Karel Èapek: WAS ZU WEIHNACHTEN GESCHAH


„Ätsch“, sagte Miau zu Wau—Wau, „ich weiß etwas.“
„Was denn?“ wunderte sich Wau—Wau.
„Ätsch“, sagte Miau, „ich weiß, daß Herr Èapek zu Weihnachten eine Geschichte für die kleinen Kinder schreiben soll, und zwar wieder etwas über uns, über Miau und Wau—Wau.“
„Fein“, freute sich Wau—Wau, „aber hoffentlich schreibt er etwas Schönes über mich!“
„O nein“, sagte Miau, „ihm fällt gar nichts ein, er sitzt an seinem Schreibtisch, denkt immerfort nach, aber immer noch weiß er nicht, was er schreiben soll. Er sitzt und sitzt, aber nichts, rein gar nichts fällt ihm ein.“
„Das ist schlimm“, meinte Wau—Wau, „denn es könnte ihm wirklich gar nichts einfallen und dann würde er irgendeinen Unsinn über uns zusammenschreiben.“
„Das ist es ja eben“, sagte Miau, was ich auch befürchte. Wir sollten ihm raten. Mir ist es dabei nicht so sehr um Herrn Èapek zu tun, als um die Kinder, denen man das nachher vorlesen wird.
„Das ist wahr“, sagte Wau—Wau, „es wäre doch scheußlich, wenn die Kinder zu Weihnachten dummes Zeug über uns zu hören bekämen! Wir wollen Herrn Èapek raten!“
„Gehen wir“, entschied Miau, „aber unentgeltlich machen wir das nicht, bald ist es Weihnachten, und wir haben kein Stück Weihnachtskuchen; er muß uns für den Rat etwas geben.“
Wau—Wau und Miau machten sich also auf den Weg, um Herrn Èapek einen Rat zu geben.
„Ich weiß schon“, sprach Wau—Wau unterwegs, „ich weiß schon, was ich ihm raten werde! Ich werde ihm sagen, er möge eine Geschichte schreiben, in der du eine verwunschene Prinzessin bist und ich ein verwunschener Prinz.“
„Was für ein verwunschener Prinz?“ lachte ihn Miau aus. „Du hast ja Flöhe! Prinzen haben keine Flöhe, wer würde dir so etwas glauben, Prinzen haben keine Flöhe, Flöhe haben nur Hunde!“
„Nun, du bist ja auch keine verwunschene Prinzessin“, entgegnete Wau—Wau, „gerade unlängst habe ich dich gesehen, wie du dich mit den Krallen gekratzt hast.“
„Warum hätte ich mich nicht kratzen sollen, wenn es mich gejuckt hat?“ sagte Miau. „Aber wenn ich wollte, könnte ich Herrn Èapek zum Beispiel sagen, ich wäre doch eine verwunschene Prinzessin und die Flöhe wären meine Kammerzofen.“
„Und ich könnte sagen“, prahlte Wau—Wau, „meine Flöhe wären verzauberte Ritter und ich hätte ihrer ein ganzes Heer!“
„Weißt du was, Wau—Wau“, entgegnete Miau, „das werden wir lieber doch nicht erzählen. Dieser Herr Èapek würde es uns ja wahrscheinlich glauben, aber die Kinder, die würden es bestimmt nicht glauben und würden sagen, er hätte Unsinn zusammengeschrieben. Raten wir ihm lieber zu etwas Vernünftigerem, etwas, was für uns vorteilhaft wäre, wenn Kinder mit uns spielen. Du weißt doch, daß es oft eine Qual ist, wie uns die Kinder herumzerren. Darüber soll Herr Èapek den Kindern etwas schreiben, und wir werden Nutzen davon haben.“
‚Ja, das ist wahr“, sagte Wau—Wau, „von manchen Kindern habe ich so viel auszustehen gehabt, daß ich am liebsten davonlaufen würde.“
So plapperten Wau—Wau und Miau unterwegs und kamen schließlich zu Herrn Èapek.

Herr Èapek saß an seinem Schreibtisch, die Feder hielt er in der Hand, aber er hatte keinen Einfall und wußte nicht, was er schreiben sollte.
