Die Speckseite im Roten Tu Das Fassadenmosaik am Haus Rotenturmstraße 23 zeigt den Roten Turm und das Rotenturmtor um 1490. Die Speckseite vom Roten Turm {Backen ist der Schinken vom Hinterteil, Zwägt heißt Kopfwaschen, Kirch-Tag bedeutet Hochzeitstag.) In der Stadt ließ man verlautbaren, dass jeder Mann aufgefordert sei, sein Hausherrentum zu zeigen. Doch keiner tat es, die Männer blieben still. Es dauerte wohl hundert Jahr, bis sich einer meldete, der den in schwindelnder Höhe angebrachten Speck herunterholen wollte. Am festgesetzten Tag kam eine riesige Menschenmenge zum Turm, um zuzusehen. Ein frisch vermählter junger Mann kam herbei. Er prahlte, seine junge Trau habe noch kein einziges böses Wort gegen ihn gerichtet und sie erfülle ihm stets jeden Wunsch. Er meinte, deshalb dürfe er stets alles tun und seine Frau würde es gutheißen. Er sei eben der Herr im Hause und ihm gehöre deshalb das Speckstück! Als er nun, eine Leiter war schon angelegt worden, diese emporsteigen wollte, hielt er inne, um sich seinen Sonntagsrock auszuziehen. „Warum denn das?" riefen die Zuschauer. Der Jungvermählte erklärte dem Sladtschreiber, damit der fette Speck ihn nicht beschmutzen könne. Käme er mit Fettflecken nach Hause, würde ihm seine Frau eine schöne Predigt halten! Als die Zuschauer das hörten, brachen sie in schallendes Gelächter aus und nahmen dem Angeber die Leiter weg. Du bist kein bisschen besser dran als wir, geh doch Heim zu deiner Hausherrin! Durch das Rotenturmtor erfolgten oftmals prunkvolle Einzüge der von Krönungen oder Kriegen heimkehrenden Herrscher. Die Speckseite blieb aber noch bis ins ausgehende 18. Jahrhundert hängen. Im Jahre 1776 wurde der Torturm abgerissen, den Speck, oder was von ihm noch übriggeblieben war, haben dann wohl die Ratten gefressen. Die sündige Himmelspförtnerin Vor vielen Jahren lebte in einem Wiener Kloster in der Traibotenstraße (mittelalterliche Bezeichnung der Himmelpfortgasse) eine wunderschöne junge Nonne. Sie war als Waisenkind in das Kloster gekommen. Man gab ihr den Namen Amalie. Von Kindheit an diente sie fleißig und brav. Ihre gewissenhafte Art fiel den Nonnen stets auf, sodass sie das verantwortungsvolle Amt einer Pförtnerin übertragen bekam. Jeden Abend versorgte die junge Nonne die Statue der Muttergottes in der kleinen Kapelle mit irischen Blumen. Dann sperrte sie gewissenhaft die Pforte zu, verrichtete ihr Abendgebet und ging zu Bette. 76 77 Die sündige Himmelspförtnerin Eines Nachts erschien ihr in Gestalt einer Nachtigall der Teufel. Er erweckte in ihrem Herzen weltliche Sehnsüchte. Er gaukelte ihr im Traum verlockende Bilder von einer schönen, weiten Welt außerhalb der Klostermauern vor. Sie sah sich auf einer wunderschönen, mit Blumen bedeckten Wiese sitzen, inmitten von weidenden Tieren, vielstimmiger Vogelgesang durchschallte die Luft und über allem ein schöner blauer Himmel. Turteltauben girrlcn zärtlich und ein wunderschöner Paradiesvogel sang von unbekannten Freuden. Da erwachte sie plötzlich aus ihrem Traum. Verwirrt ging sie am folgenden Tag ihrer täglichen Pflicht nach. Stundenlang schaute sie durch das Pfortengitter nach außen in die ihr doch so unbekannte Welt. In der folgenden Nacht versenkte sie der Böse neuerlich in verführerische Träume. Blühende, duftende Rosen umgaben sie und, als sie den Blick wendete, erblickte sie einen wunderschönen jungen Mann. Der lächelte sie an und streckte seine Arme sehnsüchtig nach ihr aus. Sie erwachte und lag wie erstarrt in ihrem Bett, blickte in der kargen Zelle auf die Decke und dachte nach. „Da draußen ist die schöne Welt", dachte sie, „und ich bin hier eingeschlossen, umgeben von hohen Mauern." Und allmählich wuchs in ihr der unbändige Wunsch, das Kloster zu verlassen. Sie nahm die Schlüssel der Klosterpforte und legte sie zu Füßen der Muttergot-tesstatuc, kniete ein letztes Mal nieder und verließ das Kloster unter vielen Tränen. Sie stürmte hinaus in die große, weite und sündige Welt. Die Jahre vergingen. Amalie kostete Freuden und Leiden dieser Welt. Betrogene Liebe, dem Traum vom Krdenglück folgte bitteres Erwachen. Aus dem jungen Mädchen war eine erfahrene Frau geworden, die inzwischen vieles bereute und deren einziger Wunsch nun war, wieder als Nonne in das Kloster zurückzukehren. Nach langen Irrwegen kam sie nach sieben Jahren ermattet an der Klostcrpforte an und brach erschöpft zusammen. Mit letzter Kraft betätigte sie noch die Türglocke. Da ölfnete sich die Türe und die Muttergottes trat hervor. „Komm nur herein