Fenster im Fenster-Eine Stadt erzählt Fotos als Auslöser für einen fantasievollen und kreativen Deutschunterricht VON RAINER E. WICKE Optisch aufbereitet und mit der Unterstützung durch Bilder kann der Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht motivierender, lustvoller und vor allem auch authentischer und effektiver gestaltet werden. Im folgenden Beitrag wird gezeigt, wie jugendliche Schülerinnen und Schüler durch die Arbeit mit einer Collage und Fotos zu ihrer eigenen Stadt zu kreativem und fächerübergreifendem, projektorientiertem Lernen motiviert werden. Anhand eines Unterrichtsversuchs in den Klassen neun bis dreizehn in Brno in der Tschechischen Republik, an dem zwei Lehrer beteiligt waren, wird deutlich, dass die Lernenden mit Hilfe von Fotos zu Gestaltungsformen angeregt werden können, die den fremdsprachigen Deutschunterricht um eine künstlerisch-ästhetische Komponente bereichern und die Lernenden gleichzeitig zum Verfassen von kreativen Texten motivieren. Vorbereitung des Projektes Im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht an einem Gymnasium in Brno konnte ich feststellen, dass die Schüler der einzelnen Klassen über ausgezeichnete Deutschkenntnisse verfügten, es jedoch nicht gewohnt waren, fächerübergreifend, projektorientiert und kooperativ zu arbeiten. Arbeitsaufträge wurden zwar sehr gewissenhaft erledigt, bei der Wahl ihrer Präsentationsformen griffen die Lernenden aber fast ausschließlich auf die traditionelle Verschriftlichung zurück, machten von alternativen Möglichkeiten keinen Gebrauch. Daher entstand schon früh der Gedanke, ein Mini-Projekt durchzuführen, um die Lernenden behutsam an Formen des offenen Lernens heranzuführen (Wicke 1997,112). Bei Stadtrundgängen beeindruckte mich immer wieder die faszinierend vielseitige und interessante Architektur der Stadt Brno. Es stimmt keineswegs, dass die Stadt - wie in einem Artikel der Süd- deutschen Zeitung lapidar geschrieben wurde -„keine Prachtbauten besitzt" und eine langweilige „Industriestadt durch und durch ist" (SZ 19. Juli 2000, 10). Wie mir von Brünner Bürgern bestätigt wurde, bemüht man sich heute nicht nur, die vielen historischen Gebäude zu sanieren, darüber hinaus ist im Stadtbild deutlich festzustellen, dass seit der Wende Anfang der neunziger Jahre ein Bauboom begonnen hat, der sich in zahlreichen modernen, geschmackvollen, aber auch fantasiereichen Neubauten widerspiegelt. Erker, Türme, Fresken und Zinnen laden zum Träumen und zur Herstellung von fantasievollen Zusammenhängen ein (Wer mag dort gewohnt haben? Wer lebt heute in den Räumen? Warum hat man diesen Anstrich gewählt? Was bedeuten die Skulpturen und Fresken? Woran erinnert mich dieses Haus? usw.), während nüchternere Plattenbauten und moderne Hochhäuser ebenfalls ihren Reiz haben, z.B. durch das auf dem Balkon abgestellte Fahrrad oder ein mit auffallend vielen Pflanzen und Blumen dekoriertes Fenster inmitten der sonst so trist wirkenden Häuserfront. Ich begann die interessantesten Fassaden und -ausschnitte zu fotografieren. Nach relativ kurzer Zeit konnte ich auf ca. sechzig repräsentative Fotos, die für die Verwendung in dem geplanten Projekt geeignet waren, zurückgreifen. Die ausgewählten Fotos wurden mit Hilfe eines Farbkopierers in einem örtlichen Copy-shop auf DIN A-4-Format vergrößert, so dass Einzelheiten bei der späteren Verwendung im Unterricht leicht identifizierbar waren. Der bereits erwähnte Artikel aus der Süddeutschen Zeitung wurde den Schülern einer besonders guten elften Klasse parallel zu dem Projekt als häusliche Lektüre aufgegeben, in den anderen Lern- I" Motivation pappen wurden die wesentlichen Aussagen kurz . - • " vorgestellt. Gleichzeitig suchte ich nach einem kurzen literarischen Text, der sich zur Einführung in die The-r^arüc eignete, wobei mir wichtig war, dass dieser von den Schülern nicht im Sinne der traditionellen präzisen inhaltlichen und formalen Analyse bear-beiiet werden, sondern dass er sie zu assoziativem ~ rr.ken und zum Interagieren mit den Inhalten herausfordern sollte. Vor allem sollte die Auseinandersetzung mit dem Text bei den Lernenden Neugier wecken und sie zum eigenverantwortlichen Aushandeln von Bedeutung und zum Experimentieren in der Fremdsprache motivieren. Am besten dafür geeignet erschien mir Ilse Aichingers Das Fenster-Theater (siehe Kasten unten) inklusive der bereits in einer Publikation des Goethe-Institutes München vorliegenden Didaktisierung, denn in dieser Geschichte geht es zentral um Beobachtungen aus einem Fenster, die eine fantasievolle Interpretation ermöglichen (Goethe-Institut 1984, S. 65 -77). Im Rahmen der Vorbereitung besorgte ich mir ebenfalls einen alten, fast schon als antik zu bezeichnenden Fensterrahmen von einer örtlichen Recycling-Firma, in dem die ausgewählten Fotos zu einer Collage zusammengestellt wurden. Zielsetzungen Als Ausgangspunkt des Projekts wurden Fotos aus Brno ausgewählt, die einen direkten Zusammenhang zu der Lebenswelt der Lernenden herstellen und ihr Vorwissen aktivieren sollten. Ausgehend von der Möglichkeit der fantasievollen, kreativen Bearbeitung von Fotos sollte die Neugier der Schüler geweckt und ihnen gezeigt werden, dass scheinbar alltägliche Dinge durch ein begleitendes Aufgabenangebot auch zum kreativen Expe- ln Das Fenster-Theater beschreibt Ilse Aichinger wie ein alter Mann von einer gegenüber wohnenden Frau dabei beobachtet wird, wie er an seinem Wohnungsfenster ein absurdes Verhalten an den Tag legt, indem er sich u.a. in einen Teppich hüllt, sich einen Turban um den Kopf wickelt und sogar zeitweilig auf dem Kopf steht. Die hinzugerufene Polizei stellt am Ende der Geschichte fest, dass es sich bei dem älteren Herrn keineswegs um einen Psychopathen oder Exhibitionisten handelt, sondern dass dieser für ein über der Frau wohnendes - am Fenster in seinem Bett stehendes - kleines Kind Theater gespielt hat. rimentieren in der fremden Sprache motivieren können. Die Negativschilderung ihrer Heimatstadt in dem Artikel der Süddeutschen Zeitung sollte die Schüler zusätzlich provozieren und sie zu einer kontrastiven Darstellung anregen. Ein weiteres wichtiges Ziel bestand darin, die Lernenden zum Sammeln von Informationen anzuregen, die bei der Bearbeitung verwendet werden konnten. Ihre eigenen Arbeiten sollten in den Mittelpunkt des Unterrichtes gerückt und zum Lerngegenstandwerden. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Lernenden gleichzeitig mehr oder weniger Verantwortung für die Organisation und den Ablauf des Unterrichts übernehmen konnten. Die didaktischen Fähigkeiten der Lernenden sollten gefördert werden, indem sie ihren Mitschülern ihre individuelle Bearbeitung - unter anderem durch die Wahl einer geeigneten Präsentationsform - verständlich machen und diese kommentieren mussten. Projektverlauf: Einstimmung auf das Thema Zu Beginn des Projekts wurden die Lernenden zunächst mit einer Folie konfrontiert, die sie aufforderte, aus einem oder in ein imaginäres Fenster zu schauen: Sieh aus dem Fenster oder sieh in das Fenster: Was siehst du? Wo ist das Fenster? Wo bist du? Erwartungsgemäß erzeugte dieser Arbeitsauftrag zunächst Verblüffung und die ersten Antworten kamen mehr oder weniger zögerlich. Häufig griffen die Schülerinnen und Schüler bei ihrer Schilderung automatisch auf die Sicht aus dem Fenster des Klassenraumes oder auf