97 L1, L2, L3, L4, Lx - alle gleich? Linguistische, lernerinterne und lernerexterne Faktoren in Modellen zum multiplen Spracherwerb Britta Hufeisen (Darmstadt) 1 Einleitende Bemerkungen In den vergangenen fünf Jahren ist eine Diskussion zu der Frage in Gang gesetzt worden, ob die bisherigen Modelle zum Zweitspracherwerb und/oder Fremdsprachenlernen ausreichen, um auch den Erwerb/das Lernen einer L3, L4 oder L5 abzubilden. Während man insbesondere im Bereich der Psycholinguistik annimmt, dass auf Bilingualismus oder Zweitspracherwerbbezogene Modelle einfach um einige Elemente erweitert werden können (vgl. z.B. de Bot 2001 oder Dijkstra 2001), mehren sich die Stimmen derer, die zahlreiche Faktoren und Argumente auflisten können, die den Erwerb/das Lernen von L3, L4, L5, Lx (x≥ 2 ) deutlich von dem L2-Erwerb/L2-Lernen unterscheiden: Genannt werden u.a. beispielsweise zahlreichere Transferbasen, die durch das Vorhandensein von mehr als einer Sprache entstehen, eine nachweislich höhere Bewusstheit in Bezug auf die Sprache(n) selbst als auch auf die eigene Mehrsprachigkeit und auf das eigene Lernen inklusive der eigenen Lernstrategien (vgl. u.a. Thomas 1988 und 1992; jüngst Neuner, im Druck). Missler (1999) geht sogar so weit zu sagen, dass die Anzahl der gelernten Sprachen und die Verwendung von Lernstrategien bzw. der Grad der Bewusstheit darüber miteinander korrelieren. In vergleichenden Untersuchungen wurde festgestellt, dass Lernende, die bereits eine Fremdsprache oder Fremdsprachen gelernt hatten, beim Lernen einer weiteren Sprache alsL3 oder Lx (x≥ 3 ) höhere und schnellere Leistungen erzielten als Lernende, für die die betreffende Fremdsprache erst die L2 war (vgl. z.B. Mägiste 1984; Thomas 1985). Lernen und Erwerben Im Folgenden möchte ich die bislang vorgelegten Modelle zum multiplen Sprachenerwerb/-lernen und zum Multilingualismus im Hinblick auf ihre spezifischen Erklärleistungen in den Komplexen linguistische, lernerinterne und lernerexterne Faktoren diskutieren. Dabei nehme ich an, dass der Aneignungsmodus Lernen einige besondere Merkmale aufweist, die den des Erwerbens nicht auszeichnen (u.a. strukturierter Input z.B. durch Lehrwerke, Unterricht und Lehrpersonen, häufig metalinguistischer Art, oft geringer Input). Trotz allem sehe ich den AneignungsmodusErwerben als den übergeordneten an, mit dem der des Lernens eine große Schnittmenge an Merkmalenteilt. Oder anders herum formuliert: Lernen geschieht nie ohne Erwerb. Da meine empirischen Daten, auf die ich mich mit meinen Ausführungen beziehe, von Lernenden stammen, deren Sprachaneignungsmodus Merkmale des Lernens aufweisen, werde ich in diesem Beitrag in der Regel die Begriffe Fremdsprachen und multiples Zweit/Dritt/Viert/Fremd/Sprachen/Lernen benutzen, ohne zu verkennen, dass es sich hier letztlich auch um Erwerben handelt. Multiples Sprachenlernen und Multilingualismus als linguistische Norm Außerdem betrachte ich multiples Sprachenlernen und Multilingualismus als die linguistische Norm, die sich auch in der lebensweltlichen Realität widerspiegelt (vgl. z.B. Krumm 1995: 195). Die meisten Menschen weltweit sind zwei- und mehrsprachig und nicht monolingual, wie es beispielsweise in Zentraleuropa offiziell oft den Anschein hat (vgl. z.B. Krumm 1999: insbes. 115- 117). Zweitspracherwerb oder Fremdsprachenlernen sind spezifische Unterformen und Ausprägungen des multiplen Sprachenlernens, und Modelle zum multiplenSprachenlernenmüssen 98 somit in der Lage sein, genau so Erstspracherwerb oder auch L5-Lernen abzubilden und nicht umgekehrt, wie dies bislang angenommen wird. Auch scheint es nicht sinnvoll, die Forschungsergebnisse, die zum Bilingualismus und zum Zweitspracherwerb bzw. zum Multilingualismus und multiplen Sprachenlernen vorgelegt worden sind, weiterhin getrennt zu betrachten. Das Interesse und die Arbeitsfragen der Bi- und Multilingualismus-Forschung einerseits und der Zweitspracherwerbsforschung andererseits gehen in die gleiche Richtung und sollten gemeinsam gesehen werden. Aronin und Ó Laoire führen mit ihrem Modell den Begriff multilinguality als dichotom zu multilingualism ein: „While multilingualism, like bilingualism refers itself to the situation; multilinguality refers more to inner constructs of a single speaker“ (Aronin und Ó Laoire, in Vorbereitung). Im deutschsprachigen Kontext hat sich die Unterscheidung zwischen gesellschaftlicher und individueller Mehrsprachigkeit etabliert (vgl. Krumm 1995: 195), und im Folgenden ist die Rede von individueller Mehrsprachigkeit. Hypothesen, Modelle, Theorien Mit dem Begriff „Modelle“ meine ich Erklärungsversuche, die aufgrund von ersten empirischen Datenerhebungen den