D eu t s chiin t erri cht in Theorie und Praxis DTP Handbuch zur Didaktik der deutschen Sprache und Literatur in elf Bänden herausgegeben von Winfried Ulrich Band U/2 Lese- und Literaturunterricht Teil 2 Kompetenzen und Unterrichtsziele Methoden und Unterrichtsmaterialien Gegenwärtiger Stand der empirischen Unterrichtsforschung herausgegeben von Michael Kämper-van den Boogaart und Kaspar H. Spinner 2. unveränderte Auflage Schneider Verlag Hohengehren GmbH Schneider Verlag Hohengehren GmbH Inhaltsverzeichnis V Umschlag: PE-Mediendesign, Elke Boscher, 88521 Erringen Inhaltsverzeichnis Vorwort des Herausgebers des Handbuchs „Deutschunterricht in Theorie und Praxis" ........... VII Vorwort der Herausgeber der drei lese- und literaturdidaktischen Bände ......... XI Gedruckt auf umweltfreundlichem Papier (chlor- und säurefrei hergestellt). Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über >http://dnb.d-nb.de< abrufbar. ISBN: 978-3-8340-0511-3 ISBN: 978-3-8340-0762-9 (-» Band 11.1 bis 11.3) Schneider Verlag Hohengehren, Wilhelmstr. 13, D-73666 Baltmannsweiler Homepage: www.paedagogik.de Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Unterrichtszwecke! C Kompetenzen und Unterrichtsziele C1 Literalitätserziehung in der Vorschule von Helga Andresen ....................... 3 C2 Kompetenzen und Unterrichtsziele im Lese- und Literaturunterricht der Grundschule von Petra Büker/Claudia Vorst.................. 21 C3 Kompetenzen und Unterrichtsziele im Lese- und Literaturunterricht der Sekundarstufe I von Klaus Maiwald........................ 49 C4 Kompetenzen und Unterrichtsziele im Lese- und Literaturunterricht der Sekundarstufe II von Elisabeth K. Paefgen..................... 79 C5 Lehrerkonzepte und Lehrerkompetenzen für den Lese- und Literaturunterricht von Michael Kämper-van den Boogaart ............. 104 D Methoden und Unterrichtsmaterialien D1 Förderung der Lesekompetenz von Daniel Nix.......................... 139 D 2 Methoden des Literaturunterrichts von Kaspar H. Spinner...................... 190 D 3 Das Lesebuch und andere printbasierte Lehr- und Lernmittel für den Lese- und Literaturunterricht 190 Kaspar H. Spinner D 2 Methoden des Literaturunterrichts 191 KASPAR H. SPINNER D2 Methoden des Literaturunterrichts In diesem Beitrag wird ein Überbück über die Unterrichtsmethoden gegeben, die für die Beschäftigung mit literarischen Texten eingesetzt und in der didaktischen Fachliteratur diskutiert werden. Diese Methoden sind nicht gleichzusetzen mit den fachwissenschaftlichen Interpretationsmethoden - welche Rolle diese als zu vermittelnde Kompetenz in der Schule spielen sollen, ist eine Frage der Zieldiskussion; ebenso wenig werden die fachunabhängigen Unterrichtsmethoden und Sozialformen, die in der schulpädagogischen Fachliteratur behandelt werden, hier erörtert (Stationenlernen, Gruppenarbeit usw.). Auf Fragen der Unterrichtsmethodik hat die Deutschdidaktik im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts eher herablassend geblickt; in der Umbruchszeit um 1970 hat sich die Deutschdidaktik geradezu als Gegenposition zur Unterrichtsmethodik verstanden, die man in Robert Ulshöfers „Methodik des Deutschunterrichts" repräsentiert fand und die man als unwissenschaftliche Meisterlehre einschätzte. Ab den 1980er Jahren wurden unterrichtsmethodische Fragen dann wieder mehr beachtet und mit dem neuen Jahrhundert hat sich die Einstellung grundlegend geändert. Die Lehr- und Lernforschung wird heute in allen Didaktiken als eine zentrale Aufgabe betrachtet; dazu gehört ganz wesentlich die Frage, mit welchen Methoden man welche Lerneffekte erzielen kann (vgl. Wieser E3). Für den Literaturunterricht hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein überaus reichhaltiges Angebot an methodischen Möglichkeiten entwickelt, das kaum erschöpfend dargestellt werden kann, zumal auch ständig neue Ideen des Vorgehens entwickelt und publiziert werden. Es gibt hier eine große methodische Kreativität bei Lehrkräften und Vertreterinnen und Vertretern der Fachdidaktik. Spärlich allerdings sind noch empirische Untersuchungen zur Wirksamkeit verschiedener methodischer Vörgehensweisen. Solche Forschungen sind deshalb überaus schwierig, weil man in der Literaturdidaktik heute davon ausgeht, dass erfolgreiches literarisches Lernen vor allem durch eine durchdachte Kombination verschiedener Methoden erreicht werden kann; Erprobung und Evaluation einzelner Methoden sind deshalb wenig aussagekräftig. Unterrichtsmethoden müssen auf die Zielsetzungen des Unterrichts ausgerichtet sein. Diese sind für den Literaturunterricht im Teil C dieses Bandes erläutert worden. Eine ausführliche Zieldiskussion zu den einzelnen Verfahrensweisen im Unterricht wird im Folgenden deshalb nicht vorgenommen, Hinweise müssen eenügen. Der Zusammenhang von Zielen und Methoden soll damit keinesfalls abgewertet werden - er ist nicht zuletzt deshalb immer wieder zu reflektieren, weil sich Unterrichtsmethoden leicht verselbständigen, etwa als Brauchtum (das hat man doch immer schon so gemacht) oder als funktionierendes Vorgehen für einen Unterricht ohne Komplikationen (das klappt bei mir immer oder das ist ein Selbstläufer). Auch die vor allem in Ausbildungssituationen immer wieder zu hörende Äußerung, dass eine Unterrichtsstunde Spaß gemacht habe, reicht als Rechtfertigung für ein methodisches Vorgehen nicht aus. Literaturunterricht bezieht sich nicht nur auf die gedruckte Form von Literatur, sondern auch auf Hörspiel, Hörbuch und Theater. Die akustisch(-visuelle) Rezeption ist im Folgenden deshalb jeweils mitgemeint. Nicht behandelt werden die basalen Aspekte der Vermittlung von Lesekompetenz, die beim Lesen sowohl literarischer als auch nicht-literarischer Texte eine Rolle spielen. Sie sind im vorangehenden Beitrag behandelt worden (Daniel Nix, Dl). Für Literaturunterricht im Zusammenhang mit neuen Medien wird auf Band VII des vorliegenden Handbuches verwiesen (Frederking/Möbius/Krommer DTP 8). Das betrifft vor allem die Literaturverfilmung, Literatur im Netz und interaktive Literaturadaptionen. Die schriftlichen Formen zur Leistungsprüfung wie Nacherzählung, Inhaltsangabe und Analyse/Interpretation werden im Beitrag von Zabka behandelt (F3). 1 Literaturbezogene Leseanimation Unter dem Begriff der Leseanimation können diejenigen Vorgehensweisen zusammengefasst werden, mit denen den Schülerinnen und Schülern Lust am Lesen vermittelt werden soll (vgl. dazu die Ausführungen zur Lesemotivation in Christmann, B2). Der Umgang mit Texten soll dabei den traditionellen Lern-und Übungscharakter verlieren; Zielvorstellung ist vielmehr die Etablierung einer Lesekultur in der Schule und die Vermittlung von Anregungen, die über das Lesen in der Schule hinausreichen. Leseanimation ist insbesondere durch die großen empirischen Leseuntersuchungen (PISA, IGLU) verstärkt in den Blickpunkt gerückt und ist auch Anliegen vieler außerschulischer Initiativen (z.B. der Stiftung Lesen). Man geht davon aus, dass Lesefreude wesentüch zur Lesekompetenz beiträgt, dass aber umgekehrt diese auch eine Voraussetzung dafür ist, Lesen als gewinnbringend zu erfahren. Maßnahmen zur Leseanimation stehen im Kontext eines dezidiert individualisierenden Unterrichts und sind vor allem in der Grundschule sehr verbreitet, werden seit einigen Jahren aber auch in den weiterführenden Schulen immer mehr berücksichtigt (vgl. Wrobel 2009). Romane, insbesondere auch aus der Kinder- und Jugendliteratur, stehen dabei wegen der intensiven emotionalen Wirkung, die man sich von ihnen verspricht, im Vordergrund, aber auch Sachbuch, Zeitungen und Zeitschriften spielen eine Rolle und stoßen insbesondere bei männlichen Heranwachsenden zuweilen auf 192 Kaspar H. Spinner ein größeres Interesse. Da es insgesamt um die Schaffung eines grundlegenden positiven Bezugs zum Lesen geht, sind die leseanimierenden Verfahren im vorangegangenen Beitrag zur Förderung der Lesekompetenz ausführlicher behandelt worden (Nix, Dl); hier werden sie nur knapp genannt. Als Möglichkeiten der Leseanimation in der Schule sind vor allem zu nennen - das Einrichten einer Klassenbücherei, falls räumlich möglich mit Leseecke, und Nutzung der Schulbibliothek, - die Bereitstellung von Lesekisten, die für eine bestimmte Zeit im Schulzimmer aufgestellt sind und aus denen sich die Schülerinnen und Schüler Bücher ausleihen können, - die Einplanung von Lesestunden, in denen die Schülerinnen und Schüler je für sich in einem Buch ihrer Wahl lesen und die Erfahrung stiller Konzentration in der Gruppe machen (im angelsächsischen Sprachraum als „Sustained Silent Reading" verbreitet, vgl. Rosebrock & Nix 2008,50f., zu den Erfahrungen im deutschen Sprachraum z.B. Bertschi-Kaufmann 2007,169f.), - extensives Lesen (z.B. alle zwei Wochen ein Buch) mit dem Lesepass, in den die gelesenen Bücher eingetragen werden, mit Ausstellung einer Urkunde, wenn eine bestimmte Anzahl von Büchern gelesen worden ist (vgl. Lange 2007, vgl. auch die Ausführungen zu den Vielleseverfahren in Nix, D1), - die Durchführung einer Lesenacht, die Organisation einer Buchwoche und anderer Projekte (vgl. dazu unten Kap. 17), - die Einladung von Autor(inn)en zu Lesungen oder Schreibworkshops, mit Neugier erweckender Vorbereitung, - der Besuch von Buchhandlungen und Bibliotheken, - das Verfassen und der Austausch von Buchrezensionen, evtl. mit Veröffentlichung in der Schülerzeitung oder im Internet. Leseanimation kann nur wirksam sein, wenn die Schülerinnen und Schüler mit Büchern (und nicht nur mit Lesebuch und Textkopien) umgehen. In größeren Studien ist gezeigt worden, dass auch multimediale Lernumgebungen kaum die Gefahr mit sich bringen, dass die Schülerinnen und Schüler auf das Lesen verzichten; audiovisuelle Medien sind für manche Nichtleser gerade eine Brücke zum Lesen (vgl. Bertschi-Kaufmann 2000). Zur Leseanimation können auch Methoden beitragen, die im Folgenden ausführlicher thematisiert werden, zum Beispiel das Vorlesen oder die szenische Interpretation. D 2 Methoden des Literaturunterrichts 193 2 Lesetagebuch, Lesemappe, Lesebegleitheft Eine offene, individualisierende Leseerziehung wird insbesondere durch das Lesetagebuch unterstützt; die wichtigste Intention dabei ist, dass die Schülerinnen und Schüler ihren eigenen Leseprozess reflektieren und zu einer selbstständigen Beschäftigung mit Texten angeregt werden. In einem Lesetagebuch halten sie fest, was sie wann gelesen haben, notieren Leseeindrücke, können Textstellen, die ihnen wichtig sind, abschreiben, ein Figurenverzeichnis erstellen, Informationen über den Autor oder die Autorin eintragen, zum Text Skizzen erstellen oder Illustrationen gestalten und textproduktive Möglichkeiten wie innere Monologe oder Briefe einer Figur realisieren. In der Didaktik sind zu Lesetagebüchern größere Studien erstellt worden, für die Grundschule vor allem von Andrea Bertschi-Kaufmann (2000) und für die Sekundarstufe von Ingrid Hintz (2008); einen Überblick über die Forschung gibt Nix (2007). Erste Vorschläge, das Lesetagebuch gezielt für die Leseförderung in der Schule einzusetzen, gibt es seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts (vgl. Hintz 2008, 68ff.). Für das Erstellen eines Lesetagebuchs brauchen die Schülerinnen und Schüler Hinweise, die allerdings offen gehalten werden sollen (nicht vorgedruckte Arbeitsblätter zum Ausfüllen). Andrea Bertschi-Kaufmann und Ingrid Hintz haben dazu auf der Basis ihrer Untersuchungen Vorschläge für einen entsprechenden Handzettel gemacht. Der folgende Vorschlag stützt sich auf diese Vorarbeiten (Bertschi-Kaufmann, 1998, 34, Hintz 2008, 280): Lesetagebuch In einem Lesetagebuch kannst du alles aufschreiben, was dir beim Lesen in den Sinn kommt: deine Gedanken und Gefühle, Zustimmung und Ablehnung, Fragen und Meinungen. Was du machen musst: • Du schreibst von jedem Buch, das du liest, den Titel, den Autor oder die Autorin und den Verlag auf. • Wenn du ein Heft, eine Zeitschrift liest, schreibst du den Titel, die Nummer und das Erscheinungsjahr auf. • Immer, wenn du in einem Buch oder einem Heft liest, notierst du das Datum und schreibst mindestens drei Sätze auf. 194 Kaspar H. Spinner D2 Methoden des Literaturunterrichts 195 Was du sonst noch machen kannst, wenn du ein Buch liest: • eine spannende, witzige, traurige oder verrückte Stelle aus dem Buch abschreiben; • Personen des Buches beschreiben, Steckbriefe von ihnen anfertigen und sie zeichnen, ein Interview mit einer Person des Buches erfinden; • aufschreiben, welche Person dir besonders gut und welche dir nicht gefällt, und deine Meinung begründen; • etwas malen oder zeichnen, das zu deinem Buch passt, z. B. einen Comic; • eine Karte oder einen Plan zu den Orten und Landschaften im Buch zeichnen; • aufschreiben, was dir an dem Buch gefallen hat und was du gar nicht gut fandest, und deine Meinung begründen; • eine Buchkritik schreiben; • überlegen, wem du das Buch empfehlen würdest, und einen Brief mit der Empfehlung schreiben; • einen anderen Schluss für das Buch erfinden; • schreiben, welche Person aus dem Buch du selber sein möchtest, und erklären, weshalb; • einen Brief oder eine Mail an eine Person des Buches schreiben; • Tagebucheinträge oder einen Brief einer Person des Buches schreiben; • dir vorstellen, dass du selbst im Buch vorkommst, und erzählen, was du zu den Buchfiguren sagst und was du tun würdest; • aufschreiben, was dir beim Lesen in den Sinn gekommen ist, z.B. Erinnerungen, Fragen, Wünsche; • Bilder aufkleben, die zum Buch passen; • Informationen zum Autor bzw. zur Autorin recherchieren und aufschreiben; • etwas aufschreiben, was du beim Lesen gelernt hast und nicht mehr vergessen willst. Sicher hast du selber auch noch Ideen. Lesetagebücher können sich auf eine bestimmte Lektüre beziehen oder auf alles, was die Schülerinnen und Schüler während eines bestimmten Zeitraums lesen. Im ersten Fall müssten die ersten Punkte im hier vorgeschlagenen Informationsblatt entsprechend modifiziert werden; man kann im Handzettel auch direkt auf das ausgewählte Buch, seine Figuren und Themen Bezug nehmen (einen entsprechenden Vorschlag findet man bei Schubert-Felmy 2008, 123f.). Es gibt Schülerinnen und Schüler, die sich vom Anspruch auf eine selbstständige Führung eines Lesetagebuchs überfordert fühlen. Sie brauchen eine ermunternde und konstruktive Unterstützung der Lehrkraft. Dem Lesetagebuch ist die Lesemappe verwandt, in der die Schülerinnen und Schüler Arbeiten, die sie zu einem Buch erstellen, sammeln (Beste 2007, 34f.). Auch der Begriff des Portfolio wird z.T. im Sinne einer Lesemappe oder eines Leseheftes verstanden, ist allerdings nicht auf den Leseunterricht beschränkt (vgl. dazu das Sekundarstufenmodell von Bräuer, Gl). Einzelne Einträge aus Lesetagebüchern und Texte aus Lesemappen können in den Unterricht als Gesprächsanregung eingebracht werden, etwa in der Weise, dass immer an einem bestimmten Wochentag die Gelegenheit besteht, dass drei Schülerinnen oder Schüler etwas Aufgeschriebenes vorlesen. Das Lesetagebuch wird begrifflich oft vermischt mit dem Lesebegleitheft. Dieses besteht aus vorgegebenen Arbeitsblättern; neben den Anregungen, die auch für ein Lesetagebuch gegeben werden, enthalten Lesebegleithefte auch Verständnisfragen, Kreuzworträtsel mit Wörtern aus dem Text und Ähnliches. Verlage geben solche Lesebegleithefte in großer Zahl zu Kinder- und Jugendbüchern heraus. Sie eignen sich gut zur Einzelarbeit, bringen allerdings auch die Gefahr mit sich, dass die Beschäftigung mit einem Buch zu einem Abarbeiten von Arbeitsblättern wird. 3 Vorlesen durch die Lehrerin oder den Lehrer Im Rahmen der leseanimierenden Verfahren und einer Förderung des Zuhörens wird neuerdings wieder verstärkt das Vorlesen propagiert. In Vorlesesituationen kann eine konzentrierte Atmosphäre der Aufmerksamkeit entstehen, die bei den Schülerinnen und Schülern eine intensive Texterfahrung bewirkt. Das ist insbesondere für diejenigen wichtig, die sich mit dem eigenen Lesen schwer tun; durch das Zuhören können sie ohne die Barriere des Entzifferns eine positive Einstellung zur Literatur gewinnen. Allen Schülerinnen und Schülern kann deutlich werden, dass auch in der Schule literarische Texte nicht nur als Stoff für Aufgaben dienen, sondern zum genießenden Aufnehmen einladen. Dazu gehört die ästhetische Erfahrung von Klang und von Rhythmus - beides ist nicht nur bei Gedichten, sondern auch bei Prosa wichtig. Auch die Imagination als Grundbedingung literarischen Verstehens kann durch Vorlesesituationen besonders aktiviert werden. Für die Situierung des Vorlesens im Unterrichtszusammenhang gibt es hauptsächlich drei Möglichkeiten: 1. Das Vorlesen kann als eigenständiges Element ohne weitere Einbindung in einen erarbeitenden Unterrichtszusammenhang gestaltet werden. Das ist bei eigens angesetzten Vorlesestunden der Fall oder wenn jeder Unterrichtstag 196 Kaspar H. Spinner damit beginnt, dass die Lehrerin oder der Lehrer eine Viertelstunde lang vorliest. Solche Vorlesesituationen sind vor allem im Elementarbereich und in der Grundschule verbreitet, werden aber heute auch in den weiterführenden Schulen für sinnvoll erachtet. Wenn längere Texte vorgelesen werden, können Kürzungen vorgenommen und die weggelassenen Stellen durch Zusammenfassungen überbrückt werden. 