118. Fehleranalyse und Fehlerkorrektur 1059 118. Fehleranalyse und Fehlerkorrektur 6542 1. Forschungsgeschichtliche Positionen im Überblick 6543 2. Beschreibung und Analyse von Fehlern 6544 3. Die Erklärung von Fehlern 6545 4. Die Fehlerkorrektur 6546 5. Ein Blick auf die Fehlerbewertung 6547 6. Literatur in Auswahl 6548 1. Forschungsgeschichtliche Positionen im Überblick 6549 Bis in die 1960er Jahre hinein wurde der Fehler als die „Sünde“ des Fremdsprachenler- 6550 ners gesehen, mit der man zwar stetig rechnen müsse, die es aber auszumerzen gelte. Die 6551 Einsicht, dass Fehler nicht nur beim Erstspracherwerb natürliche Etappen und Zwischen- 6552 schritte auf dem Weg des Erwerbsprozesses darstellen, sondern darüber hinaus wichtige 6553 Erkenntnisse über diesen liefern, geht vor allem auf Arbeiten von Corder (1967) und 6554 Selinker (1972) zurück. Im Kontext dieses Einschätzungswandels veränderten auch die 6555 zahlreichen (empirischen) Forschungsarbeiten zum Fehler ihr Erkenntnisinteresse: Zu- 6556 nächst standen linguistisch orientierte Arbeiten im Vordergrund, in denen versucht 6557 wurde, Fehlertaxonomien zu erarbeiten, Fehler nach vorwiegend linguistischen Kriterien 6558 zu klassifizieren und Auftretenshäufigkeiten zu dokumentieren (vgl. u. a. De´byser, Houis 6559 und Rojas 1967; Kielhöfer 1975), Forschungsarbeiten zur genaueren Ursachenerklärung 6560 von Fehlern stellten sprachbedingte Gründe in den Vordergrund. Im Zusammenhang 6561 mit kontrastiven Sprachanalysen erhoffte man sich Aufschluss über Problembereiche des 6562 Lerners. Diese Analysen sollten zu einer begründeten Fehlertherapie und Fehlerprophy- 6563 laxe führen (vgl. hierzu den Sammelband von Nickel 1972). Bei unterschiedlichen Ele- 6564 menten und Regeln in Ausgangs- und Zielsprache wurden Lernschwierigkeiten und häu- 6565 fig auftretende Fehler (Interferenzfehler) erwartet, die man Ϫ noch ganz in der Tradition 6566 der audio-lingualen Methode Ϫ durch eine starke Steuerung des Lerners über bestimmte 6567 Übungsanordnungen, über deren unmittelbare Korrektur und durch mehrmalige Wie- 6568 derholung der korrekten Form zu therapieren gedachte. 6569 Als Reaktion auf die einseitige Beschäftigung mit Interferenzfehlern und Fehlererklä- 6570 rungen nach der Kontrastivhypothese, die eine systematische Beeinflussung der Grund- 6571 sprache auf den Erwerb der Zielsprache annahm, wurden verstärkt Analysen zu intralin- 6572 gualen Fehlerursachen (Übergeneralisierungen, Regularisierungen, Simplifizierungen) 6573 betrieben (vgl. z. B. Richards 1974; Wode 1978), die dann zur sogenannten Identitätshy- 6574 pothese führten (zur Darstellung einiger Erwerbshypothesen vgl. Kap. VIII in diesem 6575 Band). Hierbei ging man davon aus, dass prinzipiell gleiche Fehler beim Erst- und Zweit- 6576 spracherwerb auftreten, da gleiche Entwicklungsverläufe und -stufen auf allen sprach- 6577 lichen Ebenen anzunehmen seien. Die Ausschließlichkeitspositionen, die für den einen 6578 (Interferenzfehler) oder anderen (intralinguale Fehler) sprachlich orientierten Erklä- 6579 rungsmodus angenommen wurden, wurden abgelöst durch multikausale Erklärungen, 6580 die der Faktorenkomplexion beim fremdsprachlichen Lernen Rechnung tragen wollten. 6581 Mit der Annahme, dass Lerner in einem interaktiven Prozess (innerhalb und außerhalb 6582 X. Sprachenlehren: Zielsetzungen und Methoden1060 des Unterrichts, mit Personen und/oder Texten) kreativ eine eigene Lernersprache auf-6583 bauen, die keinesfalls nur linguistischen Kriterien folgt, wurden Fehler als nützliche Hin-6584 weise für die Analyse ebendieser Lernersprache gesehen, als Indikatoren für Lernfort-,6585 aber auch Lernstill- und Lernrückschritte (vgl. z. B. Bausch und Raabe 1978; Raabe6586 1980). In diesem Zusammenhang gerieten auch vermittlungsmethodische Konsequenzen6587 und damit die Fehlerkorrektur stärker in das Blickfeld der Forschungsaktivitäten (vgl.6588 z. B. Chaudron 1977; Hendrickson 1978; b). Parallel zu diesen Forschungsaktivitäten6589 und in Reaktion auf die nunmehr positive Sichtweise des Fehlers kristallisierte sich in6590 den Ϫ zu dieser Zeit häufig eingesetzten Ϫ kommunikativen Vermittlungsverfahren ein6591 äußerst toleranter Umgang mit Fehlern heraus. Vorrangiges Ziel war die Befähigung zur6592 