KOMMUNIKATIVE GRAMMATIK und-versus SYSTEMGRAMMATIK (Auszug aus einer Vorlesung, V.Janikova, Trnava 2003) 1. Kommunikative Grammatik Begriffsbestimmung Die Grammatik gilt unter vielen Fremdsprachenlernern nach wie vor als der Kern des Spracherwerbs und Sprachunterrichts. Infolgedessen wird der Grammatik häufig zu Lasten der Thematik große, wenn nicht sogar exklusive Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei gilt Grammatik im Unterricht, zum Teil mindestens, als Inbegriff der „reinen Sprache“, als Sprache, die von ihren funktionalen Bezügen, das heißt von ihrer Pragmatik, befreit ist. Ein solches Grammatikverständnis lehnt sich damit an eine Unterscheidung von Kompetenz (Theorie) und Performanz (Praxis) an, wie sie von der generativen Grammatik gemacht wird. So kommt es auch, dass Lerner und Lehrer, die an die Grammatik-Übersetzungsmethode gewöhnt sind oder nach dem Leitmotiv des Sprachenlernens statt einer kontextualisierten, kommunikativen Einführung und Verwendung der Grammatik suchen, häufig einen Unterricht bevorzugen, der in grammatische Vorträge und anwendungsbezogene Drillübungen in laborartiger Umgebung unterteilt ist (vgl. Roche 2001, 128). Das Resultat war, oft eine fehlerhafte Sprachverwendung in Realsituationen trotz teilweise beträchtlicher Kenntnisse des Regelsystems. Im Vergleich zu traditionellen, grammatikorientierten Unterrichtsmethoden sind pragmatisch-funktionale Ansätze der Grammatikvermittlung noch relativ neu (vgl. Roche 2001, 128). Hinter dem Begriff kommunikative Grammatik steht eine ganz bestimmte sprachdidaktische Konzeption. Sie geht davon aus, dass die Menschen insgemein nicht reden, um einfach und irgendwie miteinander zu reden, sondern dass sie sich etwas mitteilen oder erfahren wollen, dass sie etwas präzisieren, abschwächen, betonen wollen und vieles Andere mehr. Das aber sind allesamt keine grammatischen Kategorien, sondern Kategorien der Kommunikation: man verständigt sich, weil man im Hinblick auf den/die anderen bestimmte Bedürfnisse hat, und man spricht miteinander, weil man Bedürfnisse nur mit sprachlichen Mitteln ausdrücken und letzten Endes erfüllen kann. Im Wesentlichen geht es darum, dass wir immer, wenn wir reden, Sprechhandlungen vollziehen. Wir können überhaupt nicht anders, als beim Reden zugleich mitzuteilen, zu fragen, zu loben oder zu tadeln, aufzufordern oder zu verbieten, zu danken oder uns zu entschuldigen. Diese Sprechhandlungen beziehen sich in der Regel auf Sachverhalte, wollen diese feststellen, fordern oder kritisieren etc. Oft werden solche Sachverhalte nicht bloß übermittelt, sondern zugleich einer Bewertung durch den Sprecher unterworfen; er kann sie auf eine bestimmte Art einschätzen. Die Sachverhalte ihrerseits bestehen erstens aus „Sachen“, womit Personen oder Gegenstände gemeint sind, die wir als Größen bezeichnen; zweitens aus dem Verhalten dieser Größen, das sich gewöhnlich als Zustand, Vorgang oder Handlung manifestiert; drittens aus den zeitlichen, räumlichen oder sonstigen Umständen, unter denen Zustände, Vorgänge, Handlungen wirklich sind. Schließlich können die Größen und Umstände präzisiert, negiert oder auf mannigfache Art miteinander verbunden werden (vgl. Engel/Tertel 1993, 7-8). Linguistisch gesehen bildet die Grundlage für die kommunikative Grammatik der pragmalinguistische Ansatz, der den Zweck, die Wirkung, den Ablauf und die Struktur von Kommunikationsabläufen in die Betrachtung miteinbezieht. Entsprechend wurden auch viel mehr die linguistischen Disziplinen wie Textlinguistik und kontrastive Linguistik miteinbezogen. Dabei aber darf nicht vergessen werden, dass die sog. „Systemgrammatik“ ihren Platz im Unterricht dadurch nicht verliert. Man kann sagen, dass jeder kommunikativen Kategorie letzten Endes eine systemgrammatische Kategorie zugeordnet wird. Effekt eines solchen Eindringens in die Sprachstruktur ist aber nicht nur, dass man am Ende