2. In allen Schulstufen findet man das Vorgehen, dass die Lehrerin oder der Lehrer als Einstieg in die Beschäftigung den betreffenden Text vorliest. Dies entlastet das Textverstehen vor allem derjenigen Schülerinnen und Schüler, die mit dem selbstständigen Erlesen Mühe haben; durch die Intonation, zum Beispiel das Hervorheben wichtiger Wörter und Textstellen, erfolgt eine Strukturierung und teilweise auch schon eine Interpretation des Textes. Letzteres kann allerdings auch gerade ein Grund sein, einen Text still erlesen zu lassen, damit keine Beeinflussung durch den Lehrervortrag schon am Anfang stattfindet - man vergegenwärtige sich zum Beispiel, wie ein Liebesgedicht von Heine gefühlvoll oder ironisch vorgelesen werden kann und je nachdem eine ganz unterschiedliche Rezeptionsvorgabe entsteht (es gibt auch die Möglichkeit, dass die Lehrerin oder der Lehrer einen Text in zwei Varianten vorliest und diese zur Diskussion stellt). 3. Die dritte Form der Situierung ist das Vorlesen am Ende der Beschäftigung mit einem Text. Dabei ist weniger daran gedacht, dass der Lehrer oder die Lehrerin den bearbeiteten Text noch einmal abschließend vorliest (das wäre eine Aufgabe für die Schülerinnen und Schüler, vgl. den folgenden Abschnitt 3); wohl aber kann es sinnvoll sein, nach der exemplarischen Behandlung eines Textes weitere Beispiele vorzulesen, zum Beispiel in einer Balladeneinheit eine weitere Ballade, und vielleicht sogar die folgenden Stunden jeweils damit zu beginnen, wieder ein Beispiel vorzulesen - ohne dass dieses besprochen wird. Es geht darum, dass die Schülerinnen und Schüler mit der Gattung vertraut werden, dass sie weitere Beispiele kennen lernen und dass sie auch literarischen Genuss erfahren. Wenn man als Lehrerin oder Lehrer Texte vorliest, hat man eine doppelte Aufgabe zu erfüllen: Man muss sich mit seiner Imagination und seinem Stilgefühl intensiv auf einen Text einlassen und zugleich einen Bezug zu den Zuhörenden herstellen. Variation in Vorlesetempo, Lautstärke, Tonhöhe machen einen Text lebendig, wobei je nach Temperament des Vorlesenden sowohl mehr distanziert verhaltene als auch mehr schauspielerisch dramatisierende Vörleseweisen ihr Recht haben. Eine knappe Zusammenstellung von Tipps fürs Vorlesen findet man bei Claus Claussen (2006) und Jürgen Wollweber (2008). Das Vorlesen von Erzähltexten kann durch kurze Gesprächseinlagen unterbrochen werden, die die Imagination und das Mit- und Nachdenken der Schülerinnen und Schüler im Sinne einer verzögerten Rezeption anregen sollen. Als Impulse für solche Voriesegespräche kommen unter anderem in Frage (vgl. Spinner 2004): D2 Methoden des Literaturunterrichts 197 - Antizipation: Die Schülerinnen und Schüler sollen sich überlegen, wie die Geschichte weitergehen könnte. - Aktivierung von eigenen Erfahrungen (individuelles Vorwissen): Gemeint sind hier Impulse wie „Eine solche Wut, kennt ihr das?" oder „Habt ihr auch i einmal eine solche Situation erlebt?". - Anregung zur Perspektivenübernahme: Das geschieht durch Fragen wie „Wie hat sich X hier wohl gefühlt?" oder „Könnt ihr verstehen, warum X das sagt? ". - Reflexion des Verhaltens einer Figur: Dies bietet sich vor allem an, wenn sich eine Figur in einem Text in überraschender Weise verhält. Es geht um Fragen wie „Findest du es richtig, was X hier getan hat?" oder „Was würdest du tun, wenn du in der Situation von X wärst?". - Interpretationen: Interpretationsfragen sind vor allem bei Textstellen angebracht, die durch andere Textstellen erhellt werden können, z.B. wenn aus dem vorangegangenen Textzusammenhang eine Begründung für das Verhalten einer Figur erschlossen werden soll. Vor allem in unteren Klassen ist es oft gar nicht nötig, einen Impuls oder eine Frage zu formulieren; ein Innehalten und Aufbücken kann schon Schüleräußerungen hervorrufen. Eine Alternative für das Vorlesen durch die Lehrerin oder den Lehrer ist das Abspielen professioneller Rezitationen. Dabei entsteht allerdings nicht die besondere zwischenmenschliche Beziehung zwischen Schülern/Schülerinnen und Lehrer/Lehrerin, die immer wieder der Vorlesesituation eine besondere Intensität verleiht. Dafür können professionelle Rezitationen ein besonders interessantes Deutungsangebot sein. Sie sollten auch angesichts der Bedeutung, die das Hörbuch in den letzten Jahren im kulturellen Leben gewonnen hat, im Unterricht Berücksichtigung finden (vgl. Frederking/Möbius/Krommer DTP 8). 4 Gestaltendes lautes Lesen, Auswendigsprechen und Nacherzählen Das laute Lesen der Schülerinnen und Schüler kommt im Unterricht vor allem als unvorbereitetes Reihum-Lesen vor; sein Lerneffekt ist gering, weil immer nur ein Schüler oder eine Schülerin vorlesen kann. Anders ist es mit vorbereitetem Lesen, etwa wenn einzelne Schülerinnen und Schüler den Auftrag bekommen, bestimmte Texte oder Textstellen zum Vortrag in der folgenden Unterrichtsstunde vorzubereiten, oder wenn eine Vorbereitungszeit während des Unterrichts eingeräumt wird. In den letzten Jahren sind, vor allem beeinflusst durch die amerikanische Lesedidaktik, vielfältige weitere Lautleseverfahren zur Förderung des flüssigen Lesens entwickelt worden (vgl. Nix, Dl). Eine sinnvolle Funktion hat das Vorlesen von Textauszügen auch im Rahmen von Buchvor- 198 Kaspar H. Spinner Stellungen und anderen projektorientierten Vorgehensweisen (siehe unten Kap. 6). Als Vorbereitung für das Vorlesen können Schülerinnen und Schüler angehalten werden, einfache Markierungen (Unterstreichungen, Pausenzeichen und Ähnliches) im Text vorzunehmen. Am stärksten ausgeprägt ist das laute Lesen als methodischer Zugang zu lyrischen, epischen und dramatischen Texten in Erika Essens „Methodik des Deutschunterrichts" (Essen 1972, 1. Auflage 1955), einer Publikation, die vor allem in der 60er Jahren des 20. Jahrhunderts für den Gymnasialunterricht sehr einflussreich war. Eine lange Tradition im Unterricht hat das Gedichtsprechen; besonders betont worden ist es von der Kunsterziehungsbewegung (Anfang des 20. Jahrhunderts). In seiner großen Gedichtdidaktik „Kunsterziehung und Gedichtsbehandlung" von 1906 bezeichnet Alfred M. Schmidt den Gedichtvortrag als „Ende und Höhepunkt" der Gedichtbehandlung (zit. nach Spinner 2000,101). In der Folge ist dann vor allem von Seiten der Sprecherziehung der Gedichtvortrag immer wieder in seiner Bedeutung betont worden. Einflussreich sind in diesem Zusammenhang Erich Drach, Christian Winkler, Eva Maria Krech und Wilhelm Höffe geworden (vgl. Spinner 2000), in jüngerer Zeit Cornelia Ertmer (Ertmer 1996) und (auch auf Prosatexte bezogen) Eberhard Ockel (Ockel 2000). Meist dominiert in dieser Tradition ein starker Werkbezug, d.h. es geht in erster Linie darum, dem literarischen Text im Vortrag gerecht zu werden. In jüngerer Zeit werden vermehrt die experimentellen und subjektiven Möglichkeiten betont: Im Gedichtvortrag können verschiedene Gestaltungsweisen ausprobiert und eigene Zugänge, die auch eine abweichende Perspektive zum Ausdruck bringen (zum Beispiel Ironisierung des Textes), realisiert werden. Das Sprechen eines Gedichts kann auch als Hinführung zur Interpretation und nicht nur als deren Abschluss eingesetzt werden, und zwar in der Weise, dass die Schülerinnen und Schüler ein Gedicht laut vorlesen und dann die Vörleseweise als Ansatzpunkt für die Erörterung von Interpretationsfragen genutzt wird. In entsprechender Weise kann auch mit Dramenausschnitten und Prosatextpassagen (zum Beispiel bei einem inneren Monolog) gearbeitet werden. Das Experimentieren mit verschiedenen Sprechvariationen kann dabei besonders reflexionsanregend sein (vgl. Köppert 1997, 210-223, von der Kammer 2004, 116ff.). Für eine solche Arbeit mit verschiedenen Sprechgestaltungen haben Lösener/ Siebauer den Begriff des „hörenden Lesens" (Lösener/Siebauer 2009) geprägt. Einen neuen Schub für die Rezitation hat die Poetry-Slam-Bewegung gebracht (vgl. Anders/Abraham 2008); dabei werden von den Schülerinnen und Schülern in der Regel selbst verfasste, manchmal aber auch vorgelegte Texte vorgetragen. Poetry Clips von Slammern können Anregungen für den Vortrag der Schülerinnen und Schüler geben. D2 Methoden des Literaturunterrichts 199 Traditionell eine große, aber nicht unumstrittene Rolle spielt das Auswendiglernen und Vortragen von Gedichten. Über Jahrhunderte hin war es eine wichtige Lernmethode, erfuhr dann aber in den 1960er und 1970er Jahren des letzten Jahrhunderts deutliche Kritik (Lösener 2007). Oft vorgetragene Zielsetzungen für das Auswendiglernen von Gedichten sind Gedächtnistraining und Aneignung von Kulturgut. Abwehrhaltungen bei Schülerinnen und Schülern entstehen durch die Angst, beim Vortragen stecken zu bleiben, vor allem wenn der Gedichtvortrag mit Notengebung verbunden ist. Diese Angst und die damit verbundene Hemmung, ein Gedicht ausdrucksstark vorzutragen, kann abgebaut werden, wenn ein Schüler oder eine Schülerin als Souffleur bzw. Souffleuse bestimmt wird. Vor allem Erfahrungen in der Grundschule zeigen, dass Kinder auch ausgesprochen Freude daran haben können, Gedichte vorzutragen. Als günstig erweist es sich in der Regel, die Schülerinnen und Schüler aus Vorschlägen auswählen zu lassen, welches Gedicht sie auswendig lernen wollen. Lösener, von der die ausführlichste neuere Publikation zum Gedichte-Sprechen stammt, plädiert sogar für völlige Freiwilligkeit (Lösener 2007, 183f.). Prosatexte werden in der Schule kaum je zum Auswendiglernen herangezogen. Sie bieten sich jedoch zum mündlichen Nacherzählen an, einer Form des Umgangs mit Literatur, die im familiären Kontext z.B. in Bezug auf Märchen verbreitet ist. In der Schule spielt das mündliche Nacherzählen vor allem in den unteren Klassenstufen eine Rolle als Einstieg in die Textbesprechung und dient der Inhaltssicherung. Es hat, sofern es so gehandhabt wird, in der Didaktik heftige Kritik erfahren, weil es eine bloß „reproduktive Form" sei und „Phantasie und Ich-Beteiligung" verbiete (Hurrelmann 1983, 30) und damit „gegenüber ästhetischer Erfahrung defizient" sei (ebd., 32). Sinnvoll kann das Nacherzählen aber sein, wenn den Kindern zugestanden wird, dass es Ausdruck des subjektiven Aneignens einer Geschichte sein darf und individuelle Akzentuierungen vorgenommen werden dürfen (vgl. Abraham 2009). In dieser Form ist ihnen, wenn sie von einer Geschichte berührt sind, das Nacherzählen oft geradezu ein Bedürfnis. Anders als bei der Inhaltsangabe eignen sie sich beim Nacherzählen literarische Textmuster und Stilmerkmale an; so hat z. B. Tabea Becker in ihrer empirischen Studie zur Entwicklung narrativer Fähigkeiten festgestellt, dass Kinder beim Nacherzählen häufigen Gebrauch von rhythmischen Elementen machen (vgl. Becker 2005,181). Bei Schülerinnen und Schülern, für die Deutsch die Zweitsprache ist, kann das Nacherzählen für Wortschatzerweiterung hilfreich sein; sie können sich kontextgebunden (eingebettet in eine Geschichte) die neuen Wörter der Vorlage aneignen. Eine anspruchsvollere Form des Nacherzählens in der Grundschule ist das perspektivische Erzählen aus der Sicht einer Figur, die als selbst gebastelte Pappfigur vom erzählenden Kind in der Hand gehalten wird (Moers 2001,199 f.). In den weiterführenden Klassenstufen tritt als eine Möglichkeit des Einstiegs in die 200 Kaspar H. Spinner Iextbesprechung die knappere Textzusammenfassung oder Inhaltsangabe an die Stelle der Nacherzählung. Das Nacherzählen kann in allen Klassenstufen auch unabhängig von der Funktion eines Einstiegs in die Textbesprechung als eigenständige Form des literarischen Lebens praktiziert und geübt werden (vgl. Wardetzky/Weigel 2008,93 ff.). Dabei geht es dann darum, einen lebendigen Publikumsbezug herzustellen, also i.B. eine Eulenspiegelgeschichte für die Zuhörenden attraktiv zu erzählen; Stimmmodulation, Blickverhalten, Sprechpausen sind unter anderem wichtige \spekte, die zu beachten sind im Hinblick auf das Publikum, aber auch bezogen iuf den Textinhalt; eine lustige Episode wird anders erzählt als eine spannend-inheimliche. Um in die Rolle eines Erzählers hineinzufinden, kann es hilfreich sein, mit Kostümierung zu arbeiten. 5 Szenisches Lesen Unter szenischem Lesen werden heute in der Regel Verfahren verstanden, bei ienen mehr als eine Schülerin oder ein Schüler beteiligt ist und sparsam szenische Elemente eingebaut werden, zum Beispie] eine Verteilung der Vorlesenden m Raum. Das oft eingesetzte Lesen mit verteilten Rollen (Dialogpartien in Pro-;atexten oder Dramenszenen) stellt dazu eine Vorstufe dar. Bei diesem geht es /OT allem darum, durch die Stimme etwas vom Charakter und der Befindlichkeit ler sprechenden Figuren wiederzugeben. Beim szenischen Lesen kann auch die ialtung von Figuren eingenommen und mit Mimik und Gestik gearbeitet werden; dabei sind die Übergänge zum darstellenden Spiel fließend, szenisches Lesen sollte in Gruppen vorbereitet werden. Bei Gedichten, mit lenen das Verfahren heute besonders häufig eingesetzt wird, überlegen sich die Schülerinnen und Schüler, wie sie die Strophen, Verse, Sätze oder auch einzelne iVörter untereinander aufteilen. Dabei kann auch chorisches (gemeinsames) sprechen eingesetzt werden, Stimmen dürfen sich überlagern und der Text darf variiert werden, zum Beispiel dadurch, dass Teile wiederholt gesprochen wer-ien. Zusätzlich sollen Absprachen über Sprechweisen (Lautstärke, Sprech-empo ...) getroffen werden, ferner soll die Aufstellung der Sprecher im Raum iberlegt werden, evtl. auch Bewegung und besondere Körperhaltung. Zur Hin-ührung und Anregung kann der Lehrer oder die Lehrerin als Regisseur(in) \nweisungen geben; Ziel soll sein, dass die Schülerinnen und Schüler mit der Seit selbst in der Gruppe das szenische Lesen planen können. Szenisches Lesen lält zu einem kooperativen Verhalten an, bei dem alle Gruppenmitglieder not-vendigerweise beteiligt sind; es schult die rhetorischen Fähigkeiten und ist in lieser Hinsicht für viele Schülerinnen und Schüler weniger mit Hemmungen )elastet als der Einzelvortrag. Gefragt sind genaues Lesen, die Entwicklung von /orstellungen und Interpretation der Textvorlage. Es sind also komplexe Zieldi-nensionen, die hier zum Tragen kommen. D 2 Methoden des Literaturunterrichts 201 ■-- Ein Vorlesen von Prosatexten in Gruppen stellt das im angelsächsischen Sprachraum seit längerem praktizierte „Lesetheater" dar (Nix 2006; vgl. auch den entsprechenden Vorschlag im Unterrichtsmodell von Hintz, G5.1), das Ähnlichkeit zum szenischen Lesen von Gedichten aufweist. Dabei wird der Text von den Schülerinnen und Schülern (evtl. auch schon vorbereitend durch die Lehrerin bzw. den Lehrer) als Skript für das Vorlesen mit verteilten Stimmen vorbereitet. Dabei ist es sinnvoll, mehr als eine Erzählerstimme vorzusehen, weil die Erzäh-lerrede, selbst wenn man sie kürzt, meist einen großen Textanteil einnimmt. Bei dramatischen Texten entspricht das szenische Lesen dem Vorgehen, das auch in der Theaterpraxis eingesetzt wird, wenn die Schauspieler den Text noch nicht auswendig beherrschen. Den Figuren eine Stimme geben ist im Unterricht ein interessanter Zugang zur Figurencharakterisierung. 6 Buchpräsentation Das Vorstellen von Büchern ist, vor allem in unteren Klassen, ein gängiges Verfahren im Unterricht. Man kann es der Leseanimation zuordnen, es erschöpft sich allerdings nicht darin; deshalb wird es hier gesondert angeführt. Es bezieht sich auf zwei Zieldimensionen: Es geht nicht nur darum, sich intensiver auf ein Buch einzulassen, sondern auch um die Ausbildung rhetorischer Fähigkeiten (gestaltendes lautes Lesen, vgl. oben, und attraktiv gestaltete Information). Meist wird den einzelnen Schülerinnen und Schülern die Buchauswahl überlassen; sie schließt auch Sachbücher ein. Es ist auch möglich, im Rahmen einer größeren Unterrichtssequenz eine Auswahlliste vorzugeben, bei der Behandlung des Mittelalters z.B. eine Liste einschlägiger historischer Romane. Buchpräsentationen können auch in Gruppenarbeit vorbereitet und durchgeführt werden. Das bietet sich insbesondere dann an, wenn im Sinne eines offeneren Unterrichts nicht eine gemeinsame Klassenlektüre behandelt wird, sondern in Gruppen verschiedene Bücher bearbeitet werden. Das kann in der Praxis so erfolgen, dass alle Schülerinnen und Schüler aus einer Bücherliste ein Buch auswählen und sich diejenigen, die die Wahl getroffen haben, dann zu einer Gruppe zusammentun; das kann zu unterschiedlichen Gruppengrößen führen; ggf. wird das gleiche Buch von mehr als einer Gruppe behandelt. Während einiger Unterrichtsstunden findet nur Gruppenarbeit statt, und zwar mit dem Ziel, das Buch der Klasse dann vorzustellen. Dabei sollen die Präsentationen attraktiv gestaltet werden, z. B. mit szenischem Vorlesen, Elementen der szenischen Interpretation (vgl. unten Kapitel 16), mit Videoeinspielungen, mit Powerpointpräsentation usw. - ohne den Medienzauber ausufern zu lassen. 