. 246. 42 Bloch, Ribbentrop [Fn. 31], S. 12f. - Weitz, Hitler's D Zwischen London und Moskau [Fn. 1], S. 32. 43 Rudolf Semmler: Goebbels The Man next to Hitler. Lo 44 Weitz, Hitler's Diplomat [Fn. 28], S. 28. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Diplomatie der Diktatoren 1 5 John Weitz hat das Phänomen Ribbentrop denn auch mit de Jahre zu erklären versucht, einer schnelllebigen Zeit, in der schien: Joachim von Ribbentrop, ein gutaussehender junger E Teil des jazzigen, verruchten Berlins der späten Zwa zizeit begann als großes Abenteuer und Erfüllung sein ersten Mal hatte von Ribbentrop mit jemandem zu tun Schlechte in ihm gleichzeitig ansprach. Hitler muss di und Allmachtsfantasien berührt haben, die Joachim vo sich getragen und nie auszudrücken gewagt hatte, wei zogen" und zu konservativ war.45 Joachim C. Fest pflichtet ihm bei: Im Außenamt war denn auch der sichtbarste Ort, an dem der Dämm in die große Politik einstieg, alle Figuren umwarf und fassungslosen Welt seine verblasenen Redensarten, sei und seine Imponiersucht in des Wortes Doppeldeutung monstrierte. Der Repräsentant dieses Typus war der Au ten Reiches, Joachim von Ribbentrop.46 Kurz, das Ehepaar Ribbentrop, das sich von der Berliner Ge akzeptiert fühlte, erlag den Versuchungen der Nazis, die bü mit fantastischen Aufstiegschancen köderten.47 Ribbentrop war Zeit seines Lebens stolz darauf, durch seine Hitler und von Papen Hitler an die Macht gebracht zu haben.4 indem er Ribbentrop zu seinem außenpolitischen Agenten ma verhasste Außenamt zu umgehen suchte. Während von Pape einen diplomatischen Posten zu bekommen, mit dem Hinwe bedürfe es jahrelanger Erfahrung und Ausbildung, begriff Hitle ein Werkzeug hatte, um sich das Außenamt zu unterwerfen.4 Ribbentrop nach Paris und London, wo sich Franzosen und En che Befugnisse dieser Mann habe, wenn er kein Abgesandte Ribbentrops Verständnis von Diplomatie brachte Außenmin den Punkt: Er war durch und durch ein Kaufmann, und seine Vorstellungen von Staatskunst und Diplomatie erschöpften sich darin. Seine Aufgabe war es, Hitlers Deutschland, aber in erster Linie Hitler selbst anzupreisen.51 45 Weitz, Hitler's Diplomat [Fn. 28], S. VIII-IX, 47. 46 Fest, Das Gesicht des Dritten Reichs [Fn. 38], S. 244. 47 Weitz, Hitler's Diplomat [Fn. 28], S. 47; Ribbentrop, Zwischen London und Moskau [Fn. 1], S. 36. 49 Bloch, Ribbentrop [Fn. 31], S. 34f. 5 Weitz, Hitler's Diplomat [Fn. 28], S. 71. 51 Anthony Eden, Facing the Dictators, London 1962, S. 89. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 16 Susanne Schattenberg Seine diplomatische Unerfahrenheit bewies Ribbent beim Lord President Stanley Baldwin anmeldete, warten, und ihm dann beim Mittagessen langatmig Ideen hielt. Der Premier Ramsay Macdonald urteilte Ein angenehm sprechender Mann mit dieser A sowohl unschuldig als auch hart oder hasserfull chen Stimme, die einen vereinnahmt, aber nie d bringt. . . Kann in Hitler nichts Schlimmes entd Rechte, Gefühle oder Positionen anderer Natio wir uns nicht verhalten, wie Hitler es wünscht.5 Auch die deutschen Diplomaten waren befremdet, w phierend berichtete, wie gut er bei Baldwin Konvers sich gewonnen hätte. Hitler glaubte gern seinem ignorierte die „Miesmacher" aus der Wilhelmstraße. ßenpolitik, „eine wichtige Meldung möglichst als er herauszufühlen, wie dieser sie bewertete und worau entblödete er sich nicht, nun schon als Botschafter d gruß zu entbieten, , jener berühmte Fauxpas, der ger tantischen und ungehörigen Diplomatie geworden ist Die deutschen Diplomaten müssen entsetzt gewes 1938 zu ihrem obersten Dienstherrn ernannt wurde und Ribben trops Arbeitsweise hätten unterschiedlic stand wie Hitler spät auf und arbeitete bis tief in d interessierten ihn nicht, wie er sich überhaupt berat Diskutieren kam aber bei der eruptiven, an den eigen begeisternden Denk- und Sprechweise des Herrn v. Staatssekretär Ernst von Weizsäcker.56 Der französische Botschafter in Berlin, Robert Coulondre, pflichtete bei: Herr von Ribbentrop aber monologisiert eiskalt. Es ist vergeblich, ihm die eigene Auflassung auseinanderzusetzen, er hört ebensowenig hin, wie seine kalten leeren Mondaugen einen sehen. Immer von oben herab, immer in Pose, versetzt er mit schneidender Stimme seinem Gegenüber die wohlvorbereitete Ansprache; das Weitere interessiert ihn nicht mehr; man hat sich nur noch zurückzuziehen. An diesem, übrigens gut aussehenden Germanen ist nichts Menschliches außer den niedrigen Instinkten.57 52 Zit. nach David Marquand, Ramsay Macdonald, London 1977, S. 756. 53 Bloch, Ribbentrop [Fn. 31], S. 44-46; Weitz, Hitler's Diplomat [Fn. 28], S. 73. Erich Kordt, Nicht aus den Akten. Die Wilhelmstraße in Frieden und Krieg. Erlebnisse, Begegnungen, und Eindrücke 1928-1945, Stuttgart 1950, S. 202. 55 Fest, Das Gesicht des Dritten Reiches [Fn. 38], S. 249. Weizsäcker, Erinnerungen [Fn. 38], S . 154. Robert Coulondre: Von Moskau nach Berlin 1936-1939. Erinnerungen des französischen Botschafters. Bonn 1950, S. 313. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Marìnus ( Jacob Kjeldgaard): Der Blinde und der Lahme. Fotomontage. Aus der französischen Zeitschrìft „Marianne", 28.2.1940. © Musée français de la Photographie, Bièvres This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 18 Susanne Schattenberg Ribbentrop brüllte seine Beamten nicht nur an, bis versuchte anfangs auch, sie einem militärischen Dril arten und Zusammenstöße, wie sie sonst in unserem te Ribbentrop sich nicht abgewöhnen", so Weizsäcker Ribbentrop stand also genauso wie Molotov für eine beide verachteten die langgedienten Diplomaten, be beide kannten nur eine Bezugsgröße: ihren „Führer über Ribbentrops dumm-dreiste Reden beklagten, s Debüt in der Außenpolitik - einem Kulturbruch, de Der britische Botschafter Sir William Seeds beklagt Office: Es ist mein Schicksal, mit einem Mann zu verha keine Ahnung hat und dem die Idee des Verhan deutet, dem Gegenüber den Willen des eigenen - vollkommen fremd ist. Er zeichnet sich durch eine eher törichte Bauernschläue aus f...].60 Und William Strang pflichtete ihm bei: Der Kreml hat die Außenpolitik selbst in die Hand genommen. Das Kommissariat für Äußere Angelegenheiten ist rigoros gesäubert worden, und es gibt außer Potemkin niemand Kompetenten mehr, mit dem man über den Gegenstand unserer Verhandlungen sprechen könnte... Molotovs Technik ist es, hartnäckig und unnachgiebig seinen eigenen Standpunkt zu wiederholen und seinem Gegenüber unzählige Fragen zu stellen.61 Ähnlich urteilte Hans von Herwarth, Zweiter Sekretär an der Moskauer Botschaft: Wir waren uns einig, dass Molotov ein fleißiger Mann ohne herausragende Eigenschaften war, der Typ des braven Beamten, der zuverlässig und humorlos hinter einem großen Schreibtisch sitzt und Weisungen peinlich genau ausführt. [. . .] Selbst in unwichtigen Fragen holte er Weisung von Stalin ein.62 Molotov unterschied von Ribbentrop nur, dass er keine Fremdsprachen beherrschte und die Welt nicht bereist hatte. Abgesehen davon hätte die Charakterisierung, die Churchill von Molotov gab, auch auf Ribbentrop gepasst: stechende Augen, Eloquenz und Beharrlichkeit, ein Lächeln, das eine sibirische Kälte ausstrahlte, sorgsam abgewogene und oft weise Worte sowie tadellose Manieren.63 58 Hilger, Wir und der Kreml [Fn. 6], S. 277. 59 Weizsäcker, Erinnerunsen [Fn. 381, S. 157. 60 Documents on British Foreign Policy 1919-1939. 3rd Series, Vol. 5. London 1952, S. 722. Strang, Home and Abroad [Fn. 20], S. 174. Hans von Herwarth: Zwischen Hitler und Stalin. Erlebte Zeitgeschichte 1931-1945. Frankfurt/Main 1989, S. 163. 63 Zitiert nach Očerki istorii Ministerstva inostrannych del Rossii, Band 3: Biografii ministrov inostrannych del, 1802-2002. Moskva 2002, S. 355. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Diplomatie der Diktatoren 19 Wie Ribbentrop stammte Molotov aus bürgerlichen Ver Kaufmann, und auch seine Mutter kam aus einer reichen Kaufmannsfamilie. Wie Ribbentrop spielte Molotov Geige; er besuchte ein Realgymnasium in Kasan. Doch während der Revolution 1905 verließ er das bürgerliche Lager und trat 1906 in die Sozialdemokratische Partei Russlands ein. Es folgten Verhaftung und Verbannung, die Leitung der Pravda sowie der Sozialdemokratischen Fraktion in der Vierten Duma.64 Nach erneuter Haft und Verbannung folgte nach 1917 eine steile Karriere in Partei und Staat an der Seite Stalins, der ihn 1930 zum Ministerpräsidenten und 1939 zu seinem Außenminister machte. Seine Schule war die von Stalins innerstem Kreis gewesen - nicht mehr und nicht weniger. Molotov war darauf stolz und betonte, dass die bolschewistische Politik die beste Ausbildung in Diplomatie sei.65 Er brüstete sich, 1939 die baltischen Vertreter hart angegangen und sie zu den Beistandspakten gezwungen zu haben: Ich muss Ihnen anvertrauen, dass ich einen sehr harten Kurs fuhr. Der Außenminister Lettlands kam 1939 zu uns, und ich sagte ihm: „Sie fahren nicht nach Hause, bevor Sie nicht den Anschluss an uns unterschrieben haben.66 Molotov schien geradezu erstaunt über seine im Laufe der Zeit gewonnene Erkenntnis zu sein, dass man als Außenpolitiker nicht immer gleich den anderen beschimpfen und ihn mit unflätigen Ausdrücken überziehen müsse, dass es sogar ohne dies besser gehe.67 Tatsächlich wurde er mit der Zeit etwas erfahrener, berichtete sein Gesprächspartner Strang, aber: Es wird auch mit voranschreitender Zeit nicht einfacher, mit Molotov umzugehen. Er ist inzwischen zwar mit den Details unseres Problems vertraut, und Sie werden bemerkt haben, dass die Entwürfe, die er schreibt, ob sie nun seine eigenen sind oder von seinen Mitarbeitern stammen, raffiniert konstruiert sind, obwohl sie, wie man mir sagt, in einem schrecklichen Russisch verfasst sind. Aber es ist schwierig, mit ihm zurechtzukommen. Er scheint von den Detaildiskussionen gelangweilt zu sein, und die wunderbaren Argumente, mit denen Sie uns versorgen, machen offensichtlich wenig Eindruck auf ihn. Wir brauchten z.B. unglaublich lange, um ihm den Unterschied zwischen „ein Abkommen paraphieren", es „unterzeichnen" und „in Kraft setzen" zu erklären, und wir sind immer noch nicht sicher, ob er es wirklich verstanden hat. Tatsächlich haben wir den Eindruck, dass die Kontroversen zwischen uns manchmal einfach auf Missverständnissen beruhten. [. . .] Im Ganzen waren die Verhandlungen eine erniedrigende Erfahrung.68 Molotov sagte in den 1970er Jahren rückblickend, er habe seine Aufgabe als Außenminister darin gesehen, die Grenzen des Vaterlandes so weit wie möglich auszudehnen: „Und mir scheint, das ist Stalin und mir gut gelungen."69 Einen ähnlichen Satz 64 Ebd., S. 356. 