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(Fischer 2005, 25) Auch die Genfer Forscherin Erika Diehl zitiert mündlich eine ehemalige Schülerin mit den Worten: „Madame, ich spreche nicht Deutsch. Ich hab es nur in der Schule gelernt." Ein Blick in die kurze Geschichte des wissenschaftlich begleiteten Fremdsprachenunterrichts lässt Ursachen für diesen Defizitbefund erkennen. Man kann dabei in Bezug auf das Sprechen keineswegs von einer vernachlässigten Fertigkeit sprechen. Tm Gegenteil: Seit den 30er Jahren war die Analyse gesprochener Sprache primärer Gegenstand der strukturalistischen Linguistik. Die Redeteile wurden nach formalen Prinzipien klassifiziert und auf die syn-tagmatisehen bzw. paradigmatischen Beziehungen hin mit Hilfe von Substitu-tions- und Segmentierungsverfahren analysiert, ein Verfahren, das später in die audiolinguale Übungstypologie Eingang fand. Bloomfields Schule war auch direkt an der Umsetzung des strukturalistischen Übungsdesigns durch das Army Language Office 1944 in Monterey beteiligt. Als Herausgeber der seinerzeitigen Feindsprachenlehrwerke zeichnete die „Linguistic Society of America". Für Deutsch als Fremdsprache waren es 1967 Braun, Nieder und Schmöe, die mit ihrem Lehrwerk als erstes in dieser Tradition die Konzepte von Skinner, Fries und Lado in Lehrmaterial umsetzten, das ganz von der Textsorte „Dialog" bestimmt war, von der „natürlichen" Reihenfolge der Fertigkeiten (vom Hören zum Sprechen zum Lesen und Schreiben) als Grundprinzip und dem Behaviorismus als lernpsychologischem Credo. Das Übungskonzept ist in der Folge dann eng mit der ersten Technologisierungs- 40 Hermann Funk „Lernziel fremdsprachliche Flüssigkeit" 41 welle des Fremdsprachenunterrichts, mit dem Sprachlabor und dem Namen Reinhold Freudenstein verbunden. Der Mündlichkeit kam dabei ebenfalls ein hervorragender Stellenwert zu. "Nicht durch Analysen sondern durch Analogiebildung - so Wilga Rivers (1964) - sollte gelernt werden, Progression wurde als Steigerung der formalen Komplexität der Patterns definiert. Haymo Mitschian fasst das Konzept treffend so zusammen: Grundlage der Adaption behavioristischen Lernens bildet die Bestimmung von Sprechen als verbales Verhalten: Sprache produziert verbale Stimuli, die zu bestimmten Reaktionen fuhren. Auf dieser Basis ließen sich auf menschliche Sprache die gleichen Prirrzipien anwenden, wie sie zur Erfassung anderen Verhaltens genutzt wurden. Wie schon in der Lernpsychologie wurden dadurch auch in der Fremdsprachendidaktik nicht beobachtbare Prozesse im Lernenden ausgeschlossen mit der Folge, dass Formen wichtiger wurden als Bedeutungen, Analogien wichtiger als Analysen. (Mitschian 2010, 797) Für die Kritik des Konzeptes und Begründung des kommunikativen Ansatzes deutscher Prägung stehen in den 70er Jahren u.a. die Namen Piepho, Edelhoff und Neuner. Ausgehend von der linguistischen Pragmatik, die nach dem Strulcturalismus als zweite Theorie eine fremdsprachendidaktische Schule begründete, kritisierte man vor allem die einseitige Ausrichtung auf den Be-haviorismus, die starren, stereotypen Unterrichtsverläufe, die unrealistischen Sprecherrollen und die unveränderte Fixiertheit auf traditionelle Grammatikkategorien in künstlichen Dialogen. Zwar wurde im kommunikativen Ansatz die Textsortenausrichtung