Martin Wolff und die Lehre von der Qualifikation nach der lex causae im internationalen Privatrecht Author(s): Walter Selb Source: Archiv für die civilistische Praxis, 157. Bd., H. 3 (1958/1959), pp. 341-349 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.,jstor.org/stable/40993631 Accessed: 19-03-2015 08:52 UTC Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact support@jstor.org. (Si m 4 mi Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv fur die civilistische Praxis. STOR http://www.jstor.org This content downloaded from 85.183.114.142 on Thu, 19 Mar 2015 08:52:10 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions W. Selb, Martin Wolff u. d. Lehre von der Qualifikation nach der lex caitsae 341 Sie verdient die abschätzige Gegnerschaft nicht, die man ihr heute allenthalben entgegenbringt. Sie hat sich alle Vorzüge der objektiven Lehre zu eigen gemacht, insbesondere den von dieser Lehre herausgearbeiteten Anknüpfungskatalog übernommen, ohne deren Nachteil, die Verengung des Bückfelds, zu teilen. Sie hat den großen Vorzug, eine wahrhaft internationale Norm zu sein, die von der Rechtsprechung vieler maßgeblicher Länder befolgt wird; und sie kann sich stützen auf ein halbes Jahrhundert der Bewährung in der Praxis. Martin Wolff und die Lehre von der Qualifikation nach der lex causae im internationalen Privatrecht von Gerichtsassessor Dr. Walter Selb, Speyer I. Noch selten hat sich eine ungerechte Kritik in der Rechtslehre so lange erhalten wie die an der von Martin Wolff1 vertretenen Meinung zur Frage der Qualifikation. Der Satz von der logischen Schwierigkeit oder Unhalt-barkeit der Meinung, der Einwand des circulus vitiosus, wird von Autor zu Autor überliefert: Man könne nicht nach einem Statut qualifizieren, zu dem man durch die Qualifikation erst gelangen wolle2. Gerade in neuerer Zeit findet sich der Einwand wieder bei Gamillscheg3 und Husserl4. Den Kritikern ist zuzugeben, daß der Satz: „Der deutsche Richter hat einen ausländischen Rechtssatz so einzuordnen, wie ihn dasjenige ausländische Recht einordnet, das bei solcher Einordnung anwendbar ist", den Einwand geradezu herausfordert. Die These, es sei nach der lex causae zu qualifizieren, kann aber nur im Zusammenhang mit der von Martin Wolff bei der rechtlichen Behandlung eines Falles mit Auslandsberührung angewandten Methode betrachtet werden. Die Lehre von der Maßgeblichkeit der lex causae enthält mehr als nur eine Aussage; sie ist 1 Das Internationale Privatrecht Deutschlands, 3. Aufl., S. 49 ff. * Vgl. Robertson, Characterization in the Conflict of Laws, Harvard Studies in the Conflict of Laws Bd. IV, Harvard Univ. Press 1940. » JZ 1955/704. * „Ernst Rabel - Versuch einer Würdigung", JZ 1956/433, Note 91. This content downloaded from 85.183.114.142 on Thu, 19 Mar 2015 08:52:10 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions 342 Walter Selb Lösung des Problems und sie ist auf diese Lösung abgestimmte Methode. Auch, die in sich wieder abweichenden Lehren von der Qualifikation nach der lex fori5 wie auch die von Ernst Röbel vertretene Auffassung gehen von einer bestimmten Methode aus, die sich von der Martin Wolff's unterscheidet6. Von ihr aus gesehen erscheint der Einwand des Zirkelschlusses gerechtfertigt. Eine solche Betrachtung wird aber der Lehre Martin Wolff's nicht gerecht. II. Welches ist nun der Methodenunterschied ? Die herrschende Lehre geht, wie Robertson'' klar dargelegt hat, bei der Behandlung eines Falles mit Auslandsberührung bewußt oder unbewußt in folgender Weise vor: 1. Charakterisierung der Frage oder des Sachverhaltes und Auswahl der Kollisionsnorm vermittels der Charakterisierung (Qualifikation). 