Amalie, du hast viel Schönes erlebt, aber auch viel Leid ertragen müssen, es freut uns, dass du zurückgefunden hast!" Amalie starrte verstört die Madonna an, sie erkannte ihr Ebenbild! Inzwischen war die alte Äbtissin hinzugekommen. Amalie warf sich ihr zu Füßen und bekannte ihre Fehler und bat um Vergebung. Die Äbtissin blickte sie erstaunt an und hielt sie für wahnsinnig. Niemand hatte die Abwesenheit Amalies während der vielen Jahren bemerkt. Jeder hatte sie doch täglich an der Klosterpforte gesehen, gesehen wie sie ihre Aufgabe pflichtgemäß erfüllte. Die Muttergottes hatte an ihrer Stelle all die Jahre den Pförtnerdienst geleistet! Nun erkannte Amalie, welch großes Wunder ihretwegen geschehen war. Die Himmelpfortgasse erinnert heute noch an diesen seltsamen Vorfall. Das Kloster wurde von Kaiser Joseph II. im Jahre 1784 aufgelassen. Das Hirschgeweih am Stephansturm oder die Tabakspfeife Schon im Jahre 1449 war die Turmspitze durch Blitzschlag in Brand geraten. Im Jahre 1514 entlud sich, nach einem Bericht von Cuspinian, wieder ein fürchterliches Gewitter über Wien. Mehrcrc Blitze trafen den Turm, Steine stürzten herab, die Turmspitze bog sich gefährlich zur Seite und drohte abzustürzen. Jahrelang suchte man nach einem Dachdecker, welcher sich zutraute den Turm wiederherzustellen. Endlich erklärte sich im Jahre 1516 der Baumeister Georg Hauser bereit, den gefährlichen Auftrag zu übernehmen. Es war nur zu verständlich, dass man alle Mittel versuchte, um den Turm vor Blitzschlägen zu schützen. So kam die Idee auf, durch die Montage von Hirschgeweihen Gebäude vor Blitzen zu schützen, zum Beispiel wurden die Türme der Hofburg mit solchen Wunderdingen versehen. Schließlich setzte man im Jahre 1551 aucli auf die Steinrosetten der acht obersten Fialen des Turms je ein Hirschgeweih. Man war damals der festen Überzeugung, dass dadurch der Turm künftig vor Blitzschlag geschützt wäre. Am Johannisabend des Jahres 1699 schlug trotz des vermeintlichen Schutzes durch die Hirschgeweihe wieder ein Blitz ein und beschädigte den Turm schwer. Jetzt war allen bewusst, dass diese Blitzableiter ihren Zweck nicht erfüllten. Dennoch blieben sie noch über hundert Jahre am Turm und wurden erst im Jahre 1808 bei Instandsetzungsarbeiten entfernt. Der Leiter dieses Projekts, der Magistratsrat Ignaz Ileyss, hatte die Idee, aus den Resten der stark verwitterten Geweihe eine große Tabakspfeife schnitzen zu lassen. Er machte das fertige Instrument der Ledererzunft, die ihre Stammtischrunde im alten Bierhaus in der Goldschmiedgasse gegenüber dem Stephansdom hatte^, zum Geschenk. Die riesige Pfeife, sie hatte ein Gewicht von 227 Pfund, konnten gleichzeitig der Zunftmeister selbst und, durch seitlich angebrachte Neben röhre, weitere 24 Ledercrgesellen rauchen. Die Pfeife war schnell die Sensation in der Stadt. Das Gasthaus bekam ab dem Jahre 1810 den Namen „Zur großen Tabakspfeife". Ab dem Jahre 1830 verschwand die Pfeife aus der Öffentlichkeit, um 1868 soll sie in den Besitz eines ungarischen Kunstsammlers gelangt sein. Seither ist sie verschollen. Der Name „Zur Tabakspfeife" war noch in den 7oer-Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in der Goldschlaggasse zu finden. Allein der Werdegang vom Hirschgeweih-Blitzableiter am altehrwürdigen Stephansturm bis zu dieser Kuriosität war längst vergessen. 7S 79 Drachen in der Inneren Stadt Drachen in der Inneren Stadt Eine bis in unsere Tage gut erhaltene Darstellung des Drachenordens befindet sich in der Toreinfahrt des Hauses Lugeck 7. Hier sieht man ein Relief mit der Jahreszahl 1495, welches sich früher im großen Federlhof befand, der an dieser Stelle stand. Es handelt sich um das Wappen des Ritters Peter von Kdlasberg, der dieses Bauwerk 1494 erwarb. Ein Ritter im Auftrage des Drachen verpflichtete sich, das Christentum zu verteidigen. Man kann den Drachen, der sich mit dem eigenen Schwanz würgt, als Symbol für den Kampf des Guten gegen das Böse betrachten, in weiterem Sinne den Kampf des Kreuzes gegen die Ungläubigen und Ketzer. Zur Lokalität des alten Federlhofes sei noch bemerkt, dass er sich in unmittelbarer Nähe des Hauses Zum schmeckenden Wurm am Beginn der Bäckerstraße befand, ja eigentlich das Nachbarhaus desselben darstellte. Dem Leser sei es überlassen, hier einen Zusammenhang zu sehen. Das Drachenordenrclief am Torbogen war wohl über dem Straßeneingang des Federlhofes zum Lugeck angeordnet gewesen. Drachen findet man in der Inneren Stadt ja an vielen Orten, gleich in der Nähe des Federlhofes, da wird er Basilisk genannt, siehe auch die Geschichte „Der Basilisk in der Schönlaterngasse". An der Rückseite dieses Basiliskenhauses käme man in die Drachengasse, die heute nur vom Fleischmarkt aus begangen werden kann. Sie wird nach einem Herrn 1 Drach, welcher um 1600 hier lebte, benannt. Er ließ hier das Haus Zum goldenen Drachen errichten. Ein kleines Stück des Weges weiter kommt man durch die Griechengasse zur griechisch-orthodoxen Kirche. Am Giebel der Kirche kämpft der heilige Georg gegen den Drachen. Der heilige Georg gilt als Schutzpatron des Rittertums, der St.