auf Dialoge kritisiert und der Widerspruch zur authentischen, vielfältigen Sprachwirklichkeit hervorgehoben, jedoch blieben auch in den Lehrwerken dieses Ansatzes der ersten Generation in den 80er Jahren die Lehrwerkdialoge wesentlicher Bestandteil des Lehrwerkkonzeptes und Ausgangspunkt der meisten, wenn nicht aller, Lehrwerklektionen. Die Beschränktheit des Übungsrepertoires wurde allerdings durch ein systematisch differenzierteres Angebot an Verarbeitungs- und Übungsvorgaben abgelöst, das bewussünachende Übungsverfahren einschloss und die kompromisslose Einsprachigkeit und starre Übungsabfolgen überwand. Die Übungstypologie von Gerhard Neuner, Michael Krüger und Ulrich Grewer (1981) wurde für die nächsten 20 Jahre zum meist verkauften Fachbuch des Faches Deutsch als Fremdsprache. Mündlichkeit blieb auch im kommunikativen Ansatz unter pragmatischen Prämissen primäres Lernziel. Wenn audiolin-gual-inspirierte Dialoge auch 2013 in DGFF-Plenarvorträgen noch als abschreckendes Beispiel für Lehrwerkarbeit zitiert werden und Spracherwerbs-forscherinnen immer noch prinzipielle Zweifel am Sinn wiederholenden Übens äußern, ist erkennbar, welch fatale Langzeitwirkungen das audiolin-gual/audiovisuelle Konzept bis in die Gegenwart zeitigte. Die heute noch populäre Annahme von der Wirksamkeit des Wiederholens und des anhaltenden Übens geht u.a. auf diese lemtheoretische Ausrichtung von Sprachenlernen zurück. (Riemer/Hufeisen 2010, 740) Im gleichen Jahr definiert Werner Kieweg fremdsprachliches Übungsgeschehen so: Kommunikative Übungsaufgaben dienen auch der systematischen Denkerziehung. Deswegen müssen Übungsabläufe vermieden werden, die völlig unre-fiektiert zu erledigen sind ... Zudem müssen Übungen höhere Denkformen auslösen, die nicht nur sprachinterne Regelhaftigkeiten umfassen, sondern darüber hinaus heuristische Fähigkeiten und individuelles Problemlösen (kon-zeptuelles Denken) ansprechen bzw. entwickeln, denn jeder Unterricht ist Denkunterricht. (Kieweg 2010, 184) In einer solchen Definition des Übungsgeschehens, die ganz in der Tradition Klafkischer kategorialer Bildung steht, klingt förmlich das Hegeische Credo der gymnasialen Bildung nach, dass das Erlernen einer Fremdsprache (gemeint waren damals die alten Sprachen) „anhaltende und unausgesetzte Ver-nunfttätigkeit" sei, „ein beständiges Subsumieren des Besonderen unter das Allgemeine und Besonderung des Allgemeinen [stattfinden müsse]" (Hegel 1970, 322L), eine Einübung in die Grundlagen der Philosophie also. In den Zitaten von Riemer/Hufeisen und Kieweg wird das audiolinguale Kind gleichsam mit dem Bade ausgeschüttet. Imitatives Lernen, die Ausbildung von Routinen durch übendes Wiederholen wird einfach wegdefiniert. Die unter Lehrenden in der Tat zu Recht weit verbreitete weil belegbare Auffassung, dass anhaltendes Wiederholen zur mündlichen Kompetenz beitragen kann, kann nicht so einfach als populärer Irrglaube abgetan werden. Die kognitiv-konstruktivistische Wende der 90er Jahre gab der berechtigten Kritik an einseitiger Ausrichtung auf Analogiebildungen, die den Kern der Ausbildung mündlicher Kompetenz im audiolingualen Konzept ausmachen, einen lernpsychologisch plausiblen Rahmen. Die Konzentration auf meta-kognitive Prozesse, auf projektorientiertes Lernen auf der Grundlage