Kommunikation, sprachliche Korrektheit war nachgeordnet. Im Kontext dieser Verfah-6593 ren ging man davon aus, dass Fehler, die die Kommunikation nicht beeinflussten, weitge-6594 hend ignoriert werden könnten. In den 1980er Jahren waren daher Forschungsarbeiten6595 zum fremdsprachlichen Korrigieren eher selten. Abgesehen von einigen praxisorientier-6596 ten Arbeiten (vgl. z. B. Bleyl 1984; Koutiva und Storch 1989) fällt forschungsmethodisch6597 die Arbeit von Henrici und Herlemann (1986) heraus, die Korrekturhandlungen klassifi-6598 zieren und analysieren. In den 1990er Jahren stieg das Interesse vor allem auch an empi-6599 rischen Forschungsaktivitäten im Bereich Fehler und Fehlerkorrektur wieder zunächst6600 stark an; einige Arbeiten schlossen sich nach der Jahrhundertwende an (Edmondson6601 1993; Havranek 2002; Kleppin und Königs 1991; Lochtmann 2002). Von Bedeutung für6602 die Forschung wurde vor allem der Versuch, das Phänomen Fehler und Fehlerkorrektur6603 in der Unterrichtsrealität zu erforschen und begründete Handlungskonsequenzen aufzu-6604 zeigen. In der Lernersprachenforschung zu DaF begrenzt man sich nicht auf die auftre-6605 tenden Fehler; vielmehr sollen Lernschwierigkeiten identifiziert werden, die sich in Feh-6606 lern äußern können, aber nicht müssen (Kordes 1993; Serra Borneto 2000).6607 2. Beschreibung und Analyse von Fehlern6608 Im Folgenden wird zunächst noch nicht zwischen schriftlichem und mündlichem Fehler6609 unterschieden. Untersuchungen zum Fehler beziehen sich jedoch bisher weitgehend auf6610 die schriftliche Repräsentation.6611 2.1. Die Identi izierung von Fehlern6612 Die Frage, was als Fehler zu gelten habe, beschäftigt Ϫ wenn auch zum Teil auf dem6613 Hintergrund unterschiedlicher Erkenntnisinteressen Ϫ Fremdsprachenlerner und -lehrer,6614 Linguisten, Sprachlehrforscher und Fremdsprachendidaktiker. Es gilt, Kriterien festzule-6615 gen, anhand derer eine begründete Entscheidung darüber gefällt werden kann, ob ein6616 Fehler vorliegt. Die Auswahl der Kriterien orientiert sich dabei an dem jeweiligen Be-6617 schreibungsinteresse und ist beeinflusst vom Stellenwert, der dem Fehler im Erwerbspro-6618 zess beigemessen wird. Darüber hinaus ist entscheidend, ob und wie Fehler in die Bewer-6619 tung von Lernerproduktionen eingehen.6620 118. Fehleranalyse und Fehlerkorrektur 1061 2.1.1. Sprachliche Korrektheit als Kriterium 6621 Als Fehler gilt hierbei eine Abweichung vom Sprachsystem, d. h. ein Verstoß gegen das 6622 Regelsystem einer Sprache (Beispiel 1: Ich *arbeitet in Deutschland) sowie gegen eine 6623 sprachliche Norm, wie sie in Grammatiken, Wörterbüchern oder Institutionen „festge- 6624 legt“ wurde. Die von Coseriu eingeführte Unterscheidung von Norm- und Systemverstoß 6625 hat vor allem in den 70er Jahren eine rege Diskussion über den Begriff des Fehlers nach 6626 sich gezogen (vgl. z. B. Nickel 1972; Cherubim 1980). Kritisiert wurde bei dem Begriffs- 6627 paar Sprachsystem/Sprachnorm vor allem die sich dahinter verbergende Annahme, es 6628 gäbe so etwas wie ein formales, vom Individuum unabhängiges Regelsystem und eine 6629 allseits akzeptierte linguistische Norm einer Sprache. 6630 Ebenso problematisch für die Fehleridentifizierung ist die Bezugsgröße des Sprachge- 6631 brauchs, der Sprachwirklichkeit, so wie „man“ in deutschsprachigen Ländern spricht. 6632 Eine vollständige und „wertneutrale“ Beschreibung von Sprache in unterschiedlichen 6633 Regionen und unterschiedlichen sozialen Schichten, anhand derer Lerneräußerungen zu 6634 überprüfen sind, ist für den Unterricht Deutsch als Fremd- und Zweitsprache weder 6635 handhabbar noch wünschenswert. 6636 2.1.2. Verständlichkeit als Kriterium 6637 Hierbei steht die Frage im Mittelpunkt, ob ein Fehler die Kommunikation behindert 6638 oder nicht. Im Extremfall hieße dies: Alles, was von einem möglichen Kommunikations- 6639 partner verstanden wird, gilt nicht als Fehler, selbst wenn Abweichungen von einer ge- 6640 lernten grammatischen Regel feststellbar sind. 6641 2.1.3. (Kulturelle) Situationsangemessenheit als Kriterium 6642 Thematisiert wird hierbei der verbale und nonverbale Verstoß gegen eine (sozio-kulturell) 6643 angenommene pragmatische Norm, der Verstoß gegen Verhaltenserwartungen in einer 6644 bestimmten Situation, z. B. gegen Regeln der Höflichkeit. 