V Unterrichtsformen und Methoden Nardi, Antonella (2006): Der Einfluss außersprachlicher Faktoren auf das Erlernen des Deutschen als Fremdsprache. Gruppenspezifische Unterschiede am Beispiel von Profilen und Lerntagebüchern zweier italienischer Gymnasialklassen. Dissertation Universität Zürich, http://www.dis-sertationen.unizh.ch/2006/nardi/diss.pdf [02.07.2009]. Peschel, Falko (2004): Ganz normale Kinder. Differenzierung von oben oder Individualisierung von unten. In: Heterogenität. Unterschiede nutzen - Gemeinsamkeiten stärken. Friedrich Jahresheft 22, 21-23. Prengel, Annedore (2004): Spannungsfelder, nicht Wahrheiten. Heterogenität in pädagogischdidaktischer Perspektive. In: Heterogenität. Unterschiede nutzen - Gemeinsamkeiten stärken. Friedrich Jahresheft 22, 44-46. Ratzki, Anne (2007): Chancen der Vielfalt. In: Boller/Rosowski/Stroot (2007a), 66-77. Roth, Gerhard (2003): Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert. Frankfurt a. M. Ruf, Urs/Frei, Nicole/Zimmermann, Tobias (2004): Wie Schüler aus ihren Fehlern lernen. In: Heterogenität. Unterschiede nutzen - Gemeinsamkeiten stärken. Friedrich Jahresheft 22, 98-101. Sarter, Heidemarie (2006): Einführung in die Fremdsprachendidaktik. Darmstadt. Schwerdtfeger, Inge C. (2001): Gruppenarbeit und innere Differenzierung. Berlin. Wischer, Beate (2007): Heterogenität als komplexe Anforderung an das Lehrverhalten. In: Boller/ Rosowski/Stroot (2007a), 32-41. Wunsch, Christian (42006): Binnendifferenzierung. In: Jung (2006), 41-47. Sabine Hoffmann 35 Sozialformen Die Sozialformen im Unterricht bezeichnen die Art der Zusammenarbeit von Lernenden und Lehrenden sowie den Lernenden untereinander. Hierbei werden Frontalunterricht, Gruppen-, Partner- und Einzelarbeit unterschieden und davon die Veranstaltungsformen wie Kleingruppen- und Einzelunterricht (vgl. Abendroth-Timmer 2003), aber auch übergreifende Modelle wie Projektunterricht (■- ► Art. 43) abgegrenzt. Im letzten Jahrhundert hat sich im Zuge reformpädagogischer Erneuerungsschübe die Vorstellung von dem, was institutionalisiertes Lehren bedeutet, entscheidend gewandelt. Lange Zeit verstand man darunter vorwiegend ein Vorgehen, bei dem die Lehrenden das Unterrichtsgeschehen unter Einsatz von Beschreibungen, Erklärungen oder Illustrationen sowie durch gezieltes Aufrufen und Fragen gestalten bzw. steuern, Bei der Vermittlung moderner Fremdsprachen fällt unter diesen sogenannten Frontalunterricht z.B. auch das Vorsprechen-/Nachsprechen-Lassen, lautes Lesen oder Diktate. Während Hallet (2006: 82 f.) davon die Arbeit im Plenum abgrenzt, sieht Walter „in den Plenumsphasen eine modifizierte Form des frontalen Fremdsprachenunterrichts" (2003: 253). Auch Meyer/Meyer (1997) erweitern das Konzept und zählen dazu Schülerpräsentationen, Referate und Vorträge, aber auch Rollenspiele oder das Anschauen von Filmen in der Großgruppe. Ein wesentliches Kennzeichen dieser Methode, ihre Lehrerzentriertheit, wird damit merklich abgeschwächt, was bleibt ist die 164 35 Sozialformen Grundkonstellation von Unterrichtenden und Unterrichteten und damit die unidirek-tionale Weitergabe von Wissen. Unverändert sind auch die Anforderungen: aufmerksames Zuhören, Mitdenken und das Zurückstellen eigener Stellungnahmen bei den Lernenden; auf der Sprecherseite fachliche Kompetenz, geschickte Wortführung und ansprechende Präsentationstechniken, denn frontale Darbietungen vermitteln Informationen, stoßen zum Denken an und wollen nachvollzogen werden, dazu müssen sie in irgendeiner Weise die Zuhörer fesseln. So erhält der Lehrervortrag die Funktion einer ,,darstellend-entwickelnde[n] Vortrags-Methodik" (Meyer/Meyer 1997: 36), setzt aber