motivierender authentischer Inhalte ging von einer grundlegenden kognitiven Stufung aus, in der zunächst Verarbeimngsaufmerksamkeit auf frequente und im sprachlichen Input saliente sprachliche Eingangsdaten gelenkt wird, die dann wahrgenommen und bewusst (gemacht), d. h. mit bestehenden Wissensbeständen abgeglichen und in diese integriert werden (attention awareness consciousness raising). In der Bewusstmachung wird in diesem komplexen Konstruktionsprozess der entscheidende Schritt für nachhaltige Verankerung von neuen Lerninhalten gesehen. Die beschriebene Stufung ist das Kernmodell konstruktivistischer Modellierung fremdsprachlichen Lernens. Analogiebildungen durch die stufenweise Ausbildung mündlicher Routinen geraten 42 Hermann Funk „Lernziel fremdsprachliche Flüssigkeit" 43 auch hier aus dem Blick, wie die Vorstellung des von Dieter Wolff wissenschaftlich begleiteten Schweizer „Millefeuille" - Projekts für den Französischunterricht in der Lehrwerksektion des Augsburger DGFF-Kongresses 2013 anschaulich belegte: Authentische, motivierende Ausgangstexte, kreative Übungsimpulse und Projektideen, aber kaum progressional gestufte Impulse für eine Entwicklung der Ausbildung mündlicher Kompetenz. Der lange Pendelschwung zurück zu kognitiver und metakognitiver Ausrichtung des Übungsgeschehens ist im gegenwärtig an deutschen Schulen am weitesten verbreiteten Englischlehrwerk G21 des Cornelsen-Verlags noch deutlich sichtbar, in aktuellen DaF-Lehrwerken dagegen eher tiberwunden. Auch in den Konzepten des aufgabenorientierten Unterrichts in den letzten 10 Jahren hat das Übungsgeschehen zur Ausbildung mündlicher Kompetenz weniger Aufmerksamkeit erhalten als etwa die Frage der Aufgabendefinition und -stufung. Die Ablehnung sinnentleerter, fremdgesteuerter, behavioris-ti scher Verfahren wie Drills gehört nach wie vor zu den universellen Grundüberzeugungen der Fremdsprachendidaktik. Zu Recht, denn zu zahlreich sind inzwischen die Ergebnisse der Forschungen zum Zusammenhang zwischen Lernerautonomie, Selbststeuerung, Motivation und Lernerfolg, zu überzeugend die Ergebnisse aufgabenbasierter und projektorientierter Verfahren. Ältere Lehrkräfte erinnern sich mit Schaudern an maschinengestützte Drill-Reihen mit absurden Inhalten in dem von Schülern als Straf- oder Schlaflabor apostrophierten Sprachlabor. Wer heute auf die Notwendigkeit mündlichimitativer Übungsroutinen hinweist, setzt sich aus all den genannten Gründen dem Generalverdacht einer audio-lingual/audiovisuell motivierten Methoden-Regression aus. Gleichwohl: Sprechen lernt man nur durch Sprechen. Mündlich korrekte und flüssige Äußerungen sind nur als Ergebnis eines mündliche Routinen aufbauenden Üb'ens denkbar. Eine methodische Kernfrage, die sich aus der geschilderten Historie ergibt, ist: Welche theoretische Modelle bieten Ansätze, Einseitigkeiten bei der Ausbildung von Routinen wie im Behaviorismus zu überwinden? Ein Blick auf die Grundkonstellationen paradigmatischer Veränderungen an den genannten Umbrüchen der fremdsprachendidaktischen Theorieentwicklung hilft weiter. Mit dem Behaviorismus und der Pragmatik wurden für die Fremdsprachendidaktik jeweils Theorien aus den Bezugswissenschaften wirksam und führten zu neuen didaktisch-methodischen Modellierungen. Aktuelle Lernmodelle in den