GLOSSE „Wie demotiviere ich richtig?" VON HANS-JÜRGEN KRUMM Fragt man Schüler, die nach ein oder zwei Jahren Deutsch eher zu den schwachen gerechnet werden oder nach Auskunft ihrer Lehrer nicht viel Lust haben mitzumachen, woran das denn ihrer Meinung nach liegt, so erzählen sie Misserfolgserlebnisse. Dabei kommt heraus, dass Sprachunterricht gerade am Anfang systematisch zur Demotivierung beitragen kann. Hier einige Zitate, die man immer wieder hören kann, und die wichtigsten Regeln, wie man als Lehrer seine Schülerinnen und Schüler so richtig zu demotivieren vermag. 1. „Deutsch ist eine besonders schwierige Sprache!" Nur wer stets aufpasst, alle Hausaufgaben erledigt und immer fleißig ist, wird es schaffen, diese schwere Sprache zu lernen. Deutsch ist eben keine Sprache für jeden, sondern nur für die intelligenten und fleißigen Schüler, das muss man ihnen in jeder Stunde sagen. 2. „Fehler sind schlimm!" Fehler zeigen, dass man nicht aufgepasst oder nicht richtig gelernt hat oder den Lehrer ärgern will. Das hat sofort eine Rüge oder einen Minuspunkt zur Folge. Es ist besser, den Mund zu halten, als einen Fehler zu machen. Deshalb sollen alle Schülerinnen und Schüler dazu angehalten werden, gut zu überlegen, bevor sie den Mund aufmachen. 3. „JEDER Fehler muss (sofort) korrigiert werden!" Deutschunterricht zielt auf die korrekte Beherrschung der deutschen Sprache. Wenn sich doch einmal Fehler einschleichen, so besteht die Gefahr, dass diese sich einprägen. Jeder Fehler sollte daher auf der Stelle korrigiert werden, und zwar so, dass die ganze Klasse mitbekommt, dass das falsch war. 4. „Ein bisschen Spott und Gelächter beflügeln den Lerneifer!" Bei Schülern, die zu viele Fehler machen oder nicht aufpassen, kann ein wenig Spott den Lerneifer beflügeln. Wenn die ganze Klasse über einen Schüler lacht, so wird dieser sich beim nächsten Mal gewiss mehr Mühe geben. 5. „Keine Experimente!" Schüler sollten auf Deutsch nichts lesen, sprechen oder schreiben, was nicht zuvor vom Lehrer gründlich vorbereitet wurde. Unterricht ist schließlich keine Reise ins Unbekannte, sondern der systematische Aufbau von den kleinen zu den größeren sprachlichen Einheiten. 6. „Was im Buch steht, ist wichtig!" Lehrwerkautoren haben sich viel Mühe mit der Entwicklung einer systematischen Progression gegeben. Lehrende sollten darauf achten, dass sich die Lernenden nicht vom Lehrbuch entfernen und eventuell Wörter gebrauchen und Sätze versuchen, die noch nicht dran waren. 7. „Schüler müssen nicht alles wissen!" In Lehrplänen und Lehrbüchern haben sich kluge Menschen viele Gedanken über die Ziele des Deutschunterrichts und den Weg dorthin gemacht. Es ist Zeitverschwendung, Schülern die Lernziele einer Unterrichtseinheit zu erläutern. Solange die Schüler nicht wissen, wohin die Reise geht, sind sie gezwungen, wach zu bleiben und aufzupassen. 8. „Eine Sprache muss man alleine lernen!" Da schließlich jeder eine Sprache alleine können muss, sollte die Zusammenarbeit von Schülern verhindert werden. Gruppenarbeit führt nur dazu, dass die schwächeren Schüler ihre Schwächen nicht bemerken und die Faulen sich drücken können. 9. „Die Muttersprache hat im Deutschunterricht nichts zu suchen!" Beim Deutschlernen sollte jeder Gebrauch der Muttersprache - oder auch anderer Sprachen, die die Lernenden beherrschen -verhindert werden, damit sich alle auf Klang und Struktur der deutschen Sprache konzentrieren. Wenn jemand trotz aller Mühen des Lehrers auf Deutsch etwas nicht versteht, ist er oder sie wahrscheinlich nicht intelligent genug für das Deutschlernen. 10. „Ruhe muss sein im Deutschunterricht!" Im Sprachunterricht kommt es auf Details an, auf Aussprache, Intonation, auf die unscheinbaren Endungen etc. Damit alle verstehen, was gesagt wird, ist absolute Ruhe im Klassenraum das oberste Gebot.