ARBEITSBEDINGUNGEN VON LEHRERN IN TSCHECHIEN Kateřina Vlčková Abstract: Was machen die Lehrer in Ihrer Arbeitszeit, wie viel Zeit nimmt der eigentliche Unterricht in Anspruch? Wie viel die Vorbereitung? Wie sieht es in anderen Staaten aus? Wie unterrichten die Lehrer in Tschechien und unterscheiden sie sich von Lehrern in anderen Staaten? Verlangen sie zu viel Auswendiglernen von ihren Schülern? Unterrichten die jüngeren Lehrer besser oder die Älteren? Sind Lehrer exakter Fächer strenger? Wer unterrichtet besser ein Man oder eine Frau? Ist die Anzahl der Schüler pro Klasse eindeutig wichtig für die Qualität der Lehrerarbeit? Ist die Arbeitsbelastung der Lehrer warnend, durchschnittlich oder haben die Lehrer fast nichts zu tun? Was sind die öftesten Quellen der Lehrerbelastung in Tschechien? Gibt es wirklich sog. professionelle Deformation im Lehrerberuf? In welchem Maß sind die tschechischen Lehrer zufrieden in ihrem Beruf? Sind die Schüler in Tschechien (un)zufrieden mit ihren Lehrern? Wie soll ein idealer Lehrer dem tschechischen Schüler nach aussehen? Diese und weitere Fragen bringt der folgende Text zur Diskussion. Der Text stellt ein Arbeitsmaterial dar und ist ohne sprachliche Korrektur. 1. Arbeitszeit der Lehrer In Tschechien wird manchmal der Schwierigkeitsgrad des Berufes unterschätzt, vor allem durch Medien, die nur direkte Unterrichtspflicht in Betracht nehmen, die aber niedriger ist als die Arbeitszeit bei meisten Berufen. Normunterrichtszeit macht für Kindergarten 31 Unterrichtsstunden (45 Minuten), für Grundschule 22 Stunden und Mittelschule 21 Stunden. Die gesetzliche maximale Arbeitszeit ist 43 Stunden. Im Internationalen Vergleich gibt es Unterschiede nicht nur in Anzahl der direkten Unterrichtspflicht, sondern auch in der Länge der Unterrichtsstunden, Zahl der Unterrichtstage pro Jahr, oder in Anforderungen an die in der Schule verbrachte Zeit (mehr dazu Indikator D3 - OECD - Education at a Glance: Teaching time and teacher work time, INES ­ International Indicators of Education Systems). So gibt es z. B. in frankophonem Teil Belgiens 50 Minuten lange Unterrichtsstunde und 28 Unterrichtstunden für Kindergarten und Primarstufe, 24 Stunden für Sekundarstufe I und 22 Stunden für Sekundarstufe II. Oder so hat z. B. Australien 996 Kontaktstunden pro Jahr, und Ungarn nur 583. In den OECD-Ländern haben die längste Unterrichtszeit die Primarlehrer. Die Kürzeste dann Lehrer der höheren allgemein bildenden Sekundarstufe. In einigen Ländern ist die Unterrichtszeit aller Lehrer gleich (z. B. Belgien, Russland). Quelle: Education at a Glance: OECD Indicators (2001) Unterrichtszeit der Lehrer im internationalem Vergleich ­ Anzahl der Kontaktstunden pro Jahr OECD-Länder Primarstufe Niedrigere Sekundarstufe Höhere Sekundarstufe (allgemeinbildende) Höhere fachbildende Sekundarstufe Schottland 950 893 893 - Niederlanden 930 868 868 843 Irland 915 735 735 - Deutschland 783 733 685 695 Norwegen 713 633 505 589 Ungarn 583 555 555 555 Tschechien 739 709 680 680 Brasilien 800 800 800 800 Russische Föderation 686 686 686 - Durchschnitt OECD 801 716 662 692 2 Die Situation der tschechischen Lehrer ist unter anderen 25 OECD-Ländern durch- schnittlich, nur die Primarlehrer unterrichten bedeutend weniger. In Tschechien gibt es sowie in Finnland (29 St.) kleine Unterschiede unter den einzelnen Schulstufen. Es gibt aber z. B. markante Unterschiede von 303 Stunden zwischen Primarstufe und Sekundarstufe II in Frankreich; in Deutschland sind es nur 98 Stunden, Russland 0, Irland 180, Spanien 240 Stunden. Was sagen dazu die Fachleute? Die Unterschiede seien nicht berechtigt. Eine Sache ist also die direkte Unterrichtspflicht, eine andere dann der Umfang der wirklichen Arbeit. In Tschechien (Kurelová, Krejčí u. a. 2000) sollte sie in der Primarstufe 45,4 Stunden, in der Sekundarstufe I 44,7 Stunden und in Mitteschulen 46,2 Stunden machen. In Schweiz (Landert 1999) in der Primarstufe und Sekundarstufe I sollte es ähnlich um 42-45 Stunden gehen. In Tschechien überschreitet es die maximal erlaubte gesetzliche Arbeitszeit. Es sollten auch große Unterschiede je nach der Praxislänge geben (Urbánek 1999): bis 5 Jahre Praxis 42,5 Stunden, über 31 Jahre Praxis 49,8 Stunden. Arbeitstätigkeiten der Lehrer Was machen die Lehrer in ihrer Arbeitszeit? 