Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Zeitschrift für Ausländisches und Internationales Privatrecht Herausgegeben in Gemeinschaft mit Ernst Heymann Heinrich Titze Martin Wolf? ordentliche Professoren an der Universität Berlin wissenschaftliche Berater des Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht Max Pagrenstecher Franz Sehlegelberger ordentlicher Professor an der Staatssekretär im Reichsjustiz- Universität Hamburg Ministerium, Honorarprofessor an der Universität Berlin von ERNST RABEL ordentlicher Professor an der Universität Berlin Direktor des Instituts Fünfter Jahrgang 19 31 * InsHiuf für Rschtsvergfeichung Inventar Nr. A §ß — ff Berlin und Leipzig 1931 Walter de Gr^iyter & Co. vormals ü. J. Göschen'sche Vertagshandlui^g / j. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer / Kari J. Trübrier / Veit & Comp, Das Problem der Qualifikation. , 241 Das Problem der Qualifikation. Von E, Rabel. Inhalt. I. Der Gegenstand der international-privatrechtlichen Regehing. 1—2. Die Kollisionsnorm hat einen Tatbestand, dem nicht ein materielles Rechtsverhältnis (Kahn), sondern ein rechtlich ungeformtes Lebensverhältnis zugrunde liegt, und eine Rechtsfolge, die dessen rechtliche Regelung einer bestimmten Rechtsordnung zuweist. — 3. Je nach dem Tatbestand sind die Kollisionsnormen verschieden. Es gibt insbesondere Haupt- und Hilfsnormen. — 4. Der unrichtigen Abstellung auf ein materielles Rechtsverhältnis entspricht dessen Beurteilung nach dein einheimischen materiellen Recht. Nachteile dieser Lehre, — 5. Die angebliche logische Unmöglichkeit identischer Kollisionsnormen verschiedener Länder. — 6. Auch das eigene materielle Recht muß zur Anwendung berufen werden. II. Die 0 ua 1 ii i ka t ions f r age, 1, Die Begriffe des Tatbestandes werden beurteilt nach der herrschenden Lehre: von der einheitlichen Reefrfsordnung des Richters oder von der Sachnorm des Richters (lex fori). Angebliche logische Begründung. Richtige Ansicht; sie werden vom Köllisionsrecht des Richters beherrscht. —■ 2. „Ausnahmen" der herrschenden Lehre. — 3. Die Qualifikationshage gehört zu der Auslegung der Tatbestandsbegriffe; sie geht auf einen Vergleich mit den Begriffen anderer Rechtsordnungen. — 4. Eine völlig abweichende Lehre. III. Der Versuch der herrschenden Doktrin zur Selbstberichtigung. 1. Aufsuchen von Parallelinstituten — 2. im Widerspruch mit der Grundauffassung — 3. ein ungenügendes Hilfsmittel. [V. Verhältnis des Tatbestandes der Kollisionsnorm zu fremden Rechtsbegriffen. 1. Die Begriffe der fertigen Kollisionsnonn sind unabhängig von der fremden Kollisionsnorm und von der fremden Sachnorm. Unzulässigkeit von Ausnahmen. — 2. Unrichtig ist aber, daß die fremdrechtliche Qualifikation unbeachtlich sei. Das fremde Recht ist im ganzen zu erwägen, — 3. Auslegung und Neubildung der .kollisionsrechtlichen Tatbestände in rechtsver-gleichender Methode. — 4. Hilfsnormen mit Verweisung auf ein bestimmtes fremdes Recht, insbesondere die Unterscheidung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen. V. Die Anordnung, fremdes Recht anzuwenden. Was ist berufen z. B. nach Güterrechts Statut? 1. Das Stück des ausländischen Rechts, das wir Güterrecht nennen? — 2. Das Stück, das im fremden Staat Güterrecht ist? — 3. Das ganze fremde bürgerliche Recht? — 4. Richtig: die ganze fremde Rechtsordnung. Insbesondere die Behandlung der Verjährung, der materiellen Ee-weisvorschriften, die Gesamtverweisung. Vf. Schluß. — Bemerkungen zur Fortbildung des Kolli-s io ns rechts. I. Eigene kollisionc rechtliche Begriffe. — 2 Bestimmung des zuständigen Staates nach den Zwecken des Kollisionsrechts, nicht nach den Zwecken der lex fori. — 3. Verwendung der Rechtsvergleichung. — 4. Angleiclumg der landesrechtlichen Kollisionssätze. Jeder Rechtssatz des internationalen Privatrechts enthält Voraussetzungen, bei deren Zutreffen das Recht eines bestimmten Landes Zeitschr. f. ausl. u. internat. Prjvatrecht. 5, Jahrg. 16 242 Rabel. angewendet werden soll. Da man nun findet, daß diese Voraussetzungen selbst schon einem bestimmten Rechtssystem angehören müssen, stellt man die Frage, welchem sie zu unterstellen sind. Diese Frage nennt man seit einem Aufsatze von Bartin (1897) die nach der Qualifikation, und die Konflikte, die sich aus dem Widerstreit des für die Voraussetzungen maßgeblichen Rechtssystems mit dem durch die Kollisionsnorm etwa berufenen anderen Rechtssystern ergeben, bezeichnet man als Qualifikationskonflikte. Wenigstens dürfte damit der faßbare Kern einer Lehre umschrieben sein, deren Grenzen und Tragweite allerdings keineswegs feststehen. Nach Erledigung einiger WidersacherL) geht die allgemeine Ansicht dahin, daß nur die „lex fori'1 zuständig ist, die rechtliche Natur der von den Kollisionsnormen benutzten Rechtsbegriffe zu bestimmen. Was man damit meint, ist im allgemeinen klar und in einem gewissen Sinne richtig. Aber Unrichtigkeiten und Zweideutigkeiten in der Grundlage und in den verschiedenartigen Durchführungen dieser Lehre hinterlassen ein beträchtliches Maß von Unsicherheit. Manche wittern Qualifikationsprobleme allüberall, andere suchen unbefriedigt nach Unterscheidungen zwischen echten und unechten Qualifikationsfragen und neuestens wird immer deutlicher der Grundsatz durch Ausnahmen abgeschwächt, so daß dennoch nicht oder nicht nur nach der lex fori qualifiziert wird. Der Gegenstand führt sehr tief in die Grundauffassimg von Aufgabe und Technik des Internationalen Privatrechts hinein. Davon empfängt er aber auch besonderen Reiz. Als ich meine Meinung über diese Dinge in äußerst gedrängter Kürze in dieser Zeitschrift 3, 752 ff. ausdrückte, stand die derzeitige Meinung der deutschen Fachgenossen völlig im Dunklen. Von den damals erhofften neuen Darstellungen des internationalen Privatrechts sind uns nunmehr rasch aufeinander drei verschieden angelegte, aber sämtlich höchst erfreuliche Werke von Lewald, Gutz-w i 11 e r und R a a p e geschenkt worden. Die Hauptprobleme des Kollisionsrechts werden jetzt viel fruchtbarer erörtert werden könnend) Wenn ich zunächst einmal auf das Grundsätzliche des Qualifikationsproblems eingehe, so geschieht es in der bestimmten Hoffnung, an diesem besonders wichtig gelegenen Punkt eine Verständigung anzubahnen. Um dieses einen Punktes willen wird eine Reihe von Fragen der Technik und Zwecksetzung des internationalen Privatrechts zur Sprache kommen müssen. Aber sie werden nur von einer Seite her berührt werden, ohne daß etwa verkannt würde, wieviele ä) Bes. Despagnef, Journal Clunct 1898, 253 ff. ~) Ebensoviel Dank wie der Literatur schulde ich meinem verehrten Knilegen Martin Wölfl, Gleiche Ansichten über viele Punkte bei völlig verschiedener Auffassung der „Qualifikation" haben zahlreiche Gespräche, die ich mit ihm führen durfte, für mich höchst wertvoll und ergiebig gestaltet. Das Problem der Qualifikation. 243 anderweitige Gesichtspunkte im internationalen Privatrecht Beachtung erheischen. I. Der Gegenstand der international-privatrechtlichen Regelung, 1. Wer das sog. Qualiükationsproblem an der Wurzel anfassen will, wird wie dessen tiefgründiger erster Erforscher fragen müssen, was die ,,Grundlage des internationalen Privatrechts" bildet, d. h. wie geartet die Voraussetzungen sind, unter denen die Kollisionsvorschrift die Verweisung auf eine bestimmte Gesetzgebung ausspricht. Sie knüpft die Verweisung an etwas; — welcher Natur ist dieses Etwas? v. Bar1) hatte an einigen Stellen reine Tatsachen und solche Rechtsverhältnisse, die schon durch das Völkerrecht im eigentlichen Sinne gegeben sind, zum Ausgangspunkt nehmen wollen. Kahn 2) hatte leichtes Spiel zu zeigen, daß alle Tatsachen zu einer Rechtsregel ins Verhältnis gesetzt werden müssen, um sie unter ein bestimmtes territoriales Recht zu subsumieren, und weiter, daß zahlreiche anscheinend reine Tatsachen wie Besitz und Wohnsitz in den einzelnen Rechtsordnungen verschieden beurteilt werden. Kahn geht im Anschluß an Savigny vom Rechtsverhältnis und von dessen Natur aus, und zwar mit Vorliebe vom Rechtsverhältnis im subjektiven Sinne. Der Gesetzgeber und die Wissenschaft sagen: Rechtsverhältnisse dieser Gattung und Art sind diesem oder jenem Territorium angehörig, denn dies sei der Natur solcher Rechtsverhältnisse angemessen.3) (Da die Lösung in den einzelnen Ländern verschieden sein kann, entsteht der positive oder der negative Konflikt der Gesetze, und zwar ein „latenter", wenn die Kollisionssätze nicht ausdrücklich verschieden lauten, sondern durch ihre Beziehungen zu dem Denken ihrer Rechtsordnungen voneinander abweichen.) Ganz zutreffend ist auch diese Auffassung nicht. Kahn selbst verlangt selbstverständlich nicht für die Anwendbarkeit des ausländischen Rechtes auf ein „Rechtsverhältnis", also für die Anerkennung eines fremden „Rechtsverhältnisses", daß dieses ni concreto bei uns existiere, sondern nur „in abstracto." Er meint damit, daß fremde Rechtsverhältnisse, die mit den unsrigen keinerlei Gleichartigkeit haben, sich der Beurteilung durch unsere Gerichte entziehen, und ein ,,Gesetzesvakuum" hervorrufen. Was ist aber das Rechtsverhältnis, das territorial verschiedene Natur haben soll, dessen Verschiedenartigkeit zu werten ist und gerade in Fällen, wo das fremde Recht dem unsrigen substituierbar ist, den von Kahn sog. latenten (positiven oder negativen) Gesetzeskonflikt erzeugen kann? Offensichtlich meint Kahn das materiellrechtliche Verhältnis, dessen J) Theorie und Praxis 1, 107 ff. ") Abh. 1, 92 ff. 3) Abh. 1, 95. 16* 244 R a b e 1. Zuteilung zu einem territorialen Recht untersucht werden soll, die Ehe, die gegenseitige Obligation aus Kauf, sowohl zwischen zwei Individuen A und B als in der Figur des Rechtsinstituts. Danach wären Gegenstand der Kollisionsnorm materiellrechtliche Beziehungen. Nun hat Kahn selbst der Auffassung zum Siege verholten, daß ein materielles Rechtsverhältnis nur im Rahmen einer bestimmten Rechtsordnung denkbar ist. Konsequent müßte man zunächst Rechtsordnungen suchen, die ein Rechtsverhältnis hergestellt haben, um hinterdrein auf diese die Kollisionsnorm anzuwenden; vielleicht liegt in dieser Anschauung der Grund für manche seitsamen Gedankengänge heutiger Schriftsteher. Der Ausgangspunkt darí nicht das Rechtsverhältnis sein. Die Kollisionsnorm legt wie jede Nonn einen Tatbestand zu gründe als Voraussetzung der rechtlichen Folgen, die bei ihm nur eben eine eigentümliche Natur haben. Der Tatbestand wird aus der ganzen unabsehbaren Menge der möglichen Umstände nach Zweckmäßigkeit ausgewählt. Unter den Merkmalen des Tatbestandes können Tatsachen enthalten sein, die keine wirklich erhebliche Verschiedenheit der rechtlichen Beurteilung erfahren: Geburt, Aufenthalt, Zeitablauf und auch tatsächliche Gewalt, wiewohl sie in den geschichtlichen Perioden denkmäßig nicht gleiches bedeutet; es .können stärker rechtlich qualifizierte Tatsachen verwendet werden, wie Wohnsitz, Besitz, Kaufvertrag; und es können Rechtsverhältnisse darin erscheinen wie eheliche Verwandtschaft, Pflichtteilsanspruch, Anspruchsverjährung. Soweit immer eine rechtliche Beurteilung schon vorausgesetzt ist, um den Tatbestand der Kollisionsnorm herzustellen, hat eine bestimmte Rechtsordnung diese Beurteilung zu liefern, sei es nun die lex fori oder eine andere. Es ist selbstverständlich und von Kahn anerkannt, daß der Gesetzesharmonie eine möglichst weite international gültige Wahl der Anknüpfungsbegriffe dienen würde. Die ideale, freilich eine utopische Kollisionsnorm, würde, wie v. Bar und Kahn *) gleicherweise anerkennen,'die sein, die auf reine Tatsachen abgestellt wäre. 2. In einem anderen Sinne müssen wir uns aber klar machen, daß für die Kollisionsnorm auch das Rechtsverhältnis, auf das sie geradezu abstellt, genau so gut wie dasjenige, das sie durch Angabe von rechtlich stärker indifferenten Tatsachen umschreibt, selbst nur ein Mittel ist, um durch sie hindurch zu dem Lebensverhältnis zu gelangen. Ergreift das Privatrecht jeweils einen Umkreis von Tatsachen, um sie rechtlich zu ordnen, so muß das Kollisionsrecht auf denselben Urstoff greifen. Sein Zugriff bezweckt, die Rechtsordnung zu bestimmen, die das Lebensverhältnis ordnen darf. Der Gegen- ') Vgl. Abh. i, 88. Das Problem der Qualifikation. 245 stand ist derselbe, der Zweck aber ist ein verschiedener. Macht man Ernst mit der von Kahn so eindringlich vorgetragenen Trennung von Kollisions- und Sachnorm, so hat man anzuerkennen, daß sie auf verschiedenen Ebenen liegen. Da die Kolli-sionsnorm erst eine bestimmte Sachnorm zuständig machen muß und diese erst das fragliche materielle Rechtsverhältnis erzeugt haben kann, so ist die Kollisionsnonn weder von der Existenz eines konkreten, noch von der eines „abstrakten" Rechtsverhältnisses abhängig. Sie kann ins Blaue edizieren wie jeder Gesetzesparagraph. Nehmen wir alles bisher Gesagte zusammen, so erscheint es irreführend zu behaupten, daß das internationale Privatrecht die materiellen Rechtsverhältnisse dieser oder jener Gattung der oder jener Rechtsordnung zuweist. Vielmehr weist es die Lebensverhältnisse zur rechtlichen Beurteilung zu. Es hat also doch Tatsachen zum Gegenstand. Und es kann seine Aufgabe technisch durch sehr mannigfaltige Bezugnahme auf alle die Stadien bewerkstelligen, die zwischen den Tatsachen des Lebens und den fertigen Rechtsverhältnissen Iiegen; diese beiden Endpunkte inbegriffen. Es ballt je nach seinem Bedarf die Tatsachen zusammen oder übernimmt sie von irgendwoher in juristischer Formung. 3. Die Tragweite der Kollisionsnorm kann übrigens sehr verschieden sein. Ihr Gegenstand kann mehr oder minder umfassend ausfallen. Auf eine Unterscheidung ist besonders aufmerksam zu machen. Wir sind gewohnt nur an Kollisionsnormen zu denken, die einer selbständigen Anwendung fähig sind, wenn sie auch zuweilen mit anderen kombiniert werden müssen. Nenner) wir sie Hauptnormen. Man darf aber auch Hilfsnormen unterstellen, die ein Tatbestandsmerkmal einer Hauptnonn an eine bestimmte Rechtsordnung1 zur Beherrschung zuweisen, z. B. die Anknüpfungsmomente von Wohnsitz und Erfüllungsort. Die Formulierung ist durchaus nicht neu. Man sprach schon vor Zeiten von Substitutionsnormen.1) Aber sie wurden mit Ungunst angesehen und scheinen fast vergessen.3) Beachtet man ihre Möglichkeit, so verschwindet schon ein Stück der Schwierigkeiten d«r Qualifikationslehre. 4. Stellt man unrichtigerweise an den Anfang die schon rechtlich qualifizierte Beziehung zwischen zwei Personen oder einer Person zu einem Gegenstand, so verknüpft man die Kollisionsnorm mit einer bestimmten Rechtsordnung, färbt man sie mit den Tönen dieser Rechtsordnung; es ist begreiflich, daß dies für die allermeisten bisherigen Schriftsteller die einheimische war. ') Z. B. Kahn I, 75. a) Bar tili, Principes 1 (1930) 234 spricht aber von qualificaiiotis secon-daires oder en soüs-ordre. 246 R a b e 1. Dagegen richtet sich mein Angriff. Man benimmt dem internationalen Privatrecht seine natürliche Fähigkeit, ungezwungen die auslandischen Rechte heranzuziehen, die vom inländischen abweichen. Der Blick richtet sich zu sehr auf die fremden Sachnormen, deren Voraussetzungen, den einheimischen ähnlich gebaut, es zu erlauben scheinen, daß man das ausländische Rechtsverhältnis der inländischen Begriffswelt einpaßt; und doch ruhen die Verschiedenheiten der Rechtssystematik nicht zum wenigsten gerade in der verschiedenen Formung- der den einzelnen Rechtssätzen unterlegten Voraussetzungen, Indem die Rechtssätze des internationalen Privatrechts an die eigenen Sachnormen angekettet werden, nehmen sie eine verhängnisvolle Starrheit an. Während auf allen Rechtsgebieten des inneren Rechts die Grundsätze systematischer Gesetzesauslegung blühen, wird die Kunst der Auslegung im internationalen Privatrecht verhältnismäßig wenig und zaghaft geübt. Die Systembildung ist über erste Anfänge nicht hinausgekommen. In den Quaiifikations-fragen führt die Anschauung, daß die Rechtssätze des Kollisionsrechts dem inneren bürgerlichen Recht ihre Tatbestände entlehnen, zu dem Irrtum, daß sie nicht grundsätzlich ebenso gut beliebige andere Tatbestände zu gründe legen konnten, und zur Verkennung der Notwendigkeit, daß sie auf die fremden Rechtssysteme Bezug nehmen müssen, um ihre Aufgabe zu erfüllen. 