ASPEKTE DER LITERARISCHEN ÜBERSETZUNG „Die schöpferische Tätigkeit des Übersetzers beschränkt sich auf den sprachlichen Bereich. [...] Gerade weil sich seine schöpferische Tätigkeit auf die sprachliche Umgestaltung beschränkt, bemüht sich der Übersetzer, wenigstens auf diesem Gebiet seine Selbständigkeit und seine schöpferischen Fähigkeiten zu beweisen, und er verfällt dabei leicht einer selbstgenügsamen Virtuosität, er bildet neue Wörter, 10 ALBRECHT, Jörn (1998): Literarische Übersetzung: Geschichte, Theorie, kulturelle Wirkung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 94 121 wo es nicht notwendig ist, und er formt grundlos alte Wörter um“ LEVY, Jiri (1969): Die literarische Übersetzung. Theorie einer Kunstgattung, Frankfurt am Main, Bonn, Athenäum Verlag, (Prag, 1063), S. 82f 12 Vgl Katharina Reiss geht in ihrer Untersuchung ebenfalls auf diese Problematiken ein. Für wesentlich erkennt sie das Textverstehen aus der Sicht des Übersetzers und nennt drei Aspekte12: 1) Welche Rolle spielt das Textverstehen für den Übersetzer? 2) Welche Faktoren beeinflussen das Textverstehen? 3) Welche Auswirkungen hat das Phänomen des Textverstehens auf die Übersetzung und ihre Rezeption? REISS, Katharina (2000): Grundfragen der Übersetzungswissenschaft. Wiener Vorlesungen, Wien, WUV-Univ.Verl., (1995), S. 47f PRINZIPIEN DER SELEKTION UND HIERARCHISIERUNG Der Übersetzer, so neutral und objektiv er die Sprachzeichen zu beobachten und befragen bestrebt ist, kann gar nicht umhin, den objektiv gegebenen Text durch seine individuelle Sicht der Sprachzeichen zu verändern. Dies ist ein Punkt, an welchem sich Praktiker und Theoretiker häufig diametral gegenüberstehen: Ist Translation wissenschaftlich fassbar, oder obliegt es dem Feinsinn des individuellen Übersetzers, den Text adäquat zu übertragen, die teils widersprüchlichen, schwer miteinander zu vereinbarenden Bedingungen und Faktoren zu berücksichtigen: „Zwei Prinzipien bestimmen demnach die Aufstellung von Äquivalenzkriterien für die Übersetzung eines Textes. 1. Das Prinzip der Selektion und 2. Das Prinzip der Hierarchisierung. Die Selektion wird vom Übersetzer vorgenommen, wenn er bei der Ausgangstextanalyse die für den jeweiligen Text merkmalhaften Elemente eruiert. Die Hierarchisierung betrifft die Vorrangigkeit beizubehaltender Elemente, wenn nicht alle Elemente zugleich in der Zielsprache äquivalent gehalten werden können“ REISS, Katharina (2000): Grundfragen der Übersetzungswissenschaft. Wiener Vorlesungen, Wien, WUV-Univ.Verl., (1995), S. 47f Wer übermittelt wozu wem über welches Medium wo wann warum einen Text mit welcher Funktion? Worüber sagt er was (was nicht) in welcher Reihenfolge unter Einsatz welcher nonverbalen Elemente in welchen Worten in was für Sätzen in welchem Ton mit welcher Wirkung? NORD, Christine (2003): Textanalyse und Übersetzen. Theoretische Grundlagen, Methoden und didaktische Anwendungen einer ϋbersetzungsrelevanten Textanalyse, Heidelberg, Groos, (1995), S. 41 Nach Koller gibt es fünf Bezugsrahmen, die bei der Festlegung der Art der Übersetzungsäquivalenz eine Rolle spielen: 1. der außersprachliche Sachverhalt, der in einem Text vermittelt wird; den Äquivalenzbegriff, der sich am außersprachlichen Sachverhalt orientiert, nenne ich denotative Äquivalenz; 2. die im Text durch die Art der Verbalisierung (insbesondere: durch spezifische Auswahl unter synonymischen [...] Ausdrucksmöglichkeiten) vermittelten Konnotationen bezüglich Stilschicht, soziolektale und geographische Dimension, Frequenz etc.: den Äquivalenzbegriff, der sich an diesen Kategorien orientiert, nenne ich konnotative Äquivalenz; 3. die Text- und Sprachnormen (Gebrauchsnormen), die für bestimmte Texte gelten: die Äquivalenz, die sich auf solche textgattungsspezifische Merkmale bezieht, nenne ich textnormative Äquivalenz; 4. der Empfänger (Leser), an den sich die Übersetzung richtet [...], die empfängerbezogene Äquivalenz nenne ich pragmatische Äquivalenz; 5. bestimmte ästhetische, formale und individualstilistische Eigenschaften des AS-Textes; den Äquivalenzbegriff, der sich auf solche Eigenschaften des Textes bezieht, nenne ich formal-ästhetische Äquivalenz. Bei der konnotativen Äquivalenz handelt es sich um die Beibehaltung des richtigen Kolorits, folglich um Synonyme, die zwar dasselbe aussagen, jedoch eine andere Nuance zum Ausdruck bringen. Das Sprachregister kann nicht nur die soziale Schicht indizieren, aus der der Sprecher kommt, sondern auch die eigenen Einstellungen, Abneigungen, etc. verbalisieren. DIE LITERARISCHE ÜBERSETZUNG MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN IM WISSENSCHAFTLICHEN DISKURS - Elisabeth BERGER - http://oaji.net/articles/2016/2547-1452441957.pdf