V. Variation und Sprachkontakt360
35. Deutsch in Österreich: Standard, regionale
und dialektale Variation
1. Grundsätzliches
2. Sprachgeografische, sprachhistorische und sprachsoziologische Voraussetzungen des
österreichischen Deutsch
3. Linguistik des österreichischen Deutsch
4. Das österreichische Deutsch im Unterricht von Deutsch als Fremdsprache
5. Literatur in Auswahl
1. Grundsätzliches
Während man unter Deutsch in Österreich alle schriftlichen und mündlichen Varietäten
der deutschen Sprache mit Standardsprache, Umgangssprachen, Dialekten, Gruppenund
Fachsprachen versteht, bezieht sich österreichisches Deutsch nur auf die Standardsprache
mit Schriftsprache und mündlicher Realisierung. Die deutsche Standardsprache
ist weder schriftlich noch mündlich eine Einheitssprache, sondern tritt in den zum deutschen
Sprachraum gehörigen Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz mit Varianten
auf, die in jeweils unterschiedlicher Weise alle sprachlichen Ebenen betreffen: die
phonetisch-phonologische (und danach in Einzelheiten auch die graphematische Ebene),
die morphologische, die syntaktische und die lexikalisch-semantische Ebene einschließlich
der Phraseologie. Dazu kommen noch pragmatische Unterschiede. Bei größtenteils
vorherrschenden verbindlichen Gemeinsamkeiten machen diese Varianten jeweils die differentia
specifica aus und konstituieren als solche die Varietäten. Hinsichtlich ihres Umfangs
verzeichnet Ebner (2009) für Österreich auf dem auffälligen Gebiet des Wortschatzes
rund 8.000 Wörter, während Dudens „Großes Wörterbuch der deutschen Sprache“
(1999) einen gesamtdeutschen Wortschatz von rund 220.000 Wörtern enthält. Das macht
einen standardsprachlichen Anteil an österreichischen lexikalischen Eigenheiten von etwa
3 % aus, oder anders ausgedrückt: auf einen Text von 100 Wörtern würden durchschnittlich
3 Austriazismen entfallen, doch sind die tatsächlichen Verteilungen je nach Sachgebiet
unterschiedlich. Trotzdem herrscht innerhalb der deutschen Sprache bezüglich der
Standardsprache weitgehende länder- und gebietsübergreifende allgemeine Verständlichkeit,
die heute auf Grund passiver Sprachkenntnisse durch die Wirksamkeit der Medien
noch gefördert wird. Die jeweils usuellen Varianten mit allgemeiner Akzeptanz in den
einzelnen Gebieten und damit auch die einzelnen Varietäten sind somit hinsichtlich ihrer
normativen Gültigkeit als gleichwertig und gleichberechtigt anzusehen. Hier hat der von
österreichischer Seite besonders im Vergleich zu der vielfach als vorbildlich betrachteten
norddeutschen Varietät stets vertretene Grundsatz zu gelten: „Österreichisches Deutsch
ist kein schlechteres, sondern ein anderes Deutsch“ (Moser 1989, 25).
Was bei dieser rein synchronen Beurteilung ausgeklammert wird, ist einerseits die
Diachronie und andererseits die Verbreitung und Gültigkeit der Varianten, indem über
die tatsächlich staatsgebundenen Varianten besonders der Verwaltungssprache hinaus
der Großteil alltagssprachlicher Varianten teils länderübergreifend und teils nur auf Teilbereiche
eines Landes beschränkt auftritt. So deckt sich hinsichtlich der räumlichen Ver-
35. Deutsch in Österreich: Standard, regionale und dialektale Variation 361
breitung nur ein kleiner Teil als spezifische Varianten mit den heutigen Staatsgebieten,
während es sich beim größeren Teil um unspezifische Varianten handelt (Ammon 1995).
Es sind von Österreich aus beurteilt einerseits länderübergreifende oberdeutsche Varianten
in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz; westoberdeutsche Varianten in Südwestdeutschland,
der Schweiz, Liechtenstein und im westlichsten österreichischen Bundesland
Vorarlberg; sowie ostoberdeutsche Varianten in (Alt)bayern und Österreich. Andererseits
gibt es bloß auf Teilgebiete Österreichs beschränkte Varianten, wobei vor allem
im Wortschatz West-Ost-Unterschiede mit ostösterreichischem Eigenverhalten zu beobachten
sind und teilweise auch Vorarlberg eine Eigenstellung einnimmt. Die Ursachen
dafür liegen in der Diachronie und gehen damit auf die jahrhundertealte Geschichte der
deutschen Sprache mit verschiedenartigen stammessprachlichen Grundlagen, wechselnden
kulturellen Beziehungen und sich unterschiedlich entwickelnden territorialen und
sprachräumlichen Verhältnissen (Dialekte, Umgangssprachen) zurück, während die heutigen
Staatsterritorien trotz ihrer längeren Vorgeschichte relativ jung und erst im 19./