5. Die drastischste Äußerung hat die bisherige Gruudauschauung in dem Streit darüber gefunden, ob es ein wirkliches internationales Kollisionsrecht geben könne. Die zentrale Stellung dieser Streitfrage ist selbst bezeichnend, insofern sie die Aufmerksamkeit immer wieder auf sich gezogen hat, während darüber die Möglichkeiten vernachlässigt worden sind, die Lösungen durch Angletchung der nationalen Kollisionsrechtssätze selbst schon einigermaßen der Harmonie entgegen zu führen. Man bringt eben seit Kahn und Bartin der Vereinheitlichung der Kollisionsnormen wenig Hoffnung entgegen, da sie angeblich selbst wenn sie gleichlauten, jeweils durch das innere Recht geprägt werden. Gewisse Argumente für die angebliche Unmöglichkeit einer internationalen Vereinheitlichung der Kollisionsrechte berühren daher auch unseren Gegenstand. Sie sind von W. Burck-hardtx) in einer Kahn und Bartin übertreffenden Schärfe und Tragweite formuliert worden und zerfallen gemäß einer anscheinend allgemeinen Gewohnheit der kollisionsrechtlichen Literatur in „logische" und „praktische". Die logischen betreffen in der Tat die Grundlage des internationalen Privatrechts.2) Burckhardt bemerkt geradezu, *) Festgabe f. Eugen Huber (1919) 276 ff. ') Die praktischen haben sehr viel bessere Berechtigung. Aber unerreichbar ist nur der schlechthin vollkommene Rechtszustand; das Bessere ist der Feind Das Problem der Qualifikation. 247 die Aufgaben eines internationalen Privatrechts seien überhaupt nicht lösbar. „Entweder weichen die Normen, deren Geltungsbereich es abgrenzen will, von einander ab, dann läßt sich keine auf beide passende Abgrenzungsnonn formulieren; oder sie weichen nicht von einander ab; dann bedarf es einer solchen Norm gar nicht; die Abgrenzung ist, wo man ihrer bedarf, nicht- möglich, und wo sie möglich ist, überflüssig." Diese These trägt über das übernationale Kolhsions-recht hinaus ins heutige nationale. Jedes Kollisionsrecht muß die fremden Rechtserscheinungen ergreifen. Und wenn es sich, wie Burckhardt meint, nicht einmal eine eigene Rechtesprache beilegen kann, und wenn es, wie Burckhardt mit einer gewissen Übertrumpfung der herrschenden Meinung glaubt, nur eine Ergänzung des inneren Rechts darstellt, so kann es natürlich nur dazu gut sein, das fremde Recht auf genau dasselbe Rechtsverhältnis anzuwenden, das auch das eigene Recht kennt und daher zu demselben Ergebnis führt wie das eigene auch — oder, wie wir allenfalls hinzusetzen könnten, zu einem kontradiktorisch entgegengesetzten Ergebnis. Burckhardt selbst, S. 282, will auch die Abweichung der Rechtsfolgen bei identischen Voraussetzungen nicht als überbrückbar anerkennen. Halten wir uns an Burckhardts Beispiele, S. 278. Erstes Beispiel. Als Abgrenziingsnorm wird gedacht: Die Rechtsfähigkeit der Körperschaften richtet sich nach den Gesetzen ihres Sitzes. Hier sei vorausgesetzt, daß der Begriff der Körperschaft beiden Staaten gemeinsam ist. Sonst wäre nicht gesagt, was für die Gebilde gelten solle, die nur in der einen oder in der anderen Gesetzgebung als Körperschaften anerkannt sind. Diese Auffassung widerstreitet schon dem positiven Recht. Die Verschiedenheit der Gebilde, die die Staaten als juristische Personen gelten lassen, ist nicht ein Hindernis, sondern der Anlaß der Kollisionsnorm, die nicht den Körperschaftsbegriff voraussetzt, sondern höchstens einen Personenver-bandsbegriff sehr lockerer Art und dem Gesetze des „Sitzes" die Beurteilung der Rechtsfähigkeit, d. h. der körperschaftlichen Natur überläßt. Zweites Beispiel. Die elterliche Gewalt über eheliche Kinder richtet sich nach dem Heimatstatut des Vaters, die über uneheliche nach dem Heimatstatut der Mutter. Eine solche Abgrenzung könne nur gelingen „sofern alle Landesgesetze die Begriffe der ehelichen und unehelichen Abstammung in gleicher Weise bestimmen". Hierbei wird von allen denkbaren Wegen zur Bestimmung der Ehelichkeit der eine eingeschlagen, der in der Tat ungangbar ist, daß man nämlich in einer Rechtssprache, die sich derselben termini bedient wie des Guten. Zum Hauptargument, das mit den Ansichten vieler anderer übereinstimmt, siehe die Bemerkung unten VI 2. 248 R a b e l. das eine oder andere Familienrecht, einen Begriff wechselnden Inhalts erfassen will. Die Frage, ob ein Kind ehelich ist, die Vorfrage für die Unterwerfung unter eine Familiengewalt, entscheidet sich ausschließlich nach der dafür zuständigen Rechtsordnung. Wegen der Verschiedenheit der Lösungen verweist der Kollisionsrechtssatz, der sogar als selbständiger anwendbar ist, auf das Heimatsrecht des Vaters; im Falle der Bejahung der Ehelichkeit regelt dieses auch die elterliche Gewalt, im Verneinungsfall herrscht das Statut der unehelichen Kinder. Eine Voraussetzung, daß das Kind unter denselben Voraussetzungen in allen Rechten als ehelich anerkannt wird, gibt es nicht und daher auch nicht die Voraussetzung, daß unter Ehelichkeit überall dasselbe verstanden wird. Drittes Beispiel. Das Gesetz des Orts der Erfüllung des Vertrages soll für seine Wirkungen gelten. Aber die eine Gesetzgebung versteht unter Erfüllung etwas anderes als die andere, z. B. Geldschulden sind nach jener Holschulden, nach dieser Bringschulden. Während in dem ersten Beispiel die einheitliche Lösung positiv feststeht, im zweiten das Personalstatut die einheitliche Lösung an die Hand gibt und nur die falsche Identifizierung des kollisionsrechtlichen Begriffs der Ehelichkeit mit dem innerrechtlichen Begriffe zur Verzweiflung führt, ist hier die Disharmonie der kollisionsrechtlichen Anschauungen aufgedeckt. Wollen sich aber zwei oder auch sehr viele Gesetzgeber über einen einheitlichen Begriff des Erfüllungsorts verständigen, so haben sie das sehr leicht, wenn sie nur die wichtigsten Fälle durchdenken und die minder wichtigen opfern wollten. Die ganze Stellungnahme ändert sich, wenn der privat-internationale Rechtssatz nicht gedacht wird als Begrenzung der einzelnen eigenen oder fremden inneren Normen, sondern als Abgrenzung des Herrschaftsbereichs der Rechtsordnungen im ganzen in der Anwendung auf die Gesamtheit der Lebenstatbestände. Diese Auffassung ist indifferent gegenüber der Bedeutung, die mau der Souveränität oder Unabhängigkeit der Staaten für das internationale Privatrecht beilegen will, ebenso gegenüber seinen Beziehungen zum Völkerrecht und seiner Klassifikation innerhalb der Rechtsdisziplinen. 6. Eine letzte allgemeine Bemerkung. Da herkömmlich zwischen den Fragen des inländischen internationalen Privatrechts und der inländischen Sachnormen bei aller Erkenntnis ihrer verschiedenen Aufgaben nicht genügend unterschieden wird, glauben manche Schriftsteller, Kollisionsnormen seien überhaupt nicht vorhanden, insoweit das eigene innere Recht zur Anwendung komme. Die lex fori erhält derart ein besonderes Ausmaß von steter Gegenwart und Bereitschaft. Entwickelt man dagegen folgerichtig jenen Gegensatz, so muß die inländische Sachnorm genau so zur Anwendung berufen Das Problem der Qualifikation werden wie die ausländische. Gerade die einseitigen Rechtssätze des deutschen Einführungsgesetzes hätten darauf hinweisen können.1) II. Die Qualifikationsfrage. 1. Auf die Frage, nach welchem Recht ein kollisionsrechtlicher Begriff zu bestimmen ist, wird geantwortet, es sei die lex f o r i. Der Ausdruck „Recht des Gerichts" deutet noch auf das System der Territorialität des Rechtes hin, wie es immer noch als Grundidee des englischen Konfliktsrechts durchschimmert, trotz der starken literarischen Importe aus dem Kontinent. In unseren modernen Systemen gibt es nicht die grundsätzliche Einheit zwischen Jurisdiktion und Landesrecht. Der Richter prüft seine Zuständigkeit und ist er zuständig, so befolgt er die Weisungen des Kollisionsrechts, wendet also gegebenenfalls nicht das eigene, sondern ein fremdes Privatrecht an. Es ist diesem System fremdartig1, daß jener Ausdruck noch ein einziges Landesrecht vortäuscht. Er wirkt neben anderen Faktoren mit bei der unerfreulichen Vermengung von Kollisionsrecht und Privatrecht. „Die Rechtsordnung des Richters" soll dann die Qualifikation bestimmen, und der Blick verschleiert sich genug, um es zu erlauben, daß ihm das Verhältnis der Kollisionsvorschriften zu den Sachnormen unklar bleibt. Wollen wir uns zu einer strengeren Terminologie entschließen, so wird es zum vorherrschenden Sprachgebrauch am ehesten passen, als lex fori ausschließlich die Sachnormen des Landesrechts des Richters zu verstehen, sein Prozeßrecht, Privatrecht, Verwaltungs-recht usw. (wofür es auch gestattet sei, kurz und ungenau vom eigenen materiellen Recht zu sprechen). Scheidet man aber wie nötig, so ist die richtige Antwort auf jene Frage: nicht die Sachnormen, sondern die Kollisionsnormen des Richters bestimmen die Qualifikation, Dem entspricht denn auch der berechtigte Kern der*Begründun-gen, die sich die herrschende Lehre gibt. Die vorzüglichste und neu-estens von Gutzwiller ausdrücklich berufene Darstellung dieser l) Raape, S. 9 teilt nicht die im Text abgelehnte Anschauung, unterscheidet aber die „HinWeisung" auf das inländische und die „Verweisung" auf das ausländische Recht, ich sehe eine Berechtigung hierzu nicht ein. Daß das ausländische Recht als solches anzuwenden ist und nicht als dem inländischen eingegliedert, kann ohne solchen Unterschied ebenso gut, wenn nicht besser vertreten werden. Raape S. 10 betont allerdings mit Recht als einzige lebenswahre Auffassung, daß das Koilisionsrecht nur in Fällen herangezogen wird, wo ausländische Beziehungen erscheinen. Aber daß in allen anderen Fällen der Richter nur das Bürgerliche Gesetzbuch und nicht das Einführungsgesetz aufschlägt, bedeutet ebenso viel, wie daß ein Ehescheidiingsrichter für seine Fntscheidung nicht das dritte Buch des Bürgerlichen Oesetzbuches einzusehen braucht, obwohl [ür jeden Rechtsfatl das ganze deutsche Recht gilt. 249 250 RabeL Gründe ist Niboyetl) zu verdanken. Er ordnet sie in zwei Argumente, ein praktisches und ein juristisches. Beide sind offenbar nur von dem Ideenkreis aus zu verstehen, in dem lex fori und Kollisionsrecht eine identische Begriffswelt haben. Das praktische Argument wird an anderer Stelle wohl richtiger ein logisches genannt: Es würde ein fehlerhafter Zirkel entstehen, wenn der Begriff „Geschäftsfähigkeit" aus der Gesetzgebung bestimmt werden sollte^ deren Zuständigkeit erst durch die KoUisionsnorm berufen wird. Daraus geht aber nicht zwingend hervor, daß diesen Begriff in Frankreich gerade der französische Code civil zu liefern hat und nicht irgend eine andere einzige Quelle» z. B. das nationale Recht der Partei. Das juristische Argument besagt: da der Souverän die Rege] bestimmt, muß auch er allein die Voraussetzungen dieser Regeln feststellen. Dieser Gedanke berichtigt die These selber. Es ist eben nicht die lex fori, sondern die KoUisionsnorm, die die Bedingungen für ihre eigene Anwendbarkeit setzt. Das ist einfach und durchschlagend und braucht keine außerhalb liegende Begründung, verträgt sie wohl auch nicht. Es ist nach einem neuen Worte Bartins ,.une equation de termes interchangeables".2) Die soeben veröffentlichte Darstellung von Raape S. 17 ff. steht schon beinahe ganz auf dem hier verteidigten Standpunkt. Sie spricht von Auslegung, Sinnbestimmung und „speziell bei den Systembegriffen" von Abgrenzung oder Einordnung und sucht nach ausreichenden Zugeständnissen au die fremden Systeme. Dennoch erscheint als die richtige Antwort auf das Quaiifikationsproblein, „daß grundsätzlich der inländische Staat allein und ausschließlich für die Qualifikation zuständig ist", also so wie Kahn3) schrieb; alle Normen des internationalen Privatrechts sind nur durch Interpretation der inländischen Rechtsordnung zu eruieren. Es folgen wiederum eine logische und mehrere praktische Begründungen. Und es ist wiederum an alledem richtig, daß das internationale Privatrecht seine Sätze aufstellt, und abzulehnen, daß der „deutsche Gesetzgeber" so erscheint, als ob er Kollisionsnorm und Sachnorm in einem Ideenzuge verkündete. 2. Es ist belehrend, wie sich eben Niboyet und Raape mit der Möglichkeit von „Ausnahmen" 4) von der lex fori abfinden. Niboyet nimmt seine logische Begründung ernst genug, um *) Niboyet, Manuel2 (1928) p. 498ff. 2) Bart in, Principes 1, 229. a) Abh. I, 111 a. E. ') Barttfl selbst fügt jetzt, Principes 1, 231 ff,, die früher von ihm festgestellten Ausnahmen der Regel ein, da die lex fori schon überall eingegriffen habe; nur in einem Fall bleibt eine wahre Ausnahme zurück, bezüglich der Klassifizierung der uiibeAveglichen Sachen (unten S. 268 t.). Das Problem der Qualifikation. 251 die Erscheinungen, die sich als Qualifikation nach fremdem Recht geben, teils als bloße Scheinausnahmen zu enthüllen, teils zu bekämpfen. Die Ausnahme, die er zu gunsten der Parteiautouornie anerkennt, muß hier auf sich beruhen. Die angeblich unberechtigte Ausnahme hinsichtlich der Klassifikation der Vermögensstücke ist später zu besprechen, Keine wahre Ausnahme von der Qualifikation nach der lex fori sei das folgende.1) Der französische Code civil Art. 999 läßt für einen Franzosen eine ausländische Testamentserrichtung durch eigenhändiges Testament oder durch acte authen-tique in den am Errichtungsort üblichen Formen zu. Die Rechtsprechung erkennt auch solche am Errichtungsort für öffentliche Testamente erklärten Geschäfte an, die nach dem französischen Gesetzbuch für privatschriftliche gelten müßten. Niboyet sieht darin keine wirkliche Ausnahme, denn die Frage, ob ein ausländisches Testament für authentisch zu halten ist, beziehe sich „au fonds meme du droit et non ä la qualification". Gualjfikationsfrage sei die, deren Lösung zur Bestimmung des zuständigen Gesetzes notwendig ist. Hier dagegen werde die lex loci actus jedenfalls angewandt, möge das Rechtsgeschäft öffentlich oder privatschriftlich sein. Ist das wirklich mit der These vereinbar, daß die lex fori angibt, was unter den Begriff der Kollistonsnorm fällt? 2) Die Unterscheidung von fonds und qualification läuft wohl darauf hinaus, daß das innere französische Recht zwar bestimmte Teile des Tatbestandes der Kollisionsnorm beherrschen soll, aber andere nicht, z. B. zwar den Begriff des Errichtungsortes und den Begriff des Testaments, aber nicht den Begriff der Öffentlichkeit des Testaments. Die Frage ist aber für diesen Begriff nicht anders zu stellen als für die anderen, nämlich so: Versteht Art. 999 unter acte authenüque ein öffentliches Testament im Sinne des Art. 971 Code civil oder ein solches im Sinne der lex loci actus, mit anderen Worten: enthält Art. 999 eine versteckte flilfsnorm zur Bestimmung des Charakters des Testaments als eines öffentlichen, die auf die lex loci actus verweist? Die bejahende Antwort der französischen Gerichte entspricht in der durch das Gesetz nahe gelegten Technik einer angemessenen Anwendung des Formstatus, aber auch die Entscheidung von Amsterdam (s. Note 2) *) Nr. 421, S. 512. ') In der Tat bezeichnet Niboyet, S. 503 Note 1, die Entscheidung der Rechtbank von Amsterdam vom 19. 6. 1924, Bull. Inst. Iotermfed. 12, 1925 Juris-prudence 118 No. 3813 = Weekblad 1924 No. 11.256 als Qualifizierung nach niederländischem Recht, obwohl auch da nur in Frage stand, ob ein in der Schweiz errichtetes und dort beim Notar niedergelegtes, eigenhändiges Testament eines Holländers als authentisches nach Wetboek Art. 992 anzusehen Est. in Wirklichkeit allerdings hat das Amsterdamer Gericht, was der Auszug im Bull, nicht erkennen ließ, die niederländische Auffassung nicht allein entscheiden lassen, sondern nur bemerkt, daß sowohl nach hollandischem als nach schweizerischem Recht das Erfordernis des öffentlichen Testaments nicht erfüllt war. 252 Rab el. genügt derselben liberalen Ansicht, da die Niederlegung eines eigenhändigen Testaments in der Schweiz (Zivilgesetzbuch Art. 505 Abs. 2, vergl. mit Art. 498) ein Testament nicht zum Öffentlichen macht. Würde man übrigens gegenteilig antworten, so ließe sich auch dies in einer Hilfsnorm fassen, die auf die eigene Sachnorm verweist — insofern nicht übel, als es zum besseren Bewußtsein brächte, daß die Auslegung der KolÜsionsnorm durch die Sachnorm nicht notwendig ist. Raap es Anschauung von dem, was praktisch geboten ist, stimmt vollständig mit der meinigen überein, wenn er von der „grundsätzlichen" Zuständigkeit des inländischen Staates für die Qualifikation wahre Ausnahmen zuläßt, wenn er, ebenso wie ich es seinerzeit tat, davor warnt, die Begriffe und Klassifizierungen des inneren deutschen Privatrechts in das internationale Privatrecht unbesehen zu übernehmen und wenn er „noch weiter gehend... dabei auch auf die ausländischen Sachnormen Rücksicht nehmen'* will. Aber die „logische" Begründung für den Grundsatz verträgt doch gar keine Ausnahmen! Und wirklich ist es der Gesetzgeber des Kollisionsrechts, der allein maßgebend ist, kein fremder; eine Abweichung davon kann es nicht geben. Mischt er aber nicht unnötig die lex fori ein, so gelangt er ungezwungen zu allen wünschenswerten Abwandlungen. Denn er kann seine Rechtssätze sehr verschieden einrichten; er kann auf das eigene materielle Recht, auf fremde Kollisionsrechte und auf fremde Sachnormen soweit Bezug nehmen, als es ihm zweckmäßig erscheint. Seine Personalunion mit dem Gesetzgeber des inneren Rechts übt natürlich die Einflüsse aus, die einer Gesamtrechtsordnung zukommen, derzeit aber ungebührlich starke. L e w a 1 d spricht sich an mehreren Stellen seiner praktisch geordneten Darstellung, die mit der theoretischen Grundlegung noch zurückhält, deutlich für die Qualifikation nach der lex fori aus.1) Die wichtigste Ausnahme der französischen Doktrin, die Bestimmung eines Rechtes als beweglich oder unbeweglich, tehnt er mit Nibovei ab, während Raape sie verteidigt. Aber in anderen Fällen erkennt er, daß Grenzen vorhanden sind.2) 3. Richtig angesehen verliert die Qualifikationslehre ihr geheimnisvolles Wesen. Sie fügt sich in die bewährte Gesamtstruktur aller anderen Rechtsdisziplinen ohne andere Schwierigkeiten als die durch die Eigenart des Kollisionsrechts bedingten. Auch der Kollisionssatz besteht ja aus einem Tatbestand und einer Rechtsfolge, nur UewaldNr. 