Textbeispiel Lyrik: Goethe, Maifest Spontane Eindrücke erfassen 1. Lesen Sie das Gedicht mehrmals zusammenhängend durch. Halten Sie anschließend Ihre ersten Eindrücke am Rand des Textes oder auf einem gesonderten Blatt stichwortartig fest. Erste Kontaktaufnahme mit dem Text Unmittelbare Eindrücke sammeln, nicht zensieren Emotionen, Widerstände, inhaltliche, sprachliche, formale Auffälligkeiten Durch darstellendes Lesen einen ersten Zugang finden 2. Gedicht laut vortragen. Bemühen Sie sich um eine Vortragsweise, die den ersten Eindrücken, die Ihnen das Gedicht vermittelt, entspricht. Wenn ein angemessener Vortrag nicht gelingt, finden Sie heraus, welche Schwierigkeiten der Text Ihren Vortragsversuchen entgegensetzt. A. RHYTHMISCHE ANALYSE Der Rhythmus des Gedichts – Versakzente setzen, Sinnnuancen erproben 3. Gedicht noch einmal durchlesen, betonte Silben mit Akzent (/) versehen, unbetonte mit dem (u)-Zeichen. Markieren Sie die Stellen, an denen Sie sich nicht ganz sicher sind. Lesen Sie diese Stellen erneut. Welche Kriterien entscheiden über die Betonung? Sich auf Strophe 1, Zeile 2 bzw. Strophe 9, Zeile 4 konzentrieren 4. Rhythmus und Metrum – Grundmuster lyrischen Sprechens erschließen Unterschied zwischen Metrum und Rhythmus Metrum: das einem Vers zugrunde liegende feste Schema aus betonten und unbetonten Silben (wie Takt in der Musik) Rhythmus orientiert sich dagegen am jeweiligen Wort- und Satzsinn, am Klang und an der angestrebten Interpretation des Vortragenden, er entsteht durch die Aktualisierung des Textes im Vortrag Arbeitsblatt 1 Definieren Sie die Begriffe in den Feldern. Stellen Sie anschließend dar, auf welche Texteinheiten sich die Begriffe beziehen. Hier die Frage: Welchem Ziel dient die Analyse der metrischen Struktur des Gedichtes? 5. Überlegen Sie selbst, welche Funktion eine metrische Analyse für das Verständnis des Gedichtes haben kann. Schreiben Sie Ihre Ergebnisse stichwortartig nieder. Jedes Abweichen von dem Grundschema des Metrums ist ein gestalterischer Akt. Es schafft ein Spannungsverhältnis zwischen Metrum und Rhythmus. (Auch Vers und Strophe werden „überschritten“, woraus sich ästhetische Reize ergeben). Also die Frage: Das „mir“ (Strophe 1, Zeile 2) wird gegen das metrische Schema betont und damit herausgehoben. Wer ist das „mir“? Warum leuchtet ihm die Natur? Warum sie überhaupt „leuchtet“? B. Die kommunikativen Bezüge des Gedichts – Analyse der Personalpronomina 6. Ermitteln Sie, wer in diesem Gedicht zu wem spricht. Markieren Sie zu diesem Zweck alle Personalpronomina, und klären Sie jeweils, worauf sie sich beziehen. das lyrische Ich Adressat: Mädchen, Geliebte *rätselhaft: „Du“ zu Beginn der fünften Strophe (O Lieb, o Liebe oder O Mädchen, Mädchen?). Das hier ist wichtig: Liebe oder Mädchen verklärt die Natur („segnest die Natur“). Damit wird das „leuchtet mir die Natur“ klarer. Das verliebte Ich nimmt im Rausch seiner Gefühle die Frische der frühlingshaften Natur tatsächlich als ein Leuchten wahr und lässt uns an seiner Wahrnehmung teilhaben. C. SEMANTIK 7. Semantik des Gedichts – Wortbestand und Ausdrucksgehalt ermitteln Was findet hier sprachlich statt, wenn man sagt, dass die Natur leuchtet? Daher begeben wir uns auf die Ebene der Wortbedeutung. Welchem