1/3 der Zeit stellt der Unterricht dar, fast 1/3 Vorbereitung, Korrigieren, der Rest dann andere Tätigkeiten, z. B. nur 1-2% der Zeit wird nach Angaben der Lehrer mit der Zusammenarbeit mit Eltern verbracht (Urbánek 1999). Man könnte sich nun die Frage stellen, ob diese Zeitverteilung optimal ist, wenn die Hauptrolle des Lehrers zu unterrichten ist. Eine andere Forschung zeigt etwas Ähnliches (Kurelová, Krejčí 2000): von 44,7 Stunden pro Woche umfasst 36,8% Unterricht, 33,5% Vorbereitung, Korrigieren, Vorbereitung der Hilfsmaterialien; 11,8% Aufsicht, Dienst in der Schule, Bereitschaftsdienst, 7,3% Selbstbildung, Studium, 3,7% Agenda, Administrative, 2% Beratungen, Zusammenarbeit mit Eltern/Beratern, 1,9% Zusammenarbeit mit Eltern, 1,4 Interessenkreise für Kinder, 0,6% Nachhilfe mit Unterrichtsstoff für Kinder, 0,6% öffentliche Tätigkeiten (Aufklärung). Urbanek (1999) berichtet auch bedeutende individuelle Unterschiede in der Arbeits- belastung. Von 124 Grundschullehrern sind 22% normal, eine Drittel überdurchschnittlich und eine Drittel unterdurchschnittlich mit Arbeitstätigkeiten belastet. Wobei die Arbeitsbelastung bei Frauen um 56% größer ist. Kurelová, Krejčí (2000) zeigen dass die Durchschnittszeit für die Unterrichtsvorbereitung an der Grundschule 6,5 Stunden pro Woche ist, aber es gibt Unterschiede bei einzelnen Personen von 1-2 bis 17 und mehr Stunden pro Woche. TIMSS-Studien (Straková, Tomášek, Palečková 1997) berichten 4 Stunden pro Woche bei Mathematik- und Naturwissen- schaftenlehrern im Jahr 1995, und noch weniger im 1999. Vergleicht man slowakische, polnische und tschechische Grund- und Mittelschullehrer (Blížkovský, Kučerová, Kurelová u. a. 2000) mit mindestens 5 Jahre Praxis, weisen die tschechischen Lehrer die längste Arbeitszeit, die kürzeste Unterrichtszeit und die meiste mit Vorbereitung und Schuldienst verbrachte Zeit auf. Die Arbeitszeit der Grundschullehrer macht 45 Stunden 12 Minuten aus, davon Vorbereitung 14,3%, d. h. 6 St. 28 Min. (Urbánek 1999). TIMSS zeigten aber, dass Grundschullehrer für Mathematik und Naturwissenschaften nur 35 Stunden arbeiten und für ihre Vorbereitung nur 4 Stunden pro Woche brauchen. Die Unterschiede sind sehr groß, die Ursache dafür könnte aber auch die Forschungsmethodologie 3 sein (unterschiedliche Methodologie, die Lehrer geben selbst die Zeitangaben an, oder es kann unterschiedlich sein je nach dem Unterrichtsfach). Anzahl der Schüler pro Lehrer Man behauptet, dass je kleiner die Anzahl der Schüler pro Lehrer ist, desto besser ist das Schulsystem. Es zeigt sich aber, dass es nicht so automatisch eindeutig ist. In Tschechien gibt es im Elementarbereich (ISCED 0) 19,5 Schüler pro Lehrer (Durchschnitt von 30 OECD- Ländern ist 15,4), im Primarbereich 23,4 (OECD 18), an der Sekundarstufe I 16,2 (OECD 15,2), Sekundarstufe II 13,1 (OECD 14,1), im Tertiärbereich 5B gibt es 15,3 Schüler pro einen Lehrer (OECD 15,7), im Tertiärbereich 5A ­ 14,8 (OECD 16,2). In niedrigeren Stufen ist also Tschechien schlimmer daran, in höheren dann besser (sieh Education at a Glance, OECD Indicators 2001). In den OECD-Ländern gibt es große Unterschiede im Primarbereich. Zum Beispiel in Dänemark gibt es 10 Schüler pro Lehrer, in Schweden 13, Finnland 17, Deutschland 21, Irland und Großbritannien 22. Es ist also Frage der Bildungspolitik, ob sie die Anzahl der Lehrer mit der Anzahl der Schüler erhöht. In Tschechien kommt es