Skript Einführung in die zivilprozessuale Praxis Vorlesung im WS 2003/2004 Prof. Dr. Olaf Werner Prof. Dr. Olaf Werner Stand: 1.3.2002 Einführung in die zivilprozessuale Praxis Skript zur Lehrveranstaltung Übersicht 1. Grundzüge des Zivilprozeßrechts 1.1. Zwecke und Aufgabe des Verfahrensrechts 1.2. Gleichheit vor dem Gesetz 1.3. Justizgewährungsanspruch 1.4. Prozeßarten und Prozeßwege 1.4.1. Rechtsweg 1.4.2. Rechtswegentscheidung 1.5. Ordentliche Gerichtsbarkeit 1.5.1. Zivilgerichtsbarkeit 1.5.1.1. Leistungsklage 1.5.1.2. Feststellungsklage 1.5.1.3. Gestaltungsklage 1.5.2. Strafgerichtsbarkeit 1.5.3. Freiwillige Gerichtsbarkeit 1.6. Rechtsgrundlagen des Zivilverfahrensrechts 1.7. Prozeßmaximen des Zivilverfahrens 1.7.1. Dispositionsmaxime 1.7.2. Verhandlungsmaxime 1.7.3. Grundsatz der Mündlichkeit 1.7.4. Grundsatz der Unmittelbarkeit 1.7.5. Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens 1.7.6. Recht auf rechtliches Gehör 1.8. Aufbau der ordentlichen Gerichte 1.9. Gerichtspersonen 1.10. Zuständigkeit der Gerichte 1.10.1. Instanzielle und sachliche Zuständigkeit 1.10.1.1. Zuständigkeit in erster Instanz 1.10.1.1.1 Amtsgericht 1.10.1.1.2 Landgericht 1.10.1.1.3 Rechtsmittel 1.10.1.2. Gerichte zweiter Instanz 1.10.1.3. Gericht dritter Instanz 1.10.1.4. Sprungrevision 1.10.1.5. Übersicht über den Aufbau der ordentlichen Gerichte 1.10.2. Örtliche Zuständigkeit 1.10.2.1. Allgemeiner Gerichtsstand 1.10.2.2. Besondere Gerichtsstände 1.10.2.3. Ausschließliche Gerichtsstände 1.10.3. Gerichtsstandsvereinbarung 1.10.3.1. Vor Klageerhebung 1.10.3.2. Nach Klageerhebung 1.10.4. Verweisung an das zuständige Gericht 1.11. Gang des Erkenntnisverfahrens 1.11.1. Klageerhebung 1.11.1.1. Einreichung der Klage 1.11.1.2. Zustellung der Klage 1.11.1.3. Muster einer Klageschrift 1.11.2. Vorbereitung des Haupttermins 1.11.2.1. Früher Vorbereitungstermin 1.11.2.2. Schriftliches Vorverfahren 1.11.2.3. Güteverhandlung 1.11.3. Haupttermin 1.11.4. Muster eines Urteils 1.11.5. Rechtskraft 1.11.6. Kosten 1.12. Versäumnisverfahren 1.13. Besondere Verfahren 1.13.1. Mahnverfahren 1.13.1.1. Voraussetzungen 1.13.1.2. Einleitung des Mahnverfahrens 1.13.1.3. Widerspruch gegen den Mahnbescheid 1.13.1.4. Vollstreckungsbescheid 1.13.2. Urkundenprozeß 1.14. Vereinfachtes Verfahren vor dem AG 2. Zwangsvollstreckung 2.1. Voraussetzungen 2.1.1. Vollstreckungstitel 2.1.2. Vollstreckungsklausel 2.1.3. Zustellung 2.2. Vollstreckung in bewegliche Sachen 2.3. Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen 2.3.1. Sicherungshypothek 2.3.2. Zwangsversteigerung 2.3.3. Zwangsverwaltung 2.4. Vollstreckung in Geldforderungen 2.5. Eidesstattliche Versicherung 2.6. Vollstreckung von Handlungs- und Unterlassungsansprüchen 2.6.1. Vollstreckung von Willenserklärungen 2.6.2. Vollstreckung vertretbarer Handlungen 2.6.3. Vollstr. unvertretbarer Handlungen 2.6.4. Vollstreckung von Unterlassungsansprü chen 2.7. Arrest und einstweilige Verfügung 2.7.1. Arrest 2.7.2. Einstweilige Verfügung 2.7.3. Schadensersatzpflicht Literátu rhinweise: -3- Grundrisse und Lehrbücher zum Zivilprozeßrecht: Arens/Lüke, Zivilprozeßrecht, 7. Aufl. 1999; Baur/Grunsky, Zivilprozeßrecht, 10. Aufl. 2000; Jauernig, Zivilprozeßrecht, 26. Aufl. 2000; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl. 1993; Zeiss, Zivilprozeßrecht, 9. Aufl. 1997. Ein erster Überblick über das Prozeßrecht findet sich bei: Model/Creifelds/Lichtenberger, Staatsbürgertaschenbuch, 30. Aufl. 2000. 1. Grundzüge des Zivilprozeßrechts 1.1. Zweck und Aufgabe des Verfahrensrechts Wenn der Schuldner nicht freiwillig leistet, darf der Gläubiger nicht selbst sein Recht verfolgen und mit eigener Gewalt durchsetzen und erzwingen. Selbsthilfe ist nur in den gesetzlich besonders geregelten Ausnahmefällen zulässig. So gestattet § 229 BGB Selbsthilfe in bestimmten Fällen allein, "wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde" (zu den Grenzen der Selbsthilfe: § 230 BGB). Die Selbsthilfe des Besitzers ist in §§ 859, 860 BGB geregelt und an strenge Voraussetzungen gebunden (ferner §§ 227, 228, 561, 904, 962 BGB). Diese Ausnahmen beweisen, daß ansonsten die Feststellung und Durchsetzung privater Rechte allein Aufgabe des Staates (staatliches Rechtsschutzmonopol) und seiner Rechtspflegeorgane (Richter, Polizei, Rechtspfleger, Gerichtsvollzieher) ist. Ohne eine solche Regelung würde nicht das Recht, sondern die Macht des Stärkeren siegen, ein Recht des Stärkeren, ein Faustrecht herrschen. Eine solche Regelung ohne Recht bedeuten auch die im germanischen Recht üblichen Gottesurteile, bei denen das Recht durch ein "höheres Wesen" gesprochen wurde. In einer zivilisierten Gemeinschaft dient der Zivilprozeß der Feststellung des Rechts und die Zwangsvollstreckung der Durchsetzung dieses Rechtes. 1.2. Gleichheit vor dem Gesetz Das Gesetz behandelt alle gleich, ohne Rücksicht auf Status, Macht usw. (Ausnahmen: Exterritoriale, vgl. §§ 18, 19, 20 GVG). Der Prozeß ist gerade der Weg, dem Schwachen gegen den Starken zu helfen (Beispiel Mieter/Vermieter, Arbeitnehmer/Arbeitgeber usw.), sogar dem Bürger gegen den Staat. Eine solche Gesetzeshaltung schließt jedoch nicht aus, daß aufgrund wirtschaftlicher Ungleichgewichtigkeit eine Partei ein Verfahren, insbesondere dessen Dauer, zu ihren Gunsten einsetzen und sich die besseren Rechtshelfer (Rechtsanwälte) verschaffen kann. -4- B ei spiel: In einem Verlagsprozeß bindet der beklagte Verlag durch Gutachten und sonstige Aufträge alle Spezialanwälte auf dem Prozeßgebiet, die in dem Gerichtsbezirk zugelassen worden sind, an sich, so daß die Gegenseite nur auf Nichtfachanwälte oder solche zweiter und dritter Wahl ausweichen kann. Dies sind aber Mängel des Verfahrens, die nicht der Gesetzeshaltung entsprechen und daher abgestellt werden können und müssen, etwa durch Prozeßkostenhilfe usw. Ein Weg, der wirtschaftlichen Ungleichgewichtigkeit zu begegnen, ist die Unabhängigkeit der Gerichte - im Gegensatz zum gewählten Richter kann der beamtete auch unpopuläre Entscheidungen fällen. Weiterhin sind die Prozeßkostenhilfe (früher Armenrecht) und die Abhängigkeit der Kosten vom Streitwert zu erwähnen, denn diese bedeuten eine Sozialisierung der Kosten; auch kleinere Prozesse sind damit möglich, wenn der Streitwert im Verhältnis zu den Kosten des Verfahrens steht. Hinzuweisen ist ferner auf die Rechtsberatungsstellen bei den Amtsgerichten und letztlich auf die Rechtsschutzversicherungen, die - wie die Krankenkassen im Hinblick auf die Gesundheitsfürsorge -jedermann einen Rechtsschutz gewährleisten. Da im Zivilprozeß die Parteimaxime herrscht, die besagt, daß das Gericht nur die Tatsachen berücksichtigen und nur die Anträge behandeln darf, die die Parteien in den Prozeß eingeführt haben, muß grundsätzlich die unkundige der rechtskundigen Partei unterlegen sein (wegen falschen Vortrages, Vergessen wichtigen Vortrages, Unterlassen wichtiger Prozeßhandlungen). Die Gleichgewichtigkeit ist daher nur durch einen Rechtsbeistand (insbesondere Anwalt) zu erlangen. Daß allerdings durch menschliche Fehler das Recht mißachtet werden kann, soll und darf nicht verschwiegen werden. Dem versucht das Gesetz mit seinen strafrechtlichen Vorschriften über die Rechtsbeugung (§ 339 StGB) und hinsichtlich des Schadensersatzes mit § 839 Abs. 2 BGB zu begegnen. 1.3. Justizgewährungsanspruch Nach Art. 101 Abs. 1 S. 2, 103 Abs. 1 GG hat jedermann Anspruch auf seinen gesetzlichen Richter und rechtliches Gehör. Da im Zivilverfahren die Parteien selbst den Prozeß bestimmen (Parteimaxime), muß eine eingereichte Klage verhandelt und entschieden werden. Wird Rechtsschutz verweigert, kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG). Der Bürger hat einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegen den Staat, den sog. Justizgewährungsanspruch, auf Ausübung der Rechtspflege. Als Grundlage hierfür werden Art. 101 Abs. 1 S. 2, 103 GG oder allgemein das Rechtsstaatsprinzip herangezogen. Der Justizgewährungsanspruch gewährleistet umfassenden Rechtsschutz auch im Privatrecht, und zwar: (1) das Recht, die Gerichte anzurufen, (2) die Pflicht der Gerichte, die Klage anzunehmen, (3) keine grundlose Ablehnung der Terminanberaumung durch das Gericht, (4) Überprüfung des anhängigen Rechtsstreites in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch das Gericht sowie (5) das Recht auf Entscheidung durch das Gericht. -5- 1.4. Prozeßarten und Prozeßwege Gerichtsbarkeit ist die auf Verwirklichung des Rechts gerichtete Staatstätigkeit. Sie ist neben der gesetzgebenden (Legislative) und der verwaltenden (Exekutive) die dritte Gewalt im Staat (Judikative) und ist dem Richter und den Gerichten anvertraut. Träger der Bundesgerichte (Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Bundesarbeitsgericht, Bundesfinanzhof, Bundessozialgericht) ist der Bund, der sonstigen Gerichtsbarkeit die Länder. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein einheitliches Rechtspflegegebiet (für Verweisungen der Verfahren, Vollstreckungen, Ladungen usw.). Der Begriff der Rechtsprechung umfaßt neben der streitentscheidenden Tätigkeit der Gerichte auch ihre rechtsschützende und rechtskontrollierende Funktion. Art. 95 GG unterscheidet fünf gleichwertige Zweige der Gerichtsbarkeit: (1) Ordentliche Gerichtsbarkeit (ordentliche streitige Gerichtsbarkeit, Strafgerichtsbarkeit, freiwillige Gerichtsbarkeit), (Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte, Bundesgerichtshof in Karlsruhe) (2) Verwaltungsgerichtsbarkeit (Verwaltungsgerichte, Oberverwaltungsgerichte, Bundesverwaltungsgericht in Berlin) (3) Finanzgerichtsbarkeit (Finanzgerichte, Bundesfinanzhof in München) (4) Arbeitsgerichtsbarkeit (Arbeitsgerichte, Landesarbeitsgerichte, Bundesarbeitsgericht in Erfurt) (5) Sozialgerichtsbarkeit (Sozialgerichte, Landessozialgerichte, Bundessozialgericht in Kassel) Daneben besteht nach Art. 93 GG die Verfassungsgerichtsbarkeit. Ferner sieht Art. 95 Abs. 3 GG einen gemeinsamen Senat dieser obersten Bundesgerichte vor. Dieser soll für die Rechtsvereinheitlichung im Bundesgebiet sorgen. Er kann angerufen werden, wenn ein Senat eines Bundesgerichtes in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines Senates oder des Großen Senates eines anderen obersten Bundesgerichtes oder des gemeinsamen Senates selbst abweichen will. 1.4.1. Rechtsweg Ist der Zivilprozeß nur das gerichtliche Verfahren der Zivilrechtspflege, wird damit deutlich, daß es noch andere Gerichtszweige (Rechtswege) für die Rechtsangelegenheiten gibt, die "nicht bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten" erfassen. Die Rechtspflege ist damit nicht einer einheitlichen Gerichtsbarkeit anvertraut; es bestehen - dies ist eine rechtspolitische Entscheidung - verschiedene Zweige der Gerichtsbarkeit. Die Abgrenzung ist eine Frage der Rechtswegzuständigkeit. Die Klage vor einem insoweit unzuständigen Gerichtszweig ist unzulässig. Die Zuständigkeitszuweisung zu dem jeweiligen Gerichtszweig ergibt sich aus den -6- Gerichtsverfassungen, so etwa aus § 13 GVG (bürgerliche Rechtsstreitigkeit) oder § 40 VwGO (öffentlich-rechtliche Streitigkeit). 1.4.2. Rechtswegentscheidung Das vom Kläger angerufene Gericht hat zu prüfen, ob der zu ihm beschrittene Rechtsweg (Frage der Gerichtsbarkeit) zulässig ist. Die Rechtswegentscheidung des angegangenen Gerichtes begründet sich auf §§ 17 - 17 b GVG (Verweisungen in: § 173 VwGO, § 48 ArbGG, §202SGG, § 155 FGO). Nach dem Prioritätsprinzip entscheidet jedes Gericht allein und selbständig, ob der zu ihm beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Eine sog. Kompetenz-Kompetenz, d. h. Entscheidungsbefugnis einer Gerichtsbarkeit über die Rechtswegfrage bei anderen Gerichten, besteht nicht. Jedes zuerst angegangene Gericht ist für die Entscheidung des Rechtsweges zuständig (Prioritätsprinzip, vgl. § 17 a Abs. 1 GVG). Die Rechtswegnormen sind zwingend und in jedem Stadium des Verfahrens zu berücksichtigen. Der Beklagte darf unverzichtbar jederzeit (auch in den höheren Instanzen) die Unzulässigkeit des Rechtsweges rügen. Der Rechtsweg muß zur Zeit des Urteiles zulässig sein. Hinreichend ist also die Zuständigkeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung (von Bedeutung etwa bei Gesetzesänderung, Vorentscheidungen der Verwaltung). Rügt der Beklagte die Zuständigkeit, muß das Gericht hierüber eine Entscheidung treffen; als Zulässigkeitsvoraussetzung für den Erlaß eines Urteils darf diese Frage nicht dahingestellt bleiben. Hält das Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig, so hat es hierüber zu entscheiden und, ohne daß es eines entsprechenden Antrages bedarf, den Rechtsstreit nach Anhörung der Parteien (ohne daß es einer mündlichen Verhandlung bedarf) an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges zu verweisen (§ 17 a Abs. 2 GVG). Das Gericht darf die Klage also nicht mit der Begründung als unzulässig abweisen, daß der Rechtsweg zu den Zivilgerichten nicht gegeben ist. Im übrigen ist der Verweisungsbeschluß für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, soweit er den Rechtsweg betrifft, bindend (§ 17 a Abs. 2 S. 3 GVG). Es darf also den Rechtsstreit nicht weiterverweisen, sondern ist zu einer Entscheidung berufen. 