Hypothesenstatus überwunden haben, für deren Verifizierung bzw. Falsifizierung jedoch noch weitere empirische Nachweise und theoretische Herleitungenausstehen. Die vorzustellenden Modelle sind freilich unterschiedlich weit entwickelt und überprüft;trotzdem lohnt ein vergleichender Blick auf ihre Charakteristik. Die bestehendenTheorienund Modelle zum Zweitsprachenerwerb und Fremdsprachenlernen werde ich hier nicht weiter berücksichtigen; sie sind hinlänglich in der Literatur diskutiert und in der Forschung bearbeitet worden. Für die allgemeinen Darstellungen und Beschreibungen der Modelle zum multiplen Sprachenlernen verweise ich auf die entsprechenden Originalpublikationen (s.u.) bzw. aufkritische Besprechungen wie z.B. Marx und Hufeisen (im Druck). Es handelt sich um die folgenden Modelle, und sofernich es nicht spezifiziere, beziehe ich mich im Weiteren auf die hier zitierten Publikationen: 1. DMM [Dynamic Model of Multilingualism] (Jessner 1997, 1999; Herdina & Jessner 2002). 2. Rollen-Funktions-Modell (Williams & Hammarberg 1998; Hammarberg 2001a). 3. Faktorenmodell (Hufeisen 2000a). 4. Ecological Model of Multilinguality (Aronin & Ó Laoire 2001, 2002). 5. FLAM [Foreign Language Acquisition Model] (Groseva 2000). Mit meiner Beschreibung und Diskussion möchte ich keineswegs eine Wertung vornehmen. Die Qualität und Anwendbarkeit der Modelle wird sich im Laufe ihrer Evaluierung anhand ihrer Erklärkraft und Reichweite zeigen. Dabei bin ich überzeugt, dass das Ergebnis nicht ein einziges Modell sein wird, sondern dass es immer ein Nebeneinander von verschiedenen Modellen für spezifische wissenschaftstheoretische Fragestellungen und unterschiedliche linguistische Perspektiven geben wird. So wird in der Diskussion deutlich werden, dass das Faktorenmodellals stark angewandt linguistisch zu verstehen ist, das DMM ein rein psycholinguistisches Modell ist und das Ecolocigal Model ein eher soziolinguistisch ausgerichtetes. Hier wird „ecological“ allerdings nicht in erster Linie als systemtheoretisch dynamisch und chaotisch verstanden, dennso gesehen ist das Dynamische Modell auch ein ökologisches Modell, sondern Aronin und Ó Laoire betonen die kulturellen Kontexte, in deren Rahmen Multilingualität untersucht werden soll. Transfer- und Interaktionsphänomene Alle diese Modelle zum multiplen Sprachenlernen legenTransfer- und Interaktionsphänomene(zu den Begriffen Transfer und Interaktion vgl. Dechert & Raupach 1989 und Kellerman&Sharwood Smith 1986) zwischen den Interlanguages eines Individuums zugrunde, die den Lernprozess 99 lernerintern als auch lernerextern steuern, d.h., sie nehmen alle an, dass die erworbenen oder zu erwerbenden Lernersprachen einander in verschiedenen Weisen beeinflussen bzw. miteinander interagieren und in diesem Zusammenspiel die Gesamtheit der Sprachen in einem lernenden Individuum ausmachen. Die Modelle argumentieren allerdings aus verschiedenen wissenschaftstheoretischen Perspektiven, woraus sich deutlich unterschiedliche Schwerpunkte ergeben. Sie weisen insbesondere den o.g. Komplexen linguistischer, lernerinterner und lernerexterner Faktoren unterschiedliche Relevanz zu. Während allerdings nicht alle Modelle lernerexterne und/oder linguistische Faktoren mit einbeziehen, listen alle jedoch - wenngleich unterschiedlich viele - lernerinterne Faktoren auf. Die viel beschworene Diskussion um die Art der Speicherung der verschiedenen Sprachen, gemeinsam, getrennt, je nach Art des Inputs, je nach Literalität gemeinsam oder getrennt oder für bestimmte Fertigkeiten isoliert oder zusammen, ist in diesem Erwerbszusammenhang nicht vordringlich und wird deshalb im Folgenden nicht weiter berücksichtigt, d.h. jedochnicht, dass die Frage an sich für unwichtig angesehen wird. Bei Fragen nach dem Abrufen und Produzieren, dem Prozessieren von Sprache wird sie weiterhin hoch virulent sein (vgl. exemplarisch de Bot, in Vorbereitung; Dijkstra, in Vorbereitung; Singleton, in Vorbereitung und Dittmann & Schmidt 1998). Des Weiteren müssen aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen Forschungsergebnisse ausgetauscht und miteinander abgeglichen werden bzw. Einzelphänomene müssen trianguliert werden. Ansonsten werden Psycholinguistik einerseits und die Angewandten Linguistiken andererseits sich immer weiter auseinander entwickeln und es wird weiterhin und vermehrt Extrempositionen wie die von Dijkstra geben: „A straighforward extension of a bilingualmodelof word recognition to multilinguals (or of a monolingual model to a bilingual model) seems to suffice“ (Dijkstra, in Vorbereitung), der in seinen Versuchen zur Worterkennung festgestellt hat, dass Multilinguale keine speziellen Prozessmechanismen benötigen, um Wortselektionsprobleme zu lösen. Aus dieser Universalität bei der Worterkennung in Bezugaufdie verschiedenenSprachen zu schließen, dass jeglicher Spracherwerbsprozess einfach nur einetwas erweiterter L1-Erwerb ist, scheint vorschnell und sollte durch mehr Versuche, z.B. priming, weiter untersucht werden, ohne die folgende Warnung de Bots (in Vorbereitung) zu ignorieren: „In our thinking on tri- and multilingualism, we should prevent ourselves from falling in the pitfalls of paradigm contests.