eine homogene Lerngruppe mit ähnlichem Vorwissensstand voraus, da sonst der hier gegebene Input nur geringfügig beim Schüler ankommt und der Leineffekt folglich bescheiden ausfällt. Das Risiko, Lernstoff (z.B. landeskundliche Themen) in dieser Art zu präsentieren, besteht sicherlich darin, dass dieser nicht als eine Sicht auf den geschilderten Sachverhalt - nämlich die des Lehrenden - wahrgenommen, sondern meist passiv übernommen und damit auch bald wieder vergessen wird. Neue Ansätze aus Erkenntnistheorien, Lernpsychologie und Soziologie führen seit den 1970er Jahren zu einer vorrangig pragmatischen Orientierung der Fremdsprachendidaktik. Vor diesem Hintergrund kommt eine wesentliche Rolle der Interaktion (-> Art. 41) zu, die Bewusstmachungsprozesse initiiert (Hoffmann 2008) und bis in den Bedeutungsaufbau hinein wirkt (Königs 2005: 456). Formen gemeinsamer Aufga-benbewältigung werden aber auch durch das fächerübergreifende Ziel der Autonomieförderung favonsiert, die Schüler in die Lage versetzen soll, ihre Lernprozesse zu reflektieren und diese den eigenen Bedürfnissen in sich verändernden Bedingungen anzupassen; und das erfordert in der Auseinandersetzung (mit sich und Andersdenkenden) trainierte Lernende. Nicht zuletzt kommt dazu, dass kommunikative Kompetenzen aui die Anwendung von Sprachen im Beruf vorbereiten. Kooperatives Lernen Kooperative Lernformen lassen sich einmal in Partnerarbeit realisieren, die sich besonders für die Vertiefung überschaubarer Einheiten anbietet; sie eignet sich auch zum Einüben eines vorher behandelten sprachlich-grammatischen Stoffs. Zum Lernerfolg trägt wesentlich die Partnerwahl bei. Hierbei sollte der Lehrende die Kriterien festlegen und davon abhängig den Partnerwechsel bestimmen. Die (Klein-)Gruppenar-beit ermöglicht dagegen Aushandlungsprozesse auf breiter Ebene. Um die Brüchigkeit dieser recht delikaten sozialen Gefüge zu verringern, sollte vor Beginn der Arbeit ein gemeinsames Grobziel festgelegt werden. Bei der Wahl der Gruppenmitglieder ist den Lernenden ein größeres Mitspracherecht einzuräumen als bei der Partnerarbeit, aber auch hier müssen bestehende Rollen in der Klasse berücksichtigt werden. Eingefahrene Verhalten reproduzieren sich natürlich in der Kleingruppe, aber veränderte Rahmenbedingungen rütteln an stabil geglaubten Strukturen und routinierten Lernverfahren: „Je nach der Sozialform, die im Unterricht eingesetzt wird, bzw. dem Wechsel, der zwischen ihnen vollzogen wird, wandeln sich die Rollen und damit verbunden 165 V Unterrichtsformen und Methoden die Aufgaben der Lehrenden/Lernenden. Die Sozialformen sind also keine Techniken, sondern lösen stets andere soziale Prozesse zwischen den Lehrenden/Lernenden und den Lernenden untereinander aus. Diese sozialen Prozesse haben Auswirkungen auf die in ihnen stattfindenden fremdsprachlichen Lemvorgänge." (Schwerdtfeger 2003a: 247) Ob solche Prozesse konstruktiv genutzt werden, hängt von der Atmosphäre ab, die in der Klasse herrscht. Mittlerweile gilt als empirisch belegt, dass ein positives soziales Klima nachhaltig zu einem gelungenen Unterricht beiträgt (vgl. Dann/Diegritz/ Rosenbusch 1999, 2002, Fischer 2006). Gruppen, deren Mitglieder auf gegenseitige Akzeptanz zählen können, nutzen die Ressourcen vielfältiger Lernangebote in der Zusammenarbeit und einer dynamisch angelegten wechselseitigen Wissensvermittlung. Ob Einzelarbeit im Unterrichtsgeschehen eingesetzt werden kann, bestimmt die Gruppenkonstellation. Auf sich konzentriertes Arbeiten im Klassenkontext ist sicherlich schwierig für alle gleichzeitig zu verwirklichen, da hier der persönliche Arbeitsrhythmus des Lernenden zu respektieren ist und