65 Sebag Montefiori, Stalin [Fn. 8], S. 344. 66 F. Čuev: 140 besed s Molotovym. Moskva 1991, S. 15. 67 Ebd., S. 28. 68 Strang, Home and Abroad [Fn. 20], S. 181. - Documents on British Foreign Policy 1919- 1939. Third Series, Vol. VI, 1939. London 1953, S. 422. 69 Čuev, 140 besed [Fn. 67], S. 14. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 20 Susanne Schattenberg hätte wohlmöglich auch Ribbentrop später formulie falls, er habe sich gebrüstet: Wenn der Krieg vorbei ist, werde ich mir eine anfertigen lassen. Dahinein will ich alle Staats chungen zwischen Regierungen tun, die ich gebrochen habe und die ich in Zukunft brechen Die Zeichen werden gesetzt Trotz dieser zahlreichen Gemeinsamkeiten und Parallelen herrschte im Vorfeld des Zusammentreffens der beiden Außenminister am 23. August 1939 in Moskau große Unsicherheit und großes wechselseitiges Misstrauen. Delegationsmitglied und Übersetzer Peter Kleist berichtet: Eine Empfindung aber spüre ich heute noch in aller Deutlichkeit: die ungeheure Spannung des Abenteuers, in das wir hineinfuhren. Niemand konnte eine Garantie geben, dass uns die Sowjets in Moskau nicht mit einem perfekten englisch-französischem Abkommen überraschten; niemand konnte voraussagen, ob Ribbentrop nicht zu langen, zermürbenden Verhandlungen gezwungen werden würde, wie sie die Praktiker der östlichen Diplomatie gewohnt sind.71 Um so wichtiger war es in einer solchen Situation, die richtigen Zeichen zu setzen, und das tat die sowjetische Seite, indem sie am Flughafen das Hakenkreuzbanner hisste. Die erste Sensation, die ich nach Verlassen des Flugzeugs erblickte, war ein Flughafenschild. , Moscou", las ich in französischer Sprache und sah das Hakenkreuzbanner und die rote Sowjetflagge mit Hammer und Sichel in trautem Verein zu beiden Seiten des Namens im Winde flattern.72 Es tat nichts zur Sache, dass die Hakenkreuzfahnen aus einem Filmstudio stammten, in dem gerade ein Antinazifilm gedreht wurde, und dass die Hakenkreuze auf der einen Fahnenseite spuiegelverkehrt abgebildet waren.73 Entscheidend war als Zeichen, dass Stalin auf sowjetischem Boden ein Symbol zuließ, das bisher mit Antibolschewismus schlechthin gleichgesetzt worden war. Dass nun Hammer und Sichel mit dem Hakenkreuz Seite an Seite im Wind wehten, bedeutete nichts anderes, als dass Stalin bereit war, von der Ideologie zu abstrahieren. Dass es viele Parallelen in der Formensprache gab, schien offensichtlich. Das reichte von den Gemeinsamkeiten zwischen 70 Zitiert nach Semmler, Goebbels [Fn. 441, S. 102. 71 Peter Kleist: Zwischen Hitler und Stalin. Bonn 1950, S. 55. Paul Schmidt: Statist auf diplomatischer Bühne 1923-1945. Erlebnisse des Chefdolmetschers im Auswärtigen Amt mit den Staatsmännern Europas. Von Stresemann und Briand bis Hitler, Chamberlain und Molotow. Bonn 1949; Neuaufl.: München 2005, S. 450. 73 Weitz, Hitler's Diplomat [Fn. 28], S. 209. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Diplomatie der Diktatoren 21 NKVD- und Gestapo-Beamten, die sich am Flughafen freun Vorliebe für monumentale Architektur: „Die Diktatoren sch breiten Prachtstraßen zu finden", bemerkte Dolmetscher dem Auto durch Moskau fuhren.75 Nach diesem vielversprechenden Auftakt war es an der deutschen Seite, Zeichen zu setzen, und dies geschah durch Ribbentrop, der bewusst und gezielt alte diplomatische Gepflogenheit außer Acht lassend zur Eile drängte. Als Botschafter von der Schulenburg und Botschaftsrat Hilger ihm rieten, sich Zeit zu lassen und keine Hast zu zeigen, schnitt Ribbentrop beiden Herren mit einer seiner ungeduldigen Handbewegungen das Wort ab. Ohne weitere Erklärung forderte er Schulenburg auf, dem Kreml mitzuteilen, dass er spätestens in vierundzwanzig Stunden wieder in Deutschland sein müsse.76 Zeit war in der Diplomatie immer ein Machtfaktor; jemanden warten zu lassen, bedeutete, dem anderen seine Überlegenheit zu demonstrieren oder auch ihn zu demütigen. In dieser Situation war aber nicht nur entscheidend, dass Hitler den Termin fur den Überfall auf Polen schon festgesetzt hatte, sondern auch, dass beide Systeme für sich eine besondere Dynamik und Geschwindigkeit in Anspruch nahmen. „Dynamik war hier nichts anders als ein Synonym fur die Bereitschaft, unentwegt aufs Ganze zu gehen", so Joachim C. Fest.77 Simon Sebag Montefiori urteilt: „Fü r dieses Tempo [des europäischen Pokerspiels] erwiesen sich die Diktatoren viel besser geeignet als die Demokratien."78 Tatsächlich war Geschwindigkeit ein elementarer Bestandteil der Fortschrittsideologie Stalins, der 1931 gepredigt hatte, die Sowjetunion müsse 300 Jahre Rückstand in zehn Jahren aufholen, wolle sie nicht zermalmt werden: Zuweilen wird die Frage gestellt, ob man nicht das Tempo etwas verlangsamen, die Bewegung zurückhalten könnte. Nein, das kann man nicht, Genossen! Das Tempo darf nicht herabgesetzt werden! Im Gegenteil, es muss nach Kräften und Möglichkeiten gesteigert werden. [. . .] Das Tempo verlangsamen, das bedeutet zurückbleiben. Und Rückständige werden geschlagen.79 Stalin begriff die Eile also durchaus nicht als Zeichen der Schwäche oder gar als diplomatischen Fehlgriff, sondern ganz im Gegenteil als Indiz dafür, dass die Partner seine Sprache sprachen. Unmiss verständlich drückte Molotov seine Bewunderung für den Sturmschritt aus: 74 Herwarth, Zwischen Hitler und Stalin [Fn. 63], S. 186. - Anthony Read, David Fisher: The Deadly Embrace. Hitler, Stalin and The Nazi-SovietPact 1939-1941. New York 1988, S. 248. 