den Blick aus ihrem eigenen Zimmer zu Hause zurück. Straßenszenen oder der dichte Verkehr auf den Ausfallstraßen, aber auch Park- und Gartenszenen wurden genannt. Die Aufforderung, genauer zu beschreiben, was man bei einem Blick in ein Fenster sehen kann, wurde sehr allgemein beantwortet, indem zum Beispiel „eine Familie" oder „ein Kinderzimmer" usw. genannt wurden. Offensichtlich betrachteten viele Lernende es als indiskret, in andere Fenster - wenn auch nur imaginativ - hineinzusehen. Die Schüleräußerungen wurden unkommentiert gesammelt und auf einer Folie fixiert. Die anschließende Arbeit mit dem Fenster-Thea-tervon Ilse Aichinger eignete sich hervorragend für die Vorbereitung der Projektarbeit, da sie den Schülern einen Freiraum zur kreativen Interpretation der Handlung und zum Experimentieren in der Fremdsprache bot - nicht zuletzt deswegen, weil der Titel der Geschichte dem Inhalt bis zum Schluss nicht eindeutig zuzuordnen ist und den Lesern erst am Ende buchstäblich „ein Licht aufgeht". Fortsetzung der Arbeit mit der Collage und den Einzelfotos Nach der Bearbeitung der Geschichte wurden die Folie mit dem imaginären Fenster und die dazu gehörigen Schülervorschläge erneut mit dem Auftrag präsentiert, einen möglichen Aus- oder Einblick zu modifizieren. In einer elften Klasse charakterisierte ein Schüler das Fenster z.B. jetzt spontan als „das Fenster zur Zukunft", das den Menschen in ihrem Leben neue Möglichkeiten eröffnet. Weitere Beispiele wurden genannt. Eine Schülerin fasste die Ergebnisse wie folgt zusammen: „Wenn man aus einem Fenster oder in ein Fenster sieht, kann man Dinge real oder abstrakt sehen. Es kommt auf die Fantasie an." Zu Beginn der Stunde hatte ich bereits das alte Fenster mit der Collage so an die Tafel gelehnt, dass diese nicht eingesehen werden konnte. Das Fenster wurde jetzt umgedreht und die Schüler erhielten Gelegenheit, auf die Collage zuzugehen und diese ausführlich zu betrachten. Bei der Zusammenstellung der einzelnen Bildausschnitte hatte ich darauf geachtet, dass die architektonische Vielfalt im Stadtbild von Brno betont wurde, indem alte und neue Gebäude stark miteinander kontrastieren. Während der Betrachtung nutzte ich die Collage als Gesprächsanlass: Ich bat die Schüler, mir zu sagen in welcher Stadt die Fotos aufgenommen wurden. Ein Schüler der elften Klasse vertrat die Ansicht, dass es sich um eine deutsche Stadt handelte, und erklärte, da ich erst vor kurzer Zeit aus der Bundesrepublik gekommen sei, könne es sich nur um die Stadt handeln, wo ich bisher meinen Wohnsitz hatte. Eine Mitschülerin vertrat dagegen die Ansicht, dass es nur Prag sein könnte, da ihr die Architektur dort als recht vielfältig bekannt wäre. Kurz darauf deutete jedoch ein anderer Schüler auf das in einem Ausschnitt abgebildete Stadttheater Brno und wies mit Erstaunen darauf hin, dass auf der Collage auch Gebäude aus Brno zu finden seien. Jetzt wurden alle neugierig, sie scharten sich noch dichter um die Collage und fanden nun schnell heraus, dass viele und sogar alle Bildausschnitte aus Brno stammten. Auf meine Frage, warum die Identifikation ihnen zunächst so große Schwierigkeiten bereitet habe, Motivation antwortete eine Schülerin, dass sie auf ihren Wegen durch die Stadt meist nur die unteren Stockwerke betrachtet und den Blick nur selten auf den oberen Teil der Fassaden lenkt. Ein Mitschüler sagte, dass er gar nicht wusste, dass Brno über eine solche Stilvielfalt in der Architektur verfügt: Man beschäftige sich eben nicht mit diesen Dingen, die „schon immer da waren." Von daher wisse man gar nicht, wie vielfältig die Architektur sei, man sei es nicht gewohnt, sich intensiver damit zu