individualisiertes Feedback vom Lehrenden eingefordert, wird. Abgesehen von diesen organisatorischen Schwierigkeiten sind Phasen, in denen Lernende sich selbst evaluieren, gedankliche Fäden weiterspinnen und Gedächtnisarbeit (Vokabellernen, Fakten und Regeln speichern usw.) leisten müssen, unabdingbar für das Erlernen einer Fremdsprache. Wahrscheinlich werden sie aber häufig in den Hausaufgabenbereich ausgelagert. Sozialformen - Formen des methodischen Zugangs Zahlreiche Untersuchungen belegen in der Praxis die Vorrangstellung lehrerzentrierten Unterrichts. Der Vorliebe der Lehrer für diese Unterrichtsform scheint der Hang der Schüler nach dem „Richter und Manager" (Reitbauer/Vaupetitsch 2004: 246 f.) zu entsprechen, allerdings sind an dieser Stelle genauso die Klagen über langweilige Lehrerdiskurse und ständige Vorgaben anzuführen (Meyer/Meyer 1997: 34). Meyer/Meyer nennen fünf Gründe für die Beliebtheit von Frontalunterricht (bei Lehrenden): Er ist kostenniedrig, in seiner klaren Rollenzuordnung einfach zu managen, liefert dem Lehrer (momentane) Erfolgserlebnisse, ist ökonomisch und sichert die Disziplin im Klassenzimmer. Dass es zu all diesen Argumenten jeweils ein Gegenargument gibt, liegt auf der Hand, und es wird von den Autoren auch gleich mitgeliefert. Sicherlich sind Rollenzuweisungen und sie stützende Überzeugungen schwer zu unterlaufen, darüber hinaus beunruhigt die Aufweichung gewohnter Handlungsstrukturen, abgesehen davon, dass ihre Veränderungen anstrengend sind. Berechtigt ist auch die Furcht davor, dass die Unsicherheit, wenn Rollen aufbrechen, in Undiszipliniertheit ausufert. Um dem entgegenzuwirken, schlägt Schwerdtfeger Maßnahmen zur Integration von Sozialformen vor (Schwerdtfeger 2003a: 250 f.), so dass die Schüler langsam zu selbstgesteuerten Arbeitsformen hingeführt werden. Dabei gilt es, Schwächere in ihren Stärken zu bekräftigen und Stärkeren ihre Funktion für die Gruppe bewusst zu machen, damit von kooperativen Sozialformen gleichermaßen profitiert wird. Wichtig sind am Anfang auch klare bzw. geschlossene Arbeitsaufträge, um allmählich zu freien Aufgabenstellungen zu gelangen (Schwerdtfeger 2003b: 256). 166 35 Sozialformen Sozialformen stellen verschiedene methodische Zugänge, aber keine Patentrezepte für das Lernen dar. Ihr jeweiliger Einsatz eignet sich mehr oder weniger für bestimmte Phasen im Lernprozess, wie die Entdeckung, Problemerfassung, Verarbeitung und das Einüben eines Phänomens. Sie sind nicht durch Themen oder den zu behandelnden Stoff bedingt - zumindest nicht in der Fremdsprachendidaktik. So kann nach einer kurzen Einführung ein gut aufgebautes und übersichtliches Tafelbild zur Adjektivde-klination im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht an einem humanistischen Gymnasium wirkungsvoller sein als die schülereigene Entdeckung des Phänomens anhand eines Textes. Das bietet sich sicherlich als der geeignetere Zugang bei Schülern an, die auf keinerlei Regelwissen aus anderen Sprachen verfügen und denen die Tatsache völlig fremd ist, dass nicht nur die attributiven Adjektive dekliniert werden, sondern dabei sowohl auf das folgende Nomen als auch auf das vorausgehende Wort zu achten ist. In der einen Klasse ist es ratsamer, mündliche Übungen auf die Kleingruppen zu begrenzen, während in einer zusammengeschweißten Klassengemeinschaft geleitete Diskussionen weder ins Chaos ausarten noch vom Lehrer ständig angekurbelt werden müssen. Wenn der durchzunehmende Stoff keine Vorgaben für die Wahl der Sozialform liefert, so sind offensichtlich die jeweilige Gruppensituation, aber auch die Persönlichkeitsmerkmale der Lehrenden und der Lernenden dafür entscheidender. Letztbezüglich