1.5. Ordentliche Gerichtsbarkeit Die Zivilgerichtsbarkeit gehört neben der freiwilligen und der Strafgerichtsbarkeit zur sog. ordentlichen Gerichtsbarkeit mit dem Aufbau Amtsgericht - Landgericht - Oberlandesgericht -Bundesgerichtshof. Der Name "ordentliche Gerichtsbarkeit" ist historisch bedingt aus einer Zeit, in der die ordentliche Gerichtsbarkeit die einzige mit persönlich und sachlich unabhängigen Richtern war (sonst entschieden Verwaltungsbeamte). Die ordentliche Gerichtsbarkeit war damit der einzige Rechtsweg überhaupt. -7- 1.5.1. Zivilgerichtsbarkeit Diese erfaßt die Feststellung und Verwirklichung privater (zum Teil auch öffentlicher) Rechte und Verhältnisse zwischen den Parteien. Die Verwirklichung privater Rechte, d. h. solcher, die sich aus dem bürgerlichen Recht ergeben, erfolgt gemäß § 13 GVG in der Zivilgerichtsbarkeit. Der Teil der Rechtspflege, der sich mit den sog. "bürgerlichen Streitigkeiten" befaßt, wird als Zivilrechtspflege bezeichnet. Die gewünschte Rechtshandlung, d. h. Ziel des Erkenntnisverfahrens, kann ein Leistungs-, Feststellungs- oder Gestaltungsurteil sein. Entsprechend wird erhoben: 1.5.1.1. Leistungsklage Diese ist auf Verurteilung des Beklagten zu einer Leistung, einem Tun oder Unterlassen (z. B. Herausgabe, Zahlung, Unterlassung einer Behauptung, einer Wettbewerbshandlung) gerichtet. Die Geltendmachung von einem oder mehreren Ansprüchen (§ 194 BGB) erfolgt durch Leistungsklage. Sie ist damit die häufigste Klageart überhaupt. 1.5.1.2. Feststellungsklage Diese ist auf Feststellung über ein bestimmtes Rechtsverhältnis, über dessen Bestehen oder Nichtbestehen (z. B. Bestand einer Gesellschaft, eines Mietvertrages, Wirksamkeit einer Kündigung) gerichtet. 1.5.1.3. Gestaltungsklage Die Rechtsverwirklichung soll "gestalten", eine Rechtsänderung wird herbeigeführt. Typisches Beispiel ist die Ehescheidung. 1.5.2. Strafgeri chtsb arkeit Dabei ergehen die Entscheidungen im Rahmen des dem Staat zustehenden Rechtes auf Verhängung von Kriminal strafen (wegen der Delikte und deren Vollstreckung). Leitend ist das Interesse des Staates (Öffentlichkeit) an der Bestrafung des Täters. Der Strafrichter ist an zivile Gestaltungsurteile gebunden (z. B. Unterhalt in § 170 StGB). 1.5.3. Freiwillige Gerichtsbarkeit Diese ist im wesentlichen verwaltende Tätigkeit als Bestandteil der Rechtspflege. Sie ist im wesentlichen Hilfeleistung und Unterstützung des Bürgers und hat die Begründung, Veränderung und Aufhebung von Rechten zum Gegenstand, ohne daß ein Rechtsstreit vorliegt (z. B. Vormundschafts- und andere Familiensachen, Personenstandssachen, Grundbuchverfahren, Konkursverfahren, Handels-, und sonstige Registersachen). 1.6. Rechtsgrundlagen des Zivilverfahrensrechts Das Zivilverfahrensrecht ist geregelt in: (1) der Zivilprozeßordnung (ZPO) mit den Regelungen über das Erkenntnisverfahren, die Zwangsvollstreckung, den einstweiligen Rechtsschutz, also Fragen, wie sich ein Recht verfahrensmäßig durchsetzen läßt, und zwar vor Gericht und in der Zwangsvollstreckung; (2) dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG): Organisation der Gerichte, Rechtswegfragen, sachliche Zuständigkeit; (3) dem Gesetz über Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (ZVG): es behandelt die Verwertung von Sachen, in erster Linie Grundstücken, zwecks Versilberung, um eine Befriedigung der Gläubiger oder eine Aufteilung bei aufgelösten Gemeinschaften zu erreichen; (4) dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG): die freiwillige Gerichtsbarkeit entspricht einer Fürsorgetätigkeit der Gerichte (Vormundschaftssachen, Erbschein, Nachlaß usw.); (5) der Grundbuchordnung (GBO), welche die Führung und Wirkung des Grundbuches als Besonderheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit regelt; (6) der Insolvenzordnung (InsO), die besondere Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthält und die Versilberung des Vermögens eines Gemeinschuldners zugunsten der Gläubiger durch einen Insolvenzverwalterverwalter erleichtert. Eine abweichende Regelung enthält für die neuen Bundesländer die Gesamtvollstreckungsordnung (GesO); (7) anderen Gesetzen, insbesondere dem BGB, die prozessuale Regelungen enthalten, die eigentlich in die ZPO gehören (so die Beweislastregeln im BGB, wie §§ 282, 932 Abs. 2 BGB). Prozessuale Regeln enthalten §§ 13 ff. des Gesetzes betreffend die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) und § 13 UWG (Verbandsklagen). Andererseits enthält auch die ZPO materielles Recht (so z. B. den Schadensersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO bei der Vollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil und der Aufhebung dieses Urteils in der höheren Instanz). 1.7. Prozeßmaximen des Zivilverfahrens Im Zivilverfahren gelten die folgenden Verfahrensgrundsätze: 1.7.1. Dispositionsmaxime Die Dispositionsmaxime ist das prozeßrechtliche Gegenstück zum materiellrechtlichen Grundsatz der Privatautonomie. Sie wirkt sich einerseits bei der Einleitung des Verfahrens aus. Grundsätzlich setzt die Partei das Verfahren in Gang. Dieser obliegt die Entscheidung -9- über die Regelung ihrer privatrechtlichen Beziehungen. Die Dispositionsmaxime steht damit im Gegensatz zu dem beispielsweise im Strafprozeß und in weiten Bereichen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Offizialprinzip, bei dem das Verfahren von Amts wegen eingeleitet wird. Zugleich bewirkt die Dispositionsmaxime die Bindung an den Antrag. Das Gericht kann nur das ausurteilen, was die Parteien tatsächlich auch beantragt haben. Hält das Gericht beispielsweise ein gefordertes Schmerzensgeld für zu niedrig, so darf es nicht einen über den Antrag des Klägers hinausgehenden Betrag zusprechen. Allerdings hat das Gericht nach § 139 Abs. 1 ZPO die Pflicht, auf sachdienliche Anträge der Parteien hinzuwirken. Die Dispositionsmaxime ist weiterhin im Zusammenhang mit der Einlegung von Rechtsmitteln von Bedeutung. Auch insoweit treffen die Parteien die Entscheidung darüber, ob sie den Rechtsstreit fortsetzen wollen. Schließlich ist es auch die Beendigung des Prozesses (durch Klagerücknahme, Anerkenntnis, Verzicht oder Prozeßvergleich) in das Belieben der Parteien gestellt. 1.7.2. Verhandlungsmaxime Die Verhandlungsmaxime oder auch Beibringungsgrundsatz betrifft den Sachverhalt, welcher dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt wird. Die Tatsachen, welche zur Grundlage der gerichtlichen Entscheidung gemacht werden, haben nämlich die Parteien beizubringen. Den Gegensatz hierzu bildet die Inquisitionsmaxime, also der Untersuchungsgrundsatz, welcher aufgrund öffentlicher Interessen im Strafverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von Bedeutung ist. Die Auswirkungen der Verhandlungsmaxime sind weitreichend. Die Parteien wählen nicht nur aus, welche Tatsachen sie dem Gericht unterbreiten. Zugleich bestimmen sie durch Bestreiten der vom Gegner vorgebrachten Tatsachen, welche Beweise erhoben werden müssen. An dieses Verhalten ist das Gericht gebunden und kann grundsätzlich nicht eigenes Wissen ohne vorherige Beweiserhebung verwerten. Die Parteien benennen darüber hinaus aber auch die Beweismittel, etwa die betreffenden Zeugen. 1.7.3. Grundsatz der Mündlichkeit Nur das mündlich Vorgebrachte ist Grundlage der richterlichen Entscheidung (§ 128 Abs. 1 ZPO). Der Grundsatz der Mündlichkeit wurde durch die Einführung der ZPO im Jahre 1897 für das deutsche Zivilprozeßrecht bestimmend. Bezweckt war die Beschleunigung des seinerzeit vom Schriftlichkeitsprinzip bestimmten mühsamen und langwierigen Verfahrens. Die erforderliche Straffung und Beschleunigung des Verfahrens vermag aber auch die reine mündliche Verhandlung nicht zu leisten. Daher wurden mit der Vereinfachungsnovelle von 1976 die Möglichkeiten zur Vorbereitung der Hauptverhandlung in einem frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 275 ZPO) bzw. aufgrund eines schriftlichen Vorverfahrens (§ 276 ZPO) geschaffen. Denn das Mündlichkeitsprinzip kann seine Aufgabe nur erfüllen, wenn die mündliche Verhandlung intensiv vorbereitet wird. Auf diese Weise wird die Mündlichkeit also durch Elemente der Schriftlichkeit ergänzt. 1.7.4. Grundsatz der Unmittelbarkeit Mit dem Grundsatz der Mündlichkeit steht der Grundsatz der Unmittelbarkeit in engem Zusammenhang. Die Parteien verhandeln vor dem erkennenden Gericht mündlich. Im Anschluß - 10- daran wird von den Richtern, welche der Verhandlung beigewohnt haben, das Urteil gefallt. Von Bedeutung ist also der persönliche Eindruck, welchen die Richter von der Verhandlung und insbesondere von den Parteien und deren Vortrag sowie gegebenenfalls den Beweismitteln gewonnen haben. Dennoch ist es bei einem Verfahren mit mehreren Verhandlungsterminen möglich, daß es zu einem Richterwechsel kommt. Jedoch müssen die letztlich entscheidenden Richter zumindest am letzten Termin teilgenommen haben (§ 309 ZPO). Kommt es nach dem letzten Termin zu einem Richterwechsel, so muß die mündliche Verhandlung wiedereröffnet werden. 1.7.5. Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens Ebenfalls im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Mündlichkeit ist der Grundsatz des öffentlichen Verfahrens zu sehen (§ 169 S. 1 GVG). Die Öffentlichkeit kann nur erreicht werden, wenn die Grundlagen der Entscheidung mündlich erörtert werden. Im schriftlichen Verfahren ist diese Öffentlichkeit hingegen nicht herstellbar. Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit bestehen etwa in Ehesachen, § 170 GVG, sowie in anderen Sonderfällen, § 172 GVG (Gefährdung der Sicherheit, Erörterung von Geheimnissen, Vernehmung eines Jugendlichen unter 16 Jahren). Fernseh- und Rundfunkaufnahmen sind in der öffentlichen Verhandlung unzulässig und lediglich vor der Beginn der Verhandlung möglich (§ 169 S. 2 GVG). 1.7.6. Recht auf rechtliches Gehör Das Grundgesetz (Art. 103 Abs. 1 GG) beinhaltet schließlich das Recht jeder Partei, zum Vortrag des Gegners Stellung zu nehmen. Erst wenn diese Möglichkeit der Äußerung zum gegnerischen Vortrag gegeben ist, kann dieses zur Grundlage einer Entscheidung gemacht werden. 1.8. Aufbau der ordentlichen Gerichte Gerichtsbehörden sind: (1) das Amtsgericht (AG). Es ist in Abteilungen mit Einzelrichtern (z. B. Familiengerichte, § 23 b GVG) eingeteilt. Leiter ist der aufsichtsführende Richter, Direktor des Amtsgerichts, bei großem AG der Präsident. (2) das Landgericht (LG). Dieses ist in Kammern mit Vorsitzendem Richter am LG und zwei Richtern am LG eingeteilt. Leiter ist der Präsident des LG. Der Bezirk eines LG umfaßt mehrere Amtsgerichte. Kammern für Handelssachen bestehen beim LG für Handelssachen gegen Kaufleute aus beiderseitigen Handelsgeschäften, Wechsel, Scheck usw. Sie sind besetzt mit einem Richter am LG als Vorsitzendem und zwei ehrenamtlichen Richtern (Laien). Sie müssen Deutsche, 30 Jahre alt, Kaufmann oder als Organ einer Handelsgesellschaft im Handelsregister eingetragen sein und werden für drei Jahre auf Vorschlag der IHK bestellt. Die Verhandlung erfolgt vor der Kammer, d. h. vor allen drei Richtern. Die Zivilkammer soll den Rechtsstreit einem Mitglied als Einzelrichter zur Entscheidung -11 - übertragen (§ 348 ZPO), wenn keine rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten vorliegen und der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist. (3) das Oberlandesgericht (OLG). Es ist in Senate mit Vorsitzendem Richter am OLG und zwei Richtern am OLG eingeteilt. Ein OLG-Bezirk umfaßt mehrere Landgerichte. Leiter ist der Präsident des OLG. (4) der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Dieser ist in Senate mit Vorsitzendem Richter am BGH und vier Richtern am BGH eingeteilt. Leiter ist der Präsident des BGH. Die Geschäftsverteilung bei den einzelnen Gerichten regelt die Besetzung der einzelnen Spruchkörper (z. B. die Zuteilung der Richter) und verteilt die Geschäfte. Dazu gehört beispielsweise die Regelung, für welche Prozesse die Abteilungen usw. zuständig sind (meist nach Aktenzeichen (gerade/ungerade), Namen des Beklagten oder Art des Anspruchs). Die Aufstellung des Geschäftsverteilungsplanes erfolgt im Rahmen der gerichtlichen Selbstverwaltung (Neutralität). 