“ Dies war ein weiterer Grund, Modelle aus verschiedenen Bereichen zu diskutieren. 2 Linguistische Faktoren Status der L2 Die Modelle bewerten beispielsweise den Status, den die L2 in der individuellen Erwerbsbiografie einnimmt, unterschiedlich: Während Groseva und Hufeisen die L2 als eine wichtige Ausgangsbasis für den Fremdsprachenmodus (vgl. Grosjean 1982) und das weitere Fremdsprachenlernen betrachten (siehe dazu auch weiter unten Interlanguages und supplier languages), sehen Jessner und Aronin und Ó Laoire die L2 als lediglich eine Sprache im Konzert all der anderen Sprachen, die nicht mehr und nicht weniger Aufmerksamkeit bedarf als alle anderen, wobei Jessner (1999: 203) allerdings dem L3-Lernen eine eigene Qualität beimisst: „[...] in the process of TLA [third language acquisition, B.H.], qualitative changes in language learning can be detected“. Hammarberg und Williams hingegen halten in diesem Zusammenhang die chronologisch orientierte Nummerierung explizit für obsolet und betrachten stets die jeweils zu untersuchende Sprache als die „L3“, während alle vorher gelernten Sprachen, egal wie viele dies sind bzw. in welchem historischen oder strukturellen Zusammenhang sie zur Zielsprache, zur L3, stehen, den Status von „L2“ einnehmen und verschiedene Rollen und Funktionen übernehmen können: 100 Languages that are acquired after the first language [...] are commonly termedsecondlanguages; a person may acquire one or more L2s. In order to obtain a basis for discussing the situation of the polyglot, we will here use the term L3 for the language that is currently being acquired, and L2 for any other language that the person has acquired after the L1. (Hammarberg 2001: 22) So relativiert sich natürlich der bei anderen Modellen hervorgehobene Status von L2, und Diskussionen z.B. um die Definition eines Begriffes wie „Tertiärsprache“ (handelt es sich um eine L3 oder eine L4 oder gar eine L5 oder um alle Sprachen nach der L2?) werdengegenstandslos. Sie argumentieren völlig zu Recht, dass eine rein chronologische Zählweise relevante Aspekte wie proficiency oder recency außer Acht lässt. So kann aus einer ehemals als L2 gelernten eine nicht mehr gesprochene oder beherrschte Sprache werden. Allerdings implizieren sie mit dieser Argumentation eine Kompetenzgradierung, die vermeintlich in den Zahlen enthalten ist, und sie geben auch die einzig nachvollziehbare und sachlich immer richtige Nomenklatur auf. Hammarberg selbst sieht in den Ausführungen zur Rollenfunktionsverteilung der verschiedenen Sprachen in seinen Probanden übrigens keine Basis für ein eigenes Modell, sondern er legt eine 1992 von de Bot erweiterte Version von Levelts monolingualem Speaking Model (1989), das sich auf zweisprachige Zusammenhänge bezieht, zugrunde. Nun bezieht sich de Bots Modell auf das Prozessieren von zwei Sprachen, nicht jedoch auf den Erwerb bzw. das Lernen. Deshalb halte ich es für gerechtfertigt, Hammarbergs Überlegungen zur Rollenfunktionsverteilung hier mit aufzunehmen. Die Beziehung(en) zwischen den Sprachen Ein weiterer linguistischer Aspekt ist die etymologische und typologische Beziehung zwischenden jeweiligen Sprachen. Während Groseva in ihrem Modell sich auf die Relation der L1 zur L2 konzentriert, beziehen Hammarberg und Williams auch alle anderen Sprachen mit ein. Groseva geht - wohl in Anlehnung an die Kontrastivhypothese zum Zweitspracherwerb- davon aus, dass eine Symmetrie zwischen der L1 und der L2 als Eins-zu-Eins-Relation in die Lernergrammatik aufgenommen wird und als Bezugspunkt für diese jeweilige Kategorie für jede weitere Fremdsprache fungiert. Asymmetrien zwischen L1 und L2 sind als potenzielle Gefahrenquellen anzusehen: Besteht die Asymmetrie darin, dass dem übereinzelsprachlichen Konzept inder L1 eine sprachliche Realisierung, in der L2 jedoch zwei und/oder mehr sprachliche Realisierungen gegenüberstehen, so werde die Lernergrammatik bzw. das Regelsystem entsprechend erweitert und in jede weitere Sprache übernommen, selbst dann wenn die L1 identisch mit der L3 ist und die Anwendung der Erweiterung nicht notwendig wäre. Besteht die Asymmetrie hingegen in einer Divergenz der L1 der L2 gegenüber, so nimmt sie an, dass hilfreiche lexikalische Mittel in der L2 erst später gelernt werden als bei Lernenden mit einer L1, für die diese Divergenz nicht gilt. Als Resultat des Erwerbsprozesses entsteht ein L2-System, das alle charakteristischen Merkmale der Zielsprache, aber auch Interferenzerscheinungen aus L1, spezifische und nach Ansicht des Lerners besonders erfolgreiche Lern- und Kommunikationsstrategien in der L2 enthält. Diesebewusst gelernteL2 wird nach unserer Ansicht zu einer Art Korrektur- und Kontrollinstanz für jede weitere nächste Fremdsprache (L3/L4 etc.). (Groseva 1998: 22) Auch Hammarberg und Williams halten die etymologische Verwandtschaft bzw. Nichtverwandtschaft zwischen den Sprachen für eine relevante Größe beim multiplen Sprachenlernen. So wiesen sie in ihrer Langzeitstudie einer englischsprachigen Lernerin der Zielsprache Schwedisch, die vorher auch Französisch, Italienisch und Deutsch gelernt und auf Deutsch eine sehr hohe Literalität erreicht hatte, nach, dass diese Lernerin bei metasprachlichen Äußerungen hauptsächlich auf ihre L1 Englisch und bei Sprachsuchproblemen auf ihre L3 101 (chronologisch gesehen ihre L4) Deutsch zurückgriff. Sie argumentieren, dass hier nicht nur die Faktoren recency und proficiency eine Rolle spielten, sondern auch die etymologische und typologische Nähe von Schwedisch und Deutsch. Eine höhere Literalität in Französisch oder Italienisch, glauben sie, hätte wegen ihrer größeren typologischen Distanz zum Schwedischen weniger stark als Transferbasis gedient. Lernerbefragungen bestätigen diese Annahme (vgl. z.B. Kallenbach 1996 und 1998; Missler 1999 und 2000; Hufeisen 2000b), priming-Tests haben dagegen festgestellt, dass die Abrufzeiten bei typologisch nahen Sprachen sich nicht signifikant von denen bei typologisch nicht verwandten Sprachen unterschieden (vgl. de Bot, in Vorbereitung). 3 Lernerinterne Faktoren Interlanguages und supplier languages Im Faktorenmodell werden die Sprachen zwar genannt, Einflussgrößen sind sie jedoch nicht als Sprachsysteme, sondern als Interlanguages der jeweiligen Lernenden, d.h., Transfers geschehen nicht auf systematischer Basis der L1 oder L2 oder L3, sondern auf der Basis der jeweiligen Interlanguage, die Lernende insbesondere unter Einfluss ihrer unterschiedlichen Sprachen ausbilden. Der entscheidende Aspekt ist hier das Lernen der L2: Mit dem Lernen einer ersten Fremdsprache wird die Grundlage für eine Fremdsprachenlern/erwerbskompetenz gelegt, die weder beim L1-Erwerb noch mit Beginn des L2-Lernens vorhanden ist: Learning an L3: The factors that affect the learning of an L3 have not only become more complex, but they are also qualitatively different from L2 learning. First, familiarity with another foreign language exists, and second, specific experiences and strategies related to foreign language learning are now available in addition to general life and learner experience and general learning strategies. Thus, L3 learning is fundamentally different from L2 learning ... With L4 learning, the addition of one more input or variable to the L4 language-learning process - in this case the knowledge of L3 - is not nearly as significant as the expansion of additional areas between L2 and L3. (Hufeisen 2000a: 214) In eine ähnliche Richtung argumentieren Hammarberg und Williams, die den Sprachen ihrer Lernerin bestimmte Funktionen zugewiesen haben: Die Zielsprache Schwedisch fungierte als internal supplier-Sprache, während die Sprache, die - ähnlich wie im FLAM - als Modell für das Lernen der L3 genutzt wurde, als default supplier, z.B. für direkte Übernahmen oder Übersetzungen, agiert. In diesem konkreten Falle war dies Deutsch. Ihre L1 Englisch diente als Basis für metalinguistische Kommentare und (Nach)Fragen. Dabei kann es allerdings passieren, dass ein und dieselbe Sprache sowohlinternal als auch default supplier sein kann; dies wiesen sie bei einem deutschsprachigen Lerner nach, für den seine L2 Englisch beide Funktionen übernahm und der nicht auf seine L1 Deutsch als metalinguistische Basis zurückgriff (vgl. Hammarberg 2001b). Proficiency und recency Welche Sprachen welche Funktion und in welcher Intensität übernehmen wird, entscheidet sich nach Hammarberg und Williams anhand der Kriterien Literalität/proficiency in den betreffenden Sprachen und recency, womit sie die aktuelle Präsenz und Abrufbarkeit der jeweiligen Sprache bezeichnen. Ob eine Sprache eine der o.g. Funktionen übernimmt, hängt ihrer Ansicht nach- wie oben gezeigt - ganz wesentlich von der etymologisch-typologischen Verwandtschaft zwischen supplier- und Zielsprache(n) ab. Perceived language competence Im Gegensatz zur