20. Jh. entstanden sind.
Die Beurteilungen der standardsprachlichen Varietäten erfolgte in Österreich in dreifacher
Weise. Als in den 1980er Jahren die Anerkennung unterschiedlicher normativer
Standardvarietäten begann, wurde ein strenges plurizentrisches Modell mit der Einheit
von Staatsterritorium, Nation und Sprache vertreten (Clyne 1984, 1992; Polenz 1988,
1990). Es wurde in Österreich als „österreichisch-national“ teilweise aufgegriffen (Muhr
1982, 1989; Pollak 1992), nachdem bereits nach dem Zweiten Weltkrieg die Eigenständigkeit
der Sprache gegenüber Deutschland betont (Hrauda 1948) und diese in die Bildung
einer österreichischen Nationalidentität einbezogen (Wiesinger 2008, 406Ϫ445) sowie das
seit 1951 erscheinende und seit 1979 zunächst umstritten fortgeführte „Österreichische
Wörterbuch“ für Schulen und Ämter verpflichtend vorgeschrieben worden war (Wiesinger
2008, 177Ϫ218). Im Gegensatz dazu wurde bei Ausgang von den westösterreichischen
Zusammenhängen mit Bayern ein „deutsch-integratives“ pluriareales Gegenmodell entwickelt,
das die Staatsgebundenheit der Standardsprache in Frage stellte und die grenzübergreifenden
Gemeinsamkeiten in den Vordergrund rückte (Scheuringer 1987, 1996;
Pohl 1997; Wolf 1994). Der größte Teil der Germanisten nahm jedoch einen vermittelnden
„österreichisch-integrativen“ Standpunkt ein, wonach das österreichische Deutsch
eine Varietät der deutschen Standardsprache bildet, die von den in Österreich geltenden
Erscheinungen, unabhängig von deren jeweiliger räumlicher Verbreitung, konstituiert
wird (Reiffenstein 1983; Ebner 1988, 1992; Moser 1989; Wiesinger 1988, 9Ϫ30; Ammon
1995). Diese von der österreichischen Bevölkerung nicht wahrgenommene Fachdiskussion
lief nach 1995 ohne Ausgleich der verschiedenen Standpunkte aus (Wiesinger 2008,
203Ϫ218 [1995]; Scheuringer 1996b, Schrodt 1997). Seit 2004 das Variantenwörterbuch
erschienen ist (Ammon 2004), das bei räumlich sechsfacher Gliederung Deutschlands
und vierfacher Österreichs die entsprechenden Verteilungen der Varianten aufzeigt und
außerdem die Verbreitungen des umgangssprachlichen Wortschatzes zunehmend kartographisch
erfasst werden (Eichhoff 1977Ϫ2000; Elspaß/Möller), geht man trotz Anerkennung
jeweiliger Besonderheiten immer mehr zur Auffassung des Deutschen als einer pluriarealen
Sprache über, wozu auch ein verstärktes Regionalbewußtsein beiträgt. Da aber
das österreichische Deutsch in seiner Struktur eine Varietät der deutschen Sprache ist
und auch gegenwärtig alle Entwicklungen der deutschen Sprache mitvollzieht, gehen
unter sprachpolitischen Voraussetzungen seit den 1930er Jahren immer wiederkehrende
Versuche, es als möglichst selbständige Sprachform „Österreichisch“ hinstellen zu wollen,
V. Variation und Sprachkontakt362
an der Sprachrealität vorbei. Ebenso ist aber auch die vor allem in Deutschland praktizierte
unizentrische Haltung abzulehnen, die eine meist norddeutsch geprägte Standardsprache
als eine für den gesamten deutschen Sprachraum verbindliche einheitliche Norm
betrachtet und damit den Sprachgebrauch vor allem in Süddeutschland, Österreich und
der Schweiz übergeht.
2. Sprachgeogra ische, sprachhistorische und sprachsoziologische
Voraussetzungen des österreichischen Deutsch
Nach seinen sprachgeografischen und damit dialektalen Grundlagen gehört Österreich
mit Süddeutschland und der Schweiz zum Oberdeutschen. Innerhalb dieses stellt sich
sein größter Teil von Tirol im Westen bis Niederösterreich und dem Burgenland im Osten
zum ostoberdeutschen Bairischen, während das westlichste Bundesland Vorarlberg sowie
ein kleines westtirolisches Randgebiet um Reutte dem westoberdeutschen Alemannischen
zugeordnet ist (Wiesinger 1990a). Daraus resultieren im österreichischen Deutsch oberdeutsche
Gemeinsamkeiten mit Süddeutschland und der Schweiz sowie Gemeinsamkeiten
des bairischen Bereiches mit (Alt)bayern und des alemannischen Vorarlbergs mit der
Schweiz, Liechtenstein und dem süddeutschen Allgäu, was im Wortschatz besonders zu
Tage tritt (vgl. 3.5.), wie überhaupt ein wesentlicher Teil des österreichischen Deutsch
auf den Dialekten basiert und vor allem der sogenannte „Akzent“ und Aussprachegewohnheiten
(vgl. 3.1.) bis in die Standardsprache durchwirken. Da Österreich auf drei
Seiten von nicht weniger als sechs Fremdsprachen umgeben ist (Italienisch, Alpenromanisch,
Slowenisch, Ungarisch, Slowakisch, Tschechisch) und in der bis 1918 bestehenden
Österreichisch-Ungarischen Monarchie noch weitere Fremdsprachen galten (Kroatisch,
Serbisch, Polnisch, Ukrainisch, Rumänisch), kam es auch zu Entlehnungen aus diesen
Nachbarsprachen (Wiesinger 1990c). Schließlich ist als dritte Quelle das allmählich zum
heutigen Staat führende Territorialgebilde und seine Verwaltung mit dem Hauptsitz in
Wien zu nennen, auf das die österreichische Verwaltungssprache zurückgeht.
