Günther Schneider: Wozu ein Sprachenportfolio?
Das Sprachenportfolio hat viele potentielle Benutzer und Adressaten. Das sind zunächst die Lernenden als Eigentümer des Portfolios. Das können eventuell auch Mitlernende sein, wenn beispielsweise in der Gruppe Sprachlernerfahrungen ausgetauscht und verglichen werden. Das sind zu bestimmten Zeiten die Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Schulen, Prüfungsverantwortliche und Prüfungsinstitutionen oder (potentielle) Arbeitgeber.
Verschiedene Benutzergruppen können das Portfolio nutzen, einerseits um sich zu informieren und andrerseits um selbst Informationen in das Portfolio einzugeben. Was das Sprachenportfolio den Benutzergruppen bringt und was sie selbst einbringen, ist im Folgenden kurz zusammengefasst. Eine von der EDK herausgegebene Informationsbroschüre zum Schweizer Sprachenportfolio beschreibt für vier Benutzergruppen ausführlicher, wie sie das Sprachenportfolio nutzen können und was sie beitragen können (Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren 1998c:4-7).
Diese Benutzergruppen sind:
Wie können Lernende das Europäische
Sprachenportfolio nutzen?
Lernende können mit dem Europäischen Sprachenportfolio
Wie können die Unterrichtenden das Europäische Sprachenportfolio nutzen? Was können sie einbringen?
Die Unterrichtenden können
Wie können Schulen, Bildungs- und Prüfungsinstitutionen das Europäische Sprachenportfolio nutzen? Was können sie einbringen?
Schulen, Hochschulen, Prüfungsstellen und andere Institutionen können
sich durch Konsultation des Sprachenpasses in kurzer Zeit ein differenziertes Bild über die Sprachenkenntnisse der Lernenden verschaffen, wenn Lernende neu in eine Schule eintreten (auch als Gast während eines Austausches), einen Sprachkurs oder ein Studium beginnen oder an einer anderen Hochschule weiterführen. Dieses Bild kann weiter differenziert und vertieft werden durch Konsultation der Dokumente in den Teilen Sprachlernbiografie und Dossier.
ihre Abschlüsse, Sprachdiplome und -zertifikate auf der Grundlage der Kompetenzskala des Europarates einstufen; sie sollten dabei angeben, wie sie die Einstufung vorgenommen haben, und die Prüfung genauer beschreiben;
Kurzinformationen über Ziele, Inhalte und Methoden des Unterrichts abgeben, die für die Lernenden, aber auch nach aussen - z.B. für Eltern, Lehrpersonen, Arbeitgeber - klar, informativ und leicht verständlich sind;
Bestätigungen über Sprachlernaktivitäten ausstellen, an denen die Lernenden teilgenommen haben (z. B. Austauschaktivitäten, Sprachaufenthalte);
das Europäische Sprachenportfolio für ihre Lernenden einführen;
in der Weiterbildung auf die Arbeit mit dem Sprachenportfolio vorbereiten.
Wie können Betriebe das Europäische Sprachenportfolio nutzen? Was können sie einbringen?
Betriebe und besonders ihre Personalabteilungen können
sich durch Konsultation des Sprachenpasses in kurzer Zeit ein differenziertes Bild über die Sprachenkenntnisse ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (auch der Praktikantinnen und Praktikanten) oder von Stellenbewerberinnen und -bewerbern verschaffen. Sie können sich ein differenzierteres Bild machen, indem sie auch die Zusatzdokumente im Sprachenpass, die Sprachlernbiografie und das Dossier konsultieren. Sie erhalten so nicht nur Auskunft über den Kompetenzstand und die Leistungen in den gängigen Fremdsprachen (andere Landessprachen, Englisch, Spanisch), sondern auch in anderen Fremdsprachen, die selten oder gar nicht unterrichtet werden, für gewisse Betriebe in bestimmten Bereichen jedoch von besonderer Bedeutung sein können;
die sprachlichen Ressourcen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser nutzen;
wertvolle Hinweise für die Auswahl und Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erhalten;
Anhaltspunkte für die innerbetriebliche Aus- und Weiterbildung erhalten;
Bestätigungen abgeben über Tätigkeiten im Betrieb, bei denen andere Sprachen gebraucht wurden, über Arbeits- oder Weiterbildungsaufenthalte bei Firmen im anderssprachigen Gebiet, über die Beteiligung an internationalen Projekten und Kooperationen, über Praktika usw.;
Kurzinformationen über Kurse der innerbetrieblichen Aus- und Weiterbildung bereitstellen (Fremdsprachenkurse und in einer Fremdsprache durchgeführte Kurse)).
In welchem Ausmass die verschiedenen Benutzergruppen etwas zum Europäischen Sprachenportfolio beitragen und wie viel sie in individuelle Portfolios eingeben, hängt sicher auch davon ab, wie bekannt und verbreitet das ESP sein wird. In der Erprobungsphase könnten Portfolios entstehen, die möglicherweise beispielhaft zeigen, wie ausgefüllte, gefüllte Portfolios aussehen können und sollten. Eine solche Sammlung von konkreten Portfolios dürfte auch Aufschlüsse darüber geben, wo eventuell Probleme liegen und ob für bestimmte Benutzergruppen mehr Information oder Hilfe nötig ist. Denn so wünschenswert es ist, dass viele etwas zu den Portfolios beitragen, so wichtig ist es, dass die Einträge nicht beliebig sind, sondern relevant, informativ, transparent, verständlich und verlässlich.
