Ass.-Prof. Dr. Gerhard Saria Institut für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht Rechtswissenschaftliche Fakultät Der Universität Wien Juridicum Unterlagen zur Lehrveranstaltung Bürgerliches Recht - Allgemeiner Teil sowie zur Lehrveranstaltung Bürgerliches Recht - Schuldrecht Hinweis zur Benützung: Die nachfolgenden Unterlagen dienen zum Nachlesen und müssen nicht vor der Lehrveranstaltung durchgearbeitet werden. Das gilt insbesondere für die Auszüge aus dem Lehrbuch Privatrecht von Heinz Krejci. Es wird jedoch empfohlen, die den jeweiligen Auszügen des Lehrbuchs folgenden beiden Artikel von Reich-Rohrwig und Keinert sowie die verschiedenen Entscheidungen, Schreiben und „Vertragstexte" zumindest insoweit durchzulesen, dass der Sachverhalt bzw die wesentlichen Ausführungen in Grundzügen verständlich sind und im Rahmen der Lehrveranstaltung eine darauf aufbauende Diskussion geführt werden kann. Schottenbastei 10 -16 A-1010 Wien, Austria Tel: ++43/1/4277/35283 Fax: ++43/1/4277/9352 email: gerhard.saria@univie.ac.at von Dr. Heinz Krejci em. o. Universitätsprofessor in Wien 8. Auflage i j - ' r h Wien 2010 Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung Juristische Grundlehren Konkurrenz von Rechtsnormen V. Konkurrenz von Rechtsnormen A. Allgemeines 30 Mitunter stehen Rechtsnormen zueinander in Widerspruch. Zu prüfen ist, ob dieser Widerspruch näherer Betrachtung standhält oder ob er sich auflösen lässt. B. Echte Normwidersprüche 31 Echte Normwidersprüche können nicht aufgelöst werden. Man spricht von Antinomie. Das bedeutet: Die einander widersprechenden Rechtssätze heben einander-» auf. Insofern fehlt im Ergebnis eine gesetzliche Regelung. C. Scheinbare Normwidersprüche 32 Scheinbare Normwidersprüche lassen sich auflösen, weil nähere Betrachtung zeigt, dass die widersprüchlichen Normen verschiedene Geltungsbereiche haben: 33 1. Lex-specialis-Regel: Der Normwiderspruch löst sich auf, weil die einander widersprechenden Regeln verschiedene persönliche bzw sachliche Geltungsbereiche haben. Betreffen' die widersprüchlichen Normen verschiedene Personenkreise oder verschiedene Regelungsgegenstände, so geht die speziellere Regel der allgemeineren vor: lex specialis derogat legi generali. Die Sonderregel geht der allgemeinen Regel vor. Die speziellere Regel gilt somit für ihren Geltungsbereich, die allgemeine Regel für all jene Fälle, die nicht unter den Geltungsbereich der spezielleren Regel fallen. So gilt zB das ABGB ohne nähere Differenzierung für alle Dienstverträge. Das AngG gilt demgegenüber nur für Dienstverträge von Angestellten. Für Angestellte gelten nach dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali" daher in erster Linie die Regeln des AngG. 34 2. Lex-posterior-Regel: Der Norm Widerspruch löst sich auf, weil die einander widersprechenden Regeln verschiedene zeitliche Geltungsbereiche haben. Ist die eine Gesetzesnorm mit demselben persönlichen und sachlichen Geltungsbereich zeitlich jünger als die andere, haben die Normen also einen verschiedenen zeitlichen Geltungsbereich, gilt der Grundsatz: lex posterior derogat legi priori. Das jüngere Gesetz geht dem älteren vor. 35 Oft geschieht dies mit hinreichender Deutlichkeit: Der Gesetzgeber sagt selbst, welche Gesetze durch das neue Gesetz aufgehoben werden. Wir sprechen von formeller Derogation. Schwieriger ist es, bloß materielle Derogationen zu erkennen. Der Gesetzgeber regelt eine Materie neu, weist aber nicht daraufhin, dass ein früheres Gesetz dieselbe Materie anders geregelt hat. Erst die Entdeckung des Normwiderspruches führt zur Erkenntnis, dass dem früheren Gesetz derogiert wurde. Beginn der Wirksamkeit eines Gesetzes. Im Allgemeinen wird ein 36 Gesetz wirksam (dh: es tritt in Kraft) mit seiner Kundmachimg im hierfür vorgesehenen Publikationsorgan (zB dem BGBl oder LGB1). § 3 ABGB spricht von der „Kundmachung" des Gesetzes. Diese Regelung wurde durch § 11 BGBIG präzisiert. Das Inkrafttreten richtet sich nach dem Ablauf des Tages der Freigabe des Gesetzes zur Abfrage. Gesetze können aber selbst einen anderen Tag für ihr Inkrafttreten bestimmen. Sofern dieser Tag ein späterer als der Kundmachungstag ist, ergeben sich keine sonderlichen Probleme. Bis dahin gilt noch das alte Gesetz. Erheblich mehr Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob und inwieweit Gesetze zunickwirken können. Diese Frage stellt sich dann, wenn der Gesetzgeber anordnet, dass ein Gesetz zu einem Zeitpunkt in Kraft treten soll, der im Zeitpunkt der Kundmachung des Gesetzes bereits vergangen ist. Wir stehen vor dem „Rückwirkungsproblem". Das Rückwirkungsproblem: Heben neue Gesetze alte Gesetze 37 auch für die Vergangenheitauf? § 5 ABGB verneint diese Frage: „Gesetze wirken nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluß." § 5 ABGB ist aber keine Verfassungsnorm. Der Gesetzgeber kann also trotz des § 5 ABGB Gesetze erlassen, die eine Rückwirkung anordnen. Sofern die Normadressaten mit rückwirkenden Gesetzen rechnen 38 müssen, belastet dies das Vertrauen in die Rechtsordnung schwer. Denn dann kann man sich nicht mehr darauf verlassen, dass das eigene Verhalten auch in Zukunft an jenen Normen gemessen wird, die im Zeitpunkt des gesetzten Verhaltens gegolten haben. Besonders fragwürdig wären rückwirkende Normen etwa im Strafrechtsbereich (vgl Art 7 EMRK). Sie sind verboten. Doch auch im Steuer- oder Sozialversicherungsrecht stören rückwirkende Gesetze das Rechtsleben ganz erheblich. Die Lehre von den wohlerworbenen Rechten versucht der Rückwirkung von Gesetzen dort zu begegnen, wo bereits erworbene Ansprüche und Anwartschaften nachträglich wieder beseitigt werden sollen. Das Rückwirkungsproblem findet sich auch im Bereich der Rechtsprechung: Mitunter ändert der OGH eine viele Jahre gleich gebliebene Judikatur. Dann fragt sich, ob die neue, abweichende Judikatur auch auf Fälle anzuwenden ist, die sich in einer Zeit ereignet haben, zu welcher 10 Krejci, Privatrecht8 Krejci, Privatrecht8 11 Juristische Grundlehren Auslegung von Rechtsnormen und Lückenfüllung noch die frühere Judikatur herrschte. Der OGH ist der Ansicht, dass in ' solchen Fällen die neue Rechtsprechung zurückwirkt. Auch hier wird : das Vertrauen jener enttäuscht, die vormals im Bewusstsein der frühe- ' ren Judikatur gehandelt haben. Auch in diesen Fällen sollte der Geist des • § 5 ABGB wirken; tut er aber nach hM nicht. 39 3. Zusammentreffen der Lex-specialis- und Lex-posterior-Re- gel. Schafft der Gesetzgeber später eine allgemeine Regel, so stellt sich die 1 Frage, ob und inwieweit die frühere Sonderregel dadurch aufgehoben wird. Ist in solchen Fällen die Lex-posterior-Regel stärker als die Lex-specialis-Regel oder ist es gerade umgekehrt? Diese Frage lässt sich nicht ' allgemein beantworten. Vielmehr entscheidet der Sinn und Zweck der späteren Regel. Soll sie das Grdnungsproblem ausnahmslos auf eine neue ■ Grundlage stellen, fällt die ältere Sondernorm; andernfalls prävaliert die Lex-specialis-Regel und die ältere Sondernorm bleibt trotz der späteren allgemeinen Regel aufrecht. - Schafft der Gesetzgeber hingegen später \ eine Sonderregel, so besteht zwischen der Lex-specialis-Regel und der Lex-posterior-Regel kein Spannungsfeld. Die spätere Regel geht der früheren vor; zugleich geht sie aber wegen ihres speziellen persönlichen oder sachlichen Geltungsbereiches der früheren, allgemeinen Regel vor. VS. Auslegung von Rechtsnormen und Lückenfüllung , A. Allgemeines 40 Nicht nur Gesetze bedürfen der Auslegung und sind uU durch Lückenfüllung zu ergänzen. Auch Rechtsgeschäfte, insb Verträge, müssen -oft interpretiert werden. Im Folgenden wird nur die Gesetzesauslegung ; erörtert; zur Vertragsauslegung wird im 2. Teil einiges gesagt. Der Gesetzgeber bedient sich zur Darlegung seines Willens der Sprache. Mehrdeutigkeiten, Missverständlichkeiten, Unklarheiten sind unvermeidbar. Die Rechtsnormen müssen aber, soll die Rechtsanwendung dem Gesetzeswillen und -zweck entsprechen, richtig verstan- : den werden. Dem dient die Arbeit des Juristen. Sie ist umso nötiger, je ■ unverständlicher bzw fehlerhafter die Gesetze sind. Es kommt auch immer wieder vor, dass der Gesetzgeber regelungsbedürftige Fragen unbe- ■ antwortet lässt. Dann fehlt es überhaupt an einer ausdrücklichen -Rechtsnorm. 41 Non-liquet-Verbot: In all diesen Fällen muss der Rechtsanwender (der ; Richter) entscheiden. Er darf nicht sagen, ihm sei die Rechtslage angesichts ei- ; nes mangelhaften Gesetzes unklar (Verbot des „non liquet"). Gibt das Gesetz ■ keine Auskunft, muss der Rechtsanwender, insb der Richter, versuchen, dem Gesetz, wenigstens eine „mittelbare" Antwort zu entlocken. Was würde der Ge- setzgeber gesagt haben, wenn er den zu behandelnden Fall ausdrücklich geregelt hätte? Die Methoden der Auslegung und Lückenfüllung dienen dem Rechtsanwender dazu, die Antwort zu finden. Die Entscheid.ungspflicht des Richters treibt die Rechtsfortbildung voran. Der Richter darf sich nicht auf Jen Standpunkt stellen, die gestellte Rechtsfrage sei unbeantwortbar und könne daher nicht beantwortet werden. Vielmehr muss sich der Richter eine Lösung einfallen lassen. Er muss (sich) entscheiden. In solchen Entscheidungen stecken nicht immer nur kognitive Erkenntnisprozesse; nicht selten spielen auch volitive Gestaltungselemente eine maßgebliche Rolle. Auslegen oder interpretieren heißt, den Sinn einer Äußerung ermitteln, sie richtig verstehen. B. Gesetzliche Auslegungsregeln Die Kunst der Interpretation kann nur in beschränktem Maße Ge- 42 genstand gesetzlicher Anordnungen sein. Das ABGB stellt dennoch derartige Regelungen auf. Die §§ 6, 7 ABGB befassen sich nicht nur mit der Gesetzesauslegung, sondern auch mit der Frage der Füllung von Gesetzeslücken. Zur Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen vgl §§ 914f ABGB. Das ABGB ist lediglich darum bemüht, die von der Rechtswissenschaft entwickelten und allgemein anerkannten Auslegungsmethoden zu beschreiben. C. Die authentische Auslegung Von den hier zu besprechenden Auslegungsmethoden, die der 43 Rechtsanwender zum richtigen Verständnis der Rechtssätze anwendet, ist die authentische Auslegung durch den Gesetzgeber zu unterscheiden: Nach § 8 ABGB steht nur dem Gesetzgeber die Macht zu, „ein Gesetz auf eine allgemein verbindliche Art zu erklären". Hier handelt es sich im Grunde nicht um Auslegung, sondern um ein neues Gesetz, das ein früheres näher „erklären" soll. Die authentische Interpretation unterscheidet sich von einer Gesetzesnovelle dadurch, dass die authentische Interpretation den Inhalt des bisherigen Gesetzes nicht ändern will (keine Derogation!), die Novelle hingegen schon. Die Grenzen zwischen authentischer Interpretation und einer (eigentlichen) Gesetzesnovelle verschwimmen, wenn der Gesetzgeber eine bisherige Regel so erklärt, wie sie bislang niemand verstanden hat bzw verstehen konnte. Denn in solchen Fällen ordnet der Gesetzgeber im Ergebnis sehr wohl etwas Neues an. Da sich die authentische Interpretation nicht als Novelle versteht, sondern lediglich als eine Deutung des schon früher gegoltenen Gesetzes, sind noch nicht entschiedene Fälle, die sich vor dem Akt der 12 Krejci, Privatrecht8 Krejci, Privatrecht8 13 Juristische Grundlehren Auslegung von Rechtsnormen und Lückenfüllung authentischen Interpretation ereignet haben, so zu entscheiden, wie es die authentische Interpretation vorschreibt (und nicht so, wie man das authentisch interpretierte Gesetz vorher verstanden hat). Damit ist in gewisser Weise eine Rückwirkung der authentischen Interpretation verbunden. D. Die Arten (Methoden) der Auslegung 1. Allgemeines. Bei der Gesetzesauslegung unterscheidet man: - die Wortauslegung (grammatikalische Auslegung), - die systematische (systematisch-logische) Auslegung, - die historische (subjektive) Auslegung und - die teleologische (objektive) Auslegung. Trotz aller Verschiedenheit verfolgen alle diese Interpretationsarten dasselbe Ziel: sie wollen helfen, das Gesetz richtig zu verstehen; sie dienen dazu, Sinn und Zweck des Gesetzes zu erkennen. Die Auslegung findet im äußersten möglichen Wortsinn ihre Grenze. Weichen die Überlegungen zum richtigen Verständnis des Gesetzestextes vom äußersten möglichen Wortsinn eines Textes ab, hegt nicht mehr Auslegung, sondern bereits Lückenfüllung oder teleologische Reduktion des Gesetzestextes vor. 2. Die Wortauslegung. Rechtsnormen enthalten Worte. So ist fürs Erste zu prüfen, welche Bedeutung einem Wort oder einem ganzen Satz zukommt. Schon die Wortinterpretation kommt ohne Satzzusammenhang nicht aus. Mitunter kann freilich nur ein einzelner Ausdruck problematisch sein. Die Wortauslegung fragt nach dem Sprachgebrauch. Je nach Art der Tatbestandsbegriffe kommt entweder der allgemeine Sprachgebrauch oder ein fachlich oder rechtlich spezifischer in Betracht. Hilfsmittel zur Feststellung der allgemeinen Wortbedeutung, sofern sie sich nicht von selbst versteht, sind Wörterbücher, Synonymenlexika, sonstige Lexika, der Duden ua. Aus dem Zweck der Rechtsnorm (teleologische Auslegung) kann sich ergeben, dass der allgemeine Sprachgebrauch zu modifizieren ist und der Wortlaut normativ (also aus rechtlichen Gründen anders als im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauches) zu verstehen ist. So kann es sein, dass - mitunter abweichend vom Sprachgebrauch - ein Ausdruck einmal eng, einmal weit verstanden wird. Man spricht von - einschränkender (restriktiver) Auslegung bzw von - ausdehnender (extensiver) Auslegung. 3. Die systematische Auslegung. Trotz des gewissen Vorranges 46 der Auslegung des Gesetzestextes nach dem Wortlaut wäre es verfehlt, nicht vorweg auch darauf zu achten, welche Position die auslegungsbedürftige Norm im Gesamtgefüge des Gesetzessystems hat. Mitunter kann ein Rechtssatz überhaupt erst aus an verschiedenen Stellen des Gesetzes verankerten Rechtsnormen abgeleitet werden. Auch sonst ist zu beachten, dass der Gesetzgeber seine Anordnungen meist in sachlichen Zusammenhängen trifft, seine Gesetze dementsprechend gliedert und so ein Sinngefüge schafft, welches in seiner Gesamtstruktur mehr erkennen lässt als der einzelne, isoliert betrachtete Satz oder gar das einzelne Wort. Wer eine Norm richtig verstehen will, muss auch das Umfeld (den systematischen Zusammenhang, den Gesetzesaufbau) betrachten, in welchem diese Rechtsnorm steht. Im weiteren Sinn zur systematischen Auslegung zählen die verfas- 47 sungskonforme und die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung. Einfache Gesetze sind im Zweifel so zu verstehen, dass sie dem ihnen übergeordneten Verfassungsrecht nicht widersprechen. Gleiches gilt für das dem österreichischen Recht übergeordnete europäische Gemeinschaftsrecht, soweit ihm die österreichische Rechtsordnung nicht widersprechen darf. Die österreichischen Gesetze dürfen nicht nur den europäischen Verordnungen nicht widersprechen, sie müssen auch „richtli-nienkonform" sein. 4. Die historische Auslegung. Die Besonderheit der historischen 48 Auslegung liegt darin, dass sie auf die Gesetzesmaterialien zurückgreift. Für die österreichische Rechtsordnung sind dies die Stenografischen Protokolle des Nationalrates und deren Beilagen, worin die Regierungsvorlagen und Initiativanträge mit den Erläuterungen sowie die Ausschussberichte abgedruckt sind. Entsprechende Unterlagen finden sich auch für den Bereich der Landesgesetzgebung. Widerspricht der Gesetzestext in klarer Weise den Gesetzesmaterialien, so sind sie ebenso irrelevant wie im Falle eigener Widersprüchlichkeit oder Unklarheit. Vielfach wird gesagt, die historische Interpretation forsche nach dem Willen des historischen Gesetzgebers, die teleologische Interpretation nach dem objektiven Zweck des Gesetzes. Dies verleitet zur Annahme, dass zwischen dem „Willen" des Gesetzgebers und dem „Zweck" des Gesetzes ein prinzipieller Unterschied bestünde. Das stimmt nicht. In Wahrheit dienen beide Interpretationsmethoden demselben Zweck: der Klarstellung des Anliegens des Gesetzes. 5. Die teleologische Auslegung (telos = Zweck) versucht, den 49 Sinn und Zweck einer gesetzlichen Anordnung ohne Zuhilfenahme der 14 Krejci, Privatrecht8 | Krejci, Privatrecht8 15 Juristische Grundlehren Auslegung von Rechtsnormen und Lückenfüllung Gesetzesmaterialien (vgl die historische Auslegung) zu verstehen. Es geht ihr aber nicht nur um ein Verstehen im Sinne des allgemeinen oder besonderen Sprachgebrauches (vgl hierzu die Wortauslegung). Die teleologische Auslegung fragt darüber hinaus nach dem aus dem Rechts-satz hervorleuchtenden Gesetzeszweck. Welchen Sinn kann die in Frage stehende Rechtsregel haben? 50 Gerade die teleologische Auslegung ist in besonderem Maße dazu angetan, durch derartige Fragen die Prinzipien, O rdnungsgesichts-punkte und Regelungsgrundsätze, kurz: die „Dogmen" eines Rechtssatzes herauszuarbeiten. Das ist eine Hauptaufgabe der Rechtsdogmatik (Erwägungen de lege lata). Auf diese Weise vermag der Rechtsanwender durch „Nach-" und „Zuendedenken" der Vorstellungen des Gesetzgebers jene Gesichtspunkte aufzudecken, die den auszulegenden Regelungen zu Grunde Hegen. Die Grenze zwischen Rechtsdogmatik und Rechtspolitik (Erwägungen de lege ferenda) darf dabei nicht überschritten werden. 51 Zur Kritik an der teleologischen Auslegung: Vertreter des öffentlichen Rechts äußern sich der teleologischen Interpretation gegenüber mitunter skeptisch. Das bedeutet nicht notwendig, dass in methodischen Fragen ein Schulenstreit bestünde. Ob der .teleologischen Interpretation im öffentlichen Recht eine andere Rolle zukommt als im Privatrecht, ist weniger eine Frage einer anderen Methode als vielmehr eine Frage teleologischer Unterschiede zwischen dem öffentlichen und dem privaten Recht. Der teleologischen Interpretation kommt nicht zuletzt aus Gründen der besonderen Teleologie des öffentlichen Rechts (Einschränkung des Staatshandelns auf das ausdrücklich Vorgeschriebene zum Schutz größtmöglicher Freiheit der Bürger, Streben nach Rechtssicherheit) im Bereich dieses Rechtsgebietes eine erheblich geringere Bedeutung und Gestaltungskraft zu als im Privatrecht. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Analogieverbot im Strafrecht aufmerksam zu machen. Auch dieses hängt aufs Engste mit einem strafrechtlichen Ordnungsanliegen — der Rechtssicherheit (nulluni crimen sine lege) - zusammen. E. Das Verhältnis der Ausiegungsmethoden zueinander 52 Die Interpretationsarten verfolgen allesamt dasselbe Ziel. Schon das legt nahe, dass es keine besondere Reihenfolge ihrer Anwendung gibt. Steht einmal die Interpretationsbedürftigkeit eines Rechtssatzes fest, ist die Interpretation erst abgeschlossen, wenn sein richtiges Verständnis gefunden ist. Die einzelnen Interpretationsarten stehen dabei ' sionelle Juristenarbeit) und ist überdies nicht allein maßgeblich (Wil- ; lenserklärungen richten sich nicht an die Mgemeinheit; es können da- ; her zusätzliche, zwischen den Parteien beachtliche Umstände in die Be- • trachtung miteinbezogen werden). ] 197 4. Ergänzung durch Gesetz und Verkehrssitte. Sofern- eine > rechtsgeschäftliche Willenserklärung zu einem Ordnungsproblem I nichts aussagt, das vom Gesetzgeber geregelt wurde, wird der Vertrag j durch das Gesetz ergänzt. Entsprechendes gilt für bestehende Verkehrssitten (Übung des redlichen Verkehrs). j 198 5. Der hypothetische Parteiwille. Ist mangels hinreichender ver- | traglicher Regelungen und mangels ergänzenden Gesetzesrechts bzw ge- | eigneter Verkehrssitten der Vertragsirihalt im Hinblick auf eine offene f Ordnungsfrage nicht erkennbar und können sich die inzwischen strei- i tenden Parteien selbst nicht nachträglich einigen, hat sich der Interpret j (letztlich: der Richter) am hypothetischen Parteiwillen zu orientieren. Er j erklärt bzw ergänzt den Vertrag, wie ihn redliche und vernünftige Par- . teien angesichts der gegebenen Umstände geschlossen hätten. Dabei j kommt es vor allem auf den wirtschaftlichen Zweck des Vertrages an. j 199 6. Unklarheitenregel. Besonderes ordnet § 915 ABGB an. Sind j mehrere Deutungsmöglichkeiten einer Willenserklärung möglich, soll f nicht notwendig gleich Unverständlichkeit bzw Unbestimmtheit des In- j hartes der Erklärung angenommen werden. Vielmehr bestimmt der Ge- j I j 56 Krejci, Privatrecht' » setzgeber zum Zweck der Aufrechterhaltung des Rechtsgeschäftes Folgendes: Im Zweifel ist anzunehmen, dass sich der Verpflichtete bei einseitig verbindlichen Geschäften eher die geringere Last auferlegen wollte; hingegen soll bei zweiseitig verbindlichen Geschäften eine undeutliche Äußerung demjenigen zum Nachteil gereichen, der sich der Äußerung bedient, dh: sie formuliert hat. Die Unklarheitenregel wird mitunter zum Schutz der Kunden zulasten desjenigen eingesetzt, der in AGB unklare Regelungen aufgenommen hat. 7. Transparenzgebot. Für Verbrauchergeschäfte ist ferner § 6 200 Abs 3 KSchG zu beachten. Demnach ist eine in AGB und Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie „unklar und unverständlich abgefasst ist". Diese 1997 neu geschaffene Bestimmung verweist nicht bloß auf ohnehin bereits geltendes Recht (§§ 869, 915 ABGB), sondern will den Verbrauchern darüber hinaus entgegenkommen. Diese aus dem Europarecht stammende Sonderregelung ist im Hinblick auf das allgemeine Verständhchkeitsgebot (§ 869 ABGB) weitgehend überflüssig, wird jedoch dazu eingesetzt, der Rechtsprechung rigorose Eingriffe in AGB-Texte zu ermöglichen. Warum man diese Regelung, wenn man sie schon für erforderlich hielt, in das KSchG und nicht in das ABGB aufnahm, lässt sich nicht leicht begründen. Diese Neuregelung hat eine Reihe von Streitfragen ausgelöst; so insb die, ob bei Mehrdeutigkeit einer AGB-Bestimmung § 6 Abs 3 KSchG die Anwendung des § 915 ABGB ausschließt oder ob dies gerade umgekehrt ist. Ferner ist strittig, .inwieweit § 6 Abs 3 KSchG lediglich ein Instrument der Geltungskontrolle oder (auch) der Inhaltskontrolle ist. Vgl hierzu weiter unten Rz 214 ff. 8. Konversion. Nicht gesetzlich geregelt, jedoch ein Produkt der 201 Grundsätze über die Auslegung ist die Figur der Konversion: Geschäfte, die wegen Gesetzesverstoßes nichtig sind, können mitunter „umgedeutet" werden. Eine Kündigung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Zeitpunkt wird etwa in eine Kündigung zum nächstmöglichen gesetzlich zulässigen Zeitpunkt umgedeutet. Man versucht auf diese Weise, dem Parteiwillen möglichst nahe zu kommen. K. Der Vertragsabschluss 1. Allgemeines. Die meisten Rechtsgeschäfte sind zwei- oder 202 mehrseitig, also Verträge. 2. Angebot. Wer mit einem anderen einen Vertrag schließen 203 will, muss ihm das kundtun. Er unterbreitet ihm einen Vorschlag über den Inhalt des gewünschten Vertrages: er macht ihm ein Angebot oder Anbot, er stellt ihm eine Offerte. Krejci, Privatrecht8 57 Allgemeines Privatrecht Die Rechtssubjekte VI. Die Rechtssubjekte A. Rechtssubjekt und Rechtsfähigkeit 97 Rechtssubjekt (Rechtsperson) ist, wer rechtsfähig ist. Rechtsfähig ist, wer Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Wer das ist, bestimmt die Rechtsordnung. Zwischen natürlichen und juristi- , sehen Personen wird unterschieden: 98 1. Natürliche (= physische) Personen. § 16 ABGB bestimmt, dass -„jeder Mensch" rechtsfähig ist. Auf besondere Eigenschaften kommt es dabei nicht an. Auch Behinderte, Bewusstlose, Kleinkinder sind rechtsfähig. Kein Geschlecht, keine Rasse, keine Gruppe ist von der Rechtsfä- -higkeit ausgenommen. Rechtsfähig ist jeder Mensch. Der Begriff des ; Menschen macht noch keine Schwierigkeit. Sklaven waren Menschen, denen die Rechtsordnung keine Rechtssubjektivität zubilligte. Sie galten als Sachen. Sklaverei ist nach § 16 ABGB, aber . auch aufgrund verfassungsrechtlicher Vorschriften in Österreich verboten. 99 2. Juristische Personen. Außer Menschen können von der • Rechtsordnung auch noch andere Gebilde als Rechtssubjekte anerkannt \ werden. Solche Gebilde heißen „juristische Personen" (jurP) (vgl | Rz 129ff). Ob und inwieweit die Rechtsordriürig jurP zulässt, ist eine ' rechtspolitische Zweckmäßigkeitsfrage. B. Handlungsfähigkeit 100 Handlungsfähig ist, wer rechtswirksam durch eigenes Verhalten Rechte und Pflichten begründen kann. Man unterscheidet zwischen Geschäftsfähigkeit und Deliktsfähig- ; keit: ' 101 1. Geschäftsfähig ist, wer sich durch eigenes rechtsgeschäftliches Handeln berechtigen bzw verpflichten kann. j Handeln heißt bewusstes, vom eigenen Willen getragenes Verhal- ' ten. Es geht um die Fähigkeit, seine eigenen Interessen im Verhältnis zu • anderen im Rahmen privatautonomer Rechtsgestaltung hinreichend f wahrzunehmen. j 102 2. Deliktsfähig ist, wer aus eigenem rechtswidrigen Verhalten schadenersatzpflichtig werden kann. t Es geht darum, dass jemandem sein Fehlverhalten aufgrund geeig-neter Einsichtsfähigkeit und aufgrund seiner Fähigkeit zu korrektem Verhalten subjektiv vorgeworfen werden kann. C. Rechtsfähigkeit der natürlichen Person 1. Beginn der Rechtsfähigkeit. Der Mensch wird mit vollendeter 103 Lebendgeburt rechtsfähig. Vollendet ist die Geburt mit der natürlichen oder künstlichen Trennung des Kindes vom Mutterleib. Lebensfähigkeit ist nicht erforderlich. Die Lebendgeburt wird vermutet. Das heißt: Wer Totgeburt behauptet, hat dies zu beweisen. Diese Beweis-lastumkehr ist vor allem im Hinblick auf erbrechtliche Streitigkeiten beachtlich. Wer zwar lebend geboren wurde, sogleich nach der Geburt aber stirbt, hat dennoch Rechtsfähigkeit erlangt. §22 ABGB räumt jedoch bereits dem „nasciturus" bedingte 104 Rechtspositionen ein. „Selbst ungeborene Kinder haben von dem Zeitpunkte ihrer Empfängnis an einen Anspruch auf Schutz der Gesetze". Sie werden bezüglich ihrer Rechte „als Geborene angesehen". Diese Rechtsstellung ist allerdings bedingt durch die spätere Lebendgeburt. Wird ein Ungeborener abgetrieben, so kommt es zu keiner späteren Le- 105 bendgeburt. Dennoch wäre es widersprüchlich, wollte man deshalb meinen, dass zwar die Verletzung eines im Mutterleib heranwachsenden Kindes, das zur Welt kommt, zivilrechtswidrig ist, nicht aber die Tötung des Ungeborenen. Abtreibungen sind daher auch dann zivilrechtswidrig, wenn sie innerhalb jener Frist erfolgen, in welcher das Strafrecht die Abtreibung straffrei stellt. Zwar kann ein Toter keine Ansprüche geltend machen, sehr wohl aber sind Rechtsgeschäfte, die darauf abzielen, die Tötung Ungeborener herbeizufuhren oder zu fördern, gesetzwidrig und daher nichtig (§ 879 ABGB). 2. Umfang der Rechtsfähigkeit. Die Rechtsfähigkeit der natürli- 106 chen Person ist nicht vorweg auf bestimmte Rechte und Pflichten beschränkt. Sie steht unbeschränkt zu. 3. Ende der Rechtsfähigkeit. Die Rechtsfähigkeit des Menschen 107 endet mit seinem Tod. a) Eintritt des Todes. Ab welchem Moment jemand tot ist, ist an- 108 gesichts der heutigen Möglichkeiten der Medizin, einen menschlichen Körper durch Einsatz medizintechnischer Geräte in Funktion zu halten, schwer zu beantworten. Nach wie vor überwiegt die Ansicht, dass es auf den Gehirntod ankommt. b) Totenschein. Der Tod muss bewiesen sein. Normalerweise ge- 109 schieht dies durch Ausstellung eines Totenscheines. Ihn stellt der totenbeschauende Arzt aus. 32 Krejci, Privatrecht» ; Krejci, Privatrecht8 33 Allgemeines Privatrecht____ 110 c) Beweis des Todes. Fehlt der Leichnam, muss das Gericht vom ' Tod einer bestimmten Person durch Beweis des Todes überzeugt werden. ZB: Helmut stürzt in den Anden in eine 300 m tiefe Schlucht. Sein Leichnam wird nie mehr gefunden, drei Bergkameraden aber haben den Absturz ge- ~ sehen. 111 d) Todeserklärung. Gelingt ein solcher Beweis des Todes nicht, steht die Möghchkeit der Todeserklärung zur Verfügung. Näheres regelt das TEG. Voraussetzung für eine Todeserklärung ist entweder allgemeine Verschollenheit oder Gefahrenverschollenheit (gemeinsame Krite- ■ rien: unbekannter Aufenthalt, nachrichtenlose Abwesenheit für eine bestimmte - im Falle der Gefahrenverschollenheit kürzere - Zeit, ernsthafte Zweifel am Überleben). Die Todeserklärung begründet die widerlegliche Vermutung, dass i der Verschollene in dem im gerichtlichen Todeserklärungsbeschluss festgestellten Zeitpunkt verstorben ist. ZB: Josef stürzte mit dem Flugzeug über dem Atlantik ab; Hermann kam > aus dem Krieg nie mehr zurück. D. Geschäftsfähigkeit der natürlichen Person 1. Zweck der Geschäftsfähigkeit 112 Obwohl jeder Mensch rechtsfähig ist, ist doch nicht jeder in der Lage, seine Interessen aus eigener Fähigkeit hinreichend wahrzuneh- • men. Daher ist das Institut der Geschäftsfähigkeit erforderlich. Es dient dem Schutz des Geschäftsunfähigen vor den Gefahren der '■. privatautonomen Rechtsgestaltung. Geschäftsunfähige können im ; Bereich ihrer Geschäftsunfähigkeit für sich allein keine gültigen Ge-schäfte schließen. ' Das gilt auch dann, wenn der Verhandlungspartner gar nicht er- ] kennen konnte, dass er es mit einem Geschäftsunfähigen zu tun hat. ; Insofern gibt es keinen Vertrauensschutz zugunsten des die Geschäftsunfähigkeit nicht erkennenden Verhandlungspartners. Ge- , j schäftsunfähigenschutz geht vor Vertrauensschutz. 2. Die gesetzliche Vertretung substituiert die Geschäftsunfähigkeit 113 Geschäftsunfähige bleiben darauf angewiesen, dass Rechtsgeschäfte für sie geschlossen werden, weil sie auf andere Weise ihre pri- ; Die Rechtssubjekte vatautonom wahrzunehmenden Interessen nicht befriedigen können (sie bekommen sonst keine Nahrung, keine Kleidung, keine Wohnung etc). Insofern ist Hilfe geboten. Daher hat der Gesetzgeber die Einrichtung des gesetzlichen Vertreters vorgesehen, der für den Geschäftsunfähigen die erforderlichen Geschäfte schließt. 3. Die Varianten der Geschäftsunfähigkeit Die Rechtsordnung kennt mehrere Varianten der Geschäftsunfä- 114 higkeit: - die nach Altersstufen typisierte Geschäftsunfähigkeit, - die gerichtlich beschlossene Geschäftsunfähigkeit, - die Geschäftsunfähigkeit im konkreten Einzelfall. 4. Nach Altersstufen typisierte Geschäftsunfähigkeit Der Mensch reift erst allmählich zur vollen Geschäftsfähigkeit he- 115 ran. Darauf nimmt der Gesetzgeber Rücksicht. Er gewährt die Geschäftsfähigkeit sukzessive, nach Altersstufen differenziert. Von Stufe zu Stufe wird die Geschäftsfähigkeit erweitert. Wer seinem Alter in der Entwicklung voraus ist, erhält deshalb keine andere Geschäftsfähigkeit zugebilligt als seine Altersgenossen. Die Rechtsordnung unterscheidet: 116 - Kinder (bis zum vollendeten 7. Lebensjahr), - sonstige unmündige Minderjährige (bis zum vollendeten 14. Lebensjahr), - mündige Minderjährige (ab vollendetem 14. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr), - Volljährige (ab dem vollendeten 18. Lebensjahr). a) Kinder. Das KindRÄG 2001 hebt die Gruppe der Kinder nicht mehr hervor, sondern unterscheidet lediglich zwischen unmündigen Minderjährigen, mündigen Minderjährigen und Volljährigen, doch ist es dennoch bei der Regel des § 865 ABGB gebheben, so dass auch weiterhin die bisherige Vierteilung (Kinder, unmündige Minderjährige, mündige Minderjährige, Volljährige) sachlich gerechtfertigt erscheint. § 865 Abs 1 ABGB ordnet an, dass Kinder unter sieben Jahren und Personen über sieben Jahre, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, - außer in den Fällen des § 151 Abs 3 ABGB (siehe sogleich unter b) - unfähig sind, ein Versprechen zu machen oder es anzunehmen. Kinder sind also bis zum vollendeten 7. Lebensjahr voll geschäftsunfä- 34 Krejci, Privatrecht1 f Krejci, Privatrecht8 35 Allgemeines Privatrecht Die Rechtssubjekte hig, abgesehen davon, dass sie solche Rechtsgeschäfte schließen können die „eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens" betreffen. [ 117 b) Unmündige Minderjährige können Rechtsgeschäfte, die „eine :; geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens" betreffen, wie sie i üblicherweise von Personen solchen Alters geschlossen werden, schlie- : ßen (§ 151 Abs 3 ABGB: „Taschengeldparagraf'). Alle anderen Ge- >: Schäfte unmündiger Minderjähriger werden für sie vom gesetzlichen " Vertreter geschlossen. \ 118 Verpflichtende Geschäfte, die ein unmündiger Minderjähriger , allein abschließt, sind nicht schlechthin nichtig, wohl aber schwebend -unwirksam. Das heißt: sie*sind dann nichtig, wenn nicht innerhalb ange- > messener Frist der gesetzliche Vertreter dem Geschäft zustimmt. Ein sol- , ches Geschäft heißt „negotium claudicans". Der Vorteil dieser Regelung Hegt darin, dass der Geschäftspartner dem • unmündigen Minderjährigen für die angemessene Frist aus dem Geschäft ver- • pflichtet bleibt. Das wäre bei einem schlechthin nichtigen Geschäft nicht der * Fall. Unmündige Minderjährige können ferner bereits bestehende : Schulden selbst bezahlen (§ 1421 ABGB). 1 119 c) Mündige Minderjährige haben fürs Erste jedenfalls den Status > der unmündigen Minderjährigen (siehe oben b). Ihre Geschäftsfähig- :: keit ist jedoch darüber hinaus erweitert. Sie können selbständig Dienstverträge (nicht aber Lehr- oder i Ausbildungsverträge) schließen. Der gesetzliche Vertreter (beide Eltern- teile: § 154 Abs 2 ABGB) hat aber das Recht, den Dienstvertrag aus \ wichtigem Grund zu kündigen (etwa aus erzieherischen Gründen). Fer- . ner kann der mündige Minderjährige selbständig über sein Einkommen aus eigenem Erwerb und über Sachen verfügen, die ihm zur freien Dis- ; Position überlassen worden sind. ; Beachte: Eigentümer zu sein, bedeutet noch nicht, dass der mündige \ Minderjährige frei verfügungsberechtigt wäre. Vielmehr bedarf es einer eigenen | Verfugungserlaubnis durch den gesetzlichen Vertreter. Schenken die Eltern : der Tochter ein Ballkleid, damit sie Bälle besuchen kann, so ist die Tochter t zwar Eigentümerin, sie darf über das Ballkleid aber nicht frei verfügen: es zB ; ohne Einwilligung der Eltern verkaufen oder zerschneiden. [ ■ t Durch derartige erlaubte Verfugungen darf aber die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des mündigen Minderjährigen nicht gefährdet werden j (§151 Abs 2 ABGB). Minderjährige haben sich nämlich, soweit sie dazu in der j Lage sind, selbst zu erhalten (§ 140 ABGB). Es darf also nicht dazu kommen, ' 36 Krejci, Privatrecht8 i dass der mündige Minderjährige seine eigenen Einkünfte verjubelt, dafür aber dann bezüglich seines Lebensunterhaltes seinen Eltern auf der Tasche liegt. Worüber mündige Minderjährige selbst verfugen können, darüber 120 steht ihnen auch die freie Verwaltung zu. Das ist bei unmündigen Minderjährigen noch nicht so. Mündige Minderjährige sind nicht selbständigtestierfähig. Sie kön- 121 nen aber ihr Testament vor einem Notar oder vor Gericht machen. Insofern sind sie also sehr wohl testierfähig. Beachte: Gesetzliche Vertreter dürfen nicht für die von ihnen Vertretenen testieren; vielmehr greift im Falle des Todes des Nichttestierfähigen allein die gesetzliche Erbfolge. d) Volljährige (Personen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr) 122 sind voll geschäftsfähig, sofern nicht ein altersunabhängiger Grund für eine Geschäftsunfähigkeit vorhegt. Wer voll geschäftsfähig ist, bedarf keines gesetzlichen Vertreters, um Rechtsgeschäfte zu schließen. Volljährige sind insb auch uneinge-. schränkt testierfähig. 