Sie beschwert sich: "Er redet nie mit mir, ist es da ein Wunder, daß ich nörgle." Er entgegnet: "Sie nörgelt ständig an mir herum, ist es da ein Wunder, daß ich schweige?" Kommunikation zwischen Männern und Frauen – ein hoffnungsloser Fall?
Eine Frau erzählte, warum sie sich mit ihrer besten Freundin besser versteht als mir ihrem Mann. "Sie spricht gern mit mir, wenn mir danach ist. Sie ruft mich häufig an und nimmt sich Zeit, ausführlich mit mir zu reden. Sie hat eine romantische Ader. Sie läßt mich ausreden, belehrt mich nicht und versucht nicht, meine Probleme für mich zu lösen."
Frauen und Männer reden aneinander vorbei, können einander nicht verstehen, sind natürliche Feinde und überhaupt total verschieden. Sie kommen faktisch von verschiedenen Planeten: Frauen von der Venus und Männer vom Mars.
Solch populären Sätze, die bei jedem auf fruchtbaren Boden fallen, der gerade eine schwere Liebesenttäuschung erlebte, steht die an sich erstaunliche Tatsache entgegen, daß die meisten Menschen sich sofort verständigen und Meinungen austauschen können – auch Männer und Frauen – selbst wenn sie sich das erste Mal begegnen und nichts voneinander wissen. Erste Gespräche können nur gelingen, weil wir die unbewußte Erwartung hegen, daß die Gemeinsamkeiten sehr groß sind, auch wenn wir noch nicht genau wissen, worin sie bestehen. Sonst wäre der Versuch, sich zu verständigen, von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Um die Gefahr von Mißverständnisse zu verringern, lohnt es, auch die Unterschiede zu berücksichtigen. In den letzten fünfzehn Jahren sind die Gesprächsstile von Frauen und Männern genauer erforscht worden. Dabei zeigten sich typische Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Einige finden Sie in der folgenden Tabelle.
Darin unterscheiden sich: | Frauen | Männer |
innere Einstellung beim Gespräch | Suche nach Bestätigung, Unterstützung, Übereinstimmungen | Selbstbehauptung,
Wettbewerb um Anerkennung und sozialen Status |
Haltung zu den Gesprächsteilnehmern | Wunsch nach Kooperation, Wetteifern um Beliebtheit | Zweckbündnisse eingehen, Wetteifern um Aufstieg in der Hierarchie |
eigene Position zu Gleichrangigen | Gemeinschaft bilden, Solidarisierung | Freiheit und Unabhängigkeit bewahren |
Kommunikationsziel | Meinungsbildung, Beziehungspflege | Informationen gewinnen, Entscheidungen treffen |
Kriterium des Gesprächserfolgs | besseres Verständnis erreichen, Beziehungen festigen | Effektivität, sachliche Lösungen finden |
Stil der Selbstdarstellung | Neigung zum Bagatellisieren und Tiefstapeln (Understatement) | Neigung zu Prahlerei |
Kommunikationsstil | Anteil nehmend erzählen | sachlich berichten |
Durchsetzungsverhalten | indirekt: Schmeichelei, Andeutungen, wiederholtes "Es wäre schön, wenn ..." | direkt: Befehle, Anordnungen |
Bewertung von Kritikern | "Der mag mich nicht." | "Der zweifelt an meiner Kompetenz." |
Verhalten bei eigenen Problemen | um Hilfe bitten | Einzelkämpfer-Mentalität |
Reaktion auf Probleme anderer | Verständnis zeigen, von ähnlichen Erfahrungen erzählen | Ratschläge erteilen |
Am liebsten reden | in der Familie und im privaten Kreis | in der Öffentlichkeit und im Beruf |
Am liebsten schweigen | in der Öffentlichkeit und im Beruf | in der Familie und im privaten Kreis |
häufigste Gesprächsthemen | Menschen (Freunde, Kinder, Partner. Kollegen), Gesundheit, Diäten, | Geschäfte, Sport, Hobbys |
Frauen haben im Gespräch mit Männern häufig den Eindruck, sie wollten sich vor ihnen produzieren . Sie dozieren und belehren, zeigen aber für menschliche Angelegenheiten wenig Interesse. Männer wiederum bemerken bei Frauen ein unbändiges Interesse an Klatsch und Tratsch und geringe Bereitschaft, ihre "vernünftigen" Ratschläge in Betracht zu ziehen. Beides sind Folgen der geschlechtstypischen Gesprächsstile.