-Georgs-Orden bezweckt die Verehrung des heiligen Georgs, die Pflege der Ritterlichkeit und ritterlicher Lebensauffassung. Der Drachenkampf symbolisiert den mutigen Kampf gegen das Böse. 80 Drachen in der Inneren Stadt Übrigens, an der Stelle, wo heute diese Kirche steht, befand sich einst das Gasthaus „Küss den kleinen Pfennig". Ein anderer Drache wird vom heiligen Georg am schönen schmiedeeisernen Zierbrunnen im Hof des Museums für angewandte Kunst in der Weiskirchnerstraße 1 besiegt. Drachen in der Inneren Stadt An prominenter Stelle in der Inneren Stadt, am Stephansdom, finden wir am romanischen Bogenrelief des Riesentores ein Drachenpärchen mit verschlungenen Hälsen. Diese Drachen haben nur zwei Beine und gleichen mehr Vögeln mit Schlangenköpfen. An der Westfassade des Doms, zwischen den Heidentürmen, gibt es dafür einen geflügelten Löwen mit einem Hahnenschnabel, sollte wohl kein Drache sein, eher ein Greif, welcher gerne als Torwächter tätig ist. Apropos Greif, ein besonders schönes Exemplar finden wir auf der Säule bei der Salztorbrücke. Er bewacht wohl den Zugang zur Inneren Stadt von der Donau aus. Er stützt sich stolz auf das Wappen Wiens. 82 83 Drachen in der Inneren Stadt Jetzt wieder zurück zu den Drachen! Sogar in die Hofburg hat sich ein Drache verirrt. Ein Drachenkopf ziert das Wasserauslassrohr im Schweizerhofbrunnen, dem ältesten noch bestehenden Brunnen Wiens. Man findet einen Drachen auch hoch oben auf der Mariensäule Am Hof zu Füßen der Maria Immaculata. An den vier Ecken des Steinsockels der Säule kämpfen kleine, mit Krummschwertern bewaffnete Putti gegen Drachen und Schlangen. Die Ungeheuer symbolisieren Pest, Krieg, Hunger und Ketzerei. Auch aus der Kuristuhr am Hohen Markt, der Ankeruhr, lugt ein besonders schönes Drachenwesen hinter dem Prunkteppich unterhalb des Ziffernblattes hervor. Einen Drachen aus einer ganz anderen Zeit findet man am Andromeda-Brunnen im Alten Rathaus in der Wipplingerstraße. Dieser Drache bedrohte in der griechischen Mythologie die liebreizende Andromeda. Doch Perseus, Sohn des 94 «5 Drachen in der Inneren Stadt Göttervaters Zeus, konnte sie noch im letzten Moment erretten. Er durfte sie dann heiraten. Den Brunnen errichtete Raffael Donner 1771 im Auftrag des Wiener Stadtrates. Ein besonders schönes Modell ist jener Drache im Wiener Stadtpark, der im Jahre 2008 feierlich von einer Schweizer Delegation aus der Stadt Basel in Form eines Trinkbrunnens übernommen wurde. (Lokalhistoriker mögen verzeihen, dass dieser hier Erwähnung findet, obwohl der Aufstellungsort des Brunnens schon dem dritten Wiener Gemeindebezirk zugerechnet wird! Der Wienfluss, welcher durch den Stadtpark fließt, ist ja die strenge Bezirksgrenzc.) Der Basilisk trägt das Stadtwappen Basels auf seiner Brust und steht mit seinen fürchterlichen Sagenkräften dem Wiener Basiliken in der Schönlaterngasse um nichts nach. Der Name der Stadt soll einer Sage nach unmittelbar vom Basilisken herrühren. Es würde den Rahmen sprengen, wollte man all diese Sagenwesen restlos aufzählen, seien sie Basilisken, Drachen, Schlangen, Greife oder sonstige unheimliche Wesen. Man findet sie über Toreinfahrten, an Giebeln oder als Wandmalereien, auch als Wappentiere. Es lohnt sich allemal, bei Spaziergängen durch die Stadt danach Ausschau zu halten. Allein das Dach des Stephansdomes zeigt wahrlich viele solcher Fabelwesen! 86 Eine Sage vom St. Stephansplatz Im Jahre 1404 hatte der große Turm von St. Stephan zu Wien unter dem großen Baumeister Wenzel Parier bereits zwei Drittel seiner geplanten Höhe erreicht. Die Wiener hofften, dass der Bau nun bald fertig würde. Da verstarb der gute Mann plötzlich. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich diese Nachricht und das ganze Volk war tief bestürzt, auch am Hofe von Herzog Albrecht IV. herrschte Ratlosigkeit. Die Arbeiter an der Dombauhütte beklagten den Verlust bitterlich, war doch der Baumeister wie ein Vater für sie gewesen. Der böse Feind alles Guten, der Teufel, war der Einzige, der sich über den Tod des Meisters freute. Es war ihm ja jeder Kirchenbau ein Gräuel, er meinte, dass der stolze Bau nun für immer unvollendet bleiben würde. Dadurch würden viele Seelen der Gnade Gottes entzogen bleiben und so durch seine höllische List ins ewige Verderben gelangen. Jedermann wusste, dass des Teufels einzige Freude die des Verderbens von Menschen war. Um diese böse Absicht in die Tat umzusetzen, machte sich der Teufel auf den Weg nach Wien. Er wollte aus den Wirren nach dem Tod des Baumeisters seinen größten Nutzen ziehen. Seine Verbündeten sollten der Sturm und der Regen sein. Denn, wenn es dauerhaft regnen würde, dann müssten die Maurer aufhören zu arbeiten, da ihnen durch das viele Wasser der Mörtel verderben würde, und die errichteten Mauern würden sogleich wieder einstürzen. Der ihm so verhasste Dombau müsste dann eingestellt werden. Inzwischen war der Teufel in Wien angekommen und besichtigte sogleich die Dombaustelle. Er konnte eine Gruppe von Steinmetzen belauschen, die eben beschlossen, den würdigsten und tüchtigsten unter ihnen als neuen Dombaumeister zu wählen. Aber sie waren untereinander absolut nicht einig, wer denn diesen mächtigen Bau zu Ende bauen könnte. Hämisch lachte der Teufel, denn Uneinigkeit führte rasch zum Streit und ein solcher war Öl für sein Feuer. Als sich nun zur Mittagszeit alle Arbeitsleute auf einem großen Platz in der Mitte des Gerüsts trafen, mischte sich der Teufel unter sie und meinte Zwietracht unter die Werkleute säen zu können. Denn gar gerne drängte sich der Teufel in die Versammlungen der Menschen! Vielleicht gelang es, einen gottlosen Taugenichts als Baumeister zu bestimmen. Doch da kamen plötzlich zwei festlich gekleidete Ratsherren aus dem Rathaus herbei und verkündeten, dass die Fortsetzung des Baues beschlossen wurde. Peter von Prachatitz von der Prager Dombauhütte wurde als Meister beauftragt, den Bau zum Ruhme des Landes und zur Ehre Gottes zu vollenden. 87 Eine Sage vom St. Stephansplatz T „Prachatitz!", rief der Satan knirschend, „Dieser Gottgläubige, über dessen Lippen noch nie ein böses Wort gekommen ist! Diesmal hat man mich richtig hineingelegt! All meine Mühe, der Einsatz von Wind und Regen, der Versuch Zwietracht unter die Leute zu bringen, all das war vergebens!" Und damit fuhr er dahin in alle Winde und war beim Dom seither nie mehr gesehen. Lediglich der Regen und der Wind treiben sich hin und wieder um den Dom herum. Und seither hat sich das Sprichwort gebildet, dass es am Stephansplatz immer windig sei! Gevatter Tod Es lebte ein armer Weber um 1450 in dem kleinen Städtchen Deggendorf in Bayern. Sein Name war Paul Urssenpeck. Er lebte dort in bitterer Armut mit seiner Frau und seinen zwölf Kindern. Als sich nun das dreizehnte Kind ankündigte, suchte er verzweifelt nach einem Paten für dieses Kind. In seinem Verwandten- und Freundeskreis gab es niemanden, der diese Gevatterrolle übernehmen wollte. So nahm Urssenpeck seinen Wanderstock und ging aus der Stadt hinaus, um doch noch einen Taufpaten zu finden. Doch jeder, den er ansprach, verneinte. Der arme Mann wurde immer trauriger und in seiner Verzweiflung beschloss er, gar nicht mehr nach Hause zurückzukehren, er wollte lieber selbst sterben. Er setzte sich auf einen Stein und rief verzweifelt und flehentlich nach dem Tode, damit ihn dieser von seinem Herzeleid erlöse. Da wurde es plötzlich hell im Walde und eine große hagere Gestalt mit schwarzem Mantel und großem Krempenhut stand vor ihm. „Ich bin der Tod, nach dem du riefst, was willst du von mir?" Urssenpeck erzählte, wie seine Kinder bittere Not erleiden müssten und er trotz fleißiger Arbeit nicht im Stande sei, für alle zu sorgen. Selbst für sein jüngstes Kind könne er nicht einmal einen Gevatter auftreiben. Der Tod hörte aufmerksam zu und sagte: „Wenn du wieder zufrieden bist, will ich dir aus deiner Not helfen und selbst dein Kind als Gevatter aus der Taufe heben. Sag mir nur, wo du wohnst und wann dein Kind getauft werden soll, ich werde zuverlässig da sein." Ursscnbeck überlegte nichl lange und nahm das Angebot an. Zuhause angekommen erzählte er, dass er einen Gevatter gefunden habe, nur nicht, wer dieser wäre. Der Tag, an dem die Taufe sein sollte, ein Sonntag, kam immer näher. Das ärmliche Haus wurde festlich geschmückt, so gut es den armen Urssenpecks möglich war. Alle standen versammelt und warteten auf den Beginn der Zeremonie, jedoch Gevatter