9. Das Portfolio als Katalysator - seine Bedeutung für den Unterricht
Das ESP als Auslöser/Verstärker - ESP und "Gesamtsprachenkonzept" - Das ESP im Unterricht
An das Europäische Sprachenportfolio werden viele, vielleicht zu hohe, Erwartungen geknüpft. Es ist kein Allheilmittel, aber es kann wahrscheinlich in vielen Fällen eine Katalysatorfunktion erfüllen (Richterich/Schneider 1993: 41). Seine Einführung kann für Unterricht und Schülerbeurteilung Innovationen und Verbesserungen auslösen oder laufende Reformen unterstützen und verschiedene Tendenzen bündeln.
Neuerungen auslösen und
unterstützen
Schon seit vielen Jahren wird in Empfehlungen und einschlägigen Veröffentlichungen darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die Fähigkeit zur Selbstbeurteilung zu fördern (z. B. CREA 1992; Coste/Moore 1992; EDK 1995 u. 1998 b).
Im Rahmen des Projekts "Evaluation und Selbstevaluation der Fremdsprachenkompetenz an Schnittstellen des schweizerischen Bildungssystems" haben wir die Schülerinnen und Schüler auch gefragt , ob sie ihre Sprachkenntnisse schon öfter selbst beurteilen konnten. Wie die Umfrage von 1995 zeigte, ist Selbstevaluation immer noch die Ausnahme (Abbildung "Erfahrung mit Selbstbeurteilung").
Erfahrung mit Selbstbeurteilung
Wenn das Sprachenportfolio eingeführt wird, so kann man erwarten, dass diejenigen Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Lerner schon Erfahrungen mit Selbsteinschätzungen machen liessen, auf diesem Weg bestärkt werden und dass dort, wo dies bisher noch nicht üblich war, die Instrumente im Portfolio genutzt werden, um mit dieser Praxis zu beginnen.
Ganz ähnlich könnte die Einführung des Portfolios auch manche andere vielleicht schon länger gewünschte oder geplante Neuerungen oder Verbesserungen anschieben und verschiedene Tendenzen einer lernerorientierten kommunikativen und interkulturellen Didaktik sichtbar machen und bündeln. Dazu gehören vor allem die Punkte:
erweiterte Leistungsbeurteilung,
Language Awareness / Eveil au langage,
interkulturelles Lernen,
Aufwertung der Migrationssprachen,
autonomes Lernen,
erweiterte Lernformen (Wochenplan-, Werkstattunterricht, Projektarbeit),
Austauschpädagogik,
ausserschulisches Lernen,
Zusammenarbeit der Sprachenfächer,
mehrsprachiger Sachunterricht,
Lernberatung und Coaching.
Vgl. z. B. die Empfehlungen für den Deutschunterricht in der Westschweiz (CREA 1992), den Bericht über neue Unterrichts- und Organisationsformen (EDK 1995) und die Empfehlungen zum neuen Sprachenkonzept (EDK 1998b).
Das Europäische Sprachenportfolio ist ganz besonders dort hilfreich, wo nicht nur eine Fremdsprache im Blick ist, sondern die Mehrsprachigkeit der Lernenden und ein Gesamtkonzept für den Sprachenunterricht.
Die Rolle des Sprachenportfolios im "Gesamtsprachenkonzept"
Der von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (1998b) in Auftrag gegebene Expertenbericht zu einem Gesamtkonzept für den Sprachenunterricht während der obligatorischen Schulzeit in der Schweiz schlägt ein Konzept vor, das für Kantone und Regionen einigen Spielraum bei der Wahl der Landessprachen und Fremdsprachen, bei der Reihenfolge ihrer Einführung und bei den Organisations- und Unterrichtsformen vorsieht. Je mehr Flexibilität ermöglicht werden soll, desto wichtiger werden Mittel, welche die Kohärenz und Transparenz des Fremdsprachenlernens gewährleisten. Diese Aufgabe soll das Europäische Sprachenportfolio mit seinem Bezug zum "Europäischen Referenzrahmen" erfüllen. In den Thesen und Empfehlungen zum neuen "Gesamtsprachenkonzept" werden daher mehrfach Funktionen des Sprachenportfolios angesprochen:
Richtziele für das Ende der obligatorischen Schulzeit
Die Kantone sollen die Transparenz und Kohärenz des Fremdsprachenlernens gesamtschweizerisch dadurch sicherstellen, dass sie für das Ende der obligatorischen Schulzeit verbindliche Richtziele vereinbaren (Empfehlung 2). In ihren Vorschlägen für diese Richtziele stützt sich die Expertengruppe auf die Referenzniveaus des Europarats und verwendet die Formulierungen aus dem Raster des ESP. Dies erlaubt es, die Ziele zu differenzieren in Bezug auf Hörverstehen, Leseverstehen, Gespräch, Zusammenhängendes Sprechen und Schreiben. Als Richtziele werden die in der folgenden Tabelle angegebenen Niveaus vorgeschlagen:
Hörverstehen |
Leseverstehen |
Gespräch |
Zusammenhängendes Sprechen |
Schreiben | |
Lokale Landessprache (wenn sie nicht mit der Erstsprache identisch ist) |
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Zweite Landessprache |
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Englisch |
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Dritte Landessprache |
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(Für die Niveaubeschreibungen siehe Anhang 1 oder Gesamtsprachenkonzept http://www.romsem.unibas.ch./sprachenkonzept)
Diese Richtziele sollen für Schulen mit mittleren Ansprüchen als Minimum gelten und als Ausgangspunkt für die Formulierung differenzierter Lernziele dienen.