132, S. 96; Nr. 236, S. 175; Nr. 280, S. 224; Nr. 283. S. 227. ?) Vergl. unten S. 260: Nr. 324. S. 266 spricht Lewald denn auch von der unerlaubten Handlung im Sinne der Kollisionsnorm. Er redet wie ich davon, diese Zeitschrift 3, 757, geredet habe. Vgl. auch Nr. 306 S. 248. 254 Rab el. Güterrecht des Staates A oder das Erbrecht des Staates B gilt, so daß nur einmal das anzuwendende Gesetz gewählt wird. Das hat den Vorzug der Einfachheit gegenüber manchen Schwierigkeiten, die sonst auftreten, trägt aber der Koexistenz der beiden KolJisionssätze nicht Rechnung. Die Sachnormen drängen sich unzulässig nicht nur in die Begriffe und die Systematik des internationalen Privatrechts, sondern kappen auch dessen Rechtssätze ab, 4. Die hier vertretene Ansicht stellt sich, wie leicht ersichtlich, als eine Berichtigung,' freilich eine recht tiefgreifende, der gegenwärtig umlaufenden Anschauungen dar. Ist aber nicht auch eine gänzlich abweichende Auffassung möglich? Eine solche ist gegeben, wenn man zwar die Anknüpfungspunkte, z. B. Erfüllungsort, Ort des Vertragsschlusses nach den eigenen Begriffen des Kollisionsgesetzes, aber das Angeknüpfte, z, B. Dienstvertrag, nach den bezogenen (fremden) Sachnormen qualifiziert. Man darf eine solche Annahme nicht unter Anrufung der Logik von der Hand weisen. Der Gedanke ist doch einfach der, daß die Kollisionsnorm es dem angerufenen Gesetz überläßt, seinen Wirkungskreis selbst abzustecken, also das Wirkungsstatut voll anerkennt. Wenn im Sinne von Art. 15 gelehrt wird, das eheliche Güterrecht sei nach dem Recht des Ehemanns zur Zeit der Eheschließung zu beurteilen, so würde das überhaupt nicht bedeuten, daß das eheliche Güterrecht des deutschen Rechts den Begriff näher bestimmt, sondern vielmehr, daß das deutsche Kollisionsrecht für die Vermögen von Ehegatten das Recht des Staates, dem der Ehemann zur Zeit der Heirat angehörte, maßgeblich sein läßt auch hinsichtlich der Frage, welche Rechtssätze zum ehelichen Güterrecht gehören. Auf solcher Grundlage lehrt Martin Wolff das internationale Privatrecht*) und ich weiß genug von der sinnreichen Durchführung seiner Prinzipien, um würdigen zu können, daß die Ergebnisse im ganzen durchaus annehmbar erscheinen. Solange aber nicht die schriftstellerische Darstellung zum genaueren Vergleich herangezogen werden kann, glaube ich bei meiner Auffassung verbleiben zu sollen. Die endgültige Bewährung einer dieser Arbeitshypothesen wird erst die Durcharbeitung der verwickeiteren Fragen ergeben.2) Hier soll bloß ein Beitrag zur Klärung der Fragestellungen geliefert werden. III. Der Versuch der herrschenden Doktrin zur Selbstberichtigung. 1. Unfragllch lehnen sich die vorhandenen gesetzlichen Regeln an die Begriffs-biidung und Systematik des inneren Rechts an. Das l) Abgedruckt ist nur der bemerkenswerte Beitrag zum internationalen Familienrecht in (Enneccerus-Kipp-)Wolff, Familienrecht, 7. Auflage 193).. S. 285 f. *) Vergl. unten S. 276 und S. 283 N. 4. Das Problem der Qualifikation. 255 Gleiche tut aber auch weithin die Doktrin bei der Ausdeutung und bei der Neubildung von Kollisionsregeln. Eben hierdurch erhält das angebliche ■ Qualifikationsproblem seine gewaltige Tragweite. Alles was die einheimische Rechtsordnung von der fremden unterscheidet, bildet zugleich einen Gegensatz zwischen der Kollisionsnorm, die auf fremde Rechtssätze verweist, und diesen selbst. Es ist eine Quelle zahlloser Diskrepanzen. Wir treffen auf unzählige fremde Rechtssätze, die sich unserem heimischen System nicht einpassen, und auf nicht wenige Rechtsinstitute, die dem Geiste unseres Rechts fremd sind. Hätte man Kahns Lehre folgerichtig durchgeführt, so wäre man auf Schritt und Tritt auf sein „Gesetzesvakuum" gestoßen. Von der Theorie der lex fori aus müßte man Niboyet Recht geben, wenn er (S. 501) erklärt, die Qualifikationskonflikte seien gegenwärtig viel einschneidender als die eigentlichen Gesetzeskonflikte, und denen widersprechen, die unter anderem Gesichtspunkt mit vollem Recht die Bedeutung des Qualifikationskonflikts bei Bartin stark übertrieben finden.1) Abhilfen ergeben sich da.und dort zufällig und unorganisch. In methodischer Anwendung aber bedient sich die herrschende Lehre, und zwar mit zwingendem Grund, eines Milderungsmittels, das auf Kosten der Folgerichtigkeit geht. Schon Kahn bekannte seine Notwendigkeit. Obwohl sich der Wille der privatinternationalen Norm ausschließlich auf Erscheinungen der „inländischen Rechtsordnung" richten soll,3) wird sie trotzdem auch auf gewisse ausländische Phänomene angewendet, nämlich auf solche, die „mit den Rechtsverhältnissen, für die wir jene privatinternationale Norm als dem Willen unseres Gesetzgebers entsprechend erkannt haben, innerlich gleichartig sind, derart daß sie in ihrem Kern als dieselben Rechtsverhältnisse gelten können.*'9) Hier wird anerkannt, daß die Rechts-vetgleichung genügend starke Verwandtschaften zwischen Rechtsinstituten verschiedener Länder aufdeckt, um eine fremde Norm au die Steile einer bestimmten eigenen zu setzen. Kahn spricht von kommensurablen Rechtsverhältnissen, wenn der Kern eines Rechtsinstituts aus den technischen Hüllen herausgeschält, derselbe ist. Mit diesen Gleichsetzungen verfuhr man bisher oft zu ängstlich. Ich sehe zu meiner Genugtuung in den jüngsten Darstellungen die Befürwortung weitherzigerer Analogiebildung, entsprechend dem verwandten Zwecke von Instituten, wie ich sie in Vorträgen und Gutachten wiederholt verteidigte, so auch entgegen dem Reichsgericht *) Dienas, Dir. fnt. priv. n. 104; Trias de Bes, Estudios de derecho int. priv. (1921) n. 350; De Vos, Inst. Beige de Dr. Comp. Riv. tr. 16 (1930) 155. ") Dies ist die einzige Grundlage der Lex fori-Theorie. Manche ihrer Anhänger scheinen freilich davon gar nichts mehr zu wissen; sie nähern sich unwillkürlich der hier vertretenen Auffassung, s) Kahn, Abh. 1, 112. 256 Rabe). die Gleichsetzung der österreichischen Scheidung von Tisch und Bett mit der deutschen Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft;1) ungeachtet der Verschiedenheiten ihrer juristischen Gestaltung sind beide Arten der Trennung durch ihren Zweck eng verwandt, das Gewissen katholischer Ehegatten zu schonen. Aber diese Operation wird ausdrücklich als eine bloße Milderung des bestehenden Grundsatzes bezeichnet. Gutzwiller, der anerkennt, daß man mit einer „solchen sinngemäßen Anwendung des eigenen Rechts" gewisse Qualifikationskonflikte in vorsichtiger Abwägung der Gleichartigkeit und in sinngemäßer Zweckermittlung auf rechtsvergleichender Grundlage beheben kann, fügt doch zur Warnung bei: „Dabei muß grundsätzlich (was nochmals betont sei) die „Rechtsfrage", die der Entscheidung zugrundeliegt, nach dein Rechte des urteilenden Richters (der lex fori) umschrieben werden." Man sollte aber zweierlei bedenken. 2. Mit der Aufsuchung von Parallelinstituten kommen wir an die Grenz« eines Gedankenganges, der schon in seinem Anfangspunkte dem angeblichen Grundprinzip widersteht. Aus dem Gefühl dieses Widerspruches stammt die bisherige Zaghaftigkeit her. Die lex fori hat konkrete Rechtssätze; schon daß sie Institutionen hat» zeigt erst die wissenschaftliche Betrachtung, Wenn aber das Einführungsgesetz Art 23 sagt; „Vormundschaft", so kann das weder das genau bestimmte Gewebe von Rechtssätzen meinen, die das BGB. samt den zugehörigen Gesetzen aufstellt, noch ein Institut, das nicht außerhalb des Deutschen Reichs existiert. So Widersinniges hat noch niemand angenommen und nur Burckhardt hypothetisch unterstelSt. Dann kann also der maßgebliche Begriff nur durch Abstraktion gewonnen werden. Welche Abstraktion ist aber zu vollziehen,2) wo hat sie halt zu mache]]? Etwa irgendwo beim Gedanken der lex fori? Eine allgemeine Antwort ist meines Erachtens nicht zu geben, ') So früher Koh 1 er, Lehrbuch 1, 52 Note 2 (dagegen M. Wölfl Farn-Recht § 39 Note 42); jetzt Lewald S. 122, Qutzwiller S. 3544, der freilich von Gleichartigkeit mit der deutschen Scheidung spricht, was ich nicht billigen könnte, obwohl eine neue Richtung in Österreich dasselbe lehrt, vgl. z, B. Len-hoff in Klangs Komm. 1, 615 ff. Das kann z. B. auf den früheren österreichischen Teil Polens angewendet werden (Gesetz über das internationale Privatrecht Art. 17, 3). Dagegen besteht, merkwürdig wenig beachtet, in Österreich nach Jurisdiktionsnorm § 99 ausschließlicher Gerichtsstand für Ehescheidungen von Österreichern, weshalb deutsche Gerichte sich gemäß ZPO. § 606 Abs. 4 unzuständig erklären müssen! Andere Beispiele Gutzwillers für „sinngemäße Anwendung des eigenen Rechts" sind die schweizerischen Adoptionen ohne Standesfolge, die als Annahme an Kindes statt im Sinne des Art. 22 anzusprechen sind, schweizerische Schuldbriefe, die als Briefhypothek gelten können. 2) Diese Frage ist es, mit der Neubecker, Ehe- und Erbvertrag, dauernd kämpft, bes. S. 248 ff. Das Problem der Qualifikation. 257 da entsprechend der technisch sehr verschiedenen Fassung der Kol-Üsionsnormen (siehe üben 0 die Grundlage der Begriffsbildung äußerst mannigfaltig ist. Immer wird jedoch die zu vollziehende Abstraktion nach der Methode rechtsvergleichender Wissenschaft stichhaltig sein müssen. Unter Vormundschaft ist in Art. 23 füglich das zu verstehen, was nicht nur das BGB. sondern die ganze Kulturwelt darunter im allgemeinen begreift und genauer; alle Rechtsinstitute, die dazu bestimmt sind, die Vertretung oder persönliche Sorge für die nicht in väterlicher oder elterlicher Gewalt stehenden, nicht voll geschäftsfähigen Personen zu regeln. Eben dies lehren natürlich unsere Schriftsteller.1) Einer ähnlichen Meinung dürfte auch Kahn S. 97 gewesen sein. Zwar unterscheidet er für die Herstellung angemessener Kollisionsnormen, je nachdem, ob in der Vormundschaftsgewalt Recht oder Pflicht des Vormundes überwiegt; aber als ein dem unsrigen inkommensurables, also von unseren Gerichten nicht anwendbares Institut, betrachtet er doch nur eine Vormundschaft, „welche nur ein GewaUverhältnis ist". Das kommt in der heutigen Kulturwelt nicht mehr vor. Wie weit haben wir uns aber dabei von der konkreten Erscheinung des Landesrechts entfernt; von seinen Rechtssätzen sowohl wie von seinen Rechtsinstituten! Wir nehmen aus ihm nur einen Grundgedanken, und diesen wegen seiner Wiederkehr in fremden Rechten. Der Tatbestand der Kollisionsnorm bezieht sich nicht auf eine Erscheinung der lex fori, der dann Erscheinungen fremder Rechte gleichzustellen sind, sondern von vornherein auf das Gemeinsame dieser Rechtserscheinungen. 3. Zum anderen kann praktisch jene Abhilfe nicht genügen. Schon Kahn sah, wie rasch die Suche nach dem kern- und wesensverwandten Rechtsinstitut des Auslandes an eine unübersteigliche Mauer gerät und wie unsicher ihr Ergebnis ist: „Die Grenzlinie zwischen der latenten Kollision und dem (nicht kommensurablen) fremden Rechtsinstitut ist häufig eine schwankende" (S. HS>). Während jene Vormundschaft, die nur ein Gewaltverhältnis ist, für uns unanwendbar sein soll, hält er die amerikanische Verjährung für eine unserer materiellen Rechtsanwendung fähige Einrichtung. Was sollen wir darnach von dem bisherigen englischen Rechtszustand halten, wo Adoption und Legitimation fehlten und der Erblasser schrankenlose Testierfreiheit besitzt? Was haben wir von der schweizerischen Vaterschaftsklage mit Standesfolge zu denken, was von der spanischen mejora? Mag es hingehen, daß wir nach einer sehr problematischen Lehre kraft der negativen *■) Zuletzt Lewa ld S. 159: Vormundschaft, d. h. die Fürsorge für die Personen, welche der vollen Geschäftsfähigkeit ermangeln. Zeitsehr, f. atisj. u. infer»at. Priva tischt. 5. Jahrg. 11 258 R a b e L Funktion des ordre public es ablehnen, über Vielweiberei und Sklaverei Recht zu geben. Uber die Gegenstände des Vermögens-verkehrs und doch wohl auch über fremde Statusverhältnisse müssen wir entweder selbst urteilen oder die ausschließliche Gerichtsbarkeit bestimmter Länder anerkennen. Es braucht also entweder Rechtssätze über die Anwendung oder Nichtanwendung fremder Rechte, oder Rechtssätze über die Ablehnung der Jurisdiktion. Der Zug der Entwicklung — der vielleicht in Anbetracht der Mängel des Kolh-sionsrechts nicht durchaus glücklich genannt werden kann — gestaltet zweifellos die Kollisionsnorm zur Regel und die Verweigerung der Gerichtsbarkeit zu einer ganz seltenen Ausnahme. Drängt die Entwicklung des internationalen Privatrechts schon seit langem dazu, die Rechtserscheinungen der Welt zu umspannen, gleiche und ungleiche, so gesellt sich ein grundsätzlicher Gesichtspunkt hinzu, der für die Zukunft dieser Disziplin von entscheidender Wichtigkeit ist. Ein gesunder und zukunftsreicher Zug geht dahin, auf induktivem Wege für jeden juristischen Typus die ihm entsprechenden Kollisionsnormen zu finden. Wenn aber diese dringend zu wünschende Spezialisierung der Regel — die mit der keineswegs erfreulichen Spezialisierung im „depecage" nicht zu verwechseln ist — immer wieder ihr ganzes Gepräge von der einen Rechtsordnung des gerade schreibenden Autors oder Gesetzgebers erhielte, so wäre an der internationalen Angleichung der Kollisionsnormen allerdings zu verzweifeln. Über das, was obligatorischer Vertrag oder Familienrecht ist, kann man sich allenfalls von sämtlichen Zivilrechtssystemen her schließlich doch annähernd verständigen; über den Begriff des Kaufmanns oder des nicht-rechtsfähigen Vereins niemals. Tatsächlich aber kehren glücklicherweise die besten neueren Einzeluntersuchungen auf rechtsvergleichendem Wege zu dem wertvollen Bestreben der einstigen Internationalisten zurück, die für alle Rechtsordnungen passenden speziellen Statuten aufzusuchen und allgemein gültig zu formulieren, indem sie an die überall wiederkehrenden gleichförmigen Lebensfragen anknüpfen. IV. Verhältnis des Tatbestandes der Kollisionsnorm zu den fremden RechtsbegriHen. I. Die Qualifikation darf nicht der von der Kollisionsnorm berufenen fremden Rechtsordnung entnommen werden, oder klarer ausgedrückt, die Tatbestandsmerkmale der Kollisionsnorm, diese als fertig gedacht, dürfen nicht nach der fremden Rechtsordnung ausgelegt werden. Diese Lehre ist mit Selbstverständlichkeit richtig gegenüber der fremden Kollisionsnorm, sowohl wenn von der Rück- und Weiterverweisung abgesehen wird, als auch dann, wenn Das Problem der Qualifikation. 259 sie angeordnet ist, da sie dennoch unmittelbar aus der eigenen Kollisionsnorm folgt. Erst kraft dieser kommt es zur Ermittlung und Auslegung der fremden Ioi renvoyante. Das Gleiche ist aber auch gegenüber der fremden Sachnorm festzuhalten. Wer freilich Koilisionsnorm und eigene Sachnorm zusammenlegt und die praktischen Bedürfnisse mit lebendigem Sinn erfaßt, durchlöchert sein Prinzip mit Ausnahmen zugunsten der fremden Sachnormen. Das dürfte nicht die angemessene Grundlage zur Bewältigung der entstehenden Probleme, abgeben. So lehrt Lewald:1) Welche Geschäftserfordernisse sich als Formvorschriften qualifizieren, habe der deutsche Richter an der Hand der deutschen Auffassung zu prüfen. Doch habe er nicht in allen Fällen diese deutsche Auffassung allein in Betracht zu ziehen. Z. B.: Das französische Recht verbietet das gemeinschaftliche Testament, aber die französische Rechtsprechung sieht darin nach Code civil 968 nur eine Formvorschrift und erklärt daher ein solches Testament französischer Ehegatten, das in Österreich errichtet ist, für gültig. Dagegen neigt die italienische Rechtsprechung, wenigstens für das gegenseitige gemeinschaftliche Testament dazu, in dem entsprechenden Verbote C. ital. 761, das unter den Artt. über den Inhalt des Testaments steht, ein inneres Erfordernis der Gültigkeit des Akts zu erblicken.5) Lewald entscheidet, ein derartiges gemeinschaftliches Testament der Franzosen sei in Deutschland gültig nach Art. 11 Abs. 1 Satz 2, das der italienischen Ehegatten aber nach der lex causae daraufhin zu beurteilen, ob es überhaupt ein Testament ist und erst bei Bejahung dieser Vorfrage dem Art. 11 zu unterstellen, wonach die österreichische Form genügt. Nun trifft es bei Art 11 im Unterschied zu den meisten übrigen Bestimmungen des Einführungsgesetzes wirklich zu, daß der kolli-Monsrechtliche Begriff der Form nicht nur historisch in der herkömmlichen Art dem innerdeutschen Begriff entlehnt ist, sondern daß dieser Begriff dogmatisch weitgehend mit dem des BGB*, zusammenfällt, obgleich durchaus nicht mit ihm identisch ist (ein Beispiel siehe unten VI 1). Läßt sich denn aber an dem fertig gewonnenen Begriff hinterher eines ausländischen Rechtes wegen noch etwas ändern? Die von Kahn begründete Methode, die die Rechtsvergleichung in das Stadium der Anwendung des internationalen Privatrechts setzt,3) statt in das Stadium vor ihrer Bildung oder Auslegung, ver- . *) Nr. 86, S. 65; Nr. 387, S. 320. s) So Cass. Firenze 9. 