Bezugswissenschaften betonen die Vielfalt menschlicher Lernpotenziale und gehen von einer auch neurowissenschaftlich plausiblen Parallelität und Gleichwertigkeit dreier grundlegender Prozesse aus: • Lernen bedeutet verarbeitendes Klassifizieren von Walirnehmungen, ein ständiges Zuordnen bereits gelernter und neu aufgenommener Informatio- nen. Der Konstruktionsprozess geschieht unter anderem auf der Grundlage lehrgesteuerter Verarbeitungsangebote, also instruktionsgesteuert, ebenso wie durch implizite, inzidentelle und unbewusste Anregungen. • Lernen geschieht durch den Aufbau muster-assoziativer Verbindungen, zum Beispiel auch durch serielles, imitativ-reproduktives Üben und ist im neurowissenschaftlichen Sinne Bahnung, die Aktivierung neuronaler Netze. • Lernen geschieht ungesteuert und zu großen Teilen auch unbewusst durch das Entdecken von Regularitäten, u.a. auch durch Versuch und Jrrtum. (vgl. Pospeschiii 2004) Alle drei Prozesse spielen abwechselnd und parallel im Aufbau von Gedächtnisengrammen eine Rolle. Von höheren oder niederen, effektiveren oder weniger erwünschten Lernformen zu sprechen, ist lernpsychologischer Unsinn. Der Anteil unbewusster und impliziter Lernprozesse beim Lernen fremder Sprachen scheint dabei insgesamt eher unterschätzt (Long 2012 im Vergleich zu de Keyser 2003). Der Neurowissenschaftler David Eagleman spricht von einem „... dualen Prozess. Demnach besteht das Gehirn aus zwei parallelen Systemen: Einem schnellen automatischen und unbewussten und einem langsamen, kognitiven und bewussten." (Eagleman 2012, 129). Er geht davon aus, dass die automatischen, unbewussten Prozesse dabei in der Regel effektiver sind als das, was wir für das Ergebnis kognitiver Prozesse halten, die aber oft erst nachgeschobene Rationalisierungen vorheriger unbewusster Abläufe sind. Wie immer man nun diese neurowissenschaftlich gestützten lerntheoretischen Überlegungen bewertet (dazu auch Roth 2011): Mündliche Kompetenz, in ihren beiden Komponenten Korrektheit und sprachliche Flüssigkeit, ist insgesamt das Ergebnis unbewusster Bahnung und nicht bewusster Regelanwendung. Zumindest in diesem Punkt unterscheidet sich der Zweit- nicht vom Erstspracherwerb. Der lexical approach von Michael Lewis hat dabei auf die Bedeutung der Wörter als Träger der Verarbeitung sprachlicher Strukturen hingewiesen. In diesem Kontext wird in den letzten Jahren in Bezug auf den Aufbau der Sprechkompetenz wieder oft das über 20 Jahre alte Modell von Levelt und de Bot zitiert (u.a. Muranoi 2007; Skehan 2009; Pallotti 2009; Tschirner 2010; Stöver-Blahak 2012). Es bietet tatsächlich eine Reihe von Vorteilen für die Modellierung des Übungsgeschehens: • Es macht die lexikalische Basis des Fremdsprachenlernens deutlich. • Es betont und lokalisiert die Unterschiede zwischen bewusster und unbewusster Sprachproduktion. 