seit längerer Zeit zur Senkung der Kinderanzahl, resp. die Geburtenzahl senkt. Klassengröße Das bekannte Vorurteil lautet: Je mehr Schüler in der Klasse, desto schwieriger die Lehrerarbeit. Je weniger Schüler in der Klasse, desto intensiver kann die Arbeit mit den Schülern sein und desto bessere Ergebnisse werden auch erreicht. Es zeigt sich aber, dass es nicht so automatisch wahr ist. Es gibt auch Staaten, die sehr viel Schüler in der Klasse haben und eins der besten Ergebnisse z. B. in Mathematik erreichen (sieh TIMSS). In TIMMS zeigte sich, dass kleine Anzahl der Schüler (bis 20) wirkt sich nicht mit erwarteten positiven Effekten im Vergleich mit zahlreicheren Klassen (21 ­30 Schüler) aus. Auch PISA zeigt dass es gute Ergebnisse in allen Gruppen gibt, auch z. B. in Klassen über 30 Schülern (Japan, Korea). Die Größe der Klassen ist in einzelnen Staaten sehr unterschiedlich, in Tschechien gibt es Klassen durchschnittlich mit 25 Schüler (9 und 14-jährigen). Extrem kleine Klassen gibt es in Italien (16 neunjährigen Schülern), Dänemark (17,2 Neunjährige), Schweiz (17,4 Vierzehn- jährige), im Gegenteil extrem große Klassen gibt es in Irland (31 Neunjährige), Hongkong (36,4 Neunjährige), Spanien (29,7 Vierzehnjährige), Thailand (45,8 Vierzehnjährige). Die durchschnittliche Klassengröße bei Fünfzehnjährigen in den 32 OECD-Ländern ist 24,6 Schüler pro Klasse (Deutschland 24,1, Griechenland 24,8, Tschechien 24,8). 2. Arbeitsbelastung der Lehrer Warnend ist die hohe Zeitbelastung bei der Lehrerprofession, die Arbeitszeit sei durchschnittlich länger als die gesetzlich festgelegte. Bei den Grundschullehrern die länger als 23,7 Jahre im Schulwesen arbeiten, ist der gesundheitliche Zustand nicht befriedigend; hoch sind die Risiken für kardiovaskuläre Krankheiten. Steigende psychische Belastung wirkt sich negativ auch bei den jungen Lehrern aus, sie sind emotionell für ihre Profession weniger angepasst und vorbereitet, weniger gegenüber dem zunehmenden Stress beständig (Hlávková, Blažková 1999). Die größte Belastung bei Lehrern liegt nicht in physischen Bereich (oft gibt es aber Beinschmerzen), sondern im psychischen Bereich und in Stimmbänderbelastung, für die die Lehrer nicht vorbereitet werden. Sie rauchen, beschädigen die Stimmbänder durch zu lautes sprechen oder sogar schreien. 40% Grundschullehrerinnen sollen angeblich neurotisch sein, davon sogar 10% pathologisch (Řehulka 1998, 1999). Das heißt also, dass auch solche 4 Prädispositionen bei den Aufnahmeprüfungen zum Lehramt sollten in Bertacht gezogen werden. Quellen und Ursachen der Arbeitsbelastung der Lehrer Es geht um Stress, aber auch Unzufriedenheit mit der Arbeit, mit dem Verhältnis mit den Eltern, Ämtern, im Lehrerkollegium usw. Im Ausland gehören weiter zu den Gründen Schülerbenehmen, Anzahl der verschiedenen Klassen pro Woche, Verhältnisse mit Kollegen und der Schulleitung, Bürokratie, Medien- und Öffentlichkeitsdruck. Die Unterschiede in der Lehrerbelastung unterscheiden sich je nach der Schule (Stufe, Schulart), je nach der Lehrerpersönlichkeit und je nach dem Unterrichtsfach. An tschechischen Grundschulen beurteilen die Lehrer als negativ am meisten ­ in folgender Reihenfolge: 1) niedriges Prestige, 2) nicht entsprechenden Lohn, 3) die Notwendigkeit sich den administra- tiven Entscheidungen anzupassen, die nicht die Meinungen der Lehrer in Betracht nehmen, 4) Mangel an Zeit für Erholung. An Mittelschulen beurteilen die Lehrer negativ am meisten: 1) niedriges Prestige, 2) Mangel an Zeit für Erholung, 3) schlechte Einstellungen der Schüler gegenüber der Schularbeit, 4) nicht entsprechenden Lohn. Großer Schüleranzahl zeigt sich als Quelle des Stresses nur an der Grundschule. Am meisten beschwerden sich gesundheitlich die Grundschullehrer und Sonderschul- lehrer, die höhere neuropsychische Belastung und größere emotionale Erschöpfung