2. Wahl des anwendbaren Rechts über die gewählte Kollisionsnorm vermittels des Anknüpfungspunktes. 3. Abgrenzung des anwendbaren Teils innerhalb des anwendbaren Rechts. Dabei muß der Richter in der ersten und der dritten Stufe qualifizieren. An einem von Martin Wolff zitierten Beispiel8 mag der Vorgang erörtert werden. Ein Deutscher mit dem Wohnsitz in Deutschland hat testiert. Einige Zeit darauf heiratet er unter Abschluß eines Gütertrennungsvertrages eine Deutsche. Beide Ehegatten wandern im Dritten Reich nach England aus und erwerben dort Wohnsitz und britische Staatsangehörigkeit. Der Ehemann stirbt in England, ohne sein Testament widerrufen zu haben. Es taucht die Frage auf, ob das damalige Testament von Bestand ist. Nach der angeführten Methode wäre zu fragen, welches Recht über die Gültigkeit des Testamentes bei nachträglicher Eheschließung entscheidet. Die lex fori behandelt diese Frage im Erbrecht (§ 2079 BGB). Nach der lex-fori-Theorie wäre Art. 24 EGBGB und damit englisches Recht anzuwenden, da das letzte Heimatrecht des Erblassers englisches Recht war. Das bedeutet nun nicht, daß die gesamte englische Rechtsordnung anwendbar ist, sondern, daß die erbrechtlichen Grundsätze des englischen Rechts zur Beurteilung des Falles herangezogen werden müssen. Das Erbstatut regiert nur über die erbrechtlichen Verhältnisse, d. h. es kann 1 Dölle, RabelsZ, 16/380 ff. • Rabd, The Conflict of Laws, a comparative Study, Chicago 1945, S. 42 ff. ' aaO S. 9ff. 8 aaO S. 53. This content downloaded from 85.183.114.142 on Thu, 19 Mar 2015 08:52:10 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Martin Wolff und die Lehre von der Qualifikation nach der lex causae 343 nur der Teil davon zum Zuge kommen, der die erbrechtlichen Verhältnisse betrifft. In einem unproblematischen Falle würde es keinem Richter einfallen, auf eine güterrechtliche Frage solche Normen des Ehegüterstatuts anzuwenden, die eindeutig erbrechtlicher Natur sind. Die Ansicht Rabeis9, wie auch die eines Teils der Verfechter der lex-fori-Theorie10, das gewählte Statut sei in seiner Gesamtheit anzuwenden, steht damit nur scheinbar im Widerspruch. Sie geht davon aus, daß die Normen des gewählten Rechts, die auf eine güterrechtliche Frage angewendet werden können, stets güterrechtlich sind. Darin ist wiederum die Auffassung enthalten, die gewählte Rechtsordnung grenze den güterrechtlichen Bereich nicht anders aus als die Kollisionsnorm. Der Vorgang der doppelten Qualifikation bleibt verdeckt. Die erste Stufe wird vielfach als primäre und die dritte Stufe als sekundäre Qualifikation bezeichnet11. Daß eine Abgrenzimg im anwendbaren Recht stattfinden muß, wird ohne weiteres dort klar, wo mehr als eine Kollisionsnorm herangezogen werden muß. Daß dies auch bei der überkommenen Methode der Fall sein kann, hat Raape12 nachgewiesen. Auf die Frage wird später noch näher einzugehen sein. In dem Beispielsfalle wäre daher zu fragen, welche Regeln des englischen Rechts die erbrechtlichen Verhältnisse betreffen. Ist sec. 18 der Will's Act von 1837, wonach das Testament infolge der nachträgbchen Eheschließung nichtig wäre, erbrechtlicher Natur, oder betrifft