5. Gerichtlich beschlossene Geschäftsunfähigkeit infolge Krankheit oder Beriinderimg (Sachwalterschaft) Volljährigkeit führt dann nicht zur vollen Geschäftsfähigkeit, 123 wenn die betreffende Person psychisch krank oder geistig behindert ist. Solche Personen sind mangels ausreichender Willensfähigkeit durch Gerichtsbeschluss unter Behindertensachwalterschaft zu stellen (§§ 268 ff ABGB). Für bloß körperlich Behinderte gibt es keine ■■■ Sachwalterschaft! Je nach Art und Reichweite der geistigen Behinderung kann der 124 Sachwalter für einzelne Angelegenheiten oder für alle Angelegenheiten des Behinderten bestellt werden. Der Sachwalter übernimmt je nach den Bedürfhissen des Behinderten die Personen- und Vermögensvorsorge (§ 268 ABGB). Innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters ist der Behin- 125 derte bezüglich seiner Geschäftsfähigkeit einem unmündigen Minderjährigen gleichgestellt (§ 280 ABGB). Die Geschäftsunfähigkeit infolge Sachwalterschaft wirkt „absolut" bzw ist „formal" oder „typisiert". Das bedeutet: Auch wenn der Behinderte ein sog „lucidum intervallum" (einen „lichten Moment") haben sollte, er also insofern durchaus fähig wäre, seine Interessen (ausnahmsweise, vorübergehend) selbst wahrzunehmen, bleibt er im gerichtlich festgelegten Rahmen geschäftsunfähig. Krejci, Privatrecht8 37 Allgemeines Privatrecht 6. Geschäftsunfähigkeit im konkreten Einzelfall 126 Auch wer volljährig ist und nicht unter Sachwalterschaft steht, kann vorübergehend oder endgültig seiner Sinne nicht mächtig sein bz^ „den Gebrauch der Vernunft nicht haben" (§ 865 ABGB) und daher ge- ■ schäftsunfähig sein. ZB: Jemand versetzt sich in den Zustand eines Vollrausches; jemand wird geisteskrank, ist aber noch nicht unter Sachwalterschaft gestellt. Geringfügige Geschäfte iSd § 151 Abs 3 ABGB können auch diese Personen schließen. Überdies machen lucida intervalla Geisteskranke, die nicht unter Sachwalterschaft stehen, geschäftsfähig. Im Übrigen unterscheidet das Gesetz in den hier interessierenden Fällen der konkreten Geschäftsunfähigkeit nicht zwischen voller und beschränkter Geschäftsunfähigkeit. Die Lehre nimmt dennoch an, dass in Fällen geringerer Beeinträchtigung eine beschränkte Geschäfeunfähigkeit anzunehmen ist. • E. Deiiktsfähigkeit der natürlichen Person ; 127 1. Altersstufe. Deliktsfähig sind natürliche Personen prinzipiell -mit dem vollendeten 14. Lebensjahr (mündige Minderjährige). Für unmündige Minderjährige haften die Aufsichtspersonen, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Doch kann unter bestimmten Voraussetzungen auch der Unmündige selbst subsidiär, dh: wenn eine Haf- ; tung der Aufsichtspersonen mangels Verschuldens oder mangels Ver- '. mögens ausfällt, zur Haftung herangezogen werden (§ 1310 ABGB: Prüfung, ob im konkreten Fall nicht trotz mangelnden Alters Verschulden angenommen werden kann; Unterlassung der Verteidigung zwecks * Schonung des Schädigers; Vermögensvergleich). Für den Deliktsfähi- -gen haften die Aufsichtspersonen nicht mehr. 128 2. Geisteskrankheit, Geistesschwäche oder Sinnesverwirrung beseitigt die Deliktsfähigkeit nur für die Zeit, in der die Störung andau-ert. Auch der sonst voll Geschäftsunfähige hat keinen Freibrief zur Schä- •. digung. Dh: lucida intervalla machen deliktsfähig. : Wer sich als Zurechnungsfähiger, also subjektiv vorwerfbar, somit * schuldhaft, in einen Zustand der Sinnesverwirrung versetzt (zB betrinkt, um sich für eine Schadenshandlung „Mut" zu machen), haftet für die in diesem • Zustand rechtswidrig zugefügten Schäden. * F. Die juristische Person 129 1. Allgemeines. Das ABGB kennt den Ausdruck „juristische Per- , son" nicht. Es spricht von „moralischer Person", „erlaubter Gesell- f Die Rechtssubjekte schaft", „Körper", „Gemeinschaft", „Gemeinde". Damit sind aber nicht immer jurP gemeint. JurP gibt es im Bereich des öffentlichen Rechts ebenso wie im 130 Privatrecht. Die österreichische Rechtsordnung gewährt Rechtspersönlichkeit: - Personenverbänden: Körperschaften öffentlichen Rechts (Bund, Länder, Gemeinden, Kammern, Sozialversicherungsträgern), Vereinen, politischen Parteien, den in das Firmenbuch eingetragenen Personengesellschaften und den Kapitalgesellschaften (GmbH, AG), den Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und gewissen - Vermögensgesamtheiten mit Widmungszweck: Stiftungen, Fonds, Anstalten. Die in das Firmenbuch eingetragenen Personengesellschaften (offene Gesellschaften [OG] und Kommanditgesellschaften [KG]) sind uneingeschränkt rechtsfähig wie jurP; sie haften jedoch für ihre Verbindlichkeiten nicht allein, sondern es haften dafür zusätzlich auch noch die Gesellschafter (wobei die Kommanditisten der KG nur beschränkt haften). Deshalb meinen manche Vertreter der Lehre, dass die eingetragenen Personengesellschaften die Bezeichnung „jurP" nicht verdienen. (Die OG und KG haben die früheren Rechtsformen der OHG und KG und die OEG und KEG abgelöst). Keine juristischen Personen sind: Gesellschaften bürgerlichen Rechts; nach hM bloß teilrechtsfähig sind zB die Belegschaft („Arbeitnehmerschaft") von Betrieben, repräsentiert durch den Betriebsrat (ArbVG), das Patentamt (§ 58 a PatG); vor dem UG 2002 die Universitäten und Universitätsinstitute (seit 2002 sind die Universitäten volhechtsfähig; die Universitätsinstitute verfügen hingegen seither über keinerlei Rechtsfähigkeit). ': 2. Charakteristika der juristischen Person. Gewisse Eigen- 131 schaffen muss eine jurP jedenfalls haben, um agieren zu können. Diese Eigenschaften beschreibt am Besten die „Theorie der organisierten Interesseneinheit" (Ostheim). Ihr zufolge müssen jedenfalls -vorhegen: - ein gemeinsames Interesse, - ein Organ zur internen Willensbildung, - ein Gesc^äftsführungs- und Vertretungsorgan. Gemeinsames Interesse heißt: die sich zusammenschließenden 132 Individuen verfolgen ein gemeinsames Ziel (das zB in den Statuten, in der Satzung, im Gesellschaftsvertrag festgelegt wird und durch entspre- 38 Krejci, Privatrecht8 Krejci, Privatrecht8 39 Allgemeines Privatrecht Die Rechtssubjekte Tod der Erblassers und Einantwortung des Erben als Subjekt aller vom Erblasser hinterlassenen (und nicht durch den Tod untergegangenen) Vermögens- :l werte, Rechte und Pflichten. - Strittig ist, ob der Konkursmasse Rechtsper- ] sönlichkeit zukommt. Sowohl beim ruhenden Nachlass als auch bei der Kon-kursmasse handelt es sich nicht um privatautonom begründete Rechtssubjekte * (schon gar nicht um Körperschaften), sondern um Vermögen, denen durch Eintritt bestimmter Umstände (Tod, Insolvenz) aus Zweckmäßigkeitsgründen eine rechtliche Eigenständigkeit zugebilligt wird. - Bis zum VerG 2002 stritt man darüber, ob das für ideelle Vereine gestaltete (vormalige) System der Ver- ; einsanmeldung bei der Vereinsbehörde („Anmeldesystem") eine Sonderform der freien Bildung juristischer Personen oder eine Sonderform des Normativsystems sei. Das VerG 2002 hat sich klar für das Normativsystem entschieden: Ohne Anmeldung des Vereins bei der Vereinsbehörde kann der Verein nicht : als Rechtsperson entstehen. Auch bei der OG und KG hat sich der Gesetzgeber ■ im HaRÄG nun ausnahmslos für das Normativsystem entschieden. 142 Die Frage der freien Bildung juristischer Personen stellt sich im Bereich ; der Gründung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GesBR; §§ 1175 ff ABGB) insofern nicht, als diese Gesellschaften nach hA keine juristischen Personen sind. (In Dtid ist das anders: Dort wird auch den GesBR Rechtspersön-Hchkeit zuerkannt.) 4. Arten juristischer Personen 143 Es wird insb zwischen Körperschaften und Vermögensgesamtheiten unterschieden. 144 a) Körperschaften sind auf Dauer angelegte, freiwillige Personenvereinigungen, die in ihrem Bestand vom Mitgliederwechsel unabhängig sind und ihre Geschäftsführungs- und Vertretungsorgane nach einem besonderen, in der Satzung beschriebenen Verfahren bestellen (Drittorganschaft), sodass nicht jedes Mitglied selbst Organfunktion hat (Selbstorganschaft). Derartige Körperschaften sind: ideelle und wirtschaftliche Vereine, Kapitalgesellschaften, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. 145 b) Vermögensgesamtheiten. Hieher gehören Stiftungen, Anstalten und Fonds. 146 aa) Stiftungen sind durch eine Anordnung des Stifters dauernd gewidmete Vermögen mit Rechtspersönhchkeit, deren Erträgnisse der Erfüllung bestimmter, vom Stifter festgelegter Zwecke dienen. § 2 BStFG 1974 hat lediglich gemeinnützige und mildtätige Zwecke vor Augen, das PSG lässt demgegenüber auch andere Zwecke zu. Stiftungen sind keine Personenvereinigungen und haben auch keine Mitglieder, sondern nur Destinatare (Nutznießer, Begünstigte). bb) Anstalten heißen Stiftungen, die über besondere äußere Ein- 147 richtungen für die begünstigten Benutzer verfügen. ZB: eine Stiftung ist mit einem stiftungseigenen Krankenhaus oder einer Schule verbunden. cc) Fonds sind durch Anordnung des Gründers nicht auf Dauer 148 gewidmete Vermögen mit Rechtspersönlichkeit, die der Erfüllung jener Zwecke dienen, die der Gründer festlegt. Auf Fonds finden weitgehend die Regelungen über die Stiftung Anwendung. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass bei der Stiftung die Substanz des Stiftungsvermögens möglichst erhalten bleiben soll, während das Fondsvermögen als solches für den Fondszweck verwendet wird. ZB: Es wird ein Fonds zur Finanzierung einer Ausstellung gegründet. 5. Rechtsfähigkeit juristischer Personen a) Entstehen der Rechtsfähigkeit. JurP erhalten ihre Rechtsfähig- 149 keit mit ihrem Entstehen. Darüber entscheidet das jeweilige Gründungssystem. b) Umfang der Rechtsfähigkeit. JurP verfugen prinzipiell über die gleiche Rechtsfähigkeit wie natürliche Personen. Das folgt aus § 26 ABGB: „Im Verhältnisse gegen andere genießen erlaubte Gesellschaften in der Regel gleiche Rechte mit den einzelnen Personen." Dennoch versteht sich von selbst, dass jurP zB nicht heiraten und niemanden adoptieren können. Sie machen auch keine Testamente. Dafür können jurP verschmelzen oder sich aufspalten. All diese Besonderheiten fuhren jedoch nicht dazu, dass man den Grundsatz in Frage stellen müsste, wonach Menschen und jurP über die gleiche unbeschränkte Rechtsfähigkeit verfügen. Das ist nicht in allen Rechtsordnungen so. Dies zeigt insb die Ultra-vires-Lehre. Ultra-vires-Lehre: Diese im österreichischen Privatrecht nicht 150 herrschende, wohl aber für den Bereich des öffentlichen Rechts beachtliche Lehre lehnt die prinzipielle Gleichstellung der Rechtsfähigkeit juristischer und physischer Personen ab. Die mtra-vires-Lehre besagt, dass jurP nur in jenem Ausmaß rechtsfähig sind, als dies die in der Satzung der jurP vorgesehenen Zwecke (Ziele, Aufgaben) erforderlich machen. Die Ultra-vires-Lehre hat den großen Nachteil, dass die Einschränkungen der Rechtsfähigkeit der juristischen Person Dritten im Geschäftsverkehr nicht leicht erkennbar sind. Dadurch wird aber der Geschäftsverkehr erheblich belastet. Denn Geschäfte, die ultra vires 42 Krejci, Privatrecht1 { Krejci, Privatrecht8 43 Allgemeines Privatrecht geschlossen werden, sind mangels Rechtsfähigkeit der jurP unwirksam. ■ Im Einzelfall ist aber oft strittig, ob ein Rechtsgeschäft noch vom Zweck -der jurP gedeckt ist oder nicht. Sofern unsere Rechtsordnung teilrechtsfähige Gebilde kennt, stellen sich auch dort jene Nachteile ein, die der Ultta-vires-Lehre anhaften: Denn auch die Abgrenzung der jeweiligen Teihechtsfähigkeit solcher Gebilde bereitet mitunter erhebliche Schwierigkeiten. 151 6. Geschäftsfähigkeit. JurP können nicht unmittelbar selbst handeln. Sie sind ja „künstliche Gebilde". Sie bedürfen zur Setzung von Rechtshandlungen der Aktivität natürlicher Personen. Wer die jurP nach außen hin zum Zweck des Abschlusses von Rechtsgeschäften vertreten kann, bestimmt die Satzung der jurP. Sie nennt die diesbezüglichen Organe. Ihnen kommt Vertretungsfunktion zu. Oft finden sich auch zwingende gesetzliche Regelungen über die organschaftliche Vertretung von jurP. Die organschaftliche Stellvertretung steht ihrer Struktur nach zwischen der gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen. Formalvollmacht: Für den Geschäftsverkehr praktisch ist insb die Einrichtung der unbeschränkbaren organschaftlichen Vertretungsmacht, wie dies die Vorschriften über die OG; KG, EWTV, AG, GmbH, EWGen und ideellen Vereine kennen. Auch die Prokura stellt eine derartige Formalvollmacht dar. Etwaige Vollmachtsbeschränkungen wirken hier lediglich im Innenverhältnis, sodass der Geschäftsverkehr von Streitigkeiten darüber, ob und inwieweit die Vertretungsmacht beschränkt ist, entlastet ist. Hingegen stellen sich in Fällen, in welchen die Vertretungsmacht (organschaftlicher) Vertreter mit Außenwirkung beschränkt werden darf, wie dies (strittig) bei Privatstiftungen der Fall ist, all jene Probleme der Belastung des Geschäftsverkehrs ein, die mit der oben erwähnten Ultra-vires-Lehre verbunden sind. Bei ideellen Vereinen ist es seit dem VerG 2002 nicht mehr möglich, die Vertretungsmacht ihrer Organe durch die Satzung auf vergleichbare, den Geschäftsverkehr belastende Art und Weise zu beschränken. Das BStFG kennt für die dort geregelten Stiftungen und Fonds keine organschaftliche For-malvollmacht. 152 7. Deliktsfähigkeit. JurP können als solche keine Delikte begehen. Die für den Abschluss von Rechtsgeschäften vorgesehenen Vertretungsorgane sind nicht automatisch auch schon als „Vertreter im Deliktsbereich" anzusehen. Dennoch nimmt die Rechtsordnung jurP nicht aus dem Bereich der Deliktshaftung aus. Eine derartige Ausnahme würde den Geschädigten gegenüber als ungerecht empfunden. Die Rechtsobjekte Vielmehr begründen die Haftung juristischer Personen: - die statutarischen Organe in Ausübung ihrer Funktion, _ Machthaber iSd § 337 ABGB und - Gehilfen iSd §§ 1313 a, 1315 ABGB. Unter Machthabem iSd § 337 ABGB sind Personen gemeint, die 153 in leitender Position im Rahmen der Organisation der juristischen Person (unterhalb der statutarischen Organe) tätig sind und einen größeren eigenständigen Verantwortungsbereich haben. Man spricht diesbezüglich von Repräsentantenhaftung. Inzwischen ist anerkannt, dass die Grundsätze der Repräsentantenhaftung nicht nur im Hinblick auf jurP beachtlich sind, sondern auch in jenen Fällen, in welchen eine physische Person auf vertraglicher Grundlage eine Organisation aufbaut, mit deren Hilfe sie ihren Aktionsradius erweitert. Zu den. Gehilfen wird im Schadenersatzrecht Näheres gesagt. Strafbarkeit jurP: Man ging früher davon aus, dass jurP als solche 154 keine strafrechtlich sanktionieren Delikte begehen können. Nunmehr ordnet das Verbandsverantworthchkeitsgesetz (VbVG, BGBl I 2005/ 151) in gewisser Weise anderes an: Demnach können auch „Verbände" (jurP und eingetragene Personengesellschaften) strafrechtlich verantwortlich sein. Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder, sonstige organschaftliche oder rechtsgeschäftliche Vertreter und Mitarbeiter können den Verband für Straftaten verantwortlich machen, wenn solche „Entscheidungsträger" eine Straftat rechtswidrig und schuldhaft begangen haben. In solchen Fällen wird über den Verband eine Verbandgeldbuße verhängt. VII. Die Rechtsobjekte Zwischen Rechtssubjekten und Rechtsobjekten, also zwischen Per- 155 sonen und Sachen, ist zu unterscheiden. Rechtssubjekte sind keine Rechtsobjekte und umgekehrt. Rechtsobjekte sind Sachen, auf die sich subjektive Rechte beziehen können und die ein Berechtigter in seiner Rechtsmacht hat. Es gibt aber Grenzbereiche. So ist der Mensch ohne Zweifel Person und 156 keine Sache. Was ist mit seiner Leiche? Ist sie (noch) Person oder (schon) Rechtsobjekt? Genießt der Leichnam eine Sonderstellung oder darf er als Gegenstand des Rechtsverkehrs betrachtet werden wie jede andere körperliche Sache auch? Darf man aus Leichen Kunstwerke machen? 44 Krejci, Privatrecht8 Krejci, Privatrecht8 45 Allgemeines Privatrecht Das Rechtsgeschäft 157 158 159 160 161 § 285 ABGB sagt: „Alles, was von der Person verschieden ist und zum Gebrauch der Menschen dient, wird im rechtlichen Sinn eine Sache genannt." Das Institutionensystem, dem das ABGB folgt, bringt es mit sich, dass das ABGB von einem sehr weiten Sachbegriff ausgeht: er umfasst nicht nur körperliche Sachen (einschließlich Energie wie elektrischen Strom oder Gas), sondern auch unkörperliche: zB Forderungsrechte, Immaterialgüterrechte. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Regeln des Sachenrechts (iSd Pandektensys-tems) auf alles anzuwenden wären, was das ABGB „Sache" nennt. Tiere sind nach § 285 a ABGB zwar (seit 1988) keine Sachen mehr; sie sind aber deshalb nicht schon als Rechtssubjekte anerkannt. Vielmehr finden auf Tiere nach wie vor die Regeln des Sachenrechts Anwendung. Die eigentliche Besonderheit liegt im Schadenersatzrecht: Auch für Tiere gebühren Heilungskosten (§ 1332 a ABGB), und zwar auch dann, wenn diese den Wert des Tieres übersteigen. Näheres über Sachen im Sachenrecht. VIII. Das Rechtsgeschäft A. Grundbegriffe 1. Rechtsgeschäfte sind rechtlich durchsetzbare, private Willenserklärungen. Sie sind das Instrument der privatautonomen Rechtsgestaltung. 2. Rechtsgeschäfte bestehen entweder aus einer einzigen (zB Testament, Auslobung) oder aus mehreren Willenserklärungen (Vertrag). Rechtsgeschäftliche Willenserklärungen haben einen Inhalts-und einen Geltungswillen: a) Inhaltswille. Nicht jede Willenserklärung ist schon eine rechtsgeschäftliche. Es ist also zwischen rechtsgeschäftlichen und sonstigen Willenserklärungen zu unterscheiden. Jede Willenserklärung bedarf eines bestimmten Inhaltes. Den diesbezüglichen Willen nennt man Inhaltswillen. Wer einem anderen lediglich sagt: „Ich will etwas von Dir!" sagen, was er will, hat seinen Willen noch nicht hinreichend erklärt. ohne zu 162 b) Geltungswüle (Rechtsfolgen-, Geschäfts- bzw Bindungs- wille). Rechtsgeschäftliche Willenserklärungen erschöpfen sich nicht darin, lediglich einen Inhaltswillen zu artikulieren. Sie zielen darüber jjinaus darauf ab, dass mit dem Inhaltswillen auch Rechtsfolgen ver-Icnüpft sein sollen. Das Gewollte soll rechtliche Geltung haben. Man spricht vom Geltungswillen der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung oder vom Rechtsfolgen- bzw Geschäftswillen. Worin zeigt sich dieser Geltungswille? ZB: Bernd sagt zu Erwin: „Geh mit mir ins Kino!" Erwin willigt ein. Liegt ein Rechtsgeschäft vor? Viktor lädt Eva zum Juristenball ein. Eva sagt ja, kauft sich ein Ballkleid und geht zum Friseur. Viktor kommt nicht. Ist er nur wort-oder auch vertragsbrüchig? Die meisten Menschen sind keine Juristen. Wie drücken sie ihren 163 Geltungswillen aus? Es genügt, dass der Erklärende erkennen lässt, dass er für den Fall der Missachtung seiner Erklärung rechtliche Konsequenzen zu ziehen gedenke, ohne dass diese näher spezifiziert werden müssten. Es genügt zu wissen, dass im Streitfall insb mit der Anrufung des Gerichts zu rechnen ist („gemäßigte Rechtsfolgentheorie"). Hingegen genügt es nicht, dass der Erklärende lediglich eine „Wirtschaft- 164 liehe oder soziale Wirkung" mit einer Erklärung erreichen will („Grundfolgentheorie"). Das ist zu vage und zu wenig. Nicht verlangt wird, dass sich der Erklärende aller rechtlichen Konsequenzen seiner Erklärung bewusst ist („strenge Rechtsfolgentheorie"). Das ist zu genau und zu viel. Die Teilnehmer am rechtsgeschäftlichen Verkehr sind keine wandelnden Gesetzbücher. Die meisten Geschäfte wären dann keine ßeefasgeschäfte! Fehlt einer Willenserklärung der Geltungswille (§ 869 ABGB 165 spricht von mangelnder „Ernstlichkeit"), liegt lediglich eine unverbindliche Äußerung, eine „Scherzerklärung" bzw eine Gefälligkeitszusage oder ein gentlemen's agreement udgl vor. Wer zwar keinen Geltungswillen hat, ihn aber dennoch nach außen hin erklärt, macht hingegen einen rechtlich unerheblichen geheimen Vorbehalt (Mentalreservation). Der Erklärende ist dennoch rechtsgeschäftlich gebunden. B. Arten der Rechtsgeschäfte 1. Einseitige und zwei- bzw mehrseitige Rechtsgeschäfte. Diese 166 Unterscheidung stellt darauf ab, wie viele Personen an einem Rechtsgeschäft beteiligt sind. Einseitige Rechtsgeschäfte kommen durch die Willenserklärung eines einzigen Rechtssubjektes zustande. 46 Krejci, Privatrecht8 Krejci, Privatrecht8 47 Allgemeines Privatrecht Das Rechtsgeschäft andere Nuancierung als die Kausalität des Verpflichtungsgeschäftes auf. Man sagt: Ein Verfügungsgeschäft ist kausal, wenn es in seiner Wirksamkeit vom Bestehen eines Rechtstitels (eines Rechtsgrundes) abhängt, der es rechtfertigt. Andernfalls ist es abstrakt. Nach österreichischem Recht kann zB Eigentum nur dann gültig übertragen werden, wenn für die Eigentumsübertragimg ein gültiger Titel vorhanden ist, zB ein Kaufvertrag, eine Schenkung. Eine gültige Eigentums Übertragung setzt „titulus und modus" voraus (Prinzip der kausalen Tradition). Verfügungsgeschäfte sind demnach nur dann gültig, wenn sie kausal sind. Ist zB der Kaufvertrag ungültig, kommt keine gültige Übertragung des Eigentums an der Kaufsache zustande. Der Übergeber bleibt Eigentümer. C. Arten der Willenserklärungen 173 Rechtsgeschäftliche Erklärungen sind stets an jemanden gerichtet. Der rechtsgeschäftliche Wille muss demnach erkennbar sein. Er muss „erklärt" werden: dh dem Adressaten „klar gemacht", eröffnet, bekannt werden. 174 1. Ausdrückliche Willenserklärung. Eine ausdrückliche Erklärung lässt klar und unmittelbar erkennen, was gemeint ist. AusdrückUch heißt nicht nur: in geschriebene oder gesprochene Worte gekleidet. § 863 ABGB spricht auch von „allgemein angenommenen Zeichen". ZB: Wer nickt, stimmt zu; wer den Kopf schüttelt, lehnt ab. Es gibt auch vereinbarte Zeichen: Wird vereinbart, dass ein Kauf „in Ordnimg gehe", wenn der Käufer bis 10 Uhr des nächsten Vormittags nicht anrufe, so ist die Unterlassung des Anrufes das vereinbarte Zeichen für die erteilte Zustimmung zum Kauf. Wer allerdings bloß in einem Angebot schreibt: „Sollten Sie innerhalb Wochenfrist nicht ablehnen, fasse ich Ihr Schweigen als Einverständnis auf.", hat damit ein derartiges Zeichen noch nicht vereinbart; es Hegt ledigHch ein Angebot zur Vereinbarung eines solchen Zeichens vor. 175 2. Schlüssige (stillschweigende, konkludente) Willenserklärungen sind nicht schon solche, die durch „allgemein angenommene Zeichen" zu Tage treten. Konkludente Willenserklärungen erfolgen vielmehr „durch solche Handlungen, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen" (§.863 ABGB), dass eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung gemeint ist. Entscheidend ist nicht nur, dass der Erklärende nichts sagt, sondern dass aus den übrigen Umständen des Falles, insb aus dem Verhal- das primär einem anderen Zweck dient als dem, etwas erklären zu wol-len zweifelsfrei auf nichts anderes als auf eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung geschlossen werden muss. ZB: Wer um Stundung bittet, erklärt zugleich, dass er schuldet; wer einen Kreditkauf abschließt, erklärt schlüssig, dass er zahlungsfähig und -willig ist Mitunter ist die Abgrenzung zu den aUgemein angenommenen Zeichen problematisch: Wer in die Straßenbahn einsteigt, erklärt, einen BeförderungSr vertrag abschließen zu woHen; wer im Restaurant eine Semmel aus dem auf dem Tisch stehenden Brotkörbchen nimmt, erklärt, sie bezahlen zu wollen, für die einen Hegt darin eine schlüssige Willenserklärung; für die anderen Hegt ein allgemein angenommenes Zeichen vor. So oder so kommt ein Vertrag zustande. Bemerkenswert ist, dass die Rechtsprechung die Figur der stillschweigenden Willenserklärung nicht selten dazu nützt, um ungeschriebenes dispositives Recht zu schaffen. Denn mitunter wird von der Rechtsprechung eine Verhaltensweise, die durchaus zu Zweifeln Anlass geben kann, für zweifelsfrei gehalten, wodurch für die Zukunft eine beachtenswerte Verhaltensregel aufgestellt wird. ZB: Wer unbefangen beurteilen soll, ob die freiwillige Zahlung einer Weihnachtsremuneration an Arbeitnehmer in drei aufeinander folgenden Jahren bedeutet, dass sich der Arbeitgeber auch für aUe Zukunft zu solchen Leistungen verpflichten woHte, wird wohl Zweifel haben, ob durch die mehrmalige freiwillige Zahlung eine derartige Verpflichtungserklärung abgegeben wurde. Die Rechtsprechung hat dies aber unter Berufung auf § 863 ABGB angenommen. Damit wurde solchen Verhaltensweisen erst durch die Rechtsprechung jene Zweifelsfreiheit zuerkannt, die für eine schlüssige Willenserklärung notwendig ist. Dies aber bedeutet, dass die Rechtsprechung eine neue Verhaltensregel aufgestellt hat: Wer mehrmals freiwillig und ohne hinreichend klaren Widerrufsvorbehalt eine Leistung erbringt, verpflichtet sich hierzu auch für die Zukunft. Eine stillschweigende Willenserklärung erfordert mehr als bloßes Stillschweigen. Wer auf ein Anbot lediglich schweigt, hat noch nichts erklärt. Insofern gilt also Schweigen nicht als Zustimmung. Das gilt auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr, denn das UGB hat § 362 HGB, der für bestimmte FäUe Schweigen als Zustimmung anerkannte, aufgehoben. 3. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung muss dem Angesprochenen (dem „Anerklärten") zugegangen sein. 176 177 50 Krejci, Privatrecht8 Krejci, Privatrecht8 51 Allgemeines Privatrecht Das Rechtsgeschäft Das ist sie dann, wenn sie in den Machtbereich, in die Dispositi. onssphäre des Empfängers der Willenserklärung gelangt ist. Er mUSc sich mit ihr vertraut machen können. Er braucht sie aber deshalb nicht auch tatsächlich zur Kenntnis genommen oder sich mit ihr inhaltlic: auseinander gesetzt zu haben. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind zB Kündigungen, Rücktritts- oder Widerrufserklärungen. Es genügt, wenn solche Erklärungen zB i den Postkasten des Adressaten gelangen. Es gibt auch Willenserklärungen, die nicht einmal empfangsbedürftig sind. Sie berühren (vorerst) nur die Rechtssphäre des Erklärenden: zB letzt, lige Verfügungen. * 178 4. Annahmebedürftige Willenserklärungen müssen nicht nur zugehen. Sie bedürfen zu ihrer Wirksamkeit auch der Zustimmur £ des Erklärungsempfängers. Ein Vertrag, der auch den Anerklärten bindet, kommt erst zustande, wenn das Anbot vom Anbotsempfänger angenommen wurde, er also sein Einverständnis erklärt hat. 179 5. Die elektronische Willenserklärung. Im elektronischen i",.-. schäftsverkehr (E-Commerce, E-Business) "abgegebene Willenserk!. ■ rangen unterstehen grundsätzlich den allgemeinen Regeln über Willenserklärungen. Besondere Bestimmungen enthält das ECG, mit dem „bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehrs" geregelt werden. Dieses Gesetz behandelt die Zulassung von Dienstanbietern, deren Informationspfhchten, den Abschluss von Verträgen, die Verantwortlichkeit von Dienstanbietern, das „Herkunftslandprinzip" und die Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten im elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehr. 180 Wer sich zur Erklärung seines Willens des Computers bedient, hat sich zurechnen zu lassen, was über den Computer als Äußerung des Er-.. klärenden in Erscheinung tritt. 181 Wer auf elektronischem Wege einem anderen Erklärungen abgeben will, hat darauf zu achten, ob der andere mit diesem Weg auch einverstanden ist. Dass jemand eine e-mail-Adresse hat, besagt allein noch nicht, dass er zur Entgegennahme von Willenserklärungen via e-mail bereit ist. Fehlt es erkennbar an dieser Bereitschaft, darf der Erklärende nicht davon ausgehen, dass der andere gewillt ist, mit dem Erklärenden auf elektronischem Weg zu verkehren. Dann aber ist dem anderen die abgesandte elektronische Erklärung nicht auf rechtlich relevante Weise zugegangen. Sicherheitshalber sollte eine Vereinbarung darüber beste- hen, ob und inwieweit die Betroffenen bereit sind, miteinander elektronisch rechtlich zu verkehren. Abgegeben ist eine elektronische Willenserklärung erst dann, 182 wenn sie das Computersystem des Erklärenden verlassen hat. Nur soweit die Kommunikation zwischen den Beteiligten einen 183 Dial°g ermöglicht, sind die Regeln über die Abgabe von Willenserklärungen unter Anwesenden relevant. Andernfalls handelt es sich um einen Geschäftsverkehr unter Abwesenden. Dann ist die elektronische ■Willenserklärung zugegangen, sobald sie dem Anerklärten verfugbar, also abrufbar ist. Wer via e-mail zu verkehren bereit ist, hat seine Mailbox regelmäßig auf neue Mitteilungen zu überprüfen. Empfangsbedürftige, elektronische Willenserklärungen können auf 184 ihrer schnellen Reise zum Anerklärten praktisch nicht durch Abfangen vor Ankunft widerrufen werden, sofern davon auszugehen ist, dass der Zugang mit der Ankunft der Erklärung im Computersystem des Anerklärten bereits erfolgt ist. Elektronische Vertragserklärungen und Bestätigungen gelten als zugegangen, wenn sie der Empfänger unter gewöhnlichen Umständen abrufen kann. Dies ist zum Schutz von Verbrauchern zwingend. Langen e-mails während der Nachtstunden ein und können sie erst am Morgen des nächsten Tages abgerufen werden, so ist dieser Umstand nicht anders beachtlich als bei sonstigen Zugängen. Wer auf elektronischem Wege einem anderen Dienste anbietet 185 („Diensteanbieter"), ist verpflichtet, dem Nutzer den Zugang seiner Vertragserklärung unverzüglich zu bestätigen, damit der Nutzer weiß, dass seine Erklärung vom Anbieter empfangen wurde. Der Diensteanbieter ist auch verpflichtet, dem Nutzer Mittel zur 186 Verfügung zu stellen, mit denen er Eingabefehler erkennen und korrigieren kann. D. Bestimmtheit der Willenserklärung Rechtsgeschäftliche Willenserklärungen müssen ihrem Inhalt nach 187 „bestimmt" und „verständlich" sein (§ 869 ABGB). Bestimmt ist ihr Inhalt schon dann, wenn er bestimmbar ist. Es wird zB vereinbart, dass der ziffernmäßig noch nicht feststehende Kaufpreis von einem bestimmten Sachverständigen festgelegt werden soll. E. Verständlichkeit der Willenserklärung Nicht allein die subjektiven Vorstellungen des Erklärenden ent- 188 scheiden über den maßgeblichen Inhalt der Willenserklärung. Wäre 52 Krejci, Privatrecht8 Krejci, Privatrecht8 53 Allgemeines Privatrecht Das Rechtsgeschäft dem so, würde die „WiHenstheorie" gelten. Vielmehr richtet sich das t Verständnis von Willenserklärungen in Österreich vorerst nach dem „objektiven Erklärungswert", dh: danach, wie die Erklärung unter Berücksichtigung aller Umstände von einem redlichen, verständigen und sorgfältigen Erklärungsempfänger verstanden werden musste. Käme es ausschließlich darauf an, würde die „Erklärungstheorie" gel. ; ten. 189 Der objektive Erklärungswert ist allerdings nur insofern maß- ' gebend, als der Erklärungsempfänger auf ihn vertrauen durfte, dh: " sofern er den tatsächlichen Willen des Erklärenden nicht gekannt hat. Man spricht in diesem Zusammenhang von „Vertrauenstheorie". An ihr orientiert sich das ABGB. F. Erklärung ohne Erklärungsbewusstsein 190 Wem ein objektiver Erklärungswert zuzurechnen ist, weil er ihn • adäquat verursacht hat bzw von der Erklärung zumindest hätte wissen >'. müssen („Erklärungsfahrlässigkeit"), ist auch dann gebunden, wenn er " von einer diesbezüglichen Erklärung nichts wusste (Erklärung ohne .-Erklärungsbewusstsein). . , . i ZB: Franz unterschreibt im Zuge der Erledigung der Weihnachtspost irrtümlich auch eine Bestellkarte. Keine „Erklärungsfahrlässigkeit" des (angeb-lieh etwas) Erklärenden liegt hingegen vor, wenn ein Einbrecher Briefpapier ' und Geschäftsstempel entwendet und damit Dritten gegenüber Erklärungen des Eigentümers vortäuscht. > G. Bewusste Erklärung ohne Kenntnis vom Inhalt ; der Erklärung 191 Erst recht ist man an Willenserklärungen gebunden, die man ab- ' gibt, obwohl man weiß, dass man ihren Inhalt nicht (näher) kennt. ZB: Man ist mit vorgelegten allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) , einverstanden, ohne sie näher zu prüfen. Vor „überraschenden AGB-Klau- } sein", mit denen der Vertragspartner des Verwenders der AGB nicht zu rech- ■• nen brauchte, schützt allerdings § 864 a ABGB. H. Scheingeschäft j 192 Ein Geschäft, das nach außen hin den Eindruck der Gültigkeit er- | weckt, in Wahrheit aber von beiden Vertragsparteien so, wie es „nach j außen hin" abgeschlossen wurde, gar nicht gewollt ist, gilt nicht. Statt- . f dessen gut das „verdeckte Geschäft", das es in solchen Fällen in der Regel geben wird. ZB: ein Grundstück wird um € 300.000 gekauft, im schriftlichen Kaufvertrag wird nur von € 150.000 gesprochen, um auf diese Weise die Grunderwerbsteuer niedrig zu halten. Es gilt der höhere Kaufpreis. Von ihm muss auch jje (jrunderwerbsteuer gezahlt werden. Sollte das verdeckte Geschäft aUerdings gesetzwidrig sein und erfordert der Zweck der verletzten Norm die Nichtigkeit des gesetzwidrigen Geschäftes, gilt auch das verdeckte Geschäft nicht. ZB: Jemand schließt einen Vertrag über die Lieferung ausländischer Tomaten. In Wahrheit soll statt Tomaten verbotenerweise Heroin importiert werden. Der Tomatenkauf ist als Scheingeschäft nichtig; der Heroinkauf infolge Gesetzwidrigkeit. Vom Schemgeschäft zu unterscheiden ist das Umgehungsge- 193 schäft: Bei ihm ist das geschlossene Geschäft tatsächlich so gewollt, wie es ist. Der wirtschaftliche Zweck dieses Geschäftes ist aber in Wahrheit ein anderer als jener, für den der gewählte Vertragstyp geschaffen wurde. Das Umgehungsgeschäft ist gültig, sofern sein Inhalt nicht gesetzwidrig ist. Die umgangene Norm ist nur dann auch auf das Umgehungsgeschäft anzuwenden, wenn sich dies aus dem Normzweck ergibt. Dann ist diese Norm freilich nicht umgehbar. ZB: Für Ausländer ist der Grunderwerb in bestimmten Fällen gesetzlich verboten. Dieses Verbot soll durch andere Geschäfte als einen Liegenschaftskauf umgangen werden: Ein österreichischer „Strohmann" kauft das Grundstück; zwischen dem Strohmann und dem Ausländer wird ein Treuhand- und ein Nutzungsvertrag zugunsten des Ausländers geschlossen. J. Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen 1. Allgemeines. Welchen objektiven Erklärungswert eine aus- 194 drückhehe oder schlüssige Willenserklärung bzw ein Vertrag hat, ist oft nur durch Auslegung oder Lückeruiillung („ergänzende Vertragsauslegung") zu erklären. Die Vertragsauslegung ist von der bereits oben behandelten Gesetzesauslegung zu unterscheiden. Die Vertragsauslegung wird in den §§ 914f ABGB geregelt. 2. Vertrag und Willenserklärungen einzelner Parteien. Wird ein 195 Vertrag ausgelegt, so steht der übereinstimmende gemeinsame Wille der Parteien auf dem Prüfstand und nicht nur das, was die einzelne Partei erklärt hat. 54 Krejci, Privatrecht* \ Krejci, Privatrecht8 55 Allgemeines Privatrecht Das Rechtsgeschäft Sollten die Erklärungen der einzelnen Parteien so voneinander abwe chen, dass sich kein überemstirnrnender, gemeinsamer Wille ergibt, hegt Djj_ sens vor: Der Vertrag oder die umstrittene Vertragsbestimmung ist in diesen Fall nicht zustande gekommen. Zwischen der Auslegung des Vertrages - als0,I der übereinstimmenden Willenserklärungen - und der Auslegung der Erklä/f rangen der einzelnen Verhandlungs- bzw Vertragspartner ist also zu unter- * scheiden. Liegt kein gemeinsamer Text vor, so ist zuerst zu prüfen, welchen In. ? halt die Erklärungen der einzelnen Verhandlungs- bzw Vertragspartner haben. Erst wenn sich ein Konsens feststellen lässt, Hegt ein einvernehmlicher Ver- .> tragstext vor. Dieser kann seinerseits Auslegungsprobleme mit sich bringen -Auch beim von den Parteien nicht erkannten („versteckten") Dissens fehlt es an einer gültigen WiHensüberemstiirimung. Im Falle, der Irrtumsanfechtuag • Hegt demgegenüber Konsens, also ein gültiger Vertrag vor; der Irrende hat le- -digHch subjektiv eine falsche VorsteUung über das, was er objektiv erkennbar ~< erklärt hat. 196 3. Der subjektive Parteiwille. Der wahre Parteiwille ist bedeutsa- * mer als der Wortlaut der Erklärung (vgl § 914 ABGB). Der Wortlaut von «■ Vertragstexten, sofern überhaupt welche bestehen, hat bei der Vertragauslegung erheblich geringere Bedeutung als der Gesetzestext bei d ■ Gesetzesauslegung (oft nur bruchstückhafte Regelung, oft keine profe sionelle Juristenarbeit) und ist überdies nicht allein maßgeblich (Wi -lenserklärungen richten sich nicht an die Ahgemeinheit; es können d; her zusätzliche, zwischen den Parteien beachtliche Umstände in die Bi trachtung miteinbezogen werden). 197 4. Ergänzung durch Gesetz und Verkehrssitte. Sofern eine ; rechtsgeschäftliche Willenserklärung zu einem Ordnungsproblem ' nichts aussagt, das vom Gesetzgeber geregelt wurde, wird der Vertrag ■„ durch das Gesetz ergänzt. Entsprechendes gilt für bestehende Ver- • kehrssitten (Übung des redlichen Verkehrs). ; 198 5. Der hypothetische Parteiwille. Ist mangels hinreichender ver- : traglicher Regelungen und mangels ergänzenden Gesetzesrechts bzw geeigneter Verkehrssitten der Vertragsinhalt im Hinblick auf eine offene f Ordnungsfrage nicht erkennbar und können sich die inzwischen streitenden Parteien selbst nicht nachträglich einigen, hat sich der Interpret (letztlich: der Richter) am hypothetischen Parteiwillen zu orientieren. Er \ erklärt bzw ergänzt den Vertrag, wie ihn redliche und vernünftige Par- '-teien angesichts der gegebenen Umstände geschlossen hätten. Dabei ■ kommt es vor allem auf den wirtschaftlichen Zweck des Vertrages an. ! 199 6. Unklarheitenregel. Besonderes ordnet § 915 ABGB an. Sind > mehrere DeutungsmögHchkeiten einer Willenserklärung möglich, soE ; nicht notwendig gleich Unverständhchkeit bzw Unbestimmtheit des In- j hartes der Erklärung angenommen werden. Vielmehr bestimmt der Ge- setzg' .eber zum Zweck der Aufrechterhaltung des Rechtsgeschäftes Fol- ndes" Im Zweifel ist anzunehmen, dass sich der Verpflichtete bei einstig verbindlichen Geschäften eher die geringere Last auferlegen voHte" hingegen soll bei zweiseitig verbindlichen Geschäften eine undeutliche Äußerung demjenigen zum Nachteil gereichen, der sich der Äußerung bedient, dh: sie formuliert hat. Die Unklarheitenregel wird mitunter zum Schutz der Kunden zulasten desjenigen eingesetzt, der in ^GB unklare Regelungen aufgenommen hat. 7. Transparenzgebot. Für Verbrauchergeschäfte ist ferner § 6 200 0s 3 KSchG zu beachten. Demnach ist eine in AGB und Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie „unklar und unverständlich abgefasst ist". Diese 1997 neu geschaffene Bestimmung verweist nicht bloß auf ohnehin bereits geltendes Recht (§§ 869, 915 ABGB), sondern will den Verbrauchern darüber hinaus entgegenkommen. Diese aus dem Europarecht stammende Sonderregelung ist im Hinblick auf das allgemeine Verständhchkeitsgebot (§ 869 ABGB) weitgehend überflüssig, wird jedoch dazu eingesetzt, der Rechtsprechung rigorose Eingriffe in AGB-Texte zu ermöglichen. Warum man diese Regelung, wenn man sie schon für erforderlich hielt, in das KSchG und nicht in das ABGB aufnahm, lässt sich nicht leicht begründen. Diese Neuregelung hat eine Reihe von Streitfragen ausgelöst; so insb die, ob bei Mehrdeutigkeit einer AGB-Bestimmung § 6 Abs 3 KSchG die Anwendung des § 915 ABGB ausschließt oder ob dies gerade umgekehrt ist. Ferner ist strittig, inwieweit § 6 Abs 3 KSchG lediglich ein Instrument der Geltungskontrolle oder (auch) der InhaltskontroUe ist. Vgl hierzu weiter unten Rz 214 ff. 8. Konversion. Nicht gesetzlich geregelt, jedoch ein Produkt der 201 Grundsätze über die Auslegung ist die Figur der Konversion: Geschäfte, die wegen Gesetzesverstoßes nichtig sind, können mitunter „umgedeutet" werden. Eine Kündigung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Zeitpunkt wird etwa in eine Kündigung zum nächstmöglichen gesetzlich zulässigen Zeitpunkt umgedeutet. Man versucht auf diese Weise, dem Parteiwillen möglichst nahe zu kommen. K. Der Vertragsabschluss 1. Allgemeines. Die meisten Rechtsgeschäfte sind zwei- oder 202 mehrseitig, also Verträge. 