Vorstellungsbereich entstammt dieses Verb? Welche Wertungen sind mit ihm verbunden? Ziel: sich an die Bildersprache des Gedicht heranzuarbeiten VERBEN Arbeitsblatt 2: Listen Sie im Arbeitsblatt A2 alle Prädikate und die dazugehörigen Subjekte in den entsprechenden Spalten auf, und finden Sie für jedes Verb einen übergeordneten Bedeutungsbereich. Stellen Sie dann fest, welche Verben wörtliche, welche in übertragenem Sinne zu verstehen sind, und tragen Sie Ihre Ergebnisse in die Spalte „Sinn“ ein. + Wählen Sie aus der Auflistung (Arbeitsblatt A2) typische Beispiele aus, und begründen Sie, weshalb ein übertragener Wortgebrauch vorliegt. Die Natur „leuchtet“: Wird ein Wort aus seinem ursprünglichen Bedeutungsbereich in einen anderen übertragen, so spricht man von einer Metapher. Weitere Metaphern: „wie blinkt dein Auge“, „wie lacht die Flur“, „du segnest herrlich das frische Feld“. („Segnen“ kommt aus dem religiösen Bereich, hier bedeutet es aber „verklären“: Die Liebe oder die Geliebte schafft, was sonst nur übergeordneten Mächten vorbehalten ist, der Natur ihren Segen, einen weihevollen Glanz zu verleihen.) Fazit: Verben (Bedeutungsbereiche und Verwendungszusammenhang) haben wesentlichen Anteil an der freudvollen Stimmung im Gedicht. NOMINA Arbeitsblatt 3 Ordnen Sie im Arbeitsblatt alle Nomina mit ihren attributiven Ergänzungen den drei übergreifenden Bedeutungsbereichen zu. (Natur/Kosmos – menschliche Emotionen – Menschliches Leben) + Stellen Sie zusammenfassend dar, welche Vorstellungen und Empfindungen die aufgelisteten Nomina wachrufen. positiver Bedeutungsgehalt, freudige Empfindungen ausgelöst Konnotationen sammeln („Morgenblumen“ – Morgen und Blüte...) Es bildet sich in diesem Gedicht eine Reihe von Konnotationen: Frische, Unberührtheit, Zeichen der Verheißung. Auffallend wenige Ergänzungen, die meisten zweisilbig, jambisch sozusagen. Unterstützung der kraftvollen Wirkung des Gedichts. Wechseln Sie nun auf die Ebene der Denotationen, und kommentieren Sie, inwiefern der analysierte Wortbestand etwas zur Genauigkeit der Aussage beiträgt. Sehr allgemein! Keine konkrete Landschaftsbeschreibung, keine differenzierte Benennung der Gefühle. Die Komposita sind keine genaue Wiedergabe einer individuellen Landschaft, sondern eher atmosphärische Vermittlung von Naturstimmungen. Also: keine detaillierten Landschaftsbilder, sondern Empfindungen, die die Elemente der Natur und der Liebe im begeisterten Sprecher auslösen. D. SYNTAX 8. Emphatisches Sprechen – Beschreibung der Satzarten und der syntaktischen Bezüge Anfangs wurde schon beobachtet: Dieses Gedicht ist eigentlich Ausruf, gleichzeitig aber im festen Metrum aufgebaut. Daher die Frage: Wie ist der emphatische, exklamatorische Stil der Aussage mit den Restriktionen des Metrums, des Verses und der Strophe vermittelt? Lässt sich hier ein ähnliches Spannungsverhältnis beobachten, wie es sich an einigen Stellen zwischen Metrum und Rhythmus gezeigt hat? Arbeitsblatt 4: Analyse der Satzarten. Tragen Sie Verszahlen, Satzanfang, Satzende und Satzart in die ersten vier Spalten jeweils ein. Fassen Sie Ihr Ergebnis knapp zusammen. Ausrufesätze, Ausrufepartikel Bestimmen Sie in den folgenden Sätzen die syntaktischen Bezüge, und kommentieren Sie Ihr Ergebnis. *Du segnest