Seminar: Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten I Roland Wagner Was ist eine Bachelorarbeit? (Sinn und Zweck, Zielsetzung und Themenwahl sowie Bewertungskriterien) 1) Wozu eine schriftliche Arbeit an der Universität? „Vypracováním bakalářské práce má student prokázat schopnost samostatně využívat teoretické a metodologické poznatky získané během studia a aplikovat je při řešení konkrétního tématu. […]“ (Němec/Šedinová: Doporučení, zdroj: http://www.ped.muni.cz/wstud) Umkehrung der Frage: „Was lerne ich persönlich dadurch, dass ich eine Bachelorarbeit verfasse?“ Mögliche Antworten: (a) Wie man sich Informationen beschafft und auswählt (Informationsbeschaffung) (b) Wie man diese Informationen verarbeitet und bewertet (Verarbeitung) (c) Wie man die Informationen und die eigenen Überlegungen anderen Menschen effektiv mitteilt (Präsentation) Zu Punkt (a): Informationsbeschaffung (získání informací) Das Internet ist zwar eine, aber nicht die einzige und auch nicht die wichtigste Informationsquelle. Um die relevanten Informationsquellen (auch im späteren Leben) effektiv nutzen zu können, muss man es einmal selbst ausprobiert haben. Beim Recherchieren für seine Bachelorarbeit hat man Gelegenheit: - die Brünner Bibliotheken kennen zu lernen (Ort, Kataloge, Ordnungssystem, Bücherbestand u. ä.); - wichtige Fachzeitschriften kennen zu lernen; - Nachschlage- und Standardwerke kennen zu lernen; - Erfahrungen beim Bibliographieren (d. h. bei der Aufstellung einer Literaturliste) zu sammeln. Wir leben im Zeitalter der Informationsflut. Das Problem bei den meisten Themen ist daher nicht, dass zu wenig Informationen verfügbar wären, sondern zu viele! Eine Bachelorarbeit darf keine Ansammlung von zufällig gefundenen Informationen sein. Es kommt auf die richtige Auswahl an. Durch das Recherchieren für die Arbeit übt man: - wichtige (relevante) Informationen für das Thema von weniger wichtigen zu unterscheiden; - abzuwägen, welche Dinge man in seine Arbeit aufnehmen will und welche nicht (auch das ‚Weglassen’ muss man lernen); - schon beim Recherchieren Zusammenhänge zwischen den einzelnen Informationen herzustellen (‚Einordnen in ein Gesamtbild’). So gewöhnt man sich daran, sich möglichst schnell ein Gesamtbild von einem Themenbereich zu machen. Zu Punkt (b): Informationsverarbeitung (zpracovávání informací) Das Sammeln und Dokumentieren von Informationen ist nur der erste Schritt. Beim Schreiben einer Bachelorarbeit lernt man, wie man diese Informationen weiter verarbeitet. ‚Verarbeiten’ heißt: - die Informationen zu einem Gesamtbild ordnen; - ihre Bedeutung für das Gesamtbild erkennen (Frage: „Warum ist genau diese Information hier wichtig?“); - die gefundenen Aussagen kritisch beurteilen. Die kritische Beurteilung ist ein wichtiges Element in einer Bachelorarbeit. Menschen schreiben schließlich deshalb Texte, weil sie anderen Menschen ihre Ansichten und ihre Erfahrungen mit dem Thema mitteilen wollen. Man sollte daher Aussagen in der Literatur auf ihre Brauchbarkeit für das eigene Vorhaben hin beurteilen, mit den eigenen Erfahrungen vergleichen und bei sich widersprechenden Meinungen in der Literatur Partei ergreifen. Zu Punkt (c): Präsentation Beim Formulieren des Textes der Bachelorarbeit übt man, einem anderen Menschen (=dem Leser), der sich nicht intensiv mit dem Thema beschäftigt hat, verständlich zu erklären um was es geht. Man übt leserzentriertes Denken, da man sich beim Präsentieren der gefundenen Informationen in die Rolle des Lesers versetzen muss (Frage: „Kann jemand, der sich nicht auskennt, meine Erklärungen verstehen?“). Weil man sich beim Schreiben immer überlegen muss, in welcher Reihenfolge man die Informationen anführen muss, damit der Leser folgen kann, übt man das Organisieren von Texten. Beim Kommentieren und Bewerten der Aussagen in der Literatur übt man außerdem, seine eigene Meinung zu begründen und den Leser von seinen eigenen Ansichten zu überzeugen. 