Bis um die Mitte des 18. Jhs. galt in Österreich und Bayern die sich von der Kanzleisprache
Kaiser Maximilians I. herleitende, bairisch geprägte oberdeutsche Schriftsprache
(Wiesinger 2008, 241Ϫ252). Ab 1750 kam es zur Übernahme der mitteldeutsch-norddeutschen
Form nach dem Vorbild von J. Ch. Gottscheds „Deutscher Sprachkunst“ von 1748
(Wiesinger 2008, 253Ϫ304; 305Ϫ336). Dies hatte bis um die Mitte des 19. Jhs. besonders
unter dem Einfluss der Normvorgaben des als verbindlich betrachteten „Grammatischkritischen
Wörterbuches der Hochdeutschen Mundart“ (1793Ϫ1801) von J. Ch. Adelung
zur Folge, dass die heimische Sprachtradition und da vor allem der heimische Wortschatz
zugunsten einer einheitlichen Schriftsprache besonders von der Schule unterdrückt wurde
(Wiesinger 2008, 385Ϫ406). Erst mit der Gründung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie
1866/67 und des Deutschen Reiches 1871 trat allmählich auch die sprachliche
Verschiedenheit deutlich ins Bewusstsein und kam die zunächst negativ konnotierte Bezeichnung
„österreichisches (Hoch)deutsch“ auf (Lewi 1875). Zunehmend und besonders
seit 1945 mit der Wiederherstellung der Souveränität Österreichs nach seiner Integrierung
in das nationalsozialistische Deutsche Reich ab 1938 entwickelte sich, verbunden mit
einer neuen nationalen Identität, auch das österreichische Deutsch zu einer verbindlichen
Varietät (Wiesinger 2008, 407Ϫ445).
35. Deutsch in Österreich: Standard, regionale und dialektale Variation 363
In sprachsoziologischer Hinsicht gilt ein breites Spektrum mündlicher Variation. Bezüglich
der Alltagssprache bildet es den Substandard, denn die österreichisch geprägte
Standardsprache wird in erster Linie in nur wenigen Situationen des öffentlichen Lebens
wie Rundfunk, Fernsehen, Kirche und Schule als offiziöse Sprachform und das mit phonostilistischen
Abstufungen gebraucht und bloß eine kleine besonders städtische Bildungsschicht
spricht sie auch als Alltagssprache. Die mündliche Variation ist abhängig
von der sozialen Stellung mit Bildung, Beruf, Verbalintensität und Mobilität, der Generationszugehörigkeit,
dem Geschlecht, der Gesprächssituation und dem ländlichen oder
städtischen Wohnort. Versucht man unter Einbindung von volkstümlichen Sprachvorstellungen
eine Klassifikation, dann lässt sich trotz unterschiedlichem individuellen Verhalten
und kontinuierlichen Übergängen das mündliche Variationsspektrum in die Varietäten
Dialekt und die als „Hochdeutsch“ bezeichnete Standardsprache als die äußeren
Pole und einer als Umgangssprache bezeichneten, auf das „Hochdeutsche“ gerichteten
Übergangsskala einteilen (Wiesinger 2008, 25Ϫ36). Eine Vorstellung kann der Mustersatz
„Heute Abend kommt mein Bruder nach Hause“ vermitteln, der in einem ländlichen
Ort im niederösterrreichischen Weinviertel nördlich von Wien von einzelnen Sprechern
in vierfacher Form zu hören ist:
1. Heint
[>a˜=˜nt
af
av
d’Na˚cht
d ncxt
kimmt
kh=˜mt
mein
ma˜6=˜
Bruider
1bru=dB
hoam.
hc˜B˜m]
2. Heit
[ha=t
auf
ay
d’
d
Na˚cht
ncxt
kummt
khummt
mein
ma˜=˜
Bruader
1bruBdB
ham.
ha˜6m]
3. Heut
[hcøt
A˚bnd
1c6md
kommt
khomt
mei
ma6=
Bruder
1bru6dB
z’Haus.
dzawz]
4. Heut
[hcøt
Abnd
1a6md
kommt
khomt
mein
ma=n
Bruder
bru6dB
nach
nax
Haus.