11. 1896, Annali Giur. It. 1897. I. 86, mit vielen früheren Entsch. (zit. in der Note von Sanseverino). Diese Auffassung scheint Diena, Dir. int. priv, 5 215 allgemein, auch außerhalb des italienischen Rechts für die richtige zu halten. 3) Diese Zeitschrift 3, 756. 17* 260 Rabe!. führt zu solchen Korrekturen, die Verwirrung hervorbringen können. Die Fragestellung muß lauten; Umspannt die Form die Errichtung eines Testaments als gemeinschaftliches? An der Bejahung ist de lege lata kaum zu zweifeln, und da Art. II für die Form die lex loci actus gleichwertig neben die lex causae stellt, so entscheidet das Gesetz des Errichrungsoi'tes für sich allein zugunsten der Gültigkeit, mag das dem nationalen Recht der Ehegatten genehm sein oder nicht. Der deutsche Richter darf sich daher um die italienische Saclmorm nicht kümmern. Vollends könnte es keinen Unterschied machen, wie Frankreich und Italien sich im internationalen Privatrecht verhalten. Es steht ebenso wie bei dem berühmten Art. 992 des niederländischen Wetboek: Das in Holland ungültige eigenhändige Testament muß anderwärts gemäß dem Formstatut für gültig gehalten werden.1) Eine andere Frage drängt sich freilich auf, nämlich die, ob es einen gesunden Rechtszustand ergibt, wenn wir Form und materielles Erfordernis auseinander reißen. Wir kommen dazu, das gemeinschaftliche Testament von Italienern, aber auch von Franzosen, Holländern, Spaniern, Portugiesen für gültig zu erklären, ihrem Heimatrecht zuwider. Obzwar das die Franzosen selbst tun/) ist es kein idealer Zustand. Solche Erwägungen sollten dazu führen, allgemeine Ausnahmen von der Anerkennung der lex loci actus zu machen.3) Hier wie öfter ist jedoch bei Lewald mit Genugtuung eine Rücksicht auf die fremde Systematik zu erkennen. In der Tat ist ihr Platz sowohl vor der Bildung des Kollisionssatzes als in anderer Weise bei der Anwendung der fertigen Norm, aber darüber gilt es sich zu verständigen. 2. Zunächst ist es nicht ganz überflüssig zu betonen, daß, wo immer bei der Durchführung des internationalen Privatrechts das fremde Recht eine Rolle spielt, ein ihm angehörendes Gebilde näherer Untersuchung bedarf. Es kann nicht ein einzelner ausländischer Rechtssatz in das eigene materielle Recht des Richters, die lex fori, eingestellt werden, sondern das ganze ausländische Rechtsgebilde muß erwogen werden, daher auch mit dem Gepräge, das es von seiner gesamten Rechtsordnung empfangen hat. Die deutschen Gerichte wissen das in der Regel sehr gut. J) Eine klare Vertretung dieser Ansicht findet sich außer bei den von Fra-gistas, diese Zeitschrift 4, 934/6 verzeichneten Autoren bei A n z i 1 o 11 i, Corso di lezioni di diritto intemazionale (diritto privatü) 1919, 373. s) Lewald, successions, pag, 100. ') Eine Vorherrschaft der lex causae vor dem Formstatut verteidigt soeben (aber wohl in einem etwas anderem Sinne) De V o s, Institut beige de droit compare, Revue trimestrielle 16, 1930, 146. Man würde zur Losung Lewaids gelangen, wenn bei Voranstellung des Heimatstatuts die Weiter-verweisting vom französischen Recht auf das österreichische angenommen'wird — solange das französische Recht selbst dabei verbleibt, das Recht des Errich-tungsortes ausnahmelos anzuerkennen. Das Problem der Qualifikation. 1 261 Z. LV) Art. 265 Abs. 2 des schweizerischen Bundesgesetzes betreffend Schuldbetreibung und Konkurs wird über die gesamte schweizerische Literatur geprüft, ob er außer seiner prozessualen auch eine materiellrechtliche, im deutschen Recht zu befolgende Bedeutung hat, was bejaht wird; es folgt aus ihm eine zivilrechtliche Beschränkung des Anspruchs gegen den ehemaligen Gemeinschuldner, sodaß die Erfüllung des Anspruchs nicht verlangt werden kann, solange der frühere Gemeinschuldner kein neues Vermögen erlangt hat. Ob schweizerische „prozessualische Entschädigungen" Prozefi-kosten im Sinne von Art. 18 des Haager Zivilprozeßabkommens sind,2) ob ein brasilianisches Fideikommiß inhaltlich der deutschen Nacherbfolge gleichsteht und daher im Erbschein so genannt werden darf,3) wird sorglich nach dem fremden nationalen Recht untersucht. Wohin gehört die österreichische Gütergemeinschaft auf den Todesfall? Dieses Institut läßt die Verhältnisse während der Ehe unberührt. Andererseits treten seine Wirkungen nicht nur beim Tode (Mnes Ehegatten ein, sondern auch im Falle seines Konkurses und bei Trennung der Ehe aus Verschulden eines Teiles. Ferner entsteht in keinem Augenblick eine wirkliche Gemeinschaft des Vermögens, sondern im kritischen Fall nur Ansprüche auf Übertragung. Kafka, der Monograph dieser Lehre,4) gelangte zu dem Schluß, daß kein negotium mortis causa vorliegt und überhaupt kein liberaler Akt, vielmehr ein entgeltliches, aleatorisches Geschäft unter Lebenden unter Be-tagung und Bedingungen. Wohl wird diese Konstruktion an der Hand der Rechtssätze des österreichischen Rechts von unserer Begriffsbildung aus nachzuprüfen sein. Aber in der Regel werden wir gerade gegenüber der österreichischen Rechtswissenschaft zu derselben Konstruktion kommen wie sie. Daß wir nicht irgend ein einzelnes Stück der Ordnung, z. B. die im Fall des Todes eines Ehegatten entstehenden Ansprüche oder gar nur einen im Fall des Todes entstehenden Anspruch auf Übertragung eines Pfandrechtes im deutschen Kolüsionsrecht unterzubringen haben, ist klar, E? ist vielmehr das mindeste, daß wir das ganze Rechtsinstitut als Einheit qualifizieren. Wenn z. B. der Mann gestorben ist, ohne daß Konkurs oder Scheidung sich ereignet hat, so dürfen wir nicht das Erbstatut anwenden. Richtiger aber als das Obligationsstatut wird aus rechts-liistorischen und rechtsvergleichenden Gründen das Statut des ehelichen Güterrechts heranzuziehen sein. *) LG. Mannheim v. 11. 5. 1928. IPRspr. 1928 Nr. 9. Vgl. ROZ. 100, 242. =") LG. Hamburg IPRspr. 1928 Nr. 125. 3) AG. München IPRspr. 1928 Nr. 58, *) Kafka, Die eheliche Gütergemeinschaft auf den Todesfall (1906) S.225. Kräsnopolski-Kafka, Ost Familienrecht 186 f. Vgl. Ehrenzweig, Syst. 2, 2, § 437. 262 R a b e 1. Ein Beispiel anderer Art hat Niboyet herangezogen. Ein kanadisches Ehepaar begehrte Scheidung in Frankreich. Auf die Einwendung, daß nach kanadischem Recht die Scheidung in Form einer Bill of Parliament erfolgen muß, wird geantwortet, daß nach der französischen lex fori der Ausspruch der Scheidung eine reine Frage der Gerichtsbarkeit ist, nicht also eine materielle Voraussetzung der Scheidung, die sich nach kanadischem Recht richten würde. Ist es aber richtig, mit Niboyet1) diese Entscheidung damit zu begründen, daß der französische Richter sich um die kanadische Qualifikation des Scheidungsausspruches als gesetzgeberischer Tätigkeit überhaupt nicht zu kümmern hat? Die Entscheidung stellt sich erst als richtig heraus, wenn wir erfahren, daß in der kanadischen Praxis der Act of Parliament in der Tat längst nicht mehr ein Privileg von einem die Scheidung nicht zulassenden Privatrecht darstellt, sondern auf Grund einer Rezeption der englischen Gerichtsgrundsätze über Scheidung ganz regelmäßig zu erlangen ist.2) Schon aus diesen Gründen sind heutige Formulierungen unrichtig, wenn sie dem Richter aufgeben, sich ausschließlich um die Qualifikation des eigenen Landesrechts umzusehen. In den meisten Gerichtsurteilen, die nach diesem Rezept zu verfahren scheinen, tritt der begangene Fehler darum nicht hervor, weil er unerheblich war oder das natürliche Rechtsgefühl Abhilfe bewirkte. Mit welcher Gedankenoperation wir aber zur Erwägung des fremden Rechts kommen, diese Frage ist unterschiedlich zu beantworten; denn was die Anwendung des fremden Rechts bedeutet, die als Rechtsfolge der Kollisionsnorm verordnet wird, verdient eine eigene Erörterung (unten V). 3. Auch schon der Tatbestand der Kollisionsnorm aber verlangt Erwägung der fremden Sachnorm. Denken wir zunächst an eine klar feststehende Konfliktsregel, so ist eine solche Erwägung jedesmal erforderlich, wenn die Lebenstatsachen in einer rechtlich beeinflußten Form auftreten; so um das anschaulichste Beispiel zu gebrauchen, wenn die Parteien einen Vertrag oder ein sonstiges Rechtsgeschäft vorgenommen haben und dieser Akt unter die ebenfalls rechtlich (richtigerweise: koüisionsrechtlich) irgend qualifizierten Tatbestandsmerkmale der Kollisionsnorm subsumiert werden muß. Auf diese Weise bringen wir die unter Zugrundelegung österreichischen Rechts vereinbarte Todesfallsgemeinschaft von Ehegatten ge- ä) Manuel2 Nr. 417 7° p. 506; No 636 p. 744. -) Vergl. British North America Act, 1867 {30 Victoria c. 3), s. 91 Powers of the Parliament n. 26 Marriage and Divorce. — R. V. Sinclair, The ruies and practice before the Parliament of Canada upon Bills of Divorce, Toronto & London 1915, p. 2. — R. Evans, The Law and Practice relating to Divorce 1923, Calgary & Montreal, p. 340, 344. Das Problem der Qualifikation. 263 maß der Würdigung des österreichischen Rechts unter den Begriff des Güterrechts in Art. 15 EG. Nun wissen wir aber längst, daß der Inhalt aller Gesetze mehr oder minder auslegungsbedürftig ist und fordern allgemein eine schöpferische Auslegung, die den Gesetzesinhalt in einem stetigen Fluß erhält. Im internationalen Privatrecht in seinem wenig festgefügten Zustand gilt dies in einem erhöhten Maße. Die Kollisionssätze sind im Werden, mögen sie erst von der Doktrin und der Rechtsprechung völlig neu gebildet werden oder bereits einen gesetzlichen Niederschlag gefunden haben. Die. schöpferische Auslegung verschmilzt sich hier weithin mit der Neugestaltung. Behaupten wir daher im allgemeinen Privatrecht, daß die Ziele der lex ferenda auch dem Richter als Leitsterne dienen, so weit das Gesetz ihn nicht gebunden hat, so eröffnet sich der Auslegungskunst gerade im internationalen Privatrecht in wenig strengen Grenzen dieselbe Aufgabe wie der Erfindung neuen Rechtes. Das Ziel ist in der uns hier beschäftigenden Beziehung dadurch gekennzeichnet, daß einerseits die Rechtsfrage, die die Kollisionsnorm zur Voraussetzung nimmt, von der Rechtsordnung, die zur Entscheidung berufen wird, beantwortbar sein muß, und daß andererseits Kollisionsregeln gebildet werden müssen, deren Wirkungen nach Möglichkeit das Feld der gesamten Rechtserscheinungen der Welt erschöpfen, so daß auch die der lex fort fremdartigen Gebilde im KolÜsionssystem untergebracht werden. Auch die Begründer der Lehre von der Qualifikation nach der lex fori haben gefühlt, daß eine Rücksicht auf die fremden Rechtssysteme unentbehrlich ist. Der Richter muß den wahren Inhalt der fremden Gesetzesregeln ermitteln, sagt Kahn.1) Und Bartin2) gibt zu, der fremde Staat habe im certain pouvoir sur la qualification de la regle de droit qu'elle edicte. Aber die lex fori ist solcher Rücksicht ihrer Natur nach unfähig; daher bleiben alle Versuche, sie mit der fremden Gesetzgebung auseinanderzusetzen, unsicher und unfruchtbar. Vom Kollisionsrecht dagegen gilt ein doppeltes: es muß die fremden Rechtserscheinungen erfassen und kann es„ in der Weise tun, daß es sie nicht vergewaltigt. Wie ist z. B. in den Ländern, die die Einsetzung eines Erben durch Erbvertrag nicht kennen, eine solche Einsetzung zu beurteilen, die in Deutschland durch Erbvertrag zwischen deutschen Ehegatten getroffen wurde? Die Frage ist in Frankreich und Italien wiederholt behandelt worden. In Italien mit Unklarheiten; in Frankreich entschieden und liberal, indem der Vertrag für gültig gehalten und dem Erbstatut unterstellt wurde. Niboyet (p. 503) bringt dies unter den Gesichtspunkt der selbständigen französischen Qualifikation, wogegen J) Abhandlungen I, 29 und Öfter. 5) Etudes 22. 264 RabeE. nichts einzuwenden ist. Aber es fragt sich, ob denn etwa in Italien und Spanien zutreffend anders entschieden werden kann. Der ordre public sollte nicht im Wege stehen. Es ist längst nachgewiesen, daß in Italien genug Anhaltspunkte vorhanden sind, um eine negative Wirkung des italienischen ordre public auszuschließen.1) Dasselbe gilt noch wesentlich klarer für Spanien. Jn zwei gleichzeitigen Schriften von Castiitejo2) und Garcia Herreros3) wurde dargetan, daß der Gedanke der erbvertragsmäßigen Bindungen dem älteren und dem heutigen Rechte Spaniens durchaus vertraut ist. Aber auch in Spanien kennt der Cödigo civil als Berufungsgründe ausschließlich die gesetzlichen und die testamentarischen und gleichlautend mit dem italienischen Art. 8 Disp. prel. formuliert die Kollisionsnorm in Art. 10 Abs. 2 „Sin embargo, las sucesiones legiti-mas y las tesramentarias, asi respecto al orden de suceder como a la cuantia de tos derechos sucesorios y a la validez intrins-eca de sus disposiciones, regularän por la tey nacional de la persona de cuya sucesiön se träte, cuales quiera que sean la naturaleza de los bienes y el pais en que se encuentren." Welchem Statut unterlegt nun ein deutscher Erbeinsetzungs-vertrag unter Ehegatten? Würde man versuchen, für ihn im spanischen Privatrecht ein verwandtes Institut zu suchen, um danach erst die Kollisionsnorm aufzufinden, so käme man zu den merkwürdigsten Vergleichungen. Mejora liegt ebenso fern wie donaciön en razön de matrimonio oder capitulaciön matrimonial, die beide nur bis zur Eheschließung errichtet werden können, und die Kollisionsnorm, die aus einer solchen gewaltsamen Einordnung folgen würde, wäre mehr als zweifelhaft. Die Lösung kann kraft des Nationalitätsprinzips mit Selbstverständlichkeit nur lauten, daß Art. 10 Abs. 2 ausdehnend zu interpretieren ist. Nicht bloß die gesetzliche und testamentarische Berufung, sondern alle Berufungsgründe sind nach dem Heimatrecht des Erblassers zu beurteilen. Was hier gilt, hat allgemeine Bedeutung. Nur ist es freilich nicht immer so zweifelsfrei, daß wir schon die bestehende KolHsionsnorm trotz ihrer genetischen Abhängigkeit von der lex fori zu erweitern befugt sind. Andere Beispiele sind in meinen früheren Bemerkungen4) schon herührt worden. Die deutsche Gefährdungshaftung bei Eisenbahn-, Kraftwagen- oder Luftverkehrsbetrieb muß überall im Auslande, wo nicht spezielle Normen bestehen, auf Grund des Deliktstatuts anerkannt werden. Es liegen keinerlei Gründe vor, warum der deutsche *) Neubecker, Ehe- und Erbvertrag, 200, 202. s) Jose Castillejo y Duarre, La formaciön contractiial en el derecho de sucesiones (1902) 74 cf. 134 ss. ') Enrique Garcia Herreros, La sucesiön contractüal (1902). *} Diese Zeitschrift 3, 354. Das Problem der Qualifikation. 