Texte & Foto: Dana Toschner Das Loch im Gartenzaun „Znečištění vzduchu" und „Skleníkový efekt" schreibt der 16-jährige Thomas Jacob auf ein Blatt Papier. Im Geografie-Unterricht werden Luftverschmutzung und Treibhauseffekt behandelt. Was viele Schüler schon auf Deutsch schwer begreifen, lernt Thomas auf Tschechisch. Seit der fünften Klasse besucht er das Friedrich-Schiller-Gymnasium im sächsischen Pirna. Dort, 25 Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt, wurde 1998 das erste und bislang einzige deutsch-tschechische Gymnasium Deutschlands gegründet. Neben 450 Schülern, die an dem Gymnasium ganz regulär ihr Abitur machen, besuchen 150 Schüler binationale Klassen, in denen jeweils 15 Deutsche und 15 Tschechen gemeinsam lernen. In einigen Fächern wie Sport, Musik und Informatik werden die Schüler auf Deutsch unterrichtet, in Kunst auf Tschechisch. Geografie lernen die Deutschen auf Tschechisch und die Tschechen auf Deutsch. Die Hochschulreife, die die Schüler am Ende der zwölften Klasse bekommen, wird in beiden Ländern anerkannt. Thomas bereut das mühevolle Vokabel-Lernen nicht. „Man erweitert seine Berufschancen", sagt er, „es kann doch kaum jemand Tschechisch. Und wenn das Land erst mal zur EU gehört, werden Leute wie wir dringend gebraucht." Nach dem Abitur will er Medizin studieren, einige Semester davon in Tschechien. Auch Sarah Ulbig, seine Mitschülerin, ist überzeugt, die richtige Schule gewählt zu haben: „Ich mag den Klang der tschechischen Sprache, und ich möchte ganz einfach meinen Teil zur Verständigung beitragen." Überall im Schulhaus sind neben den deutschen Bezeichnungen auch die tschechischen zu lesen. „Orientační plán" steht über dem Wegweiser durchs Schulhaus und „Ředitel Pan Wenzel" an der Tür des Schulleiters Bernd Wenzel. „Die Ausbildung ist hart", gibt Wenzel zu, „Tschechisch ist eine wirklich schwere Sprache." Trotzdem sei er sicher, dass sich die Anstrengung für seine Schützlinge lohnt. Gerade im Hinblick auf den Beitritt Tschechiens zur EU lägen die Vorteile auf der Hand. „Ich sage immer", beginnt Bernd Wenzel einen Satz, den er sich offenbar für Journalisten-Besuche zurechtgelegt hat, „während die Nachbarn sich noch distanziert über den Gartenzaun unterhalten, haben die Kinder schon das Loch zum gemeinsamen Spielen entdeckt." Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. „Wenn die Lehrer nicht darauf achten, dann trennen sich die Deutschen und die Tschechen", sagt Sarah Ulbig. Die Tschechin Markéta Šmídová, die in die gleiche Klasse wie Sarah und Thomas geht, sieht das genauso. „Es gibt unter den 15 deutschen Schülern in unserer Klasse drei oder vier, die wirklich den Kontakt zu uns Tschechen suchen, mit den anderen haben wir fast nichts zu tun." Marketa wohnt im Internat in der Pirnaer Altstadt. Von den 87 Schülern, die dort derzeit leben, sind 75 Tsche- chen und nur zwölf Deutsche. Wenn abends auf dem Hof Federball oder Tischtennis gespielt wird, komme nur ganz selten ein deutscher Mitschüler vorbei, erzählt Marketa. Auch die 16-jährige Sarah fand es in den ersten Jahren schwierig, mit den Tschechen ins Gespräch zu kommen: „Da war diese Sprachbarriere. Es hat sich einfach keiner getraut zu reden." Inzwischen hat sie Freundschaften geschlossen, sitzt im Unterricht meist neben einer tschechischen Mitschülerin und geht einmal die Woche ins Internat. Das tue den Sprachkenntnissen gut, ist Sarah überzeugt, und sie kann auch schon Erfolge vorweisen: „Wenn ich abends im Bett liege, überlege ich oft, ob ich mich mit meinen Freunden auf Deutsch oder Tschechisch unterhalten habe. Für mich ist inzwischen alles eins." Mehr Informationen unter: www.schillergymnasium-pirna.de oder Telefon: 03501/52 85 12