202 Kaspar H. Spinner D 2 Methoden des Literaturunterrichts 203 7 Literarisches Gespräch Literarische Gespräche sind eine offene Form des Austauschs über Lektüreerfahrungen und Deutungsmöglichkeiten. In gängigen Verlaufsplänen für Literaturstunden findet man meist eine, allerdings sehr reduzierte, Form des literari- , sehen Gesprächs als Einstiegsphase, in der die Schülerinnen und Schüler ihre Lektüreeindrücke austauschen. In der jüngeren fach didaktischen Diskussion wird dem literarischen Gespräch eine erweiterte Bedeutung zugesprochen. Es gilt als eine Form des Austauschs, die in besonderer Weise dem ästhetischen Charakter von Literatur gerecht wird und in der sich eine gesellige Teilhabe an Kultur verwirklicht; es stellt damit eine eigene Zieldimension des Literaturunterrichts dar. Größere Untersuchungen zum literarischen Gespräch sind in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts von der Frankfurter Gruppe um Valentin Merkelbach (Christ et al. 1995) und seit 2000 vom Heidelberger Projekt um Gerhard Härle (z. B. Härle/Steinbrenner 2004) durchgeführt worden. Eine Variante des literarischen Gesprächs mit etwas anderer Akzentsetzung ist das „literaturrezipie-rende Unterrichtsgespräch" in der Untersuchung von Johannes Werner (1995), der auf der Basis der Theorie des kommunikativen Handelns von Habermas seine Konzeption entwickelt, in der der argumentative Austausch über Deutungsmöglichkeiten im Zentrum steht. Der Titel der Publikation von Härle/Steinbrenner, „Kein endgültiges Wort", nennt programmatisch ein Hauptkennzeichen des literarischen Gesprächs: Es geht um offene Sinnbildung, die im Sinne einer unendlichen Semiose nicht unter dem Zwang steht, ein endgültiges Resultat zu erreichen. Die Kennzeichen eines literarischen Gesprächs können in folgenden Punkten zusammengefasst werden: - Die Teilnehmer benennen ihre eigenen Lektüreeindrücke. ■ - Die Eindrücke der anderen Teilnehmer werden als subjektive Äußerungen akzeptiert. - Verschiedene Sichtweisen werden zueinander in Beziehung gesetzt - das kann zu Korrekturen und Ergänzungen bereits geäußerter Sinndeutungen führen; es kann aber auch sein, dass verschiedene Auffassungen nebeneinander stehen bleiben - ein Zwang zur Einigung besteht nicht. - Beim Austausch im Gespräch soll immer wieder ein Textbezug hergestellt werden, wobei das nicht ein argumentatives Belegen mit Textstellen sein muss, sondern auch eine eher kreisende, sich annähernde Suchbewegung sein darf. - Auch Nicht-Verstehen ist Teil des literarischen Verstehens. Es ist deshalb zu akzeptieren, wenn bei einem Text einiges rätselhaft bleibt. Das literarische Gespräch ist also wesentlich dadurch geprägt, dass eine Balance zwischen Selbstkundgabe, Emstnehmen des anderen und Textbezug realisiert wird. Schülerinnen und Schülern fällt dies keineswegs leicht; deshalb muss das literarische Gespräch längerfristig eingeübt werden. Es kollidiert im Übrigen mit der Leistungsorientierung und -feststellung in der Schule, die ein Denken in den Kategorien richtig/falsch befördert. Aber dieses Spannungsverhältnis betrifft grundsätzlich die Literatur und die damit verbundene ästhetische Erfahrung, die einen Gegenpol zur Zweckrationalität darstellt. Durch das Uterarische Gespräch kann Schülerinnen und Schülern bewusst werden, dass zur Bildung nicht nur Wissenserwerb und Aneignung von Fähigkeiten zur Problemlösung gehören, sondern auch die Entfaltung einer Bereitschaft, sich der Welt des Imaginären, dem intuitiven Angesprochensein und der Irritation zu öffnen und sich darüber ohne bestimmte Zweckorientierung auszutauschen. Literarische Gespräche bedürfen, wenn sie den Schülerinnen und Schülern noch nicht vertraut sind, der Leitung durch die Lehrerin bzw. den Lehrer. Dies soll allerdings nicht eine Lenkung sein wie beim fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch; es geht vielmehr um gesprächsorganisierende Moderation (z.B. Einbindung zurückhaltender Schülerinnen und Schüler), um gesprächsfördernde Impulse (z. B. Hinweis auf Gesprächsbeiträge, die sich widersprechen) und auch um (zurückhaltende) Äußerungen zur eigenen Textrezeption - die leitende Person soll sich zugleich als Teilnehmer(in) verstehen (vgl. Härle 2004, Steinbren-ner/Wiprächtiger-Geppert 2006). Manchmal sind auch Kontextinformationen sinnvoll (z.B. zur Entstehungszeit eines Textes). Für literarische Gespräche eignen sich vor allem Texte, die für die Schülerinnen und Schüler Irritationen enthalten; in ihrer empirischen Untersuchung zum literarischen Gespräch in der Förderschulc hat Maja Wiprächtiger-Geppert gezeigt, dass Textstellen, die im Widerspruch zum Weltwissen der Schülerinnen und Schüler stehen, das Gespräch anregen (Wiprächtiger-Geppert 2009, 279). Eine besondere Schwierigkeit stellt die Durchführung bei einer Teilnehmerzahl von 25 bis 35 Teilnehmern dar, also bei Schulklassengröße, weil da kaum jede Schülerin und jeder Schüler die persönliche Lektüreerfahrung einbringen und dazu ein Feedback erhalten kann. Deshalb wird auch die Durchführung in der Gruppe als mögliches Vorgehen vorgeschlagen, wobei dies in zwei Varianten geschehen kann: - Es wird ein Innenkreis gebildet, der das Gespräch führt, und ein Außenkreis, der zuhört und der anschließend Gelegenheit zur Äußerung erhält. - Die Klasse wird in Gruppen eingeteilt, die je für sich ein literarisches Gespräch durchführen - das setzt voraus, dass die Schülerinnen und Schüler literarische Gespräche schon kennen. 204 Kaspar H. Spinner D2 Methoden des Literaturunterrichts 205 Damit alle Teilnehmenden zu Wort kommen, ist es sinnvoll, wenn am Anfang jeder/jede sich äußert, z. B. zu einem Satz aus dem Text, der ihm/ihr besonders wichtig oder rätselhaft erscheint. Eine schriftliche Variante stellt das literarische Schreibgespräch dar. Dazu werden die Schülerinnen und Schüler in Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe erhält einen großen Bogen Papier, den sie auf zwei zusammengerückte Tische legt. Um die Tische herum stehend und ohne zu sprechen tragen die Gruppenmitglieder nun ihre Eindrücke und Fragen zum Text auf dem Papierbogen ein, wobei sie auch auf schon erfolgte Einträge anderer Gruppenmitglieder reagieren sollen. 8 Fragend-entwickelndes Interpretieren Das gängigste Verfahren im Literaturunterricht ist, obschon immer wieder kritisiert, das fragend-entwickelnde Interpretationsgespräch. Seine Grundform lässt sich so beschreiben: Die Lehrerin oder der Lehrer überlegt sich eine Interpretation des zu behandelnden Textes als Unterrichtsziel und formuliert dann im Unterricht Fragen, die die Schülerinnen und Schüler schrittweise zu den anvisierten Ergebnissen führen sollen. Das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch geht auf die sokratische Lehrmethode der Aufklärung zurück (vgl. Spinner 1992). Es wurde als Gegenposition zum damals vorherrschenden Instruktionsunterricht mit Lehrervortrag und anschließendem Abfragen entwickelt. Es sollte die Schülerinnen und Schüler zum eigenen Nachdenken anhalten und in diesem Sinn aufklärerisch wirken. Das ist auch die Grundidee heute bei seiner Anwendung im Literaturunterricht: Eine Interpretation soll den Schülerinnen und Schülern nicht einfach dozierend vorgesetzt werden, sondern sie sollen selbst die dafür notwendigen Beobachtungen und Schlüsse durchführen, angeleitet durch die Lehrerfragen. Zur Textinterpretation passt das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch besonders gut: Beim Interpretieren geht es nicht in erster Linie um die Aneignung von Wissen, sondern darum, Sinnzusammenhänge herzustellen. Es ist also die geistige Aktivität der Interpretierenden gefragt. Da Interpretieren anspruchsvoll ist - es geht um das Herstellen von Inferenzen, um die Bildung von Makrostrukturen, um das Beiziehen von Kontextwissen, um die Verknüpfung inhaltlicher und formaler Aspekte - , können Schülerinnen und Schüler kaum damit alleingelassen werden; Lenkung durch Fragen ist deshalb hilfreich. Die wichtigste Strategie, die sich die Schülerinnen und Schüler beim Interpretieren aneignen sollen und die durch die fragend-entwickelnde Methode unterstützt werden kann, ist das deutende Herstellen von Bezügen zwischen verschiedenen Textstellen (z.B. wie das Verhalten und frühere Erfahrungen einer Figur miteinander zusammenhängen) und verschiedenen Textebenen (z.B. Inhalt und Rhythmus in einem Gedicht). Dabei ist es durchaus sinnvoll, mit den Fragen auf einzelne ergiebige, d.h. aspekt- und beziehungsreiche Textstellen Bezug zu nehmen (Fokus-Methode, vgl. von der Kammer 2004,129ff.) und von ihnen aus globalere Deutungen anzuvisieren. Diese werden oft unter dem Begriff der Intention des Autors gefasst, einer literaturtheoretisch problematischen und deshalb viel kritisierten Kategorie, weil der Sinn literarischer Texte nicht in der Autorintention aufgeht. In der praktischen Durchführung erfüllt das fragend-entwickelnde Interpretationsgespräch allerdings nur begrenzt die Erwartungen, die mit ihm verbunden werden (vgl. z.B. Fritzsche 1994,176-197). Das liegt im Wesentlichen an folgenden Gründen: - In der Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler bewirkt das fragend-entwickelnde Interpretationsgespräch oft gerade nicht eine Anregung zum selbstständigen Überlegen und Entdecken, sondern erscheint als eine Gängelung, weil bestimmte Antworten erwartet werden. Das kann dann sogar dazu führen, dass im Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler das fragend-entwickelnde Interpretationsgespräch zum Spekulieren darüber anhält, was die Lehrerin oder der Lehrer hören möchte. Damit verkehrt sich die ursprüngliche Intention der Methode in ihr Gegenteil -Thomas Zabka nennt diese Fehlform das „pseudo-mäeutische Interpretationsgespräch" (Zabka 2004). - Besonders nachteilig wirkt sich das fragend-entwickelnde Interpretationsgespräch bei den weniger schnell denkenden und zurückhaltenden Schülerinnen und Schülern aus. Sie machen die Erfahrung, dass fast immer schon eine Antwort auf eine Lehrerfrage gegeben worden ist, bevor sie mit ihren eigenen Gedanken zum Ziel gekommen sind. So ist es kein Wunder, wenn sie das Interesse am Mitdenken verlieren und einfach abwarten, bis das Interpretationsergebnis feststeht und sie dieses zur Kenntnis nehmen können. Für sie wird der Unterricht damit zur Instruktion; der aufklärerische Anspruch auf das eigene Erkunden und Entdecken geht an ihnen vorbei. Die immer wieder feststellbare Tatsache, dass sich nur wenige Schülerinnen und Schüler am fragend-ent-wickelnden Interpretationsgespräch beteiligen, ist so ein sprechendes Indiz für die Grenze der Methode. Wenn man sich den Anspruch und die praktischen Grenzen des fragend-ent-wickelnden Interpretationsgesprächs bewusst macht, kann dies helfen, es in angemessener (d.h. eher reduzierter) Dosierung und in sinnvoller Verbindung mit anderen Methoden einzusetzen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass weder das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch auf das Interpretieren beschränkt ist noch dass das Interpretieren nur durch Frageunterricht gelehrt wird: das heißt konkret: - Das Interpretieren von Texten schließt die Inhaltssicherung (Textzusammenfassung, Inhaltsangabe) ein; oft wird die Textbesprechung damit begonnen. 206 Kaspar H. Spinner D2 Methoden des Literaturunterrichts 207 Marion von der Kammer (2004, 38f., vgl. auch Fritzsche 1994, 220f.) weist allerdings darauf hin, dass diese Abfolge nicht routinemäßig eingesetzt werden sollte, weil damit der Eindruck erweckt werde, in jeder Literaturstunde müsse zuerst einmal ein wenig motivierendes Pflichtprogramm absolviert werden. Im Übrigen gehen in jede Textzusammenfassung Interpretationen ein, so dass eine strenge Trennung zwischen Inhaltssicherung und Interpretation gar nicht vorgenommen werden kann (vgl. Zabka, F3). - Das Interpretieren kann in vielfältiger Weise mit anderen Zugangsweisen kombiniert werden, zum Beispiel mit dem lauten Lesen eines Textes oder mit textproduktiven Verfahren (dazu siehe unten). Auch gibt es vielfältige Zwischenformen zwischen den Methoden, insbesondere zwischen dem literarischen Gespräch und dem fragend-entwickelnden Interpretationsgespräch. Hierhergehören z.B. Formen der Gesprächsleitung, bei denen die Lehrerin oder der Lehrer die Fragen nicht im Blick auf eine bestimmte Antworterwartung stellt, sondern als Impuls für das Nachdenken der Schülerinnen und Schüler und als Hilfe, dass sie ihre eigenen Interpretationsvennutungen genauer entfalten und in Bezug zu Äußerungen von Mitschülerinnen und -Schülern setzen. Die schriftlichen Fragen in Lese- und Arbeitsbüchern lehnen sich, wenn es um literarische Texte geht, meist an das Grundmodell des fragend-entwickelnden Unterrichtsgesprächs an. Sie erlauben ein selbstständigeres Erarbeiten in Einzel- oder Gruppenarbeit und führen in der Regel dann zur Besprechung im Unterrichtsgespräch. Dass es allerdings schwierig ist, in schriftlicher Form Aufgabensets vorzugeben, die ein hinreichendes Textverstehen gewährleisten, zeigen die Analysen von Leubner/Saupe (2008). Ein ausführliches Beispiel, wie Teiloperationen desTextverstehens durch (insgesamt 20) schriftliche Fragen und kleine textproduktive Arbeitsaufträge in Gang gesetzt werden können, zeigt Zabka (2006) anhand der Arbeit mit einer Fabel. Zum Teil gibt er Antwortalternativen zum Ankreuzen vor - darin zeigt sich der heute vielfach zu beobachtende Einfluss von Testformaten auf die Lernaufgaben. In Schulbüchern und Lernma-terialien führt das oft zur Gefahr, dass, anders als beim konsequent strukturierten Beispiel von Zabka, eine Abfolge von unzusammenhängenden Fragen gestellt wird. Bei Tests ist das nicht problematisch, weil da nicht Verstehen erarbeitet, sondern überprüft werden soll. Bei Lernaufgaben ist es jedoch wenig hilfreich, wenn z.B. eine Frage zur lokalen Informationsermittlung gestellt wird und dann eine Interpretationsfrage, die mit der zuvor erfragten Information nichts zu tun hat. Für Uterarisches Lernen ist es wichtig, dass Interpretation als ein zusammenhängender Prozess erfahren wird, wie es in einem gut geführten fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch der Fall ist. Den Unterschied zwischen Lern- und Testaufgaben wird bei mtiltiple-choice-Aufgaben, die mehrere Antwortmöglichkeiten vorgeben, besonders deutlich. Wenn sie tatsächlich literarisches Lernen befördern und nicht nur Kompetenz abprüfen sollen, müssen sie auch mündlich besprochen werden (ein Beispiel gibt Kämper-van den Boogaart 2006), denn das Begründen einer richtigen oder wahrscheinlichen Lösung ist wichtiger als die Lösung selbst. Auch das Nachdenken über die Distraktoren (die falschen Anwortvarianten) ist erhellender als die bloße Rückmeldung, dass das Kreuz an falscher Stelle steht. Wenn die Schülerinnen und Schüler den Eindruck gewännen, im Literaturunterricht ginge es vor allem um richtig oder falsch, würde sich ihnen eine unzutreffende Vorstellung von dem, was Literatur ausmacht, einprägen. Eine Möglichkeit, eine zu enge Führung durch eine Abfolge von Lehrer- und Schulbuchfragen zu vermeiden, besteht darin, eine Leitfrage vorzugeben, die eine komplexe Bearbeitung notwendig macht. Marion von der Kammer, die in diesem Zusammenhang von der Methode des „themenbezogenen Zugangs" spricht, nennt dafür als Beispiel die Frage, ob Wenzel Strapinski in Kellers Novelle „Kleider machen Leute" ein Betrüger sei (von der Kammer 2004, 143ff.). Solche Fragen erfordern von den Schülerinnen und Schülern ein Gesamtverständnis des Textes (die Bildung eines mentalen Modells), eine gezielte Auswertung einschlägiger Textstellen und ein vorwissenbasiertes Nachdenken über den Leitbegriff der Fragestellung (Was ist ein Betrüger?). Sie eignen sich besonders auch für Gruppenarbeit, weil sie diskursorientiert angelegt sind, also ausgehandelt werden müssen. Sie überschreiten die rein textbezogene Interpretation, weil eigene Wertvorstellungen ins Spiel kommen. Das ist noch deutlicher der Fall, wenn bezogen auf das Verhalten von literarischen Fragen nach dem Muster „Findet ihr es richtig, dass ..." oder „Was würdest du tun, wenn du in dieser Situation wärst..." gefragt wird. Damit wird explizit Textverstehen mit Reflexion eigener Vorstellungen verbunden. 