Kooperatives Lernen Teamlernstrategien und wie sie funktionieren können VON ANNELIEN HAITINK UND JACQUES HAENEN Freitagmorgen, dritte Stunde. Die neunte Klasse einer Amsterdamer Realschule hat Deutsch. An den Wänden hängen Wandzeitungen und Gedichte, die die Schülerinnen und Schüler in den letzten Wochen hergestellt haben. Vorne sitzen drei Mädchen und ein Junge mit einem großen Blatt Papier und Filzschreibern. Sie reden darüber, was sie in einem Kassettenbrief an eine deutsche Briefpartnerin über ihren Tagesablauf sagen könnten. Sie fragen sich, was ihre Briefpartnerin daran eigentlich interessant finden könnte. Auf dem Blatt Papier entsteht ein Assoziogramm. Ganz hinten, am Computer, sitzen eine Schülerin und ein Schüler. Sie schreiben eine E-Mail an einen deutschen Briefpartner. An einem anderen Tisch sitzen vier Schüler, die kurz vorher in Zweiergruppen an einem Brief gearbeitet haben. Jetzt legen sie sich ihre Konzepte vor. Einer von ihnen meint, es würde eine gleichaltrige deutsche Schülerin vielleicht gar nicht besonders interessieren, welche Schulfächer in den Niederlanden auf dem Programm einer 9. Klasse stehen. „Die interessiert sich vielleicht viel mehr dafür, ob das wirklich stimmt, dass Haschischrauchen bei uns erlaubt ist." Die anderen lachen. Eine meint, sie sollten ihre Briefe („nur zur Sicherheit") doch noch mal dem Lehrer vorlegen, bevor sie verschickt werden. Was sich hier abspielt, nennt sich kooperatives Lernen, eine effektive und natürliche Arbeitsweise, die für Schülerinnen und Schüler motivierend ist und dazu beiträgt, dass sie das Beste aus sich selbst und aus anderen hervorholen. Forschungsergebnisse (Slavin, 1996) haben gezeigt, dass diese Art des Lernens positive Auswirkungen haben kann - und zwar nicht nur im kognitiven Bereich, sondern auch auf die Arbeitshaltung und die Motivation der Lernenden. Was dabei geübt wird? Nicht nur Deutsch, sondern auch soziale Fertigkeiten wie: sich gegenseitig anhören, andere um Feedback bitten, anderen Feedback geben oder sich gegenseitig helfen. Andere Studien (Marzano et al., 2001) haben darüber hinaus gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler besonders viel lernen, wenn sie über Inhalte diskutieren, persönliche Erfahrungen austauschen oder Mitschülern Fachinhalte erklären. Die Lehrerrolle besteht beim kooperativen Lernen vor allem darin, eine sichere, entspannte Arbeitsatmosphäre herzustellen. Und wenn das Lehrwerk keine passenden Aufgaben für kooperatives Lernen bietet, müssen Lehrer oder Lehrerin sich entsprechende Aufgabenstellungen ausdenken, Aufgaben, die für die Lernenden inhaltlich interessant, bedeutungsreich, motivierend und funktional sind. In der Unterrichtsstunde selbst besteht die Arbeit der Lehrerin/des Lehrers vor allem darin, die Aktivitäten der Lernenden zu strukturieren und zu begleiten. Motivation Anforderungen an Teamaufgaben Kagan (1994), ein amerikanischer Experte in diesem Bereich, hat die Hauptmerkmale des kooperativen Lernens in vier Empfehlungen zusammengefasst (Kasten 1). Diese Empfehlungen im Einklang mit dem Lehrbuch in die Unterrichtsplanung einfließen zu lassen, ist für die Lehrerinnen und Lehrer nicht immer Einige Grundprinzipien für „kooperatives Lernen" 1. Positive gegenseitige Abhängigkeit Die Schülerinnen und Schüler müssen einen Grund haben, um zusammenzuarbeiten. Sie kommen nur durch Kooperation zu ihrem Ziel oder Endprodukt. 2. Individuelle Verantwortlichkeit Jeder Schüler, jede Schülerin muss einen individuellen, kontrollierbaren Beitrag zur Entstehung dieses gemeinsamen Endproduktes liefern. 3. Gleichwertiger Beitrag Alle Beiträge sind gleichwertig und erkennbar. 