es den güterrechtüchen Bereich unter Ehegatten ? Das deutsche Recht stellt die Vorschrift des § 2079 BGB, wonach das Testament vernichtbar ist, im Erbrecht sein, die englische Praxis kennzeichnet sec. 18 der Will's Act als ehegüterrechtlich13. Folgte man der englischen Praxis, so käme sec. 18 der Will's Act nicht in Betracht. Ob hierbei der lex causae wirklich zu folgen ist, mag vorläufig dahingestellt bleiben. Festzuhalten ist, daß nach dieser Methode nur die vermittels der Rechtswahl (erste Stufe) gefundene Rechtsordnung anwendbar ist. Anders geht Martin Wolff vor14. Für einen Fall mit Auslandsberührung kommen nach seiner Auffassung grundsätzlich alle vom Kollisionsrecht eines Landes zitierten Rechtsordnungen in Frage, wenngleich nur zu dem jeweils berufenen Teil. Eine Rechtswahl, die erste Stufe der überkom- » Z. f. Ausl. und IPR 5/277ff. (281). "Nußbaum, Grundzüge des IPR, 3. Aufl., S. 76; Lewald, Rfegles generales, S. 79ff. 11 Dazu näher Robertson aaO S. 119; Falconbridge, Law Quart. Rev. 53/242; Dicey-Morris, Conflict oi Laws, 6. Aufl. 1949, S. 68; Cheshire, IPrL 4. Aufl., S. 18. 11 Intern. Privatrecht, 3. Aufl. S. 75. " In re Martin (1900) Prob. 211, zit. auch beiMom's, Cases, Teil IV, K. 7. " aaO S. 54. This content downloaded from 85.183.114.142 on Thu, 19 Mar 2015 08:52:10 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions 344 Walter Selb menen Methode, findet nicht statt, weil nicht eine bestimmte Rechtsordnung, sondern in hypothesi alle nach dem Kollisionsrecht des Urteilsstaates möglichen Rechtsordnungen herangezogen werden. Nur die dritte Stufe erscheint hier als Qualifikationsproblem: wie der aus jeder der berufenen Rechtsordnungen anwendbare Teil ausgegrenzt werden solle. Die in Frage kommenden leges causae sind nicht erst zu wählen, sondern sie sind vorgegeben. Um sie zu finden, brauchen wir nicht erst zu qualifizieren. Folgerichtig sind die Kollisionsnormen des deutschen Rechts z. B. zu lesen:16 Art. 15 EGBGB: „Sind zwei Personen miteinander verheiratet, so gelten alle diejenigen Sätze des Heimatrechts des Mannes bei Eheschließung, die güterrechtlicher Natur sind." Art. 24 EGBGB: „Stirbt eine Person, so gelten alle diejenigen Sätze seines letzten Heimatrechts, die erbrechtlicher Natur sind." Art. 12 EGBGB: „Für die Beurteilung der Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung gelten alle diejenigen Sätze des Tatortes, die deliktischer Natur sind." usw. Diese Methode macht eines deutlich. Wie für einen Deutschen, dessen Verhältnisse keine Auslandsberührung aufweisen, die gesamte deutsche Rechtsordnung bereitsteht, auch wenn im konkreten Falle nur wenige Bestimmungen aus dem Schuldrecht schon die Frage lösen, so muß auch in einem Falle mit Auslandsberührung eine Gesamtrechtsordnung gegeben sein, wenngleich im Einzelfalle nur die schuldrechtlichen Regeln des Obligationsstatuts zum Zuge kommen. Diese Gesamtrechtsordnung setzt sich aus den vom Kollisionsrecht zitierten Teilrechtsordnungen zusammen, den ehegüterrechtlichen Regeln des Ehegüterstatuts, den erbrechtlichen Bestimmungen des Erbstatuts, den Deliktsregeln des Deliktstatuts usw. In jedem Falle mag sich diese Gesamtrechtsordnung in ihrer Zusammensetzung verändern. Sie wird jeweils ad hoc aufs neue bestimmt werden müssen. Wozu dient also die Rechtswahl und mit ihr die primäre Qualifikation, die von der überkommenen Methode so stark in den Vordergrund gerückt wird, wenn