1hawz]
Während 1 den örtlichen Basisdialekt der alten eingesessenen bäuerlichen Bevölkerung
bildet, verkörpert 2 den von der Stadt Wien abhängigen regionalen Verkehrsdialekt der
mittleren und jüngeren Generation. Dem „Hochdeutschen“ 4 angenähert ist die Umgangssprache
3, die die auffälligen Dialektmerkmale aufgibt (Wiesinger 2008, 25Ϫ36;
49Ϫ60).
Auf Grund einer 1984/85 und 1991/92 durchgeführten Umfrage (Steinegger 1998;
Wiesinger 2008, 37Ϫ48) bezeichnen sich 79 % als Dialektsprecher und nennen 50 % den
Dialekt, 45 % die Umgangssprache und 5 % das „Hochdeutsche“ als ihre durchschnittliche
Alltagssprache. In Dörfern liegen diese Durchschnittswerte bei 62 : 35 : 3 %, während
sich Großstädter mit 27 : 65 : 8 % geradezu umgekehrt verhalten. Hinsichtlich der sozialen
Faktoren nimmt der Dialekt von einer unteren über eine mittlere zu einer höheren Sozialschicht
zugunsten der höheren Varietäten im Gesamtdurchschnitt von 76 : 23 : 1 %,
47 : 49 : 4 % und 35 : 56 : 9 % ab. Bezüglich der einzelnen Gesprächssituationen lässt sich
eine Dialektabnahme zugunsten der höheren Varietäten mit zunehmendem Abstand zum
Gesprächspartner beobachten, so dass sich ein deutliches Gefälle von Familie und Partnern
über das kleine Geschäft zum täglichen Einkauf, die Kollegen am Arbeitsplatz,
die Bank und das Kleidergeschäft bis zum Arzt, Vorgesetzten am Arbeitsplatz und dem
städtischen Amt ergibt. Zunehmend lässt sich aber beobachten, dass auch in offiziösen
V. Variation und Sprachkontakt364
Situationen immer mehr die dialektale Färbung und der Dialekt selbst umsichgreifen
und frühere, noch um 1960/70 geltende „hochdeutsch“-standardsprachliche Konventionen
mit zum Teil gesellschaftlichen Sanktionierungen fallen. Auch die Schule hat sich
im Unterricht zunehmend auf die Umgangssprache als mündliche Konversationsform
eingependelt.
3. Linguistik des österreichischen Deutsch
Im Folgenden werden charakteristische Erscheinungen der deutschen Schrift- und Standardsprache
in Österreich auf allen sprachlichen Ebenen kurz beschrieben.
3.1. Zu Aussprache und Schreibung
Einen wichtigen, mangels geeigneter Beschreibungsmethoden leider vernachlässigten suprasegmentalen
Bereich bilden zunächst die sprechkonstitutiven Eigenschaften der Artikulationsbasis,
der Lautbildung (Artikulation) und der Sprechmelodie (Intonation).
Diese populär als „Färbung“ oder „Akzent“ bezeichneten Eigenschaften sind landschaftlich
verschieden und schlagen vom Dialekt bis in die Standardsprache durch. Nach den
dialektalen Grundlagen gelten in Österreich Varianten eines bairischen und in Vorarlberg
mit dem Westtiroler Gebiet um Reutte eines alemannnischen Typus.
Zu den suprasegmentalen Eigenschaften gehört aber auch die Wortakzentuierung.
Dabei erfolgt bei der jüngeren Generation gegenüber der tradierten Verhaltensweise insofern
eine Änderung, als in unterschiedlichem Ausmaß mittel- und norddeutsch bestimmte
Akzentuierungen aufgegriffen werden. Obwohl die österreichischen Akzentuierungen ursprünglich
auch in Bayern und teilweise in Schwaben galten, sind sie dort ebenfalls zurückgegangen.
Eine Übersicht der wortweisen Abstufungen bietet Wiesinger 2008, 61Ϫ
86.
Es gibt in Österreich aber auch segmentale phonetische Eigenschaften der Standardsprache.
Dabei lassen sich vor allem im öffentlichen Sprechen in Rundfunk und Fernsehen
durchschnittlich drei Ausspracheniveaus beobachten. Geschulte Sprecher wie Schauspieler,
Rezitatoren, Ansager und Nachrichtensprecher weisen das höchste Sprechniveau
auf, indem sie sich für das prononcierte Sprechen an den Regeln des Siebs und des
Duden-Aussprachewörterbuches orientieren. Dem steht die Laienaussprache gegenüber,
die das landschaftlich unterschiedliche Lautinventar gebraucht. Dazwischen befinden
sich mehr oder minder geschulte Sprecher wie die Moderatoren verschiedener Sendungen,
die sich in unterschiedlicher Weise nach der einen oder anderen Art verhalten. (Beschreibungen
Wiesinger 2009; zum problematischen Aussprachewörterbuch von Muhr
2007 vgl. u. a. Pohl 2007 und Wiesinger 2009 ).