265 Richter irgend eine fremde Gefährdungshafiung nicht anerkennen konnte,1) vorbehaltlich der Ausnahme im Schlußsatz von Art. 12 EG. Vor dem französischen Gesetze von 1912, mit dem das unbeschränkte Verbot der recherche de la paternitě aufgehoben wurde, ließen die französischen Gerichte bereits eine Deliktsklage der unehelichen Mutter gegen ihren Verführer nach Art. 1382 C, c. auf Ersatz der Kosten von Schwangerschaft, Entbindung und Kindesunterhalt zu, wofern die Verführung unter tadelnswerten, aber keineswegs sehr ängstlich geprüften s) Umständen erfolgt war. Und während der ordre public eine Klage des Kindes auf Grund ausländischer Gesetze verbot, konnte die Deliktskiage der Mutter auch auf fremdes Recht gestützt werden.3) Das scheint zu bedeuten: Hätte das Land, wo die Beiwohnung der Mutter erfolgte, einen Anspruch nicht wegen Deliktes, sondern aus einer Art von Familienverhältnis zwischen unehelichen Eltern gegeben, wie dies heute die schweizerische Auffassung zum ZGB. 317 cf. 307, 309 ist, oder als gesetzlichen Entschädigungsanspruch, der weder als Unterhalts-, noch als Deliktsanspruch gilt, wie nach § 1715 BGB., so hätte konsequent der Vater dennoch frei ausgehen müssen. Das liegt an der Einmischung der juristischen Konstruktion der lex fori, daran, daß man den Anspruch der „Materie der Kindschaft entzogen und in das Gebiet der zivilrechtlichen Haftung übergegangen" ansah. Mag diese Fassung dem damaligen französischen ordre public nahe gelegen haben, die passende Koilisionsnorm muß offenbar anders beschaffen sein; sie muß, ohne vorweg zu konstruieren oder zu qualifizieren, das Verhältnis der unehelichen Mutter zum Erzeuger als Tatbestand nehmen.4) Die deutsche Bestimmung über die Ansprüche der unehelichen Mutter gegen den Vater, EG. Art. 21, gibt zu dem umgekehrten Zweifel Anlaß, ob sie einen Anspruch umfaßt, der im maßgeblichen Ausiand — dem Heimafstaat der Mutter — als Deliktsanspruch aufgefaßt wird. Wenn man das verneint und dafür nach Deliktsstatut __._ * *) So jetzt auch Lewald, S. 266. Anders Raape, S. 225, III, der vom deutschen Standpunkt beurteilen will, was Quasi-Delikt ist, also nur bestimmte Kategorien von Gefährdungshaftung einbezieht. — Im Sinne des Textes auch der österreichische Entwurf § 17, polnisches Gesetz Art. 11, 1, österreichische Praxis, vergl. Walker 479, Ehrenzweig 6. Aufl. t, 1, 102. s) Diese Praxis dauert als Ergänzung des der Rechtsprechung ungenügend erscheinenden Gesetzes von 1912 weiter an, mit sehr elastischen Kriterien; die im Rdbrf. des Arch. Deutsch. Berufsvorm. 5 (1930) 107 (vgl. Raape 528) wieder-gegebene Entsch. App. Poitiers 29. 10. 1928 ist eine von vielen, s. den Abdruck in Sir. 1929, 2. 1, 3, Fall und die kritische Note von M. Qaraud. Weitgehend auch die litauische Rechtsprechung, die Büchler oben 211 f. bekämpft. 3) Pitlet-Niboyer, Manuel 567, Nr. 1. *) Es hätte schon genügt, das Recht des Begehungsortes mit seinen sämtlichen Folgen zwischen Mutter und Erzeuger anzuerkennen und den Schadens-ersatzanspruch durch die negative Funktion des ordre public zu bedingen. 266 Rab el. das Deliktsrecht des Landes, in dem die Beiwohnung stattfand, anruft,1) so ergibt sich wiederum ein unharmonischer Rechtszustand. Es erweckt aber freilich auch starke Bedenken, Art. 21 ausdehnend auszulegen, so daß er die französische Mutter nicht bloß die Ansprüche aus §§ 847 Abs. 2, 1300, sondern (auch?) die Praxis der französischen Gerichte in Deutschland genießen ließe, wenn die Beiwohnung eben in Deutschland erfolgt ist. Der Schutz der unehelichen Mutter verlangt eine einheitliche Berücksichtigung mit einer gewissen Ausschaltung des Dehktsstatuts; die Einmischung der internen Konstruktion stört immer wieder das Kollisionssystem. Im üppigsten Ursprungsgebiet dornenreicher Streitfragen, dem Ehegattenrecht, weichen die Rechtsordnungen besonders viel auch in der Systematik von einander ab. Der französische C. c. 217 verordnet die incapacite der Ehefrau. Ist dies für uns eine Minderung der Geschäftsfähigkeit im Sinne des Art. 7 Abs. 1 EG. oder eine persönliche Ehewirkung nach Art. 14 oder eine güterrechtliche Bestimmung nach Art. 15? Das deutsche BGB, kennt die Beschränkung nicht mehr und reiht sie daher nicht ein. Aber auch in den deutschen Kollisionsnormen ist keine Antwort zu lesen. Zum Ziel führt ausschließlich die rechtsvergleichende Würdigung des konkreten ausländischen Instituts. Eben auf diesem Wege haben im früheren interterritorialen Recht deutsche Gerichte verneint, daß C. c. 217 güterrechtlichen Inhalt hat.2) Den Rechtsvergleichern ist es nicht entgangen, daß wenn hier die Ehefrau ohne Rücksicht auf einen bestimmten Güterstand in der Verfügungsfähigkeit beschränkt wird, dies eine aligemeine Wirkung der Ehe ist.3) Hinzu tritt die französische Auffassung, daß wenigstens heute Art. 217 nicht mehr1) ein Schutzvorschrift für das weibliche Geschlecht trifft, sondern nur noch als Nachwirkung der Eheherrschaft fungiert.5) Es handelt sich also um Ehewirkung, nicht um die allgemeine Geschäftsfähigkeit. Daß dieses Ergebnis richtig ist, haben die älteren und unsere neuesten Schriftsteller empfunden.6) Daher l) So jetzt R a a p e S. 508, 528. s) Lewa ld p. 95. 3) Röguin, Traite, Regime matrimonial p. 8; Kaden, Rechtsverglei-chendes Handwörterbuch 2, 704. Dagegen betrifft der Satz „Heirat macht mündig" (schweiz. ZBQ. An. 14 Abs. 2) unmittelbar die Geschäftsfähigkeit (EQ. Art. 7). *) Das war nicht immer so. Im 18. Jahrhundert schrieb man der Separation dieselben Wirkungen zu wie der Emanzipation eines Minderjährigen, und der Code civil hat die Gleichstellung mit den Minderjährigen noch weiter entwickelt. Planiol, Traite I. n. 1622; 3, n. 1440—1. 5) Niboyet S. 734 bei N. 2. ') Fiori n. 110; Weiss, Traite 3, 586 (vgl, freilich 587; 4, 338); v. Bar 1, 481; Lewald 1, 95, im Ausgangspunkt auch Raape 289, der abweichende Ansichten anführt. Raape will freilich zugunsten der Ehefrau, nicht-auch zu ihren Ungunsten, gleichzeitig ihr Heimatstatuf eingreifen lassen, was unser Thema nicht angeht. Das Problem der Qualifikation. 267 kommt eine Französin, die einen Österreicher heiratet und die französische Staatsangehörigkeit beibehält, nicht unter die Beschränkung des Code civil, sondern in die Stellung der österreichischen Ehefrau (EG. Art. 14).1) Wenn ein französisches Ehepaar unter Gütertrennung lebt und schweizerische Staatsangehörigkeit erwirbt, so bleibt nicht gemäß EG. 15 die Beschränkung der Frau bei der Verwaltung ihres Vermögens (C. c. 1536) bestehen, sondern gilt nunmehr die freie Stellung der Ehefrau nach ZGB, (EG. 14). Eine allgemein brauchbare Rechtsvergleichung erreicht also Einheitlichkeit der Qualifikation: die französische Fähigkeitsbeschrän-kung ist überall dem Ehestatut zu unterwerfen. Denn die französische Begründung, daß die dortige Geschäftsbeschränktheit der Frau auf einem Rest der Ehevogtei beruht, ist für uns im Gegensatz zu Niboyet (S. 734) nicht aus der lex fori des französischen Richters im international privatrechtlichen Streit geholt und für den deutschen Richter durch seine lex fori zu ersetzen, sondern sie gehört zu der nach allgemeinen Kriterien gewürdigten Natur des französischen Rechtsinstituts. Genau ebenso hätte konsequent der französische Richter die Verfügungsbeschränkung der deutschen Ehefrau, die eine Wirkung des Güterstandes ist, als effet du mariage quant au regime des biens anzuerkennen, und nicht etwa als Gegenstück der französischen Fähigkeitsbeschränkung unter die Wirkungen quant aux rap-ports personnels zu bringen. Wenn die Schenkung unter Ehegatten verboten ist wie nach römischen Recht und italienischem Cod. civile 1054, so wirkt das Ehegattenverhältnis; ob aber persönlich2) oder güterrechtlich,3) können wiederum nur rechtsvergleichende Betrachtungen entscheiden. Zweifel sind zuzugeben — natürlich, aber die Sonderregel trifft doch das Ehegattenverhältnis als solches und paßt daher besser unter Art. 14. Es entsteht demnach die wichtige Aufgabe, die Rechtserscheinungen auf Grund der Rechtsvergleichung den kollisionsrechtlichen Tatbeständen einzuordnen, auf sie zu verteilen. Wieweit dazu im einzelnen die vorhandenen und die neu zu bildenden Tatbestände tauglich sind, muß die Zukunft lehren. Irgendein Schema ist nicht zu empfehlen. Von den Richtern dürfen wir nur empirische Beiträge erwarten, Vergleiche des eigenen Rechts mit einzelnen fremden Rechten, in der Regel nur mit einem einzigen. Die wissenschaftliche Rechtsvergleichung stellt die Verwandtschaft der Rechtseinrichttmgen fest, *) Niboyet n. 625, mit Einschränkungen; Lewald I, c. a) So Lewald n. 129. 3) So Kaden 705. Nicht als Beschränkung der Geschäftsfähigkeit, wie L£on Lyon Caen, La femme marine allemande (1903) 323, annahm. 268 R a b e L. die ein tertium comparationis liefern und eine Kollisionsnorm tragen können, aber auch die Verschiedenheiten. Sie können so bedeutend sein, daß eine sinnvolle Norm nicht mehr von ihnen abstrahieren darf. Dann muß der Vielheit der Rechtsphänomene anders genügt werden. Es ist keineswegs zu verlangen, jeder Satz des internationalen Privatrechts solle derartig verdünnt und gedehnt werden, daß er unmittelbar alle, auch völlig heterogene Einzelregclungen eines größeren oder kleineren Sachgebietes erfaßt. Das Kollisionsrechi verfügt über den ganzen Reichtum an Mitteln, den ein Rechtssystem nur haben kann. Insbesondere kann man die Kollisionsvorschriften vermehren, sie in gleichgeordnete oder in Haupt- und liilfsnormen spalten. So wäre es z. B. angebracht, privates Erbrecht, Erbrecht des Fiskus und staatliche lieimfalls- und Okkupationsrechte nicht unter ein und dasselbe Statut zu stellen. Die Hülfsnorm wiederum löst eben im Hinblick auf die Verschiedenheit der landesrechtlichen Auffassungen eine Teilfrage ab, um sie nach einer bestimmten Rechtsordnung einheitlich zu ordnen (s. sofort unten Nr. 4). Was das Kollisionsrecht aber nicht tun darf, ist sich anzustellen, als ob ihm ein einziges landesrechtliches System Aufbau und Inhalt liefern könnte. 4. Wir gelangen zu den Vorfragen der Anwendung der Kolii-sionsnorm, bei deren Beantwortung die Anhänger der lex fori-Theorie die Herrschaft der lex fori für mehr oder weniger naturgemäß halten. Häufig bedeutet das aber eine Verengung der angeknüpften Rechtsfrage zugunsten der iex fori mit unsicherem und unbefriedigendem Ergebnis. Daß die „Logik" hierbei viel Unheil anrichtet, soll nicht nochmals eingehender besprochen werden.1) Man darf es nicht als logisch unmöglich erklären, daß das Vertragsstatut auch für das Zustandekommen des Vertrages gilt, das Deliktsstatut für die Deliktsnatur einer Handlung, das Vollmachtsstatut für die Gültigkeit der Bevollmächtigung. Dieselbe Erscheinung, daß man den Kollisionsnormen zu wenig zutraut, weil man sie von vornherein zu knapp nimmt, begegnet in wenig veränderter Weise auch bei den sog, Ausnahmen von der Qualifikation nach der lex fori. Die Unterscheidung der Vermögensstücke in bewegliches und unbewegliches Vermögen tritt außerhalb Deutschlands noch viel auf und beschäftigt daher zufolge Verweisung auf das ausländische Recht den deutschen Richter nicht selten. Wenn die inländische Kollisious-norm auf die lex rei sitae verweist, wie das in weitestem Umfange der Fall ist, so besteht in der Praxis anscheinend überall eine sichere und sehr berechtigte Neigung, sie auch bestimmen zu lassen, was *) Diese Zeitschrift 3, 752. Das Problem der Qualifikation. 269 unbeweglich ist.1) Bartin') hatte dies als eine der Ausnahmen von der Qualifikation nach der lex fori bezeichnet und hält es neuestens als die einzige wahre Ausnahme fest. Niboyet3) dagegen verwirft den Satz selbst, eben weil er die Qualifikation nach der lex fori verletzt. Das logische oder praktische Argument stellt er dabei zurück. Das juristische genüge; das will beißen: die Verweisung auf das Recht des Staates, in dem eine unbewegliche Sache belegen ist, hängt davon ab, daß der verweisende Gesetzgeber selbst die Sache für unbeweglich hält. Ebenso argumentierte schon Kahn:4) Die Beurteilung nach der lex domicilii für bewegliche Sachen oder nach der lex rei sitae führe zu einem Zirkel. Es handle sich um „die Prinzipatfrage, wie die privat-internationale Norm ihren Anknüpfungsbegriff selbst verstanden, bezw. geregelt wissen will". Von meinem Standpunkt aus gibt es keine solchen dogmatischen Bindungen. Sind die Kolli-sionsnormen nicht genug elastisch, so erfüllen sie ihren Zweck nicht befriedigend. Übrigens hat Kahn zugegeben, daß eine Ersatz- oder Substitutionsnorm betreffs des Begriffes der Unbeweglichkeit, wie er sie bei Kirchstetter und Wharton angedeutet fand, denkbar ist. Ein solcher Hilfssatz: „Das Recht der Belegenheit entscheidet, was unbewegliches Gut ist" genügt vollauf zur theoretischen Rechtfertigung aller der unzähligen Stimmen, die jenes Ergebnis im Namen der Verkehrssicherheit befürwortet haben. Mit der praktischen Durchführbarkeit gegenüber der Verschiedenheit der richterlichen Beurteilung steht es zum mindesten nicht schlimmer als bei anderen Anknüpfungsbegriffen. Man muß nur die Belegenheit im rein physischen Sinne nehmen und sich, was ja durchaus genügt, auf die Immobiliar-rechte beschränken, die durch die physische Lage des Grundstücks lokalisiert werden.5) Es ist etwas anderes, wenn EG. Art. 7 Abs. 3 Satz 2 vom ausländischen Grundstück spricht; das ist ein engerer Begriff als unbewegliches Vermögen, hier aber nicht auf Grundstücke im physischen Sinne beschränkt, übrigens ebenfalls nach der lex rei sitae qualifiziert.6) Von diesem Standpunkte aus erscheinen beide im Streit liegenden Meinungen schief. Weder darf a priori die lex rei sitae entschei- ') Reiche Zitate aus der älteren Literatur bei v. Bar, Theorie und Praxis 1, 622f. und in der Note zu Sirey 1889, 1, 387. Neuere bei Niboyet, Repert. D. Int. 2, 409 n. 19, der auch auf den Haager Entwurf von 1900 und die Beschlüsse des Inst, D, I. von Madrid hinweist. Neuestens Raape 19, indem er eine ausnahmsweise Delegierung der Qualifikation an die ausländische Gesetzgebung: annimmt. Ich hoffe, daß er diese Denkform der Delegierung zugunsten einer Hilfsnorm aufzugeben bereit sein wird. s) Bart in, Etudes 24; Principe? I, 236. ") Niboyet, Manuel Nr. 504; Repert. D. Int 2, p. 411. *) Kahn, Abhandlungen 1, 477 ff. Ihm folgt Lewatd S. 175. ""') Nur hinsichtlich der Gegenstände, deren Lokalisierung gar nicht möglich wäre, darf die Skepsis von Arminjon, Freds 2, 51 ff, Platz greifen, v) Vergl. die Kommentare von Habicht S. 60 und Raape S. 86. 270 R a b e 1. den, noch die lex fori, vielmehr ist — und das erledigt die Berufung Kahns auf den Willen des Gesetzgebers — die Kollisionsnorrn sinngemäß auszulegen. Es ist weder gleichgültig, wie sich ein Gesetz, das zwischen beweglichen und unbeweglichen Rechten unterscheidet, bewußt verhält, noch — grundsätzlich — ob es sich auf Sachenrecht, eheliches Güterrecht, Erbrecht, Gerichtszuständigkeit') oder Steuerrecht bezieht. Zwischen den nationalen Kolüsionsrechten sind Verschiedenheiten denkbar usf. Aber wir wollen doch im Zweifel die Rechtssätze so auslegen, daß sie befriedigend wirken! Auf der anderen Seite entfernt sich diese Anschauung von den einstigen Versuchen, die Kahn bitter befehdete,2) die „Natur" eines Vermögensstücks als unbeweglich oder beweglich ein für allemal festzulegen — mit Ausnahme der Grundstücke und der beweglichen Sachen im engeren Sinne, deren physische Lage doch wohl nur eine haarspalterische Jurisprudenz hinwegdisputieren könnte. Eine ganz ähnlich undurchführbare Theorie wie die von Kahn bekämpfte Stobbes ist es aber, wenn im Anhalt an Andeutungen in französischen Gerichtsurteilen Niboyet") ermitteln will, welche Immobilisierungen durch eine fremde Rechtsordnung als natürlich, nicht künstlich erscheinen, welche ausländischen Rechtssätze einem Vermögensrechte aufpräge un caractere d'immeuble reel et territorial. Denn was darf in der Rechtswelt absolut als natürlich, was als künstlich erscheinen? Sollte dagegen eine solche Bewertung relativ von der lex fori aus geschehen, so müßte man sich über den Anspruch eines internationalen Privatrechts wundern, festlegen zu wollen, was in einem anderen Staate immobil ist. Wie käme das französische Kollisionsrecht dazu, englische Immobiliarrenten für beweglich zu erklären, deshalb weil französische Renten beweglich sind? Wie vollends käme das deutsche Recht dazu, die Rente eines in Frankreich domizilierten Engländers nach deutschen Begriffen zu qualifizieren? 4) Die weit überwiegende französische Lehre erhebt mit Recht solchen Anspruch nicht. An die Spitze der sachlichen Erwägungen gehört, daß die Abstellung unserer Vorfrage auf die lex rei sitae einen geradezu vorbildlichen Fortschritt in der Internationalisierung der Kollisionsnormen darstellt. Alle Länder, die so urteilen, erkennen einheitlich die Rechtsordnung des Staates der Belegenheit an. Die fast universelle Geltung der lex rei sitae im Sachenrecht verstärkt sich so erst zur Vollkommenheit. ') Daß für die Gerichtszuständigkeit Besonderes gilt, weil die lex fori gerade da selbstverständlich ist, hat schon Franken stein 2, 162, 187 erkannt. 2) Ebenso schon Frühere; s. Story, s. 447. 3) S. 150. 4) Mit vollem Recht erblickt Frankenstein I, 27S in einer solchen Herrschaft der lex fori den Bankerott des Grenzrechts. Das Problem der Qualifikation. 