Um Himmels willen“, sagte er sich, „was soll ich den Kindern zu Weihnachten über Wau—Wau und Miau schreiben, wo mir doch rein gar nichts einfällt? Wenn doch jemand käme, mir einen Rat zu geben!“
Da klopfte es an der Tür, Wau—Wau und Miau traten herein und sagten: „Herr Èapek, wir kommen, um Ihnen zu helfen.“
„Ich danke euch“, rief Herr Èapek freudig aus, „ihr habt mich gerettet! In einem Lande, Redaktion geheißen, herrscht ein böser Riese namens Klíma, der hinter einer neunfachen Tür in einer Höhle haust, die Chefbüro genannt wird. Der hat mir eine schwere Arbeit aufgetragen: Ich soll nämlich rasch eine Weihnachtsgeschichte für die Kinder schreiben, aber ich weiß nicht, was ich schreiben soll, und es fällt mir auch gar nichts ein. Ich zerbreche mir den Kopf, denke schon sieben Tage und sieben Nächte nach, aber ich habe noch immer keinen Einfall und weiß noch immer nicht, was ich den Kindern über Wau—Wau und Miau schreiben soll. ‚Wenn du es nicht zuwege bringst‘, drohte mir der Riese mit schrecklicher Stimme, ‚verwandle ich dich in eine Quarksäule, und du wirst an deinem Schreibtisch bis ans Ende der Welt nachdenken, und wir werden dich zu deiner Schande den Kindern gegen ein Eintrittsgeld von fünfzig Pfennigen zeigen. Lieber Wau—Wau, liebe Miau, so sitze ich da und weiß nicht aus noch ein. Ein Glück, daß ihr gekommen seid, mir einen Rat zu geben und mich vor dem schrecklichen Schicksal zu bewahren, in eine Quarksäule verwandelt zu werden! Ich gebe euch dafür, was ihr nur wollt.“
„Ihnen, Herr Èapek, machen wir es billig“, erwiderte Miau, „obwohl jetzt vor Weihnachten alles teurer geworden ist. Also ich rate Ihnen, schreiben sie:
„Die Katze hat einen Schwanz“
„Das weiß ich“, wunderte sich Herr Èapek, „aber was soll ich damit anfangen?“
„Mein lieber Herr, damit kann man gar viel anfangen“, sprach Miau. „Der Katzenschwanz ist für jede Katze der größte Schmuck. Wie würde es auf der Welt aussehen, wenn die Katze einen Kuh- schwanz oder einen Pferdeschwanz hätte, oder umgekehrt, wenn Pferd oder Kuh Katzenschwänze trügen? Aber es ist auf der Welt alles so wunderbar eingerichtet, daß die Katze eben einen Katzenschwanz hat und keinen andern. Darum weiß sie ihn auch zu schätzen und ist stolz auf ihn. Wenn sich die Katze hinsetzt oder niederlegt, achtet sie vor allem darauf, daß der Schwanz hübsch neben ihr zu liegen kommt, und wenn sie schreitet, trägt sie ihn so stolz erhoben hinter sich, daß ihr jedermann nachschaut, wie schön er ihr zu Gesicht steht. Aber wenn sich die Katze ärgert, dann schwenkt sie ihren Schwanz so streng, daß jeder Angst bekommt. Zu all dem, mein lieber Herr, braucht die Katze ihren Schwanz.“
„Das weiß ich auch“, sagte Herr Èapek, „aber es will doch euch Katzen niemand den Schwanz wegnehmen. Ich habe wenigstens in den Zeitungen nichts darüber gelesen, und ich lese sie doch tagtäglich.“
„Wieso will ihn uns niemand wegnehmen?“ rief Miau. „Die kleinen Kinder packen ihn und zerren daran! Unlängst wollte ein kleines Mädchen mit mir spielen und faßte meinen Schwanz, als wäre er der Stiel einer Bratpfanne. Fragen Sie nicht, wie angst und bange mir um den Schwanz war und wie weh das getan hat! Sie hat derart daran gezerrt, daß ich wahrhaftig geglaubt habe, sie reißt ihn mir ab. Zuerst habe ich gemiaut, dann habe ich geweint, dann habe ich gefaucht, und als ich mir keinen andern Rat mehr wußte, habe ich ihn mit der Pfote eins hingehaut. Nur ganz leicht, aber das hat die Welt noch nicht gesehen, was das Mädel für ein Geschrei erhoben hat! Sie sollten also, Herr Èapek, in Ihrer Weihnachtszeitung schreiben, daß die Kinder uns Katzen nicht am Schwanz zerren sollen, sonst werden wir niemals mehr mit ihnen spielen.“