1.9. Gerichtspersonen 1.9.1. Richter Im Zivilprozeß entscheiden grundsätzlich Berufsrichter. Lediglich bei der Kammer für Handelssachen beim Landgericht sind zwei Laienrichter beteiligt. Die Abteilung des Amtsgerichts ist regelmäßig mit einem Einzelrichter besetzt. Die übrigen Gerichte sind Kollegialgerichte, bei denen sich der Spruchkörper aus mehreren Richtern zusammensetzt. Das Kollegialgericht kann einem seiner Mitglieder einen bestimmten Abschnitt des Verfahrens, etwa die Beweisaufnahme, zur Erledigung übertragen (beauftragter Richter, §§ 355 Abs. 1, 375 Abs. 1, 1 a ZPO). Beim Landgericht soll der Rechtsstreit sogar regelmäßig einem Mitglied des Kollegialgerichts als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen werden (§ 348 ZPO). Aus Zweckmäßigkeitsgründen besteht die Möglichkeit, eine Beweisaufnahme durch ein anderes Gericht vornehmen zu lassen (§ 362 ZPO). Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn das Erscheinen eines Zeugen vor dem Prozeßgericht aufgrund einer großen räumlichen Entfernung unverhältnismäßige Kosten verursachen würde. In diesen Fällen wird das Amtsgericht vor Ort um Rechtshilfe ersucht. Die Vernehmung des Zeugen erfolgt dann durch den ersuchten Richter. 1.9.2. Urkundsbeamter der Geschäftsstelle Bei jedem Gericht ist mindestens eine Geschäftsstelle eingerichtet, welche mit einem Urkundsbeamten besetzt ist. Dieser ist ein Beamter der Justizverwaltung. Er ist einerseits Bürobeamter und legt als solcher die Akten an und führt diese. Darüber hinaus ist er auch als Urkundsbeamter tätig. So kann er, wie früher verbreitet, zur Protokollführung in der Sitzung herangezogen werden. Zu den Aufgaben des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gehört es aber auch, mündliche Anträge und Erklärungen der Parteien außerhalb der Sitzung zu Protokoll zu nehmen. Schließlich erteilt der Urkundsbeamte Abschriften und Ausfertigungen von Urkunden, beispielsweise von Urteilen oder Gerichtsbeschlüssen. - 12- 1.9.3. Rechtspfleger Der Rechtspfleger ist ein Beamter des gehobenen Justizdienstes, der aufgrund gesetzlicher Ermächtigung mit der Wahrnehmung richterlicher Aufgaben betraut ist. Er ist ein selbständiges Organ, welches zwischen Richter und Urkundsbeamtem steht. Ihm obliegen die meisten früher dem Richter am Amtsgericht zugewiesenen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, so sämtliche Geschäfte in Grundbuchsachen, in der Zwangsversteigerung, aber auch im Mahnverfahren (§§ 3, 14 ff. RPflG). Jedoch darf der Rechtspfleger keinesfalls Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt ausüben, welche allein dem Richter vorbehalten sind (Art. 92 GG). 1.9.4. Rechtsanwalt Im Zusammenhang mit den Gerichtspersonen ist auch der Rechtsanwalt zu nennen. Nach § 78 ZPO besteht für alle Verfahren, welche nicht beim Amtsgericht durchgeführt werden, Anwaltszwang, weshalb Prozeßhandlungen der Parteien nur durch einen Rechtsanwalt vorgenommen werden können. Obgleich dieser von einer Partei beauftragt wird und zur Wahrung der Interessen seines Mandanten verpflichtet ist, ist der Rechtsanwalt dennoch ein Organ der Rechtspflege. Denn ungeachtet der Parteiinteressen ist der Anwalt verpflichtet, auf eine sachgemäße Prozeßführung hinzuwirken. 1.10. Zuständigkeit der Gerichte Bei der Vielzahl der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit muß für den Einzelfall festgestellt werden, bei welchem die Klage einzureichen ist. Dabei sind zu unterscheiden die instan-zielle, die sachliche und örtliche Zuständigkeit. 1.10.1. Instanzielle und sachliche Zuständigkeit Sie gibt darüber Auskunft, bei welcher Art der unter 1. 8. angegebenen Gerichte die Klage bzw. das Rechtsmittel einzureichen ist. Man nennt dies den Instanzenweg. Das Gericht erster Instanz ist dasjenige, das für die erstmalige Klageerhebung zuständig ist. Bei den Gerichten der zweiten und dritten Instanz werden die Urteile der vorangegangenen Instanzen auf ihre Richtigkeit hin überprüft. 1.10.1.1. Zuständigkeit in erster Instanz 1.10.1.1.1. Amtsgericht Das Amtsgericht ist gemäß §§ 23, 23 a, 23 b GVG für folgende bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zuständig: (1) über vermögensrechtliche Ansprüche mit einem Streitwert bis zu 5.000 € und in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu dieser Streitwertgrenze, (2) ohne Rücksicht auf den Streitwert bei - 13 - (a) Mietstreitigkeiten zwischen Vermieter, Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen (mit Ausnahme von Streitigkeiten betreffend Geschäftsraum-Mietverhältnissen, bei denen sich die Zuständigkeit nach dem Streitwert richtet), (b) Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten und solchen Streitigkeiten, die mit der Reise zusammenhängen, (c) Streitigkeiten wegen Wildschadens, (d) Streitigkeiten aus einem Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugsvertrages, die mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung stehen, (e) Aufgebotsverfahren, (f) Streitigkeiten in Kindschaftssachen, (g) Streitigkeiten über Unterhaltsansprüche aus Ehe oder Verwandtschaft, (h) Streitigkeiten über Ansprüche nach §§ 1615 1, 1615m BGB hinsichtlich Unterhalt wegen Geburt, Entbindungskosten, Beerdigungskosten der Mutter, (i) Ehesachen, (j) Streitigkeiten über Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht, (k) Lebenspartnerschaften (1) Gewaltschutzgesetz (m) Mahnverfahren, § 689 ZPO, Nach § 23 b GVG sind bei den Amtsgerichten für die Familiensachen besondere Familiengerichte eingerichtet. Den Umfang der Familiensachen bestimmt § 23 b GVG. 1.10.1.1.2. Landgericht Das Landgericht ist gemäß § 71 GVG für alle nicht ausdrücklich dem Amtsgericht zugewiesenen Sachen zuständig, d. h. für: (1) Streitigkeiten mit einem Streitwert über 5.000 €, (2) ohne Rücksicht auf den Streitwert für (a) Ansprüche, die aufgrund der Beamtengesetze gegen den Fiskus erhoben werden, (b) Amtshaftungsansprüche wegen Amtspflichtverletzungen der Richter und Beamten, - 14- (c) für Patent- und Kartell Sachen, (d) Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen der Aktiengesellschaft, (e) Nichtigkeitsklage nach §§ 243 ff. Aktiengesetz, § 75 GmbH-Gesetz, § 94 Genossenschaftsgesetz, (f) aufgrund sonstiger Sonderzuweisungen nach Gesetz. 1.10.1.1.3. Rechtsmittel Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Urteile ist die Berufung (§§ 511 - 544 ZPO), die nur bei einem Streitwert über 600 € (alte Rechtslage: über 1500 DM) zulässig ist (§ 511 a ZPO). Berufung muß durch Einreichung der Berufungsschrift beim Berufungsgericht (Gericht der zweiten Instanz) binnen eines Monats ab Urteilszustellung (§516 ZPO) eingelegt werden und ist innerhalb eines Monats ab Berufungseinlegung schriftlich zu begründen (§519 ZPO). 1.10.1.2. Gerichte zweiter Instanz Alte Rechtslage bis 31.12.2001 Diese sind das Landgericht für die Berufung gegen Urteile eines Amtsgerichts (§ 72 GVG) und das Oberlandesgericht für die Berufung gegen erstinstanzliche Urteile eines Landgerichts (§ 119 GVG). Ausnahme: Die beim AG behandelten Kindschafts- und Familiensachen sind in zweiter Instanz dem OLG zugeordnet. Dies, um den Zugang zum BGH zu ermöglichen. In der Berufung erfolgt eine Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht. Neue Tatsachen und Beweismittel können vorgebracht werden. Rechtsmittel gegen zweitinstanzliche Urteile des OLG ist die Revision (§§ 545 - 566 a ZPO). Sie ist nur zulässig bei einem Streitwert über 60.000,— DM oder bei besonderer Zulassung durch das OLG bzw. durch Annahme durch den BGH. Die Fristen für die Einlegung und Begründung der Revision bei dem BGH betragen wie bei der Berufung je einen Monat (§§ 552, 554 ZPO). Gegen zweitinstanzliche Urteile des LG gibt es kein Rechtsmittel der Revision. Damit enden die beim Amtsgericht begonnenen Streitverfahren spätestens mit der Entscheidung des LG; insoweit bestehen nur zwei Instanzen. Der Revision zugänglich, damit über drei Instanzen möglich, sind nur die Urteile, die in erster Instanz beim Landgericht beginnen. Neue Rechtslage ab 01.01.2002 Dies ist einheitlich das OLG (sowohl für Urteile des Amtsgerichtes als auch des LG). In der Berufung erfolgt eine Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils grundsätzlich nur in rechtlicher Hinsicht. Nur wenn das Berufungsgericht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Vollständigkeit der Feststellungen hat und eine neue Feststellung in zweiter Instanz geboten ist, darf das Gericht über erstinstanzlich festgestellte Tatsachen erneut verhandeln. - 15- Rechtsmittel gegen zweitinstanzliche Urteile des OLG ist die Revision (§§ 545-566a ZPO). Sie ist nur zulässig bei besonderer Zulassung durch das OLG (bzw. Annahme durch den BGH). Sie tritt damit an die Stelle der Wertrevision (bisher 60.000 DM). Die Revision ist danach nur zulässig, soweit der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Fristen für die Einlegung und Begründung der Revision zum BGH betragen wie bei der Berufung je einen Monat (§§ 552, 554 ZPO). 1.10.1.3. Gericht dritter Instanz Gericht dritter Instanz ist der Bundesgerichtshof. In der Revisionsinstanz erfolgt eine Überprüfung der zweitinstanzlichen Urteile des OLG nur in rechtlicher Hinsicht, d. h. daraufhin, ob Bundesrecht verletzt, eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewandt wurde und insbesondere auch, ob bestimmte Verfahrensvorschriften (z. B. Besetzung des Gerichtes, Öffentlichkeit usw.) beachtet worden sind. 1.10.1.4. Sprungrevision Eine Sprungrevision (§ 566 a ZPO), d. h. unmittelbare Revision gegen ein Endurteil des LG in erster Instanz, kann nur mit Einwilligung des Gegners unter Übergehen des OLG eingelegt werden, wenn (1) die Revision auch gegen ein Urteil des OLG möglich wäre (z. B. Streitwert), (2) eine schriftliche Einwilligung des Gegners der Revisionsschrift beigefügt ist, (3) keine Mängel des Verfahrens gerügt werden. - 16- 1.10.1.5. Übersicht über den Aufbau der ordentlichen Gerichte: Aufbau der ordentlichen Gerichte Streitwert bis 5.000 € Streitwert über 5.000 € Amtsgericht AG I. Instanz Einzelrichter Landgericht LG I. Instanz Kammer 1 Vors. Richter und 2 Richter am LG Oberlandesgericht OLG IL Instanz (Berufung) bei Beschwer über 600 € IL Instanz (Berufung, grds. nur Rechtsprüfung bei Beschwer über 600 €) Senat 1 Vors. Richter und 2 Richter am OLG Bundesgerichtshof BGH III. Instanz (Revision, also Rechtsprüfung, soweit zugelassen) Senat 1 Vors. Richter und 4 Richter am BGH - 17- 1.10.2. Örtliche Zuständigkeit Die örtliche Zuständigkeit ist geregelt in §§ 12 - 37, 606 ZPO. Der sogenannte Gerichtsstand gibt an, bei welchem Gericht eines bestimmten Bezirks Klage eingereicht werden muß, z. B. A in Aachen will B in Bonn verklagen. Es sind mehrere Fälle möglich: 1.10.2.1. Allgemeiner Gerichtsstand Allgemeiner Gerichtsstand (§§ 12 - 19 ZPO) ist der Wohnsitz des Beklagten bzw. der Sitz, Ort der Verwaltung bei Gesellschaften. Fehlt dieser, gilt der Aufenthaltsort als letzter Wohnsitz. 1.10.2.2. Besondere Gerichtsstände Besondere Gerichtsstände gibt es daneben noch für besondere Arten von Ansprüchen. Die wichtigsten sind: (1) für vermögensrechtliche Ansprüche (a) der Aufenthaltsort (§ 20 ZPO) bei Aufenthalt von längerer Dauer als Arbeitnehmer, Student usw., (b) das Vermögen (§ 23 ZPO) von Personen ohne inländischen Wohnsitz, wo sich Vermögensgegenstände befinden, (2) die Niederlassung (§21 ZPO) bei selbständigen gewerblichen Niederlassungen, (3) die Mitgliedschaft (§ 22 ZPO), es gilt der Sitz der Gesellschaften, Vereine, (4) die Vermögensverwaltung (§31 ZPO) für Klagen zwischen Verwalter und Geschäftsherrn, (5) die unerlaubte Handlung (§ 32 ZPO), wo sie begangen wurde, (6) der Erfüllungsort (§ 269 BGB, § 29 ZPO) aber nur bei Vollkaufleuten, (7) § 23 a ZPO für Unterhaltssachen. Grundsätzlich hat der Kläger die Wahl, ob er im allgemeinen oder besonderen Gerichtsstand klagen will, §35 ZPO. 1.10.2.3. Ausschließliche Gerichtsstände Ausschließliche Gerichtsstände (diese sind nicht vereinbar) schließen alle zu 1.10.2.1. und 1.10.2.2. genannten Gerichtsstände aus: - 18- (1) in Mietsachen, wo sich der Wohnraum befindet, § 29 a ZPO, (2) der dingliche, wo das Grundstück liegt, § 24 ZPO, (3) Zwangsvollstreckung, § 802 ZPO, (4) für Mahnverfahren, § 689 ZPO, das AG des allgemeinen Gerichtsstandes des Antragstellers (5) Ehesachen, § 606 ZPO. 1.10.3. Gerichtsstandsvereinbarung Eine solche erfaßt die auf der Privatautonomie beruhende Möglichkeit, die Zuständigkeit eines Gerichtes durch Vereinbarung zu begründen. 