6645 2.1.4. Unterrichtsabhängige Kriterien 6646 Im Fremdsprachenunterricht kommt meist eine präskriptive Norm zur Geltung, wie sie 6647 z. B. dem Lehrwerk, der benutzten Grammatik zu Grunde liegt oder wie ein Lehrer sie 6648 vorschreibt. Ein Fehler ist demnach dann existent, wenn gegen diese Norm verstoßen 6649 wird und der Lehrer dies bemerkt. 6650 2.1.5. Flexible (lernerbezogene) Kriterien 6651 Je nach Situation wird entschieden, ob, bei wem und unter welchen Umständen ein 6652 Fehler zu ignorieren, zu tolerieren oder zu korrigieren, wie er zu gewichten und zu bewer- 6653 X. Sprachenlehren: Zielsetzungen und Methoden1062 ten ist. Es soll hierbei z. B. dem Lernstand entsprechend oder auch mit Blick auf indivi-6654 duelle Lernfortschritte korrigiert und/oder bewertet werden. Der Lerner und seine mögli-6655 chen Lernschwierigkeiten werden in den Mittelpunkt gestellt. Es interessiert demnach6656 nicht mehr allein, ob ein Fehler objektiv feststellbar ist.6657 2.2. Die Klassi ikation und Typisierung von Fehlern6658 Meist spricht man von Fehlertypen, wenn von typischen Fehlermanifestationen die Rede6659 ist. In fast allen Beiträgen zum Fehler bleibt die Aufteilung in Performanz- und Kompe-6660 tenzfehler (vgl. u. a. Nickel 1972; Rattunde 1977) nicht unerwähnt, die auf Corder (1967)6661 zurückgeht, wobei mit Kompetenzfehlern (errors) Verstöße bezeichnet werden, die außer-6662 halb der Beurteilungskompetenz eines Lerners liegen, sei es, dass er z. B. die betreffende6663 Struktur noch nicht gelernt hat, sie falsch verstanden hat, o. Ä. Unter Performanzfehler6664 (mistakes) hingegen werden neben reinen Flüchtigkeitsfehlern (slips of the tongue oder6665 auch lapses) Verstöße gerechnet, die durch noch unvollkommene Automatisierung von6666 z. B. Regeln und Strukturen bedingt sind. Sie können vom Lerner erkannt und eventuell6667 sogar selbst korrigiert werden. Eine Abwandlung der Aufteilung in Kompetenz- und6668 Performanzfehler findet sich z. B. bei Edge (1989). Er unterteilt Fehler nach ihrem Ort6669 im Lern- und Unterrichtsprozess in:6670 Ϫ Ausrutscher (slips), d. h. Fehler, die ein Lerner selbst korrigieren kann, wenn darauf6671 aufmerksam gemacht wird, dass er einen (schriftlichen oder mündlichen) Fehler be-6672 gangen hat.6673 Ϫ Irrtümer (errors), d. h. Fehler, die ein Lerner (nach Meinung des Lehrers) eigentlich6674 nicht machen sollte, da das entsprechende sprachliche Phänomen im Unterricht schon6675 behandelt wurde. Der Lerner hat es z. B. nicht verstanden oder vergessen. Diese Feh-6676 ler kann der Lerner nicht selbst korrigieren, auch wenn er darauf hingewiesen wird.6677 Ϫ Versuche (attempts), d. h. Fehler in Bereichen, die der Lerner eigentlich noch nicht6678 kennt und die deshalb auch kaum zu vermeiden sind.6679 Solche zunächst rein analytischen Unterteilungen beruhen meist auf Interpretationen6680 von Lernerprodukten; sie sollten möglichst über den Einbezug der Lerner (z. B. Lerner-6681 befragungen) abgesichert werden.6682 In anderen Typisierungen wie z. B. den Begrifflichkeiten manifester versus latentem Feh-6683 ler, sichtbarer versus unsichtbarem oder verdecktem Fehler, produktiver versus rezept-6684 ivem Fehler (vgl. zu unterschiedlichen Typisierungen z. B. Raabe 1980) wird der Tatsache6685 Rechnung getragen, dass Fehler nicht immer unmittelbar und offen in der (isoliert be-6686 trachteten) Lerneräußerung zu Tage treten müssen, dass z. B. die Kommunikationsab-6687 sicht des Lerners eine andere war als die in der betreffenden Äußerung realisierte, dass6688 er etwas falsch verstanden hat etc.6689 Ein Beispiel für einen rezeptiven Fehler:6690 Beispiel 2:6691 Lehrer: Wie lange bist du schon in Deutschland?6692 Lerner: *Ich bin hier bis Juni.6693 118. Fehleranalyse und Fehlerkorrektur 1063 Wenn Fehler bestimmten sprachlichen Ebenen zuzuordnen sind, wie z. B. phonetisch- 6694 phonologischer, morpho-syntaktischer, lexiko-semantischer Fehler, dann wird meist von 6695 Fehlerklassifikation gesprochen. Für die Unterrichtspraxis hatten solche Fehlerklassifi- 6696 kationen ihren besonderen Stellenwert bei der Korrektur und Bewertung schriftlicher 6697 Arbeiten. Es existierte zum Teil je nach institutionellem Kontext eine Reihe von Klassifi- 6698 kationsvorschlägen (vgl. für