75 Schmidt, Statist auf diplomatischer Bühne [Fn. 73], S. 451. 76 Kleist, Zwischen Hitler und Stalin [Fn. 72], S. 56. 77 Fest, Das Gesicht des Dritten Reichs [Fn. 38], S. 251. 78 Sebag Montefiori, Stalin [Fn. 8], S. 349. 79 J.W. Stalin: Werke, Bd. 13. Berlin 1955, S. 35. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 22 Susanne Schattenberg Die Tempi von 650 km in der Stunde, mit denen te, erweckten bei der Sowjetregierung aufrich nergie und seine Willenskraft seien ein Unterpf vollbrachte Werk der Schaffung freundsc Deutschland von Dauer sein würde.80 Die Diplomaten alter Schule wunderten sich nur ob dieses „gewagten Husarenstücks",81 kein vergleichbares Abkommen war je in so kurzer Zeit verhandelt worden:82 Wir [. . .] hatten uns also nur 24 Stunden in Moskau aufgehalten. Ribbentrop hatte zweifellos einen diplomatischen Schnelligkeitsrekord aufgestellt, auch nach heutigen Maßstäben.83 Das imponierte ohne Frage nicht nur Stalin, der bereits im Vorfeld von Hitler unterrichtet worden war, dass der Reichsaußenminister maximal zwei Tage in Moskau bleiben könnte.84 Es hob die deutsche Delegation entscheidend von der britischfranzösischen ab, die den Fehler beging, mit einem langsamen Dampfschiff nach Moskau zu reisen.85 Die Briten und Franzosen unterschätzten die Symbolkraft einer so umständlichen Anreise im Schneckentempo. Während die Deutschen mit zwei Condor-Flugzeugen in zwei Flugtagen Moskau erreichten, verbrachte die französischbritische Militärdelegation fünf Tage auf See und musste dann noch die Tagesreise von Leningrad nach Moskau antreten.86 Dabei wählte sie nicht einmal einen schnellen Marinekreuzer, sondern bestieg am 5. August ein Dampfschiff der Handelsflotte, so dass sie erst am 1 1 . August in Moskau eintraf.87 Es ist nicht verwunderlich, dass Stalin, als er von der Reiseroute und dem gewählten Verkehrsmittel erfuhr, urteilte: Das ist nicht ernstzunehmen. Diese Leute können nicht über die nötigen Vollmachten verfugen. London und Paris wollen weiterhin Poker spielen.88 Nicht nur Verkehrsmittel und Tempo wurden als Zeichen gedeutet; auch die Auswahl der entsandten Personen sprach für sich. Während die Delegation der Franzosen und 80 Ingeborg Fleischhauer: Der deutsch-sowjetische Grenz- und Freundschaftsvertrag vom 28. September 1939. Die deutschen Aufzeichnungen über die Verhandlungen zwischen Stalin, Molotov und Ribbentrop in Moskau, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (1991) 3, S. 447-470, hier S. 467. 81 Kleist, Zwischen Hitler und Stalin [Fn. 72], S. 63. 82 Bloch, Ribbentrop [Fn. 31], S. 249. 83 Schmidt, Statist auf diplomatischer Bühne [Fn. 73], S. 455. 84 Rossijskij gosudarstvennoj archiv social ' no-političestkoj istorii (RGASPI), Bestand (f.) Stalin 558, Findbuch (op.) 11, Akte (d.) 296, Blatt (1.) 5: „Herrn J.W. Stalin, Moskau" von Adolf Hitler, 20. August 1939. 85 Sebag Montefiori, Stalin [Fn. 8], S. 350. 86 Geoffrey Roberts: The Alliance that Failed. Moscow and the Triple Alliance Negotiations, 1939, in: European History Quaterly, 26/1996, S. 383-414, hier S. 406. 87 Watson, Molotov' s Apprenticeship [Fn. 9], S. 713. 88 Volkogonov, Stalin [Fn. 5], S. 19-20. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Diplomatie der Diktatoren 23 Briten eine verheerende Wirkung hatte,89 weil sie , Admi inconnu" schickten,90 waren die Avancen der Deutschen ein lich verfasste ein Telegramm, und der Außenminister reist Interesse und Hochachtung bzw. Desinteresse und Gerings der entsandten Personen auszudrücken, war ein altes Mitt unter Hitler und Stalin seine Gültigkeit nicht verloren hat als er an „Herrn Stalin" schrieb; England und Frankreic unbewusst - mit der Delegationsauswahl ihr Desinteresse b heit zum Ausdruck.92 Molotov gab klar zu erkennen, dass fänglich war, wie Botschafter von der Schulenburg bericht Zu der beabsichtigten Reise des Herrn Reichsaußenm die Sowjetregierung diesen Vorschlag sehr hoch schä eines so hervorragenden Politikers und Staatsmannes Absichten der Deutschen Regierung unterstreiche. D achtlichen Gegensatz zu England, das in der Person v rangigen Beamten nach Moskau entsandt hätte.93 Auch den englischen Beteiligten war von Anfang an klar, der Delegation ein entscheidender Fehler war. Der entsand besser gewesen, statt seiner einen Minister zu schicken.94 C Das war ein weiterer Fehler. Die Entsendung einer so wurde geradezu als Beleidigung empfunden. Es ist zw auch nur gelang, die äußere harte Schale des Sowje chen. Übrigens war es jetzt ohnedies zu spät.95 Besonders verheerend war, dass Strang auf Molotovs Frag Unterschrift habe, peinlich berührt war und zugeben muss don eine Erlaubnis einholen zu müssen.96 Vor diesem Hint gung des deutschen Außenministers durch ein persönliche eine Reverenz, die ihren Eindruck nicht verfehlte. Ausdrü dass Ribbentrop „umfassendste Generalvollmacht zur Abf des Nichtangriffspakts sowie des Protokolls" mitbringen 89 Watson, Molotov' s Apprenticeship [Fn. 9], S. 713. 