1.10.3.1. Vor Klageerhebung Zu diesem Zeitpunkt können Kaufleute oder juristische Personen des öffentlichen Rechts untereinander ausdrücklich oder konkludent die sachliche oder örtliche Zuständigkeit eines an sich unzuständigen Gerichtes in erster Instanz vereinbaren (§38 Abs. 1 ZPO), sofern es sich um eine bestimmte vermögensrechtliche Streitigkeit handelt und kein ausschließlicher Gerichtsstand (vgl. 1.10.2.3.) bestimmt ist, §40 Abs. 2 ZPO. Eine solche Vereinbarung ist nur zulässig, wenn die Vereinbarung des Rechtsverhältnisses, dessen gerichtliche Behandlung erfaßt sein soll, genau bezeichnet ist, § 40 Abs. 1 ZPO. Die Zulässigkeit ist bei den vorgenannten Personen nicht auf Handelsgeschäfte beschränkt. 1.10.3.2. Nach Klageerhebung Zu diesem Zeitpunkt können alle Parteien, auch Nichtkaufleute, d. h. alle Privatpersonen, die Zuständigkeit eines an sich unzuständigen Gerichtes vereinbaren, wenn die Klage bei einem unzuständigen Gericht erhoben worden ist (§38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Parteien können den Streit bei dem angegangenen Gericht belassen oder einen anderen, ansonsten unzuständigen Gerichtsstand vereinbaren. Diese Vereinbarung muß ausdrücklich und schriftlich erfolgen, §38 Abs. 3 ZPO. Verhandelt der Beklagte bei Klageerhebung vor einem unzuständigen Gericht erster Instanz zur Sache, ohne die Unzuständigkeit zu rügen, so gilt dies als Zustimmung; das angegangene Gericht wird zuständig, § 39 ZPO. Jedoch muß bei einem Amtsgericht der Beklagte auf die Unzuständigkeit des Gerichts hingewiesen werden (§ 39 S. 2, 504 ZPO). Dies, weil bei Streitigkeiten vor dem AG die Parteien nicht anwaltlich vertreten sein müssen und daher keinen Rechtsrat haben. Der Grund für diese Regelung besteht darin, daß nach Entstehen des Streites die Parteien genau wissen, daß es zum Streit kommt, und sie sich über den Umfang ihrer Vereinbarung nunmehr im klaren sein müssen. - 19- 1.10.4. Verweisung an das zuständige Gericht Ist das angegangene Gericht sachlich und/oder örtlich unzuständig, kann der Kläger auf Rüge des Beklagten - bei ausschließlichem Gerichtsstand ohne Rüge - eine Verweisung an das zuständige Gericht beantragen (§ 281 ZPO). Durch Gerichtsbeschluß wird die Sache an das zuständige Gericht verwiesen. Dieser Beschluß ist unwiderruflich (unanfechtbar). Der Streit wird bei dem neuen Gericht anhängig. Die mit der Klageerhebung beim unzuständigen Gericht eingetretene Verjährungsunterbrechung wird fortgesetzt; die bisherigen Handlungen (Entscheidungen) bleiben wirksam (z. B. Prozeßkostenhilfe) Stellt der Kläger den Verweisungsantrag nicht, wird die Klage als unzulässig abgewiesen; der Kläger hat die Kosten zu tragen. 1.11. Gang des Erkenntnisverfahrens Das Erkenntnisverfahren oder Urteilsverfahren hat das Urteil zum Ziel. Es erfaßt das gerichtliche Verfahren bis zur Feststellung der Rechtslage (Bestehen, Nichtbestehen der Klageforderung, Feststellung eines Rechtes) im Urteil bzw. Vergleich, Verzicht usw. Das Verfahren vor dem erkennenden Gericht (Prozeßgericht), das längstens - soweit nicht Verzicht u. ä. - bis zum die Instanz abschließenden Urteil bzw. Beschluß führt und damit die Grundlage für eine anschließende Zwangsvollstreckung bietet, muß durch eine Verfahrensordnung im Ablauf genau geregelt sein und die Rechte der Verfahrensbeteiligten (Gericht, Parteien, Rechtsanwälte usw.) bestimmen. Diese Verhaltensregeln sollen einen Mißbrauch prozessualer Möglichkeiten verhindern. Durch Formstrenge soll die Kontrolle dahingehend erfolgen, daß alles mit rechten Dingen abläuft, ein willkürliches Verhalten ausgeschlossen und die Parteien zum Objekt des Verfahrens gemacht werden. Ein Streit unter den Parteien ist nicht erforderlich, so kann auch Einstimmigkeit bestehen, etwa bei Scheidung, Nichtverhandeln, Zugeständnis usw. Das Erkenntnisverfahren beginnt mit der Zustellung der Klageschrift und endet mit dem Ergehen eines rechtskräftigen Urteils . Da die Endgültigkeit des Urteils mit Beendigung des Instanzenzuges feststeht, erfaßt das Erkenntnisverfahren auch das Verfahren in den höheren Instanzen. 1.11.1. Klageerhebung Das Verfahren beginnt mit der Klageerhebung. Die Klageerhebung erfolgt durch Zustellung der Klageschrift (§ 253 ZPO). 1.11.1.1. Einreichung der Klage Inhalt der Klageschrift nach § 253 Abs. 2, 3 ZPO: (1) Bezeichnung des Gerichtes und der Parteien, und zwar mit Vor-, Zuname, Beruf, Wohnort, Straße, Hausnummer, Stockwerk, damit Zustellung und Zwangsvollstreckung reibungslos erfolgen können, -20- (2) bestimmte Angabe des geforderten Gegenstandes, des Grundes (Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird) sowie des Antrages als Begehren des Klägers (z. B. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.000,-- € zu zahlen). Die Klageschrift ist zweifach einzureichen - für Gericht und Beklagten -; sind weitere Personen verklagt, entsprechend mehr Durchschriften. Sobald die Gerichtskostenvorauszahlung geleistet ist (zumeist in Gebührenmarken), bestimmt der nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Richter (bei Kollegialgerichten der Vorsitzende) durch Vermerk auf der Klageschrift den Termin zur mündlichen Verhandlung oder veranlaßt ein schriftliches Vorverfahren (§ 272 ZPO), und zwar unter Beachtung der Einlassungsfrist (im Anwaltsprozeß mind. eine Woche, sonst drei Tage, § 217 ZPO), damit der Beklagte sich vorbereiten kann. Bei den Kollegialgerichten (LG, OLG, BGH) besteht Anwaltszwang (§§ 78 ff. ZPO), d. h. Pflicht zur Vertretung durch einen beim Prozeßgericht zugelassenen Anwalt. Daher kann die Partei weder selbst die Klage einreichen noch sonst die Prozeßhandlungen vornehmen. Dies muß durch den Anwalt erfolgen. Beim Amtsgericht gibt es einen Anwaltszwang in Ehe- und Güterrechts Sachen. 1.11.1.2. Zustellung der Klage Ist die Prozeßgebühr gezahlt bzw. die Prozeßkostenhilfe bewilligt, wird die Klage zugestellt, vgl. auch § 65 GKG. Dem Beklagten wird eine beglaubigte Abschrift der Klage und die Mitteilung der Terminbestimmung und Ladung des Beklagten zu diesem Termin von Amts wegen zugestellt, §§274, 270 ZPO. Mit der Zustellung ist die Klage erhoben, §253 Abs. 1 ZPO, und damit rechtshängig, § 261 ZPO. Diese Rechtshängigkeit hat Bedeutung für (a) die Verjährungsunterbrechung (§ 209 BGB) (b) die Prozeßzinsen (§ 291 BGB) (c) für die Einrede der Rechtshängigkeit (zwischen den Parteien ist kein zweiter Prozeß über dieselbe Sache möglich, § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Der Beklagte kann auf die Klageschrift wiederum durch Schriftsatz mit Gegendarstellung der Tatsachen und mit Beweismitteln erwidern; daraufhin hat wiederum der Kläger eine Erwiderungsmöglichkeit usw. -21 - 1.11.1.3. Muster einer Klageschrift DR. DIETER STREITIG RECHTSANWALT Rosenweg 12 07743 Jena An das Jena, den 11. März 2002 Amtsgericht Jena Gerichtsstraße 1 07743 Jena Eingangsstempel: Amtsgericht Jena Eingegangen am 13. März 2002 KLAGE des Kaufmanns Karl Klug, Naumburger Str. 14, 07743 Jena, Kläger, gegen die Hausfrau Helga Hunzig, Weimarer Str. 4, 07743 Jena, Beklagte, wegen Kaufpreisforderung. Wert des Streitgegenstandes: 750 €. Namens und im Auftrag des Klägers erhebe ich Klage und bitte um Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung in dem ich beantragen werde, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 750 € nebst 14,5 % Zinsen seit dem 22. 1.2002 zu zahlen. -22- Begründung: I. Der Kläger betreibt in Jena ein Fachgeschäft für Unterhaltungselektronik. Am 9. Januar 2002 suchte die Beklagte den Kläger in dessen Ladengeschäft auf. Dort wählte sie ein Farbfernsehgerät des Typs "Dröhni 2000" zum Preis von 1.000 € aus. Bei den Kaufverhandlungen ergab sich, daß die Beklagte nicht in der Lage war, den Kaufpreis in einer Summe zu zahlen. Um der Beklagten entgegenzukommen, bot der Kläger ihr an, zunächst eine Anzahlung von 250 € zu leisten und den Restbetrag binnen eines Monats zu zahlen. Die Beklagte erklärte sich hiermit einverstanden und leistete die Anzahlung. Beweis: Vorlage des Kaufvertrags vom 9. Januar 2002. Daraufhin lieferte der beim Kläger beschäftigte Fernsehtechniker Meier am darauf folgenden Tag das Fernsehgerät aus und stellte es im Wohnzimmer der Beklagten auf. Beweis: Zeugnis des Herrn Hans Meier, Steinweg 3, 07743 Jena Über die Anzahlung hinaus leistete die Beklagte keine weiteren Zahlungen. Am 21. Januar 2002 mahnte der Kläger die Zahlung des Kaufpreises telefonisch bei der Beklagten an. Anläßlich dieses Telefongesprächs, welches die Ehefrau des Klägers über Zimmerlautsprecher mithörte, sagte die Beklagte auch die baldige Zahlung zu. Beweis: Zeugnis der Frau Erna Klug, zu laden über den Kläger. Trotz dieser Mahnung war kein Zahlungseingang zu verzeichnen. Das ausgelieferte Fernsehgerät ist im übrigen auch funktionstüchtig. Ausdrücklich wird bereits jetzt einem etwaigen Einwand der Mangelhaftigkeit entgegengetreten. Die Beklagte hat dem Kläger nämlich zwischenzeitlich mitgeteilt, daß sie die Restzahlung verweigere, weil das Fernsehgerät defekt sei. Insbesondere seien die Sender RTL und SAT 1 mit ihrer Zimmerantenne nicht zu empfangen. Selbst wenn diese Behauptung zuträfe, so würde dies jedoch keinen Mangel darstellen. Die Satellitenprogramme wie RTL und SAT 1 können in der Regel nur mit entsprechenden Satellitenempfangsanlagen, nicht jedoch mit Zimmerantennen, empfangen werden. Beweis: Sachverständigengutachten. IL Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des vereinbarten Restkaufpreises ergibt sich aus § 433 Abs. 2 BGB. Denn zwischen den Parteien ist ein Kaufvertrag über das Fernsehgerät zustandegekommen. Von dem vereinbarten Kaufpreis in Höhe 1.000 € steht noch ein Restbetrag von 750 € offen. Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Aufgrund der telefonischen Mahnung befindet sich die Beklagte seit dem 22. Januar 20202 mit der von ihr geschuldeten Leistung in Verzug. Der Kläger, der aufgrund seiner umfangreichen Lagerhaltung stets gegenüber den Großhändlern in Vorleistung treten muß, nimmt laufend Bankkredit mindestens in Höhe der Klageforderung zu einem Zinssatz von zumindest 14,5 % in Anspruch. Beweis: Vorlage einer entsprechenden Bankbestätigung. Beglaubigte und einfache Abschrift anbei. Unterschrift: Rechtsanwalt 1.11.2. Vorbereitung des Haupttermins -23 - Der Rechtsstreit soll möglichst in einer gut und umfassend vorbereiteten mündlichen Verhandlung, dem sogenannten Haupttermin, erledigt werden, § 272 Abs. 1 ZPO. Um dies zu erreichen, gibt es seit der Vereinfachungsnovelle von 1976 zwei Möglichkeiten. Das Gericht muß sich für einen Weg entscheiden. 1.11.2.1. Früher Vorbereitungstermin Das Gericht kann einen möglichst frühen Vorbereitungstermin (möglichst kurzfristig, Frist in § 274 Abs. 3 ZPO) veranlassen, §§ 272 Abs. 2, 275 ZPO. In diesem Termin ist die Angelegenheit mit den Parteien zu erörtern, um den späteren Haupttermin vorzubereiten. Die Erörterung der Streitpunkte erfolgt, um die Stellungnahme zu den gegnerischen Behauptungen zu ermöglichen. Der Vorbereitungstermin ist ein echter Verhandlungstermin, in dem bereits ein Versäumnisurteil möglich ist. 1.11.2.2. Schriftliches Vorverfahren Statt des Vorbereitungstermins kann das Gericht ein schriftliches Vorverfahren durchführen und den Haupttermin vorbereiten (in Statussachen unzulässig, §§611 Abs. 2, 640 Abs. 1 ZPO). Zunächst unterbleibt eine Terminbestimmung. Es erfolgt eine Klärung, was und ob überhaupt etwas streitig ist. Ab und mit Klagezustellung läuft eine Notfrist von zwei Wochen, in der der Beklagte seine Verteidigungsabsicht bekanntgeben und innerhalb weiterer zwei Wochen eine schriftliche Klageerwiderung einreichen muß, § 276 ZPO. Erklärt der Beklagte seine Verteidigungsabsicht nicht, ergeht auf Antrag des Klägers Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren, §§276 Abs. 2, 331 Abs. 3 ZPO. Erkennt der Beklagte den Anspruch ausdrücklich an, ergeht auf Antrag des Klägers Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren, § 307 Abs. 2 ZPO. Ein Prozeßvergleich ist im schriftlichen Verfahren unzulässig. Verteidigt sich der Beklagte, setzt das Gericht dem Kläger eine Frist mit Präklusionswirkung für die Stellungnahme zu dem Beklagtenvortrag. Das Gericht trifft die vorbereitenden Maßnahmen nach § 273 ZPO für den Haupttermin (z. B. Anordnung persönlichen Erscheinens, Sachverständigengutachten), um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen. Es sorgt auch für die Ladung der Zeugen und die Präsenz der Beweismittel. Der Vorsitzende bestimmt den Haupttermin und veranlaßt die Ladung der Parteien, § 274 Abs. 1 ZPO. -24- Schriftliches Vorverfahren (§ 276 ZPO) Zustellung der Klage - ohne Terminsbestimmung - mit Aufforderung, Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen binnen 2 Wochen: Anzeige der Verteidigungsbereitschaft des Beklagten Anerkenntnis keine Stellungnahme binnen 2 weiterer Wochen: schriftliche Klageerwiderung des Beklagten auf Antrag des Klägers: Anerkenntnisurteil § 307 Abs. 2 ZPO auf Antrag des Klägers: Versäumnisurteil § 331 Abs. 3 ZPO Terminsbestimmung § 272 Abs. 3 ZPO möglichst früh Vorbereitung des Termins § 273 ZPO Haupttermin -25-1.11.2.3. Güteverhandlung Neu: Seit dem 01.01. 