4. Simultane Interaktion Alle Teams arbeiten gleichzeitig und nutzen die Unterrichtszeit effektiv. in Anlehnung an Kagan 1994 einfach. Meistens bietet das Lehrwerk nur wenige Aufgaben, bei denen die Lernenden zusammenarbeiten müssen. Darüber hinaus muss eine gute Aufgabe bestimmten Anforderungen entsprechen, was in vielen Lehrwerken nicht der Fall ist. Eine Aufgabe, die kooperatives Lernen fördert, zeichnet sich durch zwei Merkmale aus. ► 1. Die Aufgabe muss inhaltsreich und authen- tisch sein, damit verschiedene Fertigkeiten geübt werden können. ► 2. Die kommunikativen Teilziele der Aufgabe müssen zu einem Endprodukt führen, über welches die Lernenden ihre erworbenen Kenntnisse austauschen und dadurch vertiefen können. Auch die Art des sozialen Kontakts beim Lösen der Aufgabe spielt beim kooperativen Lernen eine große Rolle: Die Lernenden arbeiten auf eine Präsentation ihrer Zwischen- und Endprodukte für ein interessiertes Publikum hin. Deshalb fühlen sie sich verantwortlich und beschäftigen sich ernsthaft mit der Lösung der Aufgabe. Das Schreiben einer Geschichte zum Beispiel lernen sie, indem sie für ein echtes Leserpublikum schreiben, welches die Geschichte interessant genug finden muss, um seine Meinung dazu zu äußern. Ein interessanter und attraktiver Inhalt spielt dabei eine ebenso große Rolle wie die verwendete Sprache, also passender Wortschatz, Grammatik und Rechtschreibung. Kassettenbriefe oder E-Mails zum Beispiel richten sich an reale Personen, die zurückschreiben und auf den Inhalt reagieren. Dass solche Schreibprodukte letztendlich auch von der Lehrerin oder vom Lehrer beurteilt werden, ist offensichüich, dennoch ist die Note nicht der wichtigste Motivationsfaktor, sondern die Herausforderung, sich etwas für andere (für Mitlernende) oder jemanden außerhalb der schulischen Umgebung auszudenken. Bei dieser Art der Präsentation und des Austauschs spielen auch Kreativität, Sensibilität fürs Publikum und der Umgang mit Medien eine Rolle. Die Schülerinnen und Schüler können also ihre Talente zeigen und auf ihre Person aufmerksam machen. Wenn sie dafür Lob und positives Feedback bekommen, wirkt das wiederum motivierend. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie voneinander lernen und das von den anderen übernehmen, was ihnen hilft, die eigenen Leistungen zu verbessern. Für die Lernenden sind diese Seiten des kooperativen Lernens attraktiv, weil der Unterricht lebendiger wird und es in der Klasse auch um sie selbst geht. Tiefenlernen Warum ist der soziale Kontext so wichtig? Deutschlernende engagieren sich eher für eine Aufgabe, wenn sie wissen, dass sie das Ergebnis ihrer Arbeit einem interessierten Publikum vorstellen werden. Durch den Nutzen, den sie in ihrer Arbeit sehen, setzt sogenanntes Tiefenlernen ein (Biggs & Moore, 1993). Tiefenlernen ist das Gegenteil von oberflächlichem Lernen, wie z.B. das extrinsisch motivierte Lernen für eine Klassenarbeit. Tiefenlernen findet statt, wenn die Lernenden Informationen verarbeiten, sie in eigene Worte fassen, Ausdrücke übernehmen, Textteile kategorisieren, kombinieren oder strukturieren und eigene Ideen entwickeln, bis etwas Neues entsteht. Durch kooperatives Arbeiten können sie ihr Denken und Handeln im Vergleich mit anderen auf die Probe stellen und die Anwesenheit der Mitlernenden nutzen, um zu üben und Hilfe oder Feedback zu bekommen. Sie beschäftigen sich bewusst und intensiv mit sich selbst, mit anderen und mit der Sprache. Dabei entwickeln sie Fertigkeiten, welche sie auch in anderen Schulfächern oder außerhalb der Schule nutzen können. So können z.B. Schreibfertigkeiten, die in anderen Schulfächern erworben wurden, sehr nützlich im Fach Deutsch sein. Zwischen- und Endprodukte Die soziale Komponente des Lernens ist besonders wichtig beim Entwerfen längerfristiger Aufgaben, die mit einer Präsentation der Ergebnisse außerhalb der Klasse enden. Aber