befassen. Jetzt forderte ich die Lernenden auf, mir spontan Eindrücke und Gefühle zu schildern, indem ich auf einige der Ausschnitte zeigte und um Kommentare dazu bat, wer möglicherweise dort wohnt, woran man das erkennen kann, welche Firma ihren Sitz in einem der Gebäude hat, welche Produkte dort entwickelt werden oder warum es sich um ein typisches Verwaltungsgebäude handeln muss usw. Dabei wurden interessante Aspekte genannt, wie (fehlende) Blumen im oder vor dem Fenster, Gardinen und Rollos sowie Leuchtreklamen, Statuen und Fresken. Schließlich legte ich alle mitgebrachten Einzelfotos aus und bat die Lernenden, allein oder zusammen mit einem Partner eines der Bilder zur weiteren Bearbeitung auszuwählen. Die Schülerinnen und Schüler wurden dann aufgefordert, ihre Interpretation zu dem gewählten Gebäude, ihre Eindrücke, Vorstellungen und Erwartungen in einer kommentierenden Arbeit festzuhalten. Dabei war es ihnen freigestellt, eine Collage oder Zeichnung anzufertigen, das Gebäude mit Hilfe von konkreter Poesie zu beschreiben oder Mischformen zu verwenden. Papier in allen möglichen Farben, Karton, Stifte, alte Zeitungen und Illustrierte sowie Scheren und Klebestifte wurden auf einem Tisch zur Verfügung gestellt. Bedingung war, dass die Arbeiten einen Bezug zu dem ausgewählten Gebäude herstellen sollten, wobei der Fantasie keine Grenzen gesetzt wurden. Bei diesem offensichtlich ungewohnten Arbeitsauftrag ging es mir darum, den Lernenden durch die entsprechende Arbeitsanweisung Zeit zu geben, sich intensiver mit dem Bild auseinander zu setzen und kreative Arbeitsformen zur Bearbeitung hinzuzuziehen. Der Schwerpunkt der Arbeit lag darauf, die Kraft des Imaginativen nutzen und im Rahmen der Bedeutungsvielfalt die Schülerinnen und Schüler eigene Interpretation aushandeln zu lassen. Bei der Durchführung in verschiedenen Jahrgangsstufen zeigte sich, dass sich einige Lerngrup- Abb 2: Bei der Arbeit pen für eine große Diversität bei der Auswahl der Präsentationsform entschieden: Es entstanden Zeichnungen, Collagen oder Arbeiten zur konkreten Poesie. Eine dreizehnte Klasse wiederum entschied sich fast geschlossen für Collagen aus alten Zeitungen und Illustrierten, in denen sie ganze Handlungsstränge künstlerisch verarbeiteten. Während der werkstattartigen Erarbeitungsphase in Einzel- oder Partnerarbeit waren die entstehenden Arbeiten nicht nur ein wichtiger Gesprächsanlass für Schüler-Lehrergespräche. Darüber hinaus gab es Zwischenphasen, bei denen die Schüler ihre Arbeit und/oder die Konzeption kurz vorstellten. Dabei war es hilfreich, dass in dieser Phase des Projektes jeweils Doppelstunden zur Verfügung standen, denn auch die Kurzpräsentationen erwiesen sich als relativ zeitaufwendig. Dabei wurde auch deutlich, dass die Anfertigung der Arbeiten den Lernenden half, sich über Zusammenhänge und Handlungen klarer zu werden, Details für ihre Präsentation zu planen und auf diese Weise einen roten Faden zu verfolgen. Es kamen Lernprozesse in Gang, die die Lernenden in ihrem Lernverhalten nicht völlig „vorprogrammierten", sondern ihnen Gelegenheit zur Reflexion und zur eigenen Gestaltung gaben (Neuner 1994,10). Kreatives Schreiben Nachdem alle Schülerinnen und Schüler ihre Arbeiten kurz vorgestellt hatten erhielten die Lerngruppen in der darauffolgenden Stunde einen zusätzlichen Arbeitsauftrag. Mit Hilfe der „Schreibhilfe" (Abb. 3, S.32) wurden sie aufgefordert, zu den ausgewählten Fotos und den dazugehörigen Arbeiten einen Text zu verfassen. Ein Märchen Text 1 In diesem Kuppeldach wohnte eine wunderschöne junge Frau, die den Sommer sehr liebte. Und darum hatte sie diesen Turm mit der Kuppel gewählt, um dort zu leben. Sie