proficiency des Rollen-Funktions-Modells geht das DMM von einer 102 Selbsteinschätzung in Bezug auf die eigene Sprachkompetenz aus: Wenn eine Person meint, mit der jeweils erreichten Literalität die persönlichen Kommunikationsbedürfnisse befriedigen zu können, werden die Anstrengungen zu weiterem Sprachenlernen umso geringer sein. Diese Bewertung verläuft fortlaufend und kann zu unterschiedlichen Aktivitäten (weniger oder mehr Aufwand für den Spracherwerb) führen. Esist hier noch einmal wichtig, daran zu erinnern, dass es sich bei diesem Aspekt nicht um eine lernerexterne Bewertung handelt, also wie ein/e Lerner/in in der Fremdsprache z.B. benotet wird, sondern um die Eigenevaluation. Komplexität und Holistik Das Ecological Model sieht im Zusammenspiel der genannten Faktoren eine besondere Komplexität, die sich in ihrer Spezifik vom Zusammenspiel zweier Sprachen bei einer bilingualen Person deutlich abhebt. Jessner geht in ihrem DMM noch einen Schritt weiter und sieht in dieser Komplexität holistische Züge: Durch das gemeinsame Vorhandensein der zahlreichen verschiedenen Faktoren entsteht eine ganz spezifische Systemhaftigkeit, die die einzelnen Teile nicht haben und erst durch ihr Zusammenkommen ermöglichen. M-Faktor Das Resultat dieser Holistik lässt laut Jessner nach dem DMM eine Systemcharakteristik entstehen, die das monolinguale System nicht hat: [...] an essential difference between multilingual and monolingual speaker. We must assume that the multilingual system: (1) contains components the monolingual system lacks and (2) that even those components the multilingual system shares with the monolingual system have a different significance within the system. (Herdina & Jessner 2002: 130) Jessner nennt dieses Charakteristikum den M-Faktor (Multilingualismusfaktor), der für alle Prozesse und Erwerbsphasen wirksam wird. Er setzt sich aus den verschiedenen Einzelfaktoren zusammen bzw. das Miteinander der Faktoren ergibt den Multilingualismusfaktor. Dynamik: Variabilität und inconsistency Ein wesentliches Merkmal der Literalität in den verschiedenen Sprachen, des multilingualen „Systems“, ist seine Dynamik, d.h., es handelt sich keineswegs um ein gemeinsames konstantes oder einmal erreichtes, starres Ganzes, sondern die Sprachen befinden sich in einem konstanten Wandel, einer fortwährenden Entwicklung, die übrigens weder geradlinig noch gleichförmig verläuft. Die Sprachentwicklungsverläufe stellen sich von Sprache zu Sprache unterschiedlich dar, es kann zu Brüchen und Sprüngen, die intern als auch extern ausgelöst worden sind, kommen. Sowohl das DMM als auch das Ecological Model weisen auf die Dynamik hin, die sich aus der Variabilität und Inkonsistenz im komplexen und dynamischen multilingualenSystemergibt. Damit einher geht die Annahme, dass also die Kompetenzen innerhalb der einzelnen Sprachen nicht nur variabel sind, sondern natürlich auch von Sprache zu Sprache variieren (dazu mehr weiter unten). Hoffmann (2001: 19f.) zeigt dies am Beispiel der trilingual competence: „trilingual competence enables trilinguals to create their own linguistic means in order to master particular communicative situations“, und damit folgt sie der Definition Jessners (1997: 27). Sprachverfall Lernende verfügen nicht immer im gleichen Maße über ihre verschiedenen Sprachen. Aus unterschiedlichen Gründen können Sprachen z.B. in Vergessenheit geraten oder an Aktualität verlieren. Als einziges der Modelle weist das DMM folgerichtig auch einen Aspekt aus, der 103 Mehrsprachigkeit genau so auszeichnen kann wie der stetige weitere Erwerb, nämlich den des Sprachverfalls. Aufrechterhaltung Das Aufrechterhalten eines einmal erreichten Entwicklungsstand und die Abwehr der immer gegebenen Möglichkeit oder Gefahr des Sprachverfalls macht spezifische Anstrengungen notwendig. Das DMM sieht für diese maintenance-Leistung deshalb einen Faktor vor, der für die Aufrechterhaltung eines (Teil-)Systems eigene Energie und Ressourcen beansprucht und so maßgeblich zur Konturierung des multilingualen Systems beiträgt. Self-extension Im Gegensatz dazu geht das Ecological Model ganz optimistisch von einem Zustand der Mehrsprachigkeit aus, die ab einem bestimmten Grad der Sprachbeherrschung Erweiterung anstrebt. Wer eine Sprache kann, will noch mehr können und sich weiter perfektionieren, wer eine gewisse Anzahl an Sprachen gelernt hat, möchte weitere Sprachen lernen. Einige der Modelle beziehen insbesondere emotionale Aspekte mit ein, am ausgeprägtesten und detailliertesten ist hier das DMM mit motivation, self-esteem und anxiety, die sich stark steuernd auf den Verlauf des Spracherwerbs auswirken, wobeiself-esteemund anxiety fast wie