2002 - Förderung der nicht streitigen Konfliktbeilegung a) Obligatorische Güteverhandlung (§ 278 II ZPO) Inhalt der Neuregelung Vor der (ersten) mündlichen Verhandlung muss das Gericht grundsätzlich mit den Parteien „zum Zweck der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits" verhandeln. Dieser Güteversuch ist nicht Teil der mündlichen Verhandlung, soll ihr aber zeitlich unmittelbar vorgeschaltet werden (nahtloser Übergangs bei Erfolglosigkeit). Wirksame Prozesshandlungen können in diesem Verfahrensabschnitt nur vorgenommen werden, soweit sie nicht nach dem Gesetz eine mündliche Verhandlung voraussetzen, nicht möglich sind zB Geständnis (§ 288 I ZPO), neue Sachanträge (§ 297 ZPO), Verzicht (§ 306 ZPO) und Anerkenntnis (§ 307 ZPO). Wirksam sind dagegen protokollierte Klagerücknahme ohne Einwilligung des Beklagten (§ 269 I, II S. 1 und 2 iVm §§160 III Nr. 8, 162 I ZPO), übereinstimmende Erledigungserklärung und Verweisungsantrag (§ 281 II ZPO). Der Sachvortrag bleibt verwertbar (§ 286 ZPO: „Verhandlungen"). Erforderlich ist eine Güteverhandlung bei allen erstinstanzlichen Verfahren mit mündlicher Verhandlung, (auch nach Übergang aus Mahnverfahren, im Urkundenprozess, im Arrest- und Verfügungsverfahren, in Ehe- und Familiensachen und bei Wiederaufnahmeverfahren), soweit das Verfahren nach dem 1.1.2002 anhängig wurde (§ 26 Nr. 2 EGZPO). Ausnahmen (§ 278 II1 2.HS ZPO) 1. vorangegangener Einigungsversuch vor Schlichtungsstelle, 2. erkennbare Aussichtslosigkeit (muss evident sein, bloße Behauptung genügt nicht), 3. Verhandlung über Einspruch gegen Versäumnisurteil oder Vollstreckungsbescheid, (Sonderregelung in § 341a ZPO). Verfahrensablauf Dem frühen ersten Termin oder (bei schriftlichem Vorverfahren) dem Haupttermin ist die Güteverhandlung vorzuschalten. Sie findet vor dem erkennenden Gericht statt (nicht Vorsitzender allein, außer bei Kammer für Handelssachen, § 349 I 1 ZPO) das Gericht kann an beauftragten oder ersuchten Richter verweisen, § 278 V 1 ZPO. Die Parteien sollen persönlich anwesend sein und gehört werden. Protokoll wird geführt. Anwaltszwang nach allgemeinen Regeln. Unzulässig ist ein Versäumnisurteil, zulässig Verweisung nach § 17a GVG oder § 281 ZPO. Beweiserhebungen sollen nicht stattfinden („unter freier Würdigung aller Umstände"), informelle Befragung präsenter Zeugen ist aber möglich (ohne Verwertbarkeit im weiteren Verfahren), ebenso Einsicht in Urkunden oder Augenschein von Gegenständen. Bei Säumnis beider Parteien iSv §§ 330 ff. ZPO zwingend Ruhensanordnung (§ 278 IV ZPO). Bei Säumnis einer Partei gilt Güteverhandlung als gescheitert, dann Eintritt in mündliche Verhandlung. Gebühren für Güteverhandlung fallen nicht an, weil die Erörterungsgebühr nach § 31 I Nr. 4 BRAGO auf die Verhandlungsgebühr für spätere mündliche Verhandlung angerechnet wird (§31IIBRAGO). -26- b) Außergerichtliche Schlichtung während des Prozesses (§ 278 V ZPO) In vielen Fällen wird während des Prozesses erkennbar, dass eine nicht streitige Konfliktbeilegung möglich oder nötig ist (zB bei engen persönlichen Beziehungen), das Gericht eine solche aber nicht herbeiführen kann (zB psychologischer Sachverstand erforderlich). Für solche Fälle weist § 278 V S. 2 ZPO auf die Möglichkeit hin, den Parteien eine außergerichtliche Schlichtung vorzuschlagen (zB Schieds- oder Schlichtungsstelle, Mediation, Anwaltsvergleich, Schiedsgutachten). Sind die Parteien einverstanden, ruht das Verfahren (§ 278 V S. 3 iVm § 251 ZPO). Kommt es zur Einigung: Erledigung durch Nichtbetreiben oder Klagerücknahme. c) Vereinfachter Prozessvergleich (§ 278 VI ZPO) Parteivertreter müssen für Vergleichsabschluss nicht mehr vor Gericht erscheinen. Verfahren: - Gericht macht den Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag, - Parteien nehmen ihn durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht an, - Gericht stellt Inhalt des Vergleichs durch Beschluss fest. Dieser kann nicht angefochten, nur berichtigt werden (§ 278 VI S. 3 iVm § 164 ZPO). In der Wirkung steht dieser einem beurkundeten Prozessvergleich (Vollstreckungstitel, § 794 I Nr. 1 ZPO) gleich. 1.11.3. Haupttermin Dieser erfolgt nach umfassender Vorbereitung; in ihm soll das Verfahren für diese Instanz erledigt werden. Das Gericht legt den entscheidungserheblichen Streitstoff dar und weist auf die wesentlichen Streitpunkte hin. Auf diese Erörterung können die Parteien verzichten. Die Anhörung der Parteien, sofern diese erschienen sind, dient der Aufklärung des Sachverhalts und der Beseitigung von Widersprüchen. Da jeder Rechtsstreit den Parteien Mühe, Ärger und Kosten bereitet, ist das Gericht in jeder Lage des Prozesses auf eine gütliche Beilegung, auf dessen vergleichsweise Erledigung bedacht, § 279 ZPO. Dies ist allerdings oft erst nach Darlegung der verschiedenen sachlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte möglich. Kommt es nicht zum Vergleich, beginnt nach diesen Erörterungen die streitige Verhandlung (dieser Zeitpunkt ist wesentlich für die nunmehr entstehenden Kosten). Die Parteien (bzw. Rechtsanwälte) stellen ihre Klageanträge (§ 137 ZPO) durch Verlesen aus dem Schriftsatz bzw. Bezugnahme auf den Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll. Der Kläger stellt den Klageantrag zumeist unter Bezug auf seine Klageschrift, § 297 Abs. 2 ZPO. Der Beklagte stellt in der Regel den Antrag auf Klageabweisung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen (Einreden usw.), auch hier in der Regel durch Verweis auf die Klageerwiderungsschrift. Dem folgt eine Erörterung des Sachverhaltes zwischen Gericht und Parteien durch mündliche Vorträge, § 137 Abs. 2, 3 ZPO. -27- Eine Beweisaufnahme erfolgt nur, sofern der Tatbestand streitig ist, also nicht in Rechtsfragen. Streitig ist ein Tatbestand nur, wenn er von der anderen Partei ausdrücklich bestritten ist. Dabei ist von großer Bedeutung, welche Partei den Beweis erbringen muß, sog. Beweislast. Dies ist ein kompliziertes Problem des Prozeßrechts. Grundsätzlich gilt, daß derjenige, der für sich ein Recht in Anspruch nimmt, das Entstehen bzw. Bestehen beweisen muß, d. h. die hierfür erforderlichen Tatumstände. So muß bei einem Darlehen der Kläger die Hingabe, der Beklagte die Rückzahlung beweisen. Zum Teil bestehen gesetzliche Beweislastregeln, etwa in §§ 179 Abs. 1, 282, 363, 442 BGB. Der Beweisbeschluß und dessen Durchführung erfolgen sofort in der mündlichen Verhandlung, sofern dies möglich und nötig ist, § 278 Abs. 2 ZPO. Die Beweisfrage muß erheblich sein, d. h. die Klärung dieser Sachverhaltsfrage entscheidet darüber, ob die Klage zugesprochen wird oder nicht. Weiterhin muß das Beweismittel präsent sein. Die ausschließlich zugelassenen Beweismittel sind: (1) die Augenscheinseinnahme, §§371-3 72 a ZPO, (2) Zeugen, §§373-401 ZPO, (3) Sachverständige, §§ 402 - 414 ZPO, (4) Urkunden, §§ 415 - 444 ZPO. (5) Parteivernehmung, §§ 445 ff ZPO Bleibt eine Partei den Beweis schuldig, d. h. kann sie entweder keinen Beweis erbringen (sie hat keinen Zeugen, keine Quittung usw.) oder ist der Zeuge nicht zu ermitteln, gilt die behauptete Tatsache als nicht bewiesen; der Richter muß von dem Nichtvorliegen dieser Tatsache ausgehen. Dies gilt auch dann, wenn das Beweismittel den Richter nicht von der Wahrheit der behaupteten Aussage überzeugt. So etwa, wenn der Zeuge sich in Widersprüche verwickelt oder widersprechende Aussagen mehrerer Zeugen gegenüberstehen. Damit gilt der Grundsatz: Nicht wer Recht hat, bekommt Recht, sondern nur, wer es beweisen kann. Daher sollte vor jeder Klageerhebung oder Durchführung eines Prozesses genau geprüft werden, ob die der jeweiligen Partei obliegenden Beweise erbracht werden können. Dies erspart Ärger, Kosten und Enttäuschung. Nach der Durchführung der Beweisaufnahme wird die mündliche Verhandlung fortgesetzt; die Parteien können zur Beweisaufnahme Stellung nehmen, § 278 Abs. 2 S. 2 ZPO, der Sach-und Streitstand wird erörtert. Das Gericht würdigt den Beweis dann selbst im Urteil. In der mündlichen Verhandlung wird der Rechtsstreit erörtert. Sind die Parteien durch Anwälte vertreten, brauchen sie selbst nicht erscheinen. Das Gericht soll jedoch das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen, wenn ihre Anwesenheit zur Sachverhaltsaufklärung erforderlich ist, § 141 ZPO. Die Verhandlungsleitung liegt beim Vorsitzenden bzw. Einzelrichter. Dieser eröffnet und schließt die mündliche Verhandlung (§ 136 ZPO). Er erteilt das Wort und entzieht es. Er verkündet die Entscheidung usw. Bei Kollegialgerichten besteht eine erhebliche Mitwirkung der Kollegen. -28- Nach Beendigung der Erörterungen wird die mündliche Verhandlung geschlossen oder vertagt. Ist der Sachverhalt aufgeklärt und die Beweiserhebung abgeschlossen, ergeht nach geheimer Beratung (§§ 192 - 197 GVG) entweder sofort oder in einem späteren Verkündungstermin das Urteil, d. h. die Entscheidung zur Hauptsache, zu den Kosten und zur Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung. 1.11.4. Muster eines Urteils 3 C 147/93 AMTSGERICHT JENA IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In dem Rechtsstreit des Kaufmanns Karl Klug, Naumburger Str. 14, 07743 Jena, Kläger, - Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Streitig in Jena -gegen die Hausfrau Helga H u n z i g, Weimarer Str. 4, 07743 Jena, Beklagte, hat das Amtsgericht Jena durch Richter am Amtsgericht Findig auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 2002 für Recht erkannt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 750 € nebst 14,5 % Zinsen seit dem 22. 1. 2002 zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. -29- Tatbestand: Der Kläger betreibt in Jena ein Fachgeschäft für Unterhaltungselektronik. Am 9. Januar 2002 suchte die Beklagte den Kläger in dessen Ladengeschäft auf. Dort wählte sie ein Farbfernsehgerät des Typs "Dröhni 2000" zum Preis von 1.000 € aus. Bei den Kaufverhandlungen ergab sich, daß die Beklagte nicht in der Lage war, den Kaufpreis in einer Summe zu zahlen. Der Kläger bot ihr daraufhin an,zunächst eine Anzahlung von 250 € zu leisten und den Restbetrag binnen eines Monats zu zahlen. Die Beklagte erklärte sich hiermit einverstanden und leistete die Anzahlung. Am darauf folgenden Tag wurde das Gerät an die Beklagte ausgeliefert und bei ihr aufgestellt. Trotz einer am 21. Januar 2002 erfolgten telefonischen Mahnung durch den Kläger, leistete die Beklagte über die Anzahlung hinaus keine weiteren Zahlungen. Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 750 € nebst 14,5 % Zinsen seit dem 22. Januar 20202 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, das Fernsehgerät sei mangelhaft, weil sie damit nicht die Satellitenprogramme RTL und SAT 1 empfangen könne. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen Schlau und durch Inaugenscheinnahme einer Bankbestätigung. Entscheidungsgründe: Die Beklagte ist verpflichtet, 750 € an den Kläger zu zahlen. Der Anspruch ergibt sich aus § 433 Abs. 2 BGB. Denn zwischen den Parteien ist ein Kaufvertrag über das Fernsehgerät zum Preis von 1.000 € zustandegekommen. Es steht eine Restforderung von 750 € offen, weil die Beklagte über eine Anzahlung von 250 € hinaus keine weiteren Zahlungen leistete. Der Geltendmachung des Kaufpreisanspruchs steht auch nicht der Sachmangeleinwand entgegen. Die Beklagte ist nicht nach § 437 BGB zu Rücktritt oder Minderung berechtigt. Das verkaufte Fernsehgerät ist nicht fehlerhaft. Zwar hat die Beklagte geltend gemacht, nicht die Sender RTL und SAT 1 mit ihrer Zimmerantenne empfangen zu können. Aufgrund der schriftlichen Stellungnahme des vereidigten Sachverständigen für das Elektronikhandwerk, des Dipl.