Obwohl die Kompetenzbeschreibungen nicht im Hinblick auf die Erstsprache entwickelt wurden, macht es nach Auffassung der Expertengruppe doch Sinn, "namentlich mit Rücksicht auf die Diglossiesituation in der Deutschschweiz (und in geringerem Masse im Tessin)" mit dem gleichen Instrumentarium auch Richtziele für den Erstsprachunterricht zu formulieren. Für die entsprechende Standardsprache wird als Richtziel das Niveau C1 vorgeschlagen
Im Kommentar zur Empfehlung 2 heisst es: Die Richtziele und die daraus zu entwickelnden Grob- und Feinziele "erlauben es, eine transparente Evaluation der erreichten Kompetenzen zu entwickeln; Fremd- und Selbstbeurteilung sowie die Art des Erwerbs der sprachlichen Kompetenzen können durch das Europäische Sprachenportfolio sichtbar gemacht werden".
Aufwertung der Herkunftssprachen
Die Empfehlung 4 geht davon aus, dass aufgrund der Migrationsbewegungen ein immer grösser werdender Teil der Schulbevölkerung zwei- oder mehrsprachig aufwächst. Die Kantone sollen die in ihrer Schulbevölkerung vorhandenen Sprachen respektieren und fördern und sie in die Stundentafeln / Lehrpläne integrieren. Der Unterricht in den Herkunftssprachen soll u. a. aufgewertet werden "durch gleiche Bewertung/Benotung wie für die übrigen Fächer" und "durch Aufnahme der entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten ins Europäische Sprachenportfolio".
Richtziele am Übergang zwischen Primarstufe und Sekundarstufe I
Um den Übergang zwischen den Schulstufen innerhalb der Kantone sicherzustellen und die vertikale und horizontale Koordination zu gewährleisten, sollen die Kantone "für jede unterrichtete Sprache und jede Fertigkeit (Hörverständnis, Leseverständnis, Gesprächskompetenz, zusammenhängende mündliche Produktion, schriftliche Produktion) verbindliche Richtziele am Übergang zwischen Primarstufe und Sekundarstufe I" formulieren (Empfehlung 7). Im Kommentar dazu heisst es: "Es sollen mit anderen Worten Treffpunktziele formuliert werden, die für alle Schülerinnen und Schüler einer Region (über Kantonsgrenzen hinweg) das gemeinsame Minimum sind, ob sie nun die betreffende Sprache in der 1. Klasse mit bilingualem Unterricht angefangen haben oder aber als zweite Fremdsprache in der 5. Klasse (mit bilingualem Unterricht oder mit traditionellem Sprachunterricht)."
Ganz im Sinne der Funktionen des Sprachenportfolios wird darauf hingewiesen, dass die Ziele so definiert werden sollten, dass sie
"die Zusammenarbeit der für den Übertritt verantwortlichen Personen und Lehrpersonen fördern,
als Basis für allfällige Übertrittsprüfungen dienen,
die Eltern verständlich informieren,
für die Lernenden selbst als Grundlage für die Selbstbeurteilung dienen."
Die Expertengruppe betont, es sei eine wichtige Voraussetzung für die gewünschte Transparenz, "dass sich alle Kantone für die Lernzielbeschreibung desselben Instrumentariums und derselben Beschreibungssprache bedienen. Daher sollen die Ziele mit der im europäischen Referenzrahmen festgelegten Beschreibungssprache und unter Bezugnahme auf die entsprechenden Niveaus formuliert werden." Es wird zu Recht auf die folgenden Punkte hingewiesen:
Die sechs grossen Niveaus müssten, wie im Referenzrahmen vorgesehen, in feinere Stufen aufgeteilt werden. Einzelne Zwischenstufen, die im Rahmen des Schweizerischen Nationalfondsprojekts identifiziert wurden (vgl. Abschnitt 6), sind in den Kompetenzskalen im Anhang des Referenzrahmens kenntlich gemacht.
Die Kompetenzbeschreibungen müssen angepasst werden, da sie sich vor allem auf kommunikatives Handeln in Situationen des wirklichen Lebens beziehen. Für die Schule sollte vermehrt auch die Fähigkeit zu sprachlichem Handeln in Lern- und Unterrichtssituationen formuliert werden.
Bei der Formulierung der Ziele müssen zusätzlich zu den sprachlichen Zielen auch Ziele im allgemein pädagogischen und im interkulturellen Bereich berücksichtigt werden.
Es wird empfohlen, für die Formulierung der Zwischen- und Endziele für die Primarschule das Europäische Sprachenportfolio für jüngere Lernende zu berücksichtigen. (Sprachenportfolios für jüngere Lernende werden in England und Frankreich erprobt.)