2) Themenwahl und Formulierung einer Fragestellung (Arbeitshypothese) Man unterscheidet: a) Themengebiet Der breitere thematische Rahmen, innerhalb dessen sich viele verschiedene Themen für eine Bachelorarbeit formulieren lassen. Die „Themen“, die am schwarzen Brett unseres Lehrstuhls aushängen, sind eigentlich Themengebiete. Das genaue Thema muss in Absprache mit dem Betreuer konkretisiert werden. b) Thema Ist innerhalb des Themengebietes für jede Arbeit individuell formuliert. Es steckt den Fragenraum ab, in dem sich die Arbeit bewegt und den sie abdeckt. Es muss so konkret formuliert sein (‚eingegrenzt sein’), dass es sich innerhalb eines Jahres bearbeiten lässt und neue, selbständig erarbeitete Ergebnisse zu erwarten sind, die sich nicht einfach aus den Standardwerken entnehmen lassen (Goethes Leben und Werk ist z. B. kein Thema, Der Vater-Sohn-Konflikt in Hans Müllers Roman ‚Vati hat gesagt’ dagegen schon). c) Fragestellung und Arbeitshypothese Im Rahmen des gewählten Themas ist der nächste Schritt, eine konkrete Frage zu formulieren, die der Autor/die Autorin der Bachelorarbeit im Laufe der Arbeit beantworten will (‚Fragestellung’). Eine weitere Möglichkeit ist, eine Hypothese (=eine Vermutung über gewisse Zusammenhänge) zu formulieren, die im praktischen Teil empirisch (durch Umfragen, Beobachtungen, Datenanalyse u. ä.) überprüft wird. Beispiele: Mögliche Fragestellungen beim Thema Die Bundestagswahlen 2005: Verfassungstheorie und Verfassungspraxis: - Warum wollte Schröder Neuwahlen? - Warum wählte er dazu den Weg über die Vertrauensfrage? - Ist diese Lösung in der Verfassung der BRD vorgesehen? Mögliche Arbeitshypothese zum Thema Der Einfluss von Spracheinstellung tschechischer Grundschüler auf den Lernerfolg im Fach Deutsch: „Der Lernerfolg von Fremdsprachenlernern im Primarschulbereich ist um so größer, je positiver ihr Bild von der Sprachgemeinschaft der Zielsprache ist.“ d) Titel der Arbeit Der endgültige Titel kennzeichnet genau die jeweilige, individuelle Arbeit und kann in manchen Fällen von der ursprünglichen Formulierung des Themas abweichen, weil die Ergebnisse der Arbeit reflektiert werden können. Wie findet man sein Thema? Beginn der Suche: „Zpravidla dva roky před plánovaným ukončením studia […]“ (Němec, Doporučení) Die ersten Schritte: Blick ans schwarze Brett (evtl. Gespräche mit Kommilitonen und Lehrenden) → Interesse für ein Themengebiet → erste Idee → erste Orientierung (Nachschlagewerke, Lexika, Standardwerke) & eigene Erfahrungen aus der Praxis → Gespräch mit dem Betreuer → Lektüre speziellerer Arbeiten → Konkretisierung nach erneuter Konsultation → Formulierung eines ‚Projekts’ (vgl. nächste Seminarsitzung). Zusammenfassung: In einer Bachelorarbeit behandelt der Autor/die Autorin ein genau umgrenztes Thema. Im Verlauf der Beschäftigung mit dem Thema (Lektüre, die im theoretischen Teil zusammengefasst wird) formuliert sie/er eine Fragestellung bzw. eine Arbeitshypothese. Der praktische Teil besteht im Beantworten dieser Frage (eigene Recherchen und Überlegungen) bzw. Überprüfen der Hypothese (empirische Untersuchung). Am Ende steht eine Antwort auf die Ausgangsfrage bzw. ein Hinweis auf weiter offene Fragen (Tipp: gute Überleitung zu einer Magisterarbeit). Eine Bachelorarbeit ist dagegen KEIN(E): - Materialsammlung („Ich bringe alles, was interessant ist und irgendwie mit dem Thema zu tun hat!“). - Enzyklopädie („Ich muss alles schreiben, was zum Thema gehört“). - Abschreibübung (‚Copy’-Funktion im Internet + Einfügen ins Word-Dokument). - Statistisches Jahrbuch (Tabellen ohne Erklärung und Kommentar). - Bilderbuch (viele bunte Bilder, weil das gut aussieht). - Vorsicht! So sollte man es NICHT machen!!! - 3) Bewertungskriterien MIT DEM BETREUER KLÄREN! Die Bewertung der Arbeit ist Sache des Betreuers bzw. des Opponenten. Mit diesen Personen sollte man daher bereits am Beginn der Arbeit besprechen, worauf besonders Wert gelegt wird. Fragen Sie Ihren Betreuer ganz direkt, nach welchen Kriterien er/sie die Arbeit bewerten wird! Uns scheinen folgende Kriterien relevant zu sein: - Eigenständigkeit; - Logischer Aufbau – Argumentation; - Nachvollziehbarkeit: sachliche & sprachliche Verständlichkeit; Wichtig ist v. a., dass es sich um eine selbständige Arbeit handelt, aus der ersichtlich ist, dass der Autor über das Thema nachgedacht hat und sich um einen eigenen Beitrag bemüht. Der Text muss auf jeden Fall selbst formuliert sein! Erst in zweiter Linie spielt auch die formale Seite (graphische Gestaltung, sprachliche Richtigkeit, Zitiertechnik, Länge und Ausgewogenheit der Teile) eine Rolle. Für weitere Informationen: Jiří Němec/Petra Šedinová: Doporučení ke zpracování diplomové (bakalářské) práce. Leden 2006. www.ped.muni.cz → studium → info → Diplomová práce (doporučení) Projekt bakalářské práce: www.ped.muni.cz → studium → studijní oddělení → státní zkoušky → projekt Studijní a zkušební řád, dostupný z http://www.ped.muni.cz/, právní normy: Eco, Umberto: Jak napsat diplomovou práci. Olomouc: Votobia 1997. UK-studovna PdF I-6132