doch die möglicherweise anwendbaren Rechtsordnungen mit der Zahl der Kollisionsnormen - seien sie geschrieben oder nicht - bereits feststehen ? Sie soll die Lösung der Frage lokalisieren, d. h. den Weg, alle von den Kollisionsnormen zitierten Statutenbereiche durchzuprüfen, verkürzen. Die praktische Anwendung der Methode Martin Wolff's verlangt indessen ebenso, daß erkennbar nicht in Betracht kommende Teilbereiche » Martin Wolff, aaO S. 54. This content downloaded from 85.183.114.142 on Thu, 19 Mar 2015 08:52:10 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Martin Wolff und die Lehre von der Qualifikation nach der lex causae 345 nicht in die Prüfung einbezogen werden. Diese Beschränkung der Prüfung ist aber rein praktischer Art. Es bedarf dazu nicht erst einer Qualifikation. Die Methoden unterscheiden sich demnach im Ausgangspunkt, wie die gestellte Frage zu lokalisieren sei. Sollen wir von den vorgegebenen leges causae die prima facie in Frage kommenden herausgreifen oder sollen wir von vornherein nur eine bestimmte lex causae ermitteln ? Sollen wir aus der Gesamtrechtsordnung nur die praktisch möglicherweise anwendbaren Teilbereiche zur Prüfung heranziehen, oder sollen wir uns von vornherein auf einen bestimmten Teilbereich festlegen ? Der eine wie der andere Ausgangspunkt kann aus Gründen der Logik nicht verworfen werden. Kriterium für den Vorzug eines von beiden muß die praktische Verwendbarkeit sein. Im Beispielsfalle würden nach dieser Methode die güterrechtlichen Regeln des deutschen und die erbrechtlichen Regeln des englischen Rechts verwendet werden. Gamillscheg16 kommt der Meinung Martin Wolff's sehr nahe, wenn er darauf hinweist, daß zwar nicht das Wirkungsstatut, wohl aber das präsumtive Wirkungsstatut feststehe. Nach Martin Wolff stehen eben alle nach den Kollisionsnormen möglichen leges causae präsumtiv fest; streitig bleibt allein in welcher Begrenzung sie zum Zuge kommen, welche Teilbereiche in ihnen etwa erbrechtlicher oder güterrechtlicher Natur sind. Die Methode Martin Wolffs hat zunächst den Vorzug, daß sie den Ballast, der sich im Laufe der Zeit auf der primären Qualifikation als theoretische Spekulation angesammelt hat, abwirft. Daneben ist die Methode der herrschenden Lehre auch aus praktischen Gründen anfechtbar. III. Wir sehen also, daß der Lösungsvorschlag Martin Wolffs auf seiner Methode aufbaut, nicht auf der der herrschenden Lehre. Setzt sich die in jedem Falle ad hoc festzustellende Gesamtrechtsordnung aus Teilbereichen verschiedener staatlicher Rechte zusammen, so müssen wir wissen, welche Regeln des deutschen Rechts etwa das Ehegüterrecht betreffen und welche Rechtsgrundsätze des englischen Rechts das Erbrecht. Die Lehre von der Maßgeblichkeit der lex causae überläßt diese Ausgrenzung den jeweiligen Wirkstatuten:17 „Sind zwei Personen miteinander verheiratet, so gelten alle diejenigen Sätze des genannten Staates (sc. des Heimatrechts des Ehemanns), die nach dem Rechte dieses Staates ehegüterrechtlicher Natur sind." " aaO. "Martin Wolff, aaO S. 54. 