Tschechische und tschechoslowakische Rechtsgeschichte

Gesellschaft im Mittelalter

 

Gesellschaft im Mittelalter und die Rechtsquellen

 

Wie in ganz Europa wurde auch die mittelalterliche Gesellschaft in den böhmischen Ländern in Adel, Klerus und werktätiges Volk (Bürger oder Dorfbewohner) unterteilt. Über die politische Macht verfügten selbstverständlich nur die Stände:


 

Adel war ursprünglich ein einheitlicher Stand. Am Ende des 15. Jahrhunderts wurde diese in zwei Teile geteilt: höherer Adel (Herren) und niederer Adel (Ritter).

Burg Perštejn /cca  40Km nördwestlich von Brno/ bis heute symbolisiert die Macht des Adelsgeschlechts von Perštejn.

Abbildungsquelle: http://www.jetel.cz/hrad-pernstejn.jpg

 

Bürger der königlichen Städte - verfügten bis zur Zeit der Hussitenkriege eher über eine Beratungsstimme, aber seit dem sog. Landtag von Čáslav in 1421, wurden sie zu einer bedeutenden politischen Kraft. Aus diesem Grunde bemühte sich der Adel, die Beteiligung der Bürger der königlichen Städte am Landtag zu beschränken. Seiner Meinung nach „vertrete der Adel die Interessen der Untertanen und die Interessen der königlichen Städte vertrete der König.“ (1500).

Nach der möglichen Konfliktdrohung   kam es aber zur Einigung und die Städte beteiligten sich an den Sitzungen des Landtags. (1517)

 

 

Die Stadtwappe der Stadt České Budějovice zeigt typische Zeichnen von alle Wappen der Königlichen Städte: Böhmische Löwe mit Zwei Schwanze, Türme und Mauer, und rot-weise Kombination von Farben.

Abbildungsquelle: http://www.cot.cz/data/images/99_05/5_regiony7.gif

 

Klerus – seine Position wurde vor allem in Böhmen geschwächt. Nach den Hussitenkriegen war diese nicht mehr im Landtag vertreten. Den Grund dafür kann man in der Schwächung des katholischen Klerus und in dessen großen Vermögensverlust sehen. Weil die Utrakvisten die Armut der Kirche propagierten, waren sie ökonomisch vom Adel abhängig und konnten also keine eigene Politik betreiben. In Mähren und Schlesien blieb der Klerusstand erhalten. Nachdem die Verneuerten Landesverordnungen erlassen worden waren, wurde der Klerus zum bedeutendsten Stand.

 

Rechtssystem

 

     Die Grundlage des Rechtssystems bildete das Landesrecht (Adelsrecht). Die Rechte der anderen Stände (besondere Rechte) konnten nicht gegen das Landesrecht verstoßen. Es handelte sich vor allem um das Städterecht, Obrigkeitsrecht oder besondere Rechtszweige (Weinrecht, Bergbaurecht…).

  

Rechtsquellen


 

 

Gewohnheitsrecht – ist die älteste Rechtsquelle. Im böhmischen Landesrecht galt dies subsidiär auch nach der Landesrechtskodifikation im Jahre 1500. Abgeschafft wurde es erst durch die Verneuerten Landesverordnungen. Die sog. Rezeptionsnorm von 1918 übernahm das ungarische Gewohnheitsrecht  in der Slowakei in die Tschechoslowakische Rechtsordnung. Seit diesem Jahr war es aber nicht möglich, neue Gewohnheitsrechte zu bilden.

 

 

 

 

Richterliche Entscheidungen (nálezy) – hatten nicht immer einen allgemeinen Charakter. Die Rolle der Gerichtsentscheidungen wuchs am Ende des 13. Jahrhunderts mit der Entwicklung des Landgerichts. Wie das Gewohnheitsrecht galten die richterlichen Entscheidungen bis Anfang des 17. Jahrhunderts.

Bespiel des allgemein geltenden Urteils: Urteil über Dalibor von Kozojedy in der Sache der entflohenen Untertanen (Dalibor wurde 1498 hingerichtet, das Urteil verfügt über eine allgemeine Geltung seit 1500)

 

 

Abbildungsquelle: http://sweb.cz/virtan/Blog/kalendar/cerven/daliborka.jpg

Abbildungsquelle: http://images.google.cz/imgres?imgurl=http://www.cestovatel.cz/foto-soubory/thumb/z-daliborka2.jpg&imgrefurl=http://www.cestovatel.cz/clanky/prazske-zahrady-zastaveni-osme-severni-hradni-zahrady-jeleni-prikop/&h=200&w=138&sz=7&hl=cs&start=17&tbnid=1Rx4VwJeHCyyOM:&tbnh=104&tbnw=72&prev=/images%3Fq%3Ddaliborka%26gbv%3D2%26hl%3Dcs%26sa%3DG

 

Landtafel - wird in einem anderen Seminar ausführlich erörtert.


 

Vom Herrscher stammende Dekrete und Verordnungen – wurden zu der Regelung verschiedener Fragen erlassen. Die ältesten in Böhmen sind die sog. Dekrete des Fürsten Břetislav (auch Statuten von Hnězdno 1039), von denen die Chronik des bekannten böhmischen Geschichtsschreibers Kosmas  berichtet. Die Břetislavs Dekrete hatten vor allem einen Proklamationscharakter und der böhmische Staat bekannte sich hier eindeutig zu den christlichen Grundsätzen. (Sie wurden in Hnězdno beim Grab von St. Vojtěch proklamiert).

 

Ein anders Beispiel bildet die Senioratsordnung aus dem Jahre 1055. 

 

Kodifikationen – Die ganzen Rechtsgebiete wurden kodifiziert. Fast alle vom Herrscher stammenden Kodifikationsbemühungen des Landesrechts stießen auf Widerstand des Adels. Aus diesem Grund hat König Wenzel II. nur die Kodifikation des Bergbaurechts (ius regale montanorum – 1300) durchgesetzt. Karl IV. wurde  zur Erklärung gezwungen, der von ihm vorgeschlagene Kodex (Majestas Carolina) habe verbrannt. Sein Text blieb aber erhalten.

Der Adel gab selbst einen Anstoß zur Entstehung der ersten Landesrechtskodifikation (Wladislawische Landesverordnung – 1500), die erhebliche Vorteile für den Adel verankerte. Der Kodex des mährischen Landesrechts wurde später erlassen. Im Jahre 1579 gelang es, das Stadtrecht zu kodifizieren (Pavel Kristián von Koldín – „Stadtrechte von Böhmen“), aber die zur magdeburgschen  Rechtsfamilie gehörenden Städte nahmen die Kodifikation erst am Anfang des 17. Jahrhundert an.

 

 

Abbildungsquelle: http://geologie.vsb.cz/loziska/loziska/obr_historie/Kutn%C3%A1%20Hora%20-IRM.jpg

 

Landtagsbeschlüsse – bildeten eine bedeutende Rechtsquelle vor allem im 15. und 16. Jahrhundert. Ihre Entwicklung ermöglichten unter anderem der Machtaufstieg der Stände und die Schwächung der Herrschermacht; von der technischen Seite gesehen auch die Verbreitung des Buchdrucks.

Die Landtagsbeschlüsse wurden in die Gedenklandtafeln eingetragen (intabuliert).

 

Rechtsbücher – gehörten nicht zu den Rechtsquellen  in dem Sinne, wie wir es heute verstehen. Es ging bloß um private Niederschriften, in denen sich die mit dem Gewohnheitsrecht arbeitenden Personen bemühten, ihre Erkenntnisse und Erfahrungen zusammenzufassen. Diese Rechtsbücher dienten dann den Nachfolgern als Hilfsmittel in der Rechtspraxis. Für die Rechtshistoriker sind die Rechtsbücher eine sehr gute mittelalterliche Rechtserkenntnisquelle, denn die ältesten böhmischen Landtafeln  gingen im Jahre 1541 zugrunde.

 

 

 

Die bedeutendsten Rechtsbücher des Landesrechts: 

  • Rechtsbuch von Rožmberg (13./14. Jhr.) – ein der ältesten Rechtserkenntnisquelle im Böhmen; erstes Rechtsbuch, das im Tschechischen verfasst wurde.

  • Rechtsbuch des Landesrechts von Ondřej von Dubé (14./15. Jhr.); Ondřej von Dubé arbeitete jahrelang als höchster Richter beim Landgericht und in seinem Werk fasste er vor allem das böhmische Prozesslandesrecht zusammen.

  • Neun Bücher über Recht, Gerichte und Landtafeln in Böhmen – Viktorin Kornel von Všehrdy (15./16. Jhr.); Dieses Rechtsbuch entstand als Gegenvorschlag gegen die vorbereitende Landesrechtskodifikation (Wladislawische Landesverordnung). Er war Schreiber beim böhmischen Landgericht; 1497 wurde er aber für den Streit mit dem höheren Adel des Amtes enthoben.

 

Abbildungsquelle: www.zlenice.cz

Abbildungsquelle: http://www.oplatek.cz/albumzbozi_cenik/o/csr1132mUsed_69x120.jpg

 

Die bedeutendsten Rechtsbücher des Landesrechts:

 

  • Rechtsbuch von Rožmberg (13./14. Jhr.) – eine der ältesten Rechtserkenntnisquellen in Böhmen; erstes Rechtsbuch, das tschechisch verfasst wurde.
  • Rechtsbuch des Landesrechts von Ondřej von Dubé (14./15. Jhr.);  Ondřej von Dubé arbeitete jahrelang als höchster Richter beim Landgericht und in seinem Werk fasste er vor allem das böhmische Prozesslandesrecht zusammen.
  • Neun Bücher über Recht, Gerichte und Landtafeln in Böhmen – Viktorin Kornel von Všehrdy (15./16. Jhr.); Dieses Rechtsbuch entstand als Gegenvorschlag gegen die vorbereitende Landesrechtskodifikation (Wladislawische Landesverordnung). Er war Schreiber beim böhmischen Landgericht; 1497 wurde er aber wegen eines Streits mit dem höheren Adel des Amtes enthoben.

Abbildunsquelle: http://www.mvcr.cz/archivnictvi/akp/akp34/knihakmetu.jpg

Die bedeutendsten Rechtsbücher des Stadtrechts:

 

  • Sog. Schöppenbuch = Brünner Rechtsbuch des Schreibers Jan (erste Hälfte des 14. Jhr.) – sein Autor war der Stadtnotar,  der in diesem Rechtsbuch nicht nur das Stadtrecht, sondern auch die Praxis des Brünner Gerichtes zusammenfasste. Es wurde zur Grundlage zahlreicher Rechtsbücher und in deutscher und lateinischer Sprache verfasst.
  • Stadtrechte von Brikcí von Liczko (1534) – es handelte sich um einen Stadtrechtkodifikationsversuch, der aus der Übersetzung der Brünner und Iglauer Gerichtsurteile ins Tschechische hervorging. Die Städte lehnten aber dieses Rechtsbuch als Kodifikation ab, denn Brikcí war ein Herrscheranhänger und in diesem Buch wurde die Städtische Selbstverwaltung geschwächt. Offiziell galt also dieses Rechtsbuch nicht, wurde aber als Hilfsmittel bei den Stadtgerichten benutzt.

 

 

     Seit dem Erlassen der Verneuerten Landesverordnungen in 1627 gehörten zu den Rechtsquellen des Landesrechts nur die Verneuerten Landesverordnungen und weitere Gesetze und Verordnungen des Herrschers. Wurde die Rechtssache in keiner vorher genannten Rechtsquellen geregelt,   galt Stadtrechtgesetzbuch von Koldín subsidiär.