44 Hermann Funk „Lernziel fremdsprachliche Flüssigkeit" 45 Es ist Ouiput-onentiert und beschreibt damit die Grundlagen mündlicher Kompetenz. Es ist auch aus neurowissenschaftlicher Sicht plausibel. Es entspricht auch den Forschungen zur „phonologischen Schleife" des Arbeitsgedächtaisses (Baddeley 2007), die besonders für die unbewusste Verarbeitung auditiver Informationen von zentraler Bedeutung ist. HAMt.ii.Ari« Li ■BUH J * .... pvc\ crl~si! in^smc l - _I_______ FHRMULATORU ■ Wims •■ ■ (Lr!k-nä;il s|\x-di> Abb. 1: Blueprint of the bilingual Speaker (Hartsuiker/Pickering 2008, 480). Neurowissenschaftler würden heute stärker als Levelt die grammatischen und phonetischen Enkodierungsprozesse als ballistisch, d.h. als unbewusste Automatismen in der Folge einer bewussten Konzeptualisierung einer Sprechin- ■ tention sehen. Auf dieser Grundlage erscheint eine Reihe von didaktisch-methodischen Modellen geeignet, die einseitige Fixierung einerseits auf kognitiv-konstruktivistische Positionen oder andererseits auf imitative Verfahren zugunsten eines alle sprachlichen Lernpotenziale einbeziehenden Vorgehens aufzulösen. • Paul Nations Lernfelder-Modell (zuletzt Nation/Newton 2009) weist als eines der vier Lernfelder (neben dem bedeutungsvollem Input, dem Fokus auf Form und dem bedeutungsorientierten Output) auch die Entwicklung sprachlicher Flüssigkeit als eigenständiges Lernfeld aus und nennt eine Reihe empirischer Belege für eine gleichgewichtige Verteilung der Lernaktivitäten über die Lemfelder. Das Modell trägt damit den unterschiedlichen Lernpotenzialen im Rahmen eines aufgabenorientierten Fremdsprachenunterrichts Rechnung und kann kaum als behavioristischer Rückschritt interpretiert werden. Pragmatisch geht es vom gut belegbaren time-on-task-Yimzip aus. Wer will, dass Schüler am Ende des Unterrichts flüssig sprechen, muss flüssiges Sprechen trainieren. Anders formuliert: Die Erwartung, dass in Texten erkannte sprachliche Regeln später auch mündlich angewendet werden können, ist ungefähr so realistisch wie die Erwartung, dass jemand, der auf der Blockflöte lange genug geübt hat, anschließend Trompete spielen kann. • Swains Output-Modell (Swain 2005) weist daraufhin, dass Lernprozesse nicht zwangsläufig auf externem Input aufbauen und dass die PPP-Abfolge des Unterrichts {Present-Practise-Produce) nicht alternativlos ist. Die erwünschte Verarbeitungsaufmerksamkeit, die zu nachhaltigem Lernen führt, entsteht demnach besonders effektiv durch das Entdecken eines „Loches" in der eigenen Interlanguage beim Versuch, eine Sprechabsicht umzusetzen. • Das ACCESS-Modell von Gatbonton/Segalowitz (2005) geht von der Automatisierung unanalysierter Muster in einem projektorientierten Unterricht aus, setzt die Bewusstmachungsphase zu einem späteren Zeitpunkt an und sucht damit einen Kompromiss zwischen formorientierten und kommunikativen Unterrichtsentwürfen. • Automatismen (Aguado 2003), Chunks, Routineformeln, feste Wendungen, konventionalisierte Redewendungen und Metaphern bezeichnen zwar zum Teil unterschiedliche Formen der Zusammenhänge zwischen Wörtern, gemeinsam ist ihnen die Tatsache, dass sie nur im jeweiligen Kontext als Wörter gelernt und verwendet werden können. In den Lehrwerken sind hier in den letzten 10 Jahren Fortschritte zu verzeichnen. Ein umfassendes methodisches Modell steht allerdings aus. • Tim Murphys Modell des ,ßhadowing & summarizing" (2000) zeigt, wie man die Kapazität der phonologischen Schleife nutzend zu flüssigem Sprechen kommen kann, ohne auf analysierten Formen aufzubauen und dass wir Übungsimpulse und -ideen erhalten können, wenn wir bobachten, was Menschen ohnehin im Alltag mit Sprache tun. Übungsroutinen sollten sich am alltäglichen Sprachgebrauch orientieren. Auf dieser