90 Fisher/Read, The deadly embrace [Fn. 75], S. 257. 91 Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918-1945. Aus dem wärtigen Amtes. Baden Baden 1956 (im Folgenden: AD AP), S. 92 Roberts, The Alliance that failed [Fn. 87], S. 405f. 93 Hass, Hitler-Stalin-Pakt [Fn. 2], S. 169. 94 Strang, Home and Abroad [Fn. 20], S. 158. 95 Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg, Bd. 1 : Der Sturm zi 96 Watson, Molotov' s Apprenticeship [Fn. 9], S. 714. - Siehe au failed [Fn. 87], S. 405. 97 RGASPI [Fn. 86], f. 558, op. 1 1, d. 296, 1. 5 This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 24 Susanne Schattenberg Schriftstück durch und war offensichtlich stark beei lenburg nach Berlin.98 Das persönliche Schreiben Hitlers an Stalin qualifizi und Anthony Read als „ein typisch unorthodoxer Zug chen Diplomatie überschritt".99 Michael Bloch geht Hitlers schmeichelndes Telegramm der Pakt wohl n Auch wenn Ingeborg Fleischhauer der Meinung ist, d digungen Hitlers habe beeindrucken lassen, spricht d das Gegenteil: Stalin gab seine Verzögerungstaktik der Deutschen ein.101 Während Molotov die britischen und französischen Gesandten demütigte, indem er dem Dinner zu Ehren der eingetroffenen Militärdelegation fernblieb und bei den Verhandlungen auf einem Podest über ihnen thronte, während sie mühsam ihre Papiere auf den Knien balancierten, wurde der deutschen Delegation die Ehre zuteil, von Stalin höchstpersönlich begrüßt zu werden. 102 Ribbentrop schreibt in seinen Memoiren: [Wir wurden] in ein längliches Arbeitszimmer geführt, an dessen Ende uns Stalin stehend erwartete, neben ihm Molotow. Graf Schulenburg konnte einen Ruf der Überraschung nicht unterdrücken. Obwohl er schon mehrere Jahre Botschafter in Moskau war, hatte er Stalin selbst noch nie gesprochen.103 Nicht nur Schulenburg hatte Stalin noch nie gesprochen: Stalin hatte bis dahin an keinen internationalen Verhandlungen teilgenommen und jeden Kontakt mit Ausländern vermieden.104 Das Zeichen, das Stalin mit seinem bloßen Erscheinen setzte, kann also kaum überbewertet werden. Es war gewissermaßen das Äquivalent zu Hitlers persönlichem Schreiben. Beide Seiten brachten durch die Figuren, die sie ins Spiel schickten, zum Ausdruck, welche Ehre sie dem Gegenüber erweisen wollten und wie ernst es ihnen war. Gustav Hilger kommentierte: Dies war ein von Stalin im voraus berechneter Effekt und gleichzeitig eine deutliche Warnung an Ribbentrop, dass der Vertrag entweder auf der Stelle oder nie geschlossen werden würde.105 98 AD AP [Fn. 92], S. 140. 99 Fisher, Read, The deadly embrace [Fn. 75], S. 223. 100 Bloch, Ribbentrop [Fn. 31], S. 246. 101 RGASPI [Fn. 86], f. 558, op. 11, d. 296, 1. 1. 102 Watson, Molotov' s Apprenticeship [Fn. 9], S. 714. - Strang, Home and Abroad [Fn. 201, S. 175. 103 Ribbentrop, Zwischen London und Moskau [Fn. 1], S. 179f. 104 Sommer, Botschafter Graf Schulenburg [Fn. 36], S. 75. 105 Hilger, Wir und der Kreml [Fn. 6], S. 286. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Diplomatie der Diktatoren 25 „Wie unter alten Parteigenossen" Nachdem das Feld auf diese Art vorbereitet war und Hitler sowie Stalin die Zeichen gesetzt hatten, waren die Verhandlungen fast ein Selbstläufer. Sobald sich die beiden Außenminister bzw. Ribbentrop und Stalin persönlich gegenüberstanden, war die Kommunikation einfach: Beide Seiten entdeckten, dass sie dieselbe Symbolik benutzten. Ribbentrop, der während einer Verhandlungspause in die deutsche Botschaft zurückkehrte, „quoll förmlich über vor Begeisterung über Molotow und Stalin [...]. ,Es geht mit den Russen ganz ausgezeichnet4, rief der deutsche Außenminister während einer kurzen Abendmahlzeit aus. , Wir werden bestimmt noch heute Abend einig werden.44'106 Es ist bezeichnend, dass der Danziger Gauleiter, der Ribbentrop auf seiner zweiten Moskaureise Ende September begleitete, meinte, er habe „sich unter alten Parteigenossen44 befunden.107 Auch Ribbentrop schwärmte nach seiner Rückkehr nach Berlin wiederholt, „er habe sich im Kreml so wohl gefühlt wie unter alten nationalsozialistischen Parteigenossen44.108 Vieles verband die deutschen und die sowjetischen Parteigenossen: der Verhandlungsstil, ihr Erscheinungsbild, der Hass auf England und der Bezug auf Bismarck. Wie beim Tempo waren sich beide Seiten auch bei der Wortwahl einig, auf diplomatische Konventionen zu verzichten und sich einer klaren, direkten Sprache zu bedienen. Sowohl Hitler wie Stalin verachteten die Diplomatie alter Schule wegen ihrer Umständlichkeit und Affektiertheit und bevorzugten eine gerade, einfache Ausdrucksweise. Ribbentrop berichtet von dem Gespräch mit dem sowjetischen vozď: „Dann sprach Stalin - kurz, prägnant, ohne viele Worte zu machen, aber was er sagte, war klar und unmissverständlich [. . .]. 