Transparenz zwischen Sprachlernprozessen innerhalb und ausserhalb des Bildungssystems
Die Kantone sollen die Transparenz zwischen Sprachlernprozessen innerhalb und ausserhalb des Bildungssystems gewährleisten. Als geeignetes Mittel wird die Verwendung des Europäischen Sprachenportfolios empfohlen (Empfehlung 12). Dazu heisst es:
"Zurzeit ist es für Lernende schwierig, ihre Fremdsprachenkenntnisse auszuweisen, ausser wenn sie ein internationales Zertifikat erworben haben. Schulnoten geben keine präzisen Auskünfte über das erreichte Niveau, ausserschulisch erworbene Sprachkenntnisse sind kaum präsentierbar. Die Lösung dafür ist das Europäische Sprachenportfolio (...)".
Der Kommentar zur Empfehlung 12 beschreibt das Europäische Sprachenportfolio ausführlicher und hebt u. a. folgende Funktionen hervor:
Es präsentiert und bescheinigt die Mehrsprachigkeit seines Besitzers oder seiner Besitzerin, deren Sprachkenntnisse in leicht verständlicher und international vergleichbarer Form "sichtbar" gemacht werden, z.B. beim Übertritt in die nächsthöhere Schulstufe (ein Beitrag zur Schaffung einer grösseren Kohärenz des Fremdsprachenlernens auf den verschiedenen Stufen unseres Bildungssystems) oder bei Antritt einer Lehr- oder Arbeitsstelle;
es trägt dazu bei, den Wert der eigenen Sprachkenntnisse und des Sprachenlernens anzuerkennen. Da darin alle Sprachen erscheinen und man damit zeigen kann, was man in und mit verschiedenen Sprachen tun kann und was man tatsächlich auch getan hat, werden die Lernenden dazu motiviert, ihre Mehrsprachigkeit weiter zu entwickeln.
Ausbildung und Weiterbildung der Lehrkräfte
Wenn die Empfehlungen umgesetzt werden sollen, so müssen die Grundausbildung und die Weiterbildung der Lehrkräfte den neuen Anforderungen angepasst werden (Empfehlung 13). Dabei wird davon ausgegangen, dass sich die Rolle der Lehrperson vermehrt in Richtung eines Coaching einer grossen Anzahl von Lernenden bewegen wird. Dazu sollen die Lehrpersonen u. a. in die Lage versetzt werden,
die Vorkenntnisse der Lernenden einzuschätzen,
in Partnerschaft mit den anderen Akteuren, namentlich den Lernenden selbst, angemessene Lernziele zu formulieren,
die Sprachkompetenz der Lernenden zu evaluieren und zu kommunizieren.
Es wird postuliert, die notwendigen Reformen in die Studienpläne einzuplanen und durch obligatorische Fort- und Weiterbildung zu garantieren, "dass nicht erst die nächste Generation von Lehrkräften über das Rüstzeug für einen modernen (Fremd-)Sprachenunterricht verfügt". Dabei werden u. a. die folgenden Voraussetzungen hervorgehoben:
"Eine koordinierte Sprachendidaktik setzt voraus, dass sich die Lehrkräfte der lokalen Landessprache, der Fremdsprachen und der heimatlichen Sprachen und Kulturen der fremdsprachigen Kinder bewusst werden und dass sie gemeinsam die Verantwortung für die Erweiterung der sprachlichen Repertoires der Schülerinnen und Schüler wahrnehmen. Da "Eveil au langage" sprach- und schulfachübergreifend ist, müssen auch die Lehrkräfte von Nicht-Sprachfächern sich damit vertraut machen.
Das Gewicht auf der Autonomie der Lernenden setzt voraus, dass die Lehrkräfte die alternativen Formen des Sprachenlernens kennen und die Lernenden in ihrer unterrichtsbegleitenden Anwendung anleiten können.
Wenn ein mehrsprachiges Repertoire das Ziel sein soll, sollten die Lehrpersonen wissen, welche Formen der Zwei- und Mehrsprachigkeit existieren, wie sich ein mehrsprachiges Repertoire optimal entwickelt, welche Rolle die doppelte Schriftlichkeit spielt usw.
Fertigkeitsorientiertes Lernen und die Verwendung des Europäischen Sprachenportfolios setzen entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten der Lehrpersonen voraus."
Das Sprachenportfolio im Unterricht
Es ist in erster Linie Sache der Lernenden, wann und wozu sie das Portfolio nutzen wollen. Dies setzt allerdings den instruierten, selbstständigen Lerner voraus. Zweifellos wird es in den Schulen und wohl oft auch in der Erwachsenenbildung nötig sein, die Lernenden in die sinnvolle Nutzung des Portfolios einzuführen. Das Portfolio muss nicht zwingend in den Unterricht einbezogen werden, aber die Beschäftigung mit dem Portfolio in der Klasse kann den Unterricht bereichern und eine grosse Hilfe für die Lernenden sein. Lehrerinnen und Lehrer können das ESP nutzen als Mittel der Lernberatung und als Instrument, das die Kommunikation mit den Lernenden über ihre Lernziele, Lernwege und Lernfortschritte in Gang bringen, strukturieren und erleichtern kann.
Ich will hier nur kurz auf einige Möglichkeiten - und auch auf mögliche Schwierigkeiten und Gefahren - der Verwendung des ESP im Unterricht hinweisen. Wie die Arbeit mit dem Portfolio in den Klassen konkret gestaltet werden kann, darüber wird sicher die Erprobung des ESP durch eine grosse Zahl von Lehrerinnen und Lehrern Aufschluss geben. Es wäre schön, wenn möglichst viele interessante Erfahrungen und Beispiele aus dem Unterricht dokumentiert und ausgewertet werden könnten, damit auf dieser Basis ein Lehrerhandbuch mit Ideen und Vorschlägen für die Hinführung zum Portfolio und seine Verwendung im Unterricht zusammengestellt werden könnte.