Tod der Pate fehlte noch. Urssenbeck war schon sehr unruhig. Plötzlich klopfte jemand dreimal an die Tür und eine unheimliche Gestalt trat herein. Die Anwesenden erschraken, als sie den sonderbaren Gevatter sahen. So gingen alle zur Kirche, wo die heilige Taufe sehr schnell vollzogen wurde. Als die Zeremonie zu Ende war, gab der Tod das kleine Kind zurück und sprach zu Urssenpeck, den er kurz zur Seite nahm: „Mein lieber Freund, ich wollte natürlich für dein kleines Kind ein Taufgeschenk geben, ich habe aber weder Gold, noch Silber, noch Edelsteine. Aber ich kann für dich etwas tun, du kannst dadurch zum reichen und angesehenen Mann werden, sodass eure Not ein Ende haben wird. Hör gut zu! Zunächst gehst du mit mir in den Wald und ich werde dir Heilkräuter und Gräser zeigen, mit denen du Kranke heilen kannst. Ich will dir auch noch ein Geheimnis anvertrauen, wenn du meinen Rat befolgst, so wird er dich glücklich machen. Wisse nun, bei jedem Schwerkranken bin ich zugegen, unsichtbar für jedermann. Sitze ich bei den Füßen des Kranken, kann er wieder gesund werden, sitze ich aber bei seinem Kopf, so muss er sterben, dann ist jedes Medikament sinnlos. Ich gebe dir nun die Gabe, mich am Krankenbett zu sehen!" Damit verschwand der Tod und Urssenpeck erwachte wie aus einem Traum. So begann Ursscnbeck sein Werk. Es gelang ihm, mit den Heilpflanzen, die er mit der Anleitung vom Tod gesammelt hatte, viele Menschen wieder gesund zu machen. Aus dem armen Weber wurde ein angesehener Arzt. Die Not seiner Familie war beendet und er wurde immer reicher. Er zog eines Tages als angesehener Mann mit seiner Frau und seinen dreizehn Kindern nach Wien. Er galt inzwischen als der größte Arzt im ganzen Land. Erblickte Urssenpeck den Tod am Kopfende des Kranken, so sprach er ein Gebet für die Seele des Sterbenden. Sah er den Tod am Fußende, dann wendete er seine selbstgebrauten Tropfen und Pulver an und der Kranke wurde wieder gesund. Er bezog ein stattliches Haus in der Schönlaterngasse auf Nummer neun, unweit des Basiliskenhauses. Er war inzwischen berühmt geworden und wurde Dekan der medizinischen Fakultät der Universität in Wien. Seine genauen Diagnosen waren aber den Wienern von Anbeginn etwas unheimlich. Er konnte ja oifensichtlich den Tod voraussehen. So nannten sie sein Haus das Totendoktorhaus. Nun geschah es im April des Jahres 1487, dass ein hochangesehener und sehr reicher Mann, der kaiserliche Kämmerer Wilhelm von Auersperger, schwer erkrankte und man Urssenpeck holte. Der, im Krankenzimmer angekommen, sah sofort den Tod beim Kopfende sitzen. Der Arzt erklärte sofort, dass er nicht helfen könne, der Mann müsse leider sterben. Da bot man Urssenpeck ein riesiges Vermögen an, wenn er nur den kranken Kämmerer gesund machen wolle. Urssenpeck, durch seinen eigenen Reichtum unbekümmerter geworden, konnte plötzlich der Versuchung nicht widerstehen, noch reicher zu werden. Er ersann eine 8S 89 Gevatter Tod List. Er ließ ganz einfach das ganze Bett umdrehen, sodass der Tod plötzlich an der Fußseite saß. So war der reiche Mann gerettet. Mit einem grimmigen Blick auf Urssenpeck entfernte sich der Tod, der Arzt raffte gierig das viele Geld an sich und ließ sich mit einer Sänfte forttragen. In der engen Gasse Unter den Hafnern stand plötzlich der Tod vor der Sänfte, die Diener liefen schnell weg. Der Tod rief: „Du Unglücklicher, was hast du getan!" Der Doktor zitterte vor Angst. „Sterben musst du jetzt, bereite dich vor! Für das Leben des durch deine List Geretteten nehme ich jetzt deines!" Der Tod führte den Doktor in ein dunkles Gewölbe und betrat einen großen, mit vielen Wachslichtern erleuchteten Saal. Da sprach der Tod: „Jedes dieser Lichter bedeutet ein Menschenleben und hier, das ist dein Licht! Es ist fast herabgebrannt, es wird gleich verlöschen!" Der Doktor ergriff in Todesangst ein benachbartes Lämpchen, um etwas von dem Wachs in seine Flamme zu gießen. Doch als er sein Licht berührte, erlosch die Flamme. Urssenpeck fiel tot zu Boden. Am Abend fand man den Toten in der engen Gasse. Man begrub ihn am Stephansfreithof. Graf Franz III. Nadasdy oder die Magnatenverschwörung Nachdem die Belagerung durch die Türken im Jahre 1529 mit dem Abzug des türkischen Heeres für die Wiener glücklich geendet hatte, brach eine sehr turbulente Zeit an. Die Türken griffen das Habsburgerreich immer wieder an und nur mit Mühe konnten die Angriffe abgewehrt werden. Schon 1552 und 1566 wurden Teile Ungarns an die Osmanen verloren. Ständige Übergriffe in den