2. Angebot. Wer mit einem anderen einen Vertrag schließen 203 '-■ will, muss ihm das kundtun. Er unterbreitet ihm einen Vorschlag über den Inhalt des gewünschten Vertrages: er macht ihm ein Ange-'" bot oder Anbot, er stellt ihm eine Offerte. 56 Krejci, Privatrecnt' Krejci, Privatrecht8 57 Allgemeines Privatrecht 204 a) Inhaltserfordernisse eines Angebotes. Das Angebot enthält * bereits sämtliche für den Vertragsinhalt erforderlichen Angaben. Ein - -Angebot liegt dann vor, wenn der andere Teil lediglich „ja" zu sagen ^ braucht, um die erforderliche Wmensüberemstimmung und damit den ' Vertrag zustandezubringen. Alle anderen Kontaktnahmen sind Äuße- ■' rangen im Zuge von Vertragsverhandlungen, aber noch kein Angebot. •* Das Schaufenster enthält keine Angebote, sondern lädt den Kunden zut ' Anbotstellung ein; ebenso Versandkataloge udgl; bei einem Kauf von einem Automaten Hegt allerdings seitens des Verkäufers ein Angebot an den jeweiligen Interessenten unter Vorratsvorbehalt („Solange der Vorrat reicht!") vor ' Eine Warenpräsentation auf einer Website oder in einer Electronic Mall inj r Internet ist kein Angebot, sondern lediglich eine Einladung zur Anbotstellung, * Gleiches gilt für die öffentliche Ausschreibung einer erwünschten Leistung, ' Erst wenn die eingelangten Angebote geprüft sind, kommt es zum „Zuschlag". I Die Ausschreibung soll lediglich dazu einladen, Angebote zu stellen. 205 b) Geitungswille. Wie jede rechtsgeschäftliche Willenserklärung i muss auch ein Angebot zu einem rechtlich beachtlichen Vertrag Geltungswillen erkennen lassen. Fehlt der Geltungswille, hegt kein verbind- * üches Angebot vor. Liegt ein freibleibendes, also ohne Geltungswillen t gemachtes „Angebot" vor, handelt es sich lediglich um eine Einladung , zur Abgabe eines Angebotes des Anerklärten. .„.-...■ -: Ist ein „Angebot" lediglich unverbindlich gemeint, muss dies auf ent- : sprechende Weise zum Ausdruck kommen (Zusatz: „ohne obligo", „freibleibend", „unverbindlich"). 206 c) Biiidungswirkung des Angebotes. Mit Zugang (Eintreten des Angebotes in die Dispositionssphäre des Adressaten) entfaltet das Ange- : bot Bindungswirkung für den Erklärenden. Er ist verpflichtet, das Ange- . bot gegenüber dem Anerklärten aufrecht zu erhalten. Der Anerklärte hat . das Recht, durch Annahmeerklärung einen Vertrag iSd Angebotes zu- ( • stände zu bringen. Ein einseitiger Widerruf des Angebotes ist für die J Dauer der Bmdungswirkung nicht mehr möglich. ; 207 d) Dauer der Bindungswirkung des Angebotes. Die Dauer der ; Bindungswirkung ist je nach Situation verschieden. Unter Anwesenden hat sich der Adressat unverzüglich zu erklären. Eine Überlegungsfrist kann aber ausbedungen werden. i Unter Abwesenden umspannt die Bindungswirkung i - die Zeit der Beförderung zum Adressaten, ! - eine angemessene Überlegungsfrist und i - die Zeit der Beförderung der Antwort an den Anbotsteller. ; j 58 Krejci, Privatrecht8 j Das Rechtsgeschäft Man kann aber auch hier von vornherein andere Zeitgrenzen im Angebot festlegen. Beim elektronischen Geschäftsverkehr unter Abwesenden (also ohne Dialogmögüchkeit) spielt die Zeit des „Postlaufes" keine Rolle. 3. Annahme. Wer mit einem ihm zugegangenen Angebot einver- 208 standen ist, kann es durch eine entsprechende Willenserklärung anneh-men, dh: sein Einverständnis erklären. Mit Wirksamkeit dieser Erklang ist der Vertrag perfekt. a) Inhaltserfordernisse der Annahmeerklärung. Ein Angebot 209 -kann durch eine schlichte Einverständniserklärung angenommen v/erden. Modifizierungen des Inhaltes des Angebotes lassen keine Annahme zustande kommen. ZB: „Ich bin grundsätzlich einverstanden, aber Punkt X soll anders lauten." Das ist keine Annahme eines Angebotes. Derartige Modifizierungen fuhren zu einem Gegenangebot, das seinerseits vom ursprünglichen Anbotsteller angenommen werden müsste, soll schließlich doch ein Vertrag Zustandekommen. b) Geltungswille muss auch bei der Annahmeerklärung erkenn- 210 bar sein. ■ c) Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrages. Sobald die 211 ; Annahmeerklärung in die Dispositionssphäre des Anbotstellers eintritt, ihm also zugegangen ist, ist der Vertrag abgeschlossen und so-'.=mit zustande gekommen. Die Annahmeerklärung ist also nur mehr empfangsbedürftig. Ihr Zugang schließt den Vorgang des Vertragsabschlusses ab. 4. Vertragsabschluss ohne Annahmeerklärung. Manchmal ist 212 nach der Natur des Rechtsgeschäftes oder der Verkehrssitte eine aus-dräckliche Annahmeerklärung nicht zu erwarten. In solchen Fällen kommt der Vertrag durch Erfüllung zustande. ZB: Zusendung des beim Verlag bestellten Buches; § 864 Abs 1 ABGB. Das bloße Behalten, Verbrauchen oder Verwenden einer Sache, die dem Empfänger ohne sein Zutun übersandt wurde, gilt nicht als Annahme eines Antrages. Musste dem Empfänger anerdings nach den Umständen offenbar auffallen, dass ihm die Sache irrtürnlich zugegangen ist, hat er dies dem Absender in angemessener Frist mitzuteilen oder die Sache an den Absender zurückzuleiten (§ 864 Abs 2 ABGB). Krejci, Privatrecht8 59 Allgemeines Privatrecht Das Rechtsgeschäft 213 5. Konsens und Dissens. Entsprechen Angebot und Annahme einander, stimmen also die Erklärungen der Beteiligten so überein, dass I sie ein sinnvolles Ganzes bilden, dann hegt Konsens vor. ZB: A sagt: „Ich biete mein Auto um € 10.000 zum Kauf an."; B antwor. . tet: „Ich kaufe." Fehlt eine solche Übereinstimmung, spricht man von Dissens. Die Erklärungen passen nicht zueinander. Der Vertrag ist nicht zustande ge- j kommen. Wird den Parteien der Dissens bewusst, hegt offener Dissens ■ vor. Entdeckt man ihn erst später, handelt es sich um versteckten Dissens. Auch bei verstecktem Dissens bedarf es keiner Irrtumsanfechtung. ■ Es genügt die Aufdeckung des Dissenses, um die Unwirksamkeit des : angeblich Vereinbarten zu erweisen. ZB: A sagt: „Ich biete mein Auto um € 10.000 zum Kauf an."; B antwor- ; tet: „Ich kaufe zu € 8.000". Es liegt offener Dissens vor. Versteckter Dissens: -A sagt: „Ich biete mein Auto um 10.000 an"; B antwortet: „Ich kaufe um 10.000"; A meint jedoch Euro und B meint Dollar. Die Erklärungen stimmen nur auf den ersten Blick überein, betreffen aber Verschiedenes. Kommt man 1 im Wege der Interpretation zum Ergebnis, es sind bei beiden Erklärungen" • Euro gemeint, hegt ein gültiger Vertrag vor, und derjenige, der Dollar gemeint ! hat, hat sich geirrt und kann den Vertrag anfechten. Ergibt die Interpretation > hingegen einen Dissens, ist der Vertrag von vornherein nicht zustande gekom- i men. Aufdeckung des Dissenses genügt. 6. Vertragsabschluss unter Allgemeinen Geschäftsbedingungen \ (AGB) 214 a) Begriff und Funktion der AGB. Zahlreiche Unternehmungen '; schließen täglich eine Vielzahl von Verträgen ab. Es ist daher zweck- j mäßig, einheitliche Vertragstexte („Vertragsschablonen") = AGB zu t entwickeln, die all diesen Verträgen zu Grunde gelegt werden. ' | AGB dienen insb der - Rationalisierung („Vertrag von der Stange") und der • - Spezialisierung (Was im Gesetz nicht geregelt ist, wird in den ' AGB geregelt). Die AGB sind aUerdings auch ein j - Instrument, die wirtschaftliche Übermacht des Unternehmers auszuspielen: Denn in AGB können vom dispositiven Recht , abweichende, für die Kunden nachteilige Klauseln aufgenommen ; werden. j 215 b) Geltungsgrund der AGB. AGB müssen im Einzelfall vertrag- : lieh vereinbart werden, um Vertragsinhalt zu werden. \ 60 Krejci, Privatrecht1 j Es bedarf daher im Zuge der Vertragsverhandlungen entsprechender hinweise darauf, dass der Unternehmer dem Einzelvertrag AGB zu Grunde ]egen will- Solche Hinweise können dann entfallen, wenn die Kunden von vornherein davon auszugehen haben, dass AGB verwendet werden (zB im Ver-sicherungs- und Bankenbereich). Der Kunde muss aber jedenfalls die Möglichkeit haben, in die AGB Einsicht zu nehmen, auch wenn er davon keinen Gebrauch macht. Gelesen und verstanden muss er sie nicht haben. c) Geltungskontrolle: Überraschende, nachteilige Klauseln, mit 216 denen Kunden nicht zu rechnen brauchen, werden nach § 864 a ABGB. jucht Vertragsinhalt, weil sie nicht vom Willen des Vertragspartners des Verwenders der AGB umfasst sind. Es liegt insofern ein Willensmangel vor. § 864 a ABGB erübrigt eine Irrtumsanfechtung und geht von einem partiellen Dissens aus. Für Verbraucher ist eine in AGB oder Vertragsformblättern ent- 217 haltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist (§ 6 Abs 3 KSchG; Transparenzgebot). d) Inhaltskontrolle: AGB sind daraufhin zu prüfen, ob ihr Inhalt 218 gesetzeskonform ist und den guten Sitten entspricht. Gröblich benachteiligende Nebenabreden in AGB sind nichtig (§ 879 Abs 3 ABGB). Legen AGB Hauptleistungspflichten fest, sind diese bei auffallendem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung wucherisch (§ 879 Abs 2 Z 4 ABGB). Speziell verbotene Vertragsklauseln enthält das KSchG für Verbrauchergeschäfte (vor allem § 6 Abs 1 und 2 KSchG). Ein Verbrauchergeschäft Hegt vor, wenn ein Unternehmer mit jemandem kontrahiert, für den das Geschäft nicht zu dessen Unternehmen gehört (vgl § 1 KSchG). e) Auslegung von AGB. Allgemeine Geschäftsbedingungen sollen 219 für eine Vielzahl von Verträgen gelten und deren Inhalt vereinheitlichen. Dies spricht für die Prävalenz einer objektiven Auslegung, wie sie bei der Interpretation von Gesetzen üblich ist. Es ist den Parteien jedoch unbenommen, trotz Abschluss unter AGB abweichende Sondervereinbarungen zu treffen. Insofern kommen ausschließlich die Regeln über die Vertragsinterpretation zur Anwendung. Im Einzelfall wird zu prüfen sein, ob der Vertreter des Verwenders der AGB bevollmächtigt ist, von den AGB Abweichendes mit dem Kunden zu vereinbaren. Ist dies nicht der Fall, überschreitet der Vertreter seine Vollmacht, wenn er einem anderen Vertragsinhalt zustimmt als jenem, den die AGB vorsehen. -Mehrdeutige Regelungen im AGB werden bei entgeltlichen Geschäften zum Nachteil des Verwenders ausgelegt (§ 915 ABGB). Überdies droht Krejci, Privatrecht8 61 Allgemeines Privatrecht Das Rechtsgeschäft dem Verwender eine Haftung, sofern er sich undeutlicher Ausdrücke * bedient, um die Kunden zu übervorteilen (§ 869 ABGB). \ 220 f) Verbandsklage: Gegen gesetzwidrige AGB können nicht nur 1 die betroffenen Kunden selbst, sondern auch bestimmte Interessenver- I bände (Kammern, Verein für Konsumenteninformation) Klage erhe- * ben. Der Vorteil einer solchen Verbandsklage hegt darin, dass das er- i strittene Urteil nicht nur die Prozessparteien betrifft, sondern über den ' Verwender hinaus alle, denen gegenüber die AGB verwendet werden. L. Voraussetzungen eines wirksamen Vertragsabschlusses 221 1. Die einzelnen Whksamkeitsvoraussetzungen im Überbück. r Auch wenn überemstirnmende Willenserklärungen vorliegen, ist damit noch nicht gesagt, dass der Vertragsabschluss gültig und unanfechtbar ist. Dazu sind folgende Kriterien beachtlich: - Geschäftsfähigkeit der Parteien; ; - Fehlen von Willensmängeln; | - Möglichkeit des Vertragsinhaltes; - Erlaubtheit des Vertragsinhaltes; - Fehlen gravierender Leistungsinäquivalenz; - Beachtung etwaiger Formvorschriften. ~t 222 2. Die Rechtsfolgen des Fehlens von Wirksamkeitsvorausset- \ zungen. Fehler beim Vertragsabschluss können den Vertrag entweder \ vorweg nichtig oder anfechtbar machen. \ 223 a) Nichtigkeit bedeutet Rechtsunwirksamkeit-. Das Vereinbarte ; gilt von Anfang an nicht. \ Viele Fälle lösen „absolute Nichtigkeit" aus: Jeder kann sich da- 1 rauf berufen. In anderen Fällen darf die Nichtigkeit eines Vertrages nur ■ von einer bestimmten Vertragspartei geltend gemacht werden; dann \ spricht man von „relativer Nichtigkeit". Diese Fälle entsprechen im \ Wesentlichen dem Modell der „Anfechtung". I So darf sich bei einem wucherischen Geschäft zwar der Bewucherte, ; nicht aber der Wucherer auf die Nichtigkeit des Geschäftes berufen. » Es gibt ferner Fälle der Nichtigkeit, die das Gericht von sich aus | wahrnehmen muss. Dann Hegt von Amts wegen wahrzunehmende : Nichtigkeit vor. In anderen Fällen obliegt es hingegen den Parteien, die j Nichtigkeit geltend zu machen. Dann spricht man von geltendzuma- \ chender Nichtigkeit. ? I 62 Krejci, Privatrecht" | ZB: Strafrechtswidrige Vertragsinhalte sind von Amts wegen für nichtig zu erachten. Gegen das KSchG verstoßende Klauseln sind hingegen idR Fälle (jer geltendzumachenden Nichtigkeit. b) Anfechtung. Bei der Anfechtung wird das Geschäft erst mit 224 der erfolgreichen Anfechtung (dh idR mit Rechtskraft des über die ^fechtungsklage befindenden Gerichtsurteiles), dann aber im Allgemeinen rückwirkend vernichtet (Anfechtung „ex tunc"). Dh: Solange keine Anfechtung erfolgt ist, besteht das Geschäft und ist gültig. Bei Dauerschuldverhältnissen (zB bei Arbeitsverträgen, Mietverträgen, Gesellschaftsverträgen), die bereits ins Erfullungsstadium getreten sind, nimmt man an, dass die Anfechtung nur „ex nunc" wirkt, sofern dies nicht dem besonderen Gesetzeszweck des Anfechtungstatbestandes widerspricht. c) Konsequenzen der Nichtigkeit bzw Anfechtung ex tunc. Be- 225 reits Geleistetes darf im Wege eines bereicherungsrechtlichen Kondiktionsanspruches zurückgefordert werden. Verfügungsgeschäfte aufgrund eines nichtigen Verpflichtungsgeschäftes sind gleichfalls unwirksam. -Dh: Das vom Verkäufer aufgrund eines nichtigen Kaufvertrages dem Käufer übertragene Eigentum gilt nicht als übertragen; es wird vielmehr davon ausgegangen, dass es von Anfang an beim Verkäufer verblieben ist. M. Willensmängel beim Vertragsabschluss 1. Allgemeines Der rechtsgeschäftliche Wille muss „frei" gebildet sein (§ 869 226 ABGB). Um gültig zu sein, muss eine Willenserklärung aber auch „verständlich" und „bestimmt" (iSv „bestimmbar") sein. Die „freie" Willensbildung fehlt bei: - Drohung, - - List und - Irrtum. Es gibt noch weitere Tatbestände, in denen Willensmängel eine Rolle spielen: - den Wucher, - die gröbliche Benachteiligung durch Nebenabreden in AGB - sowie die Verkürzung über die Hälfte (laesio enormis). . In diesen Fällen sind neben der Willensbildungsstörung auch noch Leistungsinäquivalenzen beachtlich. Krejci, Privatrecht8 63 Allgemeines Privatrecht 2. Drohung 227 Im Falle der Drohung wird jemandem ein Nachteil (man pflegt '\ von „Übel" zu sprechen) in Aussicht gestellt, sofern er nicht die vom -! Drohenden gewünschte rechtsgeschäftliche Willenserklärung abzu- \ geben bereit ist. Der rechtsgeschäftliche Wille wird also gebeugt. NichtÜ jedes Inaussichtstellen eines Nachteiles ist allerdings unzulässig. '"A'] Anfechtungsvoraussetzungen sind: 228 a) Widerrechtlichkeit der Drohung: Einsatz unerlaubter Mittel aber auch Einsatz erlaubter'Mittel, sofern diese „inadäquat" sind. « Unerlaubte Mittel: zB Drohung mit Mord oder Verletzung, mit Eigen! * tumsbeschädigung udgl; \ inadäquate, erlaubte Mittel: zB Anzeige mit Steuerhinterziehung, wem » der Steuerhinterzieher nicht bereit ist, sein Grundstück zu verkaufen; " ; adäquate Mittel: zB Klagsandrohung gegenüber dem säumigen Schuldner, \ 229 b) „Gegründete Furcht". Die Drohung muss angesichts des in \ Aussicht gestellten Übels geeignet sein, den Bedrohten hinreichend ein-1 zuschüchtern. Maßgeblich ist der subjektive Adressatenhorizont. • \ Wenn zB ein zarter Buchhändler einem Freistüringer eine Ohrfeige andient, sofern dieser nicht bereit ist, ein Buch zu' kaufen, wird dies den Ringer ■">. nicht beeindrucken. Sehr wohl aber wird sich der Buchhändler vor Tätlichkei- ! ten des Freistilringers fürchten. ; ' t 230 c) Kausalität der Drohung. Die Willenserklärung darf nur des- ■ halb erfolgt sein, weil gedroht wurde. Wäre sie ormehin abgegeben wor- i den, darf sich der Erklärende später nicht auf die Drohung berufen. 231 d) Drohung durch Dritte führt zu keiner Anfechtbarkeit des 5 Rechtsgeschäftes; gegen den Drohenden stehen dem Erklärenden aber \ Schadenersatzansprüche zu (§ 875 ABGB). Den Gehilfen des Vertrags- I partners des Bedrohten kommt die Stellung eines „Dritten" nicht zu. f Diese Regelung gilt auch für Fälle der List und des Irrtums. !- 232 e) Rechtsfolge. Drohung rechtfertigt eine Vertragsanfechtung. Die Klage verjährt in 3 Jahren ab Wegfall der Zwangslage. Ferner stehen ? Schadenersatzansprüche zu. < 3. List \ - . . ..... 233 Willenserklärungen kann man sich auch durch bewusste Vorspiegelung falscher Tatsachen erschleichen. Der Erklärende wurde: \ „listig" in die Irre gefuhrt. Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich. \ l Das Rechtsgeschäft Alle Fälle der listigen Irreführung fuhren, sofern sie Erfolg haben, Irrtümern auf Seite des Vertragspartners. Dennoch sind aber nicht ^e Rechtsfolgen der Irrtumsanfechtung, sondern die des Tatbestandes •(jer List anzuwenden. Die List muss sich nicht auf den eigentlichen Ge-^äftsinhalt beziehen. Sie kann auch den Bereich der bloßen Motivation des Erklärenden zum Geschäftsabschluss betreffen. List rechtfertigt eine Vertragsanfechtimg. Die Klage verjährt in 30 Jahren ab Vertragsabschluss. Ferner stehen Schadenersatzansprüche zu. 4. Irrtum Auch ohne listige Irreführung seitens des Verhandlungspartners 234 kann eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung auf einem Irrtum beruhen. Unter bestimmten Voraussetzungen können Irrtümer zur Vertragsanfechtung führen. Besondere Regelungen gelten im Familien- und Erbrecht. Darauf wird hier nicht eingegangen. Wir beschränken uns auf entgeltliche Geschäfte unter Lebenden. a) Begriff des Irrtums. Irrtümer sind falsche Vorstellungen von 235 Jer Wirklichkeit: dh von Fakten, Situationen, Vorgängen, Zusammenhängen, Umständen, Eigenschaften etc. Auch die bloße Unkenntnis eines relevanten Umstandes kann ein Irrtum sein. Im Folgenden interessieren, von weiteren Differenzierungen abgesehen, lediglich erhebliche Irrtümer: das sind solche, die Einfluss auf den Geschäftsabschluss haben. b) Geschäftsirrtum - Motivirrtum. Zwischen Geschäfts- und 236 Motivirrtümern ist zu unterscheiden, weil entgeltliche Geschäfte nur dann irrtumshalber angefochten werden können, wenn Geschäftsirrtümer vorliegen, nicht aber Motivirrtümer (§ 901 ABGB). Motivirrtümern kommt aber Bedeutung zu: - bei unentgeltlichen Geschäften sowie - letztwilHgen Verfügungen und - im Familienrecht. - Wird ein Motiv zum Geschäftsinhalt erhoben, ist ein Irrtum ■•'< über ein solches Motiv ein Geschäftsirrtum. - Motivirrtümer sind auch bei allen Fällen der listigen Irreführung beachtlich. Besondere Motivirrtümer geben allerdings Anlass zur Vertragsanfechtung im Rahmen der Lehre vom Fortfall der Geschäftsgrundlage. Vgl hierzu Rz246. 64 Krejci, Privatrecht! ! Krejci, Privatrecht8 65 Allgemeines Privatrecht 1 Das Rechtsgeschäft 237 aa) Gesciiäftsirrtümer im weiteren Sinn umfassen: — die ErMärungsirrtümer und - die Geschäftsirrtümer im engeren Sinn. ErHärungsirrtümer liegen vor, wenn der Erklärende irrtümlich ' etwas anderes erklärt, als er zu erklären meint. , ] Der Erklärende weiß etwa überhaupt nicht, dass er eine Erklärung abge. geben hat: Erklärung ohne Erklärungsbewusstsem; zB: Franz unterschreibt • im Zuge der Erledigung von Weihnachtspost auch eine Bestellkarte, ohne dies zu bemerken. Die Erklärung weicht vom tatsächlich Gewollten ab; zB: Anna will loo-i schreiben, schreibt aber 10. Es unterläuft ein Fehler bei der Übermittlung der Erklärung; zB durch die Post. • Der Erklärende ist sich über die Bedeutung des gewählten Ausdrucks nicht im Klaren. Kein Erklärungsirrtum hegt vor, wenn sich die Parteien lediglich in der * Bezeichnung vergreifen, wohl aber wissen, worum es ihnen geht: falsa de-monstratio non nocet. Es liegt lediglich eine Fehlbezeichnung, keine Fehlvor- ; Stellung vor. ; 238 bb) Geschäftsirrtümer im engeren Sinn betreffen hingegen In- \ tümer über die Natur oder den Gegenstand des Geschäftes bzw über eine beachtliche Eigenschaft oder über die Identität des Vertrags- • partners. Natur des Geschäftes: Josef meint, ein Auto gekauft zu haben, in Wahr- \ heit aber dreht es sich um ein Leasinggeschäft; Gegenstand des Geschäftes: Gabriele glaubt, der Zimmermaler hätte • sich verpflichtet, die Wohnung zu tapezieren, in Wahrheit wurde nur das Aus-malen zugesagt. Werner geht bei der Preiskalkulation irrtümlich von falschen, \ im Vertrag zum Ausdruck kommenden Messdaten über das zu verrichtende 1 Werk aus. Arthur meint, einen echten Picasso gekauft zu haben; in Wahrheit handelt es sich um eine Fälschung. Eigenschaft bzw Identität des Vertragspartners: er verfügt nicht über \ die vertraglich angenommenen Kenntnisse, er hat entgegen der Annahme des | Bestellers nicht die für die Vertragsausführung erforderliche Gewerbeberechti- : gung; die Leistung wurde infolge einer Namensverwechslung bei einem ande- j ren Unternehmer in Auftrag gegeben als dem, den der Besteller eigentlich ha- i ben wollte. j cC) Motivirrtümer tangieren - im Gegensatz zu den Geschäftsirr- 239 ijxnern im weiteren Sinn - Umstände, die außerhalb des Geschäftsbe-eiches liegen: Es geht um die Beweggründe, warum sich der Erklärende x Abgabe der Willenserklärung entschlossen hat. Er ist sich über den Inhalt der Erklärung durchaus im Klaren, irrt sich aber über die Gründe hzw Motive, die ihn zum Abschluss des Vertrages veranlasst haben. ZB: Viktor kauft beim Juwelier einen Brillantring, weil er Eva in der Annahme, sie werde sich mit ihm verloben, ein Geschenk machen will. Als Viktor den Ring überreichen will, teilt ihm Eva mit, dass sie sich inzwischen heimlich mit Andreas verlobt habe. Viktor hat sich in Eva getäuscht und damit im Beweggrund, den Ring zu kaufen. Kein Motivirrtum läge vor, wenn Viktor mit dem Juwelier vorweg vereinbart hätte, dass der Brillantring nur dann gekauft wird, wenn die Verlobung mit Eva zustande komme. Dann wäre das Zustandekommen der Verlobung Vertiagsbedingung. c) Die Anfechtungsvoraussetzungen. Auch wenn ein für eine Irr- 240 tumsanfechtung beachtlicher Geschäftsirrtum iwS vorhegt, bedeutet dies noch nicht, dass der Vertrag bereits angefochten werden dürfte. Vielmehr sind noch weitere tatbestandliche Voraussetzungen zu prüfen. Denn der Gesetzgeber räumt dem wahren Willen des Erklärenden nicht in jedem Falle den Vorrang gegenüber dem Vertrauen des Dritten in die Gültigkeit des geschlossenen Vertrages ein; vielmehr nur dort, wo entweder das Vertrauen des Vertragspartners keinen höheren Schutzwert als der wahre Wille des Erklärenden verdient oder ein diesbezügliches Vertrauen sich noch nicht hinreichend gebildet hat. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen (§ 871 ABGB) entsprechen der Vertrauenstheorie. Es handelt sich alternativ um folgende Tatbestandsmerkmale: 241 Der Irrtum - ist vom anderen Teil veranlasst worden; - hätte dem anderen Teil auffallen müssen; - wurde rechtzeitig aufgeklärt. Strittig ist, ob und inwieweit auch der „gemeinsame Irrtum", also ein Irrtum, der beiden Vertragsparteien unterlaufen ist, eine Vertragsanfechtung rechtfertigt. Das Gesetz sagt dazu nichts Ausdrückliches. Das Vertrauen des Anfechtungsgegners ist auch dann schutzwürdig, wenn er sich selbst geirrt hat. Auch bei „gemeinsamem Irrtum" müssen daher die Voraussetzungen eines der drei Anfechtungstatbestände des § 871 ABGB vorliegen. aa) Der Irrtum ist vom anderen Teil veranlasst worden; Ver- 242 schulden ist nicht erforderlich, Verursachung des Irrtums genügt. 66 Krejci, Privat-echt" J Krejci, Privatrecht8 67 Allgemeines Privatrecht 243 Der andere Teil hat zB die Unterlagen für die falschen Kalkulationen ^ Irrenden geliefert; der andere Teil hat sonstige unrichtige Auskünfte erteilt; dem deshalb irrenden Bauunternehmer ein fehlerhaftes Gutachten über dje Bodenverhältnisse vorgelegt; eine Aufklärung unterlassen, zu welcher er ge. setzlich verpflichtet gewesen wäre. Das Rechtsgeschäft bb) Der Irrtum hätte dem anderen Teil aus den Umstand offenbar auffallen müssen; dh: der andere Teil war insofern fahrlä; als er es an der gehörigen Sorgfalt mangeln Heß, bei welcher er hätte erkennen können, dass sich der Erklärende geirrt hat. Ist dem anderen Teil • der Irrtum tatsächlich aufgefallen, steht die Irrtumsanfechtung erst ' recht zu. ZB: Der vom Irrenden angebotene Preis war auffallend hoch, ohne dass ' ein Anlass oder Grund dafür zu sehen war. 244 cc) Der Irrtum wurde rechtzeitig aufgeklärt; dh: der Vertragspartner des Irrenden wurde vom Irrtum bereits zu einem Zeitpunkt verständigt, zu welchem er noch keine rechtlichen bzw Vermögenswerten ' Dispositionen im Vertrauen auf das gültige Zustandekommen des Vef- * träges getroffen hat (re integra). Auf bloßen Zeitablauf kommt es nicht" an. Ganz geringfügige Vertrauensschäden können vernachlässigt werden. Unzulässig aber ist es, überhaupt davon auszugehen, dass gegen ■ Ersatz des entstandenen Vertrauensschadens der Vertrag jedenfalls irr- !. tumshalber angefochten werden dürfte. ZB: Es wurde der Kauf einer Liegenschaft im Wert von € 700.000 ver- * einbart; ehe der dem Kauf zu Grunde liegende Irrtum des Käufers aufgeklärt wurde, hat der Verkäufer bereits vereinbarungsgemäß für den Käufer Unterlagen über das Kaufobjekt herstellen lassen und dafür €350 bezahlt. In diesem Fall ist die Irrrumsanfechtung zulässig. 245 d) Die Irrtumsanfechtung. Sind die Voraussetzungen für eine . Irrtumsanfechtung erfüllt, steht dem Irrenden für den Fall, dass ein we- • sentlicher Geschäftsirrtum vorliegt, die Möglichkeit der Anfechtung l des gesamten Vertrages zu. Ist der Geschäftsirrtum hingegen nur unwesentlich, darf Vertragsanpassung verlangt werden. Wesentlicher Irrtum liegt vor, wenn der Erklärende ohne Irr- j tum das Geschäft überhaupt nicht geschlossen hätte. ; | Unwesentlicher Irrtum liegt vor, wenn die Parteien trotz des Irrtums den Vertrag zwar geschlossen hätten, aber mit anderem Inhalt. } Gerichtliche Geltendmachung. Die hM verlangt, dass die Irrtum- < sanfechtung gerichtlich durch Klage oder Einrede geltend gemacht wird. | Das Anfechtungsrecht verjährt in 3 Jahren ab Vertragsschluss. e) Vertragsanfechtung wegen Fortfalls der Geschäftsgrundlage. 246 Ausnahmsweise spielen bei entgelthchen Geschäften auch Motivirrtü-er eine Rolle: Näheres hierzu besagt die Lehre vom FortfaH der Ge-käftsgrundlage. Sie geht von einer teleologischen Reduktion des § 901 aJSGB (Unbeachthchkeit des Motivirrtums für entgeltliche Geschäfte) aus. Diese Gesetzesbestimmung gelte nicht - für typische Geschäftsvoraussetzungen, die - nicht der Risikosphäre einer der Vertragsparteien zuzurechnen sind, und von denen - die Parteien des Geschäftes übHcherweise auszugehen pflegen und - mit deren Änderung die Parteien im konkreten Fall nicht gerechnet haben und auch nicht zu rechnen brauchten. Andern sich diese Voraussetzungen nachträgHch wider Erwarten doch, so spricht man vom Fortfall der Geschäftsgrundlage. ZB: unerwartete Änderungen der Steuer- oder Zollgesetzgebung; Ein-urid Ausfuhrverbote; die Verhängung von Liefersperren; Ausbruch von Unru- Sofern auf solche Fälle der Vertrag olmehin Bezug nimmt, kommt die Vertragsregelung zum Zuge. Liegt der Fall einer endgültigen, nachträglichen Unmöglichkeit der Leistung vor, kommen die diesbezüglichen, einschlägigen gesetzlichen Regelungen zur Anwendung. Bei Dauerschuldverhältnissen ist das Institut der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund einsetzbar. Nur wenn derartige Instrumente nicht greifen, ist es erforderhch, auf die Lehre vom Fortfall der Geschäfts-grundlage zurückzugreifen. IM. Möglichkeit des Vertragsinhaltes 1. „Geradezu Unmögliches". Willenserklärungen kommen nicht 247 gültig zustande, wenn ihr Inhalt schon von Anfang an, dh: im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses „geradezu urrmöglich" ist (§ 878 ABGB; anfängliche Unmöglichkeit der Leistung). Nicht jeder unmögliche Inhalt einer Willenserklärung ist aber schon „geradezu unmöglich". Der Gesetzgeber meint darunter einerseits evident rechtlich Unmögliches, andererseits faktisch Absurdes. Absurd ist eine Leistungszusage dann, wenn vernünftige Geschäftspartner im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Erfunung der Verpflichtung für ganz und gar ausgeschlossen halten mussten. ZB: Jemand verspricht, einen anderen gesund zu beten oder durch bloße Handauflegung zu heilen; die Zukunft exakt vorherzusagen udgl. 68 Krejci, Privatrecht1 Krejci, Privatrecht8 69 Allgemeines Privatrecht Das Rechtsgeschäft 248 2. Rechtsfolgen geradezu unmöglicher Vertragsinhalte. Der Vertrag kommt nicht gültig zustande. Derjenige, der die Unmöglich seines Leistungsversprechens kannte, haftet dem anderen auf das \ C1_ trauensinteresse. Vertrauensinteresse heißt jener Nachteil, der dem an- - deren dadurch zugefügt wurde, dass er auf das gültige Zustandekom- ; men des Vertrages vertraut hat. War dem anderen die Unmöghchkeit ; bekannt oder musste er sie kennen, was wohl oft anzunehmen sein wird, stehen keinerlei Haftungsansprüche zu. Zu einer Schadensteilung * kommt es nicht. Man spricht von „Kulpakompensation". ;; Betrifft die Unmöghchkeit nur einen Teil des Vertrages, ist Teil- ,' nichtigkeit anzunehmen. Diese Regelung wird auf vergleichbare Fälle > der Unerlaubtheit von Verträgen sinngemäß angewandt. In Fällen sonstiger, „schlichter" Unmöglichkeit ist der Ven gültig. Hiezu vgl Rz 430. O. Erlaubtheit des Vertragsinhaltes 249 1. Allgemeines. Der Inhalt rechtsgeschäftlicher Willenserklär.. . gen muss ferner „erlaubt" sein. § 879 Abs 1 ABGB sagt: „Verträge, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßr sind nichtig". 250 2. Gesetzesverstöße. Nicht jeder Gesetzesverstoß führt bereits zur Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäftes. Von selbst versteht sich, [ dass es nur um Verstöße gegen zwingende Rechtsnormen geht. Ob Gültigkeit oder Nichtigkeit vorliegt bzw welche Art von Nichtigkeit im Einzelfall in Frage kommt, bestimmt der Schutzzweck der verletzten Norm. Vor allem solche Verbote sind beachtlich, die den Inhalt der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung betreffen (Inhaltsverbote). Hingegen spielen Verbote, welche die Art und Weise des Zustandekommens des Rechtsgeschäftes betreffen, grundsätzlich keine Rolle. Es gibt zahlreiche gesetzliche Regelungen, die der privatautonomen : Rechtsgestaltung zwingende Schranken setzen. All diese Tatbestände können hier nicht aufgezählt werden. Wir finden sie insb im Arbeitsrecht, Mietrecht, Verbraucherrecht, In solvenzrecht, Grundverkehrsrecht, Wettbewerbs- und Kartellrecht und ir, vielen Vorschriften des öffentlichen Rechts. § 879 Abs 2 ABGB nennt selbst 5 Tatbestände gesetzwidriger Vereinbarungen: a) Zusage eines Entgelts für die „Unterhandlung eines Ehevertra-ges ; b) Zusage eines Entgelts für die Vermittlung einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung; c) Zusage, einem Rechtsfreund (etwa: Rechtsanwalt, Notar, Steuerberater) eine ihm anvertraute Sache oder den erstrittenen Betrag ganz oder teilweise zu geben (pactum de quota litis); d) Verkauf einer erhofften Erbschaft zu Lebzeiten des Erblassers; e) Wucher. . Der wichtigste dieser Tatbestände ist der Wucher. 3. Wucher hegt vor, „wenn jemand den Leichtsinn, die Zwangs- 251 läge, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen lässt, deren Vermögenswert zu dem Wert der Leistung in auffallendem Missverhältnis steht." Es liegt ■ yer ein Tatbestand vor, der Willensmängel mit auffallenden Inäqui-valenzen der gegenseitigen vertraglichen Hauptleistungen kombiniert. Insofern steht der Wuchertatbestand zwischen den oben behandelten Tatbeständen über Willensmängel und jenen Tatbeständen, die sich mit verwünschten Vertragsinhalten befassen. Weil der Wuchertatbestand Elemente der Willensmängel enthält, hängt die Geltendmachung des Wuchers vom Willen des Bewucherten ab (vgl auch die Fälle der laesio enormis, Rz256f). 4. Gröbliche Benachteiligung durch Nebenbestimmungen in 252 AGB (§ 879 Abs 3 ABGB). Dem Wuchertatbestand verwandt ist die Regelung, wonach gröblich benachteiligende Nebenbestimmungen in AGB nichtig sind. Auch die Verwendung von AGB führt zu einer Beeinträchtigung der freien Willensbildung auf Seite derer, die den AGB ausgeliefert sind. Es liegt also ein Element des Wülensmangels vor. Ferner sind die gröblich benachteiligenden Nebenbestimmungen der Äquivalenzstörung des Wuchertatbestandes im Hauptleistungsbereich vergleichbar. 5. Verstoß gegen die „guten Sitten". Auch ein Verstoß gegen 253 die guten Sitten ist rechtswidrig. Es geht um Rechts- und nicht um Tatfragen. Die „guten Sitten" sind ungeschriebenes Recht. Das ge-satzte Recht verstellt heute die Sicht auf den Umstand, dass die guten Sitten der Urquell des Rechts sind. Er ist freilich nach wie vor schwer zu bestimmen. Orientierungshilfe bietet heute in erster Linie die Wertordnung des positiven Rechts. Insofern ermuntert die „Gute-Sitten-Klausel" (eine typische Generalklausel) zu mutigem Einsatz 70 Krejci, Privatrecfit' ■; - Krejci, Privatrecht8 71 Allgemeines Privatrecht Das Rechtsgeschäft des methodischen Instrumentariums der Rechtsanwendung, insb * auch zur Rechtsanalogie. Positivierte Wertungsgesichtspunkte las- • sen sich auch aus der Verfassung gewinnen. So kommt es auch im Privatrechtsverkehr zu einer mittelbaren Drittwirkung der verfassungsrechtlichen Grundrechte über den Weg der Konkretisierung , der Generalklausel von den „guten Sitten". Die „Gute-Sitten-Klau- : sei" verweist aber darüber hinaus auf die „Rechts-" oder „Soziahno-ral" aller „billig und gerecht Denkenden". Je dichter das Netz einer ". positiven Rechtsordnung geknüpft ist, desto entbehrlicher ist freilich ; eine Orientierung an einer derartigen, außerhalb des gesatzten Rechts angesiedelten W^ertordnung und „Weltanschauung", die in ■ ■* einer pluralistischen Gesellschaft nicht selten umstritten ist, was die Rechtsfortbildung unter dem Leitstern der guten Sitten erheblich er-. '., schwert. 254 Sittenwidrig sind insb nicht ausdrücklich gesetzlich geregelte un- • zumutbare Eingriffe in den Intimbereich des Individuums (Persönlichkeitsschutz), Benachteiligungen infolge Missbrauches von Übermacht, nachteilige Vertragsgestaltungen zulasten Dritter, Fälle missbräuchlicher Rechtsausübung sowie Geschäfte, die grundlegende Einrichtungen der Rechtsordnung aushöhlen. ; P. Gravierende Inäquivaienz des Vertragsinhaltes 255 1. Allgemeines. Schon im Rahmen der Gesetz- und Sittenwidrig- j keit von Vertragsinhalten spielt die Frage nach dem Verhältnis der ge- \ genseitigen vertraglichen Rechte und Pflichten eine Rolle: insb beim [ Wuchertatbestand und bei der gröblichen Benachteiligung durch Ne- ; benbestimmungen von AGB. Bei diesen Tatbeständen kommt auch l Willensbildungsstörungen eine gewisse Rolle zu. Sie haben aber nicht | das Gewicht jener Willensmängel, die bei Drohung, List und Irrtum den I ■ Ausschlag geben. Daher benötigen sie als Zuwaage die zusätzlichen \ Äquivalenzstörungen. Nunmehr geht es um einen Tatbestand, der eine i noch erheblichere Äquivalenzstörung betrifft; er weist deshalb nur mehr j Spurenelemente an Willensbildungsstörung auf: Es geht um die sog \ Schadloshaltung wegen Verkürzung über die Hälfte (laesio enormis): | § 934ABGB. ; ■ 4, f 256 2. Verkürzung über die Hälfte (laesio enormis). Ist die geschul- - j dete Leistung jemandes nicht einmal die Hälfte der Gegenleistung | wert, so darf der Gegenleistungspflichtige die „Aufhebung des Ver- j J 72 Krejci, Privatrecht1 • träges" verlangen, sofern nicht eine der unter 3. genannten Ausnahmen vorhegt. Der andere Vertragspartner kann aber die „Aufhebung des Vertrages" unter der Bedingung abwehren, dass er sich verpflichtet, „den Abgang bis zum gemeinen Werte zu ersetzen" (also nicht bloß bis zur Hälfte des gemeinen Wertes!). § 934 ABGB ist grundsätzlich zwingendes Recht, doch kann die laesio-enormis-Regel zulasten eines Unternehmers vertraglich ausgeschlossen werden (§351 UGB). Umstritten ist, ob das Recht auf „Aufhebung des Vertrages" eher ein An-fechtungs- oder ein Rücktrittsrecht wie die Wandlung ist. Insofern bestehen Unklarheiten darüber, ob die „Aufhebung des Vertrages" bereits erfolgten Eigentumsübertragungen ex tunc den Titel nimmt oder nicht. 