Einstiegsmöglichkeiten
Es gibt viele Möglichkeiten, ins Sprachenportfolio einzuführen. Man kann mit jedem der drei Teile beginnen. Mit welchem Teil, mit welchem Instrument, mit welcher Aktivität man am besten einsteigt, hängt von der konkreten Situation ab, zum Beispiel davon, ob die Lernenden schon mit Verfahren der Selbstbeurteilung vertraut sind, ob sie gewöhnt sind, über ihr Lernen zu reflektieren, ob die erste Beschäftigung mit dem ESP auf den Anfang oder das Ende eines Schuljahres oder Kurses fällt, ob eine Abschlussprüfung oder eine Bewerbung bevorsteht usw. Einige "Tipps zum Einsteigen" finden sich im letzten Abschnitt dieses Artikels.
Sprachenpass ausfüllen
Der Sprachenpass muss wohl in der Regel nur in grösseren Zeitabständen ausgefüllt werden. Die Lernenden sollten zu bestimmten Gelegenheiten ihre Eintragungen aktualisieren können, besonders vor Beginn einer (neuen) Schule, eines Studiums oder Kurses bzw. bei Schul-, Studien- oder Kursabschluss, bei Antritt eines Praktikums, einer Lehrstelle oder einer Arbeitsstelle, am Anfang und am Ende eines längeren Austausches. Vor allem bevor sie zum ersten Mal ihren Sprachenpass ausfüllen, muss den Lernenden bewusst gemacht werden, dass die Angaben in diesem Dokument verlässlich sein müssen. Die verschiedenen Quellen - Prüfungsergebnisse/Diplome, ausserschulische Sprachlernerfahrungen und Resultate der Selbstbeurteilung - müssen sorgfältig genutzt werden. Vorläufig stehen die Lernenden noch vor dem Problem, dass sie nicht wissen können, auf welchem Niveau Prüfungen, die sie abgelegt haben, zu situieren sind. Mit der Zeit aber werden immer mehr Schulen und Prüfungsinstitutionen ihre Prüfungen und Diplome den Referenzniveaus des Europarats zugeordnet haben.
Vor allem die Lernenden, die noch wenig Erfahrung in der Selbstbeurteilung haben, müssen durch die Präsentation des Portfolios im Unterricht vorbereitet werden, den Sprachenpass verantwortungsvoll auszufüllen. Sie sollten Lust bekommen, diese Verantwortung für die Dokumentation ihrer eigenen Sprachkenntnisse zu übernehmen, und sie sollten Freude daran haben, mehr und Genaueres über sich und ihre Sprachkompetenzen auszusagen, als dies Prüfungsnoten tun. Keinesfalls dürfen sie den Eindruck erhalten, es genüge, einmal schnell den Raster zur Selbstbeurteilung anzuschauen und dann über den Daumen gepeilt ihre Kenntnisse den Referenzniveaus zuzuordnen. Damit sie nicht später unschöne Korrekturen der Eintragungen im Sprachenpass vornehmen müssen, könnte man den Lernenden empfehlen, ihre Selbsteinstufung nicht gleich beim ersten Mal ins Passheft einzutragen, sondern ihre Einschätzung der Kenntnisse in verschiedenen Sprachen vielleicht zunächst auf einer Fotokopie zu notieren, um sie später noch einmal überprüfen und abstützen zu können.
Die Checklisten können helfen, die Selbsteinschätzung für den Sprachenpass vorzubereiten und abzusichern. Durch sie wird den Lernenden deutlich, was zum Beispiel für die Gesprächsfähigkeit oder die Verstehensfähigkeit auf einem bestimmten Niveau charakteristisch ist. Wenn man die Lernenden zunächst anhand der Formulierungen im Raster zur Selbstbeurteilung Hypothesen zu ihrem Niveau bilden lässt, dann können sie anschliessend die entsprechende Checkliste durchgehen, um festzustellen, ob die Hypothese bei detaillierter Betrachtung bestätigt werden kann. Aber die Checklisten sollten nicht nur im Zusammenhang mit dem Sprachenpass, also z. B. am Anfang und Ende des Schul-, Studien- oder Kursjahres verwendet werden. Sie können im Unterricht immer wieder herangezogen werden, wenn Einzelziele erreicht sind und wenn neue Lernetappen beginnen sollen. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass das Fehlen einer Einteilung in feinere Niveaus für die regelmässige Verwendung im Unterricht, wo es wichtig ist, auch kleinere Fortschritte festzustellen, ein Nachteil sein kann. Jede Checkliste deckt ja ein sehr breites Niveau ab. Das bedeutet aber auch, dass die Items einer Checkliste leichtere und schwierigere Aufgaben (innerhalb des entsprechenden Niveaus) beschreiben. Ausserdem wird noch eine weitere Abstufung möglich, wenn die Lernenden, wie vorgeschlagen, unterscheiden, ob sie eine Aufgabe unter "normalen Umständen" erfüllen können - zum Beispiel, wenn sie nicht unter Zeitdruck stehen und sich auf eine Situation einstellen konnten - oder ob sie etwas "gut und leicht" tun können.
Die Lehrerin oder der Lehrer kann den Lernenden dabei helfen, mit den Checklisten zu arbeiten und ihre Fähigkeit zur Selbstbeurteilung (weiter) zu entwickeln:
Die Lehrperson sollte bereit sein, wenn die Lernenden es wünschen, für die jeweils aktuellen Einzelziele die Selbstbeurteilung des Lerners in der zweiten Kolonne der Checkliste zu bestätigen bzw. eine abweichende Beurteilung einzutragen. Der Vergleich von Eigen- und Fremdbeurteilung kann eine gute Gelegenheit sein, um im Gespräch die Kriterien und Erwartungen in Bezug auf das Erreichen der Einzelziele zu klären.
Da die Kompetenzbeschreibungen in den Checklisten teilweise recht dicht formuliert sind, sollten sie vor allem mit jüngeren Schülern besprochen und eventuell durch Beispiele verdeutlicht werden.
Die Lernenden sollten häufig Gelegenheit bekommen, einzelne Teilziele aus den Checklisten zu überprüfen, indem sie in Einzel- oder Gruppenarbeit kleine konkrete Aufgaben ausführen.
Jede Checkliste enthält freien Raum. Dort sollten möglichst zusammen mit den Lernenden weitere Ziel- und Kompetenzbeschreibungen eingetragen werden, zum Beispiel solche, die durch den Lehrplan vorgegeben sind, die im benutzten Lehrwerk vorkommen oder die sich aus Diskussionen über die Bedürfnisse und Interessen der Lernenden ergeben. Da die Checklisten auch für Erwachsene und für ausserschulisches Lernen entwickelt wurden, sind die Beschreibungen auf reale Handlungssituationen zugeschnitten. Es ist aber durchaus sinnvoll, sie um Items zu ergänzen, die sich auf die Kommunikation im Klassenzimmer und Aufgaben in Lehr-/Lernsituationen beziehen.
Wer das Glück hat, im Unterricht Materialien benutzen zu können, die explizite Lernzielangaben und Selbstbeurteilungsinstrumente enthalten, sollte die nutzen und die Beschreibungen in den Lehrmaterialien und im Portfolio zueinander in Beziehung setzen.
Checklisten sind nur eines von etlichen Mitteln zur Selbstbeurteilung. Wenn sie regelmässig herangezogen werden, kann dies wesentlich dazu beitragen, die Fähigkeit zu einer plausiblen, Über- und Unterschätzung vermeidenden Selbstbeurteilung zu entwickeln. Selbstbeurteilung ist lernbar. Am besten lernt man sie wohl, wenn man verschiedene Instrumente und Verfahren kennen lernen und kombinieren kann. Das sind auf der einen Seite die verschiedenen Arten von Checklisten: Checklisten wie im Portfolio, aber auch etwa Checklisten zur Kontrolle beim Schreiben oder zur selbständigen Fehlerkorrektur oder Fragebogen zu Lernstrategien und Arbeitstechniken. Hinzukommen sollten auf der anderen Seite möglichst Mittel wie das Führen eines Lerntagebuchs oder das Einüben ins (Selbst-)Beurteilen. Beispielsweise kann das Beurteilen anhand von Video- und Audioaufzeichnungen besonders nützlich und motivierend sein, wenn die Lernenden zwei zeitlich weiter auseinander liegende Produktionen vergleichen können und so feststellen, in welchen Bereichen sie deutliche Fortschritte gemacht haben und wo sie eventuell stagnieren. Analog können die Lernenden auch mit Hilfe von ausgewählten Kriterien ihre früheren schriftlichen Textproduktionen mit ihren neueren Arbeiten vergleichen. Es kann ein gutes Training für die Selbstbeurteilung sein, zunächst andere zu beurteilen und gemeinsam mit anderen zu beurteilen. Die Lernenden können Erfahrung sammeln und Vertrauen in ihre Fähigkeit zu beobachten und zu bewerten gewinnen, indem sie gemeinsam Kriterien besprechen und anwenden, ihre Beurteilungsergebnisse vergleichen und Gründe für unterschiedliche Wertungen diskutieren.
Natürlich braucht das Einüben der Selbstbeurteilung ebenso wie das Ausarbeiten oder Anpassen von Selbstbeurteilungsinstrumenten Zeit. Zeit im Unterricht, die Zeit der Lernenden, Zeit der Lehrenden. Aber es gibt eine ganze Reihe guter Gründe, diese Zeit zu investieren:
aus der Sicht der Lernenden
aus der Sicht der Lehrpersonen
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(aus: Schneider 1996, S. 17)
Die Checklisten im Portfolio erfassen die sprachliche Kommunikationsfähigkeit. Unbedingt sollte im Unterricht immer wieder auch die Entwicklung der interkulturellen Kompetenzen thematisiert werden. Das kann in Gesprächen geschehen oder indem interkulturelle Erfahrungen nach dem Beispiel des entsprechenden Modellblatts dargestellt werden oder indem solche Erfahrungen in die Sprachlernbiografie eingearbeitet werden.
Zu beachten ist, dass Selbstbeurteilung von Lernenden und Lehrenden nicht mit Selbstbenotung gleichgesetzt wird. Die Forschung gibt recht deutliche Hinweise darauf, dass plausible Selbsteinschätzungen am ehesten zustande kommen,
- wenn sich die Selbstevaluation auf konkrete Situationen und Aufgaben bezieht, die im Erfahrungsbereich der Lernenden liegen;
- wenn die Kompetenzbeschreibungen sprachlich einfach, verständlich und ohne didaktischen Fachjargon formuliert sind;
- wenn die Lernenden mit den Beurteilungskriterien vertraut sind.
Wenig verlässlich dagegen sind Selbstbeurteilungen in der Regel dann,
- wenn eher globale Einschätzungen verlangt werden;
- wenn die Selbstbeurteilungen irgendwie mit Noten, Zeugnissen oder sonst einer Art von Zertifikation in Zusammenhang stehen, also immer dann, wenn es für die Lernenden einen Vorteil bringen kann, nicht ehrlich zu sein.
Aus diesem Grund sollte zumindest beim Einstieg in die Selbstevaluation möglichst die Verknüpfung mit Prüfungssituationen und Notengebung vermieden werden (Schneider 1996).
Sprachlernbiografie schreiben
Natürlich wäre es möglich, die Lernenden Ihre persönliche Sprachlernbiografie ganz alleine und als Hausarbeit zusammenstellen zu lassen. Sieht man aber die Sprachlernbiografie nicht nur als ein spezialisiertes Curriculum Vitae an, das man für eine bestimmte Gelegenheit verfasst, um andere zu informieren, sondern auch als Mittel eines Unterrichts, der auf "Language Awareness", auf die Reflexion über Sprache, Spracherwerb und Kommunikationssituationen zielt, dann macht es Sinn, in der Klasse, ganz besonders in der multikulturellen Klasse, darüber zu sprechen, mit welcher Sprache bzw. mit welchen Sprachen die Schülerinnen und Schüler aufgewachsen sind, welche Sprachen in der Familie gesprochen werden, welche Beziehungen sie zu den verschiedenen Sprachen haben usw. Die Arbeit an der eigenen Sprachlernbiografie und das Kennenlernen oder das Lesen von Sprachbiografien anderer, können den Sinn dafür schärfen, was es heisst mehrsprachig zu leben und wie unterschiedlich die Wege sein können, die zur Mehrsprachigkeit führen. Solche Bewusstmachung hat ihren Platz ebenso im Muttersprachenunterricht wie im Fremdsprachenunterricht. Die Lehrerinnen und Lehrer der Sprachfächer sollten dabei möglichst eng zusammenarbeiten oder sich zumindest absprechen.
Zusätzlich zu einer kurzen Übersicht in Stichworten kann die Sprachlernbiografie auch freier gestaltet werden, z. B. als erzählender und reflektierender Bericht - eventuell illustriert mit Fotos aus verschiedenen Sprachverwendungssituationen. Falls die Lernenden regelmässig ein Lerntagebuch führen, können sie die dort notierten Erfahrungen von Zeit zu Zeit auswerten und in der Sprachlernbiographie des Portfolios zusammenfassen. Es empfiehlt sich, die begonnene Sprachlernbiografie wenigstens einmal pro Schul-, Studien- oder Kursjahr nachführen zu lassen und über Veränderungen, über neue Erfahrungen zu sprechen.
Dossier anlegen
Das Dossier ist der Ort, an dem Ergebnisse selbständiger Arbeit ebenso wie Produkte, die im Unterricht entstehen, ihren Platz finden können. Es ist der Teil des Portfolios, der am meisten Raum für freie Gestaltung lässt. Traditionell werden in Portfolios in erster Linie schriftliche Arbeiten gesammelt. Aber es wäre schade, wenn das Dossier des ESP auf eine Sammlung reduziert würde, welche die Entwicklung der Schreibfertigkeit dokumentiert. Lehrende und Lernende sollten vielmehr den Ehrgeiz haben und die Chance wahrnehmen, eine lebendige, bunte, alle Fertigkeitsbereiche und viele Textsorten umfassende Sammlung von schriftlichen Texten, Audio- und Videobeispielen zusammen zu stellen, die auch über Produkte oder Produktionen berichten sollte, die sich nicht in einem Classeur unterbringen lassen. Das könnten zum Beispiel Theateraufführungen, Ausstellungen, Auftritte im Internet und alle möglichen Projektarbeiten sein.
Das Aufbewahren und Vorzeigen kann einerseits den Produkten Wert geben, andrerseits ermöglicht es, Prozesse - Entstehungsprozesse und Lernprozesse - zu dokumentieren und bei der Leistungsbeurteilung nicht nur auf punktuelle Resultate abzustellen, sondern auch die Entwicklung zu berücksichtigen.
Die Unterrichtenden können den Lernenden helfen,
indem sie die Kriterien für das Sammeln und Auswählen von Dokumenten fürs Dossier besprechen;
indem sie sie während dem Schul-, Studien- oder Kursjahr anhalten, Arbeiten zu sammeln, die den Lernprozess und die Entwicklung zeigen;
indem sie Ratschläge geben, wie für Aussenstehende und zu bestimmten Gelegenheiten Arbeiten zusammengestellt werden können, die den aktuellen Stand dokumentieren;
indem sie vorsehen, dass die Inhalte des Dossiers präsentiert und zugänglich gemacht werden - in der Klasse, für andere Klassen, für die Eltern, in Form einer Ausstellung usw.;
indem sie Produkte und Projekte einplanen, die für die Aufnahme ins Dossier des Sprachenportfolios geeignet sind, und die Lernenden bei dieser Planung einbeziehen.