die zwei Seiten einer Medaille funktionieren: Motivation Das DMM und das Faktorenmodell weisen den Aspekt der (intrinsischen) Motivation als einen aus, der das Sprachenlernen stark beeinflussen, vielleicht sogar entscheidend steuern kann. Ein Lerner, der nicht motiviert ist, eine Sprache zu lernen, wird wenige und langsame Fortschritte machen und vermutlich nie besonders weit in seiner Sprachentwicklung kommen. Hochmotivierte Lernende hingegen, die eine Sprache begeistert und dringend lernen (möchten), weisen in der Regel rasche und gute Lernfortschritte auf. Im Rahmen des Faktorenmodells tritt dieser Faktor erst mit der L2 auf. Prinzipiell gehe ich davon aus, dass jedes Baby beim L1-Erwerb intrinsisch motiviert ist, seine primären Kommunikationsbedürfnisse zu befriedigen (z.B. „Ich habe Hunger!“). Diese primären Kommunikationsbedürfnisse wiederholen sich m.E. beim L2- und LxLernen nicht in gleicher Weise. Auch wenn ein Kommunikationsbedürfnis vorhanden ist, so stellt es sich in der Regel anders dar als beim L1-Lernen (vgl. auch Gopnik, Kuhl & Meltzoff 1999). Self-esteem Die (positive) Selbstschätzung bzw. das positive Selbstbewusstsein bestimmt nach demDMM die Bereitschaft, sich kommunikativ zu engagieren und zur Erreichung dieser Ziele Sprach(lern)anstrengungen zu unternehmen. Die Selbstschätzung hängt stark von der Selbsteinschätzung (perceived language competence) ab. Anxiety Daneben steht eine andere Emotion, die unmittelbaren Einfluss auf das Sprachenlernen nehmen kann, die Sprachangst nicht nur vor Sprachfehlern, sondern auch vor dem Nichterfüllen von Kommunikationserfordernissen, die das DMM als eigenen Faktor abträgt. Damit einher geht weiterhin: Anxiety is not merely a performance-related phenomenon (leading to communicative underachievement) but acquisition-related as anxiety will also reduce the toleration of communicative blunders, without affecting self-esteem. (Herdina & Jessner 2002: 139) 104 Metalinguistisches Bewusstsein Sowohl das DMM als auch das Faktorenmodell gehen davon aus, dass der multilinguale Mensch ein metalinguistisches Bewusstsein in Bezug auf sein Sprachenlernen entwickelt, was ihn in seiner kognitiven Kompetenz von Monolingualen unterschiedet. Metalinguistisches Bewusstsein (entwickelt) zu haben, bedeutet, über den Bau von Sprache Bescheid zu wissen, darüber reflektieren und sprechen zu können und die eigene Sprache entsprechend dieser Überlegungen analysieren und kreativ verändern zu können. Diese Aktivitäten setzensowohlsprachliche als auch kognitive Kompetenz voraus. Jessner (1999: 203) hebt die erhöhte Relevanz metalinguistischen Bewusstseins beim L3-Lernen hervor: This factor [metalingusitic awareness, B.H.] becomes more crucial in TLA than SLA, as a speedingup of the language-learning process can be expected with increased learning experience. This implies that the nature of the metalinguistic skills in multilinguals differs from those found in monolinguals through frequency of use. Wie bereits in den einleitenden Bemerkungen angedeutet, wird dieses Bewusstsein mit jeder weiteren Sprache, die gelernt wird, weiter ausgebildet und geschärft und beispielsweise für den gezielten Einsatz von Fremdsprachenlernstrategien eingesetzt. Pragmatische Sensibilität Im DMM werden die Begriffe interactional competence, communicative or pragmatic sensitivity genannt, um deutlich zu machen, dass multilinguale Personen hier über ausgeprägtere Fertigkeiten als bilinguale oder gar monolinguale Menschen verfügen, dass sie sich in ihrer Kommunikation sensibler auf ihre KommunikationspartnerInnen und die soziokulturelle Situation einstellen können: The use of two or more languages does not only show an effect on the cognitive skills of a bilingual, but also on the social skills. [...] These sociocultural behavior patterns include, for instance, the culturemes of politeness, greeting, thanking and addressing. (Jessner 1997: 22f.) D.h., mit dem Lernprozess von Sprachen geht ein Lernprozess anderer kognitiver und affektiver Fähigkeiten und Fertigkeiten einher: So wird z.B. in diesem Bereich vermutlich auch die Entwicklung und Ausbildung einer (in Deutschland viel diskutierten) interkulturellen Kompetenz (in verschiedenen Fertigkeiten und Bereichen) in Gang gesetzt werden, die allerdings ebenfallsvon lernerexternen Faktoren, die weiter unten kurz andiskutiert werden, wie dem Kontext und auch der Unterrichtsmethodik, abhängig sind und gesteuert werden (vgl. hierzu auch House 1996 und Edmondson & House 1998). Sprachlernstrategien Im Laufe der individuellen Sprachenlernbiografie erwirbt die Lernerin unbewusste und bewusste allgemeine Sprachlernstrategien, die das DMM, das