9 Aufgaben zur Textanalyse Die Begriffe Interpretation und Textanalyse werden in unterschiedlicher Weise voneinander abgegrenzt und oft auch synonym gebraucht. In den „Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Deutsch" der deutschen Kultusministerkonferenz wird der Begriff der Textanalyse für das untersuchende Erschließen pragmatischer Texte verwendet, für das untersuchende Erschließen literarischer Texte dagegen der Begriff der Textinterpretation. Meist jedoch betrachtet man im Literaturunterricht die Textanalyse alsTeil der Interpretation; man untersucht zum Beispiel die Syntax in einem Text und zieht daraus interpretierende Schlüsse. Einige Fachdidaktiker(innen) sehen die Textanalyse als Voraussetzung für die Interpretation (z.B. Leubner/Saupe 2008). Wenn textanalytische Verfahren im vorliegenden Beitrag als eigener Punkt berücksichtigt werden, dann geschieht das vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ent- 208 Kaspar H. Spinner D2 Methoden des Literaturunterrichts 209 sprechende Aufgaben im Unterricht auch isoliert im Rahmen eines systematischen Aufbaus von Texterschließungskompetenz gestellt werden (z.B. Erarbeitung von Erzählperspektive); für die Schülerinnen und Schüler muss allerdings deutlich werden, welche Funktion die Analysen für eine Interpretation oder für die Erklärung einer Textwirkung haben können (zur Textanalyse vgl. auch Zabka,F3). Aufgaben zur Textanalyse werden oft als Auftrag für Einzel- und Gruppenarbeit gegeben, weil sie eine genaue Arbeit am Text verlangen, z.B. mit Suchen und Anstreichen von Textstellen und anschließender Auswertung. Ferner wird das Analysieren von Texten in höheren Klassen bei schriftlicher Leistungsprüfung (Klassenarbeiten) erwartet (vgl. Zabka, F3). Das Analysieren von Texten im Unterricht lehnt sich stark und zugleich vereinfachend an fachwissenschaftliche Methoden an. Es handelt sich dabei vor allem um die folgenden Konzepte, die im Gymnasium gelegentlich explizit als verschiedene methodische Ansätze gelehrt werden, die aber auch einzelne Aufgabenstellungen in allen Klassenstufen prägen. - Stilanalyse: Ihr Einfluss auf die Schule stützt sich vor allem auf zwei Traditionen, auf die Rhetorik mit ihrem Katalog der rhetorischen Figuren und auf die Werkinterpretation, in der der Zusammenhang von Gestalt und Gehalt eine zentrale Rolle spielt. In der rhetorischen Tradition steht der Wirkungsaspekt im Vordergrund; in der Schulpraxis wird die Untersuchung rhetorischer Figuren allerdings zuweilen zu einem bloßen Zusammenstellen von Stilmerkmalen, wodurch der Wirkungsaspekt aus dem Blick gerät. In der Werkinterpretation (auch textimmanente Interpretationsmethode genannt) geht es um den Stil des jeweiligen Einzelwerks im Zusammenhang mit seinem Inhalt, manchmal auch um den für einen Autor typischen Stil oder um Stilmerkmale einer Uterarischen Epoche, wobei die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, von Epochenstilen zu sprechen, strittig ist. Anstöße für den Unterricht hat auch die Abweichungsstilistik gegeben: Bei ihr geht es darum, Abweichungen vom normalen (standardmäßigen) Sprachgebrauch oder von tradierter literarischer Stilhaltung festzustellen und darin die Literarizität eines Textes zu erkennen. Eine methodische Hilfe für die Schülerinnen und Schüler ist in diesem Zusammenhang das Umformulieren von Textpassagen in Alltagssprache, damit ihnen die Differenz bewusst wird und sie sie benennen können. - Strukturalistische Analyse: Der Strukturalismus hat insbespndere in den 1970er Jahren eine große Rolle gespielt und die Literaturdidaktik beeinflusst. Mit seinem Anspruch auf Exaktheit, der bis zur Erstellung von Formeln (z.B. in Anlehnung an die Logik) als Analyseergebnis gesteigert wurde, war schnell die Grenze des in der Schule Sinnvollen erreicht. Aber einige elementare strukturalistische Vörgehensweisen sind immer noch im Unterricht ergiebig, so zum Beispiel das Herausarbeiten von Oppositionen in einem Text (Figu- ren, Räume, Dingsymbole, Sprachrhythmus usw.) (vgl. Kammler, B3). Zur strukturalistischen Analyse kann man auch das Erstellen von Skizzen zum Aufbau, zur Figurenkonstellation oder zur Themenentfaltung in einem Text zählen. Tafelbilder, die im Literaturunterricht erstellt werden, sind meist in diesem Sinne strukturorientiert. Wenn Schülerinnen und Schüler selbstständig in Gruppen verschiedene Strukturskizzen erstellen, kann deren Vergleich die Interpretation anregen. Besonders ergiebige Anregungen hat die strukturalistische Analyse für die Untersuchung von Raumstrukturen in Texten gegeben (vgl. z. B. Sialm-Bossard 1985); dabei können Oppositionen herausgearbeitet werden, z.B. geschlossene Räume/offene Räume, Stadt/Natur usw., eventuell ergänzt durch verbindende Raumelemente (Fenster, Türe usw.). Durch Zuordnung von weiteren Textelementen zu den Oppositionspaaren werden Isotopien, die den Text durchziehen (vgl. Peyer, B4), erkennbar. Interessant ist ferner die Frage, welche Räume/Orte welchen Figuren zugeordnet sind und welche Raumüberschreitungen der Held vornimmt. Entsprechende Beobachtungen am Text sind schon von der Grundschule an möglich. - Analyse von Leitmotiven und Dingsymbolen: Bei vielen literarischen Texten ist es ergiebig, wenn die Schülerinnen und Schüler ihren Blick auf Leitmotive und Dingsymbole richten, wie es z. B. Wrobel (vgl. G2) für den Pullover in Uwe Timms „Die Entdeckung der Currywurst" vorschlägt. Schülerinnen und Schüler sollen bei entsprechenden Aufgaben Textstellen suchen, in denen das Motiv bzw. Dingsymbol vorkommt, und auf dieser Grundlage erarbeiten, welche symboüschen Bedeutungserweiterungen und -zusammenhänge erkennbar werden, ggf. auch unter dem Aspekt, dass einzelne Motive und Dingsymbole im Verlauf eines Textes Umdeutungen (z.B. von negativer zu positiver Konnotierung) erfahren. Wenn in Gruppen arbeitsteilig verschiedene Dingsymbole erarbeitet werden, kann im Plenum anschüeßend nach Zusammenhängen gefragt werden. - Kommunikationsanalyse: Für die Analyse von Dramentexten und von szenisch erzählten Passagen in Prosatexten bietet sich die Kommunikationsanalyse an. Im Deutschunterricht ist vor allem der Ansatz von Paul Watzlawick wichtig geworden mit den Kategorien der Inhalts- und Beziehungsebene, der digitalen (verbalsprachlichen) und analogen (körpersprachlichen) Kommunikation, der symmetrischen und der komplementären Kommunikation oder dem Axiom der Unmöglichkeit, nicht zu kommunizieren (Watzlawick et al. 1969). - Erzählanalyse: Bei der Beschäftigung mit Prosatexten spielt, vor allem in höheren Klassen, die Erzählanalyse eine wichtige Rolle, also Aspekte wie der Erzähler, die Erzählperspektive, die Zeitstruktur, die Redeformen. Besonders ausführlich haben sich Leubner/Saupe (2006) in jüngerer Zeit mit der 210 Kaspar H. Spinner D2 Methoden des Literaturunterrichts 211 Didaktik der Analyse von Erzähltexten befasst (vgl. auch Wrobels Unterrichtsmodell zu Uwe Timms „Die Entdeckung der Currywurst" in G2). Leub-ner und Saupe schlagen für die Sekundarstufe I einen Katalog von Kategorien vor, der in die Analyse der Handlungsebcne und die Analyse der Darstellungsebene aufgeteilt ist. Bei ersterer geht es um die Kategorien Komplikation und Auflösung (und Faktoren, die sie motivieren) und um Ort und Zeit der Handlung, ferner um die Figurenanalyse. Für die Darstellungsebene schlagen Leubner/Saupe die folgenden Kategorien vor (kursiv sind die Begriffe gesetzt, die explizit einzuführen seien): „1. Zeitliche Gestaltung 1.1 Chronologische Ordnung/achronologische Ordnung (Rückwendung, Vorausdeutung) 1.2 Erzählgeschwindigkeit. Zeitraffung/Aussparung, Zeitdeckung 2. Präsentation der Handlung durch einen Erzähler und Perspektivierung 2.1 Perspektivierung a) (Erzähl-) Perspektive (quantitativer Point of View): Der Erzähler sagt mehr als/genauso viel wie die Hauptfigur weiß b) 'Sichtweise' (qualitativer Point of View): Außensicht/Innensicht 2.2 Eigenschaften des Erzählers a) Erzählerkommentar. Erzähler kommentiert die Handlung/verzichtet auf Kommentare b) Ich-/Er-Erzählform"(ebd., 154). Diese Zusammenstellung entspricht den neueren Entwicklungen in der Erzähltheorie (z.B. Petersen, Genette) und arbeitet deshalb nicht mehr mit den Grundtypen der Erzählsituation nach Stanzel, die im Unterricht oft verwendet werden (auktoriale, personale und Ich-Erzählsituation). Einige Aspekte einer solchen Erzählanalyse können schon in der Grundschule angesprochen werden, z.B. die Unterscheidung von Ich-/Er-Erzählform. Leubner/Saupe schlagen für die Aneignung des notwendigen deklarativen Wissens lehrgangsmäßiges Vorgehen vor, das allerdings textproduktive Verfahren (z.B. im Sinne von Waldmann/Bothe 1992) und Textvergleich (s.u.) einschließt. Ziel soll sein, dass die Schülerinnen und Schüler zunehmend selbstständig Aspekte der Erzählanalyse in Verbindung mit anderen Analyse- und Interpretationsaspekten fruchtbar machen können (Leubner/Saupe 2006, 155). - Figurencharakterisierung: Sehr verbreitet in der Unterrichtspraxis ist die Figurencharakterisierung bei epischen und dramatischen Texten; ein bewährtes Verfahren besteht darin, dass die Schülerinnen und Schüler die Textstellen, die direkt und indirekt etwas über die verschiedenen Figuren aussagen, heraussuchen und sie zueinander in Beziehung setzen. Dabei kann das folgende Suchraster hilfreich sein (in Anlehnung an Bekes 2008, 10): Auktoriale Informationen: o durch die Beschreibung der Figur in der Erzählerrede bzw. in Regieanweisungen, o implizit durch sprechende Namen. Selbstdarstellung der Figur: o durch Selbstaussagen der Figur in Monologen und Dialogen, o implizit durch charakteristische Rede- und Verhaltensweisen. Fremddarstellung: o durch Aussagen anderer Figuren, o implizit durch Reaktionen anderer Figuren. Je nach Untersuchungsinteresse ist auch die äußere und innere Entwicklung einer Figur im Verlauf eines Textes zu berücksichtigen. - Inszenierungsanalyse: Bezogen auf Theateraufführungen sind für ein analysierendes Vorgehen vor allem die folgenden Aspekte für den Unterricht wichtig, die mit den Schülerinnen und Schülern in Bezug auf ihre Funktion untersucht und evtl. mit den Regieanweisungen im Text verglichen werden können (vgl. dazu auch Kurzenberger 2004, Kammler 2007): o Bühnenbild, o Beleuchtung. o Requisiten, o Kostüme und Maske, o Körperhaltung, Bewegung und Gestik der Schauspieler (Körpersprache), o Sprechweise, o Musik, Geräusche, Phasen der Stille. Ein Grundproblem bei der Förderung von Analysefähigkeit stellt das Verhältnis von systematischer Vermittlung des Instrumentariums und Bezug zum Einzelwerk dar. Das eine Extrem ist zum Beispiel gegeben, wenn ein Katalog von rhetorischen Mitteln mit Einzelsätzen als Beispielen gelernt und dann in einem Test abgefragt wird. Schülerinnen und Schüler können in einem solchen Verfahren keinen lebensdienlichen Sinn und keinen kognitiven Gewinn zu sehen. Das andere Extrem ist die ausschließliche Arbeit an Einzeltexten, bei denen verschiedenste Analyseaspekte angesprochen werden, die Schülerinnen und Schüler aber kein kohärentes, theoriegeleitetes Vorgehen erkennen können. Dazu kommt das Problem, dass nicht bei jedem Text alle Analysekategorien ergiebig sind und sich Schülerinnen und Schüler hilflos vorkommen, wenn sie zum Beispiel in Döblins „Alexanderplatz" interessante Beobachtungen zur Syntax anstellen können, bei Kafkas Romanen sich aber, verständlicherweise, schwerer tun, besondere syntaktische Merkmale herauszuarbeiten. Die folgenden Maximen können eine Hilfe sein, den genannten methodischen Schwierigkeiten bei der Vermittlung von Analysefähigkeit zu begegnen: 212 Kaspar H. Spinner D2 Methoden des Literaturunterrichts 213 - Grundlage von Analysefähigkeit ist die Aufmerksamkeit für die Gemachtheit von literarischen Texten. Diese anzubahnen ist bereits eine Aufgabe der Grundschule. Doppeldeutige Wörter oder Onomatopoesien oder Wörtwiederholungen zu erkennen, gelingt schon Kindern. Dabei geht es zunächst weder um Systematik noch um Fachterminologie. Das Bemühen, ein Sprachphänomen mit eigenen Worten zu beschreiben, ist erkenntnisfördernder als das Abrufen eines Fachbegriffes. - Im weiteren Verlauf sollen die Schülerinnen und Schüler im Sinne eines Werkzeugkastens mögliche Beobachtungsaspekte als Repertoire zur Verfügung haben, z.B.: Beobachtungen zum Satzbau, zur Wortwahl, zur Zeitstruktur, zur Raumstruktur, zu Dingsymbolen usw. Solche Beobachtungskategorien werden sukzessive gewonnen an Texten, bei denen sie besonders auffällig sind, In der weiteren Anwendung sollen die Schülerinnen und Schüler jeweils überlegen, welche Aspekte überhaupt im konkreten Fall interessant, das heißt für die Wirkung des Textes oder seine Interpretation bedeutsam sind. - Es ist sinnvoll, die Schülerinnen und Schüler nicht zu überfrachten mit Analysebegriffen, dafür aber auf eingeführte Begriffe immer wieder zurückzukommen (dazu nachdrücklich von der Kammer 2004, 273ff.). - Der Anspruch, am Ende vollständige stilistische Analysen zu einem Text verfertigen zu können, wie er in manchem Erwartungshorizont zu Abituraufgaben erhoben wird, sollte zurückgeschraubt werden. Es ist viel erreicht und im Ergebnis ertragreicher, wenn Schülerinnen und Schüler in einem Text Stellen finden, die für eine analysierende Betrachtung interessant sind, und ihre Beobachtungen durch das verknüpfende Herstellen von Zusammenhängen nachvollziehbar darlegen können. Damit kann ein Interesse am Entdecken sprachlicher Besonderheiten geweckt und entwickelt werden. Es sollte nie vergessen werden, dass Untersuchungen zur schulischen Lesesozia-lisation mehrfach gezeigt haben, dass vielen Schülerinnen und Schülern die Freude an der Literatur geradezu ausgetrieben worden ist durch das Zerpflücken von Texten. Besonders die Gedichtanalyse hat immer wieder diese Wirkung. Dass jedoch Vergnügen und Nachdenken über sprachlichen Ausdruck schon in unteren Klassen durchaus zusammengehen können, zeigen sprachspielerische Gedichte, die immer wieder ein besonders sinnvoller Ausgangspunkt für die frühe Förderung von Sprachaufmerksamkeit sind (Ulrich 2004). 10 Hinzuziehen von Kontexten Seit den 1970er Jahren, als die Werkinterpretation als vorherrschender Zugang zu literarischen Texten in Frage gestellt wurde, ist das Hinzuziehen von Kontexten im Unterricht immer wichtiger geworden (sog. „Integrationsmethode" nach Grzesik 1996, 347-373 und von der Kammer 2004, 78-91). Das waren damals zunächst vor allem soziologische, ideologie- und mentahtätsgeschichtliche Kontexte, in jüngerer Zeit werden kulturgeschichtliche Zusammenhänge betont. Eine lange, bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Tradition hat der Bezug zur Biographie der Autorinnen und Autoren. Im Grunde kommt kein Interpretieren ohne Kontextbezug aus, wenn nicht explizit, dann implizit auf der Grundlage von Vorwissen, das einfließt. Die Schwierigkeit der kontextbezogenen Beschäftigung mit Texten besteht im Unterricht nun genau darin, dass das Wissen, das dafür nötig ist, bei den Schülerinnen und Schülern nicht vorausgesetzt werden kann. Es müssen also methodische Überlegungen angestellt werden, wie Kontexte verfügbar gemacht werden können. Meist geschieht dies dadurch, dass entsprechende Materialien als zusätzliche Information gegeben werden. Dem tragen literarische Arbeitsbücher für die weiterführenden Schulen in der Regel Rechnung: Man findet in ihnen Hinweise zum zeitlichen Hintergrund, historische Quellen, Abbildungen zu früheren Lebensverhältnissen usw. Immer häufiger wird im Unterricht die Kontextinformation auch als Rechercheauftrag den Schülerinnen und Schülern übertragen. ■ Die wichtigsten Formen von Arbeit mit Kontexten können wie folgt charakterisiert werden: - Biographie des Autors oder der Autorin: Die Erklärung eines Werkes aus der Biographie war im 19. Jahrhundert und bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ein wichtiges und anerkanntes literaturwissenschaftliches Vorgehen. Im Rahmen der Werkinterpretation ist ein solcher Zugang in Frage gestellt worden , weil er dem Autonomieanspruch künstlerischer Werke widerspreche. Ein literarischer Text gewinne seinen ästhetischen Status gerade dadurch, dass er sich von der Biographie seines Autors oder seiner Autorin abgelöst habe. Trotzdem wird in der Literaturwissenschaft bis heute mit der Biographie der Autorinnen und Autoren argumentiert, und die Kritik daran ist auch weitgehend verstummt. Allerdings geht man in der Regel nicht davon aus, dass die Biographie schlechthin der Schlüssel zu einem Werk ist, sondern betrachtet die biographischen Bezüge als eine Sinndimensionen, die neben anderen für ein Werk erhellend sein kann. Dies ist auch für den Unterricht wichtig: Wenn man in einem Kafkatext nur eine Verarbeitung seiner biographischen Erfahrung als Jude, als Bankbeamter, als Sohn eines beherrschenden Vaters und als Deutscher in einer mehrheitlich tschechischen Stadt sieht, wird der literarästheti-sche Text zum bloßen Dokument und es kann auch nicht begriffen werden, warum dieser Autor so ungemein einflussreich für die Literatur des 20. Jahrhunderts geworden ist. Andererseits ist in Rechnung zu stellen, dass für viele Schülerinnen und Schüler durch den biographischen Zugang literarische Texte in besonderer Weise lebendig werden können, z.B. weil sie erkennen, dass 214 Kaspar H. Spinner D2 Methoden des Literaturunterrichts 215 hinter dem Werk ein Mensch mit seinem Engagement, mit seinen Leid-Erfahrungen und seinen Sehnsüchten steckt. Und es lässt sich auch im öffentlichen Leben feststellen, dass Literaturinteresse immer wieder stark an der Autorenbiographie festgemacht wird; bei Jubiläumsjahren und bei Gedenkstätten wird das besonders deutlich. Für den Unterricht kommen als kontexterschließendes Material Auszüge aus Autorenbiographien und Selbstaussagen der Autorinnen und Autoren in Frage (Briefe, Tagebücher, Interviews). - Gesellschaftshistorische Kontexte: Durch die Berücksichtigung gesellschaftshistorischer Kontexte kann für die Schülerinnen und Schüler deutlich werden, wie Literatur durch sozialgeschichtliche Umstände und Entwicklungen beeinflusst ist, wie sie auf diese reagiert und wie sie auch gesellschaftspolitische Wirkung entfalten kann. Barockliteratur ohne Bezug zum 30jährigen Krieg, Lessing ohne Bezug auf die Aufklärung, Brecht ohne seine Kritik am Nationalsozialismus und sein Eintreten für eine sozialistische Gesellschaft wäre eine sehr einseitige Literaturbetrachtung. In vielen Fällen verbindet sich, wie hier schon die Nennung der Autorennamen Lessing und Brecht zeigt, die gesellschaftshistorische Perspektive im Unterricht mit der biographischen. Sinnvoll ist eine Zusammenarbeit mit dem Geschichtsunterricht. Für die Arbeit können den Schülerinnen und Schülern historische Dokumente zur Verfügung gestellt werden; ein viel genutztes Beispiel sind z.B. Dokumente zum Weber-Elend und -aufstand im Zusammenhang mit Heines Weberlied oder Hauptmanns Weberdrama. - Rezeptionsgeschichtüche Kontexte: Spannend sind für den Unterricht auch Dokumente zur Rezeptionsgeschichte von literarischen Werken, die man immer häufiger im Anhang von Textausgaben für die Schule findet. Sie sind vor allem dann interessant, wenn ein Werk im Verlauf seiner Rezeptionsgeschichte sehr unterschiedliche Deutungen und ideologische Instrumentalisierungen erfahren hat. Das bietet Anlass zur Diskussion (in welchem Maße ist welche Deutung aus heutiger Sicht nachvollziehbar und akzeptabel?) und schult eine kritische Sicht auf die Textrezeption und auch auf den Text selbst. Kontextualisierungen spielen im Unterricht darüber hinaus eine wichtige Rolle in größeren fachübergreifenden Projekten. Da können - z. B. bei einem Projekt zum Thema Zeit - dann auch philosophische, religiöse, naturwissenschaftliche ii. a. Bezüge wichtig werden. 