Bei der Unterrichtsplanung auch ans Dossier des ESP zu denken,
könnte hier und da den wünschenswerten Effekt haben, dass öfter
projektorientiert gearbeitet wird und dass das Vorzeigen der Ergebnisse von
Einzel- oder Gruppenarbeiten zu einer motivierenden Gewohnheit
wird.
Mögliche Schwierigkeiten und Probleme
Lernende und Lehrende sollten nicht übertriebene Erwartungen ans Portfolio knüpfen. Es wird nicht alle Probleme lösen. Viele Probleme werden bleiben. Vielleicht werden neue Probleme bewusst. Auf welche Schwierigkeiten sollten Lernende und Lehrende gefasst sein? Welche Gefahren sollten sie vermeiden? Im Folgenden werden einige Schwierigkeiten und Gefahren, die teilweise in diesem Artikel schon angesprochen wurden, stichwortartig resümiert:
Beispiele für mögliche Schwierigkeiten:
Komplizierte Formulierungen: Für manche Lernergruppen sind die Kompetenzbeschreibungen möglicherweise ungewohnt, zu komplex oder zu kompliziert. Da müssten die Lehrerinnen und Lehrer, die ihr Publikum kennen, Übersetzungs- und Erklärungshilfe leisten.
Fehlende Zwischenziele: Die Tatsache, dass im Sprachenportfolio nur sechs grosse Niveaus unterschieden werden, könnte demotivierend wirken, weil der Weg bis zum nächsten Niveau sehr weit erscheint. Kürzere Wegstrecken, feinere Niveaus müssen/können vielleicht von den Bildungsinstitutionen oder von den Lehrpersonen beschrieben werden (vgl. den Abschnitt "Mit Checklisten zur Selbstbeurteilung arbeiten").
Überforderung der Lernenden: Möglicherweise fühlen sich Lernende durch die von ihnen erwartete Autonomie und Selbstverantwortung überfordert (oder ihre Lehrerinnen und Lehrer meinen, sie wären überfordert). Geben Sie Ihnen Zeit, Hilfe und stärken Sie ihr Selbstvertrauen, indem sie ihnen positive Erfahrungen ermöglichen.
Notengebung: Das Portfolio löst für die Lehrpersonen nicht das Problem der Notengebung. Das Portfolio will die Noten nicht abschaffen oder ersetzen. Die Instrumente im Portfolio können aber helfen, zu verdeutlichen, wofür eine Note möglicherweise steht, und sie können helfen, insbesondere die Noten in Abschlusszeugnissen für Aussenstehende zu übersetzen. Allerdings bleibt für die Lehrpersonen und ihre Institutionen das Problem, ob sie ihre gewohnte Praxis der Benotung im Verlauf des Schuljahres und in Abschlusszeugnissen einerseits und die Kompetenzbeschreibung mit Hilfe des Portfolios andererseits nebeneinander her laufen lassen oder ob sie einen Weg suchen wollen, beides miteinander in Beziehung zu setzen, kompatibel und durchsichtig zu machen. Solange dies nicht geschieht, könnte ein eventuelles Nebeneinander von undurchsichtiger Notengebung und transparenter verbaler Kompetenzbeschreibung möglicherweise Konflikte provozieren.
Beispiele für mögliche Gefahren:
Buchhaltermentalität: Das grosse Angebot an Checklisten, Anleitungen und Modellformularen könnte eventuell dahingehend missverstanden werden, dass da dauernd buchhalterisch Rechenschaft abgelegt werden müsse. Die Arbeit mit diesen vielen Instrumenten macht nur Sinn, wenn sie als sinnvoll, hilfreich und motivierend erfahren wird.
Belastung/Last: Die Arbeit am Portfolio und fürs Portfolio darf weder von den Lernenden noch von den Lehrenden als lästige Pflicht oder als Zeitvergeudung erlebt werden. Sobald dieses Gefühl entsteht, müssen Lernende und Unterrichtende versuchen zusammen herauszufinden, wie sie die Arbeit mit dem Portfolio dosieren oder attraktiver machen könnten.
Doppelspurigkeit: Jeder Lerner hat ein Portfolio. Er muss den Umgang mit dem Portfolio nicht für jede Sprache neu erlernen. Wenn die Lehrerinnen und Lehrer der verschiedenen Fremdsprachen sich nicht absprechen und zum Beispiel die Einführung ins Portfolio oder die Beschäftigung mit der Sprachlernbiografie nicht gemeinsam planen, dann muss bei den Lernenden leicht Überdruss und das verärgerte Gefühl des "Schon wieder" entstehen. Die Lehrpersonen müssen sich immer wieder vor Augen halten, dass es nicht um ein Portfolio für die von ihnen unterrichtete Fremdsprache geht, sondern um ein Portfolio für die Mehrsprachigkeit der Lernenden.
Disziplinierungsinstrument: Das Portfolio sollte auf keinen Fall, wie das oft genug mit Noten geschieht, als Disziplinierungsinstrument gebraucht bzw. missbraucht werden. Dafür taugt es nicht, denn es ist darauf angelegt, die Motivation und Autonomie des Lernenden zu stärken.
© Institut für deutsche Sprache, Universität Freiburg/Schweiz