wollte jeden Tag näher bei der Sonne sein. Sie liebte die Sonne so sehr, dass sie die kleinen Fenster kaputt machte, um die Sonnenstrahlen auf ihrem Körper zu spüren. Dann kam aber der Winter mit viel Schnee und weil sie die Fenster nicht zumachen konnte, war die kleine Kuppel ganz voll von Schnee. Die junge Frau fror und jetzt sagt man, dass der Regen nur darum existiert, um junge und naive Frauen zu warnen. Kristyna Pesakova, 8 BV GML Dabei konnten sie selbst entscheiden, ob sie ihre eigene Collage oder Zeichnung inklusive des dazugehörigen Fotos verwenden oder lieber mit einem Partner oder einer Partnerin tauschen wollten. Einige Schüler wollten lieber tauschen, da sie ihre eigenen Arbeiten schon während der kurzen Präsentationsphasen ausführlich kommentiert hatten und nun lieber auf die Ideen von anderen zurückgreifen wollten. Wenn es bei der Erstellung der Texte Formulierungsschwierigkeiten gab oder ein Wort im Wörterbuch nicht gefunden wurde, standen die Lehrer als Berater zur Verfügung. Bei diesen Arbeiten wurde deutlich, wie sehr Bilder und Collagen die Fantasie der Schüler angeregt und sie zum sprachlichen Experimentieren ermuntert hatten (Akinro, 1998, 17). Auch einige lernschwächere Schüler, die sich in den bisherigen Stunden sehr zurückgehalten hatten, stellten nun bereitwillig ihre Arbeiten zur Diskussion. Es entstanden die unterschiedlichsten Texte, interessante Märchen, Werbeanzeigen, Tagebucheintragungen, Interviews und Kurzgeschichten, von denen hier lediglich zwei Beispiele (mit den Originalfehlern) präsentiert werden können. Eine Schülerin einer dreizehnten Klasse entschied sich für ein Märchen (Text 1). Sie hatte nämlich - wie sie ganz aufgeregt erzählte - erst kurz vorher die seltene Gelegenheit gehabt, in der Kuppel des historischen Universitätsgebäudes durch eines der runden Fenster über die Stadt zu sehen (Abb.4) Besonders interessant war, zu welchen Assoziationen das Gebäude des tschechischen Staatsfemsehens in Brno einen anderen Schüler (ebenfalls 13. Klasse) angeregt hatte (Text 2). Tränen Text 2 Ich sehe ein Fenster. Das Fenster sieht wie ein großes Spiegel aus: ein kaltes Glas ohne Farbe, es widerspiegelt nur. Und hinter dem Glas ist ein ganz dunkles... etwas.. . Etwas ohne Namen, etwas, was man Dunkelheit nennt. Und dieser ganz schwarze Schatten ist voll von Augen. Die Augen haben auch keinen Namen, keine Stimme. Sie sind stumm und starren mich leise an ... . Man hört nur ein tropfendes Wasser. Aber es gibt kein Wasser da. Da ist nur Finsternis und Stille in den Tiefen hinter dem Fenster. Niemand weiß von den Augen und sie können nicht heraus. Sie brauchen die Dunkelheit, aber sie lieben das Licht hinter dem Glas und können sie nicht kriegen. Sie sind immer allein. Und es ist immer dunkel dort, wie im Grab. Sie können nur weinen, darum hört man das Wasser tropfen. Aber es ist kein Wasser da ... . Michal Kvarnä.GML, 8BV Motivation Schüleräußerungen zum Projekt Es gab eine kurze schriftliche Auswertung des Projekts (Was hat uns gefallen, interessiert und motiviert?). Viele der Befragten gaben zu Protokoll, dass sie nicht gewusst hatten, dass ihre Heimatstadt so viele interessante und sehenswerte Häuser aufweist, da man sie normalerweise als gegeben hinnimmt und nicht beachtet. Durch das Projekt habe man, so eine Schülerin, die Stadt „aus einem völlig anderen Blickwinkel gesehen", während ein Mitschüler die Lehre daraus zog, dass man doch „mehr um sich und nach oben sehen und auch die kleinen Dinge beachten" sollte. Positiv erwähnt wurde auch, dass die Schülerinnen und Schüler selbst entscheiden konnten, ob sie allein oder mit einem Partner arbeiten wollten. Die Zusammenarbeit