11 Textvergleich Der Vergleich von Texten und Textausschnitten ist ein vielfältig genutztes Verfahren im Deutschunterricht (vgl. Köster/Spinner 2002, von der Kammer 2004, 2234ff., Abraham/Kepser 2006,212-217); er schärft den analytischen Blick und erleichtert nachvollziehbare Argumentation - eine Formulierung „mehr Hypotaxe als.,." ist z.B. präziser und nachprüfbarer als die Aussage „viel Hypotaxe". Oft wird man auf das Besondere eines Phänomens erst durch den Kontrast aufmerksam, z. B. auf die Charakteristika einer Kurzgeschichte der Nachkriegszeit im Vergleich mit einer traditionell erzählten Kalendergeschichte. Vergleiche können das Bewusstsein dafür schärfen, dass ein Text auch anders geschrieben sein könnte. Der Vergleich spielt auch bei der Arbeit mit Kontexten eine Rolle, z. B. wenn eine Kurzgeschichte mit einem Zeitungsbericht über einen ähnlichen Vorfall verglichen wird; insofern fokussiert der Textvergleich, wie er hier charakterisiert wird, einen Sonderaspekt der Kontextualisierung, allerdings erweitert dadurch, dass kein ursächlicher Zusammenhang vorausgesetzt werden muss, wie das z. B. der Fall ist, wenn man biographische Informationen mit einem literarischen Text in Bezug setzt. Vergleich setzt immer Fokussierung voraus: Man vergleicht im Hinblick auf bestimmte Aspekte bzw. einen Gesichtspunkt, zum Beispiel bezogen auf die Wortwahl, auf die Syntax oder inhaltlich bezogen auf die Genderproblematik in zwei Romanen. Schülerinnen und Schüler sind beim Vergleichen hilflos, wenn sie keinen fokussierenden Blick auf den Text entfalten. Der Gesichtspunkt oder die Vergleichsaspekte, unter denen verglichen werden soll, können in der Aufgabe vorgegeben werden; es ist aber durchaus sinnvoll, wenn die Schüierinnen und Schüler schrittweise lernen, selber ergiebige Gesichtspunkte und Vergleichsaspekte zu finden und daraufhin fokussierend die Texte zu untersuchen. Dabei müssen sie auch überlegen, welche Beobachtungen überhaupt relevant sind. Zu zählen, weiche Satzzeichen wie häufig in zwei zu vergleichenden Textausschnitten vorkommen, dürfte in den meisten Fällen belanglos sein; wenn es dabei allerdings um Goethes „Werther" geht, können die Satzzeichen, z.B. die zahlreichen Ausrufezeichen, durchaus interessant werden. Das Vergleichen schließt zwei Teiloperationen ein. das Finden von Äquivalenzen (was ist gleich oder zumindest ähnlich) und das Erkennen von Unterschieden. Es handelt sich um analytische Denkoperationen, diese können aber auch mit mehr intuitivem Erkennen verbunden sein, z.B. wenn zunächst eher nachempfindend der Stilunterschied zwischen zwei Texten nachvollzogen und dann darauf aufbauend untersucht wird, worauf der unterschiedliche Eindruck zurückzuführen sein mag. Vergleiche regen auch zu weiterführenden Fragestellungen an. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn man überlegt, wodurch festgestellte Unterschiede zwischen zwei Texten begründet sein könnten (z. B. durch gesellschaftshistorische Hintergründe). In Hinblick auf das leitende Erkenntnisinteresse können die folgenden Typen von Vergleichsaufgaben unterschieden werden: - Subjektiv wertender Vergleich: Im Alltag sind wertende Geschmacksurteile schon Kindern vertraut; „das finde ich schöner als ...", „das gefällt mir besser, 216 Kaspar H. Spinner D 2 Methoden des Literaturunterrichts 217 weil..." sind Formulierungen, die sie verwenden. In der Schule können solche subjektiven Wertungen auch beim Textvergleich ein Ausgangspunkt sein. Ein einfaches, oft praktiziertes Vorgehen besteht z.B. darin, dass die Schülerinnen und Schüler eine Auswahl von Gedichten erhalten mit dem Auftrag, dasjenige auszusuchen, das ihnen am besten gefällt. Vor der Klasse begründen sie ihre Auswahl. Der Vergleich erfolgt bei der Auswahl eher intuitiv, bei der Begründung dann meist auch explizit, und wenn sich andere Schülerinnen und Schüler zu ihrer Wahl äußern, kommt das Vergleichen wieder ins Spiel, selbst wenn nicht ausdrücklich damit argumentiert wird. Subjektiv wertender Vergleich kann diskussionsanregend sein, wobei nicht ein Zwang zur Einigung ausgeübt werden sollte. - Innertextueller Vergleich: In vielfältiger Weise spielt das Vergleichen von Textstellen und Figuren beim Interpretieren und Analysieren eine Rolle (vgl. „intratextueller Vergleich" bei Köster 1995, 148ff.). Dies ist z.B. der Fall, wenn zwei einander entgegengesetzte Charaktere untersucht werden oder wenn die Entwicklung einer Figur herausgearbeitet und dazu ihr Verhalten und ihre Einstellung zu Beginn und am Ende einer Erzählung miteinander verglichen werden oder wenn die Art und Weise, wie eine Figur von verschiedenen anderen Figuren gesehen wird, analysiert werden soll. Ähnliches gilt für Ortsbeschreibungen, wenn solche Entgegensetzungen innerhalb eines Textes zeichenhafte Bedeutung haben (z.B. unterschiedliche Wohnungseinrichtungen, die für Figuren typisch sind). - Stilvergleich: Für die Stilanalyse eignet sich das Vergleichen in besonderem Maße, weil den Schülerinnen und Schülern Stileigentiirrmchkeiten oft erst auffallen, wenn sie eine Kontrastfolie haben. Wichtig ist es, die Stilarbeit mit Überlegungen zur Textwirkung zu verbinden, so dass auch die Funktionalität von Stil deutlich wird. Wenn es darum geht, den Blick für den Stil eines einzelnen Textes zu schärfen, kann auch so vorgegangen werden, dass der Lehrer oder die Lehrerin selbst eine Textpassage umformuliert, damit eine Ver-gleichsfolie gegeben ist (im Sinne eines operativen Vorgehens, vgl. unten Kap. 13); eine andere operative Variante besteht darin, dass in zwei zu vergleichenden Texten einzelne Wörter herausgenommen werden; die Schülerinnen und Schüler erhalten diese Wörter und sollen überlegen, zu welchem Text sie passen. Dies hält dazu an, den Blick auf die Mikro- (einzelne Wörter) und zugleich auf die Makroebene (jeweiliger Textzusammenhang) zu richten. Diese und andere Varianten des Stilvergleichs können an einem literaturhistorischen Erkenntnisinteresse im Sinne der Untersuchung von Stilentwicklungen ausgerichtet sein. - Thematischer Vergleich: Mehr inhaltlich ausgerichtet ist der thematische oder Motiwergleich, bei dem sich das Interesse darauf richtet, welche unterschiedlichen Sichtweisen die Texte auf ein Thema oder ein Motiv realisieren. Das wohl bekannteste Bespiel dafür ist in allen Klassenstufen der Vergleich von Gedichten zu einer Jahreszeit, bei dem zum Beispiel herausgearbeitet wird, dass der Herbst in unterschiedlicher Weise als Zeit der Erfüllung (z. B. die reifen Früchte), des Genusses (z.B. Weinlese), der Schönheit (farbiges Laub), der Vergänglichkeit und der Todesahnung (z.B. fallendes Laub) dargestellt wird. Solche thematischen Vergleiche werden oft mit dem Stilvergleich kombiniert. Der thematische Vergleich kann sich ebenso auf Erzählungen und Romane beziehen, z. B. auf die Darstellung von Gewalt in Jugendromanen. - Fassungsvergleich: Eine reizvolle und lang tradierte Aufgabe ist der Vergleich von verschiedenen Fassungen, die ein Autor oder eine Autorin für einen Text erstellt hat. Dabei können je nach Vorlage inhaltliche, stilistische und wirkungsästhetische Aspekte eine Rolle spielen. Das bekannteste Beispiel, das im Unterricht eingesetzt wird, ist C. F. Meyers Gedicht „Der römische Brunnen", von dem mehrere Fassungen überliefert sind. Bei solchen Fassungsvergleichen ergibt sich ein Bezug zum Teilprozess der Textüberarbeitung, der in der neueren Schreibdidaktik eine große Rolle spielt, und es wird die Beurteilungskompetenz geschult (mit Fragen wie: Was spricht für welche Fassung? Oder: Warum hat der Autor/die Autorin den Text so verändert?). - Gattungs-/Textsortenvergleich: Bei diesem Vergleich interessiert der Gattungsunterschied; das bekannteste Beispiel dürfte der Vergleich eines Märchens mit einer Sage sein. Dabei spielen wiederum Stilaspekte eine Rolle; über den bloßen Stilvergleich hinaus wird jedoch der Bezug zur Gattung hergestellt und das Interesse richtet sich besonders auf makrostrukturelle Merkmale einschließlich inhalthcher Aspekte. Gerne genutzt wird auch der Vergleich zwischen literarischen und nichtliterarischenTexten, z.B. im Hinblick auf das Herausarbeiten der Leistung literarischer Gestaltungsmittel. Der Vergleich von Fontanes Ballade „Die Brück' am Tay" mit einer Zeitungsmeldung zu dieser Katastrophe ist dafür ein häufig eingesetztes Beispiel. - Literarhistorischer Vergleich: Im Gymnasium spielt vor allem der literaturhistorische Vergleich eine Rolle, der unter dem Teilaspekt des Stils schon angesprochen worden ist. Es geht aber nicht nur um das, in der Forschung zum Teil sehr kritisch gesehene, Konstrukt von Epochenstilen, sondern auch um den inhaltlich ausgerichteten stoffgeschichtlichen Vergleich (das entspricht dem thematischen Vergleich). Er wird besonders gerne bei Bearbeitungen antiker Stoffe eingesetzt, z.B. Erzählungen und Dramen zu Antigone oder Medea. Gesellschaftsgeschichtliche Aspekte können dabei in den Blick kommen. Zugleich gewinnen die Schülerinnen und Schüler einen Einbück in die Rolle der Intertextualität von Literatur (vgl. dazu auch die Hinweise zu Brechts „Großer Dankchoral" in Peyer, B4). Literarhistorische Vergleiche können auch auf mentalitätsgeschichtlich bedingte Vorstellungsmuster, die in den Texten erkennbar sind, bezogen sein, z.B. die Kindheits-, die Natur- oder die 218 Kaspar H. Spinner D 2 Methoden des Literaturunterrichts 219 Genderauffassung in Texten aus unterschiedlichen Epochen. Neuere Arbeitsbücher für den Deutschunterricht folgen oft in ihren thematischen Einheiten einem solchen Konzept. Vergleich von Rezitationen, Vertonungen und Theateraufführungen: Der Vergleich im Literaturunterricht kann sich auch auf Hörfassungen, auf Vertonungen von Lyrik (z.B. verschiedene Vertonungen romantischer Gedichte) und auf Aufführungen von Theatertexten beziehen. Dabei kann es sich um den Vergleich von Textvorlage und Umsetzung handeln oder um den Vergleich verschiedener Rezitationen, Vertonungen und Inszenierungen der gleichen Vorlage. Zu Balladen stehen z.B. ganz unterschiedliche Realisierungen von Rezitationen zur Verfügung, die für Interpretationsgespräche ergiebig sind. Beim Vergleich von Rezitationen oder von Theateraufführungen sollte es weniger darum gehen, die verschiedenen Realisationen wertend am Ausgangstext zu messen, ergiebiger ist die Frage, welche unterschiedlichen Sinnaspekte jeweils aufgegriffen, entfaltet, aktualisiert, vielleicht auch dekonstruiert werden. Adaptionsvergleich: Literarische Texte werden heute vielfach für andere, ursprünglich nicht vorgesehene Medien adaptiert und erscheinen so als Literaturverfilmungen, Hörspielfassungen, Comics und Computerspiele. Hier ist ähnlich wie bei der Arbeit mit Rezitationen, Vertonungen und Aufführungen ein Vergleich von Ausgangstext und Adaption vor allem in Hinblick auf die medienspezifisch unterschiedlichen Möglichkeiten interessant (vgl. Freder-king/Möbius/Krommer DTP 8). Übersetzungsvergleich: Übersetzte Literatur spielt in der globalisierten Welt eine immer größere Rolle und von vielen Klassikern der Weltliteratur gibt es mehrere Übersetzungen. Ein Textvergleich kann sich sowohl auf Originaltext und Übersetzung als auch auf unterschiedliche Übersetzungen beziehen (vgl. Abraham/Kepser 2008). Man wird kaum vollständige Übersetzungen größerer Werke miteinander vergleichen; aber bei der Lektüre eines übersetzten Romans oder Dramas kann es interessant sein, einen Abschnitt in anderer Übersetzung zum Vergleich heranzuziehen und, soweit entsprechende Sprachkompetenz bei den Schülerinnen und Schülern gegeben ist, auch auf den Originaltext Bezug zu nehmen. Bei manchen Texten ist schon die Übersetzung des Titels interessant. Durch den Vergleich kann deutlich werden, dass Übersetzungen immer auch Interpretation und Aneignung, manchmal, vor allem bei Gedichten, sogar Neuschöpfung sind. Besonders interessant ist auch der Vergleich von Bibelübersetzungen; die Bibeltexte werden im Deutschunterricht dabei als literarische Texte betrachtet. - Vergleich von Rezensionen und Interpretationen: Neben Primärtexten können auch Rezeptionstexte miteinander verglichen werden; in Frage kommen dafür vor allem Rezensionen und Interpretationen (in höheren Klassen auch ältere und neuere in historischer Sicht); im Anhang von Textausgaben für die Schule findet man oft entsprechende Quellen (zumindest in Ausschnitten) abgedruckt. Über das Internet gelangen Schülerinnen und Schüler auch leicht an Rezensionen zu Neuerscheinungen (aus Zeitungen und von Käufern der Bücher verfasst). Interessant ist der Vergleich natürlich vor allem dann, wenn es sich um sehr unterschiedliche Einschätzungen handelt. Textvergleiche werden häufig als schriftliche Aufgabe gestellt. Welche Möglichkeiten der Darstellung es dabei gibt, muss sorgfältig erarbeitet werden; denn das Vergleichen ist zunächst kein linearer Vorgang, sondern eher ein Hin- und Her-Blicken von einemText(ausschnitt) zum anderen und ein Wechsel von top-down-und bottom-up-Prozessen, also vom allgemeinen Eindruck zum Detail und von der Einzelbeobachtung zur Verallgemeinerung. Für den geschriebenen Text muss eine lineare Abfolge erstellt werden. Man kann, unabhängig davon, dass man vorbereitend beide Texte studiert hat, in der schriftlichen Darstellung so vorgehen, dass man zuerst den einen, dann den anderen Text beschreibt und analysiert und dann vergleicht. Oder man behandelt den einen Text und erarbeitet den zweiten gleich mit vergleichendem Bezug zum ersten. Oder man gliedert nach einzelnen Merkmalen, die man jeweils in Bezug auf beide Texte erläutert. 12 Text-Bild-Vergleich In Anbetracht der Rolle von Bildmedien in der gegenwärtigen Gesellschaft werden visuelle Ausdrucksformen zunehmend auch in den Deutschunterricht einbezogen. Für den Literaturunterricht ergeben sich dadurch interessante Möglichkeiten für den Vergleich von Text und Bild. Folgende Hauptvarianten sind zu nennen: - In den ersten Phasen der Lesesozialisation, also schon vor dem Schulalter, spielt das Bilderbuch seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle. Für den Unterricht rückt es seit einigen Jahren vermehrt in den Blickpunkt. In literaturdidaktischer Hinsicht sind besonders Beobachtungen und Überlegungen interessant, die zum Verhältnis von Text und Illustration angestellt werden können. Zwischen beiden besteht nicht ein bloßes Abbildungsverhältnis, vielmehr interpretieren die Bilder den Text und umgekehrt, so dass ein Sprechen darüber ein Beitrag zur Text- und Bilddeutung ist. Eine einfache Aufgabenstellung besteht darin, festzustellen, was vom Text im Bild und vom Bild im Text wiederzufinden ist. Dabei geht es einerseits um mehr äußerliche Gegebenheiten - das Aussehen der Figuren, die Schauplätze -, aber dann auch um abstraktere Bezüge, z.B. darum, wie die Angst der Figur in einer gefährlichen Situation in Text und Bild zum Ausdruck gebracht wird. Solche Beobachtungen können bis zum symbolischen Verstehen hinführen, wenn etwa runde und zackige Linien mit Bezug auf den Text gedeutet werden. Auch der Vergleich 220 Kaspar H. Spinner D 2 Methoden des Literaturunterrichts 221 von verschiedenen Bilderbüchern zum gleichen Text kann ausgesprochen spannend sein. Dazu gibt es ein größeres Angebot zu Märchen; moderne Märchenbilderbücher arbeiten zum Teil mit starken Verfremdungen und symbolhaften Darstellungen, was interessante Anstöße zu Interpretation und Reflexion bietet. - Ähnlich kann auch mit Titelbildern von Büchern und einzelnen Illustrationen in Erzähltexten gearbeitet werden. Mehrfach ist das in Unterrichtsmodellen z. B. bezogen auf Illustrationen zu Kafkatexten vorgeschlagen worden. - Im Gymnasialunterricht ist bei der Beschäftigung mit Literaturgeschichte der Vergleich mit zeitgleichen Gemälden sehr verbreitet, wie entsprechende Arbeitsbücher zeigen. Ein Bild von Caspar David Friedrich und ein Mondgedicht von Eichendorff oder ein expressionistisches Gedicht und ein ebensolches Gemälde werden oft einander zugeordnet. - Eine stärkere eigene Deutungsleistung ist gefordert, wenn die Schülerinnen und Schüler zu einem Text eine Abbildung suchen, die ihnen dazu passend erscheint, und begründen, warum sie diese Abbildung gewählt haben. Bei der Suche spielt das implizite Vergleichen eine Rolle (man hat den Eindruck, das Bild passe zum Text), bei der Begründung wird es explizit. Wenn die Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Vorschläge präsentieren, kann dies ein interessanter Ausgangspunkt für die Auslotung möglicher Textdeutungen sein. - Um bildnerische Gestaltung handelt es sich auch bei Literaturverfihnungen, wobei hier Bewegung und Ton dazukommen. Film und Literaturverfilmung werden in Band 8 des vorliegenden Handbuches (Frederking/Möbius/Krom-mer DTP 8) behandelt. 