[1151] XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte 127. Motivierung 1. Einleitung 2. Ansätze in der L2-Motivationsforschung 3. Von der Einsicht in die Motivationsstruktur zur Motivierung von Lernenden 4. Literatur in Auswahl 1. Einleitung Motivation ist zweifellos einer derjenigen Faktoren, dem die Fremdsprachendidaktik und fast alle Lehrenden gleichermaßen großen Einfluss wie auch das größte Interventionspotential (durch motivierenden Unterricht) zuweisen. Ansichten wie die, dass die (Lern)-Motivation von Fremdsprachenlernenden über die Gestaