Unterrichtseinheit: Vertragsschluss durch Angebot und Annahme Textblatt (Brox, BGB AT, § 8) I. Das Vertragsangebot (die Offerte, der Antrag; § 145) ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die ein Vertragsschluss einem anderen so angetragen wird, dass nur von dessen Einverständnis das Zustandekommen des Vertrages abhängt. a) Als empfangsbedürftige Willenserklärung ist das Angebot nicht schon mit der Abgabe, sondern erst mit dem Zugang beim Empfänger wirksam (Rdnr. 152 ff.). Bis dahin kann es widerrufen werden (§ 130 I 2). b) Da das Zustandekommen des Vertrages von dem Einverständnis des anderen abhängt, muss das Angebot inhaltlich so bestimmt sein, dass die Annahme durch eine bloße Zustimmung des anderen erfolgen kann. Voraussetzung dafür, dass der Vertrag etwa durch ein bloßes Ja des Annehmenden zustande kommt, ist es, dass das Angebot die wesentlichen Punkte des Vertrags, also beim Kauf den Kaufgegenstand und den Kaufpreis, enthält. Jedenfalls müssen sie bestimmbar sein. Das Angebot ist normalerweise nur dann hinreichend bestimmt, wenn es auch die Person des Vertragspartners erkennen lässt. Es gibt aber Fälle, in denen sich jemand seine Vertragspartner nicht aussuchen will und ein individueller Antrag an einzelne Empfänger nicht möglich ist. Hier ist die Erklärung an die Allgemeinheit bereits als Vertragsangebot aufzufassen (sog. Offerte ad incertas personas). II. Durch Auslegung muss ermittelt werden, ob im Einzelfall ein Angebot oder lediglich eine Aufforderung zur Offerte (invitatio ad offerendum) vorliegt. Diese ist kein Angebot, sondern nur eine Aufforderung an andere, ihrerseits ein Angebot zu machen. Derjenige, der zur Abgabe von Angeboten auffordert hat, kann das ihm gemachte Angebot annehmen oder ablehnen. Bei Verlautbarungen an die Allgemeinheit (””Angeboten” in Zeitungsanzeigen, Postwurfsendungen, Katalogen, Schaufenstern) fehlt erkennbar ein Geschäftswille, so dass es nicht um Angebote im Rechtssinne, sondern nur um Aufforderungen zu Angeboten handelt. Würden es Angebote sein, könnte man sie nicht zustande bringen. Alle Verträge wären gültig (Rdnr. 107 f.); der ””Anbieter” könnte möglicherweise nur einen einzigen Vertrag erfüllen und sich gegenüber den anderen Vertragsparteien wegen Nichterfüllung der Verträge schadenersatzpflichtig machen. III. a) Im Interesse des Empfängers bestimmt § 145, dass der Antragende an seinen Antrag gebunden ist. Der Antrag ist also unwiderruflich; der Antragende kann sich nicht einseitig - wohl aber mit Zustimmung des durch die Vorschrift geschützten Empfängers - von seinem Antrag lossagen. Durch die Bindung des Antragenden erlangt der Empfänger eine günstige Rechtsposition. Er kann das Angebot annehmen oder ablehnen. Im Interesse des Antragenden kann die Bindung jedoch ausgeschlossen oder befristet sein. Zum Schutze des Antragenden darf die Bindung an seinen Antrag nicht "”bis in alle Ewigkeit"”dauern. Deshalb kann er selbst dafür sorgen, dass sein Angebot erlischt. Auch das Gesetz enthält Bestimmungen über das Erlöschen des Antrags. Erlöschensgründe sind die Ablehnung des Antrags und der Ablauf der Annahmefrist, regelmäßig aber nicht Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Antragenden. Arbeitsblatt 1 Lesen Sie bitte Abschnitt I des Textes und suchen Sie die Informationen heraus, die zur Definition des Begriffs Angebot gehören. Tragen Sie diese Informationen bitte in folgendes Schema ein: +----------------------------------------------------------------------------------------+ |Angebot: | |----------------------------------------------------------------------------------------| |Wesen | | |----------------------------------------------+-----------------------------------------| |Ziel |Zustandekommen eines Vertrags | |----------------------------------------------+-----------------------------------------| | |inhaltlich hinreichend bestimmt: | | | | |Voraussetzung für den Vertragsschluss |1. | | | | | |2. | |----------------------------------------------+-----------------------------------------| |Wirksamkeit | | +----------------------------------------------------------------------------------------+ Lesen Sie bitte Abschnitt II des Textes. a) Was ist eine invitatio ad offerendum? b) Nennen Sie bitte Beispiele. Prüfen Sie bitte, ob in den folgenden Fällen schon ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Vertrages (1) oder nur eine invitatio ad offerendum (2) vorliegt. a) Aushändigen einer Speisekarte durch den Oberkellner b) Gebot im Rahmen einer Versteigerung c) Auszeichnen und Einstellen von Waren in das Regal in einer Selbstbedienungsabteilung d) Zapfsäule einer Selbstbedienungstankstelle e) Ausstellung einer mit einem Preis ausgezeichneten Ware im Schaufenster eines Kaufhauses f) Telefonische Bestellung eines Hotelzimmers g) Postalische Zusendung "bindender Sonderangebote" mit besonders günstigen Bedingungen an wenige ausgewählte Kunden h) Zigarettenautomat auf der Straße i) Annonce in der Zeitung betreffend Verkauf eines Gebrauchtwagens zu einem bestimmten festen Preis j) Zusendung eines Warenkatalogs mit Preisliste k) Internet-Seite, von der Computer-Sofware gegen Bezahlung heruntergeladen werden kann Für wen gelten die in der Tabelle genannten Bestimmungen aus § 145 BGB? Ergänzen Sie bitte die Spaltenüberschriften. +-------------------------------------------------------------------+ | | | |-----------------------------------+-------------------------------| | o ist an seinen Antrag gebunden | o kann das Angebot ablehnen | | o kann die Bindung befristen | oder annehmen | +-------------------------------------------------------------------+ Arbeitsblatt 2 Übungen zum Wortschatz: Übung 1: Ergänzen Sie Verben und Nomen zu den Wortfamilien Angebot und Annahme sowie passende Synonyme dazu r Antrag, ´´e e Annahme, a Übung 1: Lesen Sie den Text und markieren Sie die Verben, die sich mit dem Begriff Angebot verbinden lassen. Übung 2: Welche Verbindungen sind richtig? ein Angebot zustande kommen annehmen machen widerrufen schließen erlöschen ablehnen Arbeitsblatt 3 Lösen Sie bitte mit Hilfe der §§ 147, 148 BGB Fall 1. Begründen Sie Ihre Lösung. Unterstreichen Sie bitte im Gesetz die entscheidende Textstelle. § 147 Annahmefrist. (1) ^1Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur sofort angenommen werden. ^2Dies gilt auch von einem mittels Fernsprechers von Person zu Person gemachten Antrage. (2) Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. § 148 Bestimmung einer Annahmefrist. Hat der Antragende für die Annahme des Antrags eine Frist bestimmt, so kann die Annahme nur innerhalb der Frist erfolgen. FALL 1: V bietet dem K in einem am 1. 6. abgeschickten und dem K am 3. 6. durch die Post zugestellten Brief eine Vase, ein Erbstück seiner Familie, an dem er aber kein Interesse mehr hat, für 450,- € zum Kauf an. K schreibt dem V am Abend des 4. 6. einen Brief, in dem er erklärt, er nehme das Angebot an. Dieser Brief geht dem V am 6. 6. zu. Hat K das Angebot des V rechtzeitig angenommen? Ist ein Vertrag zustande gekommen? Unter welchen Voraussetzungen hat [der Antragende] die Verspätung dem Annehmenden unverzüglich nach dem Empfang der Erklärung anzuzeigen? Lesen Sie § 149 BGB. Markieren Sie die Textstellen im Gesetz und schreiben Sie diese heraus. Welche Textstelle bringt eine Einschränkung zum Ausdruck und mit welchen sprachlichen Mitteln? §149 Verspätet zugegangene Annahmeerklärung. ^1Ist eine dem Antragenden verspätet zugegangene Annahmeerklärung dergestalt abgesendet worden, daß sie bei regelmäßiger Beförderung ihm rechtzeitig zugegangen sein würde, und mußte der Antragende dies erkennen, so hat er die Verspätung dem Annehmenden unverzüglich nach dem Empfange der Erklärung anzuzeigen, sofern es nicht schon vorher geschehen ist. ^2Verzögert er die Absendung der Anzeige, so gilt die Annahme als nicht verspätet. Voraussetzungen: +----------------------------------------------------------------------------------------+ | | |----------------------------------------------------------------------------------------| | | |----------------------------------------------------------------------------------------| | | +----------------------------------------------------------------------------------------+ Was ist die Rechtsfolge, wenn [der Antragende] die Absendung der Anzeige verzögert? +----------------------------------------------------------------------------------------+ | | +----------------------------------------------------------------------------------------+ Lösen Sie nun bitte die Fälle 2 und 5. Fall 2: Im Fall 1 geht der Brief des K mit dem Poststempel vom 4. 6. dem V erst am 14. 6. zu. V hat nicht mehr mit einer Antwort von K gerechnet und die Vase seiner Schwester überlassen, die ihm wegen des geplanten Verkaufs des Erbstücks Vorwürfe gemacht hatte. Als nun der Brief des K doch noch eintrifft, zerreißt V diesen und betrachtet die Angelegenheit damit als erledigt. Kann K auf dem Verkauf der Vase bestehen? Fall 3: Im Fall 2 hat K seinen Brief nicht mit der Post geschickt, sondern seinen Sohn gebeten, den Brief bei K in den Hausbriefkasten zu werfen. Der Sohn hat den Brief verlegt, was er seinem Vater aber nicht zu sagen wagt, findet ihn erst am 14. 6. wieder und wirft ihn dann unverzüglich bei V ein. Ist ein Vertrag zwischen V und K zustande gekommen. Fall 4 A bietet dem B schriftlich 5 Kühe zum Preise von Euro 2. 000,- ”bis zum 31. 7.” an. Am 1. 8. nimmt B das Angebot telefonisch an. Hat er jetzt einen Lieferungsanspruch aus § 433 Abs. 1 BGB gegen A? Fall 5 Auf einer Party schlägt X dem Y vor, ihm zum Freundschaftspreis von Euro 5. 000,- seinen Sportwagen zu überlassen. Y antwortet: ”Muss ich mir noch mal überlegen; ich rufe Sie morgen früh wieder an.” Am nächsten Morgen hat X es sich überlegt und will den Wagen nicht mehr abgeben, als Y sein Einverständnis erklärt. Ist ein Kauf zustande gekommen?