13 Operative Verfahren Der Begriff der operativen Verfahren im Umgang mit Texten ist in Anlehnung an die operationalen Verfahren in der Linguistik und im Grammatikunterricht geprägt worden. Verbreitet sind in letzterem vor allem die Glinz'schen Proben wie die Umstell-, Erweiterungs- oder Abstrichprobe; es geht darum, durch einfache Operationen mit dem sprachlichen Material Erkenntnisse zu gewinnen, z.B. durch die Umstellprobe die Satzglieder zu entdecken. Operative Verfahren werden mit dem Prinzip des entdeckenden Lernens und der Konzeption des Werkstattunterrichts in Verbindung gebracht; sie lassen sich in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden konstruieren und eignen sich entsprechend für alle Klassenstufen. In der heutigen literaturdidaktischen Diskussion werden sie in der Regel der Konzeption des handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts zugeordnet (dazu vgl. auch die folgenden Kapitel). Für den Literaturunterricht kommen vor allem die folgenden operativen Verfah- ___;„ T7____„,,~u TT---mrn\. - Wörter einsetzen: In einem Text werden einzelne Wörter weggelassen und sind von den Schülerinnen und Schülern einzufügen. Dies hält zum genauen sinnverstehenden Lesen an. Das Verfahren entspricht dem kognitionspsychologi-schen Lesebegriff, der davon ausgeht, dass das Verstehen immer ein aktiver Konstruktionsprozess ist. Der Schwerpunkt im Literaturunterricht liegt allerdings nicht auf dem Finden der richtigen Lösung, wie das bei Lesetests der Fall ist, die mit Lücken arbeiten. Das Verfahren ist dann für den Umgang mit literarischen Texten interessant, wenn die Vorschläge für die Einsetzungen diskutiert werden, was insbesondere dann anregend ist, wenn von den Schülerinnen und Schülern verschiedene Vorschläge kommen. Wenn es sich bei den Lücken um wichtige Textstellen handelt, gelangt man rasch zu Interpretationsfragen, die über die einzelne Textstelle hinausreichen. Weil die gemeinsame Reflexion über die Vorschläge wichtig ist, sollte man nicht mit zu vielen Lücken arbeiten (das geschieht oft in der Schulpraxis); es bleibt dann keine Zeit, eingehender über die Lösungsmöglichkeiten und die Originalversion, für die der Blick durch das Verfahren geschärft werden soll, zu sprechen. Zu den Einsetzübungen kann auch das Finden einer Überschrift gehören; das ist dann ergiebig, wenn ein Text verschiedene Möglichkeiten der Titelgebung nahe legt. Die Kriterien für die Wahl einzusetzender Wörter hegen in der Regel auf der semantischen Ebene; bei Gedichten kann es allerdings auch darum gehen, auf Rhythmus und Reim zu achten. - Aus Formulierungsangeboten auswählen: Statt Lücken zu lassen, können den Schülerinnen und Schülern auch zwei oder mehrere Formulierungen, aus denen sie wählen sollen, angeboten werden. Bei einem der Angebote handelt es sich jeweils um die originale Variante. Formulierungsangebote können sich auf einzelne Wörter, auf Sätze oder ganze Abschnitte (z.B. Schlüsse) beziehen, bei Gedichten und Kurzprosatexten können auch zwei oder mehrere Titelvarianten vorgegeben werden. Als Einstieg in die Diskussion der gewählten Varianten kann kurz erhoben werden, welcher Vorschlag wie viele Stimmen erhalten hat. Dann sollen Gründe für die jeweiligen Präferenzen genannt werden. Die Wahl durch die Schüler erfolgt natürlich zunächst meist eher intuitiv; eine Begründung hat den Charakter einer nachträglichen Bewusst-machung, die für den argumentativen dialogischen Auslausch notwendig wird und der Entwicklung von Analyse- und Interpretationskompetenz dient. - Texte entflechten: Bei diesem eher für untere Klassenstufen geeigneten Verfahren erhalten die Schülerinnen und Schüler eine Textvorlage, die aus zwei ineinandergeschobenen Texten besteht, z.B. so, dass jeweils abwechselnd Zeilen aus einem älteren und einem neueren Naturgedicht abgedruckt sind. Die Aufgabe besteht darin, die beiden Originalfassungen durch Entflechten zu rekonstruieren. Hier spielen je nach Textvorlage inhaltliche und formale Textmerkmale eine Rolle. Mit einer anschließenden Frage „Wie habt ihr her- 222 Kaspar H. Spinner D 2 Methoden des Literaturunterrichts 223 ausgefunden, welche Teile zu welchem Text gehören?" können solche Kriterien ausgetauscht werden. Dadurch erfolgt eine Charakterisierung der beiden Texte mit Ansätzen zur Interpretation. - Reihenfolge (wiederherstellen: Ein weiteres Verfahren besteht darin, dass die Schülerinnen und Schüler eine Textvorlage mit vertauschten Absätzen oder einen in Schnipsel zerschnittenen Text erhalten. Sie haben die Aufgabe, die richtige Reihenfolge herauszufinden. Hier richtet sich der Blick auf die inhaltliche Textkohärenz und die Textstruktur. Bei Prosatexten ist in der Regel nur eine Lösung möglich; bei Gedichten kann es allerdings sein, dass mehrere mögliche Abfolgen der Verse oder Strophen denkbar sind. In diesem Falle ist die Frage interessant, wie sich die unterschiedliche Anordnung auf die Wirkung und den Inhalt des Gedichts auswirkt. - In Verse umbrechen: Dieses Verfahren bezieht sich speziell auf lyrische Texte. Ein Gedicht wird fortlaufend geschrieben (wie Prosa) ausgegeben und die Schülerinnen und Schüler sollen selbst eine mögliche Versstruktur herstellen. Das Hauptanliegen, das man mit den operativen Verfahren verfolgt, besteht darin, dass Schülerinnen und Schüler nicht nur lesen und über die Texte reden, sondern dass sie den Produktionsprozess ein Stück weit selber durchführen, eben zum Beispiel aus Formulierungen auswählen oder nach Wörtern suchen, wie es auch ein Autor oder eine Autorin macht. Die operativen Verfahren leisten dadurch auch einen Beitrag zur Fähigkeit der Textanalyse und -Interpretation, weil sie zu einem genauen und reflektierten Arbeiten an sprachlichen Formulierungen und zu inhaltlichen Entscheidungen anhalten; Voraussetzung ist allerdings, dass der Reflexion im Unterricht auch Raum gegeben wird. Ein bloßes Abarbeiten von Arbeitsblättern mit operativen Aufgaben und Lösungsbögen wird dem Anspruch von Literaturunterricht nicht gerecht. Operative Verfahren dürfen im Übrigen durchaus einen gewissen spielerischen Charakter haben, zum bloßen Quiz sollten sie allerdings nicht werden. 14 Textproduktive Verfahren Textproduktive Verfahren sind besonders typisch für den handlungs- und pro-duktionsorientierten Literaturunterricht; sie halten die Schülerinnen und Schüler dazu an, in literarischer, poetischer Form zu Texten zu schreiben, und fordern deshalb stärker als die operativen Verfahren die Kreativität heraus. Sie erlauben in besonderem Maße individuelles Arbeiten, fördern die Vorstellungsbildung und tragen zu einer lebendigen Auseinandersetzung mit literarischen Texten bei. Je nach Verfahren unterstützen sie auch den Blick für formale Aspekte. Textproduktive Aufgabenstellungen können für alle Klassenstufen konzipiert werden. Die Arbeit mit textproduktiven Verfahren reicht historisch weit zurück (vgl. vor allem Vorst 2007, 35-68). Schon im antiken Rhetorikunterricht wurden Fabeln geschrieben, und zwar als Vorübung zum Verfassen von Reden. Über die Jahrhunderte hin war das Verfassen von poetischen Texten nach Regeln und Mustern in Schulen verbreitet. Dabei ging es vor allem um Stilbildung. In Lessings Fabeldidaktik wurde dieses Vorgehen dann in aufklärerischer Weise in den Dienst einer selbständigen Gedankenarbeit gestellt, indem Fabeln nicht nur imitiert, sondern verändert werden sollten. Im 19. Jahrhundert ging, unter dem Einfluss genieästhetischer Vorstellungen von literarischer Kreativität, das produktive Schreiben zu literarischen Texten in der Schule zurück - Schülerinnen und Schüler seien keine Dichtergenies. Die Reformpädagogik entdeckte dann das literarische Produzieren für die Schule neu, allerdings zunächst vorwiegend unter schreibdidaktischer Zielsetzung; bei dem in den 1920er Jahren des 20. Jahrhunderts (und im Nationalsozialismus) sehr einflussreichen Otto Karstadt erscheint es wieder als Methode des Literaturunterrichts. Als eigentlicher Vorläufer für die heutige Form textproduktiver Verfahren kann für den gymnasialen Unterricht Robert Ulshöfer gelten, der in seiner ab 1953 erschienenen „Methodik des Deutschunterrichts" für das Gymnasium Gestaltungsübungen vorschlug, und für die Volksschule Anna Krüger mit ihren Arbeiten zur Didaktik der Kinderliteratur. In den 1970er Jahren führte die damals in Gang gekommene Kreativitätsdiskussion zu spielerisch-kreativen Vorschlägen für den Umgang mit Literatur und die kritische Literaturdidaktik setzte das Verändern von Textvorlagen als Methode ein, eine rationale, kritische Distanz zum Text zu erzeugen (Hussong 1973, 138f., 153ff.). In der gleichen Zeit führte der Einfluss der Rezeptionsästhetik (vgl. Kammler, B3) auf die Literaturdidaktik zu einer stärkeren Betonung des Verstehens als eines produktiven Aktes. Die Diskussion um „schöpferische Arbeit im Literaturunterricht" (Bütow 1975) in der DDR, in der ebenfalls eine intensive Beschäftigung mit der Rezeptionsästhetik stattfand, gehört in diesen Zusammenhang. Große Aufmerksamkeit erlangten in der Fachdiskussion die „literarischen Rollenspiele" von Eggert/Rutschky (1978), gemeint sind damit schriftliche literarische Verarbeitungsformen wie Briefe, Berichte oder Tagebücher, die in fiktiven Rollen verfasst werden (z.B. Augenzeugenberichte zum Auftritt des Affen aus Kafkas „Bericht für eine Akademie"). Den eigentlichen Durchbruch textproduktiver Verfahren im Deutschunterricht markieren zwei Publikationen von 1984, die eine von Günter Waldmann (1984) und die andere von Gerhard Haas (1984). Beide begründen den handlungs- und produktionsori-entierten Literaturunterricht rezeptionsästhetisch und stellen ein reiches Inventar verschiedener Verfahren für den Unterricht vor. In den Folgejahren hat Waldmann für alle Gattungen der Literatur eigene Buch Publikationen zum produkti-onsorientierten Umgang vorgelegt (vgl. Waldmann 2000, 2004, 2008; Wald-mann/Bothe 1992). Haas erweiterte seinen 1984 publizierten Band 1997 für alle Schulstufen (Haas 1997). 224 Kaspar H. Spinner Die Möglichkeiten textproduktiver Verfahren sind ausgesprochen vielfältig; die wichtigsten sind im Folgenden aufgeführt (vgl. auch Haas 1997, Waldmann 1998 und die weiteren Publikationen von Waldmann, zu dramatischen Texten auch Frommer 1995): - Eine Fortsetzung schreiben: Hier geht es darum, dass die Schülerinnen und Schüler einen Prosatext oder ein Gedicht weiterschreiben. Ein Text wird zunächst nur bis zu einer bestimmten Stelle vorgelegt (oder als Hörbuch gehört) und die Schülerinnen und Schüler entwerfen antizipierend eine mögliche Fortsetzung; für das Weiterschreiben eignen sich als Ausgangspunkt vor allem Textstellen, bei denen die Handlung eine Wende erfährt. Es kann auch eine Fortsetzung geschrieben werden, die über den Schluss des Originaltextes hinausgeht; eine besondere Variante ist das Verfassen eines Rückblicks auf das erzählte Geschehen, geschrieben aus der Perspektive einer Figur zehn oder zwanzig Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem der Text aufhört. Eine weitere Variante ist das Schreiben eines alternativen Schlusses; das bietet sich vor allem dann an, wenn sich die Schülerinnen und Schüler mit dem originalen Schluss nicht abfinden können (z.B. wenn ein Roman über Gewalt Jugendlicher katastrophal endet). - Nach dem Muster eines Textes einen neuen Text schreiben: Dieses Verfahren wird auch als analoges oder imitatives Schreiben bezeichnet. Es richtet die Aufmerksamkeit auf formale (stilistische und strukturelle) Aspekte des vorgegebenen Textes. Das analoge Schreiben kann auf der Grundlage der Analyse des Ausgangstextes erfolgen, aber ebenso ist ein mehr intuitives Imitieren möglich, bei dem ohne vorherige Textbesprechung der Auftrag gegeben wird, in der Art des vorgelegten Textes selbst einen Text zu schreiben. Das mehr intuitiv-imitative Vorgehen wird der Tatsache gerecht, dass Schülerinnen und Schüler oft mehr an Textmerkmalen übernehmen, als sie analysierend herausarbeiten und bewusst erkennen können. Allerdings muss damit gerechnet werden, dass dabei auch Texte entstehen, die wenig mit dem Ausgangstext zu tun haben. Wenn die Schülertexte geschrieben sind, werden sie mit dem Ausgangstext verglichen; dabei können ggf. analytische Einsichten erarbeitet werden, z.B. ausgehend von der Frage, welche Parallelen und Unterschiede erkannt werden können. Analoges Schreiben kann auch als Parodie erfolgen, z.B. wenn Schülerinnen und Schüler einen Trivialroman verfassen. Das bewirkt ein vergnügliches Durchschauen von Stereotypen. Das parodistische Schreiben gehört übrigens zu den ersten Ausprägungen des modernen hand-lungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts (Meckling 1972; Waldmann 1980). - Einen Text in eine andere Textsorte umschreiben: Auch dieses Verfahren unterstützt die Einsicht in strukturelle und stilistische Aspekte von Texten. Beispiele wären etwa das Umschreiben einer Kurzgeschichte in einen Zei- D 2 Methoden des Literaturunterrichts 225 tungsbericht oder einer Dramenszene in einen Erzähltext. Auch das Verfassen eines Precis, also einer Kurzfassung unter Beibehaltung stilistischer Merkmale, ist hier einzuordnen. - Einen Text stilistisch verändern: Das Verfahren ist ähnüch dem Umschreiben in eine andere Textsorte, das ebenfalls einen anderen Sprachstil erforderlich macht. Man kann aber auch die Textsorte beibehalten und nur den Stil ändern, z.B. eine Übertragung einer älteren Kaiendergschichte in moderne Sprache. Dies lässt sich auch an kleineren Textausschnitten durchführen. Das Verfahren schult die Aufmerksamkeit für stilistische Eigentümlichkeiten (ggf. mit Bezug auf historischen Wandel oder Eigenheiten eines Autors). - Einen Text mit einer inhaltlichen Änderung umschreiben oder in eine andere Zeit umsetzen: Diese Schreibaufgabe ist besonders dann sinnvoll, wenn ein Kontrast zwischen dem (fremden) Text und der eigenen Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler ins Bewusstsein gebracht werden soll. Das kann z. B. so erfolgen, dass sich die Schülerinnen und Schüler vorstellen, sie träten selbst in die Handlung des Textes ein, und dann schreiben, wie sie sich verhalten würden und was daraus folgen könnte (solche Verfahren eignen sich bereits ab der Grundschule). Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass angenommen wird, eine literarische Figur käme in die reale Gegenwart, z.B. Momo tauchte in der Schulklasse als Gastschülerin auf. In den höheren Klassen kann bei älteren Texten aufgeschrieben werden, wie eine bestimmte Interaktionssituation heute ablaufen könnte, z. B. wie würde Faust heute Gretchen ansprechen oder wie würde ein heutiges Gretchen Faust die Schwangerschaft mitteilen und was für ein Gespräch würde sich daran anschließen. - Zu einem oder mehreren Stichwörtern aus einem literarischen Text einen eigenen Text schreiben: Dieses Verfahren eignet sich als Einstieg in die Textbesprechung. Das Schreiben zu Stichworten, bevor der Originaltext gelesen ist, weckt eigene Vorstellungen und kann neugierig machen, was nun der Autor geschrieben hat. Eine verwandte Aufgabe zu dramatischen Texten besteht darin, dass nur die Figuren und die Schauplätze für die Szenen vorgegeben werden und die Schülerinnen und Schüler einen möglichen Verlauf selbst ausdenken und in einer Inhaltsangabe festhalten. - Figuren in Ich-Form vorstellen (sog. Rollenbiografien): Das Verfahren bezieht sich auf erzählende Texte (auch Erzählgedichte) und Theaterstücke. Die Schülerinnen und Schüler übernehmen je eine Figur und erstellen dazu einen Text, mit dem sich die Figur vorstellt. Dies soll in Ich-Form geschehen, beginnend z. B. mit „Ich bin ..." (Nennung des Namens der Figur). Die Aussagen in Rollenbiografien können sich eng an Informationen des Textes halten oder auch imaginative Erweiterungen vornehmen, zum Beispiel Beschreibung der Wohnung, in der die Figur wohnt und die im Text gar nicht genannt ist, oder Erinnerungen an die Kindheit. Die geschriebenen Texte werden vor 226 Kaspar H. Spinner D2 Methoden des Literaturunterrichts 227 der Klasse vorgelesen. Dies kann mit einigen Fragen des Lehrers/der Lehrerin oder der zuhörenden Schülerinnen und Schüler an die Verfasser bzw. Figuren verbunden werden; z.B. kann eine Figur gefragt werden, welche Meinung sie von einer anderen Figur hat. Solche Rollenbiographien sind durch die szenische Interpretation (siehe unten) in den Deutschunterricht gelangt. - Interviews mit Figuren verfassen: Dieses Verfahren ist der Rollenbiographie verwandt mit dem Unterschied, dass Interviewfragen formuliert werden müssen. In diesem Fall bietet sich nach Erstellen der Texte ein Vorlesen mit verteilten Rollen an (interviewende und interviewte Figur). - Briefe von und an Figuren schreiben: Diese in vielen Fällen ergiebige Aufgabe greift mit dem Brief eine Textsorte auf, die den Schülerinnen und Schülern aus ihrem Alltag bekannt ist. Zugleich handelt es sich um ein Uterarisches Spiel, eine Fiktionalisierung, da als Verfasser und Adressaten literarische Figuren imaginiert werden. Mit solchen Briefen können z.B. Gedanken und Erlebnisweisen von Figuren zum Ausdruck gebracht werden. - Tagebucheinträge von Figuren schreiben: Die Annahme, eine Figur habe ein Tagebuch geschrieben, ermögUcht es, die Handlung aus der Figurenperspektive zu rekapitulieren. Dabei soll berücksichtigt werden, dass ein Tagebuch auch ein Überdenken des Erlebten einschheßt. Es ist also sinnvoll, nicht nur Geschehnisse stichwortartig zusammenzustellen, sondern auch die Gedanken der Figur zum Ausdruck zu bringen (z.B. Was denkt X über den abgelaufenen Tag?). Man kann ein fortlaufendes Tagebuch erstellen lassen (z.B. zu einer gesamten Romanhandlung) oder nur einen einzelnen Tagebucheintrag, wofür sich z.B. Konfliktsituationen von Figuren eignen. - Einen (inneren) Monolog einer Figur schreiben: Diese Aufgabe ist dem Schreiben von Tagebucheinträgen verwandt; auch innere Monologe geben die subjektive Erlebnisweise von Menschen wieder. Sie sind z.B. bei Textstellen interessant, bei denen sich eine Figur in einer Entscheidungssituation befindet. Zur Erleichterung kann ein Textanfang vorgegeben werden, z.B.: „Nun sitze ich hier und weiß nicht, wie es weitergehen soll..." (je nach Situation im Text). In unteren Klassen muss nicht der Begriff „innerer Monolog" verwendet werden; der Arbeitsauftrag kann auch lauten: „Stell dir vor, du bist ... (Name der Figur). Schreibe auf, was du als ... (Name der Figur) gerade denkst und fühlst!" Bei der Beschäftigung mit Dramentexten können Monologe, die die Figur auf der Bühne sprechen könnte, verfasst und dann in entsprechender Haltung vorgelesen werden. Eine einfache Form innerer Monologe besteht darin, dass zu Textstellen Denkblasen (wie in Comics) gezeichnet und gefüllt werden. - Träume von Figuren erfinden: Dieses etwas anspruchsvollere Verfahren