3. Ausnahmen. § 934 ABGB ist nicht anzuwenden auf die Fälle 257 - der Kenntnis der wahren Wertverhältnisse, - des Erwerbes zum Wert der besonderen Vorhebe, - der teilweisen Schenkung, - der Uneruierbarkeit des wahren Wertes und - der gerichtlichen Versteigerung (§ 935 ABGB), - der Glücksverträge und - Vergleiche. Vor Schaffung des UGB durften sich „Kaufleute" (§§ 1 ff HGB) nicht auf § 934 ÄBGB berufen, sofern nichts anderes vereinbart war. Nunmehr gilt auch für Unternehmer (dazu zählen nicht nur die vormaligen „Kaufleute") die laesio enormis; zulasten des Unternehmers kann diese Regel aber vertraglich abbedungen werden. Q. Formvorschriften 1. Formfreiheit. Im bürgerlichen Recht herrscht grundsätzlich 258 Formfreiheit. Dennoch neigt die Vertragspraxis zur Einhaltung von Formen (insb: über Verträge Urkunden aufzusetzen). Früher hatten Formvorschriften vor allem die Aufgabe, den Geltungswillen mit hinreichender Klarheit zum Ausdruck zu bringen. Man sollte durch die Einhaltung der Formvorsclrrift wissen, dass das Vereinbarte nunmehr gelten sollte. Heute muss der Geltungswille aus dem formlosen Verhalten der Parteien abgelesen werden. Das macht mitunter Schwierigkeiten; sie sind aber angesichts der Vorteile der Formfreiheit in Kauf zu nehmen. Ausnahmsweise sind aber auch heute noch Formvorschriften einzuhalten; dies aus speziellen Zwecken, die nicht die Klarstellung des Geltungswillens betreffen: Krejci, Privatrecht8 73 Allgemeines Privatrecht Die Stellvertretung 259 2. Zwecke gesetzlicher Formvorschriften. Formvorschriften \ können verschiedene Zwecke haben: f - Schutzzwecke: Schutz vor Übereilung, zB bei der Bürgschaft; - 1 - Beweissicherungszwecke: Es soll später problemlos nachge- j wiesen werden können, was vereinbart worden ist; zB letztwülige \ Verfügungen; ; - Publizitätszwecke: Die Rechtsposition soll jedermann er- '. kennbar sein, was bei absoluten Rechten von größter Wichtigkeit ist; ; zB Begründung und Übertragung dinglicher Rechte, Registrierung \ bestimmter Immaterialgüterrechte, Eheabschluss. 260 3. Arten gesetzlicher Formvorschriften. Man unterscheidet: ein- * fache Schriftform, bei der wesentlich ist, dass die Parteien eigenhändig unterschreiben (Schriffhchkeit heißt also stets Unterschriftlichkeit) und ; öffentliche Formen, wobei zwischen gerichtlichen und notariellen Schriftformen differenziert wird (AußStrG, NotO). 261 a) Notariatsakt. Darunter wird die vom Notar für die Parteien f hergestellte schriftliche Urkunde verstanden, die durch die Mitwirkung \ des Notars mit der Kraft einer öffentlichen Urkunde ausgestattet wird. \ Der Notariatsakt betrifft ein Rechtsgeschäft oder eine Rechtserklärung. ! Die Urkunde bleibt beim Notar; für den Rechtsverkehr gibt es Ausferti- -\ gungen. Der Notariatsakt ist von allen Parteien zu unterfertigen. i 262 b) Notarielle Beurkundung. Darunter versteht man das urkund- ) liehe Festhalten rechtserheblicher Tatsachen durch den Notar durch notarielles Protokoll. Es handelt sich um vor dem Notar stattgefundene I Handlungen oder um von den Parteien oder sonstigen Personen vor \ dem Notar abgegebene Erklärungen (§§ 76 ff NotO). Das notarielle Pro- \ tokoll wird nur vom Notar und gegebenenfalls von beigezogenen Zeu- i gen unterfertigt. j 263 c) Notarielle Beglaubigung („Legalisierung"). Darunter versteht { man die öffentliche Beurkundung durch den Notar, dass die von ihm jj beglaubigte Unterschrift von einer bestimmten Person stammt. Die no- | tarielle Amtshandlung bezieht sich nur auf die Unterschrift. [ 264 d) Elektronische Signatur. Eine über ein elektronisches Medium J abgegebene Willenserklärung lässt sich nicht wie eine Urkunde unter- j schreiben. Dennoch besteht auch beim Rechtsverkehr im Internet das ! Bedürfnis nach Identifizierung des Erklärenden. Diesem Problemkreis l ist das Signaturgesetz gewidmet (BGBl 11999/190). Es regelt den recht- j liehen Rahmen für die Erstellung und Verwendung „elektronischer Sig- { naturen" sowie für die Erbringung von Signatur- und Zertifikations- $ { 74 Krejci, Privatrecht1 j pusten. Auf diese Weise sollen elektronische Dokumente den bislang schon anerkannten Urkunden gleichgestellt werden. Dies ist nunmehr jjjsoweit möglich, als eine elektronische Erklärung mittels „elektronischer Signatur" als hinreichend „sicher" anerkannt werden kann. Unter einer „elektronischen Signatur" versteht man elektronische Daten, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder mit diesen lo schränkungen unterlieg en. t 298 4. Handlungsvollmacht und Prokura sind besondere unterneh- i mensrechthche Vertretungsbefugnisse. Auch dem Unternehmensrecht ' ist die Einzel-, Gattungs-, und Generalhandlungsvollmacht bekannt. [ \ 299 a) Die Handlungsvollmacht erstreckt sich, sofern sie eine allge- 5 meine Handlungsvollmacht (Generalhandlungsvollmacht) ist, jeweils • auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derarti- : gen Unternehmens oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich ; mit sich bringt (§ 54 UGB). Eine Gattungs- oder Arthandlungsvoll- ■ macht betrifft hingegen nur eine Gruppe, Art oder Gattung von Ge- ■ schaffen. Zu bestimmten Geschäften (Grundstücksveräußerung, Einge- * hen von Wechselverbindhchkeiten, Darlehensaufnahme, Prozessfüh- ? rung) braucht der Bevollmächtigte jedoch eine Einzelvollmacht. Diese ; Regelungen entsprechen im Wesentlichen der im Zivilrecht üblichen \ Dreiteilung. Die auffälligere Vertretungsbefugnis ist aber \ 300 b) die Prokura. Sie kann nur von im Firmenbuch eingetragenen i Unternehmern erteilt werden; sie ist ihrerseits (deklarativ) ins Firmen- \ buch einzutragen, sie ist inhalthch unbeschränkbar und bleibt jederzeit ' widerruflich. Die Unbeschränkbarkeit dient der Rechtssicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs. Die Prokura ist - ebenso wie so gut wie alle organschaftlichen Vertretungen - eine „Formdvollmacht". Ihre ! Unbeschränkbarkeit deckt jedoch keine Kollusionsfälle (vgl Rz 308). ■ ■ ' ' i H. Erlöschen der Vollmacht } 301 Vollmachten erlöschen ] - bei Befristung durch Zeitablauf, - bei Bedingung durch Eintritt der Bedingung, \ - bei Emzelvollmachten mit Geschäftsabschluss, ferner allgemein \ - durch Widerruf des Vollmachtgebers j - durch Kündigung des Vertreters, | - grundsätzlich mit dem Tod (Ausnahmen kennen das Unterneh- j mens-und das Verfahrensrecht). I Die Stellvertretung j Fortwirken erloschener Vollmachten Vollmachten wirken fort bei Geschäften, „die keinen Aufschub lei- 302 j « bis der Vertretene oder seine Erben eine andere Verfügung getroffen haben (§§ 1022, 1025 ABGB). Ferner besteht ein Gutglaubensschutz Dritter: Auch wenn die 303 Vollmacht bereits erloschen ist, wird sie gegenüber einem gutgläubigen pritten als fortbestehend angesehen, wenn diesem die Aufhebung ohne jejn Verschulden unbekannt gebheben ist. Gesetzte Vertretungsakte sind wirksam; dem zu Umecht Vertretenen bleiben aber Ersatzansprüche gegenüber dem nicht mehr befugten Vertreter. K. Scheinvertreter (falsus procurator) 1. Sofern jemand als Vertreter auftritt, ohne Vollmacht zu ha- 304 ben, oder sofern jemand seine Vollmacht überschreitet und sofern weiters keine Fälle der Anscheinsvollmacht oder der Fortwirkimg erloschener Vertretungsmacht vorliegen, kommt das Rechtsgeschäft mit dem angeblich Vertretenen grundsätzlich nicht zustande. (Ausnahmen: nachträgliche Genehmigung oder Ansichziehen der . Vorteile aus dem Geschäft.) 2. In solchen Fällen haftet der Scheinvertreter dem Dritten als 305 falsus procurator: a) Er hat bei Verschulden all das zu ersetzen, was der Dritte durch sein Vertrauen darauf, dass der Vertrag mit dem angeblich Vertretenen gültig zustande gekommen ist, an Schaden erlitten hat (Ersatz des Vertrauensinteresses) . Übersteigt das Vertrauensinteresse aber jenen Betrag, den der Dritte gewonnen hätte, wäre der Vertrag gültig zustande gekommen, dann erhält er das Vertrauensinteresse nur bis zur Höhe dieses Betrages ersetzt (hypothetisches Erfüllungsinteresse, § 1019 ABGB). Denn die übersteigenden Nachteile hätte der Dritte ohnehin tragen müssen. b) War dem Dritten der Vollmachtsmangel bekannt, hat er keinen 306 Ersatzanspruch. Hätte der Dritte den Vollmachtsmangel kennen müssen, war er also fahrlässig, so kann er nur teilweisen Ersatz fordern. Dabei wird das Verschulden der Beteiligten gegeneinander abgewogen. Es kommt zur Schadensteilung (§ 1304 ABGB). Besonderes galt im vormaligen Handelsrecht. Durch das HaRÄG wur- 307 den jedoch die diesbezüglichen Sondervorschriften, die den falsus-procirrator- 82 Krejci, Privatrecht* Krejci, Privatrecht8 83 Allgemeines Privatrecht Die rechtliche Bedeutung der Zeit Regeln des dt BGB entsprachen, aufgehoben. Auch im nunmehrigen Unte nehmensrecht gilt fortan die einschlägige Regel des § 1019 ABGB. L. Missbrauch der Vertretungsmacht 308 Missbraucht ein Vertreter die ihm eingeräumte Vertretungs- ■ macht im Einvernehmen mit Dritten bewusst zum Nachteil des Vertretenen, hegt Kollusion vor. Der Vertretene ist an derartige G- ■ Schäfte nicht gebunden. Das auftragswidrig geschlossene Geschäft ist , vielmehr sittenwidrig (§ 879 ABGB). Man nimmt heute'auch schon dann Kollusion an, wenn der Dritte den bewussten Missbrauch der Vertretungsmacht kennen musste. 309 Überhaupt rechtfertigen Vertretererklärungen, die dem Dritten als • auftragswidrig erkennbar sind, keinen Vertrauensschutz zugunsten des s Dritten. Nur in jenen Fällen, in denen es die Schnelligkeit des Handelsver- I kehrs und der Bedarf an gesteigerter Rechtssicherheit rechtfertigen, von beschränkbaren Vollmachtsverhältnissen auszugehen (Prokura, Vertretung "'. von Gesellschaften und Genossenschaften), greift lediglich das Institut der l Kollusion. . M. Interessenkollisionen . i 310 1. Wer einerseits jemanden vertritt und andererseits selbst am f Abschluss des Geschäftes interessiert ist (Selbstkontrahieren), gerät i weitgehend ebenso in eine Interessenkollision wie derjenige, der i, zwei Personen vertritt, die miteinander einen Vertrag aushandeln könnten (Doppelvertretung). Solche Fälle nennt man Insichgeschäfte. | 311 2. Im Bereich der gesetzlichen Stellvertretung sind sie verboten. Es j muss ein Kollisionskurator bestellt werden (vgl §§ 271 f ABGB). \ 312 3. Sofern die Vertretenen aber voll geschäftsfähig sind, sind In- * sichgeschäfte zulässig, wenn die Betroffenen zustimmen. Gültig sind ferner solche Insichgeschäfte, bei denen aufgrund der gegebenen Umstände keine Möglichkeit der Benachteiligung der Vertrete- ■ nen besteht, dh: wenn es vor allem um Geschäfte zu Markt- und Borst.". preisen oder um Fälle des Selbstkontrahierens geht, bei denen dem Ver-tretenen ausschließlich Vorteile zukommen. X. Die rechtliche Bedeutung der Zelt A. Zeitablauf und Zertberechnung Auch in der Rechtsordnung spielt die Zeit in verschiedener Hin- 313 sjCht eine beachtliche Rolle. Rechtlich erhebliche Zeitpunkte heißen Termine; rechtlich erhebliche Zeiträume nennt man Fristen. Zwischen Befristung, Verjährung und Ersitzung ist zu unterscheiden. B. Befristung 1. Allgemeines. Unter einer Befristung versteht man die zeitli- 314 che Beschränkung eines Rechtsverhältnisses. Der Beginn bzw das Ende einer Frist (auch Termin genannt) steht - zum Unterschied * von der Bedingung - fest. Läuft die Frist aus, erlischt das Recht; es verbleibt nicht einmal eine Naturalobligation. Befristungen können sich aus dem Gesetz, aus einem Rechtsgeschäft • (Vertrag, Auslobung, letztwillige Verfügung) oder aus einem Richterspruch ergeben. Auch die Verjährung ist letztlich eine Befristung: Sie befristet die 315 gerichtliche Geltendmachung eines (ansonst unbefristet eingeräumten) Rechtes. Das Recht besteht als „Naturalobligation" fort. Hiezu unten. Sonstige Befristungen betreffen das in Frage kommende Recht in seinem Gesamtbestand. Das befristete Recht erlischt zur Gänze. Man spricht von Präklusion. So präkludiert zB das Eigentum an einer verlorenen Sache nach einem Jahr. Zum Eigentum vgl jedoch auch Rz 323. 2. Bei befristungsfeindlichen Geschäften können keine Befris- 316 rangen vereinbart werden. Befristungsfeindhch sind zB die Ehe, die Eingetragene Partnerschaft und die Adoption. 3. Fristberechnung. Es wird zwischen natürlicher und ziviler 317 Fristberechnung unterschieden. Man spricht von „Natural-" und „Zivilkomputation". a) Die Naturalkomputation rechnet „von Augenblick zu Augen- 318 blick" (a momento ad momentum). ZB: Soll eine 10-Tages-Frist ab einem Ereignis laufen, das am 1. 5. um 12.33 Uhr stattfand, so läuft die 10-Tages-Frist am 11. 5. um 12.33 Uhr ab. Die Naturalkomputation ist nicht die Regel. Der Gesetzgeber stellt vielmehr im Zweifel auf die Zivilkomputation ab. 84 Krejci, Privatrecht1 -Krejci, Privatrecht8 85 GESELLSCHAFTSRECHT punkt, zu dem der Mangel erkennbar ist, zu laufen beginnen. Dies ist bei Rechten Dritter der Zeitpunkt, an dem die Berechtigung des Dritten unzweifelhaft ist, dh der Erwerber mit der Durchsetzung des von einem Dritten erhobenen Anspruches rechnen muß.43) c) Wendet man diese Grundsätze auf den Erwerb einer Beteiligungan, so beginnt der Fristenlauf grundsätzlich mit jenem Zeitpunkt, ab dem der Erwerber die Mitgliedschaft in der Gesellschaft erworben und damit seine gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechte ausüben kann. Dies ist in der Regel der Abschluß des Übernahmevertrages.44) Dies gilt freilich nur für Sachmängel, die dem von der Gesellschaft betriebenen Unternehmen anhaften. Ist das Gesellschaftsunternehmen hingegen mit einem Rechtsmangel belastet, so beginnt die Frist ab jenem.Zeitpunkt zu laufen, ab dem der Fehler erkennbar und bei Rechten Dritter die Berechtigung eines Dritten unzweifelhaft ist, d) Der Kauf eines Unternehmens (Handelsgewer-. bes) ist kein Handelskauf, weshalb die §§ 377 f HGB keine Anwendungfinden,4S) Dies gilt auch für den Beteiligungserwerb.46) Bei in Wertpapieren verbrieften Beteiligungen (Aktien) gilt eine kaufmännische Rügepflicht für Mängel der Wertpapierurkunde selbst47) (§ 381 HGB). Johannes Reich-Rohrwig RUND UM DAS FIRMENBUCH-GESETZ Änderungen für Genossenschaften und Versicherungsvereine Mit dem neuen Firmenbuchgesetz, das am 11.1. 1991 im BGBl 1991/10 veröffentlicht wurde, wurden auch das GenG, das VAG und handelsrechtliche Nebengesetze geändert. Darüber wird im folgenden ein kurzer Überblick gegeben. Firmenbuch Genossenschaft Verfahrensrecht Versicherungsverein 29) JBI 1960,492. 30) JBI 1987, 383 = NZ1987, 204; Jßl 1988, 787, 31) Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 1397: Es genügt, daß der Verkäufer erkennen mußte, daß die Eigenschaft kausal für die Art des Abschlusses war. 32) Vgl OGH 9. 11. 1988, WBI 1989, 127: Gegenstand dieser Entscheidungwar die Beurteilung einer als echte Garantievereinba- ' rung qualifizierten Vereinbarung, mit der dem Erwerber sämtlicher Geschäftsanteile an einer GmbH, deren Schulden- bzw Lastenfreiheit zugesichert wurde, erwarb. 33) Hiiha-in Simidinger", Rz l }.i vor § 459...............................____________............. 34) Fehlen eines zugesicherten Verlustvortrages und Entstehen von unvorhergesehenen Abgabenverbindlichkeiten OGH 13.12. 1989,1 Ob 682, 683/89, ecolex 1990, 216. 35) Holzapfel-Pöllath, Recht und Praxis des Unternehmenskaufe4, 230 f. 36) Ertl in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 1397; Im, JBI 1977, 463. 37) So auch Ertl in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 1397; Im, JB11977, 463. 38) BGH WM 1978, 59. 39) Gschnitzer in Klang2 IV/1, 506. 40) Vgl Ertl in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 1397; Iro, JB11977, 465; • Gschnitzer, Schuldrecht AT 101; aA Honseil in Schwimann, ABGB, Rz 5 zu § 1397 und die ältere Lehre; Wolffm Klang2 VI 220; Ehrenzweig, II/2, 270, wonach die Ansprüche des § 1397 in der dreijährigen Frist des § 1389 ABGB verjähren. 41) Pisko, Das Unternehmen als Gegenstand des Rechtsverkehrs 52; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 551; Reischauer in Rummel2, ABGB, Rz 4 zu § 933. 42) Wilhelm, RdW 1985, 267; Reischauer in Rummel2, ABGB, Rz 4 zu § 933; Binder in Schwimann, ABGB, Rz 7 zu § 933. 43) Kozio/-We/ser, Grundriß I8, 251; Reischauer in Rummel2, ABGB, . Rz3fzu § 933; Binder in Schwimann, ABGB, Rz 21 zu § 933. 44) Vgl Wilhelm, RdW 1985, 267; Zur schwebenden Unwirksamkeit bis zur Zustimmung der Generalversammlung bei Vinkulierung der Geschäftsanteile siehe Schilling-Zutt in Hachenburg, GmbHG7, Rz 118 zu § 15. 45) Schlegelberger - Hefermehl5, HGB, Rz 6 zu § 377; Brüggemann, ' Großkomm z HGB3, Rz 11 zu § 377. 46) siehe FN 45. 47) Schlegelberger - Hefermehl5, HGB, Rz 1 zu § 381. 1. Genossenschaften a) Firmenbuch statt Genossenschaftsregister Das Genossenschaftsregister wind nunmehr durch das Firmenbuch ersetzt. Dementsprechend wurden die Bestimmungen des § 2 Abs 3 und § 18 Abs 2 und 3 GenRegV über die Form von Registeranmeldungen im wesentlichen wortgleich in § 7 GenG übernommen. Andersais beiden Personen-und ten kann-weiterhin-dieBeglaubigung von Anmeldungen entfallen, wenn die Unterschriften der Zeichnenden bereits in beglaubigter Form bei den Firmenbuchakten erliegen. Das Firmenbuchgericht hat sich durch Vergleich der Zeichnung mit den in den Akten erliegenden beglaubigten Unterschriften von der Echtheit der Zeichnungzu überzeugen (§ 7 GenG nF). b) Behandlung als Vollkaufmann Während nach bisheriger Rechtslage nur solche Genossenschaften Voll- oder Minderkaufleute waren, die ein Handelsgewerbe nach den §§ 1 und 2 HGB betrieben, gelten nunmehr alle Genossenschaften, für die nach § 24 GenG ein Aufsichtsrat bestellt werden muß, als Formkaufleute (§ 1 Abs 2 GenG nF). Damit werden sowohl wirtschaftlich „große" Genossenschaften, wenn sie nämlich dauernd mindestens 40 Arbeitnehmer beschäftigen, als auch solche Genossenschaften, die nach dem Genossenschaftsvertrag aufsichtsraispilichtig sind,1) unabhängig von ihrer Geschäfts- 1) Ebenso Genossenschaften nach dem WGG und HSchG. ecolex 1991 93 GESELLSCHAFTSRECHT tätigkeitzu Formkaufleuten. Hingegen trug der Gesetzgeber dem Verlangen in der Literatur, a//e Genossenschaften als Formkaufleute zu behandeln, nicht.Rechnung. c) Vorstand, Aufsichtsrat, Liquidator Ebenso wie bei AG und GmbH sind nun auch bei Vorstandsmitgliedern einer Genossenschaft die Geburtsdaten anzuführen und ist ihre Vertretungsbefugnis zum Firmenbuch anzumelden (§ 6 Abs 2 und § 16 GenG nF). Die Art der Vertretungsbefugnis ist auch dann anzumelden, wenn sie der gesetzlichen Normalregelung entspricht, und wohl auch dann, wenn nur ein Vorstandsmitglied bestellt ist.2) Falls der Aufsichtsrat Vorstandsmitglieder „von ihren Befugnissen bis zur Entscheidung der demnächst einzuberufenden Generalversammlung entbindet" (Suspendierung), so gilt dies als Änderung der Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder und ist sofort zum Firmenbuch anzumelden (§ 16 Abs 2 GenG nF). Auch bei der Anmeldung einer neugegründeten Genossenschaft ist neben den sonstigen Anmeldungsunterlagen ein Verzeichnis der Aufsichtsratsmitglieder unter Angabe der Namen und Geburtsdaten beizuschließen, falls ein Aufsichtsrat bestellt ist (§ 5 b GenG). Der Vorstand hat jede Neubestellung und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern unverzüglich in den Bekanntmachungsblättern zu veröffentlichen und die Veröffentlichung dem Gericht vorzulegen (§24b GenG; eine entsprechende Vorschrift fehlte bisher). In der Veröffentlichung ist jeweils ein Verzeichnis aller Mitglieder des Aufsichtsrates mit Angabe ihres Namens und Geburtsdatums kundzumachen. Anders als bei AG und GmbH werden die Aüfsichtsratsmitglieder einer Genossenschaft nicht in das Firmenbuch eingetragen. Beiden Liquidatoren sind nichtnur deren Bestellung und jede Änderung, sondern auch deren Vertretungsbefugnis unverzüglich zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden. Die Verpflichtung, nun auch die Geburtsdaten der Liquidatoren zum Firmenbuch anzumelden, wird sich aus § 50 GenG ergeben. Die ersten Liquidatoren worden noch vom Vorstand angemeldet. Soweit der Publizitätsschutz des Firmenbuches durch die Novellierung des § 15 Abs 2 HGB erweitert wurde, gilt er auch für Genossenschaften. Hingegen wurde das Vertrauen auf den Stand des Firmenbuches für mangelhaft bestellte Vorstandsmitglieder einer AG und Geschäftsführer einer GmbH (gern § 73 Abs 4 AktG nF bzw § 17 Abs 2 GmbHG nF)n/c/itauch auf Genossenschaften, geschäftsführende Gesellschafter von OHG und KG und auch nicht auf Prokuristen ausgedehnt. Die Genossenschaft wurde den Kapitalgesellschaften insoweit offenbar bewußt nicht gleichgestellt, weil dies Art 8 der Publizitäts-RL nicht verlangt und die weitergehende deutsche Regelungdes§ 15Abs 3dHGB von děr Lehre ganz einhellig teleologisch reduziert worden war.3) d) Geschäftsanschrift Bei Genossenschaften ist nunmehr auch die für Zustellungen maßgebliche Geschäftsanschrift.in das Firmenbuch einzutragen und zu. veröffentlichen. Hingegen entfällt die bisher obligatorische Eintragung und Veröffentlichung des Unternehmensgegenstandes {§ 6 Abs 2 GenG nF). 2. Versicherungsvereine a) Entfall des Unternehmensgegenstandes; Ges'chäftsanschrift Ebenso wie bei den Kapitalgesellschaften und Genossenschaften entfälltauch bei großen Versicherungsvereinen4) die Notwendigkeit der Eintragung und Veröffentlichung des Gegenstandes des Unternehmens (§ 37 Abs 1 VAG nF). Allerdings ist der Gegenstand weiterhin in der Satzung, welche Teil der Urkundensammlung ist, festzuhalten. Die Versicherungszweige, auf die sich der Betrieb erstrecken soll, sind auch künftig in der Satzung anzugeben und in das Firmenbuch einzutragen. Die für Zustellungen maßgebliche Geschäftsadresse wird wie bei den anderen Rechtsformen in das Firmenbuch eingetragen. b) Aufsichtsratsmitglieder Bei großen Versicherungsvereinen sind nunmehr gleichfalls die Geburtsdaten der Mitglieder des ersten Aufsichtsrates zu veröffentlichen. Die Aufsichtsratsmitglieder von Versicherungsvereinen werden allerdings - anders als bei GmbH und AG - nicht im Firmenbuch eingetragen (§ 7 FBG). Die Verweisung des § 47 VAG auf § 91 AktG, wonach der Vorstand (einer AG) jeden Wechsel der Aufsichtsratsmitglieder unverzüglich zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden hat, ist daher insoweit als Redaktionsversehen wohl unbeachtlich. Ein Wechsel im Stand der Aufsichtsratsmitglieder ist daher nur zu veröffentlichen und die Veröffentlichung istzum Firmenbuch einzureichen. c) Vorstandsmitglieder Für Vorstandsmitglieder von Versicherungsvereinen gilt dieselbe Rechtslage wie für Vorstandsmitglieder von AG (s schon ecolex1991, 22 f). 3. Verfahrensrechtliche Regelungen a) Änderung der Jurisdiktionsnorm Durch Einführung eines neuen § 120 JN - der bisherige § 120 erhältdie Bezeichnung„§ 120a"JN-werden die mitHandelssachen betrauten Gerichtshöfe erster Instanz als zur Führung des Firmenbuches sachlich zuständig bezeichnet. Örtlich zuständig ist jenes. Gericht, in dessen Sprengel das Unternehmen seine Hauptniederlassung oder seinen Sitz hat. Dieses ist auch für die Prüfungzuständig, ob eine Zweigniederlassung errichtet ist und ob sich diese von allen an demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden Firmen deutlich unterscheidet (§ 30 HGB). Bei inländischen. Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften ist jenes Firmenbuchgericht zuständig, in dessen Sprengel die inländische Zweigniederlassung fällt; bei mehreren inländischen Zweigniederlassungen richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der frühesten inländischen Zweigniederlassung. b) Änderungen des Rechtspflegergesetzes Der Wirkungskreis der Rechtspfleger wurde mit der Novelle wesentlich erweitert: zB ist die Ersteintragung von 94 eöolex 1991 GESELLSCHAFTSRECHT GmbH nur mehr ab einem Stammkapital von einer Mio S dem Richter vorbehalten. Damit wird die Masse der GmbH-Gründungen von den Rechtspflegern behandelt. § 22 RpflG nF enthält eine abschließende Aufzählung der den Richtern vorbehaltenen Entscheidungen. c) Verfahrensrecht Mit Inkrafttreten des Firmenbuchgesetzes wurden zahlreiche verfahrensrechtliche Vorschriften außer Kraft gesetzt und neu geregelt. So wurden zB die §§ 125 äff des Gesetzes über die Angelegenheiten derfreiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) aufgehoben' (s Art XXIV). Das GOG, das AußStrG, das AmtsLG, das UmwG, die 4. EVHGB, die EO, die KD, die AO und das Geldinstitute-Zentralegesetz wurden geändert. Ferner enthält die Novelle Änderungen des Gerichtskommissionärsgesetz, und des GGG. . In Art XXIII Abs 10 (Übergangsbestimmungen) wird festgelegt, welche Normen des FBG noch nicht mit Inkrafttreten des Gesetzes (1. 1.1990), sondern erst später, näm- lich mit Ablauf des Tages der Beendigung der Umstellung auf ADV wirksam werden sollen, Vor diesem Zeitpunkt sind die durch das Firmenbuchgesetz aufgehobenen oder abgeänderten Rechtsvorschriften weiter anzuwenden. Das Gericht hat den Beginn der Umstellung des Firmenbuches auf ADV mit Edikt kundzumachen. Ab diesem Zeitpunkt ist der Firmenanfall (also alle neuen Rechtsträger) nur m'ehr mit ADV-Unterstützung einzutragen. Außerdem darf mit der Datenersterfassung bereits eingetragener Rechtsträger begonnen werden.5) 2) BGH 14. 2.1974, BB 1974,808; EuGH 12.11.1974, BB 1974, .1.500. 3) Zib, Auf dem Weg zum ADV-Handelsregister, WBl 1990, 252. 4) Kleine Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit werden nicht in das Firmenbuch eingetragen, s § 63 VAG, 5) Siehe ausführlich auch Auer, Das Firmenbuch, Rechtspfleger 1990, H 2,1 ff. RECHTSP RECHUNC Übergang des Dividendenanspruches bei Abtretung von Geschäftsanteilen Wurde zwischen dem Erben und dem Legatar bei förmlicher Übertragung des vermachten Geschäftsanteiles vereinbart, daß „als Zeitpunkt des Überganges aller mit diesem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Verbindlichkeiten auf den Legatar der Todestag des Erblassers gilt", so sind damit - mangels Behauptung einer gegenteiligen Parteienabsicht-sowohl das allgemeine Gewinnbezugsrecht für noch nicht fällige Dividenden als auch die bereits fälligen Gewinnauszahlungsansprüche auch für Zeiträume, die vor dem Todestag des Erblassers liegen, mitabgetreten. FK ist am 30. 5. 7988 gestorben. Alleinige Erbin ist die B K. Der Erblasser vermachte dem Kl ein Drittel seines Geschäftsanteiles an dar X Gmbhl. Mit Notariatsakt vom 15, 2. 1989 übertrug die bekl Erbin dem Legatar den Drittel-Geschäftsanteil in Entsprechung des Legates; im förmlichen Abtretungsvertrag wurde als Zeitpunkt des Überganges aller mit diesem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Verbindlichkeiten auf den Legatar der Todestag des Erblassers (30. 5. 1988) vereinbart. Am 5. 12. 1988 - also noch vor förmlicher Übertragung des Drittel-Anteiles am Geschäftsanteil an den Legatar-faßte die Erbin den Gewinnauszahlungsbeschluß für das Geschäftsjahr 1987 und erhielt von der X-CmbH die Dividende ausbezahlt. Der Auffassung der Erbin, ihr stünden die Gewinne der GmbH für das Geschäftsjahr 1987 noch zur Gänze zu, weil damals der Erblasser noch gelebt hatte, und auch bis zum Tod des Erblassers im Jahre 1988 stünde ihr der Gewinn zeitanteilig allein zu, folgte der OGH nicht. Aus det Begründung: Die Streitteile haben die Übertragung des vom Erblasser dem nunmehrigen Kl vermachten Geschäftsanteiles mit Notariatsakt vom 15. 2.1989 vertraglich geregelt. Laut dessen Punkt 5 vereinbarten sie als Zeitpunkt des Ubergan- ges a//er mit diesem Geschäftsanteil verbundener Rechte und Verbindlichkeiten auf den Kl den Todestag des Erblassers, das ist der 30. 5.1988. Auf Grund dieser die Streitteile bindenden Vereinbarung sind - mangels Behauptung einer gegenteiligen Parteienabsicht- iS ihres Wortlautes sowohl das mit deni Geschäftsanteil verbundene, einen vermögensrechtlichen Bestandteil der Mitgliedschaftsrechte bildende (siehe ßaum-bach-Hueck, GmbHG14 Rz 49 zu § 29; Scholz, GmbHG7 I Rz 15,16 zu § 29) allgemeine Gewinnbezugsrecht des Erb: lassers als auch die seit seinem Tode aus dem allgemeinen Gewinnbezugsrecht erfließenden - von diesem streng zu trennenden (siehe Baumbach-Hueck aaO Rz49 zu § 29; Scholz aaO Rz 15,24 zu § 29; Hachenburg, GmbHG7 Rz 8, 12 zu § 29; Gcllis Feil, Ombl IG2, 241) - konkreten, nach der Beschlußfassungder Gesellschafter über die Gewinnausschüttungsofortfälligen und klagbaren Gewinnauszahlungsansprüche als jeweils mit dem Geschäftsanteil verbundene Rechte mit Stichtag 30. 5. 1988.auf den Kl übergegangen. Diesem steht daher gegenüber der Bekl vertragsgemäß auch der mit dem Geschäftsanteil verbundene, durch den Gesell-schafterbeschlußvom5.12.1988 entstandene Gewinnauszahlungsanspruch für das Geschäftsjahr 1987 im anteiligen Ausmaß zu. Entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin stellen auf der Grundlage' der gesetzlichen Regelungen nicht nur Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, 630 und Gellis-Feil aaO für den österr Rechtsbereich, sondern auch die angeführte Lehre bei Geschäftsanteilsübertragungen grundsätzlich auf die Fälligkeit des Gewinnauszahlungsanspruches ab und gestehen also noch nicht konkretisierte Gewinnauszahlungsansprüche dem Erwerber zu; die allfällige zeitanteilige Teilung dieser mit dem Geschäftsanteil verbundenen, nach der Anteilsübertragung entstandenen konkreten Gewinnauszahlungsansprüche mit dem Veräußerer ist lediglich Folge der positiven.Gesetzesanordnung des §101 Nr 2 dBGB. §35 Abs 1 Z1 und §76 GmbHG; §§ 662, 686 und § 914 ABGB OCH 30. 10. 1990, 8 Ob 643/91 VTS 088/91 ecolex 1991 95 GESELLSCHAFTSRECHT Heinz Keinert GENOSSENSCHAFTEN ALS FORMKAUFLEUTE Mit dem Firmenbuchgesetz wurde die Formkaufmannseigenschaft für bestimmte aufsichtsrats-pflichtige Genossenschaften eingeführt Für welche dies zutrifft, wird hier erörtert: 1. Fragestellung Das FirmenbuchG1) hat dem § 1 GenG einen neuen Abs 3 angefügt. Dieser erklärt die Genossenschaften, „sofern für sie nach § 24 ein Aufsichtsrat bestellt'werden muß", zu (Form-)Kaufleuten, auf die (vorbehaltlich abweichender Vorschriften des GenG) Handelsrecht anzuwenden ist. Unter diesen eindeutigen Gesetzeswortlaut fällt an sich nur der gesetzlich-obligatorische Aufsichtsrat „nach § 24" GenG. Nun hat aber jüngst Reich-Rohrwig2) gemeint, in diese Regelung seien auch der statutarisch-obligatorische Aufsichtsrat sowie Aufsichtsräte nach anderen Gesetzen, konkret bei „Genossenschaften nach dem WGG und Hoch-schülerschaftsG", einzubeziehen. Hinweise auf die möglichen Einwände fehlen allerdings gänzlich - wohl auch aufgrund der Knappheit des vom Autor beabsichtigten Überblicks., Beiden Fragen solLhieuiachgegangen werden: jener~. nach dem vom Statut angeordneten Aufsichtsrat einerseits (unten 2) und der nach dem Aufsichtsrat aufgrund anderer Gesetze als des GenG (nämlich § 12 WGG und Hochschü-lerschaftsG) andererseits (unten 3). 2. Statutarisch-obligatorischer Aufsichtsrat? Eine Aufsichtsratspflicht kann sich zum einen aus dem Gesetz ergeben, das - von den beiden genannten Sonderfällen abgesehen - an die Zahl der dauernd beschäftigten Arbeitnehmer anknüpft (mindestens vierzig; § 24 Abs 1 GenG); zum anderen, unabhängig davon, regelmäßig aus der Genossenschaftssatzung (§ 24 Abs 3 GenG).3) Für die Anwendung des § 1 Abs 3 GenG scheidet dieser statutarisch-obligatorische Aufsichtsrat jedoch wohl schon deshalb aus, weil § 24 Abs 3 GenG lediglich die entsprechende Gestaltungsmög//chke/'t der Satzung normiert. Die verpflichtende Formulierung („hat einen Aufsichtsrat zu bestellen")findet sich nur in Abs 1 zur gesetzlichen Pflicht. Dazu kommt aber, daß die Einbeziehung der satzungsmäßigen Aufsichtsratspflicht die höchst seltsame Rechtsfigur eines „Form-Kannkaufmanns" schaffen würde; Über ihr Statut (und dessen Änderung) hätte die Genossenschaft selber es in der Hand, völlig unabhängig von ihrer Größe4) über ihre (Form-)Kaufmannseigenschaft zu bestimmen. Eine entfernte Ähnlichkeit zu einer derartigen Gestaltungsmöglichkeit bestehtzwar schon bisher, nämlich in der Abhängigkeit bestimmter Pflichten im Bereich der Rechnungslegung bei der GmbH (auch) von einer gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung, einen Aufsichtsrat zu bestellen (§ 23 Abs 1 Z 3 GmbHG), zT sogar nur von dessen tatsächlichem Vorhandensein (Z 2). Dort geht es jedoch lediglich um die Anwendbarkeit einzelner, ganz bestimmter Rechnungslegungsvorschriften, hier dagegen um die Gesamtqualifikation als(Voll-)Kaufmann und damit um die Anwendbarkeit des ganzen Handelsrechts.5) 3, Analoge Anwendung bei Aufsichtsratspflicht nach anderen Gesetzen? Selbst der Versuch, die Formkaufmannseigenschaft laut § 1 Abs 3 GenG analog auf Genossenschaften auszudehnen, die nach anderen Gesetzen als dem GenG auf-sichtsratspflichtig sind (derzeit also nach §12 WGG und § 19 Abs 2 HochschülerschaftsG), wäre zum Scheitern verurteilt - und zwar aus mehreren, voneinander unabhängigen Erwägungen: a) Erstens bedürfte es schon sehr guter Gründe, um die eindeutige Formulierung „sofern ... nach § 24 ein Aufsichtsrat bestellt werden muß" um die hervorgehobenen Worte zu verkürzen,6) b) Zweitens bekräftigt der Bericht des Justizausschusses zu dieser Gesetzesstelle den Regelungswortlaut: Er 1) BGBl 1991/10. 2) Reich-Rohrwig, Rund um das Firmenbuchgesetz, ecolex 1991, 93 f. 3) Zur Unterscheidung s Keinert, ÖsterreichischesGenossenschafts-recht. tehr- und Handbuch (1988) Rz 374ff. 4) Siehe unten bei FN 7, 5) Hingegen für Einbeziehung Reich-Rohmig (oben FN 2), ohne freilich einen der möglichen Einwände, i'nsb die eben genannten, auch nur anzudeuten. 6) So aber Reich-Rohrwig (FN 2) 93 FN 1 für „Genossenschaften nach dem WGG und HochschülerschaftsG", allerdings wieder ohne auf das Grundproblem auch nur mit einem Wort einzugehen. Aufsichtsrat Formkaufmann Genossenschaft ecolex 1991 535 GESELLSCHAFTSRECHT hält es nämlich für „gerechtfertigt, diese Regelung nur für jene (großen) Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften einzuführen, die nach § 24 GenC obligatorisch einen Aufsichtsrat bestellen müssen". „Diezahlreichen, in Österreich bestehenden Kleingenossenschaften ohne vollkaufmännischen Geschäftsbetrieb" (gemeint: nach § 1 oder § 2 HGB; der Ausschuß verweist unmittelbar vorher ausdrücklich auf § 13 GenG) „sollen so wie schon bisher nicht Kaufleute kraft Rechtsform sein".7) Im Klartext: Eine größenunabhängige Formkaufmannseigenschaft wird abgelehnt. Genau sie träte jedoch ein, würde man die „Aufsichtsratspflicht" nach § 12 WGG oder § 19 Abs 2 HochschülerschaftsG einbeziehen.6) c) Drittens liegt, wenn man die beiden genannten Fälle scheinbar „gesetzlicher Aufsichtsratspflicht" näher betrachtet, letztere gar nicht vor. Nach dem HochschülerschaftsG ist sie lediglich „in der Satzung vorzusehen", und nach dem WGG besteht von vornherein nicht einmal eine derartige (immerhin spezialgesetzlich angeordnete) genos-senschafcrechtliche Pflicht, sondern lediglich eine gemein-nütz/g/ce/tsrechtliche: Nicht für ihren Bestand, sondern nur um als gemeinnützige Bauvereinigung anerkannt werden zu können, muß die Wohnungsgenossenschaft auch einige genossenschaftsrechtliche Erfordernisse erfüllen, welche insb die §§ 4 ff, .10 ff WGG aufstellen.8) Dazu gehört also auch § 12 WGG über die Aufsichtsrats„pflicht". Die Einbeziehung in § 1 Abs 3 GenG aus dem Titel statutarischer Aufsichtsratspflicht (die ja in beiden genannten Fällen besteht) scheidet aber, wie oben 2 dargelegt, gleichfalls aus, d) . Bei der gemeinnützigen Bauvereinigung im besonderen sprechen schließlich viertens, wenigstens am Rand, ihre (hier nichtnäherzu erörternden) Besonderheiten gerade auch von der Zweckseite gegen eine Analogie. Die Hauptrolle spielt dabei die zwingende gesetzliche Verpflichtung zum praktisch völligen Gewinnverzicht, aufgrund des strikten gemeinnützigkeitsrechtlichen Kostendeckungsprinzips nach den §§ 13 ff WGG sowie der Entgeltsrichtlinienverordnung (ERV),9) die sämtlich Preisbildungsregeln iwS enthalten, Die gemeinnützige Bauvereinigung-muß demnach .- mit ganz wenigen genau umschriebenen, .bloß ■ punktuellen Durchbrechungen-fürfremde Rechnungtätig werden,'so daß sie bei rechtmäßigem Verhalten mangels „gewerblicher Tätigkeit" keine Kaufmannseigenschaft kraft Gewerbebetriebs erlangen kann.10) Diese Zusammenhänge habe ich an anderer Stelle ausführlich dargelegt.11) 4. Ergebnis Aufgrund des neuen § 1 Abs 3 GenG sind Formkaufleute nur diejenigen Genossenschaften, die nach § 24 GenG (also wegen ihrer Arbeitnehmerzahl) einen Aufsichtsrat haben müssen12)-nichtdagegen solche mitbloß statutarischer Aufsichtsratspflicht (oben 2) oder mit einer nach-anderen Gesetzen als dem GenG (derzeit: WGG und HochschülerschaftsG; oben 3). Der diesbezüglich eindeutige Wortlaut der Regelung entspricht völlig ihrem Sinn und Zweck, 7) 23 BlgNR 18, CP; abgedruckt etwa bei Danz/, Das neue Firmenbuch (1991) 123 und Eiselsberg-Schenk-Weißmann, Firmen-' buchgesetz(1991)199f. 8) Siehe Keinert, Genossenschaftsrecht (FN 3) Rz 54 (gegen Ende), 157 aE (vgl dort für das Erfordernis einer Mindestzahl von 60 Mitgliedern; § 6 Abs 1 WGG). 