auch bei kurzen Aktivitäten, die nicht mehr als 20 Minuten der Unterrichtszeit in Anspruch nehmen, arbeiten die Schülerinnen und Schüler sowohl gemeinsam als auch individuell an Teilaufgaben oder Zwischenprodukten, deren Ergebnisse sie regelmäßig ihren Teams oder der ganzen Gruppe vorstellen. Produkte sind z.B. die (vorläufigen) Ergebnisse von kommunikativen Aufgaben, welche die Schülerinnen und Schüler gemeinsam bearbeitet haben und die untereinander oder mit dem Lehrer bzw. der Lehrerin besprochen werden können. Auf diese Weise können die Schülerinnen und Schüler zeigen, wie sie selbst den Stoff zu etwas Neuem verarbeitet haben. Die Palette möglicher (Zwischen-) Produkte ist breit: eine Idee, eine Meinung, eine Behauptung, eine Problemstellung, ein Plan, ein Kassettenbrief, ein Video, ein Sketch, ein Gedicht, ein Lied, ein Rap, eine Speisekarte, eine Broschüre, eine Zeitung, ein Kalender, Nachrichten, ein Spiel, ein Bericht usw. Solche Produkte können einige Arbeitswochen in Anspruch nehmen oder sind das Ergebnis einer 10-bis 20-minütigen Unterrichtsaktivität. Kasten 2 Sechs Aufgabentypen 1 Sammeln und ordnen ... führt zu einer Aufstellung von Wörtern und Assoziationen zu einem bestimmten Thema oder zu einem Gedankenschema. Sammeln und ordnen muten fantasielos an, aber bei diesen Tätigkeiten können bestimmte mentale Handlungen ausgeführt werden, z.B.: ► Brainstorming in der Klasse, zu zweit oder im Team; dabei bringen die Lernenden ihr Vorwissen und ihre Erfahrung ein, denken sich Fragen zum Lernstoff aus, die sie Mitschülern oder anderen Personen stellen, um mehr über das Thema in Erfahrung zu bringen. 2 Ordnen und sortieren ... führt zu einem Schema, einer Grafik, einem Diagramm, einer Rangliste, einer Tabelle oder Ähnlichem. Dabei werden folgende mentale Handlungen ausgeführt: ► Handlungen oder Ereignisse chronologisch ordnen, ► eine Rangfolge für persönlich oder allgemein bedeutungsvolle Informationen aufstellen, ► Informationen nach Themen oder nach selbst erdachten Kategorien ordnen. 3 Vergleichen ... von Texten unterschiedlicher Textsorten und dabei Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausstellen. Dabei werden folgende mentale Handlungen ausgeführt: ► auswählen und kombinieren von Texten und Textteilen, ► Gemeinsamkeiten suchen, ► Unterschiede feststellen. 4 Untersuchungen ausführen Hierbei handelt es sich um komplexe Aufgaben, bei denen die Lernenden verschiedene Handlungen ausführen: planen, begründen, logisch denken, Hypothesen aufstellen, über die Herangehensweise verhandeln, über Alternativen nachdenken, über Synthese nachdenken und die Ergebnisse präsentieren. Dabei müssen sie Texte auswählen, Zusammenfassungen schreiben, vergleichen, kombinieren, ergänzen, Kriterien aufstellen oder andere Aktivitäten, die zu einer Gruppenuntersuchung gehören, ausführen. Das Ergebnis ist ein Untersuchungsplan, ein Bericht über die Ausführung der Untersuchung, die Präsentation der Ergebnisse und die Reflexion über die einzelnen Arbeitsphasen und die Zusammenarbeit. 5 Persönliche Erfahrungen austauschen Bei diesen meist sehr offenen Aufgaben sprechen die Lernenden über sich selbst und teilen sich gegenseitig ihre Erfahrungen mit. Sie führen also persönliche Gespräche in der Zielsprache. Da die Schülerinnen und Schüler sowieso miteinander über ihre Erlebnisse, vor allem nach dem Wochenende oder nach den Ferien, reden wollen, kombiniert man hier das Nützliche mit dem Angenehmen. 