271 Ferner erkennen wohl alle Staaten die abstrakte Möglichkeit an sowohl bewegliche Sachen und Rechte zu verliegenschaften, als mit dem Boden verbundene Vermögensstücke zu entüegenschaften. Sie haben auch alle ein äußerst geringes Interesse daran, in Hinsicht auf das Privatrecht selbst zu entscheiden,1) ob irgendwo im Ausland Bienenkörbe (C. c. fr. 524)£) oder eine Rente als unbewegliche, verdiente Früchte auf dem Halm als fahrende Habe behandelt werden und für welche wirtschaftlichen oder sozialen Bedürfnisse 3) solche Verschiebungen dienen sollen. Es trifft nicht zu, daß es ein irgendwie erheblicher Verzicht auf die Souveränität ist, die fremde mehr oder weniger künstliche Behandlung gelten zu lassen. Der Private aber, der in Rechtsbeziehungen zu Grundstücken tritt, mag er das Grundstück selbst erwerben oder eine Hypothek daran oder ein Pfandrecht an einer Hypothek oder Inventarstücke, hat füglich ihre rechtlichen Eigenschaften in ihrer territorialen Ausgestaltung hinzunehmen. Solche Gesichtspunkte reichen ohne weiteres für die sachenrechtlichen Kollisionsnormen aus. Aber sogar im internationalen Ehegüterrecht haben sie Berechtigung, da der eine Ehegatte die Vermögensverhältnisse des anderen Eheteils vorfindet, wie sie eben sind und ein Staat, der die Wirkung der Ehe auf unbewegliche Sachen dem Staate der Belegenheit zu ordnen überläßt, damit rechnen muß, daß die sachenrechtlichen Auffassungen in der Welt verschieden sind. Wo also die Kollisionsnorm zwischen Mobilien und Immobilien unterscheidet, ist es im Grundsatz der Auslegung nicht die lex fori, sondern die lex rei sitae, die zur Qualifizierung berechtigt ist Das gilt natürlich ganz besonders auch für die Auslegung von Staatsverträgen, z. B. die vielen Nachlaßabkommen, die zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen unterscheiden. Dankenswert aber ist es, wenn der Staatsvertrag selbst festlegt, was unter unbeweglichem Vermögen verstanden wird, wie das der deutsch-russische Konsu-larvertrag4) für Rußland tut, weil dort die Unterscheidung nicht bekannt ist. Von den Kollisionsnormen, die eine solche Unterscheidung verordnen, ist es an sich durchaus richtig, mit Lewald 175 die Lage zu unterscheiden, daß die Sachnormen die beiden Gruppen von Rechten differenzieren. Hier mag es nun im augenblicklichen i, P. R. nähere *) Niboyet ersinnt freilich eine Rechtsordnung, die nach dem Muster der französischen Behandlung der Aktien der Bank von Frankreich es erlaubt, alle auf den Namen gestellten Wertpapiere zu unbewglichem Gut zu erklären. Teilt man solche etwas akademischen Befürchtungen vor fremdgesetzlicher Willkür, so braucht man nur die Kollisionsnorm durch eine Ausnahme zu verengern. s) Weiss, Manuel 9 551, *) Q i e r k e, Deutsches Privatrecht, II, S. 7. 4) Vom 12. 10. 1925, Schlußprotokoll zu § 11 des Nachlaßabkommens. Reichs-gesetzblatt 1926 II, 83; Makarow, Quellen S. 378. 272 R a b e 1. Erwägung' verdienen, ob zwar nicht die lex fori, aber die lex causae,1) die diese Unterscheidung macht, die beiden Kategorien selbstherrlich abgrenzt. Ohne weiteres einleuchtend ist das nicht. Es lassen sich ganz ähnliche Überlegungen anstellen wie vorhin. Der Staat, der das eheliche Güterrecht ordnet, darf sich nicht einbilden, daß die Sachenrechte überall in derselben Weise geordnet sind wie von ihm selber. Es führt zu einer Sonderbarkeit, die nicht gerade unbedingt notwendig ist, wenn der deutsche Richter über eine französische com-munaute legale zu urteilen hat und wegen Code civ. 516.526 die bewegliche Natur einer deutschen Hypothek oder Grundschuld leugnet, die im BGB. § 1551 Abs. 2 für die Fabrnisgemeinschaft festgelegt ist. Der einzige Gegengrund könnte die Gefahr einer neuen Disharmonie sein, falls und solange das Land, dem die Sachnorm entnommen wird, nicht eine konforme Lösung zur Verfügung stellt Aber das gilt keineswegs von allen Ländern und Sachnormen. Im Gegenteil, Qualifizierung nach der lex rei sitae pflegt ja bisher ohne Unterscheidung zwischen anzuwendender fremder Kollisionsnorm und Sachnorm aufzutreten. Für das Sachenrecht und Erbrecht dürfte sich das ziemlich allgemein erkennen lassen, aber in der Regel auch darüber hinaus. Denn im englischen und amerikanischen Recht ist die Ableitung der Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Gut aus dem Gedanken des territorialen Rechts noch von klarer und sicherer Kraft. Die historische Grundauffassung, daß das im Ausland befindliche Immobiliarvermögen nicht unter die Jurisdiktion des englischen Richters gehört, äußert sich in der territorialen Beschränkung des Amtskreises des executor oder administrator, auch des Guardian, ebenso aber auch im ehelichen Güterrecht. In England und in den Vereinigten Staaten ist daher die Qualifizierung nach der lex rei sitae selbstverständlich,5) ohne daß es grundsätzlich3) zur Ab- *) So Lewald 176 mit einem älteren badischen Urteil. Ähnlich vielleicht schon v, B a r 1. c. in nicht glücklicher Formulierung. *) Story n. 447; Foote-Bellot s (1925) 239ff.; Dicey-Keith * (1927) 550—552; H i b b e r t IPL. 2 (1927) 108; Minor (1901) § 12 p. 38; § 13 p. 39. a) Es gibt besondere Fälle. Aber mit den beiden Entscheidungen der Chancery Division, aus denen F r a n k e n s t e i n 1, 287 c) auf Grund der Auszüge bei Clunet einen solchen zu entnehmen scheint, hat es folgende Bewandtnis, Das Urteil vom 18. Juni 1908 — in re Moses, Moses v. Valentine [1908] 2 Ch. 235; 77 LJ.Ch, 783; 99 L.T. 519 — behandelt den gewöhnlichen Satz, daß für unbewegliche Güter die Form des Testaments nach der lex rei sitae, nicht nach der lex domicilii beurteilt wird. Die lex rei sitae entscheidet, was unbeweglich ist. Das Urteil vom 16. März 1905 — in re Orassi, Qrassi v. Stubberfield [1901] 1 Ch. 589, 74; L.J.Ch. 341; 92 L.T. 455; 21 T.L.R. 342 — unterstellt stillschweigend denselben selbstverständlichen Satz. Das in der Form des italienischen Rechts errichtete Testament konnte daher an sich englische immovables nicht gültig betreffen, zu denen auch lease-holds an englischen Grundstücken gehören. Aber der Wills Act 1861 erlaubt einem Engländer im Ausland in Ortsform über seinen personal estate Das Problem der Qualifikation. 273 Scheidung anders gearteter Sachnormen kommt. Das engtische Familien- und Erbrecht trifft nur die Immobilien auf englischem Boden und kann als mobil nur bezeichnen, was am Orte der Belegenheit dafür gilt. Für den deutschen Richter muß dasselbe gelten, wo er englisches oder nordamerikanisches Recht anwendet. Die gleiche historisch begründete :) Auffassung beherrscht die bisherige französische Lehre und, wie allseits anerkannt, auch die derzeitige Praxis.2) Daran darf sich der deutsche Richter halten. Wir schließen: Die einheitliche Beurteilung der Natur der Sachenrechte nach dem Orte der Belegenheit verdient allgemeinste Anerkennung. Im heutigen I. P. R. hat es bloß Bedenken, dem einheimischen Richter schlechtweg aufzuerlegen, daß er in die Anwendung eines fremden ehelichen Güterrechts immer eine derartige Beurteilung einschiebe.3) Hier muß die Gesamtverweisung" in der Funktion der Weiterverweisung helfen, die sich im gegenwärtigen internationalen Rechtsgewirr immer mehr als unentbehrlich herausstellt. Wir haben das französische eheliche Güterrecht anzuwenden wie der französische Richter und nicht wie der französische Code civil. V. Die Anordnung, fremdes Recht anzuwenden. Die doppelseitige Kollisionsnorm, die aus Art. 15 des Einführungsgesetzes entnommen wird, lautet: „Das eheliche Güterrecht wird nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem der Ehemann zur Zeit der Eheschließung angehörte." Von dieser Formel weiß man, daß sie nicht genau ist, insofern sie bei der Ausdehnung der gesetzlichen einseitigen Kollisionsnorm eine Sachnormverweisung unterstellt, d. h. darauf hinauskommt, daß das Ehegüterrecht eines Ausländers nach dem bürgerlichen Recht seines Heimatstaates beurteilt würde, während die herrschende Praxis eine Gesamtverweisung unterlegt, also in erster Linie das I. P. R. des zu testieren. Und Buckley J. gelangt dazu, die lease-Jiolds, obwohUsie immovables sind, doch als personal (chatteis real), nicht real estate zu bezeichnen. Insofern war der Wills Act auszulegen. Dazu Dicey-Keith rule 150, exc. 3 p. 569. ') Spezielle Belege bei N i b o y e t, Répert. de Droit Int. 2, p. 409. ä) Die älteren Urteile Cass. 28. 7. 1862 Sir. 1862. 1. 988; 15. 7. 1885 Sir. 1886. 1. 225 betrafen Steuerrecht, für das natürlich die Auslegung der einzelnen Gesetze maßgibt. Aber auch Cass. 5. 4. 1887 Sir. 1889. 1. 387 hatte eine Gebührenbemessung zum Gegenstand; trotzdem wurde das Prinzip vom Trib. Lyon allgemein begründet und von Cass. ausdrücklich „nicht nur für das Zivilrecht, sondern auch das Fiskalrecht" anerkannt. Weitere Entscheidungen Trib. Seine und Trib. La Clifitre bei Niboyet, Rép. cit. n. 57 ff. s) Ich möchte es auch unberührt lassen, wie in England der Satz, daß die Natur der Immobilien nach der lex situs beurteilt wird, mit dem Satz, daß ein Rechtsgeschäft in erster Reihe nach der lex causae (proper law of the contraci) auszulegen ist, des näheren auseinanderzusetzen ist. Wir sprachen nur von der Anwendung der englischen Sachnorm durch den deutschen Richter. Zeiischr. f. ausl. u. internát. Privaireclit. 5. Jahrg. 18 274 Rabel. Heimaistaates befragt. Es ist durchaus richtig, daß gerade die einseitige Kollisionsnorm der Gesamtverweisung kein Hindernis entgegenstellt. Sehen wir aber von dieser Ungenauigkěit ab und halten wir uns an die Fälle, wo tatsächlich ein bestimmtes fremdes Zivilrecht zum Zuge kommt. Die Formel ist dann auch nach der Richtung problematisch, daß sie nur einmal den Ausdruck eheliches Güterrecht gebraucht. Wollen wir zur Klarheit darüber kommen, was das „Angeknüpfte" im Tatbestand sein soll, so müssen wir uns Rechenschaft darüber ablegen, welcher Teil des ausländischen Rechts bezogen sein soll. War z. B. der Ehemann ein Italiener, so fragt es sich, in welchem Sinne das italienische eheliche Güterrecht angerufen wird. Das könnte denkbarer Weise sein: Í. der Teil des italienischen bürgerlichen Rechts, dem wir den Charakter des ehelichen Güterrechts zusprechen, 2. der Teil des italienischen bürgerlichen Rechts, der in Italien als eheliches Güterrecht angesehen wird, 3. das ganze italienische bürgerliche Recht, 4. das ganze italienische Recht, 5. irgend ein Kreis zwischen diesen Kreisen. 1. Die erste Auffassung bewirkt, daß der Umfang des Gebietes, für das eine rechtliche Ordnung gesucht wird — der angeknüpfte Gegenstand — sich vollständig deckt mit dem Gebiete der Rechtssätze, die das erstere beherrschen sollen. Da die übliche Formel nur einmal vom ehelichen Güterrecht redet, so ist das ihre nächstliegende Interpretation. Wahrscheinlich schwebt sie der bisherigen Literatur vor; im Nebel der lex fori-Theorie läßt sich derartiges schwer überprüfen. Daher ergreift der angebliche Qualifikationskonflikt zugleich den Begriff des anzuwendenden Rechts. Die lex fori beherrscht nicht nur den Tatbestand sondern auch den Tenor der Kollisionsnorm, nicht nur die Voraussetzung sondern auch die Folge. Wir haben nach unserem Begriff zu ermitteln, für welche Lebensverhältnisse das italienische Recht gelten soll und aus dem italienischen Recht nur das und alles das anzuwenden, was wir für eheliches Güterrecht ansehen. Diese Auffassung muß verworfen werden. Sie paßt nicht auf die dem einheimischen Recht fremden Institute. Sie macht die Gesamtverweisung so unverständlich, wie sie wirklich der Theorie vorkommt. Sie ist aber vor allem unverträglich mit einer vernünftigen Auslegung der Kollisionsnorm, und das muß entscheiden. Schon Kahn hat geschrieben: „Von dem Moment an, wo der Richter die privat-internationale Rechtsfrage als solche entschieden hat, befindet er sich für den ganzen Umfang des konkreten Rechtsverhältnisses Das Problem der Qualifikation. 275 auf fremdem Rechtsboden".1) Kahn hat davon Anwendung auf die von ihm sog. „Relativität der Axiombegriffe*' gemacht, ein „der Rückverweisung ähnliches Problem". Hier beschäftigte er sich gerade mit den Fällen, wo der Richter ein Merkmal des Tatbestandes, wie Erfüllungsort, nach deutscher Auffassung beurteilt, durch das darnach gefundene fremde Recht aber dann zu einer anderweitigen Bestimmung des Ortes geführt wird, wo die Leistung erbracht werden muß. Diese Auffassung ist uns seither ganz geläufig geworden.2) Ohne jeden Zweifel sind die Tatbestandsbegriffe der Kollisionsnorm nicht identisch mit den Verweisungsbegriffen. 2. Die zweite Auffassung entspricht der Lehre Martin Wolfis, die er in der neuen Auflage seines Familienrechts, S. 286 an einem von Lewald S. 96 f. glücklich herausgegriffenen Beispiel aus der Rechtsprechung entwickelt.3) Die Verpflichtung des Ehemanns zum Prozeßkostenvorschuß in Ehestreitigkeiten fließt nach dem deutschen BGB. § 1387 aus dem ehelichen Güterrecht,4) in Österreich als Unterhaltspflicht (§§ 91 a, 117, 672 ABGB.) aus den persönlichen Wirkungen der Ehe.5) Österreichische Ehegatten mit dem Wohnsitz in Deutschland hatten die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, der Mann in Wien gegen die Frau auf Nichtigerklärung der Ehe geklagt. Die Frau beantragte in Deutschland gegen den Mann einstweilige Verfügung auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses für den Wiener Prozeß. Dazu sind drei Ansichten aufgetreten. a) Das Untergericht meinte: Die fragliche Pflicht ist mit dem deutschen Recht als güterrechtlich anzusehen, das nach Art. 15 EG. maßgebliche Österreichische Güterrecht (als das Recht der Eheschließung) kennt aber einen Anspruch der Frau auf vorschußweise Gewährung von Prozeßkosten nicht. Wenn, wie behauptet, in Österreich sich ein solcher Anspruch aus den persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten ergibt, so bestimmen sich gemäß Art. 14 EG, *) 1. 190 über die Fortsetzung dieser Stelle weiter unten? s) Wahl, diese Z. 3, 790; Letzgus ebenda 846; Lewald Nr. 283. a) Oberlandesgericht Dresden 16. 3. 1909, Sächsische Annalen 30 (1909) 321. Im gleichen Sinne entschied das Kammergericht, Urt. 1. 10. 1913, mitg. von H, Reichel in Allg. Ost. Gerichtszeitung 1914, 253. *) So wenigstens die höchstrichterliche Praxis, vgl. Komm. RGR. 6 § 1387, 6 a. Über ändere Meinungen v. Staudinger-Engelmann Komm. * § 1387, 3. :') Freilich steht es mit der Anerkennung dieser Ableitung eigentümlich. Das Qberlandesgericht Dresden berief sich auf die österreichische Rechtsprechung, aber die angezogenen Stellen bei Horten, Komm. z. öst. ZPO. (1908) S. 300 Nr. 711 und Hussarek, Grünhuts Z. 20 (1893) 658f. geben noch keine solche Praxis betreffs der Ehefrau. Sie findet sich auch sonst m. W. nicht zitiert. Dagegen zieht jetzt Ehrenzweig IT 2 9 (1924) § 436b. N. 44 die von Hussarek vertretene Schlußfolgerung aufs neue, angeregt durch das Urteil des Kam-mergerichfs, das in der Tat vorzüglich begründet ist. Erst deutsche Anwälte und Gerichte haben also den Gedanken in die Praxis überführt. IS* 276 R a b e 1. diese doch nach deutschem Recht (als derzeitigem Heimat recht). Da ist aber wiederum in den persönlichen Ehewirkungen der Anspruch nicht gerechtfertigt. Das Landgericht weist daher die Klage ab — eine schöne Illustration der Irreführung durch die oben 1 besprochene Ansicht. b) Das Oberlandesgericht Dresden und in dem neueren Fall das Kammergericht haben deutsch qualifiziert, Art. 15 angewendet und den Anspruch aus dem österreichischen Recht abgeleitet, obgleich er dort ein Unterhaltsanspruch ist. Dieser Ansicht pflichtet Lewald bei im Gefolge der Meinung Kahns, daß es genügt, wenn das ausländische Rechtsinstitut bei uns in abstracto vorhanden ist, die gleiche Funktion hat wie ein heimisches. c) Wolff lehrt: „Der deutsche Richter darf die Österreichische Qualifikation nicht einfach ignorieren". „Der Anspruch auf Kosten-Vorschuß darf nicht auf deutsches Recht gestützt werden, da das deutsche Ehewirkungsrecht einen solchen Anspruch nicht kennt, das deutsche Ehegüterrecht (das ihn kennt) aber nicht gilt. Ob er auf österreichisches Recht gestützt werden kann, ergibt eine Auslegung des österreichischen Rechts. Wenn das österreichische Recht jenen Anspruch jeder Ehefrau kraft Eheschließung, also ohne Ansehen des Güterstandes gibt, so erklärt es implicite, daß der Anspruch mit jedem Güterstand verbunden sei; gilt österreichisches Ehegüterrecht, so besteht hienach auch der Vorschußanspruch." Diese Ansicht stützt sich auf eine Grundauffassung, die in so engem Rahmen nicht erwogen und abgelehnt werden darf. Aber die beispielhafte Anwendung weist allerdings einen Punkt auf, an dem ich ihr nicht folgen kann. Wir müßten nämlich das, was das österreichische bürgerliche Gesetzbuch „Wirkung der gültigen Ehe, Rechte und Verbindlichkeiten der Ehegatten: besonders des Ehemannes" nennt (Marginalrubriken zu §§ 89, 91), in eine güterrechtliche Wirkung umdeuten, so wie man in anderen Fällen einen güterrechtlichen Anspruch in ein Erbrecht umwandeln müßte, was beidemale die Struktur völlig verändern würde.1) Aber auch das spezielle Ergebnis ist eigenartig. Das österreichische Güterrecht gilt noch für die deutsch gewordenen Ehegatten (Art. 15), das österreichische Ehe-wirkungsrecht nicht mehr (Art. 14). Der Sinn der Abgrenzung der beiden Kollisionsvorschriften würde verschoben und zwar nicht kraft einer wissenschaftlichen Entfaltung des kollisionsrechtlichen Systems, die ich für durchaus zulässig halte, sondern von Fall zu Fall infolge einer Auslegung der einzelnen fremden Sachnorm. Die Ehefrau ist *) Betreffs der Ansprüche des Erbrechts versteht sich das ohne weiteres. Über die Besonderheiten, die aus der personenrechtlichen Natur der Ehebeziehungen, einschließlich des Unterhaltsanspruchs in Österreich folgen, s. bes. Len-hoff, im Kommentar hsg. von Klang, 1, 560 ff. Das Problem der Qualifikation. 1 277 ja sicherlich nicht berechtigt, als nunmehrige Deutsche anstatt auf Grund des deutschen bürgerlichen Rechts (Art. 14), auf Grund des österreichischen Rechts wirklich Unterhalt zu verlangen; und in einem dritten Staate, der die Vorschußpflicht überhaupt nicht kennt und dem die ehemals österreichischen Ehegatten nunmehr angehören, dürfte nicht durch jene Auslegung des österreichischen Rechts die Ehefrau das Vorschußrecht trotzdem erreichen, im umgekehrten Falle, daß ein deutsches Ehepaar nach der Eheschließung die österreichische Staatsangehörigkeit erwirbt, erlaubt denn auch Wolff der Frau auf Grund des Ehe Wirkungsstatuts (Art. 14), nach Österreichischem Recht Unterhalt einschließlich des Prozeßkostenvorschusses zu verlangen. Richtig ist meines Erachtens die zweite Ansicht. Aber sie erfordert eine Begründung, die es erklärt, wieso unserem Rechtsinstitut ein fremdes anderer Natur substituiert werden kann, 3. Kahn behauptet in Einschränkung seiner oben begrüßten Äußerung: „Falsch ist zwar, daß (der Richter) das ganze fremde Auslandsrecht, richtig aber, daß er das spezielle Stück, auf welches er verwiesen ist, in seiner Totalität anzuwenden hat." Das versteht er nicht im Sinne unserer Formel Nr. 2. Angewendet werden sollen die fremden Rechtsregeln, die das „bestimmte Rechtsverhältnis" ordnen. Sinn und Bedeutung einer Norm, welche die Handlungsfähigkeit, den Vertrag, das dingliche Rechtsverhältnis „an einem bestimmten Orte lokalisiert, ist naturgemäß: Wir anerkennen die Herrschaft der fremden Rechtsregeln, welche ein so geartetes Rechtsverhältnis zum materiellen Inhalt haben", natürlich nicht nur die, „welche ausdrücklich von solchem Rechtsverhältnis sprechen; es versteht sich, daß der wahre Inhalt der Gesetzesregeln über Pfandrecht z. B. möglicherweise nur unter Heranziehung der verschiedensten Artikel aus dem Erbrecht, Vertragsrecht, Familienrecht usw. zu erkennen ist." In diesem Sinne herrsche das fremde Recht in seiner Totalität, aber auch nur in diesem Sinne. „Die Totalität ist heranzuziehen, soweit sie der Spezialität immanent ist, nicht soweit sie neben und außer ihr besteht"l) In diesen bedeutsamen Worten scheint mir der zutreffende Gedanke in seiner Entwicklung gehemmt. Von dem Ausgangspunkte Kahns, daß ein bestimmtes Rechtsverhältnis, das „nichts anderes ist als das subjektive Korrelat zu bestimmten Rechtsregeln im objektiven Sinne" dem Auslandsrecht überwiesen wird — und nicht vielmehr ein noch rechtlich ungeformter Tatbestand, wie ich meine —, ist die weite Fassung der Verweisung, zu der Kahn gelangt, bemerkenswert l) Abhandlungen I, S. 23. 278 Rabe], und erfreulich. Aber er kommt zu einer Beschränkung der Totalität, in der die fremde Rechtsordnung angerufen wird. Bedenkt man nun, daß die Sachnormen einer Rechtsordnimg allesamt mehr oder weniger enge zusammenhängen, ia daß das Ideal der einheitlichen Rechtsordnung dagegen wirkt, selbständige Stücke von Rechtsregeln auszubilden, so erscheint von dem Augenblick an, wo die Rechtsfrage gestellt wird, jede Beschränkung auf Teile der berufenen Rechtsordnung, jede Unterscheidung von partiellem und totalem Bestand in ihr prinzipwidrig und zweckwidrig. Wir müssen solche künstlichen Schranken beseitigen. Nur so erhalten wir eine sichere Grundlage. Ein einfaches Beispiel: Der französische Vater hat Nießbrauch am Vermögen des ehelichen Kindes bis zu dessen vollendetem 18. Lebensjahr. Diese Regelung findet nach EG. 19 auch auf ein deutsches Grundstück Anwendung. Ist er im deutschen Grundbuch eintragungsfähig oder ist er in eine Nutznießung gemäß BGB. § 1649 umzudeuten,1) die den Vorschriften des 3. Buchs des BGB. entzogen wäre? In dieser Frage liegt kein Grund vor, das familienrechtliche Statut zu beschränken. Die aus Art. 19 Satz 1 entnommene Kollisionsnorm verweist aber einfach auch auf die französischen Bestimmungen, die im Sinn des BGB. sachenrechtlichen Inhalt haben, insofern sie ein der Eintragung fähiges und bedürftiges Recht ergeben. Im Ergebnis würde sich nur eine einfachere Fassung für die schon von Kahn gewonnene Lösung ergeben, wenn nicht der Zweifel bliebe, ob denn nicht an Stelle des gesamten Zivilrechts vielmehr das ganze fremde Recht angerufen wird. 4. Kahn hält es für „klar", daß wir auf einen Zivilfall nicht öffentlich-rechtliche oder prozeßrechtliche Normen des fremden Rechtes anzuwenden haben. Ist dies wirklich so selbstverständlich, wenn doch schon die Fassung der Rechtsfrage dafür sorgt, daß nur das, was der kollisionsrechtliche Gesetzgeber für zivilrechtlich hält, zur Prüfung kommt? Es geht ein alter Streit um die Behandlung der englischen und amerikanischen Verjährung, die remedy, Prozeßmittel ist. Die deutsche Rechtsprechung hat geschwankt, wie der Konflikt der systematischen Einreihungen zu lösen ist: Anwendung der deutschen Verjährungsvorschriften oder Unverjährbarkeit oder Anwendung der ausländischen Prozeßbestimmungen als nach unserer Auffassung materieller Bestimmungen? 2) Die letzte Meinung wird vorwiegend gebilligt und ist die einzige zweckentsprechende.5) Aber sie kann nur So anscheinend Outzwiiller 1599, indem er ein ..Qualifikationsproblem" annimmt; im Ergebnis ebenso schon Frankenstein 2, 83f. — Dagegen richtig Lewaldn. 188 S. 136 mit S. U9; vgl. R a a p e S. 462, 476. 2) Zitate bei Frankenstein I, 276 f., Lewald Nr. 97 f. ') Frankenstein I, 277 freilich erschließt von seiner Lehre aus mit Das Problem der Qualifikation. 279 begründet werden, wenn unsere Kollisionsnorm auf das englische Prozeßrecht verweist. Lewald bemerkt die Analogie mit der oben (2) berührten Entscheidung über den Prozeßkostenvorschuß. In beiden Fällen ist eben der gesamte Rechtskomplex des für zuständig erklärten Staates und nicht ein Ausschnitt maßgebend. Wiederum aber dürfte es offensichtlich sein, daß die Funktion der limitation of action nur insofern der Bedeutung unserer Anspruchsverjährung entspricht, als sie aus dem Zeitablauf dem Schuldner einen gerichtlichen Schutz gibt. Im übrigen sind Struktur und Zweck vielfach verschieden. Aus dem Umkreis der englischen Prozeßeinrichtung wird also nur die einer bestimmten Frage zugewendete Seite beachtet; es findet eine Auswahl statt, zwar nicht aus den berufenen Rechtssätzen, die eine Einheit bilden, aber aus den von ihnen entschiedenen Fragen. Die Aufgabe, diese Auswahl anzuordnen, gebührt dem Tatbestand unserer Kollisionsnorm, der einerseits nicht auf die Verjährungseinrede des BOB. allein zugeschnitten werden darf und nicht einmal auf irgend eine Endigung oder Entkräftung gerade des materiellen Anspruches, und andererseits nicht auf das ganze Recht der limitation, sondern auf die Frage, die sich gleicherweise aus dem deutschen Zivilrecht wie aus dem englischen Prozeßrecht herausschälen läßt, ob und unter welchen Voraussetzungen der Zeitablauf dem Anspruchsberechtigten entgegensteht. Technisch sind solche übernationale Verallgemeinerungen in den Staatsverträgen bisher meist durch Häufung von technischen Ausdrücken zu erzielen versucht worden, wie im Ver-sailler Vertrag Art. 300 a: „tous delais quelconques de prescription, Peremption ou forclusion de procedura — all periods of prescription or limitation of right of action."1) Funktionsgleichheit oder Verwandtschaft sind treffliche Kriterien für Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung, dadurch mittelbar auch für den Aufbau des Tatbestandes der Kollisionsnormen. Sie taugen aber nicht zur Beschränkung der Verweisung. Auf die fremde Rechtssekundärer Verweisung die Anwendung des deutschen Verjiihrungsreclits. Das gleiche Ergebnis eschließen aus Rückverweisung Staub-StrSnz Wechsel 0. Art. 77, 12 und bes. Wunderlich, Festschrift für Heinitz (1926) 500 (mit wichtigem Material). *) Dazu Rabel, Rechtsvergleichung vor den Gemischten Schiedsgerichts-iiofen (1923) 57. Ebenda S. 8 f. 38 über den Begriff des nach außen hervor-tretenden VermögensverfalJs, dessen Vorhandensein nach dem Recht des Wohnsitzes des Schuldners zu beurteilen ist, und der in Vers.Vertr. Art 296 lit. b und Anhang zu Art. 296, § 4 Abs. 2 mit den „termes" zu erfassen gesucht wird: „en faillite, en clecontiture ou en etat d'insolvabilite declaree" — „state of bankruptey or iailure or had given formal indteation of insolvency". — Im Genfer Abkommen über internationales Wechselrecht von 1930 Art, 5 gibt es zu Zweifeln Anlaß, daß die „delais de l'exercise de I'actfon en recours" außer den Präklusivfristen, auch die Verjährungsfristen einschließlich der als remedy konstruierten umfassen sollten. Darüber Rais er, Die Wirkungen der Wechselerklärungen im internationalen Privafrecht, Beiträge z. aus), u. int. PR„ Heft 4 (1931) 67 ff. 280 R a b e l. Ordnung wird schlechtweg in ihrer „Totalität" ohne Adjektiv verwiesen, damit sie die gehörig umgrenzte Rechtsfrage löse. Dasselbe gilt von der ebenso als fraglich bekannten Umdeutung der Beweisvorschriften des Code civil fr. 1341 und der vielen ihnen nachgebildeten Gesetze in eine materiellrechtiiche Bestimmung. Es liegt natürlich sehr nahe, den Ausschluß des Zeugenbeweises für Verträge über eine gewisse Wertgrenze als Prozeßvorschrift aufzufassen, die bei uns nicht zu handhaben ist. v. Bar*) wollte ihn dennoch als Formvorschrift auffassen, insofern als der Sinn der Vorschrift ein unvollständig gültiges Rechtsgeschäft ergibt, das einem nicht klagbaren Geschäfte gleichsteht, insofern nämlich, als eine Rückforderung nicht stattfindet, falls der vernachlässigten Form ungeachtet von beiden Seiten erfüllt ist. Das Ergebnis wäre heute, daß gemäß Art. 11 EG. die lex loci actus und die lex causae zum Zuge kommen, nicht aber die lex fori, und dies Ergebnis ist sehr wünschenswert/) Neuerdings hat das Kammergericht5) so entschieden, indem es im Sinne v, Bars der Vorschrift, obwohl sie Prozeßvorschrift sei, materiellrechtiiche Bedeutung gab, weil dadurch die Beobachtung der vom Gesetz gewünschten schriftlichen Form gesichert wird. Es ist Frankenstein4) zuzugeben, daß in dieser Auffassung Widersprüche enthalten sind, aber sie liegen nicht darin, daß der Ausschluß der Zeugenaussage nach zahlreichen Bestimmungen der romanischen Rechte kein absoluter ist — denn z. B. eine briefliche Erwähnung des Rechtsgeschäfts genügt dann eben der „Form"-Vorschrift — und daß das Rechtsgeschäft durchsetzbar ist, wenn die Gegenseite seinen Abschluß zugesteht — wobei doch das Geständnis außer seiner prozessualen eine materielle Bedeutung haben könnte. Es sind die mannigfaltigsten Abweichungen in der Ausgestaltung des Rechtszwangs denkbar. Eine apriorische Notwendigkeit, unseren Kollisionssatz nur auf die stärkeren Ausschaltungen der Durchsetz-barkeit von Rechtsgeschäften einzustellen, besteht aber nicht. Die theoretische Begründung würde der von Frankenstein bekämpften Ansicht also so zu geben sein, daß die „Form" im'KolIisionsrechtssatz weiter gefaßt wird als im bürgerlichen Recht, sodaß ihr Tatbestand alle formellen Voraussetzungen der Geschäftserrichtung erfaßt, die den *) v. B a rs Theorie und Praxis 2, 377; dazu neigt auch Z i t e l m a n n 2. 253. 3) Vergl. zuletzt Rabinowitsch, Jur. Woch. 1929, 448, der auch mit Recht auf die französische Lehre und Rechtsprechung verweist. Das gegenteilige Urteil des öst. OQH. 15. I. 1911 Slg, Glaser-Unger N.F, 14, § 337 bezeichnet Niboyet Man. 4 n. 557 geradezu als Mißverständnis des Art. 1341 C.c. — Ebenso K. Th. Kipp, Rvgl. Studien z. L. v. d. Schlüsselgewalt (1923) 24 N. IL Scharf dagegen aber Frankensteiii (unten N. 4). s) Kammergericht vom 25. 10. 1927, Jur. Woch. 1929, 448; IPRspr. 1929 Nr. 7. *) IPR. 1, 364—370; Jur. Woch. 1929, 3506 f. Das Problem der Qualifikation. 281 vollkommenen Rechtszwang bedingen. Dann würden eben alle fremden Rechtssätze eingreifen, die diese Voraussetzungen regeln, mögen sie sich in der bezogenen Rechtsordnung als Formvorschriften oder wie im Code civil als „materielle Beweisvorschriften" oder als Prozeßvorschriften geben und mögen wir von dieser Rubrizierung wissenschaftlich halten, was wir wollen.1) Unser Gegenstand erheischt nicht, daß ich zu der Entscheidung der Frage selbst Stellung nehme. Sie bedarf umfänglicher Erwägung. Ersichtlich aber ist die Klärung der Fragestellung. Auf solchem Wege ersparen wir gleichzeitig die theoretisch geringeren, im praktischen Vorkommen noch viel empfindlicheren Schwierigkeiten, die entstehen, wenn die fremde Rechtsordnung das Privatrecht gegenüber dem Verwaltungsrecht, Prozeßrecht, Strafrecht usw. nicht ebenso oder nicht so scharf durchführt wie unsere Theorie. Auch die deutsche Gesetzgebung mischt neuerdings genug, um dem ausländischen Richter, der sie auf ihre privatrechtlichen Bestandteile hin analysieren müßte, gehöriges Kopfzerbrechen zu verursachen. Auf diesem Boden läßt sich endlich auch die Gesamtverweisung aufbauen. Die Rechtsordnung, auf die die Kollisionsnonn verweist, kann sehr wohl samt ihrer Kollisionsordnung berufen sein. Zugleich erlaubt die Begründung der Gesamtverweisung auf die eigene Kolli-sionsnorm, dank deren Auslegung oder Ausgestaltung, jede wünschenswerte Begrenzung der von der fremden Konfliktsregel gegebenen Rück- oder Weiterleitung.2) Qtialifikations- und Renvoi- ') Zum Dogma, daß fremdes Prozeßrecht nicht prozessual angewendet werden kann, will ich hiermit keineswegs Stellung nehmen. Meine Ansicht, daß in der bisherigen Weise zwischen anwendbarem Privatrecht und nicht anwendbarem Prozeßrecht nicht unterschieden werden darf, habe ich kürzlich an anderem Orte angedeutet. 3} Z. B, mußte es durch zweckmäßige und, dem gesetzgeberischen Zweck gemäß, freiere Behandlung des Oesamtverweisungssatzes gelingen, das berühmte Spiegelkabinett endgültig verschwinden zu lassen. Sehen wir einmal von den Denkfiguren des doubie und triple renvoi samt ihrem Zubeljör unheimlichen Scharfsinns ab — was tut im Ergebnis die neuerdings so viel erörterte englische Praxis bei ihrem Absteilen auf die Zulassung oder Verwerfung der Rückverwei-sung in dem Staate, wo das Nationalitätsprinzip herrscht und ein Engländer Domizil hat? Sie stellt das englische Domizilprinzip zurück, falls der Domizilstaat die Rückverweisung ablehnt und daher das Heimatprinzip vorzieht, und wendet es an, wenn der Domizilstaat die Rückverweisung annimmt, d. h. dem Domizilprinzip weicht. Dies läuft auf einen gewissen Vorrang des Heimatsprinzips vor dem Wohnsitzprinzip hinaus, indem der beteiligte Staat mit Heimatprinzip entscheiden darf, welches Prinzip er anwenden will. Oer Domizilstaat mit Heimatsprinzip braucht nur diese Auffassung anzunehmen und keine Spielerei mit dem triple renvoi, um konform zu entscheiden, und er könnte sie nicht bloß gegenüber England, sondern gegenüber allen Staaten, die dem Domizilprinzäp huldigen, seinerseits durchführen. — Eine höchst beachtenswerte internationale Regelung hatte übrigens der Entwurf zum Codigo Busta-mante vorgesehen, die leider gefallen ist. Sie lief ebenfalls auf einen gedank- 282 RabeL Problem werden seit Bartin mit gutem Grund zusammengestellt. Der Geist, in dem sie beide behandelt werden, sollte sich gleichen; je mehr die landesrechtlichen Gesamtordnungen sich unterscheiden, desto nötiger ist die Herstellung eines möglichst gemeinsamen Modus vivendi. VI. Schluß. — Bemerkungen zur Fortbildung des Kollisionsrechts. Die vorstehende Darlegung wollte dem Kollisionsrecht gegenüber der herrschenden Meinung, die es an die Begriffe und die Systematik des eigenen Landesrechts bindet, eine freiere Stellung wahren, entsprechend dem besonderen Zwecke, den es verfolgt, Rechtsfragen nicht selbst zu erledigen, sondern einer bestimmten Rechtsordnung, der eigenen oder fremden, zur Lösung zuzuweisen. Die Rechtsfrage kann diesem Zwecke gemäß nicht nur aus dem eig-enen Landesrecht erschlossen werden, die rechtliche Natur der Tatbestandsmerkmale kann nicht grundsätzlich aus der Ideenwelt der lex fori ermittelt werden. Ein Rechtskomplex, der es mit allen Rechten der Erde zu tun hat, muß sie alle in den Kreis seiner Vorsorge einbeziehen. Auf der anderen Seite brachte der Gegenstand unserer Erörterung es wenig zur Sprache, daß das internationale Privatrecht wie alles übrige Kollisionsrecht — internationales Prozeß-, Straf-, Verwaltungsrecht etc. — ein Bestandteil der gesamten Rechtsordnung des Staates ist und derselben Methoden bedürftig, die sich in anderen Rechtszweigen ausgebildet haben, ein Punkt, der vielleicht ebenfalls dringend der Erörterung bedarf. Nur in einer Beziehung war diese Seite der Stellung des Kollisionsrechts hervorzuheben, nämlich insofern als auch der Kollisionsrechtssatz einen Tatbestand und eine Rechtsfolge hat, jedes Stück seines Aufbaus auszulegen ist und die Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen vor sich gehen muß, die die Rechtswissenschaft in langer Überlieferung und zumal die letzte deutsche Zivilistik in besonderer Pflege herausgearbeitet haben. Mit einer Zusammenfassung der einzelnen hie,r entwickelten Behauptungen möchte ich den Leser nicht langweilen, ich hoffe vielmehr, daß sie wenigstens zum großen Teile anderen als ebenso selbstverständlich erscheinen werden wie mir selbst. Was sich aber für die Fortbildung des internationalen Privatrechts durch Wissenschaft, Gerichtsanwendung und neue Gesetzgebung zu ergeben scheint, ist etwa das folgende. Heben — nicht praktischen — Vorzug des Heimatprinzips hinaus, insofern jeder Amerikaner nach dem Koüisionsprinzip des Staates zu beurteilen wäre, dessen Staatsangehöriger er ist (vgl. de Bustamante y Sirven, La nacionalidad y el domicilio, fiabana 1927). Dies bedeutet eine höhere Ordnung von An-wendungsvorschriften oberhalb der staatlichen — ein äußerst fruchtbarer und mangels Vereinheitlichung der Kollisionssätze nachahmenswerter Gedanke. Das Problem der Qualifikation. 