44109 Kleist erinnert sich, dass Ribbentrop begeistert war: Noch nie habe er einem Partner gegenüber gesessen, der so, wie Stalin, gleichsam sein Hauptbuch aufschlägt und nun klipp und klar seine Position darlegt.110 Molotov bestätigte, in der Diplomatie müsse von vornherein geklärt werden, welche Pläne bestehen, welche Ziele angestrebt werden und welche Stimmung vorherrscht. Hitler sei in dieser Hinsicht sehr „korrekt44 gewesen.111 Molotov ließ Ribbentrop als einen Mann hochleben, „der niemals umsonst komme44.112 Während sich der nationalsozialistische und der stalinistische Außenminister einig waren, dass man in ihrer Diplomatie neuen Stils ohne große Umschweife zur Sache kam, beklagte die englische Seite genau diese fur sie ungewohnte Herangehensweise. Strang stöhnte: ,3ei 106 Schmidt, Statist auf diplomatischer Bühne [Fn. 73], S. 452. 107 Ribbentrop, Zwischen London und Moskau [Fn. 1], S. 209. 108 Hilgen Wir und der Kreml [Fn. 6], S. 296. - Weitz, Hitler's Diplomaten. 281, S. 210. 109 Ribbentron. Zwischen London und Moskau TFn. 11. S. 180. 110 Kleist, Zwischen Hitler und Stalin [Fn. 72], S. 57. 111 Čuev, 140 besed [Fn. 67], S. 28. 112 Fleischhauer, Der deutsch-sowjetische Grenz- und Freundschaftsvertrag [Fn. 81], S. 467. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 26 Susanne Schattenberg Molotov musste man genau sagen, was man meinte, das musste in denselben Worten ständig wiederholt Dass sich die Deutschen im Kreml „wie unter alte ferner daran, dass beide Seiten die gleiche Körperäs schwärmte von Stalin und den „Männern mit den s eigenen Körperideal entsprachen: Sein ausgeprägter Wunsch, dem er diesseits un cherlichen nachjagte, war es, auch als ,Mann m scheinen. Von daher rührten die verkrampfte die gekünstelte, verkniffene Haltung des vo danken erfüllten Staatsmannes; die mühsam ganze cäsarische Grimassieren.115 „Starke Gesichter", hochgewachsene Menschen und treten waren Zeichen, derer sich beide Seiten bedie ungewöhnliches Äußeres zu, das zu seinem Mark wirkendes Pincenez, das im Zusammenspiel mit sein unerbittlichen Härte und Wortkargheit zum eindeut sich aus der Reihe der demokratischen Diplomaten h Derart standen sich zwei Männer gegenüber, die bere dass sie sich von gewöhnlichen Diplomaten demo unterschieden. Das äußere Erscheinungsbild des Geg nicht. Molotov blieb in Erinnerung, dass Ribbentro Mann war,117 und Stalin begeisterte sich so sehr für mens Richard Schulze, dass er diese eigentlich ni bat, um sich mit ihm ablichten zu lassen.118 Neben all diesen so augenfälligen Gemeinsamkei mussten sich die beiden Seiten dennoch vergewisser men Formensprache genügend inhaltliche Übereins schaulichen Differenzen keinen Hinderungsgrund fü Hitler und Stalin, indem sie wiederholt betonten, d fehl am Platze sei. Hitler unterstrich in seinem Brie Die Entwicklung der neueren Zeit scheint zu z Weltauffassungen ein vernünftiges Verhältnis und die Wiederherstellung neuer guter Zusamm [. . .] Reale Interessengegensätze zwischen De stehen nicht.119 113 Strang, Home and Abroad [Fn. 20], S. 165. 114 Schmidt, Statist auf diplomatischer Bühne [Fn. 73], S. 115 Fest, Das Gesicht des Dritten Reiches [Fn. 38], S. 245 116Roetter, The Diplomatie Art [Fn. 271S. 108. 117 Čuev, 140 besed [Fn. 67], S. 19. 118 Fisher, Read, The deadly embrace [Fn. 75], S. 249, 25 119 ADAP [Fn. 92], S. 51. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Diplomatie der Diktatoren 27 Der sowjetische Botschaftsrat in Berlin, Georgij A. Astach der Berliner Botschaft im Rahmen des Großen Terrors un schafters Aleksej F. Merekalov im April 1939 als einziger A schen in Berlin verblieben war und der 1942 selbst im Lag lenburg im Gespräch, dass auch die sowjetische Seite keine zen zwischen den Interessen Deutschlands und der Sowj sche Gegensätze guten diplomatischen Beziehungen nicht i Auch Stalin betonte zu Beginn des Gesprächs im Kreml, d lang „mit Kübeln von Jauche Übergossen" habe, dies aber der zu einer gemeinsamen Basis zurückzukehren.121 Dass eine Annäherung möglich war, wurde sowohl historisc genden Stellung der beiden Reiche bzw. Völker begründet. R Moskau: „Das Volk fühlt instinktiv, dass es zwischen Deutsc keine natürlichen Gegensätze gebe [. . .]."122 Hitler setzte M 1940 in Berlin auseinander, dass Konflikte dort vermeidbar onen von zwei so großen Persönlichkeiten geführt würden, erfreuten, wie es jetzt der Fall sei.123 Beide strichen die Au Nationen und Führer heraus: „Diese Zusammenarbeit stelle die alle anderen Kombinationen zurückweichen müssten."124 Um die Gemeinsamkeiten zu beschwören, wurde der Erzfeind England bemüht, der durch seine „Machenschaften" die guten Beziehungen zwischen Deutschland und Russland sabotiert habe.125 Stalin behauptete, dass England von den Bolschewisten stets am meisten beschimpft und gehasst worden sei; das könne man schon bei Lenin nachlesen: Die Sowjetregierung denke nicht daran, mit diesen „vollgefressenen" Staaten wie England, Amerika und Frankreich irgendwelche Bindungen einzugehen. Chamberlain sei ein Schafskopf, aber Daladier ein noch größerer Schafskopf.126 Darin wusste sich Stalin mit Ribbentrop einig, dessen Kehrreim war: „England ist an allem schuld."127 Die Engländer seien nicht nur gewissenlose Politiker, sondern auch schlechte Soldaten.128 In ihrer Abneigung gegenüber dem Westen fanden Nationalsozialisten und Stalins engster Kreis eine gemeinsame Grundlage für ihr Zusammengehen.129 Ribbentrop betonte daher beim Bankett in der Nacht vom 23. auf den 24. 