eignet sich dafür, Gefühle (z. B. Ängste) einer Figur zu gestalten. Man kann auch von bestimmten Typen von Träumen ausgehen, z.B. Träume, die die Erlebnisse des vergangenen Tages spiegeln, Wunschträume, Angsträume, Träume mit Erinnerungen an frühere Erlebnisse. Der Austausch über die verfassten Träume kann vielfältige Interpretationsaspekte zur Psychologie der Figur zur Sprache bringen und einen Beitrag zu symbolischem Verstehen leisten. - Textstellen in die Perspektive einer Figur oder eines Gegenstandes umschreiben: Erzähltexte sind, vor allem in der Gegenwartsliteratur, in der Regel mehr oder weniger an der Wahrnehmungsperspektive einer bestimmten Figur (Hauptfigur) ausgerichtet; es ist interessant, das Geschehen aus der Perspektive einer anderen Figur zu erzählen (am besten in Ich-Form; perspektivisches Erzählen in Er-Form ist ebenfalls interessant, für Schülerinnen und Schüler ist es dann allerdings schwieriger, den Perspektiven Wechsel durchzuhalten). Bei manchen Texten kann auch die Perspektive eines Tieres oder eines Gegenstandes gewählt werden, z. B. des Hundes, der in der Familie der Hauptfigur lebt, oder des Spiegels, in den eine Figur jeweils schaut. In der Grundschule kann bei illustrierten Büchern aus der Perspektive eines abgebildeten Gegenstandes erzählt werden. - Eine im Text nur angedeutete Handlung ausfabulieren: Möglich ist hier z. B. die Gestaltung eines Dialoges, der im Buch nicht ausgeführt ist, im Rahmen der erzählten bzw. dramatischen Handlung aber denkbar ist. - Plakate zu Figuren erstellen: Dieses Verfahren lässt sich z.B. so einsetzen, dass zu den wichtigen Figuren einer Erzählung oder eines Dramas je ein Plakat vorgesehen wird. Während der Lektüre werden laufend die Informationen, die man zu der Figur erhält, im Plakat eingetragen. Der Text auf dem Plakat wird durch bildliche Elemente ergänzt, z.B. durch Zeichnungen der Figur oder der Requisiten, die für sie typisch sind, durch Pläne von den Schauplätzen oder ausgeschnittene Fotografien, die zum Text passen. - Ein Informationsplakat zum Autor gestalten: Diese Aufgabe bietet sich bei Autor(inn)en an, zu denen Informationsmaterial (z.B. über das Internet) zugänglich ist. Ein Foto oder die Abbildung eines Porträts, etwas zur Biographie, Titel von Büchern, Auszüge aus Rezensionen und ÄhnUches kann zusammengestellt werden. Im Unterschied zu den bisher genannten Verfahren steht hier (und auch im folgenden Verfahren) die sachüche Information im Vordergrund; die Schülerinnen und Schüler wenden nicht selbst literarische, poetische Ausdrucksweisen an, wie das für Verfahren des produktionsorien-tierten Unterrichts sonst typisch ist. - Ein Lexikon zu einem Buch erstellen: Hier geht es darum, die Figuren, die wichtigen Requisiten, die Handlungsorte auf Karteikarten oder im PC zu erfassen und knapp zu erläutern. Dabei kann auch die Technik des Verweises auf andere Stichwörter erarbeitet werden (vgl. als Beispiel Kretschmer 2004, 49-54). 228 Kaspar H. Spinner Die textproduktiven Verfahren können in unterschiedlicherweise in den Unterricht eingebaut werden. Sie können zu einem Interpretationsgespräch hinführen oder darauf folgen. Der Vergleich der verschiedenen Schülerlösungen untereinander und mit dem Ausgangstext kann zu einer vertieften Textinterpretation führen -für Christine Köppert ist er der „Dreh- und Angelpunkt" in der Verbindung von „imaginativer und explikativ-analytischer Literaturdeutung" (Köppert 1997,172f.). In der Regel ist es nicht möglich, alle Schülertexte in der Klasse vorlesen zu lassen; damit die geschriebenen Texte trotzdem mindestens einen Leser oder eine Leserin finden, ist ein Austausch mit dem Sitznachbarn oder in Gruppen möglich; oder die Lehrerin bzw. der Lehrer zieht die Texte ein, liest sie zu Hause durch und kommt in der Folgestunde kurz auf die Texte zurück, z.B. indem er bzw. sie drei besonders interessante Schülertexte vorliest und kommentiert. Die Schülertexte können auch an die Pinnwand geheftet, in einem Klassenordner oder individuell in einem Portfolio gesammelt oder in einer Datei auf dem Klassencomputer gespeichert werden. 15 Bildnerisches und musikalisches Gestalten zu literarischen Texten Produktive Verfahren lassen sich auch mit visuellen und akustischen Gestaltungen durchführen. Für das literarische Verstehen ist das von Belang, weil Literatur Vorstellungen von sinnlichen Wahrnehmungen wecken will; der inzwischen zum geflügelten Wort gewordene Satz „Lesen ist wie Kino im Kopf" bringt das zum Ausdruck: Wer intensiv liest, stellt sich das Gelesene als innere Bilder und als inneren Hörraum vor (das gilt auch für die auditive Rezeption beim Hörbuch). Visuelle und akustische produktive Verfahren können dies unterstützen. Zugleich ergeben sich fächerübergreifende Bezüge und es wird deutlich, dass Literaturunterricht Teil einer umfassenden ästhetischen Bildung sein kann. Die wichtigsten hier zu nennenden Verfahren sind wie folgt zu charakterisieren: - Skizzen, Bilder und Collagen zu literarischen Texten: Das Erstellen von Skizzen hat im Literaturunterricht vor allem eine Funktion bezogen auf die Raumverhältnisse, sei es eine Landkarte zu den Schauplätzen, ein Stadtplan oder auch ein Bühnenbildentwurf zu einer Szene (Drama oder auch Erzähltext). Genaues Lesen und Vörstellungsvermögen sind dafür gefragt, und ein Austausch von Ergebnissen kann das Textverständnis vertiefen. Das Malen zu Texten kann sich auf Figuren, auf Landschaftsschilderungen u.a. in einem Text beziehen; auch abstrakte Gestaltungen können, vor allem für die Interpretation, ergiebig sein, z.B. wenn ein Gedicht als Farbkomposition umgesetzt werden soll. Hier wird besonders deutlich, wie visuelle Gestaltungen zu Texten symbolische Ausdrucksweisen hervorrufen können. Wiederum andere Möglichkeiten bietet die Collage, z.B. wenn zu einem Gedicht, das mitten auf D2 Methoden des Literaturunterrichts 229 einen großen Papierbogen geklebt wird, Ausschnitte aus Illustrierten geklebt werden, die den Assoziations- und Deutungsspielraum des Textes entfalten. Collageartig können auch Plakate sein, die für die einzelnen Figuren eines Textes erstellt werden. Eine aufwendigere Gestaltungsaufgabe ist das Erstellen eines Comics zu einem Text; dabei ist stärker auf die Erzählstruktur und die Probleme, die sich durch die Übertragung in das andere Medium ergeben, zu achten. Strukturlegebilder zu Texten: Für die Strukturlegetechnik werden Spielfiguren oder andere kleine Gegenstände bereitgelegt oder die Schülerinnen und Schüler formen selbst Figuren aus Knete. Sie arrangieren in Gruppen die Figuren bzw. Gegenstände auf einem Tisch so, dass damit eine abbildhafte oder symbolische Darstellung eines Textes oder einer Szene aus einem Text entsteht (vgl. Stuck 2008, 60-62). Die Strukturbilder werden dann kommentiert und diskutiert. Fotos, Videos und computerunterstützte Visualisierungen zu literarischen Texten: Die modernen digitalen Techniken haben das Fotografieren, das Erstellen einer Videoszene und die Gestaltung am PC (z.B. mit einem Präsentationsprogramm) zu einem auch in der Schule gut umsetzbaren produktiven Verfahren werden lassen (vgl. Breddin 2004). Es geht dabei nicht um den Anspruch, möglichst eine realistisch-abbildhafte Gestaltung zu realisieren; symbolisch ausgerichtete Umsetzungen können besonders interessant sein und auch weniger offensichtliche Sinndimensionen zum Ausdruck bringen. Lesekisten: Dieses Verfahren für die unteren Klassenstufen besteht darin, dass die Kinder in einer Kiste oder einem Schuhkarton Gegenstände und Figuren anordnen, die im literarischen Text eine Rolle spielen (vgl. den entsprechenden Vorschlag im Unterrichtsmodell von Ingrid Hintz, G5). Es kann sich um Zusammengetragenes oder selbst Gebasteltes und Gemaltes handeln, wobei auch symbolische Veranschaulichungen möglich sind (z.B. ein Herz für Verliebtsein). Der Prozess der Auswahl, der die Kinder zur Vergegenwärtigung des Textinhaltes und zum interpretierenden Nachdenken anhält, ist dabei wichtiger als die fertigen Produkte; deren Besprechung kann allerdings wiederum die Textinterpretation vertiefen. Akustische Umsetzungen: In der Grundschule ist es vor allem die Arbeit mit Orff-Instrumenten, die im Zusammenhang mit literarischen Texten eingesetzt wird. In höheren Klassen kann die Filmmusik ein Modell sein, für Dramentexte, die traditionell meist ohne Musik aufgeführt werden, Musikeinlagen auszusuchen, z.B. als atmosphärische Einstimmung in neue Szenen, als Vorausdeutung bei Wendepunkten der Handlung oder für jede Figur ein wiederkehrendes akustisches Motiv. In ähnlicher Weise können Hörbücher, die mit musikalischer Untermalung arbeiten, als Modell dienen für die Suche nach Musikstücken, die zu einem Text passen. In den letzten Jahren hat der 230 Kaspar H. Spinner 231 Rap Anregungen für kreative Umsetzung gegeben, z.B. wenn Schülerinnen und Schüler eine Ballade als Rap-Song präsentieren - ein Verfahren, das insbesondere für die Sekundarstufe I geeignet ist. 16 Darstellendes Spiel und szenische Interpretation Im Umgang mit literarischen Texten gibt es zwei Hauptorientierungen des szenischen Spiels, das darstellende Spiel, das auf eine Aufführung vor Publikum zielt, und die szenische Interpretation, die stärker prozessorientiert ist und einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Text dient. Es besteht allerdings keine scharfe terminologische Abgrenzung zwischen darstellendem Spiel und szenischer Interpretation, zumal viele Formen der szenischen Interpretation Vorübungen zum aufführungsbezogenen darstellenden Spiel sind und letzteres manchmal auch als Oberbegriff verwendet wird, der auch das sprachdidaktische Rollenspiel umfasst. Das darstellende Spiel ist in den Schulen zum Teil ein eigenes Fach (auch „Dramatisches Gestalten" genannt); in der Methodik lehnt es sich stark an die Theaterpädagogik an, wie sie in der Schauspielerausbildung praktiziert wird. Der Schwerpunkt liegt auf der Ausbildung schauspielerischer Fähigkeiten; aus diesem Grund werden im Folgenden nur knapp die wichtigsten Formen des darstellenden Spiels, sofern sie einen Bezug zu Uterarischen Vorlagen haben, erläutert. Eindeutig literaturdidaktisch einzuordnen ist dagegen die szenische Interpretation, auf die anschließend ausführlicher eingegangen wird. Die wichtigsten Formen des darstellenden Spiels in der Schule können wie folgt charakterisiert werden: - Rollen auswendig lernen und spielen: Dies ist die traditionelle Form des darstellenden Spiels. Grundlage ist ein Theaterstück oder auch eine szenische Vorlage, die die Schülerinnen und Schüler, z.B. ausgehend von einem erzählenden Text, erstellt haben. - Aus dem Stegreif spielen: Eine freiere Variante ist das Spiel aus dem Stegreif; es bietet sich vor allem bei erzählenden Texten an, die im Unterschied zu Dramentexten nicht schon vollständige Dialoge vorgeben. In der modernen Theaterpädagogik spielen Stegreifübungen eine immer größere Rolle, oft auch als Improvisationsübungen losgelöst von vorgegebenen Texten. - Ein Schattenspiel gestalten (vgl. Köppert 1997,280-285): Schattenspiele sind vor allem in zwei Varianten in der Schule gebräuchlich: Mit einem aufgehängten Leintuch und einem Overhead-Projektor kann das Spiel mit dem eigenen Körper, der dann als Schatten erscheint, realisiert werden. Dabei kommt dem bewussten Einsatz der Gestik besondere Bedeutung zu. Die zweite, vor allem in unteren Schulklassen praktizierte Variante ist das Spiel mit ausgeschnitte- nen Figuren auf dem Overheadprojektor. Wenn sie an einem schmalen Streifen Karton oder (noch besser) an Schaschlikspießen befestigt sind, können sie leicht bewegt werden. Requisiten und Raumhintergründe können mit farbigen Folien erstellt werden, wenn man auch farbliche Effekte erreichen will. Ein Vorteil von Schattenspielen besteht darin, dass die szenische Darstellung und der gesprochene Text auf jeweils zwei Kinder aufgeteilt werden kann. Eine solche Arbeitsteilung stellt eine Erleichterung dar, erfordert allerdings auch Aufmerksamkeit hinsichtlich der Koordination. Die Gestaltung eines Schattenspiels (z. B. zu einem Erzähltext) zwingt zur Reduktion und zur Konzentration auf sprechende Einzelheiten, z.B. figurencharakterisierende Bewegungen und Requisiten. In diesem Sinne wird dabei auch Interpretationsarbeit geleistet. - Mithilfe von Puppen spielen: Ähnlich wie das Schattenspiel mit ausgeschnittenen Figuren entlastet das Puppenspiel davon, den eigenen Körper zur Schau stellen zu müssen. Ohne allzu großen Aufwand zu realisieren ist das Spiel mit Stabpuppen. Sie können aus Karton von den Schülerinnen und Schülern selbst hergestellt und mit einem Stab versehen werden, an dem sie dann gehalten werden. Ein gespanntes Tuch reicht als Spielbühne. - Eine Videoszene drehen: Durch die Videotechnik ist es heute möglich, auch im Unterricht Filme herzustellen. Interessant ist dabei, dass auch an Schauplätzen außerhalb der Schule gespielt und aufgenommen werden kann. Das Wechselspiel zwischen fiktionaler Textvorlage und realem, aus dem Alltag bekanntem Schauplatz bewirkt interessante Verfremdungs- und Umdeutungs-prozesse. - Eine Hörszene erstellen: Schülerinnen und Schüler sind in der Regel durch die private Nutzung von Hörmedien mit verschiedenen Formen von Hörspielen vertraut. Bei Hörszenen ist in literaturdidaktischer Sicht die Charakterisierung der Figuren durch die Sprechweise besonders wichtig. Die szenische Interpretation ist vor allem durch Ingo Scheller (Scheller 1998, 2008) geprägt, dessen Einfluss in praktisch jeder Publikation zur szenischen Interpretation vorzufinden ist. Für die Grundschule hat insbesondere Dagmar Grenz (z. B. Grenz 1999) Schellers Ansatz umgesetzt. Scheller nimmt Bezug auf weiter zurückreichende Entwicklungen, die er zu einer eigenen kohärenten Konzeption verarbeitet hat. An Einflüssen sind wichtig das Psychodrama von Jakob L. Moreno, das Theater der Unterdrückten vonAugustoBoal, die Einfühlungstechnik nach Konstantin S. Stanislawski und das epische Theater von Bert Brecht. Als Verfahren der szenischen Interpretation, die im Deutschunterricht eingesetzt werden, sind u. a. zu nennen (ausführlichere Darstellung und weitere Verfahren z. B. bei Scheller 1998, 2008): - Standbilder bauen: Die Methode des Standbildes lässt sich anschaulich mit der Annahme erläutern, ein unsichtbarer Fotograf habe an einer bestimmten 232 Kaspar H. Spinner D 2 Methoden des Literaturunterrichts 233 Stelle im Text ein Foto gemacht; dieses Foto soll nun als unbewegtes und stummes Bild nachgestellt werden (man spricht in diesem Zusammenhang auch von lebenden Bildern). Für das Vorgehen im Unterricht gibt es vier Varianten: 1. Die Gruppe, die das Standbild gestalten soll, überlegt gemeinsam, wie dieses aussehen soll. 2. Die Schülerinnen und Schüler stellen sich ohne gemeinsame Vorabsprache nacheinander in entsprechender Haltung hin. 3. Bei der dritten Variante fungiert ein Schüler oder eine Schülerin als Regisseur und gestaltet das Standbild nach eigener Vorstellung, und zwar möglichst ohne zu sprechen, so als wenn eine Schaufensterpuppe mit den Händen in die richtige Haltung gebracht werden müsste (mit dieser Variante arbeitet Ingo Scheller). 4. In einer vierten Variante gibt die Klasse den Schülerinnen und Schülern, die das Standbild gestalten sollen, Anweisungen. Wenn ein Standbild erstellt ist, kann man die Darstellenden auffordern, sich zu überlegen, was sie als Figur in diesem Augenblick denken, und dies dann in einem Satz zu sagen. Eine Anschlussmöglichkeit besteht darin, dass die darstellenden Schülerinnen und Schüler nach Auflösung des Standbildes zum Ausdruck bringen, was sie als Figur gefühlt haben. Standbilder, die in Gruppen erarbeitet werden, können für ein Ratespiel genutzt werden; dazu suchen sich die Gruppen selbst eine Situation aus der Lektüre für ihre Darstellung aus; die Zuschauer sollen dann erraten, um welche Szene es sich handelt - dies hält zu genauem Hinschauen an. Die Gestaltung mehrerer Standbilder zu Hauptstationen eines Textes kann, als „Schnappschüsse" in chronologischer Folge präsentiert, auch eine Geschehensabfolge verdeutlichen. Standbilder können schließlich in der Weise gegenüber der Vorlage verändert werden, dass sich die Schülerinnen und Schüler eine alternative Haltung einer Figur überlegen im Sinne von „Hätte sie doch ..." oder auch „Wenn ich in einer solchen Situation wäre, würde ich ...". Statuen bauen: Das Bauen von Statuen mit dem eigenen Körper ist dem Erstellen von Standbildern verwandt und zwischen beidem wird zum Teil auch nicht scharf getrennt. Während das Standbild jedoch eine abbildhafte Darstellung ist, hat die Statue einen stärker symbolischen oder auch allegorischen Charakter; sie abstrahiert von bestimmten konkreten Textstellen und zielt eher auf eine Gesamtaussage eines Textes. Statuen können z.B. die Beziehungskonstellationen der Figuren veranschaulichen oder auch verschiedene Seiten einer Figur durch zwei oder drei Spieler zum Ausdruck bringen. Haltungen und Bewegungen von Figuren erproben: Wie eine Figur geht, welche Gesten sie ausführt, in welcher Haltung sie steht oder sitzt, kann viel über ihre Einstellungen und ihre Befindlichkeit aussagen. Wenn Schülerinnen und Schüler solche Bewegungen und Haltungen erproben, gewinnen sie einen Zugang zur Interpretation der Figuren; zugleich aktivieren sie dadurch, dass sie mit ihrem Körper der Figur Ausdruck verleihen, eigene Gefühle, die zur Figur passen. Es geht also auch um emotionale Lern- und Erfahrungsprozesse. Die Erprobungen von Haltungen und Bewegungen der Figuren können durch einzelne Schüler(innen) vor der Klasse (oder innerhalb eines Sitzkreis) realisiert werden; es kann aber auch mit der ganzen Klasse auf dem Korridor oder in der Pausenhalle gearbeitet werden, etwa in der Weise, dass zuerst alle so gehen, wie es der Figur und ihrer Befindlichkeit am Anfang einer Geschichte entspricht, dann übergehend zur Befindlichkeit an einer anderen Textstelle (z.B. ängstlich unsicher angesichts einer Gefahr, befreit nach Bestehen des Abenteuers ...). Die Beziehungen von Figuren zueinander kann verdeutlicht werden, wenn Haltungen und Gesten in der Begegnung mit anderen Figuren dargestellt werden. Dabei können auch Fragen des sozialen Status zum Ausdruck gebracht werden. Bei Texten aus älterer Zeit können mit Hilfe von Zusatzinformationen, z.B. durch Abbildungen von Grafiken und Gemälden, historische Unterschiede berücksichtigt werden. Das Gleiche gilt fürTexte, die aus anderen Kulturbereichen stammen oder in einem anderen Kulturkreis spielen. Eine Situation pantomimisch spielen: Bei der Pantomime handelt es sich um eine Erweiterung des Erprobens von Haltungen und Bewegungen; sie bezieht sich auf die stumme Darstellung einer Handlungssituation. Die Gesten müssen exakt und eher langsam ausgeführt werden; das erzeugt eine hohe Konzentration. Die Erarbeitung einer Pantomime zu einem Text lenkt die Aufmerksamkeit auf das äußere Verhalten einer Figur, aber auch auf die Möglichkeiten der Körpersprache, mit der z. B. das wiedergegeben werden muss, was der Erzählerin einer Geschichte über die Gefühle einer Figur sagt. Pantomimen können einzeln oder mit mehreren Figuren (was anspruchsvoller ist) durchgeführt werden. Man kann eine pantomimische Darstellung mit dem Vorlesen des Textes kombinieren: Ein Schüler oder eine Schülerin liest vor, ein anderer oder eine andere führt die Pantomime aus. Sprechweisen erproben: Eine Annäherung an Figuren kann durch Erprobung ihrer Sprechweise erfolgen. Ein Experimentieren mit verschiedenen Möglichkeiten (als Beispiel: Goethes Zauberlehrling spricht selbstbewusst, zögernd, verschwörerisch ...) regt zum Interpretationsgespräch an. Ergiebig ist dies vor allem bei gemischten Charakteren oder mehrdeutigen Situationen. Das Erproben von Sprechweisen kann auch im Chor erfolgen - das ist insbesondere in unteren Klassen sinnvoll, weil so Sprechhemmungen abgebaut werden können. Es kann auch erhellend sein, die Unterschiede in der Art und Weise, wie eine Figur zu verschiedenen anderen Figuren spricht, zu erDroben. 