folgenden Jahrzehnten führten zur Einführung der sogenannten Militärgrenze: Man siedelte Wehrbauern mit besonderen Privilegien entlang der Südgrenze des Reiches an. Nach Spannungen in Siebenbürgen begannen die Türken 1663 neuerlich eine Offensive gegen Kaiser Leopold 1. und eroberten mehrere Festungen in Oberungarn. Im Jahre darauf erwirkte der Kaiser durch den Sieg über die Türken bei Mogers-dorf im Frieden von Eisenburg lediglich für 20 Jahre einen Waffenstillstand. Trotz des Sieges wurde hinsichtlich der Ländereien nur der Status Quo beibehalten. Der ungarische und kroatische Adel war jedoch mit diesem Friedensschluss des Kaisers nicht zufrieden, man bezeichnete den Vertrag als Schandfrieden. Man hatte T Graf Franz III. Nadasdy oder die Magnatenverschwörung Ein Portrait des Grafen Nadasdy, darunter die Präsentation seines Leichnams nach der Hinrichtung. V^Äi^^w1* Vtt.«w>nki»War^l Worten.* H sich durch die Rückeroberung von einst an die Türken verlorenen Gebieten zusätzlichen Reichtum erwartet. Auch hatte sich durch den Verlust von alten Rechten des Adels an den absolutistisch regierenden Kaiser zusätzlicher Unmut angesammelt, sodass einige ranghohe Adelige eine Verschwörung gegen den Kaiser planten. Ziel war es, Ungarn und Kroatien mithilfe der Osmanen und Franzosen aus dem Reichsverband herauszulösen und ein eigenes Königreich zu bilden. Diese Verschwörung wurde 1669 an den Wiener Hof verraten. Ein Angriff auf die kaiserlichen Truppen wurde rasch niedergeschlagen, hatten die Aufständischen doch keine Unterstützung von ausländischen Herrschern erhalten. Die aus Sicht des Wiener Hofes Hauptschuldigen wurden zunächst unter der Zusage freien Geleits an den Hof von Leopold I. zitiert, dort allerdings unter Hausarrest gestellt und schließlich von einem Sondergericht wegen Hochverrates zum Tode verurteilt. Zwei Verurteilte wurden in der Wiener Neustadt, einer in Graz hingerichtet. Dem ranghöchsten unter den Verschwörern, Graf Franz III. Nadasdy, wurde vorgeworfen, er wollte durch die Verschwörung die Palatinswürde von Ungarn erlangen. Dieses Amt hatten später Vertreter der Esterhazy, Palffy, Batthyany und schließlich der Habsburg-Lothringen inne. Nadasdy wurde im Landhaus in der Wiener Herrengasse festgehalten. Dort wurde ihm am 27. April 1671 das Urteil verkündet, es lautete auf Verlust des Kopfes und der rechten Hand. Obendrein wurde der Verlust des Adels für sich und seine Nachkommen ausgesprochen, sowie der Verlust all seiner Güter. Dies wurde ihm mit der üblichen Endformel: „Nicht mehr Graf Nadasdy, sondern du Verräter!" übermittelt. Nadasdy antwortete verzweifelt: „Nehmt mir alles, aber lasst meinen Kindern die Ehre!" Der milde Kaiser erfüllte diesen Wunsch und aus übergroßer Huld wurde ihm auch der Verlust der rechten Hand erspart. 90 91 Graf Franz III. Nadasdy oder die Magnatenverschwörung JmlajjriÖT .öm Jforill ijt&r fSüngariffije. ^aöoft» aCtöamitt öem £>ßmenbf üom Än3ür Der Abguss einer Inschrift der Mittelsäule der allen Bürgerstube, darunter die Hinrichtung des A ngeklagten. 48 Zwischen elf und zwölf Uhr nachts wurde Nadasdy noch am Tag der Urteilsverkündigung unter Bedeckung von 250 Musketieren im Schein von Fackeln zum Rathaus gefahren. Dort schrieb er noch lange und ging dann, von 50 Mann bewacht, zu Bett. Am nächsten Morgen wurde ihm nochmals das Todesurteil verkündet. Seine Bitte, ihm das Leben zu lassen, wurde abgeschlagen. Tags darauf, am 29., legte er vor einem Priester seine Generalbeichte ab und schließlich wurde er am 30. April in die Bürgerstube des Rathauses, sie war unter der Ratsstube zu ebener Erde gelegen, geführt. Diese Bürgerstube war ein großer, von drei vergitterten Fenstern erleuchteter Saal, dessen Decke von einer mittig angeordneten Säule gestützt wurde. Er nahm auf einem mit schwarzem Tuch überzogenen Stuhl Platz. Es wurde dem Grafen noch einmal das Urteil verkündet, laut welchem ihm das Abhauen der Schwurhand nachgesehen war. Anwesend bei der Hinrichtung war neben den Stadträten auch der türkische Tschausch (Botschafter) Hagi Ibrahim. Es sollte damit demonstriert werden, dass die ungarische Verschwörung unmöglich auf türkische Mithilfe bauen konnte, was ja auch gegen den laufenden Waffenstillstand verstoßen hätte. Dann waltete der Scharfrichter seines Amtes. Welche Bedeutung die Hinrichtung des ungarischen Grafen hatte, wird durch die Vorkehrungen, die am Tage der Hinrichtung in Wien getroffen worden waren, sichtbar. Die Stadttore waren gesperrt worden, die Wache hatte sich auf allen wichtigen Plätzen der Stadt aufgestellt. Außerdem waren vier Kompanien zum Stubentore im Osten der Stadt, Richtung Ungarn gelegen, eskortiert worden. Zwei Kompanien zu Pferde waren durch die Stadt patrouilliert. Im Hof des durch Ketten abgesperrten Rathauses waren hundert bewaffnete Bürger gestanden, in der Bürgerstube selbst waren noch weitere auserwählte Bürger zur Bewachung angetreten. All das war geschehen, weil man offensichtlich eine Revolte von Anhängern Nadasdys für möglich gehalten hatte. 