-Ing. Hans Schlau, steht aber fest, daß hierfür nicht der Zustand des verkauften Geräts ursächlich ist. Denn mit einem Fernsehgerät dieses Typs können grundsätzlich auch Satellitenprogramme empfangen werden. Hierfür ist jedoch das Vorhandensein einer besonderen Satellitenempfangsanlage erforderlich. Wie die Beklagte selbst eingeräumt hat, besitzt sie eine solche aber nicht. Eine Mangelhaftigkeit wäre allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft dann in Betracht zu ziehen, wenn der Kläger der Beklagten ausdrücklich zugesichert hätte, ohne weitere zusätzlichen Geräte mit dem Fernseher auch Satellitenprogramme empfangen zu können. Hierfür hat die Beklagte aber nichts vorgetragen. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 I, 288 III BGB. Aufgrund der telefonischen Mahnung vom 21. Januar 2002 befindet sich die Beklagte seit dem 22. Januar 2002 mit der von ihr geschuldeten Leistung in Verzug. Aufgrund der Vorlage einer Bankbestätigung steht fest, daß der Kläger laufend Bankkredit mindestens in Höhe der Klageforderung zu einem Zinssatz von zumindest 14,5 % in Anspruch nimmt. Als unterliegende Partei hat die Beklagte nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11 ZPO. Findig Richter am Amtsgericht -30- 1.11.5. Rechtskraft Rechtskraft erlangt das Urteil, wenn kein Rechtsmittel eingelegt werden kann oder Rechtsmittelfristen ungenutzt verstrichen sind. Damit ist das strittige Rechtsverhältnis endgültig festgelegt. Die Parteien und Zivilgerichte sind daran gebunden. Ein erneuter Prozeß über diesen Streit ist nicht möglich. 1.11.6. Kosten Gerichts- und Anwaltskosten des Gegners trägt die unterlegene Partei nach § 91 ZPO. Prozeßkostenhilfe wird bei Bedürftigkeit einer Partei bewilligt. Falls diese bewilligt war, ist die unterlegene Partei trotz Auferlegung der Kosten von den Gerichts- und eigenen außergerichtlichen Kosten befreit, nicht aber von den außergerichtlichen Kosten der obsiegenden Partei. Muster einer Kostenrechnung: Klage auf Zahlung von 750 €. Beklagter unterliegt nach Beweisaufnahme. Nach dem stattgebenden Urteil hat der Beklagte die Kosten zu tragen (§91 ZPO) I. GERICHTSKOSTEN (nach dem Gerichtskostengesetz, GKG) 3 Verfahrensgebühren je45€ 135 € zuzüglich Auslagen, etwa Sachverständigenkosten, Zeugenentschädigung ________ 135 € 135 € IL ANWALTSKOSTEN (nach BRAGO) 1 Prozeßgebühr 65 € 1 Verhandlungsgebühr 65 € 1 Beweisgebühr 65 € Kostenpauschale 20 € 215 € + 16%MWSt 34.40 € je Anwalt 249,40 € 2 x Anwälte 498,80 € 498.80 6 INSGESAMT 633,80 6 1.12. Versäumnisverfahren -31 - Dieses ist in §§ 330 - 347 ZPO geregelt. Es wird durchgeführt bei Nichterscheinen einer Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung, bei Nichtverhandeln oder wenn der Beklagte innerhalb einer ihm vom Gericht gesetzten Frist nicht erklärt, ob er sich verteidigen will (§§ 330, 331 ZPO). Die erschienene Partei erhält grundsätzlich auf Antrag ein Versäumnisurteil. Erscheint der Kläger nicht, wird die Klage abgewiesen, § 330 ZPO. Bei Nichterscheinen des Beklagten wird dem Urteil allein der Vortrag des Klägers zugrundegelegt. Der von ihm vorgetragene Sachverhalt wird als wahr unterstellt. Selbst der schriftlich eingereichte abweichende Vortrag des Beklagten bleibt unberücksichtigt. Gegen ein Versäumnisurteil kann der Säumige Einspruch innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des VerSäumnisurteiles einlegen (§§ 338 ff. ZPO). Der Prozeß geht dann weiter; der Säumige trägt allerdings die Kosten dieses Termines. Fehlt der Säumige im nächsten Termin wiederum (Einspruchstermin), ergeht das zweite Versäumnisurteil (§ 345 ZPO), durch das der Einspruch gegen das erste Versäumnisurteil verworfen wird. Damit ist das Verfahren in dieser Instanz endgültig beendet. Erscheint der Säumige im Einspruchstermin, wird weiterverhandelt; eine weitere Säumnis im übernächsten oder folgenden Termin führt wieder zu einem erneuten Versäumnisurteil, gegen das dann aber wieder Einspruch möglich ist. Ein nicht mehr durch Einspruch angreifbares oder nicht angegriffenes Versäumnisurteil steht dem normalen Urteil gleich, d. h. es kann in der zweiten oder dritten Instanz überprüft werden durch Berufung bzw. Revision, vgl. aber § 513 ZPO. Statt eines Versäumnisurteils kann der Erschienene Entscheidung nach Aktenlage verlangen, § 331 a ZPO. Eine solche Entscheidung kann auch ergehen, wenn beide Parteien nicht erschienen sind oder nicht verhandeln, § 251 a ZPO. -32- Übersicht über das Versäumnisverfahren Kläger erscheint nicht, Kläger ist anwesend, Beklagter ist anwesend Beklagter erscheint nicht * it ÍÉ Klageabweisung durch Klage ist zulässig und Klage ist unzulässig oder Versäumnisurteil schlüssig unschlüssig § 330 ZPO * * stattgebendes Klageabweisung Versäumnisurteil durch Endurteil §331 ZPO §300 ZPO * Einspruch binnen 2 Wocher Bestimmung eines Termins (unechtes VU) i nach Zustellung (§338 ZPO) zur mündlichen Verhandlung (§341 a ZPO) it ^ Partei i st jetzt Partei erscheint anwesend: wieder nicht: * * neue Entscheidung zweites § 343 ZPO Versäumnisurteil § 345 ZPO * gegebenenfalls i.d.R. Rechtsmittel kein Rechtsmittel §§513 11, 566 ZPO 1.13. Besondere Verfahren 1.13.1. Mahnverfahren Das in §§ 688 - 703 d ZPO geregelte Mahnverfahren hat den Zweck, dem Gläubiger einer voraussichtlich unbestrittenen Forderung auf schnellerem und billigerem Wege als durch Klage einen vollstreckbaren Titel zu verschaffen. Für das Mahnverfahren ist stets das Amtsgericht zuständig (§ 689 ZPO). Hier erledigt dieses Verfahren der Rechtspfleger. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich danach, wo der Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 689 ZPO i. V. m. §§ 12, 13 ZPO, § 7 BGB). Dies gilt selbst dann, wenn in anderen Vorschriften, z. B. §29 a ZPO, eine andere ausschließliche Zuständigkeit bestimmt ist, § 689 Abs. 2 S. 3 ZPO. -33 - 1.13.1.1. Voraussetzungen für das Mahnverfahren, § 688 ZPO (Abs. 1 ab 1. 1. 1999 neu) (l)Der Anspruch muß auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme in Euro oder DM (Ausnahme: § 688 Abs. 3 ZPO) lauten. Die Höhe des Betrages ist gleichgültig. Selbst ein Millionenbetrag kann durch Mahnverfahren eingetrieben werden. Der Anspruch braucht nicht begründet, sondern nur behauptet (bezeichnet) zu werden (z. B. aus Miete, aus Kauf, gem. Rechnung vom 8. 6. 1993). (2)Der Anspruch muß fällig sein. (3)Die Leistung darf nach dem Inhalt des Gesuches nicht von einer noch nicht erfolgten Gegenleistung abhängig sein. Entweder muß also der Gegner vorleistungspflichtig sein oder der Gläubiger die erfolgte Gegenleistung behaupten, da sonst die Einrede des nichterfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB zu erwarten ist. (4)Die Zustellung darf nicht im Ausland oder öffentlich erforderlich sein, z. B. bei unbekanntem Aufenthalt des Gegners (Ausnahmen: § 688 Abs. 3 ZPO, neu ab 19.02.2001). (5)Behauptung der Zuständigkeit. 1.13.1.2. Einleitung des Mahnverfahrens Das Verfahren wird eingeleitet durch den Antrag (§ 688 Abs. 1 ZPO) auf Erlaß eines Mahnbescheides (früher Zahlungsbefehl), der ein gerichtlich-amtliches Mahnschreiben ist. Dieser Mahnbescheid ist nicht zu verwechseln mit der Mahnung im Sinne des § 284 BGB. Der Inhalt des Antrages auf Erlaß eines Mahnbescheides ist in § 690 ZPO vorgeschrieben, ähnlich wie bei der Klageschrift. In der Praxis werden Formblätter verwandt (§ 703 c ZPO), die dreifach ausgefüllt werden, wovon an das Gericht zwei Exemplare gehen. Eine Zurückweisung des Antrages erfolgt, wenn allgemeine oder besondere Verfahrensvoraussetzungen fehlen oder der Antrag in Form und Inhalt nicht den gesetzlichen Voraussetzungen genügt. Die Zurückweisung ist unanfechtbar (Ausnahme: § 691 Abs. 3 S. 1 ZPO). Der Antragsteller kann allerdings seinen Anspruch dann in einem ordentlichen Klageverfahren verfolgen. Sind die allgemeinen und besonderen Verfahrensvoraussetzungen gegeben, wird der Mahnbescheid erlassen und dem Schuldner von Amts wegen (§ 693 Abs. 1 ZPO) zugestellt. Eine Schlüssigkeitsprüfung (d. h., ob dem Gläubiger der geltend gemachte Anspruch tatsächlich zusteht) erfolgt nicht, § 692 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Zahlt der Schuldner daraufhin, trägt er die Kosten des Mahnverfahrens, auch die eines Anwaltes, wenn der Mahnbescheid durch einen Anwalt beantragt worden ist. Den Gang des Verfahrens zeigt folgendes Schema: -34- Übersicht über das Mahnverfahren Mahnantrag, § 690 ZPO Prüfung der Voraussetzungen durch Zurückweisung (§ 691 ZPO) Erlaß und Zustellung des Mahnbescheides (§§ 692, 693 ZPO) Schuldner zahlt Widerspruch (§ 694 ZPO) kein Widerspruch Antrag auf streitiges Verfahren Verhandlung vor dem AG kein Antrag auf Vollstreckungsbescheid (VB) Antrag auf VB Antrag auf Verweisung an LG Erlaß des VB (§ 699 ZPO) kein Einspruch Einspruch des Schuldners des Schuldners Verhandlung vor AG Antrag auf Verweisung an LG -35- 1.13.1.3. Widerspruch gegen den Mahnbescheid Gegen einen vom Gericht erlassenen Mahnbescheid kann der Schuldner Widerspruch einlegen. Dies erfolgt durch Ausfüllen und Übergabe des dem Mahnbescheid beigefügten Vordruckes oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle bzw. durch Übersendung des dem Mahnbescheid beigefügten ausgefüllten Vordruckes oder schriftliche (Fernschreiben), nicht telefonische, Erklärung. Diese Erklärung kann der Schuldner bei jedem Amtsgericht abgeben, §§ 129 a, 702 ZPO. Dieses leitet die Erklärung an das Amtsgericht weiter, das den Mahnbescheid erlassen hat. Der Widerspruch soll innerhalb der Einlassungsfrist (zwei Wochen, §§ 694 Abs. 1, 692 Abs. 1 Nr. 3, 4 ZPO) erfolgen, ist aber noch so lange möglich, als der Vollstreckungsbescheid (vgl. 1.13.1.4.) noch nicht verfügt ist (§ 694 I a.E. ZPO). Das den Mahnbescheid erlassende Gericht informiert den Antragsteller über die Zustellung des Mahnbescheides und die Einlegung eines evtl. Widerspruches. Aufgrund des Widerspruches wird das Verfahren an das für den Rechtsstreit örtlich und sachlich zuständige Gericht verwiesen, allerdings nur auf Antrag des Gläubigers. Der Antrag auf eine mögliche Verhandlung bei Widerspruch und auf Verweisung an das zuständige Gericht kann bereits mit dem Mahnantrag verbunden werden. Das nunmehr zuständige Gericht gibt dem Gläubiger auf, den Anspruch binnen zwei Wochen zu begründen, und zwar in der Form der Klageschrift. Der Rechtsstreit wird nun im normalen Verfahren abgewickelt. Mit dem Erlaß des Vollstreckungsbescheides wird die Streitsache rückwirkend auf den Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides rechtshängig, § 700 Abs. 2 ZPO. 1.13.1.4. Vollstreckungsbescheid Der Vollstreckungsbescheid wird auf Antrag des Antragstellers erlassen, wenn der Antragsgegner nicht rechtzeitig Widerspruch erhoben hat. Der Vollstreckungsbescheid macht den Mahnbescheid vorläufig vollstreckbar, §§ 700 Abs. 1, 794 I Nr.4 ZPO. Der Antrag auf Vollstreckungsbescheid kann aber erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist gestellt werden (§ 699 Abs. 1 ZPO), und zwar binnen sechs Monaten. Danach verliert der Mahnbescheid seine Kraft, § 701 ZPO. Es kann allerdings ein neuer Antrag eingereicht werden, doch ohne Kostenersatz für den ersten. Der Vollstreckungsbescheid ist ein vollstreckbarer Titel über den im Mahnbescheid behaupteten Anspruch und steht einem Versäumnisurteil gleich (§§700 Abs. 1, 794 I Nr.4 ZPO). Gegen Zurückweisung des Vollstreckungsbescheides ist unbefristete Erinnerung gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 Rechtspflegergesetz (RPflG) möglich. Der Vollstreckungsbescheid wird dem Antragsgegner (Schuldner) von Amts wegen zugestellt, § 699 Abs. 4 ZPO. Der Antragsgegner kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Vollstreckungsbescheides (§§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO) gegen diesen Einspruch schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes einlegen (§§ 340 Abs. 1, 496, 129 a Abs. 1 ZPO - beachte aber § 129 a Abs. 2 ZPO). Nach dem Einspruch wird der Rechtsstreit, wie beim Widerspruch gegen den Mahnbescheid, an das im Mahnbescheid bezeichnete Gericht oder an ein von den Parteien vereinbartes Gericht abgegeben (§ 700 Abs. 3 ZPO). Das Verfahren wird im allgemeinen streitigen Verfahren weiterbehandelt. Erscheint der Schuldner (Antragsgegner) zum Termin der mündlichen -36- Verhandlung nicht, darf der Einspruch nach § 345 ZPO nur verworfen werden, wenn das Gericht die Schlüssigkeit der Klage bejaht, §700 Abs. 6 ZPO. Der Erlaß eines Vollstreckungsbescheides steht insoweit einem ersten Versäumnisurteil gleich. Verneint das Gericht die Schlüssigkeit der Klage, wird der Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen, §§ 331 Abs. 2, 700 Abs. 6 ZPO. 1.13.2. Urkundenprozeß Es handelt sich um ein in §§ 592 - 605 a ZPO geregeltes schnelles Verfahren unter besonderen Voraussetzungen: (l)Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder auf Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen. (2) Alle