234 Kaspar H. Spinner - Eine Stimmenskulptur gestalten: Hier geht es darum, dass mehrere Sprecherinnen und Sprecher wiederholend, überlappend und teilweise gleichzeitig Versatzstücke aus einem Text (die auch variierend durch eigene Formulierungen ergänzt werden können) sprechen; dabei wird eine szenische Anordnung vorgenommen, so dass auch ein visueller Eindruck entsteht. Wenn die Sprechenden zum Beispiel innere Stimmen einer Figur (Erinnerungen, Träume, Wünsche, Aggressionen) und bedrängende Äußerungen von Mitmenschen der Figur wiedergeben, können sie in zwei Kreisen um die Figur, die sitzt und selbst nicht spricht, herumgehen. Man kann die Stimmenskulptur als eine erweiterte Form des szenischen Lesens, wie es oben charakterisiert worden ist (Kap. 5), bezeichnen. - Rolleninterviews durchführen: Bei Rolleninterviews wird eine Figur (von einer Schülerin oder einem Schüler gespielt) nach ihren Einstellungen, ihren Beziehungen zu anderen Figuren, ihren Wünschen usw. befragt. Dies kann ausgehend vom Vorlesen einer Rollenbiografie (siehe oben) erfolgen oder als Unterbrechung einer Spielszene (mit Stopp-Ruf) oder auch im Anschluss an eine szenische Darstellung, z.B. indem sich eine Spielerin oder ein Spieler in die Mitte eines Sitzkreises setzt (sog. heißer Stuhl) und befragt wird. Es können auch Gruppeninterviews mit mehreren Figuren in einem Sitzkreis durchgeführt werden. - Innere Monologe sprechen: Schülerinnen und Schüler improvisieren in einem Monolog, was eine Figur in einer Situation denkt und fühlt. Dazu sollen sie eine entsprechende Haltung einnehmen. Das kann z.B. nach einem Stopp-Ruf während des Spiels einer Szene erfolgen oder ausgehend von der Vorstellung, dass sich eine Figur nach einem ereignisreichen Tag das Geschehene durch den Kopf gehen lässt. Eine anspruchsvolle Variante ist das laute Denken während einer gespielten Handlung: Eine oder auch mehrere Figuren kommentieren für sich laufend, was sie planen, tun und sagen. Das führt zu einem stark verlangsamten Ablauf der Spielhandlung. - Als Hilfs-Ich sprechen: Bei diesem Verfahren tritt eine Schülerin oder ein Schüler hinter eine Figur und spricht deren Gedanken aus (z.B. nach einem Stopp-Ruf innerhalb einer gespielten Szene oder bei einem Standbild). Es können auch mehrere Hilfs-Ich auftreten; eine wenig aufwendige Möglichkeit besteht zum Beispiel darin, dass bezogen auf eine Dilemmasituation in einem Text (die Figur weiß nicht recht, wie sie sich entscheiden soll) vier Schülerinnen oder Schüler je ein Argument für die eine Handlungsalternative, vier weitere je eines für die andere Handlungsalternative aufschreiben. Dann stellt sich eine Schülerin oder ein Schüler als Figur hin, diejenigen, die ein Argument formuliert haben, treten nacheinander hinter sie und lesen ihr Argument vor. Eine weitere Variante besteht darin, dass ein Hilfs-Ich der Figur Fragen stellt, die diese dann beantworten soll. Das Verfahren des Hilfs- D2 Methoden des Literaturunterrichts Ichs ist vom Psychodrama übernommen; dort geht es allerdings nicht um Auseinandersetzung mit literarische Figuren, sondern um Therapie. - Eine Gerichtsverhandlung spielen: Bei literarischen Texten, in denen es um Schuld geht (zum Beispiel Büchners „Wöyzeck"), kann eine Gerichtsverhandlung inszeniert werden (Beste 2007, 39-41). Das setzt eine genaue Textkenntnis voraus und fördert eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Text. Wenn man Figuren aus dem Text spielt, die als Angeklagte. Ankläger oder Zeugen auftreten, geht es einerseits darum, ihren Charakter zu erfassen und durch Mimik, Gestik und Sprechweise wiederzugeben, andererseits ihre Wahrnehmungsperspektive und Erfahrungsweise zu vergegenwärtigen. Moralische Konflikte, Normen- und Schuldfragen kommen in einem solchen Spiel besonders intensiv zur Sprache. Das szenische Gerichts-Spiel kann mit schriftlichen Aufträgen verbunden werden, dem Verfassen einer Anklageschrift, von Zeitungsberichten und -kommentaren. Die szenische Interpretation will durch die intensive emotionale, imaginative, kognitive und körperliche Vergegenwärtigung eines Textes dessen Verständnis vertiefen. Zugleich ermöglicht sie den Schülerinnen und Schülern, ihren subjektiven Fantasien und Erfahrungen Ausdruck zu geben; in diesem Sinne ist szenische Interpretation eine Möglichkeit der Selbstthematisierung. Diese beiden Aspekte der szenischen Interpretation werden in der einschlägigen fachdidaktischen Literatur unterschiedlich gewichtet. Scheller betont besonders stark den Aspekt der Selbstthematisierung und damit den Beitrag zur Suche nach eigenen Identitätsentwürfen (z.B. Scheller 2008,28ff.), Christine Köppert dagegen legt den Schwerpunkt auf den Beitrag zur Interpretation des jeweiligen Textes (Köppert 1997, vgl. vor allem 196-198). Die unterschiedliche Gewichtung wirkt sich auf die Vörgehensweise im Unterricht aus, z. B. darauf, ob bei einer szenischen Darstellung mehr interessiert, welche Bedeutungsaspekte des zugrunde liegenden Textes damit verdeutlicht werden, oder mehr darauf geachtet wird, ob die Schülerinnen und Schüler in der szenischen Arbeit ihren Einstellungen und Fantasien, eventuell auch unterdrückten eigenen Seiten und verdrängten Gefühlen Ausdruck verleihen und an ihnen arbeiten können. Zu einer psychotherapeutischen Situation darf der Unterricht allerdings nicht werden. Szenisches Arbeiten wird von Reflexion über das Spiel begleitet, schon vorbereitend z.B., wenn in Gruppen ein Standbild oder ein anderes szenisches Verfahren erarbeitet wird, dann aber auch im Anschluss an ein Spiel bzw. eine Darstellung. Leitfragen können sein: Wie hat sich eine Schülerin, ein Schüler als Figur gefühlt? Welches Bild der Figur hat sie oder er den Zuschauenden vermittelt? Welche Textaspekte kamen in der Darstellung zum Tragen? Was haben die zuschauenden Schülerinnen und Schüler gesehen, wie deuten sie das Gesehene, entspricht das der Intention der Darstellenden? 236 Kaspar H. Spinner D 2 Methoden des Literaturunterrichts 237 Szenische Interpretation erfolgt in der Regel unter starker Anleitung der Lehrerin oder des Lehrers. Bei Ingo Scheller ist das besonders deutlich (vgl. Scheller 1998,34-36). Die Leitungsfunktion ist allerdings nicht die eines Regisseurs, der seine Idee einer Aufführung realisieren will. Bei der Anleitung geht es vielmehr um die äußere Organisation der Arbeit, um die Aufgabenstellung, um die Unterstützung der Schülerinnen und Schüler in ihrer Suche nach Lösungen und um die Sicherung der Reflexion. Es sollte ein Ziel von Unterricht sein, dass Schülerinnen und Schüler die Fähigkeit erlangen, zunehmend selbstständig zu einem Text Möglichkeiten der szenischen Interpretation zu konzipieren und zu realisieren. 17 Projektorientiertes Arbeiten Unter projektorientiertem Arbeiten sollen hier Vorhaben verstanden werden, bei denen die Schülerinnen und Schüler an der Planung beteiligt sind und die in ein gemeinsam erarbeitetes Produkt münden. Literarisches Lernen erfolgt dabei zum Teil eher beiläufig, muss aber deshalb nicht weniger nachhaltig sein. Mögliche Beispiele sind: - Erarbeitung und Aufführung eines Theaterstückes (siehe oben die Bemerkungen zum darstellenden Spiel), - Erstellen und Vorführen einer Literaturverfilmung, - Konzipierung und Erarbeitung einer Ausstellung zu einem Autor, einer Epoche, einem literarischen Thema, - Gestaltung einer Website zu einem literarischen Thema, - Planung und Durchführung einer Lesung aus literarischen Texten, veranstaltet z.B. für Eltern oder auch für jüngere Schülerinnen und Schüler, indem die Vorlesenden in deren Klassen gehen, - Einrichtung und Durchführung eines Leseclubs, in dem sich Schülerinnen und Schüler regelmäßig treffen und sich über Bücher austauschen, - Organisation und Durchführung eines Bücherflohmarktes. - Literarische Exkursionen mit vorbereitenden Recherchen und der Planung von Aktionen vor Ort, z.B. Lesungen aus Texten an Wohnorten von Schriftstellern oder Schauplätzen von Romanen; Organisation einer literarischen Rallye (vgl. dazu den Aufsatz zum „literarischen Lernen vor Ort" von Daniel Scherf 2009). 18 Schluss: Zu den Phasenmodellen Viel diskutiert werden in der Methodik des Literaturunterrichts die fachspezifischen Phasenmodelle für den Ablauf von Stunden und Unterrichtssequenzen (vgl. Abraham/Kepser 2006,181-189). Es handelt sich dabei nicht um einzelne methodische Verfahren, sondern um die Strukturierung des Unterrichts; zum Teil werden dabei bestimmte Methoden einzelnen Phasen zugeordnet. Den größten Einfluss hat das literaturdidaktische Modell von Jürgen Kreft ausgeübt, der vier Phasen unterscheidet (Kreft 1977, 379): 1. Phase der bornierten Subjektivität - textimmanent, 2. Phase der 'Objektivierung' - wahrheitsbezogen, textbezogen, texttranszendent, 3. Phase der Aneignung, 4. Phase der Applikation. Joachim Fritzsche hat dieses Modell folgendermaßen umformuliert (Fritzsche 1994, 215-227): 1. Verhakung im Text 2. Rückfrage an den Text 3. Aneignung 4. Applikation Was löst der Text in mir aus? Was steht da? Was folgt aus dem verstandenen Text für mich? Was folgt aus dem verstandenen Text für uns? Eine Weiterführung des Modells findet man z.B. bei Günter Waldmann (1998): 0. Mögliche Vorphase: Spielhafte Einstimmung in literarische Texte, 1. Lesen und Aufnehmen literarischer Texte, 2. Konkretisierende subj ektive Aneignung literarischer Texte, 3. Textuelles Erarbeiten literarischer Texte, 4. Textüberschreitende Auseinandersetzung mit literarischen Texten. Die Phase 2 bei Kreft und Fritzsche entspricht bei Waldmann der Phase 3. Dessen Phase 1 bezieht sich auf die Weckung von Aufmerksamkeit für genaues Lesen, z.B. durch operative Verfahren; in Phase 2 liegt bei Waldmann der Schwerpunkt auf der imaginativen Aneignung. In ihrem Unterrichtsmodell lehnt sich Monika Gross an Waldmanns Phasenmodell an (s. G6). Jünger ist das Modell von Leubner/ Saupe (2008,119), das ebenfalls in der Tradition von Kreft steht, jedoch die für Kreft typische Rezipientenorientierung zurücknimmt und deshalb traditioneller im Sinne eines philologischen Zugangs wirkt: 1. Hinführung zur Texterschließung (Einstimmung/Problemstellung bzw. Hypothesenbildung), 2. Erkennen von Textstrukturen/Textanalyse (ggf. mit Kontextualisierung). 3. Interpretation einschließlich Anschlusskommunikation (mit Kontextualisierung), 4. Wirklichkeitsbezug, 5. evtl.: Vertiefung und Erweiterung (durch Kontextualisierung). Ein Phasenmodell speziell für die szenische Interpretation hat Ingo Scheller entwickelt (Scheller 2008, 49). Zu erwähnen ist auch der Ansatz von Christine 238 Kaspar H. Spinner D 2 Methoden des Literaturunterrichts 239 Köppert mit ihrer Grundthese „Imagination vor Explikation" (Köppert 1997, 119); mit produktionsorientierten Verfahren sollen sich die Schülerinnen und Schüler zunächst imaginativ in die Textwelt hineinbegeben und darauf aufbauend dann in die diskursiv-analytische Auseinandersetzung eintreten. Die imaginationsorientierte Phase ist dabei nicht einfach ein Austausch subjektiver Eindrücke und Vorstellungen, sondern die Übernahme einer textinternen Perspektive mit einem „Entfalten", „Ausloten" und „Verfremden" von Text (ebd., 128-171). In der Fachliteratur wird immer wieder betont, dass Phasenmodelle flexibel einzusetzen seien. Dennoch unterliegen sie der Gefahr, zu einer festen Richtlinie zu werden, vor allem in der zweiten Ausbildungsphase der Lehrerbildung. Das führt dann dazu, dass die Ansprüche des Gegenstandes (also des jeweiligen literarischen Textes), der Unterrichtziele und der Lernsituation der Schülerinnen und Schüler in ein Schema gepresst werden. Wenn man die didaktische Leistung von Unterrichtmethoden klar durchdenkt und sie sachangemessen und dem Lernprozess der Schülerinnen und Schüler entsprechend einsetzt, hat man das starre Gerüst von Phasenmodellen nicht nötig. Literatur Abraham, Ulf: Nacherzählen. In: Abraham, Ulf/Beisbart, Ortwin/Koß, Gerhard/Marenbach, Dieter: Praxis des Deutschunterrichts. Arbeitsfelder - Tätigkeiten - Methoden. Donauwörth: Auer, 6., überarbeitete und erweiterte Auflage 2009, 245-247 Abraham, Ulf/Kepser, Matthis: Literaturdidaktik Deutsch. Eine Einführung. Berlin: Schmidt, 2. Auflage 2006 (Grundlagen der Germanistik 42) Abraham, Ulf/Kepser, Matthis (Hrsg.): Übersetzungen lesen und schreiben. In: Praxis Deutsch 35 (2008), Heft 212, 6-62 Anders, Petra/Abraham, Ulf (Hrsg.): Poetry Slam und Poetry Clip. 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Seelze: Kallmeyer 2006, 80-101 D 3 Das Lesebuch und andere printbasierte Lehr- und Lernmittel 243 KARLA MULLER D3 Das Lesebuch und andere printbasierte Lehr- und Lernmittel für den Lese- und Literaturunterricht 1 Zur Konzeption des vorliegenden Artikels Der Begriff „Lehr-/Lernmittel für den Lese- und Literaturunterricht" (im Folgenden abgekürzt mit LL) schließt das Lesebuch ein, geht aber auch deutlich über dieses hinaus. Wie später ausdifferenziert wird, fallen unter LL Schulbücher und sog. VerbrauchsmaterialienSchulbücher sind Druckwerke, die eigens für Unterrichtszwecke zur Erreichung der in den Lehrplänen festgelegten Lernziele herausgegeben wurden und für ein bestimmtes Unterrichtsfach den gesamten Stoff in der Regel eines Schuljahrs enthalten. Auf eine derzeit vorherrschende Variante des Lesebuchs, nämlich das integrierte (integrative, kombinierte) Deutschlehrbuch trifft dies zu. Aber auch Lesebücher in der Art der Textanthologie gelten als Schulbücher, weil sie für die mehrjährige Nutzung (durch verschiedene Schülergenerationen) im Unterricht geeignet sind. Im Unterschied dazu handelt es sich bei Verbrauchsmaterialien um Lernmittel, deren weitere Nutzung nach einmaliger bestimmungsgemäßer Verwendung nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, wie z.B. Schülerarbeitshefte. Schulbücher haben primär die Aufgabe, die Planung, Initiierung, Organisation, Durchführung und Evaluation von Lehr- und Lernprozessen zu unterstützen. Nach Ehlers (2003 , 3) haben speziell Lesebücher die Funktion, einen Lernbereich zu strukturieren, kulturelles Wissen zu tradieren und Fertigkeiten des Lesens und Interpretierens von Texten einzuüben. Sie sind damit im wahren Wortsinn „Mittler" zwischen den Gegenständen, Zielen, Lehrpersonen und Schülern2 und ihre Funktionen ließen sich im Hinblick auf jede dieser Koordinaten ausdifferenzieren und erweitern. Was „Lesen" und „Literaturunterricht" konkret meint, welche Intentionen im Einzelnen verfolgt werden, welche Ansichten von der Organisation guten Unterrichts herrschen und welche Lehrerund Schülerbedürfnisse erfüllt sein wollen: All dies unterliegt einem ständigen historischen Wandel und hat in der Vergangenheit nicht nur zu außerordentlich unterschiedlichen Ausprägungen von Lesebüchern (vgl. Kämper-van den Boo-gaart, A) geführt, sondern auch zur Entstehung weiterer LL über das Lesebuch hinaus. 1 Definitionen in Anlehnung an die Thüringer Verordnung über die Genehmigung und Zulassung von Lehr- und Lernmitteln sowie die Einführung und Bereitstellung von Lernmitteln (Thüringer Lehr- und Lernminelverordnung -ThürLLVO -) vom I.März 2004, geändert mit Verordnung vom l. März 2009. 2 „Lehrer" und „Schüler" wird im Folgenden als penp.risrhpc Maoriiiimim ™-i------