Männer haben im Durchschnitt größere Probleme mit dem Small Talk als Frauen. Der Unterschied ist möglicherweise angeboren. Weibliche Embryos sollen bereits im Mutterleib ihre Kiefern um 30 Prozent häufiger bewegen als männliche. Soziologen ermittelten, daß Frauen im Schnitt pro Tag 23 000 Wörter sagen, Männer aber nur 12 000.
Die entscheidenden Weichen werden aber in der Kindheit gestellt. Ausgangspunkt sind die körperlichen Unterschiede. Jungs lösen von klein auf ihre Probleme mit den Fäusten. Die Waffe der Mädchen sind – um so älter sie werden, um so mehr – Worte und Sätze. Sie reden über Freundinnen und Rivalinnen, Jungs, teilen einander Ängste und Glücksgefühle mit. Klatschen ist für sie sozialer Kitt. Darüber hinaus haben ausführliche Gespräche eine Ventilfunktion. Frau macht sich Luft, baut Streß ab, indem sie sich mitteilt, und vergißt ein Stück weit ihre Alltagssorgen.
Männer entlasten sich eher, indem sie kämpfen, Wutanfälle ausleben oder sich in Arbeit vergraben. Aber auch sie klatschen. Sie nutzen ihre Mitteilungen aber oft, um sich zu produzieren. Boshafte Bemerkungen fallen meist nur über Leute, die sie eigentlich mögen oder von fern neidvoll bewundern. An wem sie keinen Gefallen finden, wird nicht beachtet. Deswegen lästern Männer gern über Chefs, Prominente und erfolgreiche Kollegen. Sie messen sich insgeheim an ihnen – und schneiden für die Dauer des verbalen Schlagabtauschs besser ab als ihr Gesprächsgegenstand.
Den meisten Männern behagt es nicht, Gespräche zu führen, die kein anderes Ziel haben als das Gespräch selbst. Sie finden leicht Kontakt, wenn der neue Bekannte dasselbe Hobby hat oder in derselben Branche arbeitet. Dann können Sie Informationen austauschen und gehen mit dem Gefühl auseinander, eine nützliche Bekanntschaft geschlossen zu haben. Einige Männer erweisen sich auch dann als amüsante Plauderer, wenn sie um die Aufmerksamkeit einer attraktiven Frau werben. In diesem Fall besteht die Nützlichkeit in ihrer Zuneigung.
Ist die Werbephase abgeschlossen, fallen sie allerdings in ihr privates Schweigen zurück. Dann klagen die Partnerinnen: "Mit mir redet er nie, aber wenn seine Geschäftsfreunde zu Besuch sind, ist er wie verwandelt."
Männer können sich nur schwer vorstellen, daß man Vergnügen daran finden kann, ausführlich die tausend kleinen Erlebnisse des Alltags und Details des körperlichen und seelischen Wohlbefindens zu erörtern – und das jeden Tag von Neuem.
Es hat wenig Sinn zu fordern, Männer sollten den weiblichen Gesprächsstil übernehmen. Die Verschiedenheit hat ihren Sinn und macht den Kern der gegenseitigen Anziehung aus. Die amerikanische Autorin Susan Page ("Jetzt mache ich uns glücklich", W. Krüger Verlag 1998) brachte das Problem auf den Punkt: "Männer sind weder bösartig noch dumm. Daß Problem besteht nicht darin, daß wir ihnen nicht gut genug beigebracht haben, so zu sein, wie wir sie uns wünschen. Männer sind nicht im Unrecht; sie sind einfach anders." (Zitat gekürzt – die Red.) Allerdings sollten Sie sich soweit in den Stil des anderen Geschlechtes einfühlen können, daß das Gespräch mit einem/einer Unbekannten nicht an Mißverständnissen scheitert.
Versuchen Sie als Mann an den zwischenmenschlichen Aspekten von Beruf, Reisen oder Hobbys Ihrer Gesprächspartnerin Interesse zu gewinnen. Halten Sie sich mit Ratschlägen zurück und zeigen Sie lieber Verständnis, daß sie eine bestimmte Situation als unangenehm, traurig, überraschend oder großartig erlebte.
Fragen Sie als Frau männliche Gesprächspartner nach technischen Details Ihres Berufs oder Hobbys, bei Reisen nach Sehenswürdigkeiten und bei der Familie nach Schulerfolgen der Kinder – und der verlegene Schweiger entpuppt sich schnell als redefreudiger Plauderer, der im Gegenzug bereit sein wird, Ihr Interesse an Personen, Beziehungen und kleinen Geheimnissen zu teilen.
Veröffentlicht im Februar 2000 © by www.berlinx.de