23 AoF 157 Heft 3 This content downloaded from 85.183.114.142 on Thu, 19 Mar 2015 08:52:10 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions 346 Walter Selb Liegt ein Verstoß gegen die Gesetze der Logik in der Methode nicht vor, so ist doch die sachliche Lösung aus anderen Gründen bedenklich. Wird ein Bereich in der Rechtsordnung A nach deren Qualifikation dem Erbrecht zugerechnet, während der gleiche Bereich in der Rechtsordnung B güterrechtlich qualifiziert wird, so kommt keine der Regelungen beider Rechtsordnungen in Frage, wenn das Recht des, Staates A Güterrechtsstatut, das des Staates B Erbstatut ist. Das Ergebnis wäre im Beispielsfalle erstaunlich18. Obwohl das englische Recht das Testament für nichtig hält, das deutsche Recht aber für anfechtbar, wäre das Testament gültig und unanfechtbar. „The will Stands" schreibt Martin Wolf}19. Die Fehlerquelle dieses Normenmangels ist leicht erkennbar. Uberlassen wir es den leges causae, den Teil, den sie an der Gesamtrechtsordnung auszufüllen haben, selbst zu bestimmen, so wird die verschieden weit gefaßte, unharmonische Bestimmung zu Lücken und Überschneidungen führen. Im Beispielsfalle wird es deutlich, daß wir im Grunde noch keine Lösung gefunden haben, wenn wir qualifizieren. Bei der von Emst Rabel vertretenen Auffassung, angewandt auf diese Methode, würde dieses Ergebnis vermieden. Die Teilrechtsordnungen würden dann harmonisch aufeinander abgestimmt, weil die Ausgrenzung nach einer übergeordneten Betrachtungsweise alle Rechtsordnungen in gleicher Weise behandelte. Von einer übergeordneten Schau aus könnte bestimmt werden, was im Ehegüterstatut das Ehegüterrecht betrifft, ohne die Meinung dieser Rechtsordnung anders als vergleichsweise heranzuziehen. Im Beispielsfalle wären danach meines Erachtens § 2078 BGB und sec. 18 der Will's Act dem Erbrecht zuzuordnen. Das Testament wäre nichtig. IV. Normenmangel und Normenhäufung in der lex-causae-Theorie leiten uns wieder zum Ausgangspunkt zurück, zur Methode der Fallbehandlung. Kann der Normenmangel und ebenso die Normenhäufung nicht im Einzelfalle gerechtfertigt sein? Im Beispielsfalle erscheint es uns nicht so. Ergibt sich aber z. B., daß die Rechtsordnung A, als Ehegüterrechtsstatut, die Gesellschaft unter Ehegatten nur deshalb verbietet, weil sie der ehemännlichen Gewalt Abbruch täte, und die Rechtsordnung B, als Ehe-personenstatut, nur deshalb, weil darin ein unzulässiger Ehegütervertrag läge, so ist der Normenmangel nur ein scheinbarer. Die Rechtsordnung A gibt zu erkennen, daß sie güterrechtlich nichts gegen die Gesellschafts- 18 Martin Wolff, Intern. Priv. Law, S. 157. " Intern. Priv. Law, S. 157. This content downloaded from 85.183.114.142 on Thu, 19 Mar 2015 08:52:10 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Martin Wölfl und die Lehre von der Qualifikation nach der lex causae 347 gründung einzuwenden hat und die Rechtsordnung B, daß sie eheperso-nenrechtlich keine Einwendungen erhebt. Freilich würde dies erst genau festgestellt werden müssen. Nur zur Darlegung des Gedankenganges läßt sich das Beispiel derart vereinfachen. In geschlossenen Rechtsordnungen finden wir oftmals gewisse Wechsel-bezüglichkeiten, die dadurch verlorengehen, daß zusammengehörige Bereiche getrennt werden. So halte ich für denkbar, daß eine Rechtsordnung das Verbot der Gesellschaften der Ehegatten nur deshalb nicht im Ehe-personenrecht anführt, weil sie es bereits im Ehegüterrecht ausgesprochen hat, gleichwohl aber beide Verbotsgründe anerkennt. Den Zusammenhang zu erkennen wäre Aufgabe des Richters. Daß er damit überfordert ist, liegt wie bei manchen anderen Gebieten im internationalen Privatrecht auf der Hand. Das Kriterium für die Unterscheidung in gerechtfertigten und ungerechtfertigten Normenmangel Hegt darin, ob