und Gefühl der Erfolglosigkeit berichten (Vašina, Valošková, 1998; Daniel, 1999), und auch Großstadt- lehrer (Mlčák, 1998) im Gegenteil zu Lehrern auf dem Lande, die eine niedrigere Stressintensität und größeres Maß der Sozialunterstützung berichten. Als weitere Stressfaktoren kann man die Veränderung in Schülerbenehmen erwähnen. Es steigt die Aggressivität, sinkt Aufmerksamkeit und Disziplin. Zum Stressfaktoren können die Rollenerwartungen und Rollenkonflikte (der Lehrer soll freundlich sein, aber er soll auch Disziplin in der Klasse haben, soll strafen) und Unsicherheit der Lehrerrolle (es gibt nicht klare Kriterien für gut geleistete Arbeit) gezählt werden. Belastungsbewältigung in der Lehrerprofession Personen, die größere Beständigkeit im Vergleich zu ihren Kollegen haben, geben signifikant weniger gesundheitliche Beschwerden an, die am höchsten bei Frauen und in der Sekundarstufe I auftreten. Schon unter den Lehramtstudierenden (Olmütz/Olomouc) gab es eine ziemlich große Gruppe, die den Ansprüchen an die Lehrerprofession nicht entspricht (Čížková 1998). Das Maß der neurotischen Belastung war sehr hoch: 48% Studierenden hatten neurotische Symptome, die höher bei Frauen waren. In normaler Population gibt es ca. in 3 ­ 35%. Personen, die neurotische Symptome aufwiesen, waren emotionell labil, die Integrität ihrer Persönlichkeit war gestört, sie resignierten leicht usw. Im Jahre 1998 nahmen als Mittel gegen Belastung 80% der Lehrerinnen Medikamente für Beruhigung, 43% rauchten, 19% tranken Alkohol (70% hielten es für adäquate Lösung), weitere machten Sport, passten die Erholungszeit an, usw. Nur 10% suchten eine Fachhilfe auf. Burn-Out Syndrom Lehrerberuf ist ein Beruf, der auf spezifische Weise erschöpft, man braucht viel Psychohygiene und Erholung. Oft wird über das sog. Burn-Out Syndrom der Lehrer, vor allem der Lehrerinnen gesprochen. Das Burn-Out Syndrom ist ein Syndrom der Interesselosigkeit am Beruf, routine Arbeitsdurchführung. Der Beruf und Unterrichten macht müde und erschöpft, man hat Angst vor Kontakt mit Eltern, weist Enttäuschung über eigenen Berufserfolg, Interesselosigkeit an Weiterbildung, Aversion gegenüber den pädagogischen Innovationen usw. auf. 5 Fialová, Schneiderová fanden im Jahre 1998 in Ostrau bei Mittelschulenlehrer ver- schiedener Alter ein ausgebreitetes Syndrom nur bei 1,6% der Lehrer. Es hing oft mit dem Gefühl des unzureichenden persönlichen Interesses und Arbeitsmisserfolgs und mit erhöhter emotioneller Erschöpfung (bei den Lehrern über 26 Jahre Praxis) zusammen. Eger, Čermák (2000) machten einen Vergleich mit der Slowakei (Zelinová 2000) an Grundschulen. Die Stufe des Burn-Out-Syndroms war in Tschechien niedriger. In beiden Staaten fand man erhöhte emotionelle Erschöpfung bei Frauen, die aber eher mit dem Lebensstil zusammenhing. Traditionell wird der Burn-Out Syndrom mit dem Alter der Lehrer gebunden: ältere Lehrer sollten angeblich konservativer und mehr gegen Innovation sein. Die Forschungen bringen aber keinen Beweis dafür. Professionelle Deformation Die professionelle Deformation (Řehulka, 1998) zeigt sich bei den Lehrern im Bereich Mimik, Gestik, Schrift, Stimme, Benehmensweisen zu sich selbst, Erwachsenen, eigenen Kindern, in Selbstkontrolle usw. Die Partner/Ehegatten der Lehrerinnen berichten, dass sie mehr als andere hochschul- gebildete Frauen auf das Äußere achten, ihr nonverbales Benehmen ist übertrieben, sie protzen, sprechen zu viel und mit inhaltlicher Überflüssigkeit, haben lesbare, schöne Handschrift, höfliches Benehmen gegenüber Erwachsenen, positives gegenüber den Kindern, negative Merkmale zeigen sich gegenüber eigenen Kindern (Übersättigung von Beruf), sie sind eher submisiv. Dagegen die Lehrerinnen beurteilen sich folgenderweise: übertriebene Gestikulation und Mimik, eigenes Sprachbenehmen beurteilen sie nicht so negativ, Unsicherheit