283 1. Für das System des internationalen Privatrechts ergibt sich die Notwendigkeit, eigene Begriffe zu bilden. Das ist keine unerhörte Forderung, Sind doch dauernd neue Sätze des internationalen Privatrechts in Entstehung begriffen, die sich internationaler Verwendung anbieten. Und obgleich die heutigen geschriebenen Kollisionsrechte in den Ketten der bürgerlichen Gesetzbücher liegen, sind sogar in ihnen und ehe noch die Auslegung nach dem eigenen Bedarf des internationalen Privatrechts recht begonnen hat, gar nicht selten Abweichungen von den Sachnormbegriffen ersichtlich. Es genügt, außer den im Laufe dieser Bemerkungen gegebenen Beispielen noch an zwei bekannte zu erinnern. Zwar ist es bestritten, ob die Schlüsselgewalt, die in § 1357 BGB, zu den allgemeinen Ehewirkungen gerechnet wird, wegen ihrer Erwähnung in Art. 16 Abs. 2 EG. international-privatrechtlich zum Gütenecht zu rechnen ist.1) Aber von der praesumptio Muctana dürfte das Gleiche doch jedenfalls zu bejahen sein/O Das Aufgebot gehört nach BGB. § 1316 zu den Voraussetzungen und nicht zu der Form der Eheschließung. Dennoch gilt im internationalen Privatrecht; „Die Aufgebots regeln gehören ohne Frage zu den Förmlichkeiten der Eheschließung." Und wo die Landesgesetzgebung wie C. civ. 170 oder die Haager Eheschließungskonventioii Art. 5 Abs. 3 die Befolgung der heimatlichen Vorschriften auch bei Eheschließungen der Staatsangehörigen im Auslande fordert, „statutiert sie damit lediglich eine besondere Kollisionsnorm für die Förmlichkeit des Aufgebots, ändert aber nicht deren Charakter als Form".s) Die Emanzipierung des Kollisionsrechtes ist eine schwierige und außerordentlich umfassende, aber höchst lohnende Aufgabe. Vielleicht würde ihre Inangriffnahme auch bei der Lösung der Unstimmigkeiten helfen, die beim Zusammentreffen mehrerer durch die verschiedenen Kollisionsnormen gleichzeitig berufenen Rechtsordnungen entstehen.4) \) Dafür u. a. Kahn, Abhandlungen 1, 416 Note 29; Neubecker, Jahrbuch für internationalen Rechtsverkehr Í9I2/I3, 101. Dagegen Lewa! d S. 93, Gut*; Wille r 3. 1637, R a a p e S. 281. s) Qu t z w j 11 e r 1. c. s) Kahn, Abhandlungen 2, 144 ff. 4) ich durfte Martin Wolfis und Hans Lew aids Ansichten über folgenden alten Fall kennen lernen. X heiratet als Angehöriger des Staates A, dessen Erbrecht der Ehefrau ein Viertel des Nachlasses des Mannes gewährt. Die Ehegatten werden Angehörige des Staates B, in dem das gesetzliche Güterrecht der Ehefrau einen beim Tode des Mannes aktuell werdenden Anteil von ein Halb des Marinesvermögens zuspricht. X stirbt. Nach Art, 15 EG. würde die Ehefrau gemäß dem Rechte A nichts erhalten und nach Art 25 EG. würde sie gemäß dem Rechte B ebenfalls nichts bekom-mea So entscheidet in der Tat Zitelmann 2, 951. Lewald und Wo! f f gelangen von verschiedener Grundanschauung aus zu dem Ergebnis, daß das Erbrecht des Staates B darauf zu untersuchen ist, ob es der Witwe überhaupt 284 R a b e L 2, Die bisherige Verflechtung von Privatrecht und Kollisionsrecht hat die Anschauung erzeugt, daß die Wahl der einen oder anderen territorialen Anknüpfung sich nach den Zweckgedanken zu richten hat, welche das heimische Privatrecht bei der Ausgestaltung seiner Institutionen befolgt hat-1) Je nach den rechtstheoretischen Auffassungen der Schriftsteller wandelt sich diese Grundlegung des internationalen Privatrechts ab. So meint K a h n,2) daß der Kolli*-sionsgesetzgeber seine Regel entsprechend dem Grundgedanken des einheimischen Instituts (das er ja angeblich zum Tatbestand nimmt) aussuche. Z. B., wenn bei uns die väterliche Gewalt mehr Pflicht als Recht ist, sollten wir das Land entscheiden lassen, dem das Kind angehört, und sonst das Land, dem der Vater angehört. Ebenso sei das Erbrechtsstatut danach zu bilden, ob der eigene Staat die Uni-versalsukzssion anerkenne oder nicht.3) Französische Schriftsteller wenden die einst überstaatlich gedachte Souveränitätstheorie dahin, daß das Interesse des Staates an dem Schutz der Persönlichkeit, der Familie, der Verkehrssicherheit usw. entscheidet, was er unter Erbrecht oder unter Geschäftsfähigkeit begreift und welcher Rechtsordnung er die Regelung überläßt.4) Neuere setzen an die entscheidende Stelle den sozialen Zweck;5) wieder vom Standpunkt der eigenen, inneren Regelung gesehen, wäre die Gesetzgebung zu berufen, die diesen Zweck am wirksamsten im Sinne des Staates des Kollisionsgesetzes durchzusetzen vermag. Burckhardt gestaltet ein eigenes sachliches Hindernis für ein überstaatliches Kollisionsnichts gönnt oder sie nur darum unberücksichtigt läßt, weil sie güterrechtlich schon versorgt ist. Es wäre also nach Lewald eine Lücke des berufenen materiellen Erbrechts auszufüllen oder nach W o l f f dieses Erbrecht daraufhin auszulegen, ob das Güterrecht ein Erbrecht in sich enthält. Die Lehre Bartins, oben S. 253, würde alle Schwierigkeiten beseitigen, aber sie ist unhaltbar,* an der sukzessiven Anwendung der beiden Statuten ist sicherlich festzuhalten. Wäre es unmöglich, unsere bisher rein erbrechtliche Kollisionsnorm so einzurichten, daß sie die Ansprüche mit umfaßt, die dem überlebenden Ehegatten infolge gesetzlichen Güterrechts erst beim Tode des Erstverstorbenen erwachsen? Sie haben eine schlechte Stellung im internationalen Güterrecht. Freilich haben die Güterrechtssätze nicht häufig so einfache Gestalt wie in diesem Beispiel, und die gedachte KoHisionsnorin müßte sorgfältig mit dem Güterrechtsstatut auseinandergesetzt werden. Einen verdienstlichen neuen Versuch zur rechtsvergleichenden Abgrenzung zwischen Erbrecht und Güterrecht lieferte Kaden, Rechtsvergleichendes Handwörterbuch 2, 705f. 753—S, der Gegenstand ist aber sehr schwierig. Zur Natur des dänischen „Sitzens im ungeteilten Gut" wird das Institut demnächst in dieser Zeitschrift berichten. ') Von nationalen Rechtsgründen der Kollisionsnorjnen sprechen viele, zuletzt Gutzwiller 1583, in Bekämpfung der Ruckverweisung. T) Abhandlungen I, 113 u. ö. 3) Etwas anderes ist es, daß die anglo-amerikanischen erbrechtlichen Konfliktsregeln auf Grund eines landesrechtlichen Prinzips der Universalsukzession nicht entstanden wären. *) Vgl d. Beispiele bei N i b oy et p. 500f. *) Vgl. zuletzt De Vos, fnst. Beige, 15 (1929) 1 ff. mit Forts. 15, 97; 16, 133, Das Problem der Qualifikation. i 285 recht aus der Verschiedenheit der Organisation der Familie, der Rechte an Sachen, des Rangs der Rechtssätze, ihrer Wichtigkeit für den Staat. Inwieweit es ohne Übertreibung festgestellt werden kann, daß die Ratio der einzelnen landesrechtlichen Institute — nicht ihre Struktur — auf die Bildung der Kollisionsregeln tatsächlich eingewirkt hat, darf hier auf sich beruhen. Soll man aber eine solche Ableitung auch dann geradezu wünschen, wenn die Privatrechte in der Wertung der Zwecke abweichen und der Ordre public keine berechtigte Rolle spielt? Soll man darauf vollends die Theorie des internationalen Privatrechts gründen? Das Gegenteil ist im Grundsatz zu fordern, denn die Konfliktsätze nach einseitigen nationalen Anschauungen rationalisieren, heißt sie überflüssig und schädlich nationalisieren. Ein Beispiel statt zahlloser. Kann man und soll man die Ansprüche des unehelichen Kindes gegen den Erzeuger oder Beischläfer je nachdem wie das eigene interne Recht ihre rechtliche Natur auffaßt, dieser oder jener Anknüpfung unterwerfen? Man kann es nicht, weil sich keine tragfähige Folgerung ergibt; man darf es nicht, weil sich so die außerordentlich verschieden konstruierten Regelungen der unehelichen Kindschaft nicht beherrschen lassen. In der ersteren Richtung ist es bezeichnend, zu welcher Vielheit der Lösungen in der französischen und teilweise auch der deutschen Lehre der Versuch geführt hat, aus der Interessenlage, die das materielle Recht zwischen Vater und Kind herstellt, eine Kollisionsregel zu folgern. Vollends ist eine breit durchführbare Norm durch einseitig orientierte Wahl der Verweisung nicht zu gewinnen. So ist es zwar nicht der Zweckgedanke des Privatrechts, sondern ein formaler Gesichtspunkt, der auch kollisionsrechtlich brauchbar sein könnte, den der französische Kassationshof benutzt, wenn er die Kindschaft zum Status des Kindes rechnet und daraus die Maßgeblichkeit des Nationalrechts des Kindes erschließt.1) Aber selbst dieser weittragende Gesichtspunkt ist noch zu enge; er paßt* z. B. gewiß nicht auf die norwegische Haftung des Beischläfers ohne Feststellung der Vaterschaft. Das deutsche Gesetz, EG. 21, geht hinwieder von dem beschränkten Tatbestand aus, den das BGB. durch seine „Vaterschaftsklage" schafft, indem es nur von Uuterhaltsansprüchen des Kindes spricht; die Anknüpfung, die es vorschreibt — an das Recht des Staates, dem die Mutter zur Zeit der Geburt angehört, ist zwar abermals eher ohne Bezugnahme auf einen dem BGB. besonderen Gedanken gewählt, aber unbrauchbar für alle über die Unterhaltsansprüche hinausreichenden personenrechtlichen Wirkungen der un~ *) Vgl. zuletzt B a 11 i f o 1, Rep. Dr. Int. 8, p. 407. 286 Rabel. ehelichen Kindschaft, wie sie so viele fremde Regelungen aufstellen.1) Und selbst hinsichtlich der Unterhaltsansprüche erleben wir bei Anwendung des Rechts der Mutter, aber auch bei Anwendung des Rechtes des Vaters, wie es z. B. in Spanien als allgemeines Prinzip gelehrt wird, die Grenzen der Durchführbarkeit sehr rasch, sobald wir danach auf das englische Recht stoßen. Dieses kennt Ansprüche im Interessea) des unehelichen Kindes nur zur Entlastung der Armenfürsorge und daher unter der Voraussetzung, daß alle drei Beteiligten, Erzeuger, Mutter und Kind, sich in England aufhalten. Hier aber ist dem Kind eine Engländerin wirklich einmal nur durch die lex fori zu helfen, nämlich entweder auf Grund der Vorbehaltsklausel des Art. 30, oder meines Erachtens theoretisch weitaus besser, kraft der Erwägung, daß der englische Rechtssatz internationaler Anwendung nicht fähig ist und mangels eines anderen zuständigen Gesetzes die lex fori eintritt. Nur dies Negative gehört notwendig hierher und noch die allgemeine Antwort auf die Frage, welcher Weg in Zukunft zur Lösung führen sollte. Die Auswahl unter den vielen denkbaren Anknüpfungen muß vor allem durch einen Leitgedanken bestimmt werden, der nicht bloß einer oder der anderen Gruppe von Landesrechten entstammt, sondern sie möglichst alle erfaßt. Es darf auch nicht der Gedanke sein, dem Kind ein bestimmtes Mindestmaß des Schutzes zu verschaffen oder ein Höchstmaß zu setzen; dafür mag allenfalls eine bestimmte Norm des Ordre public sorgen. Die Kollisionsnorm hat an sich nichts mit der Ratio des einen oder anderen Rechtsinstituts zu tun, sondern nur die Materie angemessen zu erfassen. Die speziellen Schlußfolgerungen hieraus sind natürlich minder sicher. Sehe ich recht, so kommen die jüngsten deutschen Lehren dem Bedürfnis am nächsten. In den vorhandenen Gesetzgebungen sondern sich in der Tat zweierlei verschiedene Institutionen ab, solche, die das uneheliche Kind in der einen oder andern Beziehung dem ehelichen annähern, und solche, d*ie ihm einen anderweitigen Schutz in irgend einem Maß gewähren. Es läßt sich rechtfertigen, die ersteren nach dem Statut zu behandeln, das für die Ehelichkeit gilt, also nach dem Rechte des Vaters, aber dann auch einschließlich der Unterhaltsansprüche. Bleibt dagegen das uneheliche Kind soweit außerhalb der Familie des Erzeugers, daß jene Analogie nicht wirken kann, so erübrigt als Tatbestand der Kollisionsregel die Frage, o b und in welchem Umfang das Kind Schutz erhält. Die so ') Dazu jetzt Lewald n. 203; Raape 529ff. s) Wer der Anspruchsberechtigte ist, die Mutter oder das Kind, ist zweifelhaft, vgl. diese Z. 2, 259 und über Schottland oben 209. Das Problem der Qualifikation. 287 gestellte Frage dürfte am ebenmäßigsten dem Recht des Kindes zu überlassen sein und gewiß nicht dem des Vaters. Der Zweck des Privatrechts ist nicht auch der Zweck des Kollisionsrechts,1) des letzteren größte Tugend ist seine Durchführbarkeit. Ob die Miete dingliche oder nur persönliche Wirkungen erzeugt, mag jeder Gesetzgeber nach seinem willkürlichen Ermessen beurteilen. Aber es ist sinnlos, aus denselben Erwägungen auch das anwendbare Recht zu bestimmen. Vielmehr taugt die Anerkennung des Rechts der Belegenheit auch dazu, den Staat, in dem ein Grundstück liegt, entscheiden zu lassen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein dingliches Mietrecht an dem Grundstück entsteht, 3, Die Auslegung der Kollisionsnormen muß sich, soweit sie durch den Gedankenkreis des einheimischen Rechtssystems nicht gebunden, die fremden Rechtserscheinungen frei erfassen kann, der Rechts-vergleichung bedienen. Einwände aus dem noch mangelhaft entwickelten Zustand der vergleichenden Rechtswissenschaft liegen nahe. Auch kann die Hoffnung auf allgemein gültige Ergebnisse durch den Hinweis auf die eigene naüonalrechtliehe Bedingtheit der vergleichenden Rechtsbetrachtung herabgestimmt werden. Aber es handelt sich um den Weg und das Ziel. Je besser beide erkannt werden und je mehr die Wissenschaft in ihrem schon jetzt wahrhaft internationalen Betriebe und in ihrer noch besserungsbedürftigen internationalen Aufgabestellung sich entfaltet, desto beruhigter werden alle Einwände abzutun sein. Der Schnitt zwischen der lex fori und dem KoJIisionsrecht ist unabweislich. Jede neue Untersuchung der letzten Jahre bringt dafür Belege, mag ihr Verfasser es wahr haben oder nicht. 4. Noch sind, abgesehen von den wenigen großen Prinzipverschiedenheiten, die meisten Sätze der heutigen internationalen Privatrechte jung und weich genug, daß die Wirkung solcher Bemühung ohne weiteres auf Internationalisierung hingeht. Gewiß ein mühevoller Weg, voll von Hemmungen, da immer wieder vom einzelnen vorhandenen nationalen Kollisionsrecht ausgegangen werden muß und allerorten Verschiedenheiten bleiben und neu entstehen. Zu Unrecht aber würde man glauben, gemeinsame Rechtsbegriffe könne nur die zwischenstaatliche Vereinbarung schaffen. Wer weiß! Erlösen wir die Kollisionsrechte aus den Fesseln der lex fori, so werden sie sich dank der Rechtsvergleichung einander anpassen. Sie *) Uber die wirklichen oder berechtigten Motive der Zuständigkeitsverteilung durch das internationale Privatrecht war hier nicht zu sprechen. Eine anregende Bemerkung macht Silz, Definition de la forme des actes, These Paris 1929, S, 33, 398: hier werde das mreresse des Verkehrs gegenüber dem Schutz der Vertragschließenden starker gewahrt als im inneren Recht. 288 Rabe], werden es sogar sicherer und rascher tun und jedenfalls auf breiterer Linie als die Staatsverträge wirken können, deren Mühsal in den letzten Jahren den willigsten Anstrengungen allzu häufig spottete, Auch die Staatsverträge bedürfen gründlicher wissenschaftlicher Vorbereitung von einem Standpunkte oberhalb der überlieferten juristischen Denkverschiedenheiten, Solange und soweit sie nicht erzielbar sind, sollte die Wissenschaft es endlich damit genug sein lassen, die Disharmonie der Gesetze mit einer grimmen Entsagung zu unterstreichen; sie sollte vielmehr die einzelnen Kollisionsrechte immer stärker mit dem Geiste erfüllen, der die Rechtsvergleichung zur Mittlerin zwischen den Rechtssystemen der Völker macht.