er aus der Verschiedenheit der Meinungen über ein sachlich gleich gelagertes Institut resultiert oder ob er auf der sachlich verschiedenen Ausgestaltung des zu qualifizierenden Instituts beruht. Häufig wird die sachliche Verschiedenheit übersehen. Das gilt auch für den Fall der Normenhäufung. Die Verschiedenheit der Qualifikation läßt sich so auch nur überwinden, wenn sie auf der Verschiedenheit der Meinungen über das nämliche Institut in verschiedenen Rechtsordnungen beruht. Wenn Rubel annimmt, daß man bei der Wahl unter verschiedenen Kollisionsnormen unbedingt gemäß den Regeln der Analyse und Rechtsvergleichung zu einer richtigen Qualifikation und damit zu einer Kollisionsnorm gelange, so hat er die reine Verschiedenheit der Meinungen im Auge, nicht aber die Möglichkeit verschiedener sachlicher Ausgestaltung. Er hielte z. B. dafür, daß man den Erbschaftskauf dem Erbstatut unterwerfe, obwohl darüber die Meinungen immer noch nicht einig sind. In der Tat kann man den Erbschaftskauf eben nur dem einen oder dem anderen Bereich, Obligationen- oder Erbrecht, zuordnen. Resultiert dagegen die Verschiedenheit in der Auffassung aus solchen Unterschieden sachlicher Art, die in der Ausgestaltung oder im Zweck zu finden sein können, so geht es nicht an, gewaltsam die eine oder andere Auffassung allein für möglich zu halten. Die analytische und rechtsvergleichende Methode ergibt gerade, daß bei einer allen Rechtsordnungen übergeordneten Betrachtungsweise eine einheitliche Qualifikation nicht möglich ist. Die übergeordnete Betrachtungsweise führt aber dazu, daß wir gerechtfertigte Qualifikationen von ungerechtfertigten trennen können. Von vornherein kommen demnach je nach der Möglichkeit der sachlichen Ausgestaltung eines eventuell anwendbaren Instituts mehrere mög- 23* This content downloaded from 85.183.114.142 on Thu, 19 Mar 2015 08:52:10 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions 348 W. Selb, Martin Wolff u. d. Lehre von der Qualifikation nach der lex causae liehe Qualifikationen in Betracht und damit mehrere mögliche Wirkstatute. Nach den obigen Sätzen bedeutet dies also, daß für die Frage, ob eine Gesellschaft unter Ehegatten verschiedener Staatsangehörigkeit gültig ist, mindestens zwei Rechtsordnungen konsultiert werden müssen, eben deshalb, weil die Frage der Gültigkeit den ehegüterrechtlichen und den ehepersonenrechtüchen Bereich berühren kann. Für das Verbot der Gesellschaft unter Ehegatten dürfen wir gerade nicht einen bestimmten Verbotszweck der Qualifikation zugrunde legen, sondern wir müssen die möglichen Zwecke der möglichen Gesellschaftsverbote berücksichtigen20. Nicht eine einheitliche Qualifikation ist möglich, sondern allein eine einheitliche Betrachtungsweise. Die möglichen Zwecke sind aber beim Gesellschaftsverbot: Reinhaltung der persönlichen Beziehungen der Ehegatten und Klarstellung der güterrechtlichen Verhältnisse. Gewaltsam ist die Lösung, die das Reichsgericht wählte, als es für die Lösung der Frage nur das Güterrechtsstatut heranzog21. Wir gelangen also auch nach der herrschenden Methode richtigerweise bei der Lösung einer einzelnen Frage nicht notwendig zu einem Statut, können also nicht mit letztlicher Sicherheit schon bei der Rechtswahl mit Hilfe der primären Qualifikation lokalisieren. Wir können allenfalls auf die möglichen, den verschiedenen, sachlich gerechtfertigten Qualifikationen entsprechenden Statuten lokalisieren. Wo hegt hier der Unterschied zur Methode Martin Wolfis ? Nur in der überflüssigen primären Qualifikation, der Rechtswahlqualifikation. V. Von diesen Gedankengängen aus gesehen, wird das Vorgehen des Bundesgerichtshofes in seiner Entscheidung vom 30. 