in Bewegung bis Krampfartigkeit, sie halten sich für dominant, wichtige Lebensereignisse betreffen sie sehr tief und haben Angst vor ihnen. Diese Charakteristika werden für professionell bedingt gehalten, d. h. Ärztinnen werden andere Deformationen aufweisen. Empfehlungen könnten lauten: weniger nervös zu sein, gelassener, gesünder das eigene Leben durchleben. Es sollten auch mehr Beratungsstellen für Lehrer errichtet werden. Arbeitszufriedenheit Ein nicht positives Bild über deformierten Lehrer wird oft in der Öffentlichkeit verbreitet. Man muss aber sagen, dass schon die Persönlichkeiten, die Lehrerberuf bevorzugen, haben bestimmte Merkmale. Außerdem die Forschungen zeigen, dass das Bild des Lehrers aufgrund seiner Einstellungen positiver ist als das tradierte (Solfronk, Urbánek, 2000). Die meisten Lehrer sind entgegenkommend zu den Schülern, bereit sich weiterzubilden, zufrieden mit ihrer Profession. In der Primarstufe sind 72,5% zufrieden, 3,2% nicht. In der Sekundarstufe I. 64% ja, 16,8% nein und an den Mittelschulen 70,3 ja und 16,2 nein, an den Hochschulen 88,6 ja, 4,8 nein (Paulík, 1999, Ostrau). Die Zufriedenheit ist größer bei Frauen und an den Hochschulen. Die höchste Zufriedenheit gibt es also bei Frauen an Hochschulen. Die Arbeitszufriedenheit ist eng gebunden mit guten Verhältnissen im Lehrerkollegium (37%), schöpferischer Arbeit (37%), mit der Möglichkeit Schüler zu formieren, Erfahrungen übergeben (36%), mit der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (35%), mit dem Gefühl gut gemachter Arbeit (32%). Dagegen Arbeitsunzufriedenheit hängt zusammen mit Löhnen (58%), der Disziplin (35%), dem Mangel an Zusammenarbeit mit den Eltern (28%), mit psychischer Belastung und Mangel an Zeit (22%), mit mangelhafter Schulausstattung (18%). Mit der Zufriedenheit hängen eng auch psychische Beständigkeit, Selbstvertrauen und Optimismus zusammen. Die größten Korrelationen zwischen Zufriedenheit im Beruf und Selbstvertrauen sind bei Primarlehrern (0,35), dann sind sie immer kleiner je höher die 6 Schulstufe ist (Paulík 1997). Die hohen Ansprüche des Berufes werden einfacher gemeistert, wenn die Lehrer zufrieden sind. Dagegen hohe Ansprüche hängen nicht automatisch mit wenig Arbeitsunzufriedenheit zusammen, wenn sie durch persönliche Beständigkeit und Erfüllen von professionellen Wünschen kompensiert werden. 3. Denkweise und Einstellungen der Lehrer Nach der Samten Revolution kam es in Tschechien und in anderen post-kommunistischen Staaten zu zahlreichen Veränderungen und Innovationen im Bereich des Schulwesens auf allen Ebenen (Makro-, Meso- und Mikroebene). Z. B. In der ehemaligen DDR (Mintrop, 1999) wurden die Einstellungen der Lehrer gegenüber den Innovationen untersucht. Es zeigte sich ein tiefer Schlitz zwischen dem, was die Lehrer denken und proklamieren (positive Einstellung gegenüber neuen Methoden und anderen Innovationen) und der Realität (sie arbeiten nach dem Alten). Es zeigt sich ein Missverhältnis zwischen den von oben eingeführten Veränderungen und dem Denken und Tun der Lehrer. Kurz nach der Revolution in Tschechien und auch in der DDR wurde gedacht, dass alles schlecht war. Später dann, dass es vieles gut war und die tschechischen sowohl die ehemaligen ostdeutschen Lehrer denken, dass die Ausbildung, die sie in den sozialistischen Systemen bekamen, gut war. Heute denkt man, man braucht einige Innovationen, aber im sozialistischen System waren auch gute Sachen und in spezifischen Bereichen auch sehr gute Ergebnisse, man sollte also von dieser Sicht aus neue Reflexion machen. Auch in Wales und England nach der Einführung des Nationalcurriculums zeigte sich, dass die Lehrer weiter das Alte machen. Da zeigt sich also die Stabilität des Lehrerdenkens und dass nur die Veränderungen angenommen werden, die den eigenen Erfahrungen entsprechen und die ignoriert