Faktorenmodell und das FLAM als relevante Größen beim multiplen Spracherwerb ansehen, die vermutlich meist in Abhängigkeit vom metalinguistischen Bewusstsein gezielt beim Sprachenlernen eingesetzt werden: „Severallearners had mentioned them to be a substantial help in learning a new language“ (Hufeisen 2000b: 37). Interessant ist, dass mehrsprachige Befragte diese Sprachlernstrategien ohne spezifische Nachfragen nennen, d.h., sie wenden sie nicht nur an, sondern sie sind sich dessen bewusst und können darüber reflektieren und tun dies auch. 105 Fremdsprachenlernstrategien Davon zu unterscheiden sind bzw. im Rahmen der eben genannten Gruppe der Sprachlernstrategien betont das Faktorenmodell eigens die Fremdsprachenlernstrategien, die erst mit dem L2-Lernen angelegt und ausgebildet werden. Wenn jemand mit dem Lernen einer L2 beginnt, so ist die Lernsituation eine ganz neue und unbekannte. Dinge müssen mit einer neuen Bezeichnung versehen werden, fremde Texte müssen entschlüsselt werden; bis dahin war die L1 das für alles geeignete Kommunikationsmedium. Wenn nun ein Lerner mit dem Lernen einer L3 beginnt, so ist diese Situation nicht mehr unbekannt: Er kennt schon das Gefühl, nicht alles gleich sagen zu können, er hat (vielleicht) spezifische Fremdsprachenlernstrategien entwickelt und kann sie zur Beschleunigung des Lernprozesses einbringen. Er ist ein kompetenterer Fremdsprachenlerner als ein L2-Lerner. Mit jeder weiteren Fremdsprache erhöht sich das Repertoire an Fremdsprachenlernstrategien, und sie werden - wie Missler 1999 eindeutig nachgewiesen hat - um so häufiger und zielgerichteter eingesetzt, je mehr Fremdsprachen eine Lernerin lernt. Dieses Potenzieren konnte Missler bis zum Lernen einer L7 nachweisen. Wissen um eigenen Lerntyp Daraus ergibt sich im Rahmen des Faktorenmodells, dass die kompetentere Fremdsprachenlernerin vermutlich Wissen um den eigenen Lerntyp entdeckt, sammelt, weiter entwickelt und gezielt einsetzen kann und auch wird: Wer weiß, wie sie am besten Vokabeln lernt, wird genau diese Technik anwenden und nicht eine andere, von der sie weiß, dass sie nicht funktioniert. Ich gehe davon aus, dass die Ausbildung bzw. das Anwenden von Fremdsprachenlernstrategien mit der Erkenntnis und dem Wissen um den eigenen Lerntyp korreliert. Bislang können wir diesallerdings lediglich aus Interviewstudien und Sprachstandstest deduzieren (vgl. z.B. Kallenbach 1996; Missler 1999 oder Hufeisen 2000a). Language acquisition capacitiy und aptitude Abschließend für den Komplex lernerinterner Faktoren sollen die beiden Aspekte prinzipielle Spracherwerbs- und -lernfähigkeit und aptitude, die das Faktorenmodellund das DMM auflisten, erwähnt werden. Die prinzipielle biologische und physikalische Spracherwerbs- und -lernfähigkeit muss gegeben sein, um den Spracherwerbsprozess in Gang zu setzen und aufrecht zu erhalten. Die aptitude steuert sodann den tatsächlichen Verlauf sowohl des L1-Erwerbs als auch des Lernens der folgenden Sprachen. Der Streit, ob aptitude angeboren und unveränderlich ist oder nicht, ist inzwischen den Forschungserkenntnissen gewichen, dass sie bei der Geburt vorhanden ist, aber durch sprachliche Erst- und Vorerfahrungen, sprachlichen Input und Art des Inputs (aus)geprägt wird (vgl. beispielsweise Gopnik, Kuhl & Meltzoff 1999 und Missler 1999: 17-21). 4 Lernerexterne Faktoren Lernerexterne Faktoren sind diejenigen, die nicht aus dem Individuum heraus gebildet werden, sondern die von der Außenwelt ausgelöst und an das Individuum herangetragen werden, wie z.B. Qualität und Quantität des Inputs. Zu einem späteren Zeitpunkt können diese Faktoren zu lernerinternen werden, wie dies bei der Multifunktionalität und Unterschiedlichkeit der Funktionskomplexe wahrscheinlich ist: Zuerst benötigt jemand für berufliche Zwecke in der Sprache x allein eine hohe Lesekompetenz, die anderen Fertigkeiten und Kommunikationsfähigkeiten sind nicht relevant. Aus diesem externen Faktor entwickelt sichdann vielleicht ein interner, der bewirkt und steuert, dass die Lernerin automatisch diese eine Fertigkeit weiter ausbildet. Das Ecological Model listet im Vergleich mit den anderen Modellen die meisten lernerexternen Faktoren auf. 106 Lernumwelt und kultureller Kontext Während das FLAM und das Rollen-Funktions-Modell nicht auf lernerexterne Faktoreneingehen, listen das Faktorenmodell und das DMM die Lernumwelt und den Kontext als relevante Einflussgrößen auf. Gemeint sind beispielsweise Qualität und Quantität des Input sowohlbeimL1Erwerb als auch bei später zu lernenden Sprachen und die konkrete Lern- und Kommunikationssituation. Im Rahmen des Ecological Model ist der kulturelle Kontext die entscheidende