92 In der Not frisst der Teufel Fliegen Vor langer Zeit sandte Meister Beelzebub einen jungen Teufel auf die Erde, der sollte den Versuch machen, irgendeine arme Seele zu kapern. Der junge Teufel bekam gute Lehren und zahlreiche Tipps von seinen erfahrenen Beratern. Selbstbewusst dachte er: „Ich will es euch zeigen, ich brauche keine Ratschläge, wie man auf der Erde erfolgreich ist! Ihr werdet vor Neid noch erblassen! Ich hole mir, was mir zusteht!" Er fuhr in die Oberwelt, verkleidet in schmucker Jägertracht, eine lange rote Hahnenfeder auf dem Spitzhut. So blickte Junker Abandon, wie er sich nannte, vergnügt und gut gelaunt in die schöne Gegend. Bunte Blumen und duftende Bäume umgaben ihn, die Sonne schien ihm ins Gesicht, das war alles viel gefälliger für ihn, als die lodernden Flammen in der Unterwelt, in denen die Verdammten brieten. Wie er so des Weges ging, sah er in der Ferne jemanden herankommen. Dieser war klein von Wuchs, etwa 25 Jahre alt und einfach gekleidet. Es war Hans Tüftler, ein sonst ganz hübscher Mann, er wirkte jedoch krank, hatte blasse Gesichtsfarbe und eingefallene Wangen. Er schritt offensichtlich missmutig voran. Für Junker Abandon war er der erste Mensch, den er zu Gesicht bekam. Dieser Mann benahm sich doch sonderbar. Einmal blieb er stehen, sprach mit sich selbst, dann wieder ballte er seine Fäuste in Richtung der Wienerstadt, aus der er gerade kam. Der Teufel beobachtete den Jüngling aufmerksam. Der blieb plötzlich unter einem Baum stehen, nahm einen Strick aus seiner Tasche, stieg auf einen Stein und wollte sich mit dem Strick erhängen. Schnell sprang Junker Abandon zu dem Unglücklichen, fasste ihn am Arm und rief: „Was macht Ihr da, warum wollt Ihr Euch erhängen?" Der junge Mann blickte etwas verstört auf den Jägersmann, zog seinen Kopf aus der eben angelegten Schlinge und stieg vom Stein. „Ja, mein lieber Fremder, mich freut mein Leben nicht mehr, mir kann keiner mehr helfen", und weiter, „die schöne Stadt Wien, die da hinten liegt, ist meine Geburtsstadt. Vor drei Jahren starben meine Eltern und ich erbte ein kleines Vermögen. Das verprasste ich leider mit meinen Freunden. Als ich nichts mehr besaß, brachen für mich schlechte Zeiten an, insbesondere, da ich keine Lust zu arbeiten verspürte. So dachte ich mir, ich werde mir eine reiche Frau zum Heiraten anlachen, egal ob sie jung oder alt ist. Ich fand auch eine, die saß am Salzgrieß, ihr Name war Dorothea Pempflinger. Sie lud mich zu Wein und Kuchen ein und gab mir sogar Quartier. Sie war Witwe und doppelt so alt wie ich, aber sie hatte Geld, viel Geld. Es ging mir bei ihr sehr gut und ich dachte, so wird es immer bleiben. So machte ich Dorothea zu meinem Weibe. Kaum aber 93 In der Not frisst der Teufel Fliegen hatte der Pfarrer von St. Ruprecht den Segen über uns gesprochen, ging es plötzlich in einem anderen Ton los. Keine Spur mehr von Wein und gutem Essen, nur mehr Wasser und trockenes Brot mit Rüben oder Kraut! Als ich einmal aufbegehrte, flog der Besen um meine Ohren und sie schlug mich! Seht mich nur an, wie abgemagert ich bin. Ich bekomme kein Geld, sie hält alles vor mir versperrt. Nur Prügel und Rüben! Dies wurde mir zu viel. Ich möchte nicht mehr, mein Leben freut mich nicht mehr." Der Teufel antwortete „Was könntet Ihr mir geben, wenn ich Euer Weib so zähme, dass Ihr wieder der Herr im Hause wäret?" „Ich habe doch nichts", antwortete Hans, der junge Mann, „außerdem, die Dorothea bezwingt keiner! Ich habe schon nach dem Teufel gerufen, sogar meine Seele wollte ich ihm geben, wenn er nur dieses böse Weib zurechtbiegt!" „Dann schlag ein! Ich bin der, den du gerufen hast - für deine Seele mache ich das!" Er streckte Hans die Hand entgegen. Hans wurde zwar etwas mulmig zumute, dann aber sagte er: „Gut, Herr Teufel, verfassen wir einen Vertrag: Ich übergebe Ihnen, Herr Teufel, meine Seele nach meinem Ableben, wenn Sie binnen acht Tagen meine böse Dorothea freundlich und gefügig machen und ich, Hans Tüftler, fortan der Herr im Hause sein