120 Lew Bezymenskij: Stalin und Hitler, das Pokerspiel der Diktatoren. Berlin 2002, S. 201. 121 Ribbentrop, Zwischen London und Moskau [Fn. 1], S. 180. - Hilger, Wir und der Kreml [Fn. 6], S. 290. 122 ADAP [Fn. 92], S. 191. 123 RGASPI [Fn. 86], f. 558, op. 1 1, d. 97, 1. 19. 124 Fleischhauer, Der deutsch-sowjetische Grenz- und Freundschaftsvertrag [Fn. 113], S. 457. 125 ADAP, S. 191. 126 Fleischhauer, Der deutsch-sowjetische Grenz- und Freundschaftsvertrag [Fn. 1 13], S. 457, 469. 127 Schmidt, Statist auf diplomatischer Bühne [Fn. 73], S. 454. 128 RAGSPI [Fn. 86], f. 588, op. 11, d. 296, 1. 10. 129 Tucker, The Emergence of Stalin's Foreign Policy [Fn. 8], S. 583. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 28 Susanne Schattenberg August, dass der Antikominternpakt im Grunde nic gegen die westlichen Demokratien gerichtet gewese dass Stalin noch selbst dem Antikominternpakt bei Stalin in bester Laune sein Glas und brachte einen T gegner Stalin" aus.131 Zusätzlich zu der herausragenden Rolle beider Reich England betonten beide Seiten aber auch die histori bentrop als auch Stalin beriefen sich auf Bismarck mit Russland.132 Während allerdings bei Ribbentrop seiner Außenpolitik zu der Bismarcks nicht nur des einen Freispruch zu erlangen, spricht bei Stalin einig eine Geschichte konstruierte, in der er in Tradition eines starken Partners stand.133 Stalin las nicht nur teauch die deutsch-sowjetischen Verträge von Br bzw. 1933. 134 Danach erklärte er gegenüber Ribbent ten Waggon Lenins und den Vertrag von Rapallo: Die Überzeugung von der Möglichkeit einer Deutschland und der Sowjetunion sei immer da schen Außenpolitik gewesen.135 Stalins Denken, so Robert C. Tucker, sei stark von gewesen. Er habe geglaubt, dass die Sowjetunion wie Feinden umzingelt sei. Seine Idee sei es gewesen, das ihm einerseits Zeit verschaffe und andererseits zum Ruhme gereichen würde.136 Der Hitler-Stalin-P lins keineswegs eine Notoperation oder eine vorübe chung von der bisherigen außenpolitischen Linie. D Geschichtsbild und in seine Selbstwahrnehmung bz zwei großen Führern zweier Großreiche in einer Betonung der historischen Kontinuität war durchaus te Legitimation für die Annäherung, sondern gerad Stalinschen Großmachtvisionen. Der August 1939 brachte Stalin die Verwirklichung seiner komplexen Pläne, mit welchen Mitteln die Sowjetunion in einer feindlichen Welt überleben und eine fuhrende Position beanspruchen könnte", so Robert C. Tucker.137 Der Hitler-Stalin-Pakt war nicht der Tiefjpunkt, sondern der vorläufige Höhepunkt und Triumph seiner Außenpolitik. 130 ADAP IFn. 921. S. 191. 131 Čuev, 140 besed [Fn. 67], S. 19. 132 Fabry, Der Hitler-Stalin-Pakt [Fn. 4], S. 71. 133 Ribbentrop, Zwischen London und Moskau [Fn. 1], S. 71, 184, 229 134 Bezymenskij, Stalin und Hitler [Fn. 121], S. 215. - Čuev, 140 besed [Fn. 67], S. 28. - Sebag Montefiori, Stalin [Fn. 81, S. 343. 135 Fleischhauer, Der deutsch-sowjetische Grenz- und Freundschaftsvertrag [Fn. 113], S. 457. 136 Tucker, The Emergence of Stalin's Foreign Policy [Fn. 8], S. 563, 574. 137 Ebd., S. 588. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC:56 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Diplomatie der Diktatoren 29 Resümee Als sich Molotov und Stalin auf der einen und Ribbentrop auf der anderen Seite in der Nacht vom 23. auf den 24. August 1939 zuprosteten, taten sie das nicht mit geballter Faust in der Tasche oder gegen ihre Überzeugung, sondern in wirklicher Begeisterung für ihr Gegenüber. So kurz das Intermezzo des Paktes war - August 1939 bis Juni 1941 -, so deutlich traten die Parallelen und Gemeinsamkeiten der beiden Führersysteme in ihrer Formensprache, aber auch in ihren Großmachtphantasien und in ihrer Ablehnung des Westens in dieser Zeit hervor. Zwar versuchte Molotov die Tatsache, dass er Ribbentrop zugeprostet und auf Hitler einen Toast ausgebracht hatte, später klein zu reden: „Mir fiel es zu, mein Glas auf Hitler als Führer Deutschlands zu erheben."138 Doch die gegenseitige Faszination lässt sich kaum leugnen.139 Stalin nannte Hitler einen „molodec" - einen Prachtkerl140 und erhob sein Glas auf ihn: „Ich weiß, wie sehr das deutsche Volk seinen Führer liebt, ich möchte deshalb auf seine Gesundheit trinken."141 Stalin bewunderte Hitler dafür, wie er die SA und Röhm mit harter Hand ausgeschaltet hatte. 1934 hatte er das Politbüro zusammengerufen, um von diesem genialen Schachzug Hitlers zu berichten. „Von nun an sah Stalin in Hitler einen Meister, einen Mann, der imstande war, die Welt herauszufordern und solchen Forderungen Nachdruck zu verleihen."142 „Mein Kampf 4 gehörte zur Pflichtlektüre im Politbüro.143 Es ist anzunehmen, dass Hitlers Werk nicht nur zur Feinderkennung gelesen wurde, sondern auch als Beispiel, auf welchen strukturellen Elementen eine schlagkräftige, erfolgreiche Bewegung aufbaute. Hilger meinte beobachten zu können: Es war deutlich zu spüren, dass er [Stalin] von gewissen Charakterzügen und Handlungen Hitlers stark beeindruckt war.144 Auch nach dem Überfall auf die Sowjetunion blieb Stalin bei seiner Meinung, dass Hitler ein „außerordentliches Genie44 sei.145 Hitler war seinerseits von Stalin beeindruckt und erkannte sehr wohl in ihm ein Pendant zu sich selbst: „Aber auch Hitler hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er Stalin, von seiner eigenen Person natürlich abgesehen, für den bedeutendsten Zeitgenossen hielt44, so Gustav Hilger. „Der Unterschied zwischen den beiden bestand nur darin, dass die Bewunderung, die Hitler für Stalin empfand, bis zum Schluss erhalten blieb.44146 Hitler nannte Stalin einen „genialen Kerl44, einen „Tiger44 und eine „historische Persönlichkeit ohnegleichen44.147 138 Čuev, 140 besed [Fn. 67], S. 19. 