9) BGBl 1986/311 idF BGBl 1990/317. 10) So die ganz herrschende Meinung zum HGB; vgl etwa Holzhammer, Handelsrecht2 (1982) 12 f sowie die zahlreichen weiteren Nachweise bei Straube in Straube (Hg), Handelsgesetzbuch ' (1987) § 1 HGB Rz 4, 6ff. 11) Siehe Keinert, Zum Geschäftskreis gemeinnütziger Bauvereinigungen (§ 7 WGG), WoBl 1991,109 (112 ff, insb 115 ff). 12) Ebenso nimmt, ohne Nennen von Gründen, der jüngst erschienene Kommentar von Eiselsberg-Schenk-Weißmann (FN 7)200 mit Selbstverständlichkeit den eingangs wiedergegebenen Gesetzestext „beim Wort". (Das Vorliegen der Arbeitnenmerzahl sei aus den Firmenbucheintragungen allerdings nicht ersichtlich.) Danz/ (FN 7) 122 f gibthiezu lediglich den Aussch'ußbericht wieder. R I: C HJ.SP RECH U-N-C- GesbR als Kooperation zwischen Architelden und Liegenschaftsvermittler §§ 1l75ffABGB Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann durch OCH schlüssiges Verhalten vereinbart werden. An den ge- 12.2.1991, ■ . meihschaftlich verfolgten Zweck der.Gesellschaft sind 8 Ob 707/89 . keine allzu strengen Maßstäbe anzulegen; in erster Linie ist darunter die Erzielung eines Gewinnes zu verstehen, doch reicht es aus, wenn die Erwerbsgesellschaft oder das Unternehmen der Gesellschafter auch nur indirekt gefördert werden soll. Selbst die Verfolgung ideeller Zwecke ist nicht ausgeschlossen. Die standesrechtliche Unzulässigkeit oder verwaltungsrechtliche Fragen der notwendigen Konzession haben für die Beurteilung, ob eine GesbR vorliegt, außer Betracht zu bleiben. . Der klagende Architekt, der Bekl (der zugleich Geschäftsführer der W-CmbH war) und die W-CmbH wickelten aufgrund einer länger dauernden Zusammenarbeit Bauprojekte derart ab, daß der Kl die Planungen für die zu errich- tenden Häuser entwarf, während die W-GmbH für die Vermittlung des Verkaufs zuständig war. Der Kl sollte außerdem bei den verkauften Liegenschaften Generalunternehmer des jeweiligen Käufers beim Bau des Hauses werden. Der Verkaufspreis wurde so ermittelt, daß der Kl zunächst die Höhe seiner Entlohnungfür PlahungundGeneralunternehmertätig-keit bekanntgab und sodann der Bekl sein jeweiliges Honorar dazuschlug. Es bestand keine Vereinbarung darüber, was geschehen sollte, wenn der eine oder andere Liegenschaftskäufer einen anderen Architelden als den Kl als'Generalunternehmer vorzog. Den Streitteilen war aber klar, daßjedei den ihm entstandenen Aufwand selbst ohne Anspruch auf Ersatz gegenüber dem anderen getätigt hätte. Der Kl begehrte vom Bekl Zahlung des Klagsbetrages als Architektenhonorar, in eventu aufgrund eines Verwendungsanspruches aus seinen Planungen für jene Liegenschaften, bei denen er von den Käufern nicht als Architekt und Generalunternehmer herangezogen wurde. 536 ecolex 1991 RIS 29.04.2002 Gericht OGH Entscheidungsdatum 29.04.2002 Geschäftszahl 7Ob73/02i Kopf Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Walter c*****, vertreten durch Dr. Gerhard Fink und andere Rechsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei u***** AG, *****, vertreten durch Liebscher Hübel & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 2,800.000 = EUR 203.483,94 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Obeiiandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2001, GZ 6 R 143/01y-26, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 4. Mai 2001, GZ 22 Cg 204/00H8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt: Spruch Der Revision wird nicht Folge gegeben. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 2.206,08 (darin enthalten EUR 367,68 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen. Text Entscheidungsgründe: Der Kläger hat bei der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei eine Unfallversicherung mit einer Versicherungssumme von S 2,000.000 abgeschlossen, die auch dauernde Invalidität umfasst. Laut Versicherungsvertrag ist ab einem Invaliditätsgrad von 50 % für den 50 % übersteigenden Teil die dreifache Leistung zu erbringen; bei Invalidität im Ausmaß von 80 % ergibt sich daher ein Anspruch von 140 % der Versicherungssumme, ds S 2,800.000. Dem Versicherungsvertrag lagen zum Unfallszeitpunkt die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 1989) zugrunde, die ua folgende Bestimmungen enthalten (besondere Hervorhebung der hier maßgeblichen Bestimmung durch den erkennenden Senat): Art. 17 Ausschlüsse Ausgeschlossen von der Versicherung sind Unfälle 1. bei der Benützung von Luftfahrtgeräten und bei Fallschirmabsprüngen sowie bei der Benützung von Luftfahrzeugen, soweit sie nicht unter die Bestimmung des Art. 6, Pkt. 4. fällt; 2. die bei Beteiligung an motorsportlichen Wettbewerben (auch Wertungsfahrten und Rallyes) und den dazugehörenden Trainingsfahrten entstehen; 3. bei der Teilnahme an Landes-, Bundes- oder internationalen Wettbewerben, bei denen eine körperliche Leistung im Vordergrund steht, sowie am offiziellen Training für diese Veranstaltungen; 4. die beim Versuch oder der Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen durch den Versicherten eintreten, für die Vorsatz Tatbestandsmerkmal ist; 5. die unmittelbar und mittelbar mit Kriegsereignissen jeder Art zusammenhängen; 6. durch innere Unruhen, wenn der Versicherte daran auf Seiten der Unruhestifter teilgenommen hat; 7. die mittelbar oder unmittelbar www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 4 P j 3 OGH 29.04.2002 m m - durch den Einfluss ionisierender Strahlen im Sinne des Strahlenschutzgesetzes (BGBl Nr. 227/1969) in der jeweils geltenden Fassung, - durch Kernenergie verursacht werden; 8. die der Versicherte infolge eines ihn treffenden Schlaganfalles erleidet; Herzinfarkt ist als Unfallursache nicht aber als Unfallfolge versichert; 9. die der Versicherte infolge einer Bewusstseinsstörung erleidet, oder infolge einer wesentlichen Beeinträchtigung seiner psychischen Leistungsfähigkeit durch Alkohol, Suchtgifte oder Medikamente; 10. durch körperliche Schädigung bei Heilmaßnahmen und Eingriffen, die der Versicherte an seinem Körper vornimmt oder vornehmen lässt, soweit nicht ein Versicherungsfall hiezu der Anlass war; soweit ein Versicherungsfall der Anlass war, findet Pkt 7. keine Anwendung. Art. 18 Sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes 1. Eine Versicherungsleistung wird nur für die durch den eingetretenen Unfall hervorgerufenen Folgen (körperliche Schädigung oder Tod) erbracht. 2. Bei der Bemessung des Invaliditätsgrades wird ein Abzug in Höhe einer Vorinvalidität nur vorgenommen, wenn durch den Unfall eine körperliche oder geistige Funktion betroffen ist, die schon vorher beeinträchtigt war. Die Vorinvalidität wird nach Art. 7 Punkte 2. und 3. bemessen. 3. Haben Krankheiten oder Gebrechen, die schon vor dem Unfall bestanden haben, die Unfallfolgen mit beeinflusst, ist die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens zu kürzen, sofern dieser Anteil mindestens 25 % beträgt. 4. Für organisch bedingte Störungen des Nervensystems wird eine Leistung nur erbracht, wenn und soweit diese Störung auf eine durch den Unfall verursachte organische Schädigung zurückzuführen ist. Seelische Fehlhaltungen (Neurosen, Psychoneurosen) gelten nicht als Unfallfolgen. 5. Für Bandscheibenhernien wird eine Leistung nur erbracht, wenn sie durch direkte mechanische Einwirkung auf die Wirbelsäule entstanden sind und es sich nicht um eine Verschlimmerung von vor dem Unfall bestandenen Krankheitserscheinungen handelt. 6. Für Bauch- und Unterleibsbrüche jeder Art wird eine Leistung nur erbracht, wenn sie durch eine von außen kommende mechanische Einwirkung direkt herbeigeführt worden sind und nicht anlagebedingt waren. Im Jahr 2000 wurden zwischen den Streitteilen anstatt der AUVB 1989 die AUVB 1995 vereinbart, deren Alt 17 Pkt 8. lautet: Ausgeschlossen von der Versicherung sind Unfälle 8. die der Versicherte infolge eines ihn treffenden Schlaganfalles erleidet; Herzinfarkt ist als Unfallursache, nicht aber als Unfallfolge versichert; Im Juni 1999 beteiligte sich der Kläger während eines Urlaubs in der Türkei als Tormann an einem Fußballspiel. Er wurde von einem sehr scharf geschossenen Ball auf der Brust getroffen und erlitt dadurch ein Thoraxtrauma. Unmittelbar darauf erlitt er einen Herzinfarkt, der eine 80 %ige Invalidität bewirkte. Eine Herzinfarktsprädisposition konnte beim Kläger nicht festgestellt werden. Der erlittene Herzinfarkt ist daher auf das Thoraxtrauma zurückzuführen. Mit der Behauptung, das Thoraxtrauma habe den Herzinfarkt ausgelöst (der Herzinfarkt sei also Unfallfolge gewesen) begehrt der Kläger im Hinblick auf seine nunmehrige Invalidität aus der Unfallversicherung von der Beklagten (entsprechend der eingangs erläuterten Berechnung) S 2,800.000. Die Beklagte beantragte das Klagebegehren abzuweisen, weil gemäß Art 17 Pkt 8. der AUVB (1989) Herzinfarkt als Unfallfolge von der Versicherung ausgeschlossen sei. Im Übrigen sei der Herzinfarkt gar nicht durch den scharf geschossenen Ball beim Fußballspiel verursacht worden, sondern es hätten beim Kläger "vorschädigende Risikoprofile wie insbesondere starker Nikotinkonsum und familiäre Vorbelastung bestanden". Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte, dem Gutachten des beigezogenen medizinischen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Heinz s***** folgend, noch fest, dass allein der scharfe Schuss auf die Brust bzw das dadurch bewirkte Thoraxtrauma - und nicht die von der Beklagten behaupteten Risikoprofile - den Herzinfarkt des Klägers ausgelöst habe. Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Herzinfarktklausel halte der Geltungskontrolle des § 864a ABGB nicht stand, weil Art 17 AUVB 1989 - mit Ausnahme der Herzinfarktklausel - an Unfallsursachen anknüpfe; die Herzinfarktklausel wäre in Art 18 AUVB 1989 zu erwarten, der - zufolge sachlicher Begrenzung des Versicherungsschutzes - Unfallsfolgen betreffe. Der Kläger habe daher mit der Herzinfarktklausel in Art 17 nicht zu rechnen gehabt. Aber auch wenn man die Herzinfarktklausel als rechtmäßigen Vertragsbestandteil qualifiziere, sei für die Beklagte nichts gewonnen. Art 17 Pkt 8. AUVB 1989 sei nämlich missverständlich formuliert, weshalb dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer unklar bleibe, ob Herzinfarkt als Unfallursache oder als Unfallsfolge versichert sei. Eine undeutliche Äußerung sei zum Nachteil dessen auszulegen, der sich ihrer bedient habe, hier daher zum Nachteil der Beklagten. Hievon ausgehend lasse Art 17 Pkt 8. AUVB 1989 nur die Interpretation zu, dass Herzinfarkt als www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 4 RIS OGH 29.04.2002 m m Unfallsfolge nur dann von der Deckung ausgenommen sei, wenn sich durch das Unfallereignis eine Herzinfarktprädisposition des Versicherungsnehmers realisiere. Die Risikoprofile des Klägers hätten aber im vorliegenden Fall eben nicht zum Herzinfarkt geführt. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die von der Beklagten darin erblickt werde, dass das Erstgericht hinsichtlich der Frage der Unfallskausalität des Herzinfarkts dem vom Gericht beigezogenen Sachverständigen und nicht einem von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten gefolgt ist, liege nicht vor. Der medizinische Sachverständige, der gerichtsnotorisch als Internist und Kardiologe äußerst erfahren sei, habe seine Fachmeinung unter Heranziehung einschlägiger Fachliteratur schlüssig und nachvollziehbar begründet, weshalb für eine von der Beklagten angestrebte ergänzende Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen kein Anlass bestehe. Ausgehend von den als Ergebnis einer unbedenküchen Beweiswürdigung vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts versage auch die Rechtsrüge: Die Formulierung des Art 17 Pkt 8. AUVB 1989 rechtfertige sowohl das Verständnis, dass Herzinfarkt als Unfallsursache, nicht aber als Unfallsfolge versichert sei, aber auch, dass Herzinfarkt als Unfallsursache nicht, wohl aber als Unfallsfolge versichert sei. Es liege also eine undeutliche Äußerung vor, die zum Nachteil der Beklagten auszulegen sei. Eine deren Standpunkt stützende Formulierung finde sich erst in Art 17 Pkt 8. der AUVB 1995, wo durch Setzung eines Beistriches klar gestellt sei, dass Herzinfarkt als Unfallsursache, nicht aber als Unfallsfolge versichert sei. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten habe der Kläger auch nicht mit der Herzinfarktklausel im von ihr verstandenen Sinn in Art 17 zu rechnen brauchen; wäre sie Folgeklausel, so wäre sie Art 18 AUVB 1989 zuzuordnen, der die sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes regle. Sowohl unter dem Gesichtspunkt des § 915 zweiter Satz ABGB als auch des § 864a ABGB schließe die Herzinfarktklausel die Deckung aus der Unfallsversicherung daher auch dann nicht aus, wenn der Herzinfarkt als Unfallsfolge auftrat. Seinen Zulassungsausspruch begründete das Berufungsgericht damit, dass eine den Standpunkt der Beklagten stützende Interpretation der Herzinfarktklausel nicht denkunmöglich und hiezu keine Rechtsprechung vorhanden sei. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, die unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Beklagten entweder als unzulässig zurückzuweisen, oder aber ihm keine Folge zu geben. Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt. Rechtliche Beurteilung Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht gegeben, was gemäß § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO an sich keiner weiteren Begründung bedarf. Ganz kurz sei lediglich bemerkt, dass der Vorwurf, das Berufungsgericht habe sich mit der Beweiswürdigungsrüge der Beklagten nicht befasst, unzutreffend ist. Soweit die Beklagte auch in der Revision als Verfahrensmangel rügt, dass die von ihr angestrebte neuerliche Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen unterblieb, ist sie darauf hinzuweisen, dass die neuerliche Geltendmachung eines Verfahrensmangels dem Revisionswerber versagt ist. Wurde ein Mangel erster Instanz in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint, kann dieser Mangel nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr in der Revision gerügt werden (Kodek in Rechberger2 Rz 3 zu § 503 ZPO mwN). Dieser Grundsatz wäre nur dann unanwendbar, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen (SZ 53/12 = JB1 1981, 268 mwN) oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (SZ 38/120; SZ 53/12 ua; Kodek aaO), was aber hier beides nicht zutrifft. In ihrer Rechtsrüge hält die Beklagte daran fest, dass die "Herzinfarktklausel" des Art 17 Pkt 8. AUVB 1989 dahin ausgelegt werden müsse, dass Herzinfarkt zwar als Unfallsursache versichert, als Unfallsfolge aber vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sei. Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen: Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 ff ABGB) auszulegen. Die Auslegung hat sich daher am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (VR 1992/277; VR 1992/284; RIS-Justiz RS0050063 mwN, zuletzt etwa 7 Ob 115/01i; 7 Ob 103/01z und 7 Ob 168/01h). Die einzelnen Klauseln der Versicherungsbedingungen sind, wenn sie - wie hier - nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen (VR 1990, 57 = RdW 1989, 329 [Schauer]; VR 1992, 88; ecolex 1994, 610; 7 Ob 147/00v; 7 Ob 41/01g uva). Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein www.ris.bka.gv.at Seite 3 von 4 P13 OGH 29.04.2002 m durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten im Sinne des § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders der AGB, also des Versicherers gehen (7 Ob 2136/96k mwN, RIS-Justiz RS008901 [T 12]; zuletzt etwa 7 Ob 103/01 z; Rummel in RummeB Rz 13 zu § 864a mwN). Unzulässig ist es, etwa neuere Fassungen von AVB zur Auslegung älterer AVB heranzuziehen (7 Ob 54/87, VersE 1363 = VR 1998/129 = VersR 1989, 315; vgl 7 Ob 37/89, VersE 1451 = VersR 1990, 445 = VR 1990/198 = JB1 1990, 316 = EvBl 1990/28 = SZ 62/168; Fenyves, zur "Herzinfarkt-Klausel" der Privaten Unfallversicherung, FS Krejci II, 1153 [1157]). Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Auslegungsergebnis der Vorinstanzen zu billigen: Im Gegensatz zur betreffenden Nachfolgebestimmung der AUVB 1995 wurde es in den AUVB 1989 unterlassen, dem Art 17 Pkt 8., zweiter Halbsatz, durch Setzung eines Beistrichs eine klare, unmissverständliche Fassung zu geben. Durch Setzung des Beistrichs ist nämlich der Satz "Herzinfarkt ist als Unfallursache, nicht aber als Unfallfolge versichert" in den AUVB 1995 grammatikalisch eindeutig dahin zu verstehen, dass Herzinfarkt als Unfallursache wohl, nicht jedoch als Unfallsfolge vom Versicherungsschutz umfasst sei. Mangels einer Beistrichsetzung in den AUVB 1989 ist - entgegen der Auffassung der Revisionswerberin - durchaus auch eine Lesart möglich, wonach Herzinfarkt als Unfallursache nicht, aber (sehr wohl) als Unfallsfolge versichert sei. Eine solche Auslegung wird entgegen der Meinung der Beklagten also durch die Verwendung des Wortes "aber" keineswegs verhindert. Indizien, die eine solche Lesart so wenig wahrscheinlich machten, dass sie aus der objektiven Sicht eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers ausgeschlossen werden könnte, sind nicht zu erkennen. Insbesondere kann auch aus systematischen Erwägungen und auch aus dem Blickwinkel des einem objektiven Betrachter erkennbaren Zwecks dieser Bestimmung keine eindeutige Schlussfolgerung dahin gezogen werden, dass nur ein Ausschluss des Herzinfarkts als Unfallsfolge, nicht aber als Unfallsursache in Betracht käme. Die damit gegebene Unklarheit muss im Sinne des § 915 ABGB zweiter Halbsatz zu Lasten des beklagten Versicherungsunternehmens gehen. Im Zweifel genießt also nach den AUVB 1989 Herzinfarkt (auch) als Unfallsfolge Versicherungsschutz. Zu erwähnen ist noch, dass Fenyves in seinem bereits erwähnten Beitrag in der Festschrift Krecij hinsichtlich der "Herzinfarkt-Folgenklauseln" der AUVB 1995 (also "mit Beistrich), im Wege der systematisch-teleologischen Interpretation und auch über eine Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB, mit sehr beachtenswerten und vom erkennenden Senat geteilten Argumenten zum (auch auf die insoweit ganz vergleichbaren AUVB 1989 anwendbaren) Ergebnis kommt, dass selbst die "Herzinfarkt-Folgenklausel" des Art 17 Z 8 AUVB 1995 (die nach der reinen Wortinterpretation Versicherungsdeckung für Herzinfarkt als Unfallfolge kategorisch ausschließt) einschränkend dahin zu verstehen ist, dass sich der Deckungsausschluss auf jene Fälle beschränkt, in denen ein Herzinfarkt als Unfallfolge anlagebedingt ist. Eine derartige Herzinfarktsprädisposition war hier nicht feststellbar. Die Vorinstanzen haben demnach die Deckungspflicht der Beklagten betreffend die aus dem unfallskausalen Herzinfarkt resultierende Invalidität des Klägers ohne Rechtsirrtum bejaht. Die Anspruchshöhe bildet keinen Streitpunkt. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. www.ris.bka.gv.at Seite 4 von 4 ER GERICH .er 7 0b 24/15b Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Todeserklärungssache des A***** m*****, geboren am *****, Antragstellerin l***** g*****s vertreten durch Dr. Alexander Isola, Rechtsanwalt in Graz, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 17. Dezember 2014, GZ 5 R 170/14b-32, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-West vom 23. Juli 2014, GZ 317 T l/14m-18, bestätigt wurde, den Beschluss gefasst: Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben. Begründung: Die Antragstellerin begehrte, ihren am ***** 1990 geborenen Lebensgefährten für tot zu erklären. Der Lebensgemeinschaft würden insgesamt drei Kinder entstammen; zu zwei Kindern habe der Lebensgefährte seine Vaterschaft anerkannt. Am 15. 3. 2013 sei er nach Syrien 2 7 0b 24/15b geflogen und habe an den dort stattfindenden kriegerischen Auseinandersetzungen auf einer ihr unbekannten Seite teilgenommen. Seit 19. 3. 2013 sei er verschollen; seit diesem Zeitpunkt habe die Antragstellerin nichts mehr von ihm gehört. Das Erstgericht wies den Todeserklärungsantrag ab. Es ging davon aus, dass der Verschollene vermutlich Angehöriger einer radikalislamistischen Miliz, die im syrischen Bürgerkrieg gegen die Regierung sowie Teile der Freien Syrischen Armee und kurdische Volksverteidigungseinheiten kämpft, war. Rechtlich verneinte das Erstgericht die Anwendbarkeit des § 4 TEG, weil der Verschollene nicht als Angehöriger einer bewaffneten Macht agiert habe. Dafür sei die - hier nicht vorliegende -Zugehörigkeit zu einem staatlichen Heer oder einer militärischen Organisation, die über ein einem staatlichen Heer gleichwertiges Kontrollsystem verfügt, nötig. Eine Gefahrverschollenheit gemäß § 7 TEG komme nicht in Betracht, weil die bloße Teilnahme an Kampfhandlungen nicht als lebensgefährliche Situation im Sinn dieser Gesetzesstelle anzusehen sei. Auch habe die einjährige Verschollenheitsfrist noch nicht zu laufen begonnen, weil die Kampfhandlungen noch anhalten würden. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Für die Einordnung unter den Begriff „bewaffnete Macht" im Sinn des § 4 TEG sei die listenmäßige Erfassung der Angehörigen maßgeblich. Dem würden radikalislamistische Gruppierungen, die ihre Angehörigen über Glaubensvereine und Gebetsstätten rekrutieren und auf nicht nachvollziehbaren Wegen in das jeweilige Kampfgebiet einschleusen, nicht entsprechen. Die Teilnahme an den Kampfhandlungen in Syrien stelle zwar entgegen dem 3 7 0b 24/15b Erstgericht eine lebensgefährliche Situation im Sinn des § 7 TEG dar. Da jedoch aufgrund der nach wie vor andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen die damit einhergehende Lebensgefahr noch nicht beendet sei und ihr Ende zufolge des behaupteten Eintritts der Verschollenheit während der Teilnahme an den insgesamt noch nicht beendeten Kampfhandlungen auch noch nicht erwartet habe werden können, habe die einjährige Verschollenheitsfrist des § 7 TEG noch nicht zu laufen begonnen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Den Rechtsfragen, ob eine radikalislamistische Gruppierung eine bewaffnete Macht im Sinn des § 4 TEG darstelle und ob die freiwillige Teilnahme an kriegsähnlichen Unternehmen als lebensgefährliche Situation im Sinn des § 7 TEG zu qualifizieren sei, komme erhebliche Bedeutung zu. Der dagegen von der Antragstellerin erhobene Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt. 1. Gemäß § 1 TEG ist verschollen, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne dass Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist, sofern nach den Umständen hiedurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden (Abs 1), nicht verschollen ist, wessen Tod nach den Umständen nicht zweifelhaft ist (Abs 2). Neben diesen Voraussetzungen wird für die Einleitung eines Todeserklärungsverfahrens der Ablauf einer bestimmten Frist verlangt, die grundsätzlich mit zehn Jahren (§ 3 TEG), in den Fällen der sogenannten Gefahrverschollenheit (§§4 bis 7 TEG) jedoch wesentlich kürzer, nämlich je nach Tatbestand 4 7 0b 24/15b mit einem von drei Monaten bis zu einem Jahr reichenden Zeitraum bemessen ist. Der Revisionsrekurs strebt die Todeserklärung des Verschollenen nach § 4 TEG (Kriegsverschollenheit) und § 7 TEG (allgemeine Gefahrverschollenheit) wegen der dort normierten Jahresfrist - die Frist nach § 3 TEG ist noch nicht abgelaufen - an. In diesem Zusammenhang wird vorgebracht, dass der Lebensgefährte der Antragstellerin unter Umständen vermisst werde, die eine hohe Wahrscheinlichkeit seines Todes begründeten. 2. Zu § 4 TEG: 2.1. Wer als Angehöriger einer bewaffneten Macht an einem Krieg, einem kriegsähnlichen Unternehmen oder einem besonderen Einsatz teilgenommen hat, während dieser Zeit im Gefahrgebiet unter Umständen, die eine hohe Wahrscheinlichkeit seines Todes begründen, vermisst und seitdem verschollen ist, kann gemäß § 4 Abs 1 und 2 TEG für tot erklärt werden, wenn seit dem Zeitpunkt, in dem er vermisst worden ist, ein Jahr verstrichen ist. Gemäß § 4 Abs 3 TEG steht den Angehörigen einer bewaffneten Macht gleich, wer sich bei ihr aufgehalten hat. Zu klären ist hier zunächst der von der Kriegsverschollenheit erfasste Personenkreis. 2.2. Dazu hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 308/48 (= SZ 21/168) unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien (abgedruckt in Sabaditsch, Die Gesetzgebung über Verschollenheit, Todeserklärung und Beweisführung des Todes, 19) ausgesprochen, dass die besonderen Vorschriften über die Kriegsverschollenheit nur auf solche Personen angewendet werden können, die einem besonderen Kontrollsystem unterstehen, bei denen also die Voraussetzung des Vermisstseins einwandfrei festgestellt werden kann. Damit kann nur ein Kontrollsystem gemeint 5 7 0b 24/15b sein, das für die bewaffnete Macht besteht, der die Person angehört, nicht aber auch jenes des Kriegsgegners. 2.3. In den Gesetzesmaterialien zu § 4 TEG (aaO) wird noch zusätzlich ausgeführt, dass § 4 Abs 3 TEG den Kreis der den Angehörigen der bewaffneten Macht gleichgestellten Personen übereinstimmend mit dem Begriff des Heeresgefolges bestimme. Es werde Aufgabe der Rechtsprechung sein, eine Abgrenzung dieses Begriffs zu finden, die dem vorerwähnten Grundgedanken Rechnung trage. 2.4. In der Lehre wird Folgendes vertreten: 2.4.1. Für Posch (in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 4 TEG Rz 3 ff) sind die in den Gesetzesmaterialien dargelegten Erwägungen zum besonderen Kontrollwesen historisch bedingt und nicht völlig überzeugend, weil auch ein optimal organisiertes militärisches Kontrollwesen im Einzelfall keine restlose Aufklärung über den Verbleib eines vermissten Kombattanten bieten könne. Dass bei der Regelung der Kriegsverschollenheit auf deren Verknüpfung mit dem militärischen Kontrollwesen besonderes Gewicht gelegt worden sei, habe gleichwohl seine Begründung darin, dass militärische Meldungen gewöhnlich die Voraussetzung von Ermittlungen durch die Gerichte bilden würden. Wer Angehöriger einer bewaffneten Macht sei, bestimme sich nach den einschlägigen nationalen Gesetzen. Die listenmäßige Erfassung der Angehörigen der bewaffneten Macht gehöre zum Wesen militärischer Evidenzhaltung, weshalb eine exakte Abgrenzung des von dem Begriff „Angehörige einer bewaffneten Macht" betroffenen Personenkreis leicht möglich sei. Den Angehörigen einer bewaffneten Macht seien Personen gleichgestellt, die sich bei ihr aufgehalten haben. Darunter sei das „Heeresgefolge" gemeint. 6 7 0b 24/15b 2.4.2. Nach Sabaditsch (aaO § 4 TEG FN 3 und 5) sei der Begriff der bewaffneten Macht rein tatsächlicher Natur und aufgrund der tatsächlichen Gestaltung der Verhältnisse zu entscheiden. Die Wehrverfassung des Staates gebe zwar wesentliche Anhaltspunkte, enthalte aber nur das Mindestmaß dessen, was zur bewaffneten Macht zu zählen sei. Auch andere Streitkräfte könnten die Eigenschaft einer bewaffneten Macht oder eines Teils davon haben, sofern sie nur für militärische Zwecke eingesetzt seien. Unter „bewaffnete Macht" fielen die Streitkräfte aller selbständigen Staaten, die Truppen von nichtselbständigen Staaten und von Aufständischen, sofern sie nur über ausreichende Überwachungseinrichtungen verfügen, unter festem Oberbefehl stehen und wenigstens die wichtigsten Grundsätze des Kriegsrechts beachten würden. § 4 Abs 3 TEG sei aus der allgemeinen Erwägung einschränkend auszulegen, dass unter den Voraussetzungen der Kriegsverschollenheit nur der für tot erklärt werden dürfe, dessen Verbleib einer ständigen Überwachung unterlegen habe. Zu diesem Personenkreis würden alle Personen gehören, die in einem Amts- oder Dienstverhältnis zur bewaffneten Macht stehen, aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht als Angehörige der bewaffneten Macht bezeichnet werden. Keinesfalls fielen darunter Personen, die sich rechtswidriger Weise oder gegen den Willen der Truppenführung unter die bewaffnete Macht gemischt hätten. 2.5. In der deutschen Lehre zur vergleichbaren Bestimmung des § 4 Verschollenheitsgesetz wird vertreten, dass die Rechtsordnung des jeweiligen Staates regle, wer Angehöriger einer bewaffneten Macht sei. § 4 Abs 3 leg cit - wortident mit § 4 Abs 3 TEG - dehne den erfassten Personenkreis auf das „Heeresgefolge" aus. Die listenmäßige 7 7 0b 24/15b Erfassung grenze jeweils den Personenkreis ab, für die die Kriegsverschollenheitsbestimmung in Betracht komme. Widerstandskämpfer (in einem Bürgerkrieg) würden - mangels listenmäßiger Erfassung - nicht unter das Heeresgefolge fallen (Habermann in Staudinger, BGB [2013] § 4 VerschG Rn 1 bis 3 mwN; Egerland in Burandt/Rojahn, Erbrecht2 § 4 VerschG Rn 3 f). 2.6. Um als Angehöriger einer bewaffneten Macht im Sinn des § 4 Abs 1 TEG zu gelten, wird übereinstimmend ein besonderes Kontrollwesen gefordert; dies wird auch in den Gesetzesmaterialien als notwendig angesehen. Für ein Abgehen von diesem restriktiven Verständnis, das bereits der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 1 Ob 308/48 zu Grunde lag, besteht kein Anlass. Nach § 3 TEG bedarf es im Allgemeinen des Ablaufs einer Frist von zehn Jahren seit dem Ende des Jahres, in dem der Verschollene nach den vorhandenen Nachrichten noch gelebt hat. § 4 TEG normiert für den Sonderfall der Kriegsverschollenheit eine Verkürzung der Verschollenheitsfrist auf ein Jahr. Schon diese massive Fristverkürzung legt es nahe, den Sonderfall restriktiv zu handhaben. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Verschollene in Syrien als Angehöriger einer radikalislamistischen Gruppierung an Kämpfen teilnahm. Einer solchen Gruppierung fehlt die staatliche Anerkennung und es ergibt sich weder aus dem Akteninhalt noch wird dies im Revisionsrekurs behauptet, dass diese über ein wie immer geartetes Kontrollwesen verfügen würde. Vielmehr ist nicht einmal klar, welcher konkreten Gruppierung der Verschollene bei seiner Teilnahme an den Kampfhandlungen angehörte. Damit werde nicht der Nachweis erbracht, dass der Verschollene zum Personenkreis des § 4 Abs 1 TEG gehört. 8 7 0b 24/15b 3. Zu § 7 TEG: 3.1. Wer unter anderen als den in den §§4 bis 6 TEG bezeichneten Umständen in eine Lebensgefahr gekommen und seitdem verschollen ist, kann nach § 7 TEG für tot erklärt werden, wenn seit dem Zeitpunkt, in dem die Lebensgefahr beendigt ist oder ihr Ende nach den Umständen erwartet werden konnte, ein Jahr verstrichen ist. Diese Bestimmung ist heranzuziehen, wenn beispielsweise die Anwendung des § 4 TEG zweifelhaft ist, weil die Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 4 TEG nicht sicher festgestellt werden kann (Sabaditsch aaO § 7 TEG FN 5). 3.2. Die ständige Rechtsprechung versteht unter Lebensgefahr ein Zusammentreffen von Umständen, durch die das Leben eines Menschen ernstlich bedroht ist. Der Eintritt des Todes muss sich nach subjektiven und objektiven Gesichtspunkten als wahrscheinlich darstellen (RIS-Justiz RS0075717). Die Beurteilung, ob sich der Verschollene in Lebensgefahr befand, richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls (2 Ob 81/08p = RIS-Justiz RS0123932). Nicht notwendig ist, dass die Gefahr durch einen Unfall herbeigeführt worden ist. Der Tatbestand des § 7 TEG kann auch dann erfüllt sein, wenn sich jemand freiwillig in die Gefahr begeben hat (2 Ob 81/08p = RIS-Justiz RS0123933). Die einjährige Verschollenheitsfrist des § 7 TEG setzt mit Ablauf jenes Tages ein, an dem nach den Umständen mit der Rückkehr des Verschollenen zu rechnen war (2 Ob 81/08p = RIS-Justiz RS0123934). Sie beginnt daher grundsätzlich mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die Lebensgefahr tatsächlich beendet worden ist oder zu dem ihr Ende nach den Umständen erwartet werden konnte (Posch aaO § 7 TEG Rz 6; Sabaditsch aaO § 7 TEG FN 6; Aichinger, Die Todeserklärung österreichischer Flutopfer, ÖJZ 2006/1). 9 7 0b 24/15b Ein Ende der Kampfhandlungen in Syrien und damit der einhergehenden Gefahrensituation liegt aufgrund des nach wie vor andauernden Konflikts nicht vor. Es bestehen keine aktenmäßige Anhaltspunkte dafür, dass die Kampfhandlungen in jenem Gebiet, in dem sich der Verschollene aufgehalten hat, beendet worden wären. Dies wird auch vom Revisionsrekurs nicht konkret behauptet. Dass der Verschollene bereits „seit geraumer Zeit" nicht mehr für die Vereinigung tätig wäre, steht entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs nicht fest. Zudem sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Verschollene mehr als ein Jahr vor der Antragstellung seine Rückkehr beabsichtigt hätte. 3.3. Insgesamt folgt daraus, dass ausgehend von den vorliegenden Verfahrensergebnissen die Verschollenheitsfrist des § 7 TEG noch nicht zu laufen begonnen hat. Eine Todeserklärung nach § 7 TEG kommt daher nicht in Betracht. 4. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Oberster Gerichtshof, Wien, am 16. März 2016 Dr. Kalivoda Für die Richtigkeit der Ausfertigung die Leiterin der Geschäftsabteilung: RIS Bundesrecht konsolidiert Gesamte Rechtsvorschrift für Todeserklärungsgesetz 1950, Fassung vom 06.10.2016 Langtitel Todeserklärungsgesetz 1950. StF: BGBl. Nr. 23/1951 (WV) Änderung BGBl. Nr. 304/1978 (NR: GP XIV RV 784 AB 945 S. 96. BR: AB 1841 S. 377.) BGBl. Nr. 135/1983 (NR: GP XV RV 669 AB 1337 S. 144. BR: 2654 AB 2660 S. 432.) BGBl. INr. 191/1999 (BG) (1. BRBG) (NR: GPXXRV 1811 AB 2031 S. 179. BR: AB 6041 S. 657.) BGBl. I Nr. 112/2003 (NR: GP XXII RV 225 AB 269 S. 38. BR: AB 6896 S. 703.) Text Abschnitt I. Voraussetzungen der Todeserklärung. Lebens- und Todesvermutungen. (§§ 1 bis 11 des Gesetzes über die Verschollenheit, die Todeserklärung und die Feststellung der Todeszeit vom 4. Juli 1939, Deutsches RGBl. I S. 1186:) § 1. (1) Verschollen ist, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne daß Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist, sofern nach den Umständen hiedurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden. (2) Verschollen ist nicht, wessen Tod nach den Umständen nicht zweifelhaft ist. § 2. Ein Verschollener kann unter den Voraussetzungen der §§ 3 bis 7 im Aufgebotsverfahren für tot erklärt werden. § 3. (1) Die Todeserklärung ist zulässig, wenn seit dem Ende des Jahres, in dem der Verschollene nach den vorhandenen Nachrichten noch gelebt hat, zehn Jahre oder, wenn der Verschollene zur Zeit der Todeserklärung das achtzigste Lebensjahr vollendet hätte, fünf Jahre verstrichen sind. (2) Vor dem Ende des Jahres, in dem der Verschollene das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet hätte, darf er nach Abs. 1 nicht für tot erklärt werden. § 4. (1) Wer als Angehöriger einer bewaffneten Macht an einem Kriege, einem kriegsähnlichen Unternehmen oder einem besonderen Einsatz teilgenommen hat, während dieser Zeit im Gefahrgebiet vermißt worden und seitdem verschollen ist, kann für tot erklärt werden, wenn seit dem Ende des Jahres, in dem der Friede geschlossen, der besondere Einsatz für beendigt erklärt oder der Krieg oder das kriegsähnliche Unternehmen ohne Friedensschluß tatsächlich beendigt ist, ein Jahr verstrichen ist. (2) Ist der Verschollene unter Umständen vermißt, die eine hohe Wahrscheinlichkeit seines Todes begründen, so wird die im Abs. 1 bestimmte Jahresfrist von dem Zeitpunkt ab berechnet, in dem er vermißt worden ist. (3) Den Angehörigen einer bewaffneten Macht steht gleich, wer sich bei ihr aufgehalten hat. (4) Wann der Fall eines besonderen Einsatzes vorliegt und wann er beendigt ist, bestimmt das Bundesministerium für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Inneres. (§ 3 Abs. 2 des Behörden-Überleitungsgesetzes vom 20 Juli 1945, StGBl. Nr. 94, in der Fassung der Zweiten Behörden-Überleitungsgesetz-Novelle vom 18. Jänner 1946, BGBl. Nr. 64.) § 5. (1) Wer bei einer Fahrt auf See, insbesondere infolge Untergangs des Schiffes, verschollen ist, kann für tot erklärt werden, wenn seit dem Untergang des Schiffes oder dem sonstigen die Verschollenheit begründenden Ereignis sechs Monate verstrichen sind. (2) Ist der Untergang des Schiffes, der die Verschollenheit begründet haben soll, nicht feststellbar, so beginnt die Frist von sechs Monaten (Abs. 1) erst ein Jahr nach dem letzten Zeitpunkt, zu dem das Schiff nach den vorhandenen Nachrichten noch nicht untergegangen war; das Gericht kann diesen Zeitraum von einem Jahr bis auf drei Monate verkürzen, wenn nach anerkannter seemännischer Erfahrung wegen der www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 5 RIS Bundesrecht konsolidiert Beschaffenheit und Ausrüstung des Schiffes, im Hinblick auf die Gewässer, durch welche die Fahrt fuhren sollte, oder aus sonstigen Gründen anzunehmen ist, daß das Schiff schon früher untergegangen ist. § 6. Wer bei einem Fluge, insbesondere infolge Zerstörung des Luftfahrzeugs, verschollen ist, kann für tot erklärt werden, wenn seit der Zerstörung des Luftfahrzeugs oder dem sonstigen die Verschollenheit begründenden Ereignis oder, wenn diese Ereignisse nicht feststellbar sind, seit dem letzten Zeitpunkt, zu dem der Verschollene nach den vorhandenen Nachrichten noch gelebt hat, drei Monate verstrichen sind. § 7. Wer unter anderen als den in den §§4 bis 6 bezeichneten Umständen in eine Lebensgefahr gekommen und seitdem verschollen ist, kann für tot erklärt werden, wenn seit dem Zeitpunkt, in dem die Lebensgefahr beendigt ist oder ihr Ende nach den Umständen erwartet werden konnte, ein Jahr verstrichen ist. § 8. Liegen bei einem Verschollenen die Voraussetzungen sowohl des § 4 als auch der §§5 oder 6 vor, so ist nur der § 4 anzuwenden. § 9. (1) Die Todeserklärung begründet die Vermutung, daß der Verschollene in dem im Beschluß festgestellten Zeitpunkt gestorben ist. (2) Als Zeitpunkt des Todes ist der Zeitpunkt festzustellen, der nach dem Ergebnis der Ermittlungen der wahrscheinlichste ist. (3) Läßt sich ein solcher Zeitpunkt nicht angeben, so ist als Zeitpunkt des Todes festzustellen: a) in den Fällen des § 3 das Ende des fünften Jahres oder, wenn der Verschollene das achtzigste Lebensjahr vollendet hätte, des dritten Jahres nach dem letzten Jahre, in dem der Verschollene den vorhandenen Nachrichten zufolge noch gelebt hat; b) in den Fällen des § 4 der Zeitpunkt, in dem der Verschollene vermißt worden ist; c) in den Fällen der §§ 5 und 6 der Zeitpunkt, in dem das Schiff untergegangen, das Luftfahrzeug zerstört oder das sonstige die Verschollenheit begründende Ereignis eingetreten oder - falls dies nicht feststellbar ist - der Verschollene zuerst vermißt worden ist; d) in den Fällen des § 7 der Beginn der Lebensgefahr. (4) Ist die Todeszeit nur dem Tage nach festgestellt, so gilt das Ende des Tages als Zeitpunkt des Todes. § 10. Solange ein Verschollener nicht für tot erklärt ist, wird vermutet, daß er bis zu dem im § 9 Abs. 3, 4 genannten Zeitpunkt weiter lebt oder gelebt hat. § 11. Kann nicht bewiesen werden, daß von mehreren gestorbenen oder für tot erklärten Menschen der eine den anderen überlebt hat, so wird vermutet, daß sie gleichzeitig gestorben sind. Abschnitt II. Inländische Gerichtsbarkeit § 12. Die inländische Gerichtsbarkeit zur Todeserklärung eines Verschollenen ist gegeben, wenn 1. er in dem letzten Zeitpunkt, in dem er nach den vorhandenen Nachrichten noch gelebt hat, österreichischer Staatsbürger gewesen ist oder 2. er Vermögen im Inland hat oder 3. die Tatsache seines Todes für ein im Inland zu beurteilendes Recht oder Rechtsverhältnis erheblich ist oder 4. der Antrag auf Todeserklärung vom Ehegatten des Verschollenen gestellt wird und dieser Ehegatte entweder österreichischer Staatsbürger ist oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und zur Zeit der Eheschließung mit dem Verschollenen österreichischer Staatsbürger gewesen ist. Abschnitt III. Todeserklärung. § 13. Zur Todeserklärung eines Verschollenen ist das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel der Verschollene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte, sonst das Bezirksgericht Innere Stadt Wien. § 14. Soweit in diesem Gesetz nicht etwas anderes verfügt wird, sind in dem Verfahren über das Ansuchen um eine Todeserklärung die allgemeinen Anordnungen über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen in Anwendung zu bringen. www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 5 lo ■ Bundesrecht konsolidiert § 15. (1) Alle für die richterliche Beurteilung maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse sind durch eine amtliche Untersuchung zu ermitteln. (2) In Beziehung auf die Benützung von Beweismitteln und auf die Würdigung der Beweise ist das Gericht an gesetzliche Regeln nicht gebunden. (3) Die Partei, welche das Ansuchen um Todeserklärung gestellt hat, und andere Personen können erforderlichenfalls auch eidlich vernommen werden. § 16. Wenn zu besorgen ist, daß die Feststellung von Tatsachen, welche für die Erwirkung einer Todeserklärung von Einfluß sein können, bei längerem Aufschub unmöglich gemacht oder erheblich erschwert würde, so kann diese Feststellung noch vor dem Ansuchen um Todeserklärung bei demjenigen Bezirksgericht begehrt werden, in dessen Sprengel die zum Zwecke der Feststellung nötigen Erhebungen vorzunehmen sind. § 17. (1) Wird eine Todeserklärung angesucht, so hat das Gericht zur Vertretung des Verschollenen in dem Verfahren einen Kurator zu bestellen; das Gericht kann jedoch davon absehen, wenn nach den Umständen des Falles eine Vertretung des Verschollenen in dem Verfahren entbehrlich ist. (2) Dem Kurator obliegt insbesondere, die zur Auffindung des Verschollenen geeigneten Nachforschungen zu pflegen. § 18. (1) Erachtet das Gericht das Vorhandensein der gesetzlichen Erfordernisse der Todeserklärung als in einer für die Einleitung des weiteren Verfahrens ausreichenden Weise dargetan, so hat es ein Edikt zu erlassen. In das Edikt ist insbesondere aufzunehmen: a) die Bezeichnung dessen, welcher das Ansuchen um Todeserklärung gestellt hat; b) die Aufforderung an den Verschollenen, sich bis zum Ablauf der Ediktalfrist (Abs. 4) zu melden, widrigenfalls er für tot erklärt werden könne; c) die Aufforderung an alle, dem Gerichte oder, wenn ein Kurator bestellt ist, diesem bis zum Ablauf der Ediktalfrist (Abs. 4) Nachrichten über den Verschollenen zu geben. (2) Zugleich ist anzukündigen, daß die Entscheidung über das Gesuch um Todeserklärung nach Ablauf der Ediktalfrist (Abs. 4) erfolgen werde. (3) Der Inhalt des Edikts ist in die Ediktsdatei aufzunehmen. Im Übrigen ist § 117 Abs. 2 ZPO sinngemäß anzuwenden. (4) Der Tag, an dem die Ediktalfrist endet, ist in dem Edikt anzugeben und so zu bestimmen, dass nach der Aufnahme des Edikts in die Ediktsdatei mindestens sechs Wochen und, wenn nicht besondere Gründe vorliegen, höchstens ein Jahr verstreichen muss; die Ediktalfrist kann von Amts wegen verlängert werden. § 19. (1) Nach Ablauf der in dem Edikte bestimmten Frist entscheidet das Gericht auf erneutes Ansuchen über das Begehren um Todeserklärung. (2) Wird die Todeserklärung ausgesprochen, so ist auch der Tag des vermuteten Todes anzugeben. § 20. Das Ansuchen um eine Todeserklärung kann auch von der Staatsanwaltschaft gestellt werden; ihr ist vor der Bekanntmachung des Edikts und vor der Entscheidung in jedem Falle Gelegenheit zur Äußerung zu geben. (§ 56 Abs. 2 des Gesetzes vom 4. Juli 1939, Deutsches RGBl. I S. 1186.) Abschnitt IV. Beweisführung des Todes. (§ 10 des Gesetzes vom 16. Februar 1883, RGBl. Nr. 20, betreffend das Verfahren zum Zwecke der Todeserklärung und der Beweisführung des Todes, in der Fassung des Gesetzes vom 31. März 1918, RGBl. Nr. 129:) §21. (1) Wenn der Beweis des Todes eines Verschollenen nicht durch öffentliche Urkunden herzustellen ist, so kann bei dem in § 13 bezeichneten Gerichte der Beweis des Todes geführt und der Ausspruch erwirkt werden, daß dieser Beweis als hergestellt anzusehen ist. (2) Auf das Verfahren finden die Bestimmungen des § 13 Abs. 2 und der §§ 14 bis 16 Anwendung. (3) Findet das Gericht das Ansuchen um Beweisführung des Todes zur Einleitung des weiteren Verfahrens geeignet, so hat es ein Edikt zu erlassen, auf welches die Bestimmungen des § 18 mit der Änderung Anwendung finden, daß die Ediktalfrist nach Ermessen des Gerichtes, jedoch nicht auf kürzere Zeit als drei Monate festzusetzen ist. www.ris.bka.gv.at Seite 3 von 5 RIS ■ Bundesrecht konsolidiert (4) Gleichzeitig mit dem Erlassen des Edikts hat das Gericht einen Kurator zu bestellen; das Gericht kann jedoch davon absehen, wenn nach den Umständen des Falles eine Vertretung des Verschollenen in dem Verfahren entbehrlich ist. (5) Die Aufnahme der Beweise kann vor dem Ablauf der Ediktalfrist stattfinden. (6) Vor der Entscheidung hat das Gericht die Parteien über die Ergebnisse der Beweisführung zu vernehmen. (7) Wird der Beweis des Todes als hergestellt erkannt, so ist in der Entscheidung der Tag anzugeben, von welchem bewiesen ist, daß er der Todestag ist, beziehungsweise, daß der Verschollene ihn nicht überlebt hat, in dem letzteren Falle hat dieser Tag als Todestag zu gelten. § 22. Das Ansuchen kann auch von der Staatsanwaltschaft gestellt werden; ihr ist vor der Bekanntmachung des Edikts und vor der Entscheidung in jedem Falle Gelegenheit zur Äußerung zu geben. (§ 57 des Gesetzes vom 4. Juli 1939, Deutsches RGBl. I S. 1186.) Abschnitt V. Aufhebung und Berichtigung der Todeserklärung oder der Beweisführung des Todes. (§§ 10 a, 10 b und 10 c des Gesetzes vom 16. Februar 1883, RGBl. Nr. 20, betreffend das Verfahren zum Zwecke der Todeserklärung und der Beweisführung des Todes, in der Fassung des Gesetzes vom 31. März 1918, RGBl. Nr. 129:) § 23. (1) Ist der Verschollene nach der Todeserklärung noch am Leben oder ist er an einem anderen Tag als an dem in der Todeserklärung angegebenen vermuteten Todestag (§ 19) gestorben, so kann der für tot Erklärte oder wer sonst an der Aufhebung oder Berichtigung der Todeserklärung ein rechtliches Interesse hat, femer in Wahrung öffentlicher Interessen die Staatsanwaltschaft bei dem Gerichte, das die Todeserklärung in erster Instanz ausgesprochen hat, die Aufhebung oder Berichtigung der Todeserklärung beantragen. (2) Das Gericht (§ 13 Abs. 2) entscheidet über den Antrag unter Beobachtung der Vorschriften der §§ 14 und 15 durch Beschluß. (3) Der Staatsanwaltschaft ist vor der Entscheidung in jedem Falle Gelegenheit zur Äußerung zu geben. (4) Die Aufhebung oder Berichtigung der Todeserklärung wirkt für und gegen alle Beteiligten. (Zu Abs. 1 und 3: § 56 Abs. 2 des Gesetzes vom 4. Juli 1939, Deutsches RGBl. I S. 1186.) § 24. (1) Wenn der für tot Erklärte persönlich vor Gericht erscheint und die Aufhebung der Todeserklärung verlangt, so hat das Gericht, falls die Identität des Antragstellers mit dem für tot Erklärten unzweifelhaft feststeht, ohne weiteres Verfahren die Aufhebung der Todeserklärung auszusprechen. (2) Im unmittelbaren Anschluß daran ist durch das für die Verlassenschaftsabhandlung zuständige Gericht die Wiedereinführung des Antragstellers in den Besitz des auf Grund der Todeserklärung an andere Personen gelangten Vermögens unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Z 7 des Patentes vom 9. August 1854, RGBl. Nr. 208, im Verfahren außer Streitsachen zu ordnen. (3) Ebenso hat das Gericht zu veranlassen, daß die etwa eingesetzte Vormundschaft über Kinder des für tot Erklärten aufgehoben und diesem die väterliche Gewalt wiedergegeben werde. § 25. Die Bestimmungen der §§23 und 24 sind sinngemäß anzuwenden, wenn ein Verschollener nach der Entscheidung, mittels der der Beweis seines Todes als hergestellt erkannt worden ist, noch am Leben ist oder an einem anderen Tage, als der nach der Entscheidung als Todestag zu gelten hat (§21), gestorben ist. Abschnitt VI. Inkrafttreten. Übergangs- und Schlußvorschriften. § 26. (1) Die Bestimmungen dieses Gesetzes, die dem Gesetz vom 16. Februar 1883, RGBl. Nr. 20, betreffend das Verfahren zum Zwecke der Todeserklärung und der Beweisführung des Todes, entsprechen, sind am 1. März 1883 in Wirksamkeit getreten und es sind die in diesem Zeitpunkt bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, soweit sie Gegenstände desselben abweichend regelten, außer Kraft getreten. (2) Die durch das Gesetz vom 31. März 1918, RGBl. Nr. 129, über Änderungen des Gesetzes vom 16. Februar 1883, RGBl. Nr. 20, betreffend das Verfahren zum Zwecke der Todeserklärung und der www.ris.bka.gv.at Seite 4 von 5 RIS Bundesrecht konsolidiert Beweisführung des Todes, vorgenommenen Änderungen sind am 20. April 1918 in Kraft getreten. Sie finden auch auf ein Verfahren Anwendung, das an diesem Tage bereits anhängig war. Die Aufhebung oder Berichtigung einer Todeserklärung oder der Beweisführung des Todes nach den §§ 23 bis 25 ist zulässig, auch wenn die Todeserklärung oder die Entscheidung über die Beweisführung des Todes an diesem Tage bereits rechtskräftig war. (Artikel II des Gesetzes vom 31. März 1918, RGBl. Nr. 129.) § 27. (1) Die Bestimmungen dieses Gesetzes, die dem Gesetz über die Verschollenheit, die Todeserklärung und die Feststellung der Todeszeit vom 4. Juli 1939, Deutsches RGBl. IS. 1186, entsprechen, sind am 15. Juli 1939 in Kraft getreten. (2) Vom gleichen Zeitpunkte ab sind aufgehoben worden: a) die §§ 24, 25, 112 bis 114, 277 und 278 Satz 1 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs; b) das Gesetz über die Todeserklärung von in dem gegenwärtigen Krieg Vermißten vom 31. März 1918, RGBl. Nr. 128, nebst der Verordnung vom 8. April 1918, RGBl. Nr. 134. (Zu Abs. 1 und 2: § 55 des Gesetzes vom 4. Juli 1939, Deutsches RGBl. I S. 1186.) (3) Soweit in anderen Gesetzen auf die aufgehobenen Vorschriften (Abs. 2) verwiesen ist, treten die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes an ihre Stelle. (§ 46 Abs. 3 des Gesetzes vom 4. Juli 1939, Deutsches RGBl. I S. 1186.) (4) Am 15. Juli 1939 anhängige Verfahren zum Zwecke der Todeserklärung und der Beweisführung des Todes sind nach den bis dahin geltenden Verfahrensvorschriften zu Ende zu führen. (§58 des Gesetzes vom 4. Juli 1939, Deutsches RGBl. I S. 1186.) § 27a. (1) Die §§ 13 und 18 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2003 treten mit 1. Jänner 2005 in Kraft. (2) § 13 in der im Abs. 1 genannten Fassung ist auf Verfahren anzuwenden, bei denen der verfahrenseinleitende Antrag nach dem 31. Dezember 2004 eingebracht worden ist. (3) § 18 in der im Abs. 1 genannten Fassung ist anzuwenden, wenn das Datum der bekannt zu machenden Entscheidung nach dem 31. Dezember 2004 liegt. Auf alle vor diesem Datum ergangenen Edikte sind die bisher in Geltung gestandenen Vorschriften über die Bekanntmachung weiter anzuwenden. §28. (1) Von der Einschaltung des Edikts (§ 18 Abs. 3) in die für amtliche Kundmachungen bestimmte Zeitung kann abgesehen werden, wenn es sich um einen Fall der Kriegsverschollenheit (§ 4) auf Grund des zweiten Weltkrieges handelt. (Verordnung vom 17. Januar 1942, Deutsches RGBl. I S. 31.) (2) Soll ein Verschollener, der an dem zweiten Weltkrieg als Angehöriger der bewaffneten Macht des Deutschen Reiches oder eines mit ihm verbündeten oder befreundeten Staates teilgenommen oder sich bei ihr aufgehalten hat, auf Grund des § 4 Abs. 2 für tot erklärt werden, so ist von dem Erlaß eines Edikts (§ 18) abzusehen. Das Verfahren richtet sich nach den §§ 13 bis 17, 19 Abs. 2, §§ 23 und 24. Nach Eingang des Antrages ist in jedem Falle der Staatsanwaltschaft, vor der Entscheidung dem Antragsteller und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Äußerung zu geben. (Zweite Verordnung vom 20. Januar 1943, Deutsches RGBl. I S. 66, in der Fassung der Berichtigung vom 2. April 1943, Deutsches RGBl. I S. 182.) § 29. Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist das Bundesministerium für Justiz, im Falle des § 4 Abs. 4 im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Inneres, betraut. Artikel XXXI Justizverwaltungsmaßnahmen (Anm.: Zu den §§ 13,18 und 27a, BGBl. Nr. 23/1951) Mit Rücksicht auf dieses Bundesgesetz dürfen bereits von dem seiner Kundmachung folgenden Tag an Verordnungen erlassen sowie sonstige organisatorische und personelle Maßnahmen getroffen werden. Die Verordnungen dürfen frühestens mit dem 1. Jänner 2005 in Wirksamkeit gesetzt werden. www.ris.bka.gv.at Seite 5 von 5 ^ER GERICHT 3 Ob 177/12v Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei -^#**** 2,*****^ vertreten durch Puttinger, Vogel & Partner Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei M***** b*****, vertreten durch Hasch & Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, wegen 28.395,90 EUR und Feststellung (Streitwert 2.500 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teil-Zwischen-Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. Juli 2012, GZ 4 R 63/12f-38, womit das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 25. Jänner 2012, GZ 40 Cg 1/1 ly-34, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst: Die außerordentliche Voraussetzungen des § 502 Abs 1 Revision wird mangels ZPO zurückgewiesen. der 2 3 Ob 177/12v Begründung: Die Klägerin fuhr mit ihrer zum Unfallszeitpunkt 6-jährigen Tochter am äußerst rechten Pistenrand wenig schneller als Schritttempo in Pflugbögen. Die 12-jährige Beklagte näherte sich auf dem mittelsteilen Hang, der allmählich flacher wurde, mit einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 30 km/h von hinten, entweder mit ganz kleinen Schwüngen oder überhaupt schon aufrecht fast geradeaus fahrend, an. Die Beklagte kam etwa 30 m leicht schräg hinter der Klägerin plötzlich zum Sturz. Der Grund für diesen plötzlichen Sturz konnte nicht festgestellt werden. Die Beklagte überschlug sich kopfüber und rutschte fast ungebremst von hinten in die langsam mit ihrer Tochter fahrende Klägerin hinein, wodurch diese stürzte und erhebliche Verletzungen erlitt. Nach dem Sturz konnte die Beklagte die Kollision ebenso wenig verhindern, wie die Klägerin, die die Beklagte vor der Kollision nicht wahrgenommen hatte. Der Unfall ereignete sich auf einer sehr harten Kunstschneepiste mit eisigen Stellen, guter Sicht, äußerer Dunkelheit, aber eingeschalteter Flutlichtanlage. Sämtliche durch die Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind der Höhe nach durch eine Haftpflichtversicherung (auch) zugunsten der Beklagten gedeckt. Das Berufungsgericht erkannte das Schadenersatzbegehren der Klägerin als dem Grunde nach berechtigt. Selbst auf fahrtechnische Fehler zurückzuführende Stürze von Schiläufern seien noch nicht rechtlich vorwerfbar, wenn dem Schifahrer nicht ein dem Sturz vorausgegangenes vermeidbares Fehlverhalten zur Last falle, das den Sturz herbeigeführt habe. Der Klägerin sei es aber gelungen, der 3 3 Ob 177/12v Beklagten eine in Bezug auf die Fahrgeschwindigkeit der am Unfall beteiligten Schifahrerinnen und in Bezug auf den Abstand zwischen den beiden Schifahrerinnen überhöhte Geschwindigkeit nachzuweisen. Es wäre daher an der Beklagten gelegen gewesen, Umstände darzutun, die den Sturz als unvermeidbar oder unvorhersehbar erkennen und damit das indizierte Verschulden ausschließen ließen. Derartige Umstände seien aber nicht hervorgekommen. Ob das Fehlverhalten der zum Unfallszeitpunkt 12-jährigen Beklagten als Verschulden anzulasten sei, könne dahingestellt bleiben, weil sämtliche von der Klägerin geltend gemachten Schäden von einer Haftpflichtversicherung gedeckt seien. Dies mache den Ersatz jedenfalls bis zur Versicherungsdeckung tragbar. Soweit die Versicherungsdeckung reiche, finde auch keine Billigkeitsabwägung statt. Die Beklagte, die mit ihrer außerordentlichen Revision die gänzliche Klageabweisung anstrebt, vermag keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen über die örtlichen Verhältnissen und den Unfallshergang lassen auf ein unfallauslösendes Fehlverhalten (Sorgfaltswidrigkeit) der Beklagten schließen, welches ihr gemäß § 1310 erster Fall ABGB als Verschulden zur Last zu legen ist. Die Einhaltung einer Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h auf einer harten Kunstschneepiste mit eisigen Stellen begründet im Hinblick auf die auch für gute Schifahrer stets vorhandene Gefahr des Sturzes und die sich daraus ergebenden Folgen für andere Schifahrer, die sich im Sturzbereich befinden, eine Sorgfaltswidrigkeit (relativ überhöhte Geschwindigkeit). Diese Gefahr ist auch für eine 12-jährige gute Schifahrerin erkennbar und die Gefahrenvermeidung (Einhaltung einer geringeren 4 3 Ob 177/12v Fahrgeschwindigkeit oder eines wesentlich größeren Abstands zu anderen, insbesondere viel langsameren Pistenbenützern) zumutbar. Die überhöhte Fahrgeschwindigkeit ist ungeachtet der hier nicht zu klärenden unmittelbaren Sturzursache für die Verletzung der Klägerin kausal, weil die höhere Geschwindigkeit sowohl einen längeren Rutschweg nach dem Sturz als auch eine höhere Aufprallgeschwindigkeit auf einen im Sturzbereich befindlichen Schifahrer und damit eine Erhöhung der Gefahr dessen Verletzung bewirkt. Auf die von der Revisionswerberin angesprochenen Fragen allfälliger Kausaltiätsvermutungen kommt es daher hier nicht an. Schließlich rügt die Beklagte, dass das Berufungsgericht entgegen ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die bestehende Haftpflichtversicherungsdeckung keine Billigkeitsabwägung vorgenommen habe. Sie unterlässt es aber darzulegen, aufgrund welcher Überlegungen diese Billigkeitsabwägung zu einer anderen Entscheidung als der Verurteilung zur gänzlichen Schadenshaftung führen hätte müssen. In jedem der in § 1310 ABGB erwähnten Fälle einer ausnahmsweisen Haftung des unmündigen Schädigers ist es dem billigen Ermessen des Richters überlassen, das Maß des zu leistenden Schadenersatzes festzusetzen, das unter Umständen den ganzen Betrag erreichen kann, aber nicht erreichen muss (9 Ob 181/00h mwN). Das Verschulden des Schädigers ist stärker zu gewichten, wobei freilich zu beachten ist, dass das Verschulden Unmündiger milder zu beurteilen ist (9 Ob 181/OOh; Karner in KBB3 § 1310 ABGB Rz 9). Auch die von der Beklagten vermisste Billigkeitsabwägung führt in diesem Fall unter Berücksichtigung des keineswegs zu vernachlässigenden Verschuldens der wesentlich zu schnell fahrenden Beklagten 5 3 Ob 177/12v unter Berücksichtigung vorhandener Haftpflichtdeckung zu keinem anderen Ergebnis als der vollen Haftung der Beklagten für die der unbestritten gänzlich schuldlosen Klägerin entstandenen Schäden. Oberster Gerichtshof, Wien, am 17. Oktober 2012 Dr. Prückner Für die Richtigkeit der Ausfertigung die Leiterin der Geschäftsabteilung: A irrojoe DiLn trolling Wohnbau-GmbH Ein Unternehmen der IFA Finanzgruppe A-4020 Linz Grillparzerstraße 18-20 Tel. 0732/65 50 56 Fax 0732 / 65 50 56-66 office@ifa.at www.ifa.at Herbert Unser Zeichen: Wg Ihr Ansprechpartner: Mag, Gerda Wurm Tel.-DW: 2377 Fax-DW: 92377 e-mail: gerda.wurm@lfa.at 06.10.2015 Liegenschaft/Objekt 1100 Wien, Kempelengasse 8, EZ 2396, Gst. Nr. 1424/7 und 1424/8, KG 01101 Favoriten Sehr geehrter Herr Wir erlauben uns hiermit Ihnen als grundbücherlichen Eigentümer der Liegenschaft EZ 2396 KG 01101 Favoriten, Kempelengasse8, 1100 Wien ein verbindliches Kaufangebot hinsichtlich o.a. Liegenschaft zu nachstehenden wesentlichen Bedingungen zu legen, wobei auch ein Dritte(r) als Käufer namhaft gemacht werden kann: f Kaufpreis: insgesamt (d.h. brutto für netto) €-"2rtz^0üü>- - bestands- und lastenfrei, insbesondere geldlastenfrei. > Die Liegenschaft wird wie sie liegt und steht, insbesondere bestandsfrei und frei von sonstigen (Nutzungs-) rechten und ohne Hausbesorgerdienstverhältnis sowie frei von besonders zu entsorgenden Gegenständen bzw. Materialien und gänzlich geräumt übergeben. r Die im A2-FJIatt enthaltenen Verpflichtungen werden mit Grundbuchstand 21.9.2015 zur Kenntnis r In Bezug auf die unter C-LNR 1 der EZ 2396 KG 01101 Favoriten einverleibte Dienstbarkeit des Fensterrechtes für EZ 2616 halten wir fest, dass diese den Abbruch und Neubau eines Wohnhauses unter Ausnutzung der .maximalen Bebauungsbestimmungen gemäß Wiener Bauordnung nicht r Sie erklären sich bereit, uns bis zur tatsächlichen Übergabe der Liegenschaft Zutritt zu dieser zu gewähren und an der Projektierung des Objektes formell unterstützend mitzuwirken, insbesondere im Bedarfsfall die dazu erforderliche(n) Vollmacht(en) zu erteilen; dies jedoch nicht auf Ihre Kosten. genommen. Bankverbindung: Volksbank Linz-Wels-Mühlviertel Kto. Nr. 54070690000, BLZ 44800 IBAN: AT66 4480 0540 7069 0000 BIC: VBWEAT2WXXX FN 81733 x, LG Linz ATU 54696404. DVR 0718025 Ein Unternehmen der IFA Finanzgruppe Mit diesem Angebot bleiben wir Ihnen bis einschließlich 9.10,2015 im Wort. Die Errichtung (und Unterfertigung) des grundbuchsfähigen Kaufvertrages (als formelle Umsetzung dieser Vereinbarung) erfolgt über unsere Veranlassung und auf Kosten der Käuferseite binnen 6 Wochen ab Zugang ihrer Zustimmung bei Treuhanderlag des Kaufpreises und der Grunderwerbsteuer. Zum Zeichen der Zustimmung ersuchen wir Sie uns eine unterfertige Kopie dieses Schreibens zu retournieren. Wir sehen einer positiven Rückäußerung mit Interesse entgegen und verbleiben vorerst TEILURTEIL IM NAMEN DER REPUBLIK 2 3 Ob 45/12g Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei j"*****, vertreten durch Mag. Karl Komann, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei c*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Kramer, Dr. Norbert P. Tischitz, Rechtsanwälte in Villach, wegen 11.998 EUR sA (Revisionsinteresse 8.998 EUR sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 5. Oktober 2011, GZ 5 R 109/1 lf-35, womit über die Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 5. Mai 2011, GZ 26 Cg 215/08a-27, bestätigt wurde, 1. zu Recht erkannt: Der Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung eines Begehrens von 2.828 EUR samt 4 % Zinsen seit 18. Dezember 2007 richtet, nicht Folge gegeben und die Urteile der Vorinstanzen in diesem Umfang als Teilurteil bestätigt, das insgesamt - einschließlich der in Rechtskraft erwachsenen Teile - zu lauten hat wie folgt: „1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 3.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 18. 12. 2007 zu bezahlen. 2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 2.828 EUR samt 8 % Zinsen seit 18. 12. 2007 zu bezahlen, wird abgewiesen. 3. Das Mehrbegehren auf Zahlung von weiteren 4 % Zinsen aus 9.170 EUR seit 18. 12. 2007 wird abgewiesen. 4. Die Entscheidung über die auf die Fällung des 3 3 Ob 45/12g Teilurteils entfallenden Verfahrenskosten wird vorbehalten." II. den Beschluss gefasst: Im Übrigen, somit in Ansehung der Abweisung eines Begehrens von 6.170 EUR samt 4 % Zinsen seit 18. Dezember 2007 wird der Revision Folge gegeben, die Urteile der Vorinstanzen werden in diesem Umfang sowie im Umfang der Kostenentscheidung aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten. Entscheidungsgründe: Der Kläger war von etwa Juni 2007 bis April 2009 in einem in Villach gelegenen Nachtclub mit Bordellbetrieb beschäftigt. Er hatte die Aufgabe, den Gästen Getränke zu servieren und zu kassieren. Er nahm auch die für die im Betrieb als freie Mitarbeiterinnen beschäftigten Prostituierten und die für die Bereitstellung von Zimmern im Nachtclubbetrieb verrechneten Beträge entgegen. Grundsätzlich bezahlen die Gäste die Getränke bar. Die „Mädchenstunden" werden aufgeschrieben und dem Gast bei Verlassen des Lokals verrechnet. Mit den Mädchen wird am nächsten Tag abgerechnet. Um sicherzustellen, dass die Mädchen ihr Geld bekommen, verfügt der jeweilige Kellner 4 3 Ob 45/12g auch über Bargeld in Höhe von etwa 5.000 EUR, um diese Zahlungen leisten zu können. Gewisse Stammgäste dürfen etwas schuldig bleiben. Lässt ein Gast seine Konsumation oder die „Mädchendienstleistungen" anschreiben, werden Schuldzettel mit genauer Aufschlüsselung der Konsumation ausgestellt. Diese Zetteln unterschreiben die Gäste grundsätzlich. Bei späterer Bezahlung des offenen Betrags werden sie zerrissen. Im Sommer 2007 besuchte der Beklagte erstmals den Nachtclub. Er bezahlte einen kleineren Betrag mit der Bankomatkarte seiner Mutter. Ab diesem Zeitpunkt suchte er das Lokal regelmäßig auf, leistete sich Zimmerstunden und lud auch regelmäßig sowohl den Kläger als auch andere Gäste und Mädchen auf Getränke ein. Nach kurzer Zeit wussten die Mädchen schon, dass der Beklagte ein großzügiger Gast ist und ihnen Sekt bezahlt. Der Beklagte begann zumeist mit einem Bier und stieg dann auf Bacardi-Cola um. Er rauchte Marlboro rot oder Zigarillos, wobei er die Rauchwaren auch im Nachtclub kaufte. Wenn der Beklagte angetrunken war, ging er mit den Mädchen auf das Zimmer, wobei er ein Mädchen bevorzugte. Zumeist waren es gleich zwei Stunden. Danach kam er wieder an die Bar und tätigte weitere Bestellungen. Ab und zu ging er daraufhin nochmals mit einem Mädchen auf das Zimmer. Mit der Zeit entstand zwischen dem Kläger und dem Beklagten ein Vertrauensverhältnis. Bei seinen Besuchen hatte der Beklagte selten Bargeld bei sich. Er ließ seine Konsumationen deshalb vom Kläger aufschreiben, wofür der Kläger gutstand. Der Beklagte hinterließ meistens die Bankomatkarte seiner Mutter und kam dann innerhalb der nächsten zwei bis drei Tage ab Lokalöffnung gegen 17 Uhr, um seine Schulden zu begleichen. Das erste Mal ließ er einen 5 3 Ob 45/12g Betrag von 1.500 EUR aufschreiben. Die höchste angeschriebene offene Rechnungssumme betrug 6.800 EUR, die der Beklagte aber nachträglich zahlte. Bei seinen Besuchen am 17. Dezember 2007 und am 23. Dezember 2007 bezahlte der Beklagte seine Schulden nicht. Er sagte dem Kläger, dass seine Mutter im Krankenhaus liege und er warten müsse, bis sie wieder entlassen werde. Deshalb ließ er am 17. Dezember 2007 1.806 EUR und am 23. Dezember 2007 1.658 EUR aufschreiben. Um die Mädchen trotzdem bezahlen zu können, verwendete der Kläger Geld von der Kassa des Bordellbetriebs. Am 29. Jänner 2008 wurde die Bankomatkarte der Mutter des Klägers gesperrt. Nachdem der Beklagte am 5. Februar 2008 die Kosten für seine Konsumation und „Mädchendienstleistungen" in Höhe von 2.593 EUR wieder nicht bezahlt hatte, wurde der Kläger von seinem Dienstgeber gerügt, weil ein so hoher Betrag offen war. Da der Kläger der Meinung war, dass der Beklagte seine Schulden bestimmt noch zahlen werde, ließ er ihn auch am 11. Februar 2008 3.750 EUR aufschreiben. Am 17. Februar 2008 kam der Beklagte wieder in den Nachtclub und fragte den Kläger gleich zu Beginn, ob er seine Konsumation noch einmal aufschreiben lassen könne. Da der Kläger dies nicht mehr verantworten konnte, verwies er ihn auf den Eigentümer und Verpächter des Nachtlokals. Nachdem der Beklagte diesem versicherte, dass er seine Schulden bis Anfang März begleichen würde, konnte er nochmals einen Betrag in Höhe von 2.154 EUR aufschreiben. Nach diesem Besuch betrugen die Gesamtschulden somit 11.998 EUR. Darauf entfielen nach einem Vermerk des Klägers 5.528 EUR (richtig: 5.828 EUR) für Konsultationen und 6.170 EUR für „Mädchendienstleistungen". Wie hoch die Konsumation 6 3 Ob45/12g (gemeint: der Getränke und des Tabaks) tatsächlich war, erachtete das Erstgericht, nicht feststellen zu können. Es ging - unter Anwendung des § 273 ZPO - von einer Rechnungssumme im Bereich von 3.000 EUR aus. Die ersten vier Schuldzettel schrieb der Kläger; den fünften Schuldzettel vom 17. Februar 2008 verfasste der damalige Barkeeper des Nachtclubs. Der Beklagte unterschrieb die Schuldzettel nicht. Der Nachtclubbetreiber war an der Bereinigung der Situation interessiert. Er traf mit dem Kläger eine mündliche Vereinbarung, worin der Kläger sich verpflichtete, mittels Ratenzahlung die offene Summe aus seiner eigenen Tasche zu begleichen. Am 29. Mai 2008 wurde eine Abtretungsvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Nachtclubbetreiber getroffen. Der Kläger zahlte in der Folge den gesamten rechnerisch offenen Betrag von 11.998 EUR. Der Kläger begehrt Zahlung von insgesamt 11.998 EUR samt 8% Zinsen seit 18. Dezember 2007. Der Beklagte habe an insgesamt fünf näher bezeichneten Tagen zwischen Dezember 2007 und Februar 2008 Getränke in Höhe von 5.828 EUR und „Mädchendienstleistungen" in Höhe von 6.170 EUR nicht bezahlt. Aufgrund des bestehenden Vertrauensverhältnisses habe er dem Beklagten, der in der Vergangenheit immer verlässlich bezahlt habe, im Nachtclub „anschreiben" lassen. Trotz Zusicherung, die offenen Beträge kurzfristig zu leisten, habe der Beklagte keine Zahlung geleistet. Am 17. Februar habe er dem Eigentümer des Nachtclubs gegenüber den offenen Saldo ausdrücklich anerkannt. In der Folge habe der Kläger die Forderung des Nachtclubbetreibers in Höhe des Klagebegehrens bezahlt und die Forderung somit eingelöst. Er habe auch eine entsprechende Abtretungsvereinbarung geschlossen. Der 7 3 Ob 45/12g Kläger sei daher zur Geltendmachung der auf ihn übergegangenen Forderung legitimiert. Der Beklagte wendet ein, er habe an keinem der vom Kläger bezeichneten Tage den Nachtclub aufgesucht. Bei seinen Besuchen im Lokal habe er sämtliche Leistungen bar bezahlt. Als Notstandshilfebezieher hätte er sich Konsumationen in der verzeichneten Höhe nicht leisten können. „Mädchendienste" habe er nur für maximal eine Stunde zu einem Stundensatz von 275 EUR in Anspruch genommen. Auch hier sei die Bezahlung jeweils sofort erfolgt. Im Übrigen bestehe das Klagebegehren in diesem Umfang wegen Sittenwidrigkeit nicht zu Recht: Entgeltforderungen für sexuelle Handlungen begründeten einen Verstoß gegen die Sittlichkeit. Mit dem Kläger sei der Beklagte in keinem Vertragsverhältnis gestanden. Vertragspartner sei ausschließlich der Nachtclubbetreiber gewesen. Der Kläger, dem der Anspruch nie wirksam zediert worden sei, sei daher aktiv nicht legitimiert. Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 3.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 18. Dezember 2007 und wies das Mehrbegehren über 8.998 EUR sowie das Zinsenmehrbegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen und erachtete rechtlich zusammengefasst, dass der Kläger, der die Forderung des Nachtclubbetreibers eingelöst habe, gemäß § 1422 ABGB zur Geltendmachung aufgrund der Abtretungsvereinbarung vom 29. Mai 2008 legitimiert sei. Für die konsumierten Getränke sei unter Anwendung des § 273 ZPO ein Betrag von 3.000 EUR festzusetzen. In diesem Umfang sei das Klagebegehren berechtigt. Hingegen gebühre der für die Inanspruchnahme 8 3 Ob45/12g von Prostituiertenleistungen begehrte Betrag nicht; insoweit sei die Vereinbarung sittenwidrig iSd § 879 Abs 1 ABGB. Im konkreten Fall sei dem Beklagten im Umfang der in Anspruch genommenen Leistungen ein Darlehen gewährt worden. Die Gewährung eines Darlehens für die Inanspruchnahme sexueller Leistungen gegen Entgelt bewirke lediglich eine Naturalobligation. Das Berufungsgericht gab den von beiden Parteien erhobenen Berufungen - die das Ersturteil insgesamt zur Gänze bekämpften - nicht Folge und änderte seinen Zulässigkeitsausspruch nachträglich dahin ab, dass es aussprach, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtsfrage bestehe, ob die Gewährung des Geschlechtsverkehrs gegen Entgelt eine einklagbare schuldrechtliche Verpflichtung begründe. Die Vorentscheidung, auf die sich das Berufungsgericht gestützt habe, datiere aus dem Jahr 1989. Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen, billigte das Vorgehen des Erstgerichts nach § 273 ZPO in Ansehung der Rechnungssumme über die vom Beklagten im Lokal konsumierten Getränke und billigte im Übrigen auch die Rechtsmeinung des Erstgerichts. Der Einwand des Klägers, dass dem Klageanspruch ein für die Prostituiertenleistungen gegebenes Darlehen zugrunde liege, gehe schon deshalb ins Leere, weil neben dem Vertrag über die geschlechtliche Hingabe gegen Entgelt auch alle Verträge sittenwidrig seien, die eine Teilnahme am Profit kommerzieller Ausbeutung der Sexualität bezweckten. Gegen die Abweisung des Zahlungsbegehrens von 8.998 EUR samt 4% Zinsen seit 18. Dezember 2007 (die 9 3 Ob 45/12g Abweisung des Zinsenmehrbegehrens ist ebenso in Rechtskraft erwachsen wie der Zuspruch eines Betrags von 3.000 EUR) wendet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist auch teilweise im Sinne des Eventualantrags auf Aufhebung berechtigt. In der Revision verweist der Kläger zusammengefasst darauf, dass weder nach heutigen Moralvorstellungen noch mit der „Wirklichkeit" die Auffassung in Einklang zu bringen sei, dass alle Verträge sittenwidrig seien, die eine Teilnahme am Profit kommerzieller Ausbeutung der Sexualität bezweckten. Gewichtige Stimmen in der Lehre übten Kritik an der Entscheidung 3 Ob 516/89, auf die sich das Berufungsgericht gestützt habe. Der Beklagte hält dem in seiner Revisionsbeantwortung entgegen, dass die Nichtigkeitssanktion auch den konkreten Schutz desjenigen bezwecke, der Prostitutionsdienstleistungen in Anspruch nehme. Dazu wurde erwogen: 1. Vorauszuschicken ist, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Berufungsgericht entschieden hat, die für die Revisionszulässigkeit maßgebliche Grenze von 5.000 EUR übersteigt: 1.1 Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision sind verschiedene Forderungen (hier: Getränkekonsumation und „Mädchendienstleistungen" an fünf 10 3 Ob 45/12g verschiedenen Tagen) gemäß § 55 Abs 1 JN dann zusammenzurechnen, wenn zwischen diesen Forderungen ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht. Dabei ist vom Vorbringen des Klägers auszugehen (RIS-Justiz RS0042741). 