den wissenschaftlichen Kontext z. B. De´byser, Houis und 6699 Rojas 1967; für schulische Unterrichtskontexte z. B. Ständige Konferenz der Kultusmi- 6700 nister der Länder 2004). Wenn es um Klassifikationen geht, die für die Bewertung von 6701 Lernerproduktionen gedacht waren, so hat sich hier die in standardisierten Tests übliche 6702 kriteriale Bewertung spätestens seit dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen 6703 für Sprachen (GeR) (Europarat 2001) durchgesetzt, nach der Fehler nicht mehr klassifi- 6704 ziert, gewichtet und (über einen Fehlerquotienten) quantifiziert werden (s. unter 5.) Feh- 6705 lerklassifikationen haben also kaum noch einen Stellenwert für die Bewertung; für diag- 6706 nostische Zwecke und als Rückmeldungsinstrument für Lernende können sie allerdings 6707 ihren Nutzen bewahren, solange sie für Lernende nachvollziehbar sind. Im Rahmen wis- 6708 senschaftlicher Untersuchungen zur Lernersprache sind sie bedingt zu verwenden, da es 6709 sich bei der Einordnung in Klassifikationssysteme immer auch um Interpretationen von 6710 Lernerprodukten handelt. 6711 3. Die Erklärung von Fehlern 6712 Fehlererklärungen unterlagen eine Zeit lang theoretischen Konstrukten im Bereich des 6713 Fremd- und Zweitspracherwerbs (s. unter 1.). Erst mit der Diskussion der Interlanguage- 6714 Hypothese (vgl. zu einer theoretischen Verortung von Fehlerursachen Raabe 1980) wur- 6715 den monokausale von multikausalen Erklärungen abgelöst. 6716 Eine mögliche Zusammenstellung von Ursachen: 6717 Ϫ Einfluss durch die Muttersprache oder durch andere Sprachen: Interferenz 6718 Beispiel 3 (eines französischen oder auch spanischen Muttersprachlers): Ich *habe 6719 *zwanzig und zwei Jahre. 6720 Ϫ Einfluss durch Teile der Fremdsprache selbst: intralingualer Transfer wie Übergenera- 6721 lisierung, Regularisierung, Simplifizierung 6722 Beispiel 4: Er *möchtet wie ein Erwachsener behandelt werden. Schüler sind *gefühlsam. 6723 Frauen machen viele *Problemen. 6724 Ϫ Einfluss durch Strategien der Kommunikation 6725 Beispiel 5: Der Lerner übernimmt bewusst aus einer anderen Sprache einen Ausdruck, 6726 von dem er annimmt, dass sein Kommunikationspartner ihn verstehen kann. Es geht 6727 ihm vor allem darum, die Kommunikation aufrechtzuerhalten. 6728 Ϫ Einfluss durch Lernstrategien 6729 Beispiel 6: Der Lerner versucht, in der Kommunikation eine Lücke in seiner ziel- 6730 sprachlichen Kompetenz dadurch zu schließen, dass er ein Wort neu zusammensetzt, 6731 wie z. B.*Zusammenraum für Gemeinschaftsraum. Er kann dabei außerdem seinen 6732 Kommunikationspartner Ϫ verbal oder nonverbal Ϫ bitten, ihm den korrekten Aus- 6733 druck zu nennen. Er möchte also etwas dazulernen. 6734 Ϫ Einfluss durch Elemente des Fremdsprachenunterrichts, z. B. Übungstransfer 6735 Beispiel 7: Ein gerade häufig geübtes grammatisches Phänomen (z. B. der Konjunktiv) 6736 wird auch dort verwendet, wo seine Verwendung falsch ist. 6737 X. Sprachenlehren: Zielsetzungen und Methoden1064 Ϫ Einfluss durch persönliche Störfaktoren6738 Beispiel 8: Fehler aufgrund von Müdigkeit, Stress, Vergessen6739 Ϫ Einfluss durch sozio-kulturelle Faktoren6740 Beispiel 9: pragmatische Fehler, die dadurch entstehen, dass ein verbales oder nonver-6741 bales Verhalten auf die zielsprachliche Situation übertragen wird, in der dieses Verhal-6742 ten als unhöflich und/oder Ϫ wie im folgenden konkreten Beispiel Ϫ als anmaßend6743 betrachtet wird. *Ich habe in Internet gelesen, dass Sie der Professor des DaF Instituts6744 sind. Ich helfen viele Studenten aus China nach Deutschland zu studieren. Ich habe ein6745 Ideen, dass wir zusammen arbeiten koennten!!6746 4.6747 Die Fehlerkorrektur 4.1.6748 Die schri tliche Fehlerkorrektur In der deutschsprachigen Fachliteratur zur schriftlichen Fehlerkorrektur galt das Inte-6749 resse bis zur Umorientierung der Bewertung, die durch den GeR und durch die Bewer-6750 tungspraxis in standardisierten Tests (vgl. z. B. Grotjahn und Kleppin 2008) angestoßen6751 wurde, meist der Klassifikation und Quantifizierung von Fehlern, die auch in die Leis-6752 tungsbewertung einging (vgl. u. a. Weller 1991). Zwar wird eine Bewertung nicht mehr6753 allein auf der Fehleranzahl basieren können, dennoch werden Fehler auch weiterhin ge-6754 kennzeichnet