Hinsichtlich seiner Lautqualitäten klingt das österreichische Deutsch relativ weich
durch geringe Intensität der Plosiv- und Frikativfortes, wobei anlautendes
und
vor Vokalen im Gegensatz zum stets aspirierten nur wenig oder gar nicht
behaucht werden. Die Leniskonsonanten , , , sowie als [z] in
französischen Lehnwörtern werden in oberdeutscher Weise meist stimmlos gebildet und
erfahren keine merkliche Auslautverhärtung, so dass /, / und /
35. Deutsch in Österreich: Standard, regionale und dialektale Variation 365
<ß> im Auslaut vielfach zu Lenes neutralisiert werden, z. B. in grob : Ysop, Tod : Not,
Mus : Fuß. Während geschulte Sprecher unterscheiden, fallen dialektal und umgangsprachlich
die anlautenden Plosivlenes und -fortes /, / besonders im
Donau- und Voralpenraum in stimmlose Lenes bis Halbfortes zusammen, so dass kein
Unterschied mehr besteht zwischen Dank : Tank, backen : packen, Draht : trat, Blatt :
platt. Dagegen werden und vor Vokalen stets unterschieden, z. B. Garten :
Karten, fallen aber vor Konsonanten ebenfalls in [g] zusammen, z. B. Greis : Kreis. Im
Inlaut bleibt jedoch die Unterscheidung von Lenes und Fortes aufrecht; z. B. leiden :
leiten, behagen : Haken, reisen : reißen. Die Endsilbe -ig wird nach der Schreibung mit
Plosiv [g] realisiert, z. B. [1bilig] ,billig‘, [1kønig] ,König‘. In einer Reihe von Fremdwörtern
wird anlautendes als Fortisplosiv [k] gesprochen, z. B. in China, Chemie,
Chirurg, Chaos und in ihren Ableitungen. Ferner gilt in einer Reihe von Fremdwörtern
im Anlaut vielfach [st], und [sp], so in Stil, Struktur, sporadisch. Präkonsonantisches r
wird meist zum [B]-Schwa vokalisiert, z. B. in Schirm, erben, horchen, während r nach a
schwindet, so dass Bart/Bad, Narren/nahen lautgleich werden.
Aus dem Vokalismus ist der relativ geringe Öffnungsgrad der kurzen Vokale Ϫ
<ü> Ϫ und Ϫ <ö> Ϫ zu nennen. Geschriebenes langes <ä> etwa in
Käse, nähen, spät wird außer in Vorarlberg und teilweise in Tirol meist als geschlossenes
[e:] realisiert, was in wählen, erzählen durchwegs gilt. In Fremdwörtern aus dem Französischen
wird entweder Nasalvokal beibehalten wie in [sa˜:s] ,Chance‘, [ba1la˜:s] ,Balance‘
oder es wird Vokal ϩ n artikuliert wie in [bal1ko:n] ,Balkon‘, [za1lo:n] ,Salon‘.
Das unbetonte e in Bote, Tage sowie in den Vorsilben be- und ge- wird nicht als
Schwalaut [e], sondern als leicht offenes [ε] artikuliert. In der Endsilbe -en bleibt dieser
Vokal nach den Nasalen m, n, ng erhalten, wie in kommen, lehnen, singen. Dagegen wird
der Vokal nach allen anderen Konsonanten wie in leiden, tappen, fallen usw. synkopiert
und werden die Plosive nasal gelöst. In der Endsilbe -er tritt durch die r-Vokalisierung
der [B]-Schwa ein. Hingegen wird die Vorsilbe er- stets [εB] ausgesprochen, was meist
auch für die Vorsilben ver-, zer als [fεB], [tsεB], gilt, die aber auch zu [fB], [tsB] abgeschwächt
werden können. In den Ableitungssilben -tum, -it, -ik, -iz hört man vielfach die
Kurzvokale [u] und [i].
Abweichende Schreibungen auf Grund anderer Vokalquantität sind Kücken statt Küken
und Geschoße statt Geschosse und ohne Auswirkungen auf die Aussprache zusammengeschriebenes
sodass neben so dass und Moriz neben Moritz. Dagegen gelten als
veraltet Verließ(e) statt Verlies(e) und dialektabhängiges Schleuße neben Schleuse.
3.2. Zum Formengebrauch
Vor allem Fremdwörter, doch auch einzelne Erbwörter zeigen Genusunterschiede, die
sich heute durch Anpassung an Deutschland gegenüber früher verringert haben. So heißt
es in Österreich gegenüber Deutschland meist das : die E-mail, das : die SMS, das : der
Puder, das : der Fries. Schwanken durch deutschen Einfluss herrscht etwa in der/das :
das Abszess, der/das : der Prospekt, das/die : die Vokabel. Gegenüber Deutschland gilt in
Österreich nur ein Genus in das : der/das Biskuit, das: der/das Gulasch, das : der/das
Sandwich, das : die/das Coca-Cola. Alle drei Genera zeigt Joghurt: in Vorarlberg mit
Deutschland und der Schweiz der, sonst das, in Ostösterreich teilweise auch die. Genusunterschiede
können auch Formunterschiede auslösen. So heißt es gegenüber Deutsch-
V. Variation und Sprachkontakt366
land der Schranken : die Schranke, der Akt : die Akte, der Karren : die Karre, der Scherben
: die Scherbe, die Zehe : der Zeh, das Offert : die Offerte. In der Pluralbildung wird
häufig umgelautet, so in die Erlässe, Wägen, Krägen, Pölster. In französischen Fremdwörtern
gilt in Österreich -s-Plural in die Parfums : Parfu/üme, die Interieurs : Interieure,
die Billiards : Billarde und -en-Plural in die Saisonen : Saisons, die Fassonen : Fassons, die
Cremen : Cremes. Umgangsprachliche -n-Plurale nach -l in Neutra werden in Austriazismen
häufig auch geschrieben, so die Mädeln, Würsteln, (Brat)hendeln, Brezeln.