werden, die den Erfahrungen widersprechen. Dieses Merkmal ist auch positiv, es bewahrt die Stabilität der schulischen Erziehung in den Bedingungen der unstabilen Welt. 1996 untersuchten Mareš, Slavík und Švec Lehrerunterrichtsauffassung und stellten fest, dass sich in Tschechien die meisten Lehrer mit methodischen Innovationen des Unterrichts beschäftigen. Wie unterrichten die Lehrer in Tschechien? Die tschechischen Lehrer werden oft kritisiert, z. B. dass sie nicht modern unterrichten, dass die Schule unmodern ist, dass sie nur zum büffeln zwingen, nicht zu ermutigen wissen usw. Man braucht aber vergleichen und nicht der eigenen Subjektivität unterliegen, sondern die Realität in internationalen Vergleichstudien klarer sehen. Z. B. PISA zeigte, dass es in Tschechien eine starke Differenzierung der Schüler je nach dem Familienmilieu gibt. Man kann also nicht den Lehrern als ihre Schuld zuweisen, dass sie die Kinder von schwächerer sozialer Umgebung nicht anstarten wissen, dies wurde auch in Deutschland diskutiert und anerkannt. Der Schule wird unterschieben, dass sie traumatisiert, zum büffeln zwingt, dagegen z. B. Konrad Lorenz oder Hannah Arendt weisen darauf hin, dass Senkung der Ansprüche oder Abschaffung der Autorität nicht zur Entwicklung der Identität und Autonomie führt. Wo wird es gesagt, dass ein auf dem Memorieren gegründetes System falsch sein sollte? Unterrichten alten oder jungen Lehrer besser? Manche denken, junge Lehrer sind besser. Manche dagegen, die älteren haben mehr Erfahrung und unterrichten daher besser und effektiver. Beide Vorurteile sind aber nicht so einfach und klar. In allen entwickelten Staaten steigt die Anzahl an Lehrer älterer Kategorien. In 90er Jahren stieg der Anteil der Lehrer über 50 Jahre, vor allem im Primarbereich in 7 Deutschland, Niederlanden oder Großbritannien um mehr als 5%. Meistens steigt er auch im Sekundarbereich I, in Deutschland und Italien um mehr als 10%. Primarschule Sekundarstufe I. Alter < 30 > 50 < 30 > 50 Tschechien 15,1 33,3 14,7 32,6 BRD 6,6 40,4 3,9 45,9 Italien 4,7 24,7 - 44,6 Schweden 11,6 41,0 14,2 41,6 Finnland 13,8 25,2 9,4 32,6 Durchschnitt (19 OECD-Länder) 16,1 25,2 11,7 30,2 Quelle: Education at a Glance: OECD Indicators 2001 Im internationalen Vergleich ist die Situation in Tschechien gar nicht so schlecht, manchmal ist sie auch besser. Z. B. Anteil der jüngsten Lehrer ist höher als in Deutschland oder Italien. In der Population der tschechischen Lehrer zeigen sich ähnliche Trends wie in ganz OECD: Es erhöht sich Anteil der älteren Alterskategorien, aber nicht so markant wie in anderen Ländern. Im Primar- und Sekundarstufe ist die Altersstruktur ganz durchschnittlich, man kann die Situation also nicht für irgendeinen Mangel des tschechischen Schulwesens halten. Praxislänge Die verbreiteten Vorurteile sind, dass jüngere Lehrer progressiver und die Älteren kon- servativer sind, und dass Lehrer mit längerer Praxis (Dienstjahre) mehr erfahren sind, effekti- ver arbeiten und daher auch bessere Ergebnisse erzielen. Nichts davon aber bestätigten die durchgeführten Forschungen (Průcha, 1999). Z. B. TIMSS (1995) suchten in 40 OECD Ländern nach Zusammenhängen zwischen Län- ge der Lehrerpraxis und Schülerergebnissen in Mathematik und Naturwissenschaften (8. Klas- se), und zeigten dass die besten Ergebnisse die Schüler haben, die a) von Lehrern mit der kür- zesten Praxis unterrichtet werden (0 ­5 Jahre) ­ England, Schweden, Russland, b) von Lehrern mit mittlerer Praxis (11 - 12 Dienstjahre) ­ Frankreich, Tschechien, Österreich, Norwegen u. a., c) mit der längsten Praxis (über 20 Jahre) ­ Ungarn, Japan, USA u. a. Es wurde also kein Zusammenhang zwischen der Länge der Praxis (Dienstjahre) und Schülerergebnissen gefun- den. Man kann im Falle Tschechiens nicht behaupten, dass ältere Lehrer schlechter oder mit schlimmeren Ergebnissen