sei sehr gut gewesen. Auch die Tatsache, dass sie kreativ und fantasievoll arbeiten konnten, wurde mehrfach genannt und ein Mädchen betonte, dass ihr die Arbeit deshalb sehr viel Spaß gemacht hätte, weil sie ihre Träume beschreiben durfte. Dabei war einer Schülerin wichtig, dass die Motivation von der Fenster-Collage ausging, denn „das ist einfacher, als etwas nur so auszudenken". Die Rückmeldung einer Schülerin einer neunten Klasse soll zum Abschluss unkommentiert (und im Originalton) zitiert werden, da sie einige der Ziele, die ich mir mit diesem Projekt gesetzt hatte, beschreibt: Mir hat gefallen, dass ich mit meiner Fantasie arbeiten konnte. Niemand sagte mir: „Du musst das malen. Du musst das schreiben!" Ich konnte machen, was ich wollte. Wenn ich mein Bild malte, konnte ich meine Vorstellungen auf das Papier übertragen. Es hat mich sehr interessiert, weil das eine andere Arbeit war. Das war keine Arbeit, das war Spaß. Üblich ist die Arbeit in der Stunde langweilig. Aber dieses Projekt war nicht langweilig. Mich motivierte nur meine Fantasie und meine Gedanken. Dokumentation der Ergebnisse Alle Ergebnisse wurden in einer Ausstellung zusammengestellt, die zu mehreren Zwecken genutzt wird. Zum einen konnten die Schülerinnen und Schüler, ganz gleich ob sie an dem Projekt beteiligt waren oder nicht, die Arbeiten ihrer Mitschüler und die der anderen Klasse einsehen und nach Belieben die dazugehörigen Texte studieren. Nach dem Prinzip „Schüler lernen von Schülern" (Wicke 2000a, 84 f.) profitierten sie von der Textvielfalt und Abb. 5: Die Ergebnisse den kreativen Ideen, die dort umgesetzt wurden. Zum anderen wurde mit der Ausstellung für das Fach Deutsch geworben, da die Ergebnisse demonstrierten, dass Deutschlernen nicht nur Spaß machen, sondern dass der Unterricht auch kreativ und schülerzentriert gestaltet werden kann. Während einer Konferenz aller tschechischen Schulen, die zum „Deutschen Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz der Länder" in der Bundesrepublik Deutschland führen, die ich in Brno organisiert hatte, wurde die Ausstellung ebenfalls zum Gegenstand der Gruppenarbeit zum Thema „Projektorientiertes Lernen". Alle Arbeiten wurden nach Beendigung der Ausstellung auch in einem Ordner gesammelt, so dass diese als Unterrichtsinhalte in anderen Klassen genutzt werden können. Literaturverzeichnis: Akinro, Bettina: IncinBild„eintauchen". In: FREMDSPRACHE DEUTSCH, Heft 17/1998: Kunst und Musik im Deutschunterricht, 17-19. Bredeila, Lothar: Leseerfahrungen im Unterricht. Kognitive und affektive Reaktionen bei der Lektüre literarischer Texte. In: Bredeila, Lothar & Legutke, Michael (Hrsg.): Schüleraktivierende Methoden im Fremdsprachenunterricht Englisch. Bochum: Kamp-Verlag 1985, 54-82. Goethe-Institut: Literarische Texte in der Unterrichtspraxis, I Seminarbericht, Didaktisierung von Ulrike Gänswein, München: Goethe-Institut. 1984,65-77. Grätz, Konald: Kunst und Musik im Deutschunterricht. In: FREMDSPRACHE DEUTSCH, Heft 17/1998: Kunst und Musik im Deutschunterricht, 4-8. Neuner, Gerhard: Aufgaben und Übungsgeschehen im Deutschunterricht. In: FREMDSPRACHE DEUTSCH, Heft 10/1994: Aufgaben und Übungsgeschehen, 10. Richter, Klaus: Architektur des 20. Jahrhunderts. München: Prestel-Verlag 2000. Süddeutsche Zeitung: Eine Rhapsodie in Mähren, München, 19. Juli 2000,10. Wicke, Rainer E.: Vom Text zum Projekt. Berlin: Cornelsen 1997. Wicke, Rainer E. (aj: Aktive Schüler lernen besser. München: Klett Edition Deutsch 2000. Wicke, Rainer E. (b): Grenzüberschreitungen - Der Einsatz von Musik, Fotos und Kunstbildern im Deutsch-als-Frcmdsprache-Unterricht in Schule und Fortbildung, München: iudicium 2000.