6 Kreative Aufgaben Hierunter fallen verschiedene kleinere oder größere Projekte, bei denen die Lernenden innerhalb und außerhalb des Unterrichts zusammenarbeiten. Endprodukte können ein Theaterstück, eine Ausstellung oder ein Videofilm sein, die anderen Klassen oder den Eltern gezeigt werden. Solche Projekte werden oft mit viel Begeisterung ausgeführt und sind ein gutes Aushängeschild für die Schule. Die Übersicht wurde zum Teil von Willis (1996) übernommen. Aufgabentypen Wenn aufgrund der präsentierten (Zwischen-)Pro-dukte deutlich ist, welche Fertigkeiten die Lernenden bereits beherrschen und welche noch nicht, können Lehrer oder Lehrerin Aufgaben auswählen oder anpassen, bei denen bestimmte Fertigkeiten noch intensiver trainiert werden. Bei der Auswahl passender Aufgaben kann man sich auf eine Übersicht von Willis (1996) stützen, in welcher sechs Aufgabentypen mit jeweils unterschiedlichen Endprodukten genannt werden (Kasten 2). Denkbar wäre zum Beispiel, dass zu einem Thema aus dem Lehrbuch anhand der Liste von Willis passende Aufgaben zusammengestellt werden, einfachere Aufgaben für Anfänger, komplexere Aufgaben für Fortgeschrittene. Bei allen Aufgabentypen geht es um das integrierte Üben der Fertigkeiten Lesen, Hören, Sprechen und Schreiben. Die Lernenden führen die Aufgaben abwechselnd in Zweier- oder Viererteams aus. In ihrer Struktur entsprechen die Aufgaben den Prinzipien kooperativen Lernens, wie sie in Kasten 1 (S. 18) genannt werden: Es gibt ein gemeinsames Ziel und gegenseitige Abhängigkeit. Wichtig dabei ist, dass jeder Schüler, jede Schülerin einen gleichberechtigten Beitrag liefert, für den er oder sie individuell verantwortlich ist. Keiner darf also Arbeit auf andere abschieben. Auch sind alle Lernenden gleichzeitig beschäftigt, im Gegensatz zum herkömmlichen Unterricht, bei dem die Lernenden nur selten zu Wort kommen bzw. lang darauf warten müssen, dass sie „drankommen". Simultane Interaktion ist vor allem im Sprachunterricht wichtig. In vielen aktuellen Studien (Willis, 1996) wird die Bedeutung eines breiten und vielfältigen Sprachangebots im Fremdsprachenunterricht betont. Dabei können Lernende einander helfen. In einer frontal gehaltenen Unterrichtsstunde von 45 Minuten in einer 30-köpfigen Klasse hätte jeder Schüler, jede Schülerin, durchschnittlich höchstens anderthalb Minuten Sprechzeit. In der simultan in Zweiergruppen arbeitenden, kooperativen Klasse würde sich diese Zeit auf 22 Minuten erhöhen, weil abwechselnd die eine Hälfte der Klasse das Wort führt, während die andere Hälfte zuhört. Natürlich vergeht noch Zeit durch Arbeitsanweisungen und Organisation, eine Sprechzeit von etwa einer Viertelstunde pro Schüler(in) ist aber durchaus zu realisieren. Ein Beispiel für eine oft verwendete und leicht einsetzbare Teamlernstrategie, welche simultane Interaktion fördert, ist das Drei-Schritte-Interview (Kasten 3). © Motivation Kasten 3 Das Drei-Schritte-Interview In einem Drei-Schritte-Interview tauschen die Lernenden Informationen aus. Dies funktioniert am besten in Vierergruppen. Erster Schritt: Die Vierergruppe besteht aus zwei Paaren, in jedem Paar gibt es einen Befrager und einen Befragten. Zweiter Schritt: Die Rollen innerhalb eines Paares werden getauscht. Dritter Schritt: Die Mitglieder des Vierer-Teams berichten sich gegenseitig, was sie erfahren haben. Für jeden Schritt haben die Lernenden immer gleich viel Zeit. Sie tragen selbst die Verantwortung dafür, dass diese Zeit eingehalten wird. Das Interview kann sich auf den Unterrichtsstoff, z.B. Literatur, Grammatik oder die Hausaufgaben, aber auch auf persönliche Themen, die nahe am Stoff liegen, beziehen. Zur Einführung kann der Lehrer/die Lehrerin das Vorwissen erfragen: „Was wisst ihr schon über dieses Thema?", und am Ende der Stunde: „Was habt ihr in dieser Stunde gelernt, wie setzt ihr dieses Wissen ab jetzt ein, wollt ihr noch mehr wissen?" Neben dem Austausch von Erfahrungen (Filmtipps, Urlaubsgeschichten) können auch Denkfertigkeiten geübt werden. Die Lernenden müssen dann verschiedene Auffassungen verteidigen (einer ist