gilt, dass beiden die Möglichkeit gegeben werden sollte, da anzusetzen, wo sie ihre Stärke vermuten, denn nur darauf kann die Erweiterung des individuellen Lehr- und Lernrepertoires aufbauen. Das verlangt vom Lehrenden eine doppelte Verantwortung: sich selbst gegenüber in der Bereitschaft, neue Zugänge kennenzulernen und auszuprobieren, und in Bezug auf den Lernenden, dem er mit einem methodisch abwechslungsreichen Unterricht verschiedene Zugänge liefert. Während er damit dem einen Schüler sein gewohntes Vorgehen garantiert, zeigt er dem andern gleichzeitig neue Lernwege auf und schöpft damit das Potenzial von Sozialformen ergiebig aus, das in seiner kompetenten und flexiblen Handhabung liegt (Gudjons 2002: 9). 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Stuttgart. 167 V Unterrichtsformen und Methoden Hoffmann, Sabine (2008): Selbstreflexion und Evaluierung von Fremdsprachenlernprozessen in der Projektarbeit. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 19/2, 209-246. Königs, Frank G. (2005): Konstruktiv: ja bitte! Konstruktion: warum nicht - aber Konstruktivismus? Gedanken zur Verbindung zwischen einer Lerntheorie und dem Fremdsprachenunterricht in einem Sprachlernzentrum. In: Eva C. Van Leewen (Hrsg.): Sprachenlernen als Investition in die Zukunft. Wirkungskreise eines Sprachlernzentrums. Festschrift für Heinrich P. Kelz zum 65. Geburtstag. Tübingen, 447-463. Meyer, Hilbert/Meyer, A. Meinert (1997): Lob des Frontalunterrichts. Argumente und Anregungen. In: Meinert A. Meyer/Ute Rampillon/Gunter Otto/Ewald Terhart (Hrsg.). Friedrich Jahresheft 15, 34-37. Reitbauer, Margit/Vaupetitsch, Renate (2004): Die E-Rolle und die K-Rolle: Lehrerrollen zwischen Emotion und Kognition. In: Wolfgang Börner/Klaus Vogel (Hrsg.): Emotion und Kognition im Fremdsprachenunterricht. Tübingen, 242-262. Schwerdtfeger, Inge C. (2003a): Sozialformen: Überblick. In: Bausch/Christ/Krumm (2003), 247-251. Schwerdtfeger, Inge C. (2003b): Gruppenunterricht und Partnerarbeit. In: Bausch/Christ/Krumm (2003), 254-257. Walter, Gertrud (2003): Frontalunterricht. In: Bausch/Christ/Krumm (2003), 251-254. Sabine Hoffmann 36 Motivation Einleitung Wird nach den Gründen für schnelle Fortschritte und Erfolg beim Fremdsprachenlernen gefragt, wird gern auf individuelle Lernervariablen verwiesen. Insbesondere die Erklärungskraft der big Zwo, nämlich Sprachlerneignung (languuge aptitude) und Motivation, ist in der internationalen Fremdsprachenforschung unbestritten - wobei der Faktor Sprachlerneignung sogar noch etwas höher bewertet wird als der Faktor Motivation. Da die Sprachlerneignung als tief in der kognitiven Struktur eines Individuums verankert und als kaum von außen zu verändern gilt, ist der Faktor Motivation für die Fremdsprachendidaktik vielversprechender, denn hier wird beachtliches Interventionspotenzial durch angepasste Unterrichtsformen, -inhalte und -materialien sowie durch die Persönlichkeit, Haltung und methodisch-didaktische Kompetenz der Lehrkraft gesehen. Motivation ist ein affektiver Faktor, der aus unterschiedlichen, sich überlappenden, komplementären und interdependenten Komponenten gespeist wird, die in der Persönlichkeit und Biografie des Lernenden, in seinen Einstellungen und Orientierungen gegenüber der zu erlernenden Fremdsprache und der damit verbundenen Kultur sowie in den Ausgestaltungen seiner Lernumgebung und seines soziokulturel-len Milieus bedingt sind. Motivation kann sich im Laufe der Zeit ändern, manchmal die Ursache, manchmal aber auch die Folge von erfolgreichem Fremdsprachenlernen sein. Motivation ist also multidimensional und dynamisch - und kann nicht direkt beobachtet werden. 168