werde. Sie darf zwar gezüchtigt, aber es darf ihr nicht nach dem Leben getrachtet werden!" Schnell war der höllische Pakt zu Papier gebracht und Hans unterzeichnete ihn mit seinem Blut. „Hier, Hans, nehmt diesen Beutel Geld und lasst es Euch inzwischen gut gehen!" Freudig nahm Hans das Geld und, als er sich umsah, war der Jägersmann verschwunden. Es war um die Mittagszeit, als der Teufel in Gestalt des Hans Tüftler in dessen Wohnung im Salzgries kam. Frau Dorothea, ein derbes, hässliches Weib, empfing ihn mit derben Schimpfworten. Junker Teufel erschrak, als er diese Furie sah, denn er hatte durch die Umwandlung in einen Menschen all seine höllische Macht verloren. Schimpfend stellte Dorothea eine Schüssel mit Rüben vor den Teufel. „Hier, iss und beklage dich nicht wieder über das Essen!" herrschte die böse Frau ihn an. Der Teufel nahm die Schüssel und warf sie Dorothea an den Kopf. „Das kannst du selber essen!", schrie er. Kurz starrte die Alte den Teufel in Gestalt ihres Ehemanns Hans an, dann ging es los. Zornig fiel sie über den armen Teufel her, zerkratzte ihm das Gesicht und begann, ihn zu verprügeln. Der Teufel setzte sich zwar zur Wehr, doch es fehlten ihm seine Teufelskräfte, er hatte nur die Kraft des ausgehungerten Hans. Nachdem in der Stube durch das Kampfgetümmel alles durcheinandergeworfen worden war, unterlag schließlich der Teufel. Alles ging sehr schnell, im Nu war er von Dorothea mit dicken Seilen gefesselt und an ihr Bett gebunden. Dorothea verhöhnte nun den Wehrlosen: „Wenn du meine Rüben verachtest, so werde ich dich an eine andere Kost gewöhnen! Fliegen wirst du von nun an bekommen! Hier fliegen genug In der Not frisst der Teufel Fliegen davon hin und her! Bis du nicht die Letzte verschlungen hast, bekommst du keinen Bissen Brot!" Sie ging fort und schloss den Gefesselten ein. Der Teufel versuchte sich zu befreien, doch umsonst, die dicken Stricke schnitten nur in sein Fleisch. Abends kam die Böse und aß gut duftenden Braten, trank genüsslich Wein und der hungrige Teufel konnte nur zusehen. „Hast du Hunger?", fragte sie höhnisch. „Da, friss diese Fliege!" Der als Ehemann verkleidete Teufel wandte sich angewidert ab. Die böse Dorothea ging ins Nebenzimmer und legte sich zur Ruhe. Der Teufel dachte ärgerlich daran, dass er Flans den Beutel mit Geld gegeben hatte, so konnte der vergnügt im Wirtshaus speisen, während er selbst hier in der Stube hungrig und gefesselt war. Am nächsten Tag wiederholte sich die Szene. Dorothea aß genüsslich ihre Mahlzeit und dem Gefesselten bot sie wieder eine Fliege an. So ging es weitere Tage. Der Teufel wurde immer schwächer und schwächer, in seinem Magen rumorte es fürchterlich, die Glieder schmerzten, noch blieb er standhaft. So vergingen weitere Tage und sein Zustand wurde immer qualvoller. Als der achte Tag anbrach, es war ein Sonntag, war der Teufel schon so schwach, dass er fürchtete, seine Befreiung nicht mehr zu erleben. Wenn er als Mensch sterben würde, konnte er in der Hölle bis in alle Ewigkeit nur mehr als niedrigster Teufel sein Dasein fristen. Seine Kräfte waren am Erlöschen, wenn er nur etwas in seinen Magen bekäme, dachte er, dann könnte er wieder kräftiger werden, um sich zu befreien und so seinen Auftrag, das böse Weib zu bändigen, doch noch vor Ablauf der Acht-Tages-Frist erfüllen. Das böse Weib schlich um ihn herum, in jeder Hand eine große dicke Fliege, die sie ihm an den Mund hielt. Überwältigt vom Hunger schrie letztlich der Teufel: „Gib her!", und verschlang die Fliegen. „Friss nur, mein lieber Ehemann", spottete die Alte und schob eine Fliege nach der anderen in seinen Mund, „Fliegen haben ein zartes Fleisch, sind gesund und schmecken sicher besser, als mein Kraut und meine Rüben!" Auf einmal schlug die Mittagsstunde - die Acht-Tages-Frist war zu Ende! Der Pakt war abgelaufen und der Teufel fühlte, wie seine Teufelskräfte zurückkamen. Er schlüpfte aus dem Körper des armen Hans und sauste in seiner wiedererlangten Teufelsgestalt aus dem Fenster. Dorothea sah den Teufel, sie schrie gellend auf, verdrehte die Augen und fiel vom Schlage getroffen tot um. Zur gleichen Zeit war Hans gut gelaunt in der Schenke und wollte sich gerade Braten und Wein gut schmecken lassen, als er plötzlich gepackt wurde. Seine Sinne schwanden und, als er wieder zu sich kam, sah er sich in seiner Wohnung an den Bettfuß gebunden und auf seinen Lippen krabbelte eine dicke fette Fliege! Er blies sie mit großem Ekel von sich, dabei erblickte er sein böses Weib, starr und kalt am 95