dafür, der andere dagegen) oder beim Interview die Rolle einer Romanfigur übernehmen. :: o 0 :j o a n Ein Brief für die „Villa Kunterbunt" In dem Lehrwerk „Neue Kontakte", das im schulischen Deutschunterricht in den Niederlanden häufig verwendet wird, sollen die Lernenden im Kapitel „Villa Kunterbunt" (so heißt das Kapitel, weil ein Entwurf des österreichischen Maler-Architekten Hundertwasser für die „kunterbunte" Gestaltung einer Schule vorgestellt wird) Kontakte mit Altersgenossen im Ausland knüpfen und mit ihnen zum Thema „Schule" Informationen austauschen, z.B. über ihren Schulalltag: den Stundenplan, die Lehrer, die Fächer und die Noten. Die Lernenden müssen am Ende des Kapitels in der Lage sein, über diese Dinge zu informieren und ihre Meinung zu äußern. Im Sinne des kooperativen Lernens muss nun zuerst ein Endprodukt festgelegt werden. Wir finden einen Vorschlag zu Beginn des Kapitels: ein Aufruf zu einer Kassettenbrief-Aktion des Jugendmagazins „Juma" (Abb. 4). m a Lotte Oppenheimer auf dem Schulhof Uebei^-Us-n, Lieber urai bekommen! de Stimmer, aus al.er Welt Schicke deine Mre*e*<....... f-ggS "1 '■ -,—a (==3 {BSSSSj Abb. (Kasten) 4: Aus: „Neue Kontakte", Textbuch S. 32 Ein Kassettenbrief bietet viele Lernmöglichkeiten. Die Schülerinnen und Schüler können ihre persönlichen Erfahrungen mit Deutschlernenden aus anderen Ländern vergleichen, sich kreative Varianten für ihr Produkt ausdenken und eine Antwort aus dem Ausland erhalten. Sie üben sich dabei im Umgang mit Audiogeräten, in der Produktion gesprochener Sprache in einer authentischen Situation, wobei ihnen verschiedene Hilfsmittel (z.B. Wörterbuch) zur Verfügung stehen. Darüberhinaus trainieren sie kognitive Fertigkeiten wie Brainstorming, Textteile auswählen, kategorisieren, vergleichen, planen, reflektieren und mit Feedback umgehen. Nachdem ein vorläufiges Endprodukt bestimmt ist, können Lehrer oder Lehrerin die Zwischenschritte in Form von Aufgaben und Zwischenprodukten festlegen. Vorläufig ist das anvisierte Endprodukt deshalb, weil die Lernenden während ihrer Arbeit ja auch noch auf andere Ideen kommen können. Vielleicht möchten sie dann lieber eine Videokassette aufnehmen anstelle einer Kassette, oder sie möchten lieber via E-Mail Kontakt aufnehmen. Über die Form des Endprodukts lässt sich grundsätzlich verhandeln, über die inhalüichen Kriterien, denen das Endprodukt entsprechen muss, meistens nicht. Wenn der Brief einen persönlicheren Anstrich bekommen soll, könnte das Thema „Schule" beispielsweise durch „Lernen", „Mein Leben zu Hause und in der Schule" oder „Das bin ich" ersetzt werden. Dann wird über Hobbys, die Wohnumgebung, die Haustiere oder die Familie berichtet. Kasten 5 Je breiter das Thema gefasst ist, umso mehr eigenes Wissen und eigene Erfahrungen können die Lernenden einfließen lassen. Auf diese Weise können auch Lernende, denen das Thema Schule weniger liegt, ihre Ideen verwirklichen. Da es sich bei dem Lehrwerk „Neue Kontakte" um ein Anfängerlehrwerk (Grundstufe) handelt, empfiehlt es sich, den Kassettenbrief zunächst schriftlich vorzubereiten. Wie dabei kooperatives Lernen realisiert werden kann, zeigt Kasten 5. Wenn das Endprodukt, in diesem Fall der Brief fertig gestellt ist, beginnt die Phase des Austauschs und Vertiefens, in der sich die Lernenden des Gelernten bewusst werden und durch Feedback und zusätzliche Informationen ihr neu erworbenes Aufgaben Produkte und Feedback Die Lernenden machen im Team ein Brainstorming zum Thema „Lernen" oder „Mein Leben". Ihre Assoziationen und Ideen schreiben sie mit Filzstift auf ein großes Blatt Papier. Gedankenschema oder Wortigel mit Inhalten, über die geschrieben werden kann ► Feedback im Hinblick auf - den Informationswert der verschiedenen Inhalte für Lernende in den