werden (vgl. zur Bewertung unter 5.); denn Lerner sollten nach einer Kor-6755 rektur erkennen können, wo und welche Fehler in ihrer Produktion auftreten.6756 Folgende schriftliche Korrekturverfahren werden Ϫ kombiniert oder auch unabhän-6757 gig voneinander Ϫ eingesetzt:6758 Ϫ die einfache Fehlermarkierung, d. h. das Anstreichen oder Unterstreichen des Fehlers,6759 Ϫ die Fehlermarkierung mit Korrekturzeichen, d. h. das Anstreichen des Fehlers mit der6760 Angabe, um welchen Fehler es sich handelt, je nach Adressatengruppe z. B. auch unter6761 durchdachter und adaptierter Zuhilfenahme von Klassifikationsversuchen (für den6762 Unterricht Deutsch als Fremdsprache vgl. z. B. die Raster bei Schmidt 1994: 343;6763 Kleppin 1998),6764 Ϫ die Berichtigung durch den Lehrer, d. h. der Versuch des Lehrers, die Äußerungsab-6765 sicht des Lerners sprachlich korrekt zu rekonstruieren.6766 Da (empirische) Befunde darauf hinweisen, dass ein bewusstes Umgehen mit Fehlern das6767 Weiterlernen fördert und außerdem von Lernenden gewünscht wird (vgl. z. B. Gnutz-6768 mann 1992; Kleppin und Königs 1991: 292; Kordes 1993), muss auch der Besprechung6769 der aufgetretenen Fehler erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dabei sollten Ler-6770 nende dazu angeregt werden, selbstreflexiv und bewusst mit ihren Fehlern umzugehen,6771 Korrekturen und auf Fehler ausgerichtete Aufgaben als Anlass zum Lernen aufzufassen6772 (s. unter 4.3.).6773 4.2. Die mündliche Fehlerkorrektur6774 Untersuchungen zur Fehlerkorrektur und Ratschläge für das Lehrverhalten liegen insbe-6775 sondere seit den 1990er Jahren vermehrt für den mündlichen Bereich vor (vgl. u. a. Hen-6776 118. Fehleranalyse und Fehlerkorrektur 1065 rici und Herlemann 1986; Kleppin und Königs 1991; Krumm 1990; Lochtmann 2002; zu 6777 einem Überblick s. Tönshoff 2005), was nicht verwundert, da beim mündlichen Fehler die 6778 sich anschließenden Lehrer- und Lernerreaktionen den Unterrichtsverlauf entscheidend 6779 beeinflussen können und deren Beobachtung somit nicht nur für die Unterrichtsfor- 6780 schung von Interesse ist, sondern daraus auch begründet didaktische Hinweise abgeleitet 6781 werden können. 6782 Zum Teil werden in der Fachliteratur unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet; so 6783 wird z. B. Korrektur gegen Reparatur abgegrenzt (vgl. z. B. Rehbein 1984), wobei die 6784 Korrektur als eine Handlung gekennzeichnet wird, in deren Verlauf der Lernende seine 6785 Äußerungsabsicht aufgrund der Lehrerintervention aufgibt und dadurch in seiner Lern- 6786 tätigkeit eher behindert wird. Hingegen passt sich bei der Reparatur der Lehrende dem 6787 Handlungsfokus des Lernenden an. Ein Beispiel, in dem dieser Terminologie gemäß zu- 6788 nächst eine Korrektur und im Anschluss daran eine Reparatur auftritt, soll den Unter- 6789 schied verdeutlichen. Bei der Beobachtung und Analyse von Unterricht ist der Hand- 6790 lungsfokus des Lernenden allerdings nur in seltenen Fällen zu ermitteln: 6791 Beispiel 10: 6792 Lernerin: Die Frauen werden *untergeschätzt. 6793 Lehrerin: unterdrückt. 6794 Lernerin: unterdrückt, nein, nicht unterdrückt,* untergeschätzt. 6795 Lehrerin: unterschätzt. 6796 Wenn auch Unterschiede in der Terminologie insbesondere bei den Korrekturarten (z. B. 6797 explizite Lehrerkorrektur, direkte Lehrerkorrektur, fremdinitiierte Fremdkorrektur etc.) 6798 auftreten, so wird doch vor allem folgenden Fragen, die zum großen Teil auf Hendrick- 6799 son (1978) zurückgehen und bei Raabe (1982) weiter expliziert wurden, nachgegangen: 6800 Ϫ Sollen Lernerfehler korrigiert werden? 6801 Ϫ Wer korrigiert wen? (Der Lehrer, ein Mitlerner, derjenige, der den Fehler gemacht 6802 hat? Achtet man dabei auf die Persönlichkeit des Lerners und darauf, ob sich dieser 6803 eventuell durch Korrekturen gehemmt fühlt? etc.) 6804 Ϫ Was wird korrigiert? (Gibt es Fehler, die grundsätzlich zu korrigieren sind, wohinge- 6805 gen andere vernachlässigt werden (können)? Gibt es Fehler, die vom Lehrer schon 6806 fast automatisch korrigiert werden, z. B. weil sie wie morpho-syntaktische Fehler sehr 6807 einfach und schnell zu korrigieren sind? etc.) 6808 Ϫ Wann wird korrigiert? (Direkt nach der fehlerhaften Äußerung, am Ende eines Ler- 6809 nerbeitrags, in einer besonderen Korrekturphase? etc.) 6810 Ϫ Wie wird korrigiert? (Indem man zur Selbstkorrektur auffordert und dabei zunächst 6811 verbal oder nonverbal auf den Fehler hinweist; indem man eine verbale oder nonver- 6812 bale zusätzliche Hilfe hinzufügt; indem man auf den Fehler direkt mit der korrigierten 6813 Äußerung reagiert; indem man Erklärungen an die korrigierte Äußerung anfügt? etc.) 6814 Ϫ Welche affektive Qualität und welche Stimmführung benutzt man bei der Korrektur? 6815 (Stimmhebung, -senkung, freundlicher, tadelnder Ton? etc.) 6816 Ϫ Was macht man nach der Korrektur? (Wird die korrigierte Äußerung noch einmal 6817 wiederholt? etc.) 6818 Ϫ Wie reagieren Lernende auf Korrekturen? (Reagieren sie verunsichert, mit Angst? 6819 Wünschen Lernende Korrekturen? etc.) 6820 X. Sprachenlehren: Zielsetzungen und Methoden1066 Ϫ Welche Effekte haben Korrekturen überhaupt? (Verändern Korrekturen das sprachli-6821 che Verhalten von Lernern, Mitlernern? etc.)6822 Empirische Untersuchungen zur mündlichen Fehlerkorrektur erzielen durchaus wider-6823 sprüchliche Ergebnisse, vor allem wenn es um Effekte von Lehrerkorrekturen geht (vgl.6824 Hecht/Green 1991, 618), was nicht verwundert, zieht man die begrenzten Möglichkeiten6825 empirischer Unterrichtsforschung im Bereich der Wirkung von Unterrichtsmaßnahmen6826 in Erwägung: (Langfristige) Effekte sind kaum beobachtbar, das Nichtauftreten be-6827 stimmter vormals korrigierter Fehler muss nicht auf Korrekturmaßnahmen zurückge-6828 führt werden, andere Faktoren können intervenieren etc. Dennoch stimmen Folgerungen6829 für den Unterrichtsprozess aus Befunden empirischer Untersuchungen sowie didaktische6830 Empfehlungen, die sich auf Beobachtungen und Erfahrungen in der Unterrichtspraxis6831 stützen, in wesentlichen Punkten überein:6832 Ϫ Die positive Einschätzung von Fehlern Ϫ wie sie im Titel eines Beitrags von Krumm6833 (1990) „Ein Glück, daß Schüler Fehler machen“ zum Ausdruck kommt, hat dazu6834 geführt, dass eine aktive Auseinandersetzung mit Lernerfehlern im Unterricht gefor-6835 dert wird. Im Übrigen scheinen auch die in der Praxis Betroffenen, und zwar nicht6836 nur Lehrenden, sondern auch die Lernenden Korrekturen eine positive Einstellung6837 entgegenzubringen (vgl. u. a. Kleppin/Königs 1991: 272, 292).6838 Ϫ Einigkeit besteht vor allem darin, dass ermutigend, nicht sanktionierend und nicht6839 bloßstellend (vgl. u. a. Krumm 1990: 102; Schmidt 1994: 338) korrigiert werden sollte.6840 Diesem Wunsch geben auch Ϫ was nicht verwundert Ϫ Lerner mit den unterschied-6841 lichsten kulturellen Hintergründen Vorrang vor allen anderen Wünschen. Wird ihm6842 nicht nachgekommen, so sind gerade im Bereich der mündlichen Fehlerkorrektur6843 Auswirkungen auf den gesamten Unterrichtsprozess und den Lernprozess des einzel-6844 nen Lerners zu befürchten (Kleppin und Königs 1993).6845 Ϫ Häufig werden Empfehlungen gegeben, das Korrekturverhalten dem jeweiligen Un-6846 terrichtsfokus anzupassen und z. B. in einer schwächer gesteuerten Ϫ möglicherweise6847 eher mitteilungsbezogenen Ϫ Unterrichtsphase weniger oder anders, nämlich eher mit6848 einer korrigierten Wiederaufnahme der vormals fehlerhaften Äußerung (indirekte6849 oder auch implizite Korrektur) zu reagieren, Fehler mitzunotieren und in einer an-6850 schließenden Korrekturphase zu behandeln o. Ä. (vgl. z. B. Schmidt 1994: 337). Klep-6851 pin und Königs (1991: 277) stellten diese Ϫ an sich sinnvolle Empfehlung Ϫ auch in6852 subjektiven Theorien fest, die über persönliche Interviews mit Fremdsprachenlehrern6853 elizitiert wurden. In der beobachteten Unterrichtspraxis allerdings lässt sich ein solch6854 differenziertes Verhalten nicht immer durchhalten. Vielmehr scheinen Lehrer über be-6855 stimmte Korrekturtechniken zu verfügen, die sie grundsätzlich in allen Phasen anwen-6856 den und die damit teilweise zu Korrekturroutinen geraten. Häufig treten insbesondere6857 direkte Korrekturen (explizite Korrektur des fehlerhaften Teils der Äußerung durch6858 den Lehrer) und die Initiierung von Selbstkorrekturen auf. Für die Praxis empfehlen6859 z. B. Kleppin und Königs (1991: 296Ϫ301 ) und Kleppin (1998), sich nicht nur mit6860 unterschiedlichen Korrekturtechniken auseinanderzusetzen und diese auch mit der6861 jeweiligen Lernergruppe zu besprechen, sondern Korrekturroutinen dadurch aufzu-6862 brechen, dass z. B. bei der Planung einer Unterrichtsstunde die Entscheidung für6863 eine Ϫ und eben auch für die nicht vom Lehrer bevorzugte Ϫ Korrekturtechnik im6864 Voraus getroffen wird.6865 Ϫ Bewusstmachenden Korrekturmaßnahmen, die zur Reflexion über die eigenen Fehler6866 anregen und zu Selbstkorrekturen führen sollen, wird in vielen Publikationen ein posi-6867 118. Fehleranalyse und Fehlerkorrektur 1067 tiver Stellenwert zugesprochen, insbesondere auch im Kontext eines Entwicklungs- 6868 prozesses zum autonomen selbstreflexiven Lerner (vgl. u. v. a. Hecht und Green 1991; 6869 Gnutzmann 1992; Kleppin und Königs 1991: 291). Wie schon Raabe (1982) beobach- 6870 tete, lassen sich nämlich Lehrende in vielen Fällen dazu verleiten, gerade die Fehler 6871 direkt zu korrigieren, bei denen dies besonders leicht zu bewerkstelligen ist, wie z. B. 6872 bei morpho-syntaktischen Fehlern. Allerdings könnten diese Fehler mit hoher Wahr- 6873 scheinlichkeit auch von den Lernenden selbst erkannt und korrigiert werden, da sie 6874 zu großen Teilen dem Bereich der so genannten Performanzfehler zugerechnet werden 6875 dürften. 6876 Korrekturmaßnahmen, die Selbstkorrekturen initiieren sollen, können auf die un- 6877 terschiedlichsten Arten realisiert werden, z. B. über einen Anakoluth, die verbale oder 6878 auch nonverbale (z. B. Stirnrunzeln, zweifelnder Blick) Feststellung, dass in der vorlie- 6879 genden Lerneräußerung ein Fehler aufgetreten ist. Solche Initiierungen von Selbstkor- 6880 rekturen können außerdem mit nonverbalen Hilfen versehen werden: 6881 Beispiel 11: Lerner: Gestern, *ich habe … Lehrer: (überkreuzt beide Hände, um die Umstellung anzuzeigen) Für die Praxis des DaF-Unterrichts empfiehlt z. B. Kleppin (2006) einen verstärkten Einsatz von nonverbalen Hilfen bei der Initiierung von Selbstkorrekturen, da sie ent- 6882 scheidende Vorteile besitzen: 6883 Ϫ Sie sind meist wesentlich kürzer als verbale Hilfen und damit zeitökonomischer. Ϫ Sie sind einprägsam und als Aufmerksamkeitssignal hervorragend geeignet. Ϫ Sie beeinflussen nicht so stark die Unterrichtsinteraktion wie verbale Eingriffe; sie können vielmehr parallel zu den Äußerungen des jeweiligen Lerners erfol- 6884 gen. 6885 Ϫ Sie sind daher flexibel und lernerorientiert einsetzbar (z. B. können nonverbale Signale in der Gruppe erfunden und abgesprochen werden) und können zu 6886 einer günstigen Gruppenatmosphäre beitragen (z. B. humorvolle nonverbale 6887 Hilfen). 6888 Ϫ Im Großteil der neueren Fachliteratur zur mündlichen Fehlerkorrektur wird darauf 6889 verwiesen, dass Korrekturmaßnahmen mit den Lernenden besprochen werden sollten, 6890 dass sich Lehrende vor allem (mit Hilfe von Gesprächen, anonymen schriftlichen 6891 Befragungen und Fragebogen) über Wünsche und Bedürfnisse der Lernenden infor- 6892 mieren und sie so weit wie möglich in ihr Verhaltensrepertoire integrieren sollten. 6893 4.3. Fehlerau gaben und andere Maßnahmen zum bewussten Umgang 6894 mit Fehlern 6895 Fehler und das „selbst“bewusste Umgehen mit ihnen bieten ein Repertoire für Übungs- 6896 und Aufgabenanlässe und für Ϫ so weit wie möglich individualisierte Ϫ Rückmeldungen 6897 und Beratungen. Vorgeschlagen werden u. a. (vgl. z. B. Kleppin und Raabe 2001; Kleppin 6898 und Mehlhorn 2008): 6899 X. Sprachenlehren: Zielsetzungen und Methoden1068 Ϫ Lernende lernen, ihre Fehlerursachen zu erkennen. Z. B. wird beim Bearbeiten neuen6900 Sprachmaterials darüber nachgedacht, wo möglicherweise bei der Sprachanwendung6901 demnächst Fehler auftreten werden. Dabei kann es sich z. B. um mögliche Interferen-6902 zen handeln. Durch derartige Verfahren sollen Lernende dabei unterstützt werden,6903 ihre eigenen Fehler vorauszusehen und beginnen, die Prozesse zu durchschauen, die6904 sich in ihrem Kopf abspielen.6905 Ϫ Fehlerhafte Aussagen können von Lernern im Hinblick auf ihre Ursachen bearbeitet6906 werden. „Interessante“ Fehler können gesammelt werden, Ursachen können erraten6907 werden und gleichzeitig kann gemeinsam überlegt werden, ob man diese Fehler selbst6908 auch schon begangen hat. Da Fehler in der Leistungsbewertung nicht mehr den nega-6909 tiven Stellenwert haben (sollten) (s. unter 5.), kann im Unterricht ihre Behandlung6910 selbstverständlicher und für Lernende angstfreier ansetzen. Hier ist allerdings ein län-6911 gerer Prozess des Umdenkens vonnöten.6912 Ϫ Lerner entwickeln Sprachbewusstheit, indem durchgehend auf andere Sprachen re-6913 kurriert wird. Der Lehrer kann z. B. Fragen stellen, die Lerner dazu anregen, Bezüge6914 zu ihrer/ihren Muttersprache/n herzustellen. Vergleiche können gezogen, Transfer-6915 möglichkeiten genutzt und Abgrenzungen geklärt werden.6916 Ϫ Lernende üben, Fehler oder auch fehleranfällige Bereiche selbst zu entdecken. Aller-6917 dings sollte die Entwicklung von Sprachbewusstheit Spaß machen, nicht zuletzt um6918 das Umdenken im Hinblick auf Fehler zu erleichtern. Das Entdecken fehlerhafter6919 Ausdrücke in spielerischer Form, die Belohnung für die meisten entdeckten Fehler in6920 einem Text etc. soll Lernende überhaupt erst dazu anregen, sich mit fehlerhaften6921 (nicht nur den eigenen) Texten zu beschäftigen. Darüber hinaus können sie z. B. auch6922 darüber nachdenken, welche Lernschwierigkeiten die jeweilige Zielsprache bereithält6923 und welche Fehler dabei auftreten könnten. Natürlich äußern sich Lernschwierigkei-6924 ten nicht grundsätzlich in Fehlern, etwa auf Grund von Vermeidung bestimmter6925 sprachlicher Phänomene o. Ä.6926 Ϫ Lerner lernen, den eigenen Lernprozess zu überwachen, indem Selbstreflexionen über6927 den Lernprozess angeregt werden, die nicht nur den jeweiligen Lernstand betreffen6928 (z. B. bei der Nutzung von Sprachenportfolios), sondern die sich auch auf typische6929 und häufig vorkommende Fehler zu einem bestimmten Zeitpunkt beziehen. Dazu6930 können z. B. individuelle Fehlerprotokolle oder auch Fehlerstatistiken dienen, die6931 nach Kategorien wie „Meine wichtigsten Fehler“, „Will ich unbedingt abschaffen“,6932 „Vermeidung noch zu schwierig für mich“ geordnet werden könnten; Korrekturen6933 können von den Lernern selbst erarbeitet werden.6934 5. Ein Blick au die Fehlerbewertung6935 Trotz des mittlerweile erkannten Stellenwertes von Fehlern im Lernprozess werden sie6936 zum Teil immer noch als ein Indikator für mangelnde Leistung sowohl im schriftlichen6937 als auch im mündlichen Ausdruck betrachtet. Die Fehleranzahl und -dichte scheint zu-6938 nächst einmal ein „verlässlicher Zählwert“ zu sein. Dies äußert sich zum Teil noch in der6939 Berechnung eines Fehlerquotienten für schriftliche Arbeiten. Der Fehlerquotient (Fq)6940 errechnet sich aus der Relation der Anzahl der Fehler (S F) und der Wörter (S W).6941 Solche Quantifizierungen sind keinesfalls unproblematisch. Denn es muss z. B. entschie-6942 118. Fehleranalyse und Fehlerkorrektur 1069 den werden, ob und welche Fehler nur einmal gezählt werden, weil sie Ausdruck des 6943 gleichen Defizits sind und wie die Fehler eventuell zu gewichten sind. Außerdem zeigt 6944 ein niedriger Fehlerquotient nicht unbedingt an, dass etwas „gekonnt“ wird; vielmehr 6945 könnte ein Lerner taktisch vorgegangen sein und nur das äußern, was er sicher weiß; er 6946 hat also möglicherweise seine Äußerungsabsicht reduziert, Redundanzen zur Erhöhung 6947 der Wortanzahl genutzt o. Ä. 6948 Die Empfehlungen des GeR (Europarat 2001) und die Hinwendung zur Kompetenz- 6949 orientierung zwingen hier zum Umdenken. Das Kriterium Korrektheit muss in Zukunft 6950 den positiv formulierten Kann-Beschreibungen folgen; so heißt es z. B. in Tabelle 3 des 6951 GeR zum qualitativen Merkmal Korrektheit bei der mündlichen Sprachkompetenz für 6952 Niveau B2: „Zeigt eine recht gute Beherrschung der Grammatik, macht keine Fehler, die 6953 zu Missverständnissen führen und kann die meisten Fehler selbst korrigieren“ (Europa- 6954 rat 2001: 37). Selbst für die schriftliche Produktion wird mittlerweile fast durchgängig 6955 bei standardisierten Tests (z. B. bei TestDaF), aber auch in den meisten Bewertungsanlei- 6956 tungen für die schulische Leistungsbewertung (s. z. B. bei Grotjahn und Kleppin 2008) 6957 dementsprechend vorgegangen. Zu beachten ist, dass kommunikativer Erfolg und gelun- 6958 gener sprachlicher Ausdruck je nach Adressatengruppe und deren Zielen (z. B. Schüler, 6959 Einwanderer, Fremdsprachenlehrer in der Ausbildung) mit dem Kriterium der sprachli- 6960 chen Korrektheit abgeglichen werden sollten. 6961 6. 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