Mit Distanzsinn Isabelle Huppert überzeugt als „Klavierspielerin' GtisUna Nord' Der Blick der Erika Koliut ist ein Starren, so ungerührt, dass man sofort versteht, warum im Auge der Distanzsinn wohnt. Manchmal geht dieser Blick durch die Menschen hindurch, manchmal bieten sie ihm mehr Widerstand, dann will er sie durchbohren. Kaltem Begehren gibt er Ausdruck, einer Lust, der alles Körperliche fehlt. „In ihr rührt und regt sich weiter nichts. Doch schauen muss sie trotzdem." Erika Kohut ist die Hauptfigur in Die Klavierspielerin, einem 1983 erschienenen Roman von Elfriede Jelínek, und sie ist die Hauptfigur des gleichnamigen Filmes von Michael Haneke. Zur Konzertpianistin hat sie es nicht gebracht, deshalb unterrichtet sie. autoritär und eifersüchtig aufs Talent ihrer Schüler. Obwohl sie .auf das Ende der Dreißig" zugeht, teilt sie mit der Mutter Wohnung und Schlafzimmer. Dass die Tochter nichts tut, was der Mutter missfällt, darauf achtet diese mit Eifer, Das gilt vor allem für Kontakte zum männlichen Geschlecht. Trotzdem treibt sich die Tochter herum, geht in Peepshows. lässt sich mit einem Schüler ein. Gut kann all dies nicht ausgehen, dafür bürgt Eifritxle Jelínek. Hat sie doch ein Faible für Frauenfiguren, die sich selbst ins Unglück setzen. Sie tun dies aus eigener Dummheit, nicht aber aus eigenen Stücken. Es sind die Verhältnisse, die es nicht anders gestatten. )) Isabelle llupperts Gesicht wirkt oft, als sei die Haut aus Milchglas: eine Flüche, hinter der die Figur unwiderruflich isoliert ist. ii Also schneidet sich Erika Kohut mit einer Raiserkliugo in ihr Geschlecht. eäinlich bedacht, dass kein Tropfen lut in der Badewanne ihr Tun vorrät. Haneke besetzt diese Rolle mit Isabelle Huppert. Das ist sein Glück. Denn die Distanz, die Erika Kohut zwischen sich und die Menschen packt, dieso Distanz ist wie geschaffen für Isabelle Huppert. Deren Gesicht wirkt oft, als sei die Haut aus Milchglas: eine Fläche. hinter der die Figur unwiderruflich isoliert ist. Einmal, als sie der männlichen Hauptfigur eine ihrer Unterwerfungsfantasien eröffnet, nehmen ihre Wan-!;en einen roten Ton an. Die Färbung ässt sich als Zeichen von Erregung lesen, als ein entferntes Gefühl, das wie versiegelt unter der Hautschicht liegt. Haneke opfert in der Verfilmung vieles, was im Roman prominent ist: etwa den Diskurs über Geschlechterrollen. Der rauscht durch den Text, damit niemand auf den Gedanken kommt. Leid und Bosheit der Erika Kohut seien Privatsache. Doch diese Verfehlungen gehören zwangsläufig zu einer Literaturverfilmung, sobald es sich bei der Vorlage um einen Text von solcher Qualität handeil. Hanekes Film wiegt es auf. Es gelingt ihm, die neurotischen Kurzschlüsse und Fehlschaltungen zwischen Schauen, Fühlen, Berühren und Berührtwerden sowohl als Sujet zu behandeln, als auch sie in der Interaktion zwischen Leinwand und Zuschauerauge zu evozie-ren. Zu diesem Zweck erzählt er manchmal psychologischer, als es Jelínek gefallen könnte. Er täuscht die Möglichkeit von Empathie an, nimmt dieso aber anschließend zurück. Manchmal ist das qualvoll. Aber schauen muss man trotzdem. 'Filmnuiakteurin der .tax"