3.3. Zur Wortbildung
Die Diminutivbildung erfolgt dialektal und umgangssprachlich auf zweifache Weise, indem
in Ost- und Südösterreich meist zum Ausdruck des Kleinen -(e)l und mit persönlich-emotionalem
Bezug -erl verwendet wird. In Westösterreich lauten die beiden Formen
in Oberkärnten und im größten Teil von Tirol -(e)l und -(e)le, aber in Westtirol und im
alemannischen Vorarlberg nur einheitlich -(e)le. So heißt es z. B. Kindel : Kinderl bzw.
Kindel : Kindle sowie in Westtirol nur Kindle und in Vorarlberg Kindele. Während schriftsprachlich
meist -chen und bei Wörtern auf -ch -lein gilt, z. B. Nachtkästchen, Fläschchen,
Tüchlein, zeigen Austriazismen und stark umgangssprachlich gebundene Wörter die lFormen.
Formale Diminuierungen ohne semantischen Verkleinerungsbezug sind Würstel,
(Salat)häuptel ,Salatkopf‘, Kipfel ,Hörnchen‘, Krügel, ,halber Liter Bier‘, Hendel
,Huhn‘, Brezel. Ihre echten Diminuierungen werden dann mit -erl bzw. -(e)le gebildet.
Solche feste Austriazismen sind z. B. Sackerl ,Tüte‘, Zuckerl ,Bonbon‘, Salzstangerl ,längliches,
mit Salz bestreutes Gebäck‘, Schwammerl ,Pilz‘, Stamperl ,Schnapsgläschen‘, Stockerl
,einfacher Hocker aus Holz‘, Pickerl ,Autoprüfmarke‘, deren Plural meist -erln lau-
tet.
In der Komposition wird bei starken Maskulina und Neutra die Fügung im Genitiv
Singular mit -s bevorzugt, so dass es Gesangsverein, Gelenksentzündung, Rindsbraten,
Schweinsbraten heißt. Als bloßes Fugenzeichen wird es auch auf Feminina übertragen
wie Fabriksarbeiter, Aufnahmsprüfung. Ein historisches Genitiv-s zeigt auch das Adverb
durchwegs.
3.4. Zur Syntax
Unter wenigen typischen Eigenheiten ist hier der mündliche und zunehmend auch schriftliche
oberdeutsche Gebrauch des Perfekts an Stelle des Imperfekts als Erzählzeit der
Vergangenheit hervozuheben, z. B. ich habe gezahlt, ich bin gegangen. Ferner gilt in ebenfalls
oberdeutscher Weise bei einigen Zustands- und Bewegungsverben die Perfektbildung
mit sein, z. B. ich bin gesessen, gelegen, gestanden, gekniet.
Ferner erfolgt gegenüber Deutschland ein zum Teil abweichender oder zusätzlicher
Gebrauch von Präpositionen, z. B. er kommt auf : zu Besuch, sie gehen auf : in Urlaub,
er macht eine Prüfung aus : in Chemie, er hat auf : Ϫ den Geburtstag vergessen, wir
bleiben für : Ϫ zwei Wochen. Statt auf dem ist die dialektale und umgangssprachliche
Kontraktion am schon länger standardsprachlich üblich, z. B. am Land, am Bauernhof.
35. Deutsch in Österreich: Standard, regionale und dialektale Variation 367
Schließlich erfolgt in Nebensätzen mit mehrteiligem Prädikat aus haben und den Infinitiven
eines Voll- und Modalverbs die Abfolge Vollverb ϩ haben ϩ Modalverb, während
in Deutschland haben die Spitzenstellung einnimmt, z. B. Eine Stimme, die ich ohne weiteres
als eine allererste bezeichnen hätte können (Th. Bernhard).
3.5. Zum Wortschatz
Den auffälligsten Anteil am österreichischen Deutsch macht der Wortschatz aus. Dabei
gibt es über neutrale Austriazismen hinaus wie Fensterstock : Fensterlaibung, Sprossenkohl
: Rosenkohl, Geld beheben : abheben, sich verkühlen : sich (v)erkälten, auch sprachsoziologisch
gebundenen Wortschatz. So gehören etwa der Umgangssprache an Watsche
für Ohrfeige, hantig für barsch, picken für kleben und sind saloppe Ausdrücke Flasche
für Ohrfeige, Haberer für Freund, hackeln für arbeiten.
Obwohl alle Sachgebiete betreffend, gibt es ein unterschiedlich starkes Vorkommen
des österreichischen Wortschatzes. Anhand einer charakteristischen Auswahl von 420
Wörtern bringt Ammon (1995, 157 ff.) eine achtteilige Gliederung, wobei Speisen und
Mahlzeiten (Pohl 2007) sowie die Verwaltungssprache (Wiesinger 2008, 105Ϫ132) die
umfänglichsten Bereiche bilden. Hinzuweisen ist, dass Österreich 1994 im Rahmen der
Aufnahmeverhandlungen in die Europäische Union 23 Lebensmittelbezeichnungen für
den Warenverkehr mit Österreich festschreiben ließ, u. a. Marille, Kren, Topfen (De Cilia
1995; Wiesinger 2008, 133Ϫ143).
Nicht aller zum österreichischen Deutsch zählender Wortschatz ist auf Österreich beschränkt.
Über solchen hinaus gibt es sowohl räumliche Grenzüber- als auch Grenzunterschreitungen.
Hinsichtlich seiner Stellung im Rahmen der deutschen Sprache lässt sich
der österreichische Wortschatz nach seiner Verbreitung in fünf Bezeichnungs- und eine
sechste Bedeutungsgruppe gliedern. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass heute durch Mobilität,
Fremdenverkehr und Medienverbund einerseits Austriazismen passiv über Österreich
hinaus bekannt sind und umgekehrt Österreicher auch typische Ausdrücke aus
Deutschland kennen, wie es überhaupt zunehmend Einflüsse aus Deutschland gibt, wodurch
vor allem bei der jüngeren Generation Unsicherheit eintritt (Wiesinger 2008, 145Ϫ
164). Die fünf Bezeichnungsgruppen lassen sich in grenzüberschreitenden unspezifischen
österreichischen Wortschatz der Gruppen 1 und 2 und in spezifischen gesamt- oder teilösterreichischen
Wortschatz der Gruppen 3 bis 5 einteilen:
1. Oberdeutscher Wortschatz, der Österreich mit Süddeutschland und der Schweiz
gegen Mittel- und Norddeutschland verbindet, z. B. Ferse : Hacke, Rechen : Harke,
Knödel : Kloß, Samstag : Sonnabend, heuer : dieses Jahr, kehren : fegen.
2. Bairisch-österreichischer Wortschatz auf Grund der gemeinsamen Stammesgrundlage
bzw. späterer Sprachbeziehungen in Österreich und (Alt)bayern, z. B.
Maut : Zoll, Kren : Meerrettich, Topfen : Quark, Germ : Hefe, Kluppe : Wäscheklammer,
einsagen : vorsagen (Schule).
3. Gesamtösterreichischer Wortschatz. Er umfasst einerseits die Verwaltungssprache
auf Grund der staatlichen Souveränität, z. B. Nationalrat : Bundestag, Landeshauptmann
: Ministerpräsident, Journaldienst : Bereitschaftsdienst, Kundmachung : Bekanntmachung,
Ansuchen : Gesuch, Abfertigung : Abfindung, Matura : Abitur. Andererseits
hat sich, zum Teil erst in den letzten Jahrzehnten, von der Bundeshauptstadt
Wien aus ein Verkehrswortschatz durchgesetzt, der erst zum Teil in Vorarlberg aufge-
V. Variation und Sprachkontakt368
griffen wird und sich deutlich vom angrenzenden Bayern abhebt, z. B. Tischler :
Schreiner (teilweise noch in Vorarlberg), Trafik : Tabakladen, Waren in Aktion : Sonderangebot,
Schularbeit : Klassenarbeit, sich verkühlen : sich (v)erkälten, Jause : Brotzeit,
Marille : Aprikose, Karfiol : Blumenkohl (ohne Vorarlberg); Faschiertes : Hackfleisch,
Gehacktes (ohne Vorarlberg); (Schlag)obers : (Schlag)sahne.
4. Ost- und westösterreichischer Wortschatz, der sich zwischen dem westlichen
Oberösterreich und Oberkärnten über Salzburg bis ins Nordtiroler Unterland scheidet,
wobei der Westen meist mit (Alt)bayern konform geht. Selten liegt westliches
Vordringen einer Neuerung vor wie bei Metzger : Fleischhauer (älter Fleischhacker)
und Fasnacht : Fasching, meist handelt es sich um östliche Neuerungen, wie Rauchfang
: Kamin, Bartwisch : Kehrwisch ,Handbesen‘, Ribisel : Johannisbeere, Krügel :
Großes Bier.
5. Regionaler Wortschatz. Er begegnet für regional beschränkte Einrichtungen, Gegenstände
und Vorgänge wie z. B. im ostösterreichischen Weinbaugebiet Weinbauer
oder Weinhauer für den Winzer, Sturm für den gärenden Traubensaft, Heuriger für
den frischgegorenen neuen Wein. Hierher stellt sich auch Vorarlberg, das seine Eigenheiten
vielfach mit dem angrenzenden Allgäu und/oder der (Ost)schweiz teilt, wie
schaffen : arbeiten, Schreiner : Tischler, Lauch : Porree, Blumenkohl : Karfiol, Alp :
Alm, Kilbi : Kir(ch)tag ,Kirchweihfest‘.
