Das Symposium Das Dienstzimmer Das Dienstzimmer der Ärzte (auf einer beliebigen Station eines beliebigen Krankenhauses in einer beliebigen Stadt) brachte fünf Personen zusammen und verflocht ihr Reden und Tun zu einer trivialen, aber um so lustigeren Geschichte. Es sind Dr. Havel und Schwester Lisbeth (beide haben an diesem Tag Nachtdienst) sowie zwei weitere Ärzte (die ein nichtiger Vorwand in dieses Zimmer geführt hat, um mit den beiden Diensthabenden bei ein paar Flaschen Wein zusammensitzen zu können): der kahlköpfige Oberarzt der Station und eine attraktive Dreißigjährige einer anderen Station, eine Ärztin, von der die ganze Klinik weiß, daß sie mit dem Oberarzt schläft. (Der Oberarzt ist natürlich verheiratet, und er hat soeben seinen Lieblingsspruch zum besten gegeben, der nicht nur seinen Scharfsinn, sondern auch seine Absichten unterstreichen soll: »Verehrte Kollegen, das größte Unglück, das einen treffen kann, ist eine glückliche Ehe: man hat nicht die leiseste Hoffnung auf Scheidung.«) Außer den vier Erwähnten gibt es noch einen fünften, aber der ist eigentlich nicht da, weil er als Jüngster gerade weggeschickt worden ist, um eine neue Flasche zu holen. Dann gibt es ein Fenster, das wichtig ist, weil es offensteht, und so aus der Dämmerung draußen warme, mondgetränkte Sommerluft ins Zimmer dringt. Und schließlich herrscht eine angeregte Stimmung, die sich im gefälligen Geplauder aller Anwesenden äußert, insbesondere dem des Oberarztes, der mit verliebten Ohren seinen eigenen Sprüchen lauscht. Im Laufe des Abends (und erst da beginnt eigentlich unsere Geschichte) macht sich eine gewisse Spannung bemerkbar: Lisbeth hat mehr getrunken, als es für eine Schwester im Dienst ratsam ist, und darüber hinaus hat sie angefangen, sich Havel gegenüber provozierend kokett zu verhalten, was diesem peinlich ist und ihn zu einer Rüge herausfordert. Havels Rüge »Liebe Lisbeth, ich verstehe Sie nicht. Täglich stochern Sie in eitrigen Wunden herum, stechen Greise in ihre runzeligen Hintern, geben Klistiere, leeren Nachtöpfe. Das Schicksal hat Ihnen die beneidenswerte Gelegenheit gegeben, die Körperlichkeit des Menschen in ihrer ganzen metaphysischen Nichtigkeit zu erfassen. Und doch wird Ihre Vitalität davon nicht beeinträchtigt. Ihre ungebrochene Lust, Körper und nichts als Körper zu sein, läßt sich durch nichts erschüttern. Ihre Brüste sind in der Lage, sich sogar an einem Mann zu reiben, der fünf Meter von Ihnen entfernt steht! Mir ist schon ganz schwindlig von den ewigen Kreisen, die Ihr unermüdliches Hinterteil beim Gehen beschreibt. Zum Teufel, gehen Sie mir aus den Augen! Ihr Busen ist allgegenwärtig wie Gott! Vor zehn Minuten schon hätten Sie die Spritzen verabreichen sollen!« Dr. Havel ist wie der Tod. Er nimmt alles. Als Schwester Lisbeth das Dienstzimmer (sichtlich gekränkt) verlassen hatte, dazu verdammt, in zwei Greisenhintern zu stechen, sagte der Oberarzt: »Ich bitte Sie, Havel, warum verschmähen Sie die arme Lisbeth so hartnäckig?« Dr. Havel nahm einen Schluck und antwortete: »Chef, seien Sie mir nicht böse. Es liegt nicht daran, daß sie nicht hübsch und auch nicht gerade die Jüngste ist. Glauben Sie mir, ich habe schon häßlichere und viel ältere Frauen gehabt.« »Ja, das ist bekannt: Sie sind wie der Tod; Sie nehmen alles. Wenn Sie aber alles nehmen, warum nehmen Sie dann nicht auch Lisbeth?« »Vermutlich«, sagte Havel, »weil sie ihr Verlangen so unmißverständlich zur Schau stellt, daß es einem Befehl gleichkommt. Sie sagen, ich sei Frauen gegenüber wie der Tod. Aber selbst der Tod mag es nicht, wenn man ihm Befehle erteilt.«