anspruchsbegründenden Tatsachen können nur durch Urkunden bewiesen werden. Widerspricht der Beklagte dem geltend gemachten Anspruch und kann der Beklagte seine Rechte nicht mit im Urkundenprozeß zulässigen Beweismitteln belegen, ergeht bei Verurteilung ein sog. Vorbehaltsurteil (§ 599 ZPO), in dem ihm die Ausführung seiner Rechte vorbehalten wird. Der Rechtsstreit bleibt dann im ordentlichen Verfahren weiter anhängig, und das Vorbringen des Beklagten, das nicht durch Urkunden belegt ist, wird nun in diesem ordentlichen Verfahren überprüft, § 600 ZPO. Unterarten des Urkundenprozesses sind der Wechsel- und Scheckprozeß für Ansprüche aus Wechseln und Schecks und das Urkunden- bzw. Wechselmahnverfahren (§§ 602, 605 a ZPO). Die Einlassungsfrist beträgt hier 24 Stunden am Ort, drei Tage im Landgerichtsbezirk, sonst eine Woche, § 604 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO. 1.14. Vereinfachtes Verfahren vor dem Amtsgericht Für das Verfahren vor dem Amtsgericht sieht die zum Zweck einer Entlastung der Rechtspflege im Jahre 1990 neu eingeführte Vorschrift des § 495 a ZPO Verfahrensvereinfachungen vor, soweit der Streitwert den Betrag von 600 € nicht übersteigt. Soweit diese Voraussetzung gegeben ist, kann das Gericht nach dem Wortlaut der Vorschrift das Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen. Zwar sind auch bei diesem sog. vereinfachten Verfahren vor dem Amtsgericht die wesentlichen Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens einzuhalten. Insbesondere sind der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung, der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten und muß der Richter vor allem die eigene Neutralität und Unvoreingenommenheit wahren. Jedoch ist eine mündliche Verhandlung nur notwendig, wenn eine Partei sie beantragt. Ansonsten ist ein schriftliches Verfahren zulässig, ohne daß die Voraussetzungen des § 128 Abs. 2 und 3 ZPO vorliegen müssen. Verfahrensvereinfachungen ergeben sich insbesondere im Zusammenhang mit der Beweisaufnahme. Die Beweiserhebung erfordert keinen förmlichen Beweisbeschluß. Auch kann der Richter auf die Vernehmung von Zeugen und Parteien verzichten, wenn er eine solche für die Entscheidungsfindung nicht für erforderlich hält. Die Zeugen und Parteien müssen auch nicht in einer mündlichen Verhandlung vernommen werden, sondern können, ebenso wie auch Sachverständige, über die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten hinaus zu -37- einer schriftlichen Aussage veranlaßt oder fernmündlich vom Richter angehört werden. Im übrigen bedarf das Urteil keines Tatbestandes und braucht dieses auch keine Entscheidungsgründe zu enthalten, wenn deren wesentlicher Inhalt in das Protokoll aufgenommen worden ist. Bei geringen Streitwerten (sog. Bagatellsachen) kann das vereinfachte Verfahren so zur Verfahrensvereinfachung und zur Entlastung der Gerichte beitragen und damit eine Kostenersparnis bewirken. Das vereinfachte Verfahren ist jedoch nicht unumstritten und bereits zum Gegenstand von Verfassungsbeschwerden geworden. Die Bedenken richten sich nicht allein gegen den möglichen Verzicht auf eine Zeugenvernehmung. Besonders problematisch ist, daß im vereinfachten Verfahren ergangene Entscheidungen, die also aufgrund eines Verfahrens zustande gekommen sind, welches weitgehend nach dem Ermessen und den Vorstellungen des betreffenden Einzelrichters gestaltet wird, keiner rechtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Weil nämlich das vereinfachte Verfahren nur bis zu einem Streitwert von 600 € zulässig ist, wird die erforderliche Berufungssumme von 600 € stets unterschritten (§ 495 a ZPO). 2. Zwangsvollstreckung (Vollstreckungsprozeß) Die von dem erkennenden Gericht erlassenen Urteile und Beschlüsse werden oft von den unterlegenen, das heißt verpflichteten, Parteien nicht freiwillig erfüllt. Die zwangsweise Durchsetzung der vom Prozeßgericht erkannten Verpflichtung einer (oder beider) Parteien erfolgt durch Zwangsvollstreckung. Sie dient der Verwirklichung der im Erkenntnisprozeß festgestellten Ansprüche (Tun, Unterlassen). Der Zwangsvollstreckung unterliegen Gerichtsentscheidungen hinsichtlich der Hauptsache (der Klageforderung, z. B. Leistung wie Zahlung, Arbeit, Herausgabe und Unterlassen) und Kosten. Da letztere immer bestehen, kann aus jedem Prozeß - selbst bei Klageabweisung, Klagerücknahme usw.- eine Zwangsvollstreckung erfolgen. Die Zwangsvollstreckung erfolgt mit Hilfe des Gerichts bzw. bestimmter Vollstreckungsorgane. Diese sind vornehmlich das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht und der Gerichtsvollzieher. Es gelten §§ 704 ff. ZPO und für Grundstücke zusätzlich das Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG). 2.1. Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung Eine Tätigkeit der Vollstreckungsorgane erfolgt nur unter folgenden Voraussetzungen: 2.1.1. Vollstreckungstitel Es muß ein Vollstreckungstitel vorliegen. (1) Hierzu zählen zunächst die rechtskräftigen Urteile mit Rechtskraftzeugnis und die für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteile (§ 704 ZPO). Grundsätzlich sind alle nicht rechtskräftigen Urteile (z. B. Versäumnisurteil) der Vollstreckung zugänglich. Das Gericht kann allerdings in bestimmten Fällen die Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung durch den Gläubiger abhängig machen. Ebenso kann die -38- Vollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil unter bestimmten Umständen durch eine Sicherheitsleistung des Schuldners abgewendet werden. Die Vollstreckung aus einem noch nicht rechtskräftigen Urteil geht auf Risiko des Gläubigers. Wird ein vorläufig vollstreckbares Urteil in der Rechtsmittelinstanz aufgehoben, so hat der vollstreckende Gläubiger nach § 717 Abs. 2 ZPO Schadensersatz zu leisten. Hierfür ist ein Verschulden nicht erforderlich; entscheidend ist allein die Aufhebung des Urteils. (2) Weitere Vollstreckungstitel sind in § 794 ZPO aufgeführt. Es handelt sich im wesentlichen um zwei Gruppen, zum einen um die gerichtlichen Anordnungen oder Entscheidungen und zum anderen um gewisse urkundlich niedergelegte rechtsgeschäftliche Erklärungen. Eine Vollstreckung findet weiter statt aus: Vollstreckungsbescheide in Mahnverfahren, Prozeßvergleichen, Schiedssprüchen (§§ 1025 ff. ZPO) und vollstreckbaren Urkunden mit notarieller Unterwerfungsklausel (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), das heißt aus öffentlichen Urkunden, bei denen sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. 2.1.2. Vollstreckungsklausel Unbedingte weitere Voraussetzung der Zwangsvollstreckung ist ein amtliches Zeugnis darüber, daß der Titel vollstreckbar ist: sogenannte vollstreckbare Ausfertigung des Vollstreckungstitels, §§ 724, 725 ZPO. Sie wird nur einmal erteilt und ist nicht erforderlich bei Arrest und Vollstreckungsbescheid. Sie ermöglicht eine nochmalige Überprüfung, ob der Eingriff in das Schuldnervermögen bzw. gegen die Person selbst gerechtfertigt ist. 2.1.3. Zustellung (§ 750 ZPO) Der Vollstreckungstitel muß vor oder gleichzeitig mit der Zwangsvollstreckung von Amts wegen oder durch den Gläubiger dem Schuldner zugestellt werden. Wenn der Gerichtsvollzieher für den Gläubiger zustellt, kann er auch sofort mit der Zwangsvollstreckung beginnen. Eine Zustellung der Vollstreckungsklausel ist nicht erforderlich. 2.2. Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen Diese erfolgt durch den Gerichtsvollzieher: 2.2.1. Der Gerichtsvollzieher wird nur auf Antrag des Gläubigers tätig. Dieser sogenannte Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher erfordert die Beifügung der vollstreckbaren Ausfertigung. 2.2.2. Die Pfändung der beweglichen Sachen erfolgt durch Inbesitznahme durch den Gerichtsvollzieher (§ 808 Abs. 1 ZPO). Geld, Wertpapiere und Kostbarkeiten nimmt er an sich; andere Sachen (Möbel, Auto usw.) beläßt er beim Schuldner unter Anbringung des Pfandsiegels (§ 808 Abs. 2 ZPO). -39- Durch die Pfändung wird ein Pfändungspfandrecht an dem gepfändeten Gegenstand begründet, das in der Wirkung einem Vertragspfandrecht (§ 1204 BGB) gleichsteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf der Gerichtsvollzieher gegen den Willen des Schuldners dessen Wohnung wegen Art. 13 Abs. 2 GG nur bei Gefahr in Verzug durchsuchen (vgl. § 758 ZPO). Ansonsten muß der Gläubiger nach Zurückweisung des Schuldners eine Durchsuchungsanordnung beim Amtsgericht beantragen. Dies verzögert die Zwangsvollstreckung und den Vollstreckungserfolg erheblich. 2.2.3. Der Gerichtsvollzieher hat in einem Protokoll über die Zwangsvollstreckung seine Handlungen zu dokumentieren, auch bei fruchtloser Pfändung (§ 762 ZPO). 2.2.4. Leistet der Schuldner an den Gerichtsvollzieher, hat ihm dieser die vollstreckbare Ausfertigung des Titels auszuhändigen und eine Quittung über die Leistung zu erteilen. Eine Vollstreckung erfolgt in diesem Falle nicht mehr (§ 757 ZPO). 2.2.5. Der Gerichtsvollzieher darf nur pfändbare Gegenstände pfänden. Unpfändbar sind nach § 811 ZPO insbesondere: (1) die für eine bescheidene Lebensführung notwendigen Sachen, z. B. Kleidung, Betten, Wäsche, Haus- und Küchengeräte, Radio, Fernseher, (2) Vorräte an Nahrungsmitteln usw. für 4 Wochen bzw. das Geld dafür, (3) bei persönlichen Leistungen die zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände, z. B. Handwerksgerät, Auto, Musikinstrumente, (4) Dienstbekleidung und Dienstausrüstungsgegenstände bei bestimmten Personen, (5) Bücher, die der Schuldner und seine Familie in der Kirche, Schule oder sonstigen Unterrichtsanstalt oder bei der häuslichen Andacht benötigen, (6) künstliche Gliedmaßen, Brillen und andere Hilfsmittel bei körperlichen Gebrechen, (7) nicht zur Veräußerung bestimmte und im häuslichen Bereich gehaltene Hunde und andere Tiere (vgl. auch § 811 c ZPO). (8) Eventuell ist eine Austauschpfändung möglich, das heißt bei teueren Stücken kann nach Überlassung eines einfachen Ersatzstückes oder eines entsprechenden Betrages das wertvollere Stück gepfändet werden (z. B. Mercedes bei Zurverfügungstellung eines VW, vgl. §811 a ZPO). 2.2.6. Die Versteigerung hat öffentlich zu erfolgen, jedoch nicht vor einer Woche nach der Pfändung und der öffentlichen Bekanntmachung. Der Zuschlag ergeht an den Meistbietenden nach dreimaligem Aufruf und nur gegen Barzahlung. 2.2.7. Die Kosten der Zwangsvollstreckung trägt der Schuldner, § 788 ZPO. -40- 2.3. Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen Zugriffsobjekt des unbeweglichen Vermögens sind die Grundstücke, die grundstücksgleichen Rechte (Erbbaurecht, Wohnungseigentum, Miteigentumsanteil) und die Gegenstände, auf die sich zwecks Erhaltung der wirtschaftlichen Einheit die Hypothek erstreckt (§§ 1120 ff. BGB). Letztlich unterliegen auch eingetragene Schiffe und eingetragene Luftfahrzeuge der Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen. Nach § 866 Abs. 1 ZPO hat der Gläubiger drei Zugriffsformen, unter denen er frei wählen kann: Sicherungshypothek (allein in der ZPO geregelt); Zwangsversteigerung (geregelt im ZVG) und Zwangsverwaltung (ebenfalls geregelt im ZVG). 2.3.1. Sicherungshypothek Auch die sogenannte Zwangshypothek verschafft dem bisher nicht dinglich gesicherten Gläubiger ein Sicherungsrecht an dem Grundstück; die Sicherung erfolgt also wie bei der Hypothek (das heißt noch keine Befriedigung) und verschafft lediglich den Vorrang und eine Befriedigungsmöglichkeit. 2.3.2. Zwangsversteigerung Diese führt wie die Versteigerung beweglicher Sachen zur Versilberung des Grundstückes und Befriedigung des Gläubigers aus dem Erlös. Bei der Erlösverteilung gehen die vorrangig gesicherten Grundpfandgläubiger den nachrangigen vor. Hier verwirklicht sich das Rangverhältnis des Sachenrechts. 2.3.3. Zwangsverwaltung Bei der Zwangsverwaltung sucht der Gläubiger im Gegensatz zur Zwangsversteigerung seine Befriedigung nicht durch den Verkauf des Grundstückes, sondern aus der Nutzung des Grundstückes, § 155 ZVG, aus den Früchten und Gebrauchsvorteilen (§ 100 BGB). Die Miet-und Pachtzinsen, die Sachfrüchte, das heißt die Erträge des Grundstückes, führen zur Befriedigung. Damit kommen als Zugriffsobjekt im wesentlichen nur landwirtschaftliche Betriebe und Mietobjekte in Betracht. Zwangsverwaltung kann auch neben der Zwangsversteigerung angestrebt werden, um den Erlös bis zur Durchführung der Zwangsversteigerung zu erhalten. 2.4. Zwangsvollstreckung in Geldforderungen Die Zwangsvollstreckung in Geldforderungen erfolgt durch gerichtlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, der dem Drittschuldner zugestellt werden muß. Drittschuldner ist derjenige, der dem Schuldner des die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigers eine Geldleistung schuldet. Die Wirkungen dieses Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sind: -41 - (1) Dem Drittschuldner wird verboten, an den Schuldner (seinen Gläubiger) zu zahlen; der Schuldner darf nicht über die Forderung verfügen (z. B. durch Abtretung). (2) Bei Arbeitseinkommen bestehen besondere Pfändungsgrenzen, sogenannter Lohnpfändungsschutz nach § 850 c ZPO. Unpfändbar sind: (a) 930 € monatlich, 217,50 € wöchentlich, 43,50 € täglich; hinzu kommen Zuschläge für Unterhaltsberechtigte und weitere Grundbeträge, (b) bestimmte Beträge wie Urlaubsgeld, die Hälfte der Mehrarbeitsvergütung, Heirats- und Geburtenhilfe (§ 850 a ZPO). Wird wegen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches die Pfändung betrieben, gilt die Pfandungsgrenze des § 850 c ZPO nicht. Das Gericht setzt einen unpfändbaren Betrag fest. Die pfändbaren Beträge sind aus einer Tabelle zu § 850 c ZPO ersichtlich. 2.5. Eidesstattliche Versicherung Die eidesstattliche Versicherung (früher Offenbarungseid) ist geregelt in § 807 ZPO. Wenn eine Pfändung fruchtlos verlaufen ist, hat der Schuldner auf Antrag des Gläubigers die Pflicht, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen, damit der Gläubiger eventuelle andere Befriedigungsmöglichkeiten findet. Diese Abgabe des Vermögensverzeichnisses erfolgt in einem besonderen Termin beim Amtsgericht, und zwar unter der Versicherung, daß der Schuldner die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig getätigt hat. Ist bereits innerhalb der letzten drei Jahre eine solche eidesstattliche Versicherung abgegeben worden, kann die Verpflichtung zu einer erneuten Erklärung entfallen, § 903 ZPO. 2.5.1. Gibt der Schuldner die Versicherung ab, ist das Verfahren erledigt. Der Gläubiger ist über die Vermögensverhältnisse des Schuldners informiert und kann weitere Vollstreckungshandlungen überlegen. 2.5.2. Weigert sich der Schuldner, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, kann der Gläubiger Antrag auf Haftanordnung zur Erzwingung der Versicherung beim Amtsgericht stellen, §901 ZPO. Die Verhaftung des Schuldners erfolgt dann durch den Gerichtsvollzieher gemäß § 909 ZPO. Die Höchstdauer einer solchen Haft beträgt 6 Monate, § 913 ZPO. Der Schuldner kann aber jederzeit die Versicherung abgeben, § 902 ZPO. 2.5.3. Das Amtsgericht führt ein Schuldnerverzeichnis (schwarze Liste) mit allen Personen, die die eidesstattliche Versicherung abgeleistet haben oder gegen welche Haft zur Erzwingung einer solchen Versicherung angeordnet worden ist. Die Löschung erfolgt erst 3 Jahre nach der Eintragung. Jeder Interessent hat Einsicht in diese Liste. Dies ist wichtig für die Kreditfähigkeit. 2.6. Vollstreckung von Handlungs- und Unterlassungsansprüchen -42- Handlungs- und Unterlassungsansprüche müssen durch eine Tätigkeit bzw. Nichttätigkeit des Schuldners erfüllt werden. 2.6.1. Vollstreckung von Willenserklärungen Ist der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt worden (z. B. Zustimmung zur Grundbuchberichtigung, § 894 BGB; Bewilligung gemäß § 19 GBO; Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zu Geschäften des Mündels; Abtretungserklärung; Einigungserklärung im Sinne der §§ 925, 873 BGB), so gilt diese Willenserklärung mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben (Fiktion der Abgabe einer Willenserklärung, § 894 ZPO). Es bedarf keiner Voll-streckungshandlung, nicht einmal einer Vollstreckungsklausel. Erfaßt werden nur rechtsgeschäftliche Erklärungen, nicht solche tatsächlicher Art (z. B. Auskunft, Zeugniserteilung). Durch § 894 ZPO wird jede vom Gesetz geforderte Form für die Abgabe einer Willenserklärung gewahrt. Sind zur Erfüllung der im Urteil anerkannten Forderung eine Willenserklärung und eine tatsächliche Handlung erforderlich (z. B. für Übereignung: Einigungserklärung und Übergabe), wird allein erstere nach § 894 ZPO fingiert; das zweite Erfordernis muß durch die dafür vom Gesetz angeordneten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen herbeigeführt werden (z. B. Übergabe durch Wegnahme seitens des Gerichtsvollziehers und Herausgabe an den Gläubiger). Da nur Urteile in Rechtskraft erwachsen und die Abgabe der Willenserklärung fingieren können, muß bei Prozeßvergleichen die Willenserklärung zusätzlich, in der Regel im Vergleich selbst, abgegeben werden. 2.6.2. Vollstreckung vertretbarer Handlungen Dies sind solche, die unter Wahrung des schutzwürdigen Gläubigerinteresses auch von anderen Personen, nicht allein vom Schuldner, vorgenommen werden können (z. B. Reparatur eines Kraftfahrzeuges, Transport eines Gegenstandes). Ein unmittelbarer Zwang gegen die Person des Schuldners ist damit nicht erforderlich; der Gläubiger kann vom Prozeßgericht erster Instanz auf Antrag ermächtigt werden, die Handlung selbst oder durch einen Dritten auszuführen, § 887 ZPO (sog. Ersatzvornahme). Dessen Handlung führt dann zur Erfüllung des Anspruches. Die Kosten dieser Ersatzvornahme trägt der Schuldner, § 788 ZPO. Die Vollstreckung wegen eines Kostenvorschusses erfolgt über § 887 Abs. 2 ZPO nach §§ 803 ff. ZPO und ist vor der Ersatzvornahme möglich, damit der Gläubiger kein Kostenrisiko eingeht. 2.6.3. Vollstreckung unvertretbarer Handlungen Das sind solche, die nur der Schuldner, nicht ein anderer vornehmen kann (z. B. Abgabe einer Versicherung an Eides statt, Malen eines Bildes, Widerruf einer Behauptung, Auskunft über Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Anfertigung eines Zeugnisses). Der Zwang muß sich daher allein gegen die Person des Schuldners richten; dies kann durch Zwangsgeld oder Zwangshaft erreicht werden, § 888 ZPO. 2.6.3.1. Eine Erzwingung scheidet aus, wenn die geschuldete Leistung nicht ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt, das heißt, wenn die Mitwirkung eines Dritten -43 - erforderlich ist (z. B. Gegendarstellung in einer Zeitung) oder dem Schuldner die Mittel (z. B. Geld) fehlen. 2.6.3.2. Nach § 888 Abs. 2 ZPO kann die Verurteilung zur Eingehung einer Ehe (aufgrund eines Verlöbnisses), zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft und der Anspruch auf Leistung von unvertretbaren Diensten aus einem Dienstvertrag nicht durch Zwangsgeld oder Zwangshaft erzwungen werden (im letzteren Fall nur Schadenersatz). 2.6.3.3. Beugemaßnahmen, das heißt die Zwangsmittel, um den Schuldner zur Vornahme der Handlung zu zwingen, sind Zwangsgeld und Zwangshaft. Der Vollzug der Beugehaft richtet sich nach §§ 904 ff. ZPO. Welche Maßnahme (Art und Höhe) zu erfolgen hat, entscheidet das Prozeßgericht. Die Maßnahme wird fällig, wenn der Schuldner die Handlung innerhalb der im Urteil festgesetzten Frist nicht vornimmt. Geld- und Haftmaßnahmen sind mehrmals möglich. Zwangsgeld unbeschränkt; Zwangshaft gemäß § 913 ZPO bis zur Höchstdauer von 6 Monaten. Bei Verweigerung einer eidesstattlichen Versicherung ist aber eine neue Verhaftung durch andere Gläubiger möglich, § 914 ZPO. 2.6.4. Vollstreckung von Unterlassungsansprüchen Hier soll der Schuldner gezwungen werden, untätig (passiv) zu bleiben (z. B. eine Behauptung nicht zu wiederholen, einen Vertrag nicht zu schließen, eine Wohnung nicht zu betreten, ein Kind nicht anzusprechen, die Handlung eines anderen zu dulden). Das Gläubigerrecht wird durch jede Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot verletzt. Nach § 890 ZPO wird daher jeder Verstoß gegen das Gebot mit einem Ordnungsgeld oder Ordnungshaft geahndet. Die Anordnung einer solchen Zivilstrafe muß im Urteil enthalten sein oder vom Prozeßgericht nachträglich erlassen werden, § 890 Abs. 2 ZPO. Auf diese Weise soll Druck auf den Schuldner ausgeübt werden, das Unterlassungsgebot einzuhalten. Die Maßnahme wird mit jeder Zuwiderhandlung fällig, Die Vollstreckung der Haft erfolgt nach §§ 449 ff. StPO; eine Begrenzung enthält § 890 ZPO. Der Schuldner ist nicht im Sinne des Strafrechts vorbestraft. Das Ordnungsgeld erhält der Fiskus, nicht der Gläubiger. 2.7. Arrest und einstweilige Verfügung Sie dienen nicht der endgültigen Befriedigung, sondern nur der Sicherung bis zum vollstreckbaren Titel und sind daher vor einem Hauptprozeß möglich. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist als eigene Verfahrensart neben dem Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren eingeordnet und dient der einstweiligen Sicherung gefährdeter Rechte (Rechtsverhältnisse) durch Arrest (Sicherung des Zugriffs) oder -44- einstweilige Verfügung (Beispiel: Unterlassen einer Behauptung) aufgrund bloßer Behauptung und ohne Feststellung des sicherungsbedürftigen Rechtes. 2.7.1. Arrest Der Arrest (§§ 916 - 934 ZPO) bezweckt die Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung. Arrestgrund ist die Besorgnis, daß ohne Arrest die Zwangsvollstreckung des späteren Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert würde (z. B. Fluchtverdacht, Verschleuderung des Vermögens, nicht aber schlechte Vermögenslage oder Konkurs). Es genügt die Glaubhaftmachung (§§ 920, 294 ZPO) durch den Arreststeller, z. B. durch eidesstattliche Versicherung oder Beibringung von Zeugen. Glaubhaftmachung erfordert einen minderen Grad von Überzeugung für das Gericht. Das Arrestgesuch geht an das Amtsgericht des § 919 ZPO oder an das Gericht der später zu behandelnden Hauptsache. Das Gericht erläßt einen Beschluß ohne mündliche Verhandlung oder ein Urteil nach einer mündlichen Verhandlung mit Festsetzung einer Abwendungssumme für den Schuldner, der Widerspruch einlegen kann. Auf Antrag des Gegners erläßt das Gericht Anordnung auf Klageerhebung in bestimmter Frist. Die Vollziehung des Arrestes muß binnen eines Monats erfolgen. Beispiele für Arrest: (1) Der überschuldete F hat seine Habe zu Geld gemacht und will sich ins Ausland absetzen. Aufgrund eines vom Gläubiger erwirkten Arrestes gelingt es dem Gerichtsvollzieher, den F auf dem Flugplatz abzufangen und das mitgeführte Geld einstweilen sicherzustellen. Eine Übergabe an den Gläubiger darf noch nicht erfolgen. Erst nach einem erfolgreichen Prozeß im Hauptverfahren kann er auf dieses Geld zugreifen. (2) Der Schuldner S beginnt, sein Vermögen zu verschleudern. K will deshalb schon jetzt die künftige Zwangsvollstreckung wegen eines Kaufpreisanspruches sichern und läßt durch einen Arrest das Vermögen des S beschlagnahmen. Damit ist dem S lediglich untersagt, weiter sein Vermögen zu verschleudern. Dem K ist damit der spätere Zugriff auf dieses Vermögen gewährleistet. 2.7.2. Einstweilige Verfügung Diese ist in §§ 935 - 945 ZPO geregelt und dient: (l)der Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen eines Anspruches, der keine Geldforderung beinhaltet, und bei Gefahr der wesentlichen Vereitelung oder Erschwerung einer Durchsetzung dieses Anspruchs, (2)der vorläufigen Regelung eines Zustandes, die zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt notwendig ist (z. B. bei Sperrung eines Weges), -45- (3)der vorläufigen Befriedigung, wenn der Antragsteller auf Bezüge dringend angewiesen ist (z. B. Unterhalt, Unfallrente), aber nur Mindestbeträge für einen bestimmten Zeitraum. Es gelten für die einstweilige Verfügung die Vorschriften über den Arrest entsprechend. Beispiele für einstweilige Verfügungen: (1) Käufer K hat von dem Verkäufer V einen LKW unter Eigentumsvorbehalt gekauft. Obwohl K die Raten nicht bezahlt hat, besteht die Gefahr, daß er den LKW an einen gutgläubigen Dritten X veräußert. V erwirkt durch einstweilige Verfügung die Sicherstellung (Sequestration) des Fahrzeuges zwecks Sicherung eines Herausgabeanspruches des V. (2) Die Mieter eines Hauses können sich über die Benutzung der gemeinsamen Waschmaschine nicht einigen. Das Gericht trifft durch einstweilige Verfügung eine vorläufige Regelung (= Regelung eines einstweiligen Zustandes). (3) B verbreitet über K ehrenrührige Behauptungen. Auf Antrag des K erläßt das Gericht ein Verbot durch einstweilige Verfügung. Auf diese Weise ist zunächst, bis zur endgültigen Feststellung im Hauptverfahren, die Entstehung weiteren, nicht zu beseitigenden Schadens verhindert. 2.7.3. Schadensersatzpflicht Erweist sich die Verfügung (oder der Arrest) von Anfang an als ungerechtfertigt, besteht eine Schadensersatzpflicht des Erwirkers ohne Rücksicht auf sein Verschulden (Gefährdungshaf-tung ohne Verschulden), und zwar auch bei Nichtbefolgen der Klageanordnung (§ 945 ZPO). Der Umfang des zu leistenden Schadenersatzes richtet sich ebenso wie beim bereits erwähnten § 717 Abs. 2 ZPO nach den allgemeinen Schadensersatzregeln der §§ 249 ff. BGB.