alle Begriffe und Regeln beherrscht, auf denen das Funktionieren einer Sprache beruht, also deren gesamte Systemgrammatik im gewohnten Sinn – das könnte man wahrscheinlich billiger bekommen – indem man zu einer oder weniger herkömmlichen Sinne beschreiben. Den Hauptfeld der Beschäftigung mit unserer Sprache siehe man vielmehr darin, dass Begriffsystem und Regelwerk nicht einfach dargelegt, sondern begründet, und zwar im Hinblick auf die sprachliche Verständigung der Menschen untereinander begründet werden. Systemgrammatik sei als ein willkommenes Hilfsmittel zur besseren Beherrschung der Sprache verstanden werden. 2. Hauptmerkmale der Vermittlung von kommunikativer Grammatik Ausgehend von oben ausgeführten linguistischen, psycholinguistischen und lernpsychologischen Überlegungen und Erwägungen kann man folgende Hauptmerkmale der kommunikativen Grammatik skizzieren: a) Einbeziehung von Texten: Äußerung und Text als Gegenstand der Sprachbeschreibung Zum Erfassen einer grammatischen Struktur in ihrer kommunikativen Funktion reicht die Analyse auf der Wort- und Satzebene nicht aus. Grundlage einer solchen Untersuchung müssen kontextbezogene Äußerungen sein, aus denen Zweck und Aussageintention der verwendeten Grammatikstruktur klar zu ersehen sind. b) Einbeziehung der kontrastiven Linguistik – Berücksichtigung der Muttersprache. Psycholinguistische Untersuchungen haben bestätigt, dass das Erlernen einer Fremdsprache vor dem Hintergrund der Muttersprache erfolgt (vgl. Voit/Martini 1993, 49). Entsprechend sollte der Grammatikunterricht auch auf Lernstrategien zurückgreifen, die bereits beim Erlernen der Muttersprache erfolgreich angewandt wurden, und besonders in der Anfangsphase eher Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten mit der Muttersprache aufzeigen als die Schwierigkeiten der zu erlernenden Fremdsprache betonen. c) Grammatik als Werkzeug sprachlichen Handelns Legt man oben den genannten pragmalinguistischen Ansatz zugrunde, so muss nicht nur die Vermittlung grammatischer Formen, sondern auch die ihrer kommunikativen Funktion Gegenstand des modernen Grammatikunterrichts sein. Die Verstehungsleistung sowie kontext- und situationsangemessener Ausdruck werden damit ebenso wichtig wie die konkrete Bildungsweise eines Satzes (vgl. Janíková/McGovern 2001, 36). d) Lerner sprechen und handeln in einem sinnvollen Kontext als sie selbst und nicht als Lehrwerkfiguren Nicht das Erlernen korrekter Formen ist das eigentliche Ziel des Grammatikunterrichts, sondern „der intentions- und situationsadäquate Gebrauch dieser Mittel durch den Lernenden“ (Goetze 1993, 4). Der Grammatikunterricht muss also den Lerner dazu befähigen, eigene Aussageabsichten in sprachlich angemessener Form umzusetzen. Es sollten daher auch authentische Sprech- und Schreibanlässe angeboten werden, die die Verwendung der gelernten Strukturen zwingend erforderlich machen (vgl. Janíková/McGovern 2001, 37). e) Zum Grammatiklernen motivieren Es ist nötig, Grammatik nicht mehr als ein ödes und domiges Beiwerk zum erfolgereichen Sprachgebrauch sein, der versteht, warum jede Sprache ihre Grammatik braucht. Zu erwähnen sind dabei z.B. motivierende und aktivierende Arbeitsmethoden, spielerische Aktivitäten, induktive Grammatikvermittlung, authentische Texte und Kontexte, die den Interessen und Bedürfnissen der Schüler entsprechen. f) Lernstrategien im Unterrichtsprozess zum Thema machen Im Zusammenhang mit kommunikativer Grammatik sind sowohl Sprachlern- als auch Sprachgebrauchsstrategien. Zur Gruppe der Sprachlernstrategien kann man z.B. die Ableitung einer Grammatikregel aus Beispielen oder das Anwenden einer Grammatikregel in Übungen zuordnen. Zu den Sprachgebrauchsstrategien gehören vor allem „die sogenannten Kompensationsstrategien, die zum Ziel haben, ein Gespräch in Gang zu halten, auch wenn man nicht über alle benötigten sprachlichen Mittel verfügt“ (Bimmel 1993, 7).