Grundlage können Lehrwerkautorirmen und -autoren Übungsrou-tinen entwickeln, die spielerisches Wiederholen anlegen und damit eine hohe auditive Repräsentanz der zu automatisierenden Formen gewährleisten. Dies ist Voraussetzung einer Bewusstmachung von Mustern und Regeln und nicht i 46 Hermann Funk deren Folge. In aktuellen DaF-Lehrwerken ist beobachtbar, dass der Aufbau f von Automatismen in dieser Form ohne behavioristische Sinnlosigkeiten möglich ist. Unterrichtsvorschläge wie „Buzz Reading" und „Sprachschatten", „Wörterpartnerschaften", Interview-Spiele, das Training von Wortverbindungen und das Eingehen auf hochfrequente Zusammensetzungen zeigen eine Richtung auf, in der es gilt, weiter kreative Vorschläge für die Lehrwerkpraxis zu entwickeln. Sie tragen damit bei zu den Zielen: • semantisch-pragmatische Flüssigkeit (die Fähigkeit, Intentionen und Bedeutungen in einen Sprechakt umzusetzen) • lexikalisch-syntaktische Flüssigkeit (gespeicherte Wörter und Satzteile verbinden zu können) • artikulatorische Flüssigkeit (eine Abfolge von Diskurselernenten produzieren zu können). „Wenn man eine Fremdsprache flüssig spricht", so argumentiert Gudula List, „reproduziert man fertige ,Redeteile', inklusive der phonologisch gespeicherten grammatisch richtigen Formen. Man baut in der gesprochenen Sprache nicht Sätze nach grammatischen Regeln auf. Für eine Konzentration auf die Form und die bewusste Wahl von grammatischen Markierungen wäre gar keine Zeit" (List 2002, 128; Ellis 1996) - ein weiteres Argument für das flüssige Einüben von Äußerungsmustern. Dabei wird den „Lehrwerkdialogen" '' nicht mehr die gleiche Rolle zukommen wie bisher: Auch wenn die Gramma-tiklastigkeit der audiolingualen Modelldialoge in heutigen Lehrwerkdialogen kaum noch zu beobachten ist: Die wirklichkeitsferne Idealisierung dialogischer Kommunikation im Unterricht stellt nach wie vor ein Problem für die Nachhaltigkeit der geübten Muster dar. Daran haben weder literarische inspirierte Entwürfe wie Volker Eismanns, Hans Magnus Enzensbergers und Kees i van Eunens „Suche" (1996) noch die Vorgaben der Pragmatik etwas geän- I dert. Die Lösung liegt aber nicht in der Forderung nach „authentischen Dialogen", wie man sie manchmal hört. Wer mit solchen Dialogen etwa in Trans- j kriptionsprojekten gearbeitet hat, weiß, dass sie als Lernvorlagen untauglich sind. Erforderlich sind nicht „authentische", sondern plausible Minidialoge , mit hohem Transferpotenzial. [ Penny Ur hat schon 1996 drei schlichte Merkmale erfolgreichen Sprech- \ Unterrichts genannt: 1. Die Lernenden sprechen viel. 2. Die Sprechmotivation und Beteiligung ist hoch und ausgeglichen, d.h. es | sprechen nicht immer nur die Gleichen. ; 3. Die Sprache ist akzeptabel und verständlich. f „Lernziel fremdsprachliche Flüssigkeit" ... 47 Fleute würde man dies „benchmarks" nennen, Markierungen auf der Werkbank der Lehrwerkautorrnnen und Lehrkräften. Literatur Aguado, Karin (2003): „Kognitive Konstituenten mündlicher Produktion in der Fremdsprache: Aufmerksamkeit, Monitoring und Automatisierung". In: Fremdsprachen Lehren und Lernen 32, 11 -26. Baddeley, Alan (2007): Working Memory, Thought, and Action. Oxford: Oxford University Press. Barkowski, Hans/Faistauer, Renate (Hrsg.) 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