Größe, weil der kulturelle Kontext die Bedingungen für das Format des Sprachenlernens schafft. Aronin und Ó Laoire fordern deshalb, dass weitere empirische Untersuchungen zum Spracherwerb angestellt werden, die insbesondere den kulturellen Kontext als zentrale Variable mit einbeziehen: Therefore, it is essential to study multilinguality in different cultural contexts. [...] it may be legitimateto assume that teaching the very same set of languages, in two distinctly different cultural contexts would yield different results. It may further be assumed in all probability, that teaching/learningmultilinguals in similar cultural contexts but with different or slightly different set of languages may have much in common. (Aronin & Ó Laoire, in Vorbereitung) Jessner (1999: 202) erwähnt in diesem Zusammenhang außerdem den sozialen (hohen, niedrigen oder, falls das möglich ist, neutralen) Status der Sprachen, ein Aspekt, der in der Regel überhaupt nur in soziolinguistischen Modellen bedacht wird. Dieser externe Faktor wird sich wahrscheinlich auf lernerinterne Faktoren wie beispielsweise die Motivation auswirken, eine bestimmte Sprache zu lernen. Multifunktionalität und Unterschiedlichkeit der Funktionskomplexe Jedes einzelne Sprachsystem übernimmt laut dem Ecological Model in jedem Lerner/jeder Lernerin verschiedene Funktionen: mündliche Kommunikation und/oder Vorträge haltenund/oder lesen und/oder übersetzen können usw. Die Funktionsbündel sind jedoch von Sprache zu Sprache verschieden. Sie werden durch die jeweiligen Ziele und Zwecke bestimmt, für die die jeweilige Sprache eingesetzt werden soll: In einer Sprache wird allein eine hohe Lesekompetenz gebraucht, aber keinerlei Kommunikationsfähigkeit. In einer anderenSprache genügenmündliche Sprech- und Verstehensleistungen, um in ihr zu funktionieren. Non-replication Aronin und Ó Laoire gehen im Ecological Model und Jessner im DMM davon aus, dass diese jeweiligen Funktionsbündel pro Sprache niemals identisch sind, sondern von Sprache zu Sprache unterschiedlich sind; jede Sprache hat ihr eigenes Set an Funktionen für ein unterschiedliches Set an Zielen. Daraus ergibt sich für sie die grundsätzliche Komplexität des Multilingualismus in einer jeden Person und - und diese Erkenntnis gilt für alle Modelle - eine hohe Individualität des Spracherwerbs- bzw. des Sprachenlernprozesses, der in seinem Verlauf nur sehr bedingt vorhergesagt werden kann. 5 Abschließende Bemerkungen Wenn wir davon ausgehen, dass alle Modelle im Wesentlichen zutreffend sind, wenn auch vielleicht noch nicht in jedem Falle umfassende Erklärungsansätze liefernund keinesfalsch ist,und wir uns die Einzelkriterien ansehen, so können wir feststellen, dass lernerexterne Faktoren und linguistische Faktoren sicher keineswegs irrelevant sind. Auch können gravierende Mängel bei einem dieser Faktoren, wie z.B. viel zu wenig oder nicht normgerechter Input, eine lernfeindliche Umwelt bzw. ein ungeeigneter Kontext den Lernfortschritt und Lernerfolg empfindlich hemmen 107 und stören, vielleicht im Einzelfalle sogar verhindern. Dennoch ist zu konstatieren, dassdie schiere Quantität an lernerinternen Faktoren und deren Qualität die entscheidende Rolle beim Sprachenlernen und seinem Erfolg zu spielen scheint. Letztendlich regelt das lernende Individuum (unerheblich ob bewusst oder unbewusst) das eigene Sprachenlernen, und linguistische und lernerexterne Faktoren begünstigen oder hemmen diesen Prozess, aber sie steuern ihn nicht. Die Quintessenz aus diesem Befund kann für den Fremdsprachenunterricht eigentlich nur in eine Richtung weisen, die z.B. auch von der kognitiven und der konstruktivistischen Didaktik und Methodik eingeschlagen wird (vgl. z.B. Wolff 1994, 1997, 1998, 2002; Wendt 2000). Der Unterricht (egal ob Präsenzunterricht, CALL, TELL, allgemeinesSelbststudium oder andere alte oder neue Unterrichtsformen) muss Impulse und Anreize schaffen und Hilfen verschiedener Art (u.a. für verschiedene Lerntypen) zur ständigen Verfügung stellen;diese Impulse aufnehmen, diese Hilfen in Anspruch nehmen und diese Anreize umsetzen, muss sodann jedes lernende Individuum selbstständig. In Bezug auf den Titel dieses Beitrages lässt sich so konstatieren: L1, L2, L3 und Lx sind nicht - wie manche Zweitspracherwerbsmodelle annehmen - alle gleich, sondern sie werden in unterschiedlichen Arten und Weisen und unter unterschiedlichen linguistischen, externen und internen Bedingungen erworben und erlernt, sie übernehmenganz verschiedene Funktionenund sie schaffen jeweils neue Voraussetzungen für die Lernenden in ihrer Kommunikationsfähigkeit und Spracherwerbsbiografie. 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