1.2 Ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn jeder der mehreren Ansprüche für sich und unabhängig von den anderen nicht bestehen kann oder wenn die Forderungen aus einer gemeinsamen Tatsache oder aus einem gemeinsamen Rechtsgrund entstanden sind (RIS-Justiz RS0037905; RS0042741 [T2]). 1.3 Bei Zession von Einzelforderungen an einen Kläger ist maßgeblich, ob die einzelnen Forderungen ihrerseits zusammenzurechnen sind (5 Ob 548/95 mwN). 1.4 Hier stützt der Kläger sein Klagebegehren ua auf ein Anerkenntnis des Beklagten in Verbindung mit der Einlösung dieser dem Nachtclubbetreiber zustehenden Forderung durch den Kläger. Der Kläger behauptet somit einen gemeinsamen Rechtsgrund der dem Klagebegehren zugrundeliegenden Einzelforderungen. Daher sind die einzelnen Forderungen iSd § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen. 2. Inhaltlich beschäftigt sich die Revision ausschließlich mit der Abweisung des Klagebegehrens für in Anspruch genommene Prostitutionsleistungen, nicht aber mit der - vom Berufungsgericht bestätigten - Abweisung eines Mehrbegehrens für Getränkekonsumationen in Höhe von 2.828 EUR. Insoweit war daher das Urteil des Berufungsgerichts - das im Umfang der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens und des Zuspruchs von 3.000 EUR für Getränkekonsumation in Rechtskraft erwachsen ist - als Teilurteil zu bestätigen. 11 3 Ob 45/12g 3. Der Beklagte zieht in seiner Revisionsbeantwortung - zutreffend - die Legitimation des Klägers, der nach den erstgerichtlichen Feststellungen den Klagebetrag an den Nachtclubbetreiber zahlte, nicht mehr in Zweifel. Im Hinblick auf die festgestellte Abtretungsvereinbarung bedarf es keiner Auseinandersetzung damit, ob der Kläger für die Schuld des Beklagten persönlich haftete und damit § 1358 ABGB anwendbar ist oder ob er die Forderung iSd § 1422 ABGB einlöste. 4. Es ist daher die - verfahrensentscheidende -Frage zu prüfen, ob einem Zuspruch des Klagebegehrens in Höhe von 6.170 EUR Sittenwidrigkeit iSd § 879 Abs 1 ABGB entgegensteht. 4.1 Verfahrensgegenstand ist nicht der Entgeltanspruch der Prostituierten für erbrachte sexuelle Handlungen: Die im Bordellbetrieb des Nachtclubbetreibers tätigen Prostituierten stehen vielmehr nur mit diesem als freie Mitarbeiterinnen in Vertragsbeziehung, der seinerseits mit den Kunden - so auch dem Beklagten - Vertragsverhältnisse begründet. Zu beurteilen ist daher das Vertragsverhältnis zwischen dem Bordellbetreiber und dem Kunden. 4.2 Ebenfalls klarzustellen ist, dass weder der Kläger noch der Nachtclubbetreiber mit dem Beklagten - wie vom Kläger noch in der Berufung behauptet - eine „Darlehensvereinbarung" schloss. Vielmehr wurden dem Beklagten vom Kläger, der dabei in Vertretung des Nachtclubbetreibers handelte, Beträge für konsumierte Leistungen gestundet. Das in erster Instanz vom Kläger behauptete Anerkenntnis liegt nach den Feststellungen nicht vor. 4.3 Ein generelles gesetzliches Verbot der Prostitution besteht in Österreich ebenso wenig wie ein 12 3 Ob 45/12g Verbot des Bordellbetriebs. So regeln die einschlägigen Landesgesetze - im Anlassfall sind jene des Kärntner Prostitutionsgesetzes maßgebend - unter welchen Bedingungen nach verwaltungsbehördlichen Gesichtspunkten ein Bordell betrieben werden darf. Anders als in Deutschland, dessen am 1. Jänner 2002 in Kraft getretenes Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostitution (ProstG) ausdrücklich in § 1 Satz 1 bestimmt, dass bei Vornahme sexueller Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt diese Vereinbarung eine rechtswirksame Forderung begründet, existieren in Österreich jedoch keine vergleichbaren Vorschriften, die eine Aussage über die zivilrechtliche Wirksamkeit einer entsprechenden Entgeltvereinbarung beinhalten. 4.4 Die österreichische höchstgerichtliche Rechtsprechung enthält zu der hier interessierenden Frage folgende Aussagen: 4.4.1 Mit der Entscheidung 3 Ob 516/89 SZ 62/123 sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass ein Vertrag über die geschlechtliche Hingabe gegen Entgelt ebenso sittenwidrig sei wie Verträge, die eine Teilnahme am Profit kommerzieller Ausbeutung der Sexualität bezweckten (dort: Benützung einer Sauna, um die geschlechtliche Hingabe einer Prostituierten zu ermöglichen). Dabei wurde argumentiert, dass im Zusammenhang mit der Prostitution häufig der Leichtsinn, die Unerfahrenheit, die Triebhaftigkeit und die Trunkenheit von Personen ausgenützt werde. Wenn auch im Einzelfall diese Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt seien, mache schon die Gefahr der Ausnützung schutzwürdiger Personen solche Verträge bedenklich. Die Prostitution stelle eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsschutzes und eine Gefahr für 13 3 Ob45/12g familienrechtliche Institutionen dar. 4.4.2 In der Entscheidung 2 Ob 62/81 SZ 54/70 wurde erkannt, dass der Verdienstentgang einer Prostituierten nach den Grundsätzen des Schadenersatzrechts zu bemessen sei. Ob der Vertrag zwischen der Prostituierten und ihrem Kunden gegen die guten Sitten iSd § 879 ABGB verstoße, sei für die Entscheidung, ob der Prostituierten gegen einen Dritten ein Verdienstentgangsanspruch zustehe, ohne Bedeutung. Auf diese Frage wurde daher in der genannten Entscheidung nicht eingegangen. 4.4.3 Mit der Entscheidung 4 Ob 78/93 wurde einer registrierten Prostituierten ein Anspruch gegen zwei Prostituierte, gerichtet auf Unterlassung der Straßenprostitution, mit der Begründung zuerkannt, dass die Klägerin eine erlaubte Tätigkeit ausübe und demnach durch das Wettbewerbsrecht gegen unlautere Mitbewerber geschützt sei. Die Frage der Sittenwidrigkeit des Vertrags zwischen dem Kunden und der Prostituierten müsse nicht beantwortet werden. 4.4.4 Schließlich erachtete der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 244/02t, das gewichtige Gründe dafür sprächen, die Sittenwidrigkeit von Verträgen über „Telefonsex" zu verneinen: Zwar existiere in Österreich keine dem mittlerweile in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getretenen Prostitutionsgesetz vergleichbare gesetzliche Regelung. Es sei jedoch der Wandel der Moralvorstellungen und die Tatsache hervorzuheben, dass bei Telefonsexdienstleistungen kein körperlicher Kontakt hergestellt und nicht der Intimbereich der Anbieterin zur Ware degradiert werde, sondern diese lediglich eine davon losgelöste „stimmlich darstellerische" Leistung schulde. 4.4.5 In 2 Ob 23/03a wurde in Fortführung dieser 14 3 Ob 45/12g Überlegungen die Sittenwidrigkeit von Verträgen über Telefonsexdienstleistungen verneint, wobei darauf verwiesen wurde, dass nicht alles, was als unmoralisch empfunden werde, deshalb schon sittenwidrig iSd § 879 ABGB und damit nichtig sei. Möge auch der Abschluss von solchen Verträgen moralisch bedenklich sein, so gehe die Missbilligung der Kommerzialisierung des Sexualtriebs nicht soweit, dass aus der Rechtsordnung ablesbare Wertungsgesichtspunkte gebieten würden, solche Vertragsabschlüsse als unter Nichtigkeitssanktion (mit Entgeltverlust) stehend zu qualifizieren. „Telefonsexverträge" seien somit nicht generell sittenwidrig iSd § 879 ABGB, weshalb für die Inanspruchnahme solcher Dienste grundsätzlich das hiefür vorweg bekanntgegebene (und in der Regel schlüssig vereinbarte) Entgelt zu entrichten sei. 4.5 Während Krejci (in Rummel3 [2000] § 879 Rz 77 f) die Entscheidung 3 Ob 516/89 billigt (die Rechtsprechung lediglich referierend Apathy/Riedl er in Schwimann3 [2006] § 879 Rz 11 und Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13 180) stellt Gschnitzer (in Klang IV/12 191 f) bereits 1968 in Frage, ob reglementierte Prostitution unter § 879 ABGB falle. Er bezweifelt, dass durch Bejahung der Sittenwidrigkeit etwas gewonnen sei und ob nicht vielmehr dadurch „zum unsittlichen Gewerbe noch unsittliche Ausbeutung" hinzutrete. K. Weitzenböck (Die geschlechtliche Hingabe gegen Entgelt, JAP 1990, 14) gelangt in kritischer Auseinandersetzung mit der Entscheidung 3 Ob 516/89 zum Ergebnis, dass zwar aus dem Grundrecht der sexuellen Selbstbestimmung abgeleitet werden müsse, dass eine vertragliche Verpflichtung zum sexuellen Verkehr nicht möglich sei. Dafür sei nicht ausschlaggebend, dass die 15 3 Ob 45/12g Handlung selbst unsittlich sei, sondern dass der Zwang (als Eingriff in die Intimsphäre und die grundrechtlich gewährleistete körperliche Integrität) an sich verboten sei. Nur der Betroffene selbst habe das Recht, über seinen Körper zu verfügen. Er habe damit aber auch das Recht, eine einmal getroffene Entscheidung jederzeit zu widerrufen. Es biete sich das Rechtsinstitut der einseitigen Naturalobligation an: die Prostituierte sei zwar nicht verpflichtet, zu leisten; tue sie es aber, so könne sie das Entgelt für diese Leistung einklagen. Auch Graf (in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 879 Rz 87) hält die Begründung der Entscheidung 3 Ob 516/89 nicht für überzeugend und erachtet einen besonderen, über § 879 Abs 2 Z 4 ABGB hinausgehenden Schutz des Kunden als Fiktion. Was den Schutz der Prostituierten betreffe, sei es offenkundig, dass diesen die Verweigerung eines Zahlungsanspruchs nicht diene, sondern ganz im Gegenteil hiedurch eine zusätzliche Möglichkeit zur Ausbeutung eröffnet werde. 4.6 Aus folgenden Überlegungen sieht sich der Senat veranlasst, von der in 3 Ob 516/89 vertretenen Auffassung abzugehen: 4.6.1 Die guten Sitten sind der Inbegriff der zwar im Gesetz nicht ausdrücklich normierten, sich aber aus der Gesamtbetrachtung der rechtlichen Interessen ergebenden Rechte. Dabei sind die Wertentscheidung und Grundprinzipien der Rechtsordnung für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgebend (1 Ob 562/92 SZ 65/76; RIS-Justiz RS0022864). Der Maßstab zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit muss daher aus der Rechtsordnung selbst gewonnen werden; dem entspricht die Aussage, die guten Sitten seien mit dem ungeschriebenen Recht gleichzusetzen (RIS-Justiz RS0022866). Zwar wird auch vertreten, dass beim Verständnis 16 3 Ob 45/12g der guten Sitten allgemein anerkannte Moralvorstellungen zu berücksichtigen seien (Apathy/'Riedler in Schwimann3 IV § 879 Rz 8; RIS-Justiz RS0022866). Das gilt allerdings mit der Einschränkung, dass Moralvorstellungen nur insoweit relevant sind, als sie in der Rechtsordnung Niederschlag gefunden haben (Graf in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 879 Rz 62; vgl auch Krejci in Rummel3 § 879 Rz 56 und 2 Ob 23/03a). 4.6.2 Bedenklich an allen Verträgen, die eine Vereinbarung der Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung gegen Entgelt vorsehen, ist die Überlegung, dass eine klagbare schuldrechtliche Verpflichtung zu sexuellen Handlungen mit dem durch Art 8 EMRK garantiertem Recht auf Achtung der sexuellen Selbstbestimmung (vgl dazu Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5 [2012] 230) in Widerspruch stünde (K. Weitzenböck, JAP 1990, 18). Die im Kern unverzichtbare Menschenwürde der Prostituierten wird allerdings auch dadurch gewahrt, dass ihre Bereitschaft zu sexuellen Handlungen widerruflich bleibt. Dem entspricht die Ausgestaltung des Vertrags in § 1 dProstG als einseitig verpflichtender Vertrag: Dem Kunden steht kein Anspruch auf Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung zu; wurde die Handlung mit vorheriger (zumindest schlüssiger) Entgeltabrede jedoch vorgenommen, besteht ein Entgeltanspruch der Prostituierten (Ambrüster in Münchener Kommentar6 [2012] § 1 ProstG Rz 7). 4.6.3 Eines weitergehenden Schutzes bedarf die Prostituierte in diesem Zusammenhang nicht: Ganz im Gegenteil würde die Nichtigkeitssanktion in Bezug auf den gesamten Vertrag die Position der Prostituierten schwächen und ihre Ausbeutung ermöglichen (Graf in Kletecka/Schauer, ABGB ON 1.00 § 879 Rz 87; vgl auch der Hinweis auf die 17 3 Ob 45/12g „unsittliche Ausbeutung" bei Gschnitzer in Klang IV/12 191 f). 4.6.4 Schließlich ist aber auch ein über § 879 Abs 2 Z 4 ABGB hinausgehendes Schutzbedürfnis des Kunden nicht erkennbar: Liegen die dort genannten Voraussetzungen vor, ist der Vertrag ohnedies nichtig. Es mag zutreffen, wie die Revisionsbeantwortung hervorhebt, dass Kunden von Prostituierten häufiger als andere Vertragsschließende leichtsinnig handeln oder unter Alkoholeinfluss stehen. Das lässt aber noch nicht den generalisierenden Schluss zu, dass jeder Kunde eines über § 879 Abs 2 Z 4 ABGB hinausgehenden Schutzes bedürfte. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass ein entsprechender Vertrag nach den Umständen des Einzelfalls auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB (teil-)nichtig sein könnte, etwa weil ein Gesamteindruck der konkreten Vertragsgestaltung eine grobe Verletzung von Interessen des Kunden - zB im Zusammenhang mit der Entgeltabrede - erkennen lässt (RIS-Justiz RS0113653). Hier hat sich der Beklagte jedoch nur auf die generelle Sittenwidrigkeit, nicht aber auf besondere, seine Situation betreffende Umstände berufen. 4.6.5 Die Sittenwidrigkeit könnte daher im Anlassfall nur wegen allgemeiner Moralvorstellungen, die im geltenden Recht Niederschlag gefunden haben (vgl 4.6.1), bejaht werden. Berücksichtigt man allerdings, dass die Prostitution in Österreich nicht nur nicht verboten ist, sondern landesgesetzliche Vorschriften eingehend die Rahmenbedingungen für die Ausübung der Prostitution und des Bordellbetriebs regeln, lassen sich aus dem geltenden Recht keine Rückschlüsse auf für das Sittenwidrigkeitsurteil gemäß § 879 Abs 1 ABGB maßgebliche Moralvorstellungen 18 3 Ob 45/12g ziehen. Nicht alles, was als potentielle Gefahr für familienrechtliche Institutionen (vgl dazu K. Weitzenböck, JAP 1990, 16) oder als unmoralisch empfunden wird, ist deshalb schon iSd § 879 Abs 1 ABGB sittenwidrig und damit nichtig (2 Ob 23/03a). 4.6.6 Diese Überlegungen gelten auch für das Vertragsverhältnis zwischen dem Nachtclub-(bordell-)be-treiber und dem Beklagten: Kann für die Ausübung der „klassischen" Prostitution wirksam ein Entgeltanspruch begründet werden, gilt das auch für den Vertrag zwischen Bordellbetreiber und Kunden, wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalls eine andere Beurteilung erfordern (vgl dazu Armbrüster in Münchener Kommentar6 § 1 ProstG Rz 23, der davon ausgeht, dass Verträge mit Dritten zwar nicht unter das ProstG fielen, die Wertentscheidung, dass der Prostitutionsvertrag selbst nicht nichtig sei, aber auch diese Vertragsverhältnisse erfasse; ebenso BGH III ZR 102/07 zu Telefonsexdienstleitungen). 4.6.7 Daraus folgt zusammengefasst: Die Vereinbarung zwischen einer Prostituierten und ihrem Kunden ist nicht generell sittenwidrig iSd § 879 Abs 1 ABGB. Ein klagbarer Anspruch auf Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung besteht nicht. Wurde die sexuelle Handlung gegen vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen oder geduldet, so begründet diese Vereinbarung eine klagbare Entgeltforderung. Dieser Grundsatz gilt auch im Verhältnis zwischen Bordellbetreiber und Kunden, 5. Das Erstgericht hat sich mit der - vom Beklagten ausdrücklich bestrittenen - Höhe der „Mädchendienstleistungen" nur am Rande befasst: Konkrete Feststellungen, welche Dienste der Beklagte in diesem Zusammenhang jeweils in Anspruch genommen hat, fehlen. 19 3 Ob 45/12g Lediglich in der Beweiswürdigung erachtete das Erstgericht - ohne dass sich diese Beweiswürdigung jedoch auf konkrete Feststellungen bezieht - die Prozessbehauptungen des Klägers, der Beklagte sei sowohl am 5. Februar 2008 als auch am 17. Februar 2008 jeweils fünf Stunden mit einem Mädchen im Zimmer gewesen, als der Lebenserfahrung widersprechend. Diese Überlegungen des Erstgerichts zur Beweiswürdigung hat der Kläger zwar in seiner Berufung gerügt. Da allerdings ohnedies zum gesamten Komplex der vom Beklagten in Anspruch genommenen Prostituiertenleistungen Feststellungen fehlen, muss wegen dieser dem Ersturteil anhaftenden Feststellungsmängel eine Aufhebung in die erste Instanz erfolgen. Das Erstgericht wird zu diesem Thema - allenfalls nach Ergänzung des Beweisverfahrens - konkrete Feststellungen zu treffen haben. 6. Der Kostenvorbehalt gründet sich sowohl in Ansehung der Kosten des Teilurteils als auch in Ansehung der Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf § 52 ZPO. Oberster Gerichtshof, Wien, am 18. April 2012 Dr. Prückner Für die Richtigkeit der Ausfertigung die Leiterin der Geschäftsabteilung: 27,10.2008 07:39:0323,10, 200 8-Q»+3»+3& KAUFVERTRAG abgeschlossen zwischen Herrn KR Anton '■ ,-, geb. 2.6.1932, Kaufmann 1170 Wien, Jörgersraße 32 als Verkäufer im folgenden „verkaufende Partei" genannt - einerseits Akrab - Vortrags - GmbH, s.r.o., FN (ICO): 35 868 619 Gundulicova 6 SK-81105 Bratislava, Slovenska Republika als Käuferin - im folgenden „kaufende Partei" genannt - andererseits, wie folgt: 1. Kaufgegenstand 1.1 Die verkaufende Partei ist Eigentümer der nachstehenden Liegenschaft: GRUNDBUCHSAUSZUG einkopieren am Tage der Unterfertigung 1.2. Die verkaufende Partei verkauft und übergibt an die kaufende Partei, und diese kauft und übernimmt von der verkaufenden Partei die vorstehend genannte Liegenschaft samt allem tatsächlichen und rechtlichen Zubehör. 2. Kaufpreis 2.1 Der von beiden Vertragsteilen als angemessen erachtete (Bar-) Kaufpreis für den unter 1.) erwähnten Kaufgegenstand beträgt € 240.000,00 (in Worten: Euro zweihundertvierzigtausend). Für den Kaufpreis fällt keine Umsatzsteuer an. Die Vertragsparteien erklären nach Belehrung gemäß §§ 934, 935 ABGB durch die Vertragserrichterin, dass sie das Rechtsgeschäft wegen der besonderen Vorliebe zur Sache und trotz Kenntnis des wahren Wertes des Kaufgegenstandes zum unverhältnismäßigen Kaufpreis abgeschlossen haben, vor allem war ihnen das Missverhältnis zwischen der jeweiligen Leistung und der erhaltenen Gegenleistung entsprechend der in § 934 ABGB konkretisierten Äquivalenzstörung bekannt, aber für die Willensbildung des Rechtsgeschäftes nicht maßgeblich. 2.2 Die Entrichtung des Kaufpreises erfolgt binnen 14 Tagen nach Unterfertigung dieses Kaufvertrages und Vorlage der Rangordnung durch den Verkäufer zu treuen Händen der Vertragsverfasserin und bestellten Treuhänderin, Rechtsanwalt Dr. Barbara •, 1070 Wien, Stiftgasse 20, auf das von dieser bekannt gegebene Treuhandkonto Nr.................... bei der .................... BLZ 2.3 Die kaufenden Parteien erlegen weiters binnen 14 Tagen ab Unterfertigung dieses Vertrages die Grunderwerbssteuer in Höhe von € 8.400,00 (in Worten: Euro achttausendvierhundert) und die Eintragungsgebühr in Höhe von € 2.400,00 (in Worten: Euro zweitausendvierhundert) somit insgesamt den voraussichtlich zur Vorschreibung gelangenden Betrag von € 10.800,00 (in Worten: Euro zehntausendachthundert) ) auf das Konto Nr............. bei der.............. BLZ ......................der Treuhänderin, mit dem unwiderruflichen Auftrag zur Berichtigung durch die Treuhänderin. 2.4 Die Vertragsteile halten fest, dass ob der kaufgegenständlichen Liegenschaft keine grundbücherlichen Belastungen eingetragen sind. 2 2.5 Die Treuhänderin wird von den Vertragsteilen unwiderruflich beauftragt und ermächtigt, den Kaufpreis samt den in der Zwischenzeit auf dem Treuhandkonto angereiften Zinsen abzüglich allfälliger Kosten, Spesen oder sonstiger Abgaben, Steuern und Gebühren, an die verkaufende Partei unter nachfolgenden Bedingungen auszuzahlen: • Erlag der Grunderwerbssteuer und Eintragungsgebühr; • Einverleibung des Eigentumsrechtes der kaufenden Partei • Vorliegen der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung 2.6 Der Treuhandauftrag ist dem amtlichen Treuhandbuch der Rechtsanwaltskammer Wien zu melden, jede Treuhandaktion ist danach genehmigungspflichtig (§ 43 RI-BA). Von dem erteilten Treuhandauftrag (Fälligkeit der Auszahlung, Lastenfreistellung, Treuhandgeldempfänger, Empfangskonto, etc.) kann nur mit Zustimmung aller Vertragsteile und der sonst berechtigten oder verpflichteten Personen abgewichen werden. Solange dem Treuhänder nicht alle Informationen, Daten oder Urkunden für die Abwicklung der Treuhandschaft über das amtliche Treuhandbuch vorliegen, ist der Treuhanderlag nicht rechtswirksam. 3. Vorbehaltene Nutzung, sonstige Leistungen: 3.1 Der kaufenden Partei, wird die Hauptmietzinsreserve inklusive allfälliger Erhaltungs- und Verbesserungsbeträge übergeben. Die Vertragsteile erklären, dass die Höhe der Hauptmietzinsreserve (inklusive Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge) für ihren Entschluss, den Kaufvertrag abzuschließen, bedeutungslos ist und keinen Einfluss auf die Willensbildung hatte. 3.2 Der kaufenden Partei werden allfällige Mietzinsvorauszahlungen, noch nicht verbrauchte Baukostenzuschüsse, Kautionen und sonstige Sicherheitsleistungen der Mieter binnen sechs Wochen ab Rechtswirksamkeit dieses Kaufvertrages übergeben. Der kaufenden Partei wird auch ein allfälliges Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung übergeben, dies zum Zweck einer Verrechnung mit den Anspruchsberechtigten. Die Übergabe hat binnen sechs Wochen nach erfolgter Abrechnung zu erfolgen, jedenfalls aber binnen zwei Wochen nach dem gesetzlichen Abrechnungstermin. 3.3 Die verkaufende Partei erklärt, keine im Sinne des § 27 MRG unzulässigen Einmalzahlungen, sowie keine unzulässigen Kautionen oder über den Vertragsstichtag hinaus noch anrechenbare Mietzinsvorauszahlungen oder Betriebskostenüberzahlungen empfangen zu haben. Sollten dennoch diesbezügliche Ansprüche gegen die kaufende Partei erfolgreich geltend gemacht werden, so hält die verkaufende Partei diese - auch hinsichtlich der in diesem Zusammenhang entstandenen Verfahrensund Vertretungskosten - schadlos. Ausdrücklich festgehalten wird, dass derzeit keine gerichtlichen oder behördlichen Verfahren, weder vor einer Schlichtungsstelle noch vor einer sonstigen Verwaltungsbehörde, z.B. Baupolizei, anhängig sind; insbesondere keine Mietzinserhöhungsverfahren gemäß §§ 18 f MRG. 3 3.4 Die verkaufende Partei verpflichtet sich, alle bezughabenden Haus- und Verwaltungsunterlagen (Zinsliste, Mietverträge, Rechnungsbelege, Kontounterlagen und dergleichen) und Pläne sowie Schlüssel betreffend der Vertragsliegenschaft und alle zur korrekten Ermittlung der Hauptmietzinsreserve (inklusive Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen) sowie der Betriebskostenabrechnung (Rechnungen, Belege, u. dgl.) erforderlichen Unterlagen, im Original oder in Fotokopie, soweit diese noch vorhanden sind, binnen sechs Wochen ab Rechtswirksamkeit dieses Kaufvertrages auszufolgen; eine Aufstellung über deren jeweilige rechnerische Höhe ist spätestens zum Vertragsstichtag an die kaufende Partei zu übergeben. 4. Option zur Regelbesteuerung für die Grundstückslieferung, Umsatzsteuer, Vorsteuerberichtigung Die verkaufende Partei ist auch für den Fall, dass sie für die gegenständliche Grundstückslieferung eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges vornehmen muss (§12 Abs 10 bis 12 UStG), nicht berechtigt, die durch den Kaufvertrag bewirkte Grundstücksübertragung als eine im Sinne des geltenden Umsatzsteuergesetzes steuerpflichtige Grundstückslieferung zu behandeln und auf die Umsatzsteuerpflicht zu optieren. 5. Beschreibung des Kaufgegenstandes; Haftung; Vorverträge; Anfechtung 5.1 Die kaufende Partei erklärt, den Kaufgegenstand vor Unterfertigung dieses Vertrages eingehend besichtigt zu haben und in dem ihr bekannten Zustand zu übernehmen. Der Kaufgegenstand wird mit allen Rechten und Befugnissen verkauft, wie die verkaufende Partei diesen besessen und benützt hat oder berechtigt war, diesen zu besitzen und zu benützen. Die kaufende Partei nimmt insbesondere zur Kenntnis, dass die kaufgegenständliche Liegenschaft mit einem Zinshaus bebaut ist, an dessen einzelnen Objekten Mietverhältnisse begründet sind, die den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes (MRG) unterliegen. Ausdrücklich wird festgehalten, dass die im Kaufgegenstand befindlichen Bestandobjekte nicht bestandfrei, sondern derzeit vermietet sind. 5.2 Der vereinbarte Kaufpreis gilt für den Kaufgegenstand frei von bücherlichen und außerbücherlichen Geldlasten sowie außerbücherlichen Servituten. Der diesem Vertrag beiliegende Grundbuchsausdruck stellt einen integrierenden Vertragsbestandteil dar, die kaufende Partei nimmt insbesondere die im Gutsbestandblatt (A2) aufscheinenden Eintragungen zur Kenntnis und werden diese von der kaufenden Partei übernommen. 5.3 Die verkaufende Partei übernimmt im Sinne der Bestimmungen dieses Kaufvertrages die Haftung für die geldlastenfreie Übergabe des Kaufgegenstandes. Keine Haftung übernimmt die verkaufende Partei vorbehaltlich der in diesem Vertrag ausdrücklich erteilten Zusagen für einen bestimmten Bau- oder Ausstattungszustand, für eine bestimmte 4 Beschaffenheit, Verwend- oder Verwertbarkeit, ein bestimmtes Ausmaß, einen bestimmten Ertrag, bzw für sonstige, nicht ausdrücklich bedungene Eigenschaften des Kaufgegenstandes. Die Käuferin bestätigt, dass keine Verfahren bei der Schlichtungsstelle oder bei Gericht über RückZahlungsverpflichtungen anhängig sind und keine behördlichen Aufträge, wie insbesondere Bauaufträge offen bzw. unerfüllt sind. Sollten in künftigen Verfahren vor der Schlichtungsstelle oder bei Gericht oder in Verbindung mit unerledigten behördlichen Aufträgen RückZahlungsverpflichtungen entstehen, so hat diese jene Vertragspartei zu vertreten und zu erfüllen, deren Verrechnungsperiode sie zuzurechnen bzw. dem die Unterschreitungsbeträge zugeflossen sind. 5.4 Der verkaufenden Partei sind keine die Umwelt beeinträchtigenden Altlasten des Kaufgegenstandes bekannt (wie etwa eine Kontamination des Erdreichs oder sonstige Immissionen). Ebenso unbekannt sind dem Verkäufer die Vertragsliegenschaft betreffende Umstände, die eine wirtschaftliche Entwertung des Kaufgegenstandes bewirken. Weiters versichert die verkaufende Partei, dass hinsichtlich des Kaufgegenstandes keine Steuer- oder Abgabenrückstände bzw. Gebühren bis zum Übergabestichtag bestehen und hält sie die Käuferin diesbezüglich schad- und klaglos. 5.5 Beide Vertragspartner nehmen zur Kenntnis, dass im Falle liegenschaftsbezogener Versicherungen dem Versicherer die erfolgte Veräußerung unverzüglich anzuzeigen ist. Die kaufende Partei wird auf die zeitlich eingeschränkte Möglichkeit zur Aufkündigung liegenschaftsbezogener Versicherungsverträge hingewiesen (§§ 69ff Versicherungsvertragsgesetz). Die verkaufende Partei wurde auf die aus einer Aufkündigung bestehender Versicherungsverträge allenfalls resultierende Prämiennachzahlungspflicht bzw. Rückverrechnung gewährter (Dauer-) Rabatte hingewiesen. Festgehalten wird, dass dem Vertragsverfasser kein Auftrag zur Abgabe von Erklärungen gegenüber Versicherungen erteilt wurde. 6. Übergabe und Übernahme; Stichtag Übergang Nutzungen und Lasten 6.1 Die Übergabe und Übernahme des Kaufgegenstandes in den Besitz und Genuss der kaufenden Partei erfolgt mit 1.11.2008. 6.2 Von diesem Vertragsstichtag an hat die kaufende Partei die den Kaufgegenstand treffende Grundsteuer, die öffentlichen Abgaben und überhaupt alle mit diesem verbundenen Lasten zu tragen. Es stehen ihr jedoch von diesem Tag angefangen auch alle Besitzvorteile zu. Die verkaufende Partei überlässt der kaufenden Partei mit dem Vertragsstichtag den Besitz, die Verwaltung und die Nutznießung des Kaufgegenstandes betreffenden Rechte - insb. das Recht auf Bezahlung des Bestandzinses - und Pflichten, die hiermit an die kaufende Partei abgetreten werden. 6.3 Die verkaufende Partei erklärt sich ausdrücklich damit einverstanden, dass die kaufende Partei ab dem Vertragsstichtag alle Rechte des Vermieters den Mietern gegenüber - insbesondere auch 5 Aufkündigungen sowie Räumungs- und Mietzinsklagen - im eigenen Namen geltend machen. In gleicher Weise treffen die kaufende Partei aber auch alle Pflichten des Vermieters den Mietern gegenüber. 7. Aufsandungserklärung Sohin erteilt die verkaufende Partei ihre ausdrückliche, unwiderrufliche Einwilligung, dass auf Grund dieses Vertrages ohne ihr weiteres Wissen und Einvernehmen, jedoch nicht auf ihre Kosten, ob dem unter Punkt 1. genannten Kaufgegenstand das Eigentumsrecht für die kaufende Partei einverleibt werde. 8. Inländer- und Devisenerklärung 8.1 Die kaufende Partei erklärt an Eides statt, Staatsbürger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union bzw. eine juristische Person mit dem Sitz oder dem Ort der Leitung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zu sein; sie erklärt im Sinne der landesgesetzlichen Restriktion des Grunderwerbes durch Ausländer weiters, dass an der Gesellschaft ausschließlich solche Personen beteiligt sind, die Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sind, und dass die Gesellschaft unter keinem beherrschenden Einfluss von Personen steht, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sind. 9. Kosten, Abgaben, Steuer und Gebühren 9.1 Die unmittelbar mit der Errichtung dieses Vertrages und dessen grundbücherlicher Durchführung zusammenhängenden Kosten, Abgaben, Steuern und Gebühren (z.B. Grunderwerbssteuer, Eintragungsgebühren, Notariatsgebühren, Rechtsanwaltskosten etc.) trägt die kaufende Partei. Davon ausgenommen sind beispielsweise eine durch diesen Verkauf ausgelöste Einkommensteuerschuld oder die Verpflichtung zur Vorsteuerberichtigung, die die verkaufende Partei zu tragen hat. 9.2 Beide Parteien erklären, sich hinsichtlich der ertrags- bzw. einkommenssteuerlichen und umsatzsteuerlichen Auswirkungen dieses Rechtsgeschäftes gesondert bei einem Steuerberater erkundigt zu haben und diesbezüglich voll informiert zu sein. 10. (Unwiderrufliche) Vollmacht, Vertragsausfertigungen, sonstige Bestimmungen 10.1 Beide Vertragsteile beauftragen und ermächtigen hiermit die Vertragsverfasserin Rechtsanwalt Dr. Barbara ,', 1070 Wien, Stiftgasse 20, unwiderruflich, alle zur grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages erforderlichen Schritte zu unternehmen und die entsprechenden Urkunden zu zeichnen; sie bevollmächtigen die Vertragsverfasserin des Weiteren unwiderruflich, alle Grundbuchserledigungen für sie in Empfang zu nehmen sowie auch allfällige in diesem Zusammenhang erforderlichen Verbesserungen oder Ergänzungen des Vertrages - soweit damit keine wirtschaftlich relevanten Veränderungen verbunden sind - vorzunehmen. 6 10.2 Dieser Vertrag wird in einer Ausfertigung errichtet, welche der kaufenden Partei ausgefolgt wird verkaufende Partei ist berechtigt, die Ausfolgung einer beglaubigten Abschrift zu begehren. 10.3 Auf den Kaufvertrag kommt österreichisches Privatrecht zur Anwendung. KR Anton " , geb. 2.6.1932 Akrab - Vortrags - GmbH, s.r.o. 7 ^ÜÜ^ 6Ob230/07b Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Wiener Neustadt zu FN ***** eingetragenen c***** GmbH mit dem Sitz in W***** über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Geschäftsführers Kurt f*****, Schweiz, vertreten durch Dr. Michael Prager Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 22. August 2007, GZ 28 R 124/07x-10, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst: Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 15 FBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG). Begründung 2 6 Ob 230707b Die Gesellschaft ist zu FN ***** im Firmenbuch eingetragen. Alleingesellschafterin ist die c***** AG ***** mit Sitz in ß *****, Schweiz. Ihr Gesellschaftsvertrag enthält unter anderem die Bestimmung, dass die Gesellschaft einen, zwei oder mehrere Geschäftsführer hat; sie wird, wenn nur ein Geschäftsführer bestellt ist, durch diesen selbstständig, wenn aber zwei oder mehrere Geschäftsführer bestellt sind, durch je zwei Geschäftsführer gemeinsam oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten; durch Gesellschafterbeschluss können jedoch auch bei Bestellung mehrerer Geschäftsführer einer oder einige von ihnen zur selbstständigen Zeichnung und Vertretung der Gesellschaft ermächtigt werden. Der Revisionsrekurswerber war ursprünglich ebenso wie ein weiterer Geschäftsführer berechtigt, die Gesellschaft selbstständig zu vertreten; seine Vertretungsbefugnis wurde jedoch in weiterer Folge anlässlich einer außerordentlichen Generalversammlung dahin geändert, dass er (nur mehr) mit einem weiteren Geschäftsführer oder Prokuristen vertretungsbefugt ist. Nunmehr ist der weitere Geschäftsführer zurückgetreten, die Gesellschaft verfügt jedoch über drei Prokuristen. Die Vorinstanzen wiesen den Antrag des Revisionsrekurswerbers, er vertrete nunmehr selbstständig, ab. Sein außerordentlicher Revisionsrekurs ist nicht zulässig: 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird durch den Wegfall des Geschäftsführers, der nach dem Gesellschaftsvertrag zur wirksamen Kollektivvertretung der Gesellschaft befugt ist, die Vertretungsmacht der verbleibenden Geschäftsführer mangels einer ausdrücklichen Vertragsbestimmung ohne 3 6 Ob 230/07b Satzungsänderung nicht ausgedehnt; es ist vielmehr durch Satzungsänderung eine neue Vertretungsregelung zu treffen (RIS-Justiz RS0059809, zuletzt 6 Ob 64/04m = NZ 2007/8). Diese Rechtsprechung fand auch die Billigung der Lehre (vgl etwa Wünsch, GmbHG [1993] §18 Rz 39; Gellis/Feil, GmbH-Gesetz6 [2006] § 18 Rz 13; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht P [1997] Rz 2/205; Umfahr er, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung5 [1998] Rz 232; Koppensteiner/Rüfßer, GmbH-Gesetz3 [2007] § 18 Rz 23). 2.1. Zur eingangs wiedergegebenen Vertragsbestimmung im Gesellschaftsvertrag finden sich in der jüngeren Literatur (Weigand, Firmenbuchrechtliche Prüfungspflicht bei Anmeldungen von Bestellung und Abberufung vertretungsbefugter Personen - Lösungsansätze zu täglichen Fragen der Firmenbuchpraxis, NZ 2003/23; Andreae, NZ 2005, G 2 [Entscheidungsanmerkung zu OLG Wien 28 R 138/99s und 28 R 26/04f]; vgl weiters J. Gruber, Aktuelle Entscheidungen des OGH zum Gesellschaftsrecht, SWK 2004, W 152 [FN 3]) Stimmen, die sie als „ausdrückliche Bestimmung" im Sinne der erwähnten Rechtsprechung verstehen wollen. Sehe der Gesellschaftsvertrag zwar grundsätzlich Kollektivvertretung durch zwei oder mehrere Geschäftsführer, für den Fall, dass nur einer bestellt ist, jedoch dessen Einzelvertretung vor, sei der verbleibende, aufrecht bestellte Geschäftsführer (bei Wegfall des anderen) selbstständig vertretungsbefugt; daran ändere auch ein die statutarische Regelung nur teilweise wiederholender Bestellungsbeschluss nichts, der zwar die Kollektivvertretung ausdrücklich erwähnt, nicht aber die Einzelvertretungsregelung für den Fall der Alleingeschäftsführung. 4 6 Ob 230/07b 2.2. Der Revisionsrekurswerber beruft sich nun auf diese Literaturstimmen. Er meint, durch den - zwischenzeitig auch im Firmenbuch eingetragenen - Rücktritt des anderen Geschäftsführers sei er Alleingeschäftsführer geworden. Dem ist nicht zu folgen: Die Alleingesellschafterin der Gesellschaft hat in der bereits erwähnten außerordentlichen Generalversammlung ihren Willen zum Ausdruck gebracht, dem Revisionsrekurswerber die Alleingeschäftsführungsbefugnis zu entziehen und durch eine Kollektivvertretungsbefugnis zu ersetzen. Dieser Wille kann nun nicht dadurch unterlaufen werden, dass durch den Rücktritt des anderen Geschäftsführers wiederum Alleinvertretungsmacht entsteht. Die diesbezügliche Bestimmung im Gesellschaftsvertrag „[Die Gesellschaft] wird, wenn nur ein Geschäftsführer bestellt ist, durch diesen selbstständig ... vertreten." bedeutet in diesem Zusammenhang lediglich, dass sich eine Satzungsänderung erübrigt, wenn die Generalversammlung nur mehr einen Geschäftsführer bestellt oder den weiteren Geschäftsführer abberuft; dann hat dieser einzelne Geschäftsführer eben Alleinvertretungsrecht. Durch den Wegfall des weiteren Geschäftsführers kann jedoch nicht automatisch das von der Alleingesellschafterin gewollte Vieraugenprinzip außer Kraft gesetzt werden. Die angefochtene Entscheidung berücksichtigt daher ausreichend die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs; der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig. Oberster Gerichtshof, Wien, am 12. Dezember 2007 Dr. P i m m e r Für die Richtigkeit der Ausfertigung der Leiter der Geschäftsabteilung: 824 Rechtsprechung GmbHR 15/2007 Gesellschaftsrecht b) Bei Beachtung dieser Maßstäbe lassen sich die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung vorliegend nicht bejahen, [wird ausgeführt] III. Keine Zulassung der Revision ... Gründe für die Zulassung der Revision gem. §543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Der GmbHR-Kommentar Das OLG Hamm befasst sich in seiner vorstehend abgedruckten Entscheidung v. 1.3.2007 - 27 U 137/06 mit einem in der Praxis häufig anzutreffenden Problembereich, nämlich dem der fristlosen Kündigung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführer einer GmbH (GF). Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass die fristlose Kündigung oftmals die einzige Möglichkeit darstellt, sich von einem GF zu trennen, dessen Anstellungsverhältnis ohne die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung befristet ist. Der Entscheidung des OLG Hamm ist in ihrem Ergebnis und ihrer Begründung zuzustimmen. Eingangs seiner Entscheidung setzt sich das OLG Hamm mit der Möglichkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB auseinander und stellt dabei in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung fest, dass ein solches dann statthaft ist, wenn die nachgeschobenen Kündigungsgründe bereits im Zeitpunkt des Ausspruchs der fristlosen Kündigung vorgelegen haben und noch nicht nach § 626 Abs. 2 BGB verfristet waren. Nach § 626 Abs. 2 BGB ist eine fristlose Kündigung innerhalb von 2 Wochen ab Kenntnis des Kündigungsgrundes zu erklären. Wird diese materiellrechtliche Ausschlussfrist versäumt, so führt dies zur Un-wirksamlceit der fristlosen Kündigung. Ist aber bereits eine fristlose Kündigung ausgesprochen worden, so muss der gekündigte GF damit rechnen, dass die bei Ausspruch dieser Kündigung bereits bekannten, zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht nach § 626 Abs. 2 BGB verfristeten oder auch bis dahin noch nicht entdeckten Kündigungsgründe nachgeschoben werden (vgl. BGH v. 14.10.1991 - II ZR 239/90, GmbHR 1992, 38; v. 1.12.2003 - II ZR 161/02, GmbHR 2004, 182 m. Komm. Weßling; Brandmüller, Der GmbH-Geschäftsfüher, 18. Aufl. 2006, Rz. 188.1, m.w.N.; vgl. allgemein zu Problemen bei der Kündigung von GF Bayer/Rempp, GmbHR 1999, 530). Ein solches Nachschieben von Kündigungsgründen liegt dabei ebenfalls in der Zuständigkeit desjenigen, der für die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses mit einem GF zuständig ist. Dies ist in aller Regel die Gesellschafterversammlung (vgl. hierzu Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, §46 Rz.36, m.w.N.; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 6 Rz. 89, m.w.N.). Zutreffend hat das OLG Hamm auch dahingehend erkannt, dass ein unterlassenes Einschreiten eines GF gegen sexuelle Belästigungen von Angestellten durch andere Mit-GF eine Pflichtverletzung darstellt, die die fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrags rechtfertigen kann. Ein wichtiger Grund i.S.d. §626 Abs. 1 BGB liegt dann vor, wenn der GmbH bei Abwägung aller Umstände die Weiterbeschäftigung des GF in seiner bisherigen Stellung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist (vgl. BGH v. 23.10.1995 - II ZR 130/94, WM 1995, 2064 = GmbHR 1996, 291 [LS]). Begeht ein GF selber sexuelle Belästigungen an Angestell- ten der GmbH, so stellt dies selbstverständlich einen Kündigungsgrund i.S.d. §626 Abs. 1 BGB dar. Ausgehend hiervon, hat ein GF aber auch dafür Sorge zu tragen, dass sexuelle Belästigungen durch andere Angestellte der GmbH oder durch andere Mit-GF unterbleiben. Hieraus folgt, dass der GF entsprechenden Anschuldigungen nachzugehen, aktiv gegen bekannt gewordene sexuelle Belästigungen vorzugehen und solche Belästigungen von Angestellten der GmbH fernzuhalten hat. Zwar hat jeder GF die anderen Mit-GF auch dann zu überwachen, wenn die Geschäftsführungsaufgaben ressortmäßig verteilt sind. Das betrifft aber nur die Frage der Mithaftung nach § 43 GmbHG für Fehler der anderen Mit-GF. Eine Personalaufsicht übt ein GF über die anderen Mit-GF hingegen nicht aus (so zutreffend Brandmüller, Der GmbH-Geschäftsführer, 18. Aufl. 2006, Rz. 187). Da einem GF eine solche Personalaufsicht über andere Mit-GF mithin nicht obliegt, kommt es regelmäßig auf die jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalls an, um zu entscheiden, ob ein GF durch unterlassenes Einschreiten gegen sexuelle Belästigungen von Angestellten durch andere Mit-GF eine Pflichtverletzung begangen hat, die eine fristlose Kündigung seines Anstellungsverhältnisses rechtfertigt. Diesbezüglich kann auf die vom OLG Hamm hierzu in seiner vorliegend diskutierten Entscheidung aufgezählten Kriterien verwiesen werden. Das OLG Hamm ist auf die Frage, ob der fristlosen Kündigung eines GF eine Abmahnung vorauszugehen hat, nicht eingegangen. Dies ist unter Berücksichtigung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung konsequent, da diese eine Abmahnung nicht voraussetzt (vgl. BGH v. 14.2.2000 - E ZR 218/98, GmbHR 2000, 431; v. 10.9.2001 - II ZR 14/00, GmbHR 2001, 1158 m. Komm. Teigelkötter; KG Berlin v. 10.11.2000 - 14 U 9587/99, DStR 2002, 321 m. Anm. Bloching = GmbHR 2001, 925 [LS]). Ob dies auch im Lichte des durch das Gesetz zur Schuldrechtsmodernisierung vom 26.11.2001 (BGBl. I 2001, 3138) in das BGB aufgenommenen §314 Abs.2 BGB noch gilt, ist streitig (vgl. Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 5.Aufl. 2005, §6 Rz.92, m.w.N.; U.H.Schneider, GmbHR 2003, 1). Eine höchstrichterliche Klärung liegt bislang noch nicht vor. In einer jüngeren Entscheidung hat OLG Sachsen-Anhalt v. 16.11.2004 - 9 U 206/01, GmbHR 2005, 757 noch ausgeführt, dass eine Abmahnung grundsätzlich nicht erforderlich sei, ohne dabei jedoch auf § 314 Abs. 2 BGB eingegangen zu sein. Karsten Haase, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Düsseldorf, Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Niederrhein sowie an der Fachhochschule Düsseldorf. Vertretung der GmbH: Alleinvertretungsmacht des verbleibenden nach Ableben eines zusätzlich bestellten Geschäftsführers GmbHG §35 Abs.2 'S. 2 Wird in dem Gesellschaftsvertrag einer GmbH bestimmt, dass die Gesellschaft einen oder mehrere Geschäftsführer haben kann und dass, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind, die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinsam oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten wird, und war Ursprung- GmbHR 15/2007 825 Gesellschaftsrecht lieh nur ein Geschäftsführer bestellt, so hat, wenn ein zusätzlich bestellter Geschäftsführer verstirbt, der verbleibende Geschäftsführer Alleinvertretungsmacht. BGH, Beschl. v. 4.5.2007 - II ZR 330/05 (vormals: H ZR 346/03) ► Aus den Gründen: [1] Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 91 a ZPO nur noch über die Kosten zu entscheiden. Dabei sind die Kosten derjenigen Partei aufzuerlegen, die bei einer Fortsetzung des Rechtsstreits voraussichtlich unterlegen wäre. Das ist hier der Beklagte (Bekl.), wie sich aus dem Hinweisbeschluss des Senats v. 26.2.2007 - II ZR 330/05 ergibt.... [Dieser Hinweisbeschluss lautet auszugsweise wie folgt:] [1] ... [4] Im Übrigen weist der Senat... darauf hin, dass gegen die Auffassung des OLG [OLG Rostock v. 25.4.2002 - 1 U 108/00], ein Ansprach der Klägerin gegen den Insolvenzschuldner H aus §823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB bestehe nicht, es fehle an einem Treueverhältnis, weil die Abtretungsvereinbarung v. 9.9.1997 mangels Vertretungsmacht des Insolvenzschuldners unwirksam sei, durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen. Die gesellschaftsvertragliche Vertretungsregelung ist vielmehr dahin auszulegen, dass der Insolvenzschuldner nach dem Tod seines Mitgeschäftsführers Alleinvertretungsmacht hatte und die Abtretung daher wirksam ist mit der Folge, dass die Revision in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte, weil der Klage, wenn auch mit anderer Begründung, hätte stattgegeben werden müssen. [5] Die Alleinvertretungsmacht des verbliebenen Geschäftsführers folgt hier daraus, dass nach der Satzung auch die Möglichkeit bestand, nur einen Geschäftsführer zu bestellen. Die Gesellschafter haben nicht festgelegt, dass notwendigerweise zwei Geschäftsführer tätig sein sollen. Sie haben lediglich eine Regelung getroffen, wer die Gesellschaft zu vertreten hat, wenn zwei Geschäftsführer bestellt sind. Das unterscheidet den Fall von dem der Entscheidung BGH v. 8.2.1993 - II ZR 62/92, BGHZ 121, 263 (264) = GmbHR 1993, 508 zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem zwei Liquidatoren bestimmt worden waren und der Senat angenommen hat, bei Wegfall eines der beiden erstarke die Gesamtvertretungsmacht des verbliebenen (§68 Abs. 1 S.2 GmbHG) nicht zur Einzelvertretungsmacht. Hier dagegen lässt die Satzungsregelung die Frage, ob zwei Geschäftsführer bestellt sind, offen. [6] Hinzu kommt, dass ausweislich des von dem Beklagten vorgelegten Handelsregisterauszugs ursprünglich nur ein Geschäftsführer bestellt war, nämlich FW. Später wurde W abberufen und durch L und den Insolvenzschuldner ersetzt. Nachdem L gestorben war, hatte die Gesellschaft wieder nur einen Geschäftsführer. [7] Jedenfalls bei dieser Sachlage Möglichkeit der Bestellung nur eines Geschäftsführers, ursprüngliche Bestellung nur eines Geschäftsführers und Wegfall des später bestellten Mitgeschäftsführers ist davon auszugehen, dass die Gesamtvertretungsmacht des verbliebenen Geschäftsführers zur Alleinvertretungsmacht erstarkt (BGH v. 9.5.1960 - II ZB 3/60, WM 1960, 902; Koppensteiner in Rowed-der/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. §35 Rz.60).... I Eigenkapitalersatz: Überlassung eines Grund-I stücks zur Miete als kapitalersetzende Leistung GmbHG §32a Abs. 3 1. Zur Frage des Eigenkapitalersatzes durch Überlassung eines Grundstücks zur Miete. 2. Zur Beurteilung der Kreditunwürdigkeit einer GmbH. KG Berlin, Urt. v. 25.1.2007 - 8 U 8/06 (rechtskräftig) ► Aus den Gründen: ... Die zulässige Berufung des Beklagten (Bekl.) ist ganz überwiegend unbegründet.... A. ... Der Bekl. kann sich nicht auf ein Recht zur unentgeltii-chen Nutzung der Mieträume nach den Grundsätzen des Eigenkapitalersatzes gem. § 32 a Abs. 3 GmbHG berufen. 1. Gebrauchsüberlassung als Kapitalersatz Zutreffend ist das LG [LG Berlin v. 12.12.2005 -12 0 263/ 05] davon ausgegangen, dass auch eine Gebrauchsüberlassung eigenkapitalersetzenden Charakter haben kann. Dies entspricht der st.Rspr. des BGH (BGH v. 16.10.1989 -H ZR 307/88, BGHZ 109, 55 = GmbHR 1990, 118; v. 11.7.1994-II ZR 146/92, BGHZ 127,1 = GmbHR 1994, 612; vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbH, 18. Aufl., §32a GmbHG, Rz.57; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, 4.AufL, §32a GmbHG, Rz. 162ff.). Das LG hat das Vorliegen des Eigenkapitalersatzes bezogen auf die Gebrauchsüberlassungen der Kl.in zu 1) im April 2001 und der Kl.in zu 2) im Juni 2001 im Ergebnis zu Recht verneint. a) Nach der gem. § 32 a GmbHG maßgebenden Sicht eines ordentlichen Kaufmanns ist die Zuführung von Eigenkapital dann geboten, wenn die Gesellschaft kreditunwürdig ist. Kreditanwürdigkeit ist dann gegeben, wenn sie überschuldet oder zahlungsunfähig ist oder wenn die Gesellschaft, ohne zahlungsunfähig oder überschuldet zu sein, von dritter Seite zu marktüblichen Bedingungen ohne Besicherung durch ihre Gesellschafter keinen Kredit mehr erhalten könnte und deshalb ohne die Zuführung von Eigenkapital oder Gesellschafterdarlehen liquidiert werden müsste (vgl. grundlegend BGH v. 14.12.1959 - H ZR 187/57, BGHZ 31, 258 [272] = NJW 1960, 285 = GmbHR 1960, 43; v. 24.3.1980 - H ZR 213/77, BGHZ 76, 326 [329] = NJW 1980,1524 = GmbHR 1980,179; v. 21.9.1981 - H ZR 104/ 80, BGHZ 81,311 [315] = GmbHR 1982,133; v. 21.2.1994 - H ZR 60/93, NJW 1994,1477,178 = GmbHR 1994, 394; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, 4. Aufl., §32a GmbHG, Rz.33; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbH, 18.Aufl., §32a GmbHG, Rz.48; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 9. Aufl., §§32a, 32b GmbHG, Rz.38ff.). Der Zeitpunkt, ab dem Gesellschafterleistungen - so auch Nutzungsüberlassungen - wie Eigenkapital behandelt werden, ist nach der Rspr. des BGH stets erreicht, wenn die Gesellschaft überschuldet ist (BGH v. 16.10.1989 - H ZR 307/ 88, BGHZ 109,55 = NJW 1990,516 = GmbHR 1990,118; v. 14.12.1959 - R ZR 187/57, BGHZ 31, 258 = GmbHR 1960, 43; v. 14.11.1988 - U ZR 115/88, WM 1989, 60 = GmbHR 1989, 154; v. 11.7.1994 - H ZR 146/92, BGHZ 127, 1 [5] = GmbHR 1994, 612; v. 11.7.1994 - H ZR 162/ 92, BGHZ 127,17 [32] = GmbHR 1994, 691; v. 14.6.1993 - H ZR 252/92, NJW 1993, 2179 [2180] = GmbHR 1993, 1 R 272/08h Reiserecht Problem: Normen: Datum, Geschäftszahl: OGH: veröffentlicht in: Leitsatz 1. Wird im Reiseprospekt ausgeführt, dass der Reiseversicherer nur im Rahmen der Versicherungsbedingungen anfallende Rücktrittsgebühren übernimmt, so sind die Versicherungsbedingungen des Reiseversicherers mitvereinbart. 2. Selbst bei einer „Komplett-Schutzversicherung" sind in den Versicherungsbedingungen enthaltene nähere Bestimmungen über die Versicherungsdeckung bei einem Reiserücktritt wegen Erkrankung weder überraschend im Sinn des § 8 64a ABGB noch gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB. 3. Wird in Versicherungsbedingungen festgehalten, dass für im Zeitpunkt des Reiseantritts bereits eingetretene oder vorhersehbare Ereignisse kein Versicherungsschutz besteht, und dass plötzliche schwere Erkrankungen bestimmter Angehöriger einen Anspruch auf Versicherungsleistung aus der Reiserücktrittskostenversicherung begründen, so sind diese Bestimmungen der Versicherungsbedingungen so zu verstehen, dass eine Versicherungsdeckung dann besteht, wenn die Krankheit des Angehörigen plötzlich eine solche Schwere erreicht, dass dem Versicherten ein Reiseantritt üblicherweise nicht zugemutet werden kann. Sachverhalt Der Kläger buchte anhand des Reisekataloges des Reiseveranstalters X am 24. 06. 2006 im Reisebüro Y eine Reise Reisestornoversicherung ABGB: § 863, § 864a, § 879, § 914, § 915; VersVG: §§ 1 ff 13 . 03 . 2009, 1 R 272/08h nicht befasst, rechtskräftig nach Ägypten. In diesem Katalog wird hinsichtlich einer Reiseversicherung ausgeführt: „Die A-Versicherung übernimmt im Rahmen der Versicherungsbedingungen, die nachstehend auszugsweise abgedruckt sind, ihre Rücktrittsgebühren aus folgenden, nicht vorhersehbaren Gründen ...". Im Zuge der Buchung entschloss sich der Kläger, eine Reiseversicherung bei der Beklagten abzuschließen, und erhielt auch eine Buchungsbestätigung, in der die Versicherung angeführt war. Auf Grund eines Terroranschlages am Reiseziel erfolgte eine kostenlose Umbuchung auf den Reisezeitraum 21. 09. 2006 bis 05. 10. 2006. Der Kläger hatte bereits früher mehrere Reisen gebucht, einige davon auch mit Reiseversicherungen bei der Beklagten. Es ist dabei auch schon zu Stornierungen gekommen. Dem Kläger hätte daher auch aus den vorangegangenen Buchungen bekannt sein müssen, dass die Beklagte nur zu ihren AVB abschließt, zumal in den Rechnungen auch auf die AVB Bezug genommen wird. In dem der Buchung zu Grunde liegenden Katalog befand sich sinngemäß der Hinweis, dass die Versicherungsbedingungen auf Anfrage im Servicecenter der A-Versicherung erhältlich seien oder diese im Internet eingesehen werden können. Die Versicherungsbedingungen lauten auszugsweise: „6. In welchen Fällen besteht kein Versicherungsschutz? Für Ereignisse, die 6.11. zum Zeitpunkt des Reiseantritts bereits eingetreten oder vorhersehbar waren. Dies gilt auch für vorvertragliche Leiden; Reiserücktrittskosten 2. Bei welchen Ereignissen? 2.1. Bei plötzlicher, schwerer Krankheit, schweren gesundheitlichen Unfallfolgen oder Tod des Versicherten. Die Erkrankung gilt als schwer, wenn sich daraus zwingend die Reiseunfähigkeit ergibt und der Versicherer auch nicht in der Lage ist, seiner beruflichen Tätigkeit nachzukommen. Ein entsprechender Nachweis, wie z.B. kassenärztliche Krankmeldung, ist auf Wunsch des Versicherers beizubringen. Psychische Erkrankungen, die nach Buchung bzw. Versicherungsabschluss erstmalig auftreten, sind nur dann versichert, wenn ein stationärer Aufenthalt erforderlich ist. Krankheiten, die durch Alkohol- oder Drogenmissbrauch bedingt sind, sind nicht versichert. 2.2. Eine 2.1. gleichzuhaltende Verschlechterung eines bestehenden organischen Leidens des Versicherten, vorausgesetzt, es wurde vor Buchung die Reisefähigkeit seitens des Arztes schriftlich bestätigt; 2.10. Plötzliche schwere Krankheit, schwere Unfallverletzung oder Tod einer der folgenden Personen: Ehepartner, Lebensgefährten, (Schwieger-)Eltern - Kinder, Geschwister, Großeltern, Enkel, Schwager und Schwägerin oder eine in der Polizze namentlich angeführte Person. Die am 17. 10. 1915 geborene Mutter des Klägers litt an Herzbeschwerden, war allerdings deswegen nie in Spitalsbehandlung. Im August 2006 verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand. Der Kläger hat sich Anfang September 2006 entschlossen, die Reise nicht anzutreten und stornierte mit Telefax vom 11. 09. 2006 die Reise. Das Erstgericht wies die Klage des Reisenden gegen die A-Versicherung auf Ersatz der Stornokosten ab. Der dagegen erhobenen Berufung des Klägers wurde Folge gegeben. Ent s che i dung sgründe Der Berufungswerber wendet sich in seiner Rechtsrüge gegen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, die AVB seien zwischen den Parteien vereinbart worden. Die AVB sind die AGB der Versicherer; sie bedürfen an sich wie alle AGB zu ihrer Geltung der Einbeziehung in den Vertrag. Weil aber allgemein bekannt ist, dass Versicherungsunternehmen nur auf der Grundlage von - jedermann zugänglichen - AVB abschließen, ist der widerspruchslose Vertragsabschluss seinem objektiven Erklärungswert nach als Einverständnis mit den AVB zu werten. Dabei wird Vertragsinhalt die bei Vertragsabschluss geltende Fassung. Der OGH hält an dieser im Rechtssatz RS0062323 wiedergegebenen Rsp nach wie vor fest. Der OGH entschied zu 7 Ob 39 und 40/95, dass die Anführung der AVB auf dem vom Kunden unterzeichneten Antragsformular für eine wirksame Vereinbarung grundsätzlich ausreiche (unter Hinweis auf SZ 63/54). Diese Rsp erfuhr eine Nuancierung wie folgt: Der OGH führte zu 7 Ob 31/03i wörtlich aus: „Vorauszuschicken ist, dass der OGH von seiner in älterer Judikatur vertretenen, von der Lehre kritisierten Auffassung, da allgemein bekannt sei, dass Versicherungsunternehmungen nur auf der Grundlage von - jedermann zugänglichen - Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) abschlössen, sei der widerspruchslose Vertragsabschluss seinem objektiven Erklärungswert nach (ohne weiteres) als Einverständnis mit den AVB zu werten (vgl etwa 7 Ob 52/81, EvBl 1982/87), abgerückt ist. Zuletzt wurde in einheitlicher Rsp ausgeführt, dass AVB als AGB Vertragsbestandteil werden, wenn sie vertraglich vereinbart worden sind (7 Ob 39/95 mwN; vgl ganz. allgemein zu AGB Rummel in Rummel, ABGB3 § 8 64a Rz 2) • anderenfalls kommt -wenn Art der Versicherung, versichertes Risiko und Prämie feststehen - der Versicherungsvertrag ohne AVB zustande. Auf die Regeln des Dissenses wäre nur dann zurückzugreifen, wenn letztgenannte Umstände nicht bestimmbar sein sollten. Dem Kunden (Versicherungsnehmer) muss deutlich erkennbar sein, dass der Unternehmer (Versicherer) nur zu seinen AVB kontrahieren will, und der Kunde muss sich unterwerfen (vgl Schauer, Versicherungsvertragsrecht3 84) . Dafür wird jedoch gefordert, dass zumindest ein Hinweis auf die speziellen AVB in den Vertragsunterlagen deutlich aufscheint, und der Kunde die Möglichkeit hat, die AVB zu erhalten bzw deren Inhalt zu erfahren (7 Ob 39/95 mwN; vgl 7 Ob 17/90, SZ 63/54; 7 Ob 33/90; Schauer, aaO mwN) . Die Anführung der Bezeichnung der AVB auf dem vom Kunden unterzeichneten Antragsformular reicht unter diesen Voraussetzungen für eine wirksame Vereinbarung aus (7 Ob 39/95 mwN), ohne dass es auf die Aushändigung der AVB an den Versicherungsnehmer ankäme (7 Ob 33/90, VersE 1490 = VersR 1991, 905 = VR 1991/232). Zwar kann der Versicherungsnehmer gemäß § 5b Abs 2 VersVG binnen zwei Wochen vom Vertrag zurücktreten, sofern er die Versicherungsbedingungen nicht vor Abgabe seiner Vertragserklärung (der Unterfertigung des Versicherungsantrags) erhalten hat. Der Bestimmung ist also die Obliegenheit (EBRV 1553, S 13 f, NR: GP XVIII) immanent, dem Versicherungsnehmer die einschlägigen Bedingungen auszuhändigen, bevor er seine Vertragserklärung abgibt (vgl Fenyves in Fenyves/Kronsteiner/'Schauer, Komm VersVG-Novellen, Rz 5 zu § 5b, der sogar eine Rechtspflicht zur Aushändigung der AVB annimmt) . Dadurch soll der Versicherungsnehmer in die Lage versetzt werden, das Versicherungsprodukt anhand der Bedingungen genau zu prüfen, bevor er seine Unterschrift unter den Antrag setzt (EB S 13 f) . Die Aushändigung ist aber nicht Gültigkeitsvoraussetzung {Fenyves, aaO) . Auch wenn auf Grund der in der VersVG-Novelle 1994 (entsprechend den Dritten Versicherungsrichtlinien der EU) jedem Versicherer eingeräumten Möglichkeit, eigene Bedingungen zu schaffen, das Erfordernis der Kenntnisnahme von AVB durch den Versicherungsnehmer verschärft wurde, gelten demnach für die Rechtswirksamkeit der Einbeziehung von AVB in den Einzelvertrag nach wie vor die eben dargestellten Grundsätze (vgl Fenyves, aaO unter Hinweis auf Schauer, aaO mwN, zum betreffenden Meinungsstand in Dtld s Prölss in Prölss/Martin, WG26 Vorbem I Rn 22 ff; Dörner in BK, Einleitung Rn 71 mwN; Präve, ZfV 1994, 381 ff; Wandt, Verbraucherinformation und Vertragsschluss nach neuem Recht 19 ff; Lorenz, VersR 1995, 619 f; die dt Rechtslage unterscheidet sich allerdings wesentlich von der österreichischen, weil es in Österreich eine § 5a dWG vergleichbare Norm nicht gibt [Schwintowski in BK § 5a Rn 118]; ebenso keine ausdrückliche Regelung der Einbeziehungsvoraussetzungen wie in § 2 dAGBG [s dazu Rummel, aaO, Rz 2a zu § 864a]). Als für eine wirksame Vereinbarung von AVB ausreichend wurde etwa zu 7 Ob 60/86, VersE 1314 = RdW 1987, 229 = VersR 1988, 530 erachtet, dass laut dem betreffenden Formular des Versicherers die Versicherung bestimmter Sachen ,gemäß den Allgemeinen Einbruchsdiebstahlversicherungs-Bedingungen (AEB) 1 beantragt wurde. Daran, dass ein solcher, vom Versicherungsnehmer durch Unterfertigung des Antrags akzeptierter Hinweis ausreicht, kann festgehalten werden. Im vorliegenden Fall enthielt das Antragsformular allerdings nicht etwa den Hinweis, dass der Antrag zu den Bedingungen der ABH 1995 erfolge oä, sondern nur den lapidaren Satz, dass die AVB der Antragstellerin übergeben worden seien. Wäre dies tatsächlich der Fall gewesen, ließe sich wohl mit der Revisionswerberin argumentieren, dass dies doch dahin verstanden werden müsse, dass die beklagte Partei nur zu diesen Bedingungen kontrahieren wolle. Da aber hier -wie ausdrücklich festgestellt - damals AVB der Klägerin nicht ausgefolgt wurden (sondern eine Übergabe der ABH 1995 erst viel später, nämlich am 12. 03. 2001, erfolgte) lag dies nicht ohne weiteres nahe. Einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer, der auch hier die Maßfigur darstellt (vgl zur Auslegung von Versicherungsbedingungen RIS-Justiz RS0050063 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen), muss wohl unterstellt werden, dass der Versicherer, wenn er ihm entgegen dem Formulartext die AVB eben nicht ausfolgt, zumindest keine den Formulartext einschränkende Versicherungsbedingungen zugrunde legen wollte; jedenfalls durfte der Verwender der AVB die ,Unterwerfung' seines Vertragspartners unter derartige AVB nicht annehmen (Rummel, aaO Rz 3 zu § 8 64a ABGB) . Die Annahme der Vorinstanzen, unter diesen Umständen könne nicht von einer Unterwerfung der Klägerin unter die ABH 1995 und insb die darin vorgesehenen Haftungsbeschränkungen ausgegangen werden, ist daher zu billigen." Zu 1 Ob 30/04z beschäftigte sich der OGH eingehend mit der Geltung von AGB, die von der Verhandlungssprache abweichen. Schließlich wiederholte der OGH in 7 Ob 231/06f den wiedergegebenen Grundsatz, dass nach stRsp die Geltung von AVB als AGB im Einzelfall deren Vereinbarung voraussetze; andernfalls komme - wenn die Versicherungsart das versicherte Risiko und die Prämie feststehen - der Versicherungsvertrag ohne den AVB zustande (7 Ob 3l/03i; 1 Ob 30/04z) . Dem Versicherungsnehmer muss deutlich erkennbar sein, dass der Versicherer nur zu seinen AVB kontrahieren will. Dafür ist jedoch erforderlich, dass in den Vertragsunterlagen ein deutlicher Hinweis auf die Einbeziehung der AVB enthalten ist und der Versicherungsnehmer die Möglichkeit hat, sich diese zu beschaffen oder den Inhalt zu erfahren. Daran hat sich auch auf Grund der in der VersVG-Novelle 1994 jedem Versicherer eingeräumten Möglichkeit, eigene Bedingungen zu schaffen, nichts geändert. Das Erstgericht stellte fest, dass im Reisekatalog betreffend einer Reiseversicherung angeführt wird: „Die A-Versicherung übernimmt im Rahmen der Versicherungsbedingungen, die hier nachstehend auszugsweise abgedruckt sind, Ihre Rücktrittsgebühren aus folgenden, nicht vorhersehbaren Gründen . . . ". Im gegenständlichen Fall kann alleine schon auf Grund dieser Textierung für einen durchschnittlichen, redlichen und vernünftigen Versicherungsinteressenten kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte nur auf Grund ihrer Versicherungsbedingungen Reiseversicherungen anbietet. Das Erstgericht nahm auf Beilage ./6 Bezug, und zwar dem Katalog, der der Buchung zu Grunde lag. In diesem ist im Übrigen auch betreffend den Ersatz der Stornokosten angeführt der Hinweis: „Bei Nichtantritt der Reise auf Grund eines versicherten Ereignisses trägt der Versicherte eine 20 %-igen Selbstbehalt von der Summe der Stornorechnung." Aus der Formulierung „eines versicherten Ereignisses" ergibt sich auch zwangsläufig, dass nicht sämtliche möglichen Ereignisse, was ja auch von einem verständlichen Versicherungsnehmer zu erwarten ist, von einer Reisestornoversicherung umfasst sind. Das Erstgericht hat daher zutreffend die Versicherungsbedingungen der Beklagten als dem Versicherungsvertrag zu Grunde liegend und als mitvereinbart beurteilt (stRsp des Berufungsgerichtes, ua 1 R 61/07b). Der Berufungswerber führt desweiteren in seinem Rechtsmittel zusammengefasst aus, dass entgegen den Angaben im Reisekatalog angeführt sei, dass 100 % der Stornokosten ersetzt werden, nicht mit einer Einschränkung in den Versicherungsbedingungen gerechnet werden konnte. Vielmehr habe der Berufungswerber bei Abschluss der Stornoversicherung darauf vertrauen dürfen, dass diese auch die Verschlechterung eines bestehenden organischen Leidens von Angehörigen umfasse. Die einschränkenden Klauseln seien gemäß § 8 64a ABGB ungewöhnlich und daher nicht Vertragsbestandteil. Das Berufungsgericht vermag sich diesen Ausführungen nicht anzuschließen. Der Berufungswerber hat eine Komplett-Schutzversicherung abgeschlossen, die jedoch nicht nur das Risiko des Nichtantrittes oder des Abbruches der Reise umfasst, sondern auch die Risken des Verlustes des Reisegepäcks, der Reiseerkrankung, des Reiseunfalls etc. Dass die Bedingungen für das Risiko des Reiserücktritts aus dem Grunde einer Erkrankung nähere Bestimmungen, insb bei bereits bestehenden Erkrankungen, enthält, überrascht einen verständigen Versicherungsnehmer nicht. Die Festlegung, welche Erkrankungen von diesem versicherten Risiko getragen werden, ist naheliegend, weil ohne eine Beschränkung oder andere Einschränkungen jeder Eintritt einer Krankheit, egal welcher Person, umfasst wäre. Dass Einschränkungen diesbezüglich bestehen, wurde bereits vom Berufungsgericht dargetan. Zusammengefasst kann von einer überraschenden Bestimmung gemäß § 864a ABGB nicht gesprochen werden (vgl hiezu 7 Ob 1/95, HG Wien 1 R 153/08a betreffend die zeitlich Einschränkung des Versicherungsbeginns bei der Stornoversicherung). Da - wie bereits ausgeführt - mit einer solchen Einschränkung des Risikos auf einen verständigen Versicherungsnehmer zu erwarten ist, kann auch nicht von einer gröblichen Benachteiligung gemäß § 879 Abs 3 ABGB gesprochen werden. Ein weiteres Eingehen in diese Berufungsgründe kann im Hinblick auf die folgenden Ausführungen unterbleiben. Der Berufungswerber führt desweiteren aus, dass es das Erstgericht unterlassen habe, Feststellungen zu den vom Berufungswerber angeblich bereits zuvor gebuchten Reisen bzw stattgegebenen Reisestornierungen zu treffen. Der geltend gemachte StoffSammlungsmangel ist als Verfahrensmangel zu subsumieren, und steht dem § 501 ZPO entgegen. Gemäß dieser Bestimmung kann das gegenständliche Urteil nur aus den Gründen der Nichtigkeit oder der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpft werden, wobei nach der Rsp sekundäre Feststellungsmängel, die einer abschließenden rechtlichen Beurteilung entgegenstehen, unter der Rechtsrüge subsumiert werden. Dennoch kommt der Berufung insoweit Berechtigung zu, dass bereits ausgehend vom festgestellten Sachverhalt die Erkrankung der Mutter des Berufungswerbers vom Versicherungsschutz des Risikos des Reiserücktritts umfasst ist. Die Berufungsgegnerin hat im - entscheidenden (§ 482 ZPO) -erstinstanzlichen Verfahren das grundsätzliche Bestehen einer „schweren Krankheit" der Mutter des Klägers nicht bestritten. Wenn das Erstgericht argumentiert, dass im Punkt 2.2. die Verschlechterung eines bestehenden organischen Leidens des Versicherers mitversichert sei, hingegen eine solche Bestimmung für nahe Angehörige fehle, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes naher Angehöriger grundsätzlich kein Versicherungsereignis darstelle. Es entspricht stRsp, dass AVB nach den Regeln der Vertragsinterpretation auszulegen sind (§§ 914 f ABGB). Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gehen (RIS-Justiz RS0008901; 7 Ob 2136/96k; 7 Ob 47/00p). In allen Fällen ist aber der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (stRsp des OGH, ua 7 Ob 47/00p; 7 Ob 103/Olz). In Punkt 6. der Versicherungsbedingungen unter dem Abschnitt „Gemeinsame Versicherungsbedingungen für alle Branchen" ist angeführt, dass für Ereignisse, die zum Zeitpunkt des Reiseantritts bereits eingetreten oder vorhersehbar waren, kein Versicherungsschutz besteht und dies auch für vorvertragliche Leiden gilt. Diese Bestimmung kann unter Anwendung der zit Unklarheitenregelung nur so verstanden werden, dass bereits bestehende Gesundheitsbeeinträchtigungen, wenn sie nicht vorhersehbar waren, daher, dass sie einem Reiseantritt vernünftigerweise nicht entgegenstehen, vom Versicherungsschutz umfasst sind, hingegen nicht, wenn das bereits bestehende Leiden eingetreten ist, daher dass mit einem Reiseantritt vernünftigerweise nicht zu rechnen ist. Punkt 2.10. der AVB ist iZm den vorangegangenen Bestimmungen zu lesen. Diese sehen als Ereignisse, bei denen Versicherungsschutz besteht, etwa auch die unerwartete Kündigung des Versicherten durch den Arbeitgeber (Punkt 2.5.), die unerwartete Einberufung zum Präsenzdienst (Punkt 2.6.), die Einreichung der Scheidungsklage durch den Ehepartner des Versicherten (Punkt 2.7.) oder das Nichtbestehen der Matura vor der Maturareise (Punkt 2.9.) vor. Ein objektiver sorgfältiger und verständiger Versicherungsnehmer würde die Bestimmungen der Punkte 6. der gemeinsamen Versicherungsbedingungen als auch des Punktes 2. betreffend der Reiserücktrittskostenversicherung dahingehend verstehen, dass bei der Beurteilung der Krankheit eines im Punkt 2.10. genannten Angehörigen darauf abzustellen ist, ob die Krankheit (plötzlich) eine solche Schwere erreicht, dass dem Versicherten der Reiseantritt üblicherweise nicht zugemutet werden kann (in diesem Sinne eingehend HG Wien 1 R 17l/07d). Auf dem gegenständlichen Fall angewandt, bedeutet dies aus Sicht des Berufungsgerichtes, dass die bereits seit dem Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherung bestehende Herzinsuffizienz der 1915 geborenen Mutter des Klägers, die sich aus diesem Grund noch nie in stationärer Behandlung befunden hat, grundsätzlich noch keine gesundheitliche Erkrankung oder Beeinträchtigung darstellt, von der ein verständiger redlicher Versicherungsnehmer ausgehen musste, dass in weiterer Folge mit einer plötzlichen unerwarteten Verschlechterung zu rechnen ist. Dass die Verschlechterung des Gesundheitszustandes für den Kläger bei Abschluss der Versicherung vorhersehbar war, wurde im (entscheidenden § 4 82 ZPO) Verfahren erster Instanz auch gar nicht vorgebracht. Unerwartet ist die Erkrankung, wenn der Versicherungsnehmer sie nicht vorhersehen konnte oder mit einer - den Reiseantritt entgegenstehenden - Verschlechterung einer bestehenden Erkrankung, die einem Reiseantritt vernünftigerweise nicht entgegensteht, nicht zu rechnen war. Da die Unerwartetheit die Leistungspflicht des Versicherers entsprechend der Vorhersehbarkeit im § 6 der Versicherungsbedingungen einschränkt, ist der Versicherer darlegungs- und beweispflichtig, wenn er sich darauf beruft, dass eine Erkrankung nicht unerwartet gewesen sei. Die Beklagte hat aus Sicht des Berufungsgerichtes nicht hinreichend dargelegt, warum der Kläger mit einer schweren Erkrankung, die zum Eintritt der Reiseunfähigkeit führte, rechnen musste. Unerwartet ist eine akute Erkrankung dann nicht, wenn der Versicherungsnehmer auf Grund einer chronischen Erkrankung mit deren Verschlechterung rechnen muss. Dies ist der Fall bei Krankheiten, die in Schüben verlaufen (vgl LG Hamburg, RRa 2003, 88). Nicht jedes chronische Leiden führt jedoch zur Annahme der Vorhersehbarkeit seiner Verschlechterung. Daher ist eine Erkrankung auch dann unerwartet, wenn sie zwar auf einer langjährigen Krankheit beruht, diese aber bislang die Reisefähigkeit nicht beeinträchtigt hat (LG Hamburg, RRa 2003, 43) . Wenn die Beklagte in ihrem Einspruch vorbrachte, dass die Verschlechterung eines bestehenden organischen Leidens nur für den Reisenden und nur unter der Bedingung, dass bei Buchung seitens des Arztes dies schriftlich bestätigt wird, Versicherungsschutz besteht, ist ihr entgegenzuhalten, dass eine solche Einschränkung schon dem Wortlaut nach Punkt 2.10. nicht zu entnehmen ist. In diesem Zusammenhang wird auf die bisherigen Ausführungen verwiesen sowie darauf, dass es lebensfremd wäre, vom Versicherungsnehmer bei Abschluss einer Reiserechtsschutzversicherung inklusive Stornoversicherung zu verlangen, von sämtlichen allenfalls in Betracht kommenden Personen zum Zeitpunkt der Buchung ärztliche Atteste vorzulegen. Die Frage, ob die in Punkt 2.2. vorgesehene Verpflichtung der Vorlage einer Bestätigung des Arztes vor Buchung lediglich eine verdeckte Obliegenheitsverletzung darstellt, braucht nicht an dieser Stelle beurteilt zu werden. Wenn die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 30. 01. 2007 auf Punkt 3.1. verweist, ist sie auf die bisherig getätigten Ausführungen zu verweisen. Die genannte Bestimmung sieht vor, dass kein Versicherungsschutz besteht bei Ereignissen oder Leiden, die zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses bereits eingetreten oder vorhersehbar gewesen sind. Auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes zu Punkt 6. der Versicherungsbedingungen und dem Verständnis eines redlichen Versicherungsnehmers auf Grund der Unklarheitenregel wird nochmals verwiesen. Zum Vorbringen der Beklagten in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 02. 04. 2008, nach dem die Krankheit der Mutter des Klägers nicht plötzlich aufgetreten sei, wird gleichfalls auf die bisherigen Ausführungen verwiesen. Zusammenfassend ergibt sich, dass die bei der Mutter des Klägers bestehende Herzschwäche im Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherung noch keinen hinreichenden Grund dafür bildete, dass der Kläger mit einer Verschlechterung dieser Erkrankung - und für ihn einhergehender Pflege seiner Mutter -habe rechnen müssen. Die Verschlechterung des Gesundheitszustandes erfolgte sohin unerwartet „plötzlich". Die Beklagte brachte in der zweiten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 02. 04. 2008 vor, dass den Kläger ein Mitverschulden treffe, da dieser bereits Mitte August 2006 von der behaupteten Verschlechterung des Gesundheitszustandes seiner Mutter erfahren hätte und demgemäß entsprechende Schadensminderungspflicht gewesen wäre, umgehend eine Stornierung der Reise durchzuführen. Diesfalls wären die Stornokosten jedenfalls geringer, als die eingeklagten Stornokosten gewesen. Diese Ausführungen entsprechen nicht den Grundsätzen des § 178 ZPO, insb fehlt eine ziffernmäßige Bestimmung. Der inhaltlich getätigte Vorwurf liegt nicht in einem prozentmäßigen Mitverschulden des Klägers, sondern in dem Vorwurf, die Reise verspätet storniert und sohin höhere Stornokosten verursacht zu haben. Ein näheres Eingehen kann diesbezüglich unterbleiben, zumal gemäß § 501 ZPO vom festgestellten Sachverhalt auszugehen ist und auch das Rechtsmittel diesbezüglich keine Ausführungen enthält.