„Wir Tiere haben überhaupt manchmal mit den Kindern eine richtige Plage“, fügte Wau—Wau hinzu. „Uns Hunde ziehen sie wieder an den Ohren, und das tut so weh, sage ich Ihnen, daß man es gar nicht ausdrücken kann. Der Hund hat Ohren zum Wachen, immerfort horcht er nur, wo sich etwas rührt und regt, ob es nicht etwa ein Dieb oder ein Räuber ist. Der Hund hat, mein lieber Herr, gehörig empfindliche Ohren! Und jetzt stellen Sie sich vor, es kommt so ein Bengel, er selbst hat vielleicht ungewaschene Ohren, und packt einen an den Ohren, zaust und zerrt daran, als hätte er einen Fetzen in der Hand. Und dabei tritt er einem vielleicht auch noch auf den Fuß, daß man nur so quietscht.
Sie wissen ja, mein Herr, daß ich gutmütig bin bis auf die Knochen (ich habe am liebsten weichere Knochen, Geflügel oder Kalbsknochen), aber da hört sich dann jeder Spaß auf, und ich fahre ihn grob an: „Laß los, laß los, du Bengel, sonst pack ich dich!
nun, und dann läuft der Junge davon und plärrt, ich wäre ein böser Hund. Sie müssen also, Herr Èapek, in die Weihnachtszeitung auch schreiben, daß die Kinder uns Hunde nicht an den Ohren zerren und uns nicht auf die Pfoten treten sollen!“
„Und zugleich schreiben Sie auch, daß die Kinder auch uns Katzen nicht auf die Pfoten treten und uns nicht an den Ohren zerren sollen“, fügte Miau hinzu, „uns tut das nämlich genauso weh wie den Hunden.“
„Und die Hunde sollen sie auch nicht am Schwanz zerren, wir haben das auch nicht gem“, sagte Wau—Wau. „So, und jetzt schreiben Sie das alles auf und schenken Sie uns etwas für diesen guten Rat!“
Herr Èapek gab also der Miau für den guten Rat eine Schnitte Kuchen und
weil es gerade Weihnachten war auch noch eine Fischblase. Dem Wau—Wau (der ißt nämlich weder Feigen noch Datteln noch Apfelsinen) gab er ein tüchtiges Stück Salami, drei Olmützer Käschen und ein paar Würfel Zucker.
„Sie sehen also, lieber Herr Èapek, daß wir Ihnen den Rat billig gegeben haben“, sagten Wau—Wau und Miau. „Und solche Leckerbissen haben wir uns gerade gewünscht. Also danken wir Ihnen, unsere Hochachtung und fröhliche Weihnachten! Aber in der Zeitung muß alles so geschrieben stehen, wie wir es gesagt haben!“ Wau—Wau und Miau gingen zufrieden nach Hause, Herr Èapek aber setzte sich an seinen Schreibtisch und schrieb so lange, bis alles niedergeschrieben war, was ihm Wau—Wau und Miau gesagt hatten.
Hat er alles richtig hingeschrieben, genauso, wie es ihm Wau—Wa und Miau gesagt hatten? Hat er es nicht vielleicht anders geschrieben, als es sich tatsächlich zugetragen hatte? Wir wissen genau, wie ihm Wau—Wau und Miau das alles gesagt haben, behaupten die Kinder. Hat er es nicht richtig geschrieben, soll er in eine Quarksäule verwandelt werden, und wir werden ihn um fünfzig Pfennig Eintrittsgeld anschauen kommen.
Nun, Kinder, wenn ihr es wißt, wie sich das alles zugetragen hat, lest die Geschichte nochmals und überzeugt euch, ob Herr Èapek alles richtig hingeschrieben hat, was ihm Wau—Wau und Miau erzählt haben.