6. In Österreich weist eine Reihe von Bezeichnungen eine eigene oder eine über die allgemeine
deutsche Bedeutung hinausgehende Zusatzbedeutung auf, wobei die Verbreitungen
den Gruppen 1Ϫ3 entsprechen, z. B. Sessel ,einfaches Sitzmöbel mit Lehne‘
(sonst Stuhl), Fauteuil ,bequemes gepolstertes Sitzmöbel‘ (sonst Sessel), Pension ,Altersversorgung
allgemein‘ (in Deutschland nur der Beamten, sonst Rente); Bäckerei
auch ,süßes Kleingebäck‘, Koch auch ,Brei‘, Knopf auch ,Knoten‘, Anstand haben
,durch Beanstandung Ärger bekommen‘.
3.6. Zur Pragmatik
Kaum untersucht sind die zum Teil auch gesellschaftlich unterschiedlichen Verwendungsweisen
des gemeinsamen Wortschatzes wie überhaupt die Ausdrucksweise, wobei die
mündlichen Sprachvarietäten auch für die Standardsprache bedeutsam sind. So geht
man, wenn man krank ist, in Österreich zum Doktor, in Deutschland zum Arzt. Hat sich
in Österreich jemand den Fuß gebrochen, fährt ihn die Rettung ins Spital, während man
in Deutschland Bein, Krankenwagen, Krankenhaus sagt. Wie teilweise auch noch in Süddeutschland
ist es in Österreich nicht üblich, beim Grüßen und bei der Anrede gegenüber
Bekannten den Namen zu verwenden. Dass sich Österreicher besonders gegenüber der
meist kurz angebundenen direkten norddeutschen Verhaltensweise liebenswürdig und
wortreich, ja manche zum Teil sogar umständlich und wiederholend ausdrücken, ist auch
ein pragmatischer Zug (Muhr 1993b).
4. Das österreichische Deutsch im Unterricht von Deutsch
als Fremdsprache
Wie Deutschland und die Schweiz betreibt auch Österreich im Ausland Deutschunterricht
unter Zugrundelegung des österreichischen Deutsch sowie Unterricht in österreichi-
35. Deutsch in Österreich: Standard, regionale und dialektale Variation 369
scher Landeskunde und in österreichischer Literatur vor allem der Gegenwart (Wiesinger
2008,165Ϫ175). Angesichts der plurizentrischen bzw. pluriarealen Gestaltung der deutschen
Sprache ist es trotz des damit verbundenen Mehraufwandes nicht länger angebracht,
Deutsch als Einheitssprache zu lehren (Krumm 1997). Dies kann in der Weise
geschehen, dass als Orientierungspunkt für die zu vermittelnde Norm das nächstliegende
geografische Land gewählt wird und ausgehend vom gemeinsamen sprachlichen Grundbestand
allmählich und besonders ab der Mittelstufe die Varianten einbezogen und bewusst
gemacht werden. Außerdem empfiehlt es sich, hinsichtlich der standardsprachlichen
Aussprache auch das muttersprachliche Verhalten der Deutschlernenden einzubeziehen
und den gemeinsamen Lautbestand zu nützen, soweit es die tatsächlichen
standardsprachlichen Gebrauchsweisen des Deutschen zulassen. Auch in der Landeskunde
ist es erforderlich, der Verschiedenheit der deutschsprachigen Länder Rechnung
zu tragen. Die auf solche Weise erzielbare stärkere Realitätsnähe wird auch dazu beitragen,
bei den Deutschlernenden den oftmals auftretenden Erfahrungsschock beim Besuch
deutschsprachiger Länder zu mindern (Wiesinger 1997).
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36. Deutsch in der Schweiz: Standard, regionale und
dialektale Variation
1. Einleitung
2. Allgemeine Charakteristika der Situation
3. Hochdeutsch in seiner Schweizer Form
4. Mundarten und Hochdeutsch im Spannungsverhältnis
5. Literatur in Auswahl
1. Einleitung
Die Schweiz ist ein mehrsprachiger Staat, dessen Sprachenvielfalt durch die Verfassung
geregelt ist: Art. 18 der schweizerischen Bundesverfassung gewährleistet die Sprachenfreiheit
und Art. 70 hält im 1. Abschnitt fest: „Die Amtssprachen des Bundes sind Deutsch,
Französisch und Italienisch. Im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache ist auch
das Rätoromanische Amtssprache des Bundes.“ (BV 1999: Art. 70.1) Im 3. Abschnitt
von Art. 70 wird der Auftrag zur Förderung der Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften
formuliert: „Bund und Kantone fördern die Verständigung und den Austausch
zwischen den Sprachgemeinschaften.“ (BV 1999: Art. 70.3).