139 Thierry Wolton: ROT-BRAUN. Der Pakt gegen die Demokratie von 1939 bis heute. Hamburg 2000, S. 149. 140 Bohlen, Witness to History, S. 83. 141 ADAP, S. 191. - Kleist, Zwischen Hitler und Stalin [Fn. 72], S. 60. 142 Walter Krivitsky: Ich war in Stalins Dienst. Amsterdam 1940, S. 29. 143 Wolton, ROT-BRAUN [Fn. 140], S. 150. 144 Hilger, Wir und der Kreml [Fn. 6], S. 290. 145 Wolton, ROT-BRAUN [Fn. 140], S. 151. 146 Hilger, Wir und der Kreml [Fn. 6], S. 290f. Henry Picker: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier. Dritte vollständig überarbeitete und erweiterte Neuausgabe. Stuttgart 1976, S. 452, 473. - Valentin Bereshkov: Stalin's Error of Judgement, in: International Affairs 9/1990, S. 13-24. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms 30 Susanne Schattenberg Es bestand kein Zweifel, daß beide Diktatoren völkerrechtswidrigen Handeln wie in einer gem tenden Sprache fanden. Stalin war von Hitlers V Demokratien nicht weniger beeindruckt als Hitle Georgiers im sowjetischen Staat und in dessen so Erich F. Sommer.148 Es scheint, dass dieses Wiss schen den beiden Führerstaaten und um ihre gegen einer political correctness zum Opfer fiel, die es verb ,3efreier Europas" Stalin gleichzusetzen. In den 1930 Köpfe gegeben, die genau diese nach 1945 versch meinsamkeiten sehr deutlich erkannten. Elie Halévy Gesellschaft für Philosophie ausgeführt, dass die Faschismus sei: Was die Form angeht, so sind die Regime identisch. In beiden Fällen handelt es sich um die Beherrschung eines Landes durch eine bewaffnete Clique, die sich dieses Recht angeblich im Interesse des ganzen Landes anmaßt und die die Kraft hat, es sich anzumaßen, weil ihre Mitglieder vom gleichen Glauben beseelt sind.149 Marcel Mauss und Karl Kautsky so wie viele andere hatten darin mit ihm übereingestimmt.150 Nach 1945 verbot sich die Betonung der Parallelen; im Zeitalter des ideologisch begründeten Kalten Krieges erschienen auch die vor 1945 bestehenden ideologischen Differenzen als unüberwindbar. Das Zusammengehen der beiden Führer wurde zu einem notgedrungenen Akt der Selbstverteidigung auf Seiten Stalins bzw. zum verheerenden Resultat des Versagens der britisch-französischen Diplomatie umgedeutet. Es besteht kein Zweifel daran, dass sich die Inhalte der Ideologien gegenseitig ausschlössen: hier die Idee vom Lebensraum im Osten und von der Überlegenheit der , Arier" gegenüber den slawischen „Untermenschen", dort der Traum von einer Weltrevolution, die sich von Ost nach West ausbreiten würde. Aber die beiden Systeme bauten auf wesentlich mehr Elementen als nur ihren Ideen auf. Die Formensprache, die Ablehnung der herkömmlichen Diplomatie, die Verachtung gegenüber dem Westen, die Selbstdarstellung als von den „satten Nationen" gedemütigte Großmacht, die verwendeten Symbole und Zeichen, die Bevorzugung des Sturmschritts und einer „undiplomatischen Sprache" wie nicht zuletzt die , »Führer" und ihr Herrschaftssystem ergänzten sich kongenial. Im Hitler-Stalin-Pakt fanden sich zwei Gleiche, die darüber gleichermaßen erstaunt und begeistert waren. Dieser Pakt war in keiner Weise das Verdienst der „alten" Diplomaten unter Schulenburg, wie Ingeborg Fleischhauer es dargestellt hat, die in einem verzweifelten Akt versucht hätten, den drohenden Krieg gegen Russland mit diesem Pakt abzu- 148 Sommer, Botschafter Schulenburg [Fn. 35], S. 77. 149 Zitiert nach Wolton, ROT-BRAUN, S. 122. 150 Ebd., S. 122f. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 2fff on Thu, 01 Jan 1976 12:34:56 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms Diplomatie der Diktatoren 3 1 wenden. Botschafter von der Schulenburg hatte allenfalls d Stalins und Hitlers die Nachrichten der jeweils anderen Seite tie an sich, Stil, Ton und Tempo, bestimmte einzig und allei burg schätzte das selbst in einer Bemerkung gegenüber nüchtern ein: Ich habe mit all meiner Kraft für gute Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion gearbeitet und in gewisser Weise habe ich mein Ziel erreicht. Aber Sie wissen selbst, dass ich in Wirklichkeit nichts erreicht habe.151 Auch der Biograph Schulenburgs kommt zu dem Schluss: , ,An dem Zustandekommen des Pakts war Schulenburg in keiner Weise beteiligt."152 Nicht umsonst heißt der Vertrag Molotov-Ribbentrop bzw. Hitler-Stalin-Pakt. Es war ihr Stil, ihre Sprache, die diesen Pakt ermöglichten: „Sie brachten einen Toast auf Stalin aus, ich auf Hitler. Im kleinen Kreise. So ist eben Diplomatie."153 151 Herwarth, Zwischen Hitler und Stalin [Fn. 63], S. 188. 152 Sommer, Botschafter Schulenburg [Fn. 36], S. 76. 153 Čuev, 140 besed [Fn. 67], S. 19. This content downloaded from 147.251.68.36 on Wed, 24 Feb 2021 13:04:59 UTC All use subject to https://about.jstor.org/terms