unterrichten als Lehrer mit kürzerer Praxis. Unterrichtsklima Einer der wichtigsten Indikatoren der Lehrerqualität ist, was für ein Klima er/sie mitzubilden hilft. In Tschechien denkt man oft, dass die Kinder zum Büffeln gezwungen werden, dass sie unterdrückt durch die Autorität des Lehrers werden, dass sie erniedrigt werden, Angst haben usw. Die Forschungsergebnisse zeigen aber etwas Anderes (Lašek, Mareš, 2001, My class inventory Fragebogen, 3. und 6. Klasse der Grundschule): Zufriedenheit ist sehr hoch, Kohäsion der Klasse durchschnittlich, Reiberei gibt es im durchschnittlichen Maße, Maß des Wettbewerbs ist sehr hoch, Schwierigkeit ist bezeichnet als niedriger als durchschnittlich. Mehr zufrieden sind Mädchen. Es zeigt sich auch, dass die Lehrer das Klima pessimistischer beurteilen, sie halten die Kohäsion der Klasse für niedriger als sie ist. Klima der Alternativschulen in Tschechien zeigt sich nicht unterschiedlich von den Standardschulen (Linková, 2000, 2001), wie man behauptete. 8 Passen sich die Lehrer den unterschiedlichen Schülern und Fächern an? Průcha (2002) zeigte, dass der Lehrer beeinflusst den Inhalt und Umfang der Partizipation der Schüler in der 7. Klasse der Grundschule. Die Partizipation ist unterschiedlich je nach dem Lehrer. In den USA zeigte Susan Stodolsky (1988), dass der Typ des Faches beeinflusst die Art der Kommunikation in der Klasse und auch Benehmen des Lehrers. Fast jeder Parameter jeder Tätigkeit ist unterschiedlich in einzelnen Fächern. Der Lehrer passt sich der Natur des Faches an. In Tschechien gibt es Vorurteile gegenüber Lehrern spezifischer Fächer. So denkt man z. B. dass Lehrer exakter Fächer rigoros, verschlossen seien und Lehrer humaner Fächer ent- gegenkommend, kommunikativer. Dagegen Forschungen zeigen (Lašek, 1994, 2001), dass Mathematiklehrer werden als am meisten supportiv und Mathematiklehrerin als defensiv beurteilt. Der Charakter des Kommunikationsklimas hat Verhältnis zum Geschlecht, Frauen bilden mehr supportives Klima. Klima, das die Lehrer bilden ändert sich den Forschungen nach nicht in einzelnen Klassen, es ist eher durch Unterrichtsstil und Zugang der Lehrer bestimmt. Dagegen sprechen aber Erfahrungen der Praktiker, die behaupten, Lehrer benehmen sich in unterschiedlichen Klassen unterschiedlich (anders, wenn nur Mädchen, nur Begabten, städtische Kinder usw. in der Klasse sind). Unterrichtsmethoden und ­Tätigkeiten In Tschechien gab es Meinungen, dass die hiesigen Lehrer nicht moderne Methoden benutzen (nur Frontalunterricht, wenig Diskussion), und dass sie hinter ihren Westeuro- päischen Kollegen hinterbleiben. Die Forschungsergebnisse zeigen aber dass sie nicht irgendwie besonders unterschiedlich sind. TIMSS (40 Ländern) zeigen, dass in Mathematik und den Naturwissenschaften tschechischen Lehrer dieselben Tätigkeiten bevorzugen wie im Westeuropa. In Mathematik wird selbständige Arbeit und Vortrag am meisten benutzt und in Naturwissenschaften dominiert Vortrag, weniger dann selbstständige Arbeit oder Gruppenarbeit (Straková, Tomášek, Palečková, 1997). Mathematik Unterrichtet die ganze Klasse Selbst. Arbeit mit Lehrerhilfe Selbst. Arbeit ohne Lehrerhilfe Gruppenarbeit mit Lehrerhilfe Tschechien 47 72 42 13 BRD 70 54 15 20 Irland 67 47 37 9 Frankreich 48 56 26 17 Ungarn 60 65 22 7 Japan 78 27 15 7 Naturwissenschaften Tschechien 47 72 42 13 BRD 69 28 7 19 Irland 62 25 6 20 Frankreich 57 34 16 27 Ungarn 80 54 13 11 Japan 79 12 8 12 In Tschechien werden also dieselben Methoden benutzt wie im Ausland (auch in Bürgerkunde ­ CES, 28 Ländern, Křížová u. a., 2001), es überwiegt der Frontalunterricht, ergänzt mit selbstständiger Arbeit mit dem Lehrbuch. Auch in Geschichte an der Mittelschule 9 bei 15- und 16jährigen gibt es keine wichtigere Unterschiede (Klíma, 2001). PISA (Straková, 2000) zeigt nur, dass im Mutterspracheunterricht ist der Unterstützung- und Aufwendig- keitsindex bei den tschechischen Lehrern schlimmer im Vergleich zu den ausländischen. Beurteilung der Lehrer von Schülern In Geschichte werden die Mittelschullehrer besser beurteilt als ihre ausländischen Kollegen (unter europäischen Staaten war Tschechien an der 2. Stelle), 89% bekamen eine positive Beurteilung (Klíma, Mládež a dějiny, 2001). TIMSS (Straková u. a., 1997) zeigen ein Spezifikum der tschechischen Mathematiklehrer. Sie benutzen wenige Hausaufgaben als Unterlagen für Noten (dasselbe gilt für Deutschland oder Schweiz im Gegenteil zu Irland, Zypern, wo es eine große Bedeutung hat). Es werden mehr Ergebnisse der Schularbeit und der Tests benutzt (Dänemark, Ungarn, Griechenland, Tschechien). Auswendiglernen Das tschechische Schulwesen wird oft wegen einem hohen Maß an Auswendiglernen kritisiert. Es fehlen aber Beweise dafür. In TIMSS (Straková, 1996) wurden Schüler der 8. Klasse befragt, was solle Schulerfolg in Mathematik und Naturwissenschaften vor allem beeinflussen, ob eingeborenes Talent, Glück, Hausvorbereitung oder Auswendiglernen des Lehrbuches. In Tschechien sagten 41% Schüler, dass zum guten Mathematikerfolg das Auswendiglernen notwendig ist, in Naturwissenschaften dann 59% der Schüler. Weniger als in Tschechien war es in Schweden (33% in Mathematik, 42% in Naturwissenschaften), Schweiz (36% in Mathematik), Litauen (28% Mathematik, 31% Naturwissenschaften). Mehr als in Tschechien war es in Dänemark (61% Mathematik, 65% Naturwissenschaften), Irland (69% Mathematik, 78% Naturwissenschaften), Norwegen (74% Mathematik, 81% Naturwissen- schaften), Frankreich (95% Mathematik, 95% Naturwissenschaften), was also Staaten sind, die man für die progressivsten hält. Es gibt auch Länder wo das Auswendiglernen extrem wichtig für Unterrichtserfolg ist, wie z. B. Japan (92% Mathematik, 97% Naturwissenschaften), Belgien ­ fr. Teil (93% Mathematik, 94% Naturwissenschaften), Kuwait oder auch Iran. Die Schlussfolgerung ist, dass in den meisten von den 38 Ländern das Auswendiglernen in einem höheren oder bedeutend höheren Maße verlangt wird. PISA (Straková, 2002) zeigt, dass der Index des Auswendiglernens bei 15jährigen bei uns kleiner ist als in anderen Ländern wie z. B. vor allen in Ungarn, Irland oder Russland. Wie sollte ein Ideallehrer in Tschechien aussehen? An der Mitteschule (Holeček, 1997) sollte der IdeallehrerIn den Schülern nach vor allem persönliche und fachliche Fähigkeiten haben. Der erfolgreiche LehrerIn sollte freundlich sein, gerecht, er sollte viel beibringen, er macht sich über niemanden lächerlich, macht keine Betrügereien, bildet eine angenehme Atmosphäre, ist angemessen dominant (hat Disziplin und Ruhe in der Klasse). Der LehrerIn an der Grundschule den Schülern der 7. Klasse nach (Bendl, 2001) sollte streng, konsequent sein, Schüler gern haben, sein Unterricht soll interessant sein, er sollte Sinn für Humor haben, selbstbewusst auftreten und die Kinder sollen ihm/ihr an Herzen legen. 63% der Kinder wollten auch, dass die Schuldisziplin strenger wird, was also auch als einer der Argumente gegen die antiautoritative Erziehung sein könnte. Anregungen zum individuellen Weiterbearbeiten ˇ Wie sieht die Arbeitsbelastung bei Lehrern in Ihrem Heimatland aus? 10 ˇ Was kann man gegen zu hoher Belastung tun (in der Gesellschaft, persönlich)? ˇ Gibt es irgendwelche Dinge, die man den Lehrern in Ihrem Land vorwirft? Sind sie gerecht? ˇ Wird in Ihrem Land Ihrer Meinung nach interessant/gut unterrichtet? Warum? In welcher Hinsicht? ˇ Was meint ihr, wie sollte der Ideallehrer in ihrem Land den Schülern nach aussehen? Wie sieht der IdeallehrerIn ihrer persönlicher Meinung nach aus? Literatur: Vergleichstudien (TIMSS, PISA etc.): http://www.uiv.cz OECD: http://www.oecd.org UNESCO: http://portal.unesco.org/ Eurostat: http://www.europa.eu.int/comm/eurostat