herrlich: Der Bezug des Du *Im Blütendampfe die volle Welt: Fehlendes Verb? *So liebt die Lerche: Vergleichender Bezug? *Die du mir Jugend: Bezug des Relativpronomens? Diese syntaktischen Bezüge sind unklar: Das deutet auf das emphatische, gefühlsbetonte Sprechen hin. Arbeitsblatt 4: In welcher Beziehung steht die jeweilige Satzstruktur zu Vers und Strophe als metrischer Einheit? Tragen Sie ein, so sich Vers- und Satzeinheit decken und wo sich Sätze über mehrere Verse oder Strophen erstrecken. Werten Sie die Befunde aus. Viele Sätze erstrecken sich über mehr als einen Vers, mehr als eine Strophe. Satz- und Strophenende fallen selten zusammen, obwohl Verse doch syntaktische Einschnitte markieren. Die Strophe ist also bei diesem Gedicht eher eine äußerliche Einheit. Aus dem Widerspruch von Satzbau und metrischer Fügung entsteht Spannung, die der dynamischen Aussage des Gedichts durchaus entspricht. E. BILDSPRACHE DES GEDICHTES Das vermittelte Lebensgefühl – Analyse der Vergleiche und Analogien „Maifest“: kein topographisch genau festgelegtes Landschaftsbild, sondern es benennt Phänomene der Natur mit dem Ziel, die damit verbundenen Gefühle des lyrischen Ich mit größtmöglicher Intensität zu vermitteln. (=Syntax-Ausruf, Semantik-Verben und Nomen mit positiven Konnotationen). Darauf knüpft die Untersuchung der Vergleich an. Frage: Zwischen welchen Erlebnisbereichen will das lyrische Ich Analogien schaffen? Aufgabe: Markieren Sie alle Textstellen, an denen Sie einen mit „wie“ oder „so“ eingeleiteten Vergleich erkennen. Verdeutlichen Sie sich die Struktur des Vergleichs, indem Sie in einer Tabelle die beiden verglichenen Phänomene gegenüberstellen. Formulieren Sie im Anschluss daran, welche Funktion der Vergleich für die Aussage übernimmt. Verglichenes Vergleichendes Liebe wird mit Morgenwolken verglichen und damit ins Kosmische ausgeweitet. Der zweite Vergleich: Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit des Liebens. Aussage des Gedichtes durch den Vergleich zweierlei Erweiterung: Liebesempfindungen des lyrischen Ich als selbstverständlicher Teil eines größeren Naturzusammenhanges, Gefühle werden ins Kosmische ausgeweitet. Die Grenzen zwischen der Gefühlswelt des lyrischen Ich, der Natur und dem Kosmos erscheinen aufgehoben. Markieren Sie weitere Textstellen, an denen sich Analogien zwischen menschlichen Empfindungen und Escheinungsformen der Natur erkennen lassen, und beschreiben Sie, wie dort die Grenzen zwischen Kosmos, Natur und Ich aufgehoben werden. Verse 5-10: es „dringen“ Bäume, Stimmen aus Sträuchern (Natur vom Menschen belebt), und Freud und Wonne aus jeder Brust. Ein syntaktische Parallele, ein gemeinsames Verb. Ähnlich: Parallele zwischen Ausrufen „o Er, ed, o Sonne, ...“ Schließlich: Du segnest herrlich das frische Feld. F. REFLEXION DER ERSTEINDRÜCKE Ersteindrücke noch einmal durchlesen. Welche Eindrücke haben sich bestätigt, welche unbearbeitet geblieben sind, welche widerlegt worden sind. (optional): Wählen Sie aus den unterschiedlichen Ersteindrücken einen Aspekt. Versuchen Sie zu begründen, aufgrund welcher Textmerkmale ein solcher Eindruck entstehen kann. Sich hier etwas auf das „Pathetische“ konzentrieren: Ersteindruck begründen. Arbeitsblatt 5: Zusammenfassende Graphik