7. 195422 verständlich. Gamillscheg 23 ist ohne weiteres darin zu folgen, daß dieses Vorgehen nicht in das übliche Methodenschema paßt. Der Bundesgerichtshof untersucht ohne Rechtswahl das französische Recht, Art. 1985 Cc, ob die Regelung die Form oder das Verfahren betrifft. Er stellt nicht etwa Erwägungen an, welches Recht zur Lösung der „Frage" heranzuziehen sei, die ohnedies nicht hätte so formuliert werden können, daß sie unter eine bestimmte Kollisionsnorm hätte eingeordnet werden können. Oder welches „Lebensverhältnis" hätte der Richter zu einer Kollisionsnorm in Beziehung setzen sollen ? Die „negative Qualifikation nach dem Wirkstatut"24 ist gerade der Weg, den Martin Wolff vorschlägt: es werden alle Regeln des deutschen ,0 So auch Raape für die lex-fori-Theorie, aaO, S. 75. 11 RGZ 163/376. »• Abgedruckt in JZ 1956/702. » JZ 1955/703. M Gamillscheg, aaO bezeichnet so die Methode des BGH. This content downloaded from 85.183.114.142 on Thu, 19 Mar 2015 08:52:10 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions Karl Wahle, Eine „skandalöse Begründung" des österr. Obersten Gerichtshofes 349 Rechts (Prozeßstatut) herangezogen, die prozeßrechtlicher Natur sind und alle Regeln des französischen Rechts (Formstatut, weil Wirkstatut), welche die Form des Rechtsgeschäfts der Vollmachterteilung betreffen. Im französischen Recht werden also die Formvorschriften von den Verfahrensvorschriften getrennt und nur die ersteren angewendet, im deutschen Recht verfahren wir umgekehrt. Sachlich bedeutsam ist dabei, ob wir auch der Lösung Martin Wolfis folgen und etwa das französische Recht bestimmen lassen, ob es Art. 1985 Cc als Form- oder Verfahrensvorschrift ansieht. Der Bundesgerichtshof ist bei dieser Ausgrenzung offenbar nicht der herrschenden Meinung der französischen Rechtslehre gefolgt. Die kurze Begründung läßt die Erwägungen nicht erkennen. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß der Lehre Martin Wolfis der Einwand logischer Unhaltbarkeit zu Unrecht entgegengehalten wird. Die aufgezeigte Methode ist logisch ebenso unanfechtbar wie die der herrschenden Meinung. Sie löst aber eine Frage, die der „primären Qualifikation", auf einfachste Weise praktisch, wo die herrschende Meinung umständlich theoretische Erwägungen anzustellen hat. Daß freilich der sachlichen Lösung als solcher, die Ausgrenzung in den vorgegebenen leges causae diesen selbst zu überlassen, Bedenken entgegenstehen, sollte hier nur am Rande bemerkt sein. Eine „skandalöse Begründung" des österreichischen Obersten Gerichtshofes von Professor Dr. Karl Wahle, Erster Präsident des österreichischen OGH i. R. Gustav Boehmer bekämpft seit Jahren die herrschende Judikatur, welche eine Ehestörungsklage gegen den Ehestörer nicht zuläßt. Jüngst hat er in dieser Zeitschrift1 weitere sehr beachtenswerte Gründe für die von ihm verteidigte These vorgebracht. Wenn er in diesem Zusammenhang auch an die österreichische Rechtsprechung seine kritische Sonde anlegt, 1 Zur Ehestörungsklage: AcP 155 (1956) 181 ff. This content downloaded from 85.183.114.142 on Thu, 19 Mar 2015 08:52:10 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions