Gesetz vom 13. November 1918 über die provisorische Verfassung (Gesetz Nr. 37/1918) Nationalversammlung. § 1. Der Nationalausschuß wird auf 256 Mitglieder erweitert auf dieselbe Art und nach demselben Schlüssel, wie er entstanden ist. Diese Körperschaft heißt Nationalversammlung (Narodni shromazdeni). § 2. Dieselbe Art und derselbe Schlüssel gilt auch für die Ergänzung der Nationalversammlung, wenn ein Mitglied entfällt. § 3. Mitglied der Nationalversammlung hört auf zu sein: a) wer die Eigenberechtigung verloren hat; b) wer nach Verurteilung wegen einer Strafhandlung, die den Verlust der Wählbarkeit in den Gemeinden in Böhmen nach sich zieht, laut Entscheidung der Nationalversammlung der Mitgliedschaft verlustig wird. Die Entscheidung der Nationalversammlung erfolgt mit Zweidrittelmehrheit der Anwesenden. § 4. Die Nationalversammlung übt die gesetzgebende Gewalt für den ganzen Staat und für dessen einzelne Teile und die Aufsichtsgewalt über die Exekutive aus bis zu dem Zeitpunkte, wo auf Grund der endgültigen Verfassung das aus Wahlen hervorgegangene Parlament zusammentritt und sich konstituiert. § 5. Die Nationalversammlung hat eine Geschäftsordnung auszuarbeiten; solange es nicht geschieht, gilt die in der Sitzung des Nationalausschusses vom 9. November 1918 angenommene Geschäftsordnung. § 6. Die Nationalversammlung ist verhandlungs- und beschlußfähig, wenn wenigstens ein Drittel der Abgeordneten anwesend ist. Es faßt seine Beschlüsse mit absoluter Mehrheit der Anwesenden. Die Anwesenheit von wenigstens zwei Dritteln der Abgeordneten und eine Zweidrittelmehrheit der Anwesenden ist zur Änderung dieses Gesetzes, des Gesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, des Gesetzes vom 9. November 1918 über die persönliche Immunität der Mitglieder der Nationalversammlung, zur Wahl des Präsidenten der Republik, endlich zum Beschluß über die Kriegserklärung notwendig. Der Präsident der Republik. § 7. Staatsoberhaupt ist der Präsident der Republik, den die Nationalversammlung bei Anwesenheit von zwei Dritteln der Abgeordneten mit Zweidrittelmehrheit der Anwesenden wählt. Das Amt des Präsidenten dauert bis zu dem Zeitpunkte, wo auf Grund der endgültigen Verfassung ein neues Staatsoberhaupt gewählt wird. § 8. Weilt der Präsident außerhalb der Staatsgrenzen, oder ist seine Stelle erledigt, so übt seine Rechte inzwischen die Regierung aus, die mit einzelnen Funktionen ihren Vorsitzenden betrauen kann. § 9. Der Präsident der Republik kann nicht strafrechtlich verfolgt werden. § 10. Der Präsident der Republik a) vertritt den Staat nach außen, b) ist der oberste Armeekommandant, c) empfängt die Gesandten, d) erklärt über Beschluß der Nationalversammlung den Krieg und unterbreitet ihr den vereinbarten Frieden zur Genehmigung, e) ernennt die Offiziere, die Staatsbeamten und Richter von der VI. Ranksklasse nach aufwärts, f) hat das Recht, Strafen und die rechtlichen Folgen einer strafbaren Handlung einer Verurteilung oder einer Strafe nachzusehen oder zu mildern wie auch anzuordnen, daß das Strafverfahren nicht einzuleiten sei oder das eingeleitete wiederum eingestellt werde. Für Regierungsakte, die der Präsident der Republik ausübt, ist die Unterschrift des kompetenten verantwortlichen Regierungsmitgliedes einzuholen. § 11. Der Präsident der Republik hat das Recht, ein von der Nationalversammlung beschlossenes Gesetz binnen acht Tagen nach Beschlußfassung zur neuen Verhandlung zurückzustellen. Beharrt die Nationalversammlung auf seinem ursprünglichen Beschlusse, so muß das Gesetz verlautbart werden. § 12. Der Präsident der Republik hat vor der Nationalversammlung bei seiner Ehre und seinem Gewissen zu geloben, daß er auf das Wohl der Republik und des Volkes bedacht sein und die Gesetze beobachten wird. Die Verkündigung der Urteile § 13. Urteile und Erkenntnisse der Gerichte werden im Namen der Republik verkündigt. Die Exekutiv- und Verordnungsgewalt § 14. Die Exekutiv- und Verordnungsgewalt kommt der 17gliedrigen Regierung zu, deren Vorsitzenden und Mitglieder (Minister) die Nationalversammlung wählt. Die Regierung wählt aus ihrer Mitte den Stellvertreter des Vorsitzenden, der den Vorsitzenden vertritt. § 15. Der Vorsitzende und die Mitglieder der Regierung haben von der Nationalversammlung bei ihrer Ehre und ihrem Gewissen zu geloben, daß sie ihre Pflichten gewissenhaft und unparteiisch erfüllen und die Gesetze beobachten werden. Kein Mitglied der Regierung darf Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsrates von Aktiengesellschaften oder Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung sein, welche der Erwerbssteuer von zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten Unternehmungen unterliegen. § 16. Die Regierung ist der Nationalversammlung verantwortlich und kann bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten mit einfacher Stimmenmehrheit abberufen werden, was durch das Mißtrauensvotum geschieht. Der Antrag auf Mißtrauensvotum muß von mindestens einem Viertel der Abgeordneten unterschrieben werden und wird zunächst dem Ausschusse zugewiesen. § 17. Sitz der Regierung ist Prag. Sie entscheidet in einer Versammlung, der mindestens zehn Mitglieder, den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter mitgerechnet, beiwohnen müssen. Die Regierung entscheidet in gemeinsamen Sitzungen: a) über für die Nationalversammlung bestimmte Regierungsvorlagen; b) über alle Angelegenheiten politischen Charakters; c) über die Beamtenernennung, soweit die Ernennung den Zentralbehörden oder dem Präsidenten der Republik vorbehalten ist. § 18. Die Regierung bestimmt, welche Mitglieder (Minister) die einzelnen zur Besorgung der obersten Staatsverwaltung errichteten Behörden zu leiten und für sie verantwortlich zu sein haben. § 19. Gesetze müssen binnen acht Tagen nach Beschlußfassung durch die Nationalversammlung verlautbart werden, mit Vorbehalt des im § 11 Satz 1 bezeichneten Falles. Sie werden vom Präsidenten der Republik, vom Vorsitzenden und jenem Mitgliede der Regierung unterschrieben, dessen Amt mit der Durchführung des betreffenden Gesetzes betraut ist. Weilt der Präsident außerhalb der Staatsgrenzen oder ist seine Stelle erledigt, so unterschreibt für ihn der Vorsitzende der Regierung. Verordnungen werden vom Ministerpräsidenten und von mindestens neun Ministern unterzeichnet. § 20. Alle bisher vom Präsidium des Nationalausschusses durchgeführten Akte der Exekutiv- und Verordnungsgewalt werden genehmigt. § 21. Dieses Gesetz erlangt mit dem Tage der Kundmachung Wirksamkeit.