Niederlanden und in anderen Ländern - die Vielfalt der Inhalte Anhand der Kriterien „interessant, um darüber zu schreiben" und „für deutsche Lernende interessant zu wissen" wählen die Lernenden Inhalte aus und bringen diese in eine Reihenfolge. ► Inhalte in einer Reihenfolge ► Feedback in Hinblick auf die Inhalte: wie detailreich und vielfältig sind diese? Die Lernenden entwerfen zu zweit einen Konzeptbrief und können Hilfe suchen im Textbuch, im Wörterbuch, bei ihrem Lernpartner und dem Lehrer/der Lehrerin. ► Kurze simultane Präsentationen von zwei Zweiergruppen untereinander, die anderen geben Ratschläge und Ermutigung. ► Lehrer/Lehrerin beobachtet, geht durch die Klasse, ermutigt usw. Die Lernenden revidieren den Brief aufgrund des Feedbacks, denken gemeinsam über die Form und den Inhalt der Endversion nach, bereiten eine Gruppenpräsentation vor; dazu kommen auch Reflexionen über das Produkt (Brief) und den Prozess (ihre Arbeitsweise, die Entscheidungsfindung, Unterschiede zum ersten Konzept, ihre Zusammenarbeit usw.). ► simultane Gruppenpräsentation ► Lehrer/Lehrerin gibt mit Blick auf die Endbeurteilung Feedback auf den Brief hinsichtlich Einfühlungsvermögen, Kreativität, äußere Form, Vielfalt des Wortschatzes, Verwendung von Standardausdrücken, und Briefkonventionen. Jeder Schüler, jede Schülerin, schreibt nun einen eigenen Brief. ► Beurteilung Wissen beurteilen und evakuieren. Ein solcherart aufgabenorientierter, kooperative: Unterricht gliedert sich also in drei Phasen: 1. Orientierung (Motivation und Instruktion der Lernenden) 2. Aufgabenzyklus (planen, ausführen, und präsentieren der Lernaufgabe) 3. Austausch und Vertiefung (das Gelernte reflektieren und auswerten) Ziel dieses dreischrittigen Aufbaus ist es, den Lernenden möglichst viel Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu geben. Dies sollte allerdings das Hauptanliegen jedes Unterrichts sein, denn in die Veranrwortung einbezogene Lernende, die an einem autonomen Produkt arbeiten, motivieren sich selbst. Die Rolle der Lehrerin, des Lehrers Zum Abschluss noch einige Bemerkungen zur Rolle der Lehrenden. Während sie in der ersten Phase die Lernenden motivieren, inspirieren und über die Zwischen- und Endprodukte informieren, haben sie während der selbständigen Arbeit der Lernenden vor allem eine begleitende, moderierende Rolle: Er oder sie tritt mit den Lernenden in Dialog, zeigt sich interessiert, gibt Tipps und Feedback als Ermutigung, hilft gelegentlich mit kleineren Korrekturen. Auch muss gesichert werden, dass die Arbeitsanweisungen deutlich genug sind und verstanden werden; eventuell können bestimmte Schritte gezeigt oder das Vorwissen der Lernenden aktiviert werden. Bei der Präsentation der Endprodukte gibt der Lehrer/die Lehrerin auf einfühlsame Weise sein Feedback zu den Vorgehensweisen der Lernenden und zu den Ergebnissen. Wer kooperatives Lernen ins Zentrum des Unterrichts stellt, wird die Erfahrung machen, dass die „trockene Schule" sich bald in eine lebendige „Villa Kunterbunt" verwandelt, in der alle gerne miteinander wohnen. Literaturverzeichnis: Das Lehrwerk: Haak, Bert / Müller-Karpe, Beate / Wegdam, Robert: Neue Kontakte. Textbuch 1. Groningen: Wolters-Noordhoff 1998. Biggs, John B. / Moore, Phillip J.: The Process of Learning. New York: Prenüce Hall 1993. Haenen, Jacques / Haitink, Annelien: Teamleren op school en in de klas. Leiden: SMD1998. Kagan, Spencer: Cooperative Learning. San Juan Capistrano, CA: Resources for Teachers 1994. Marzano, Robert J. / Pickering, Dehra J. / Pollock Jane E.: Classroom Instruction that Works. Alexandria, VA: ASCD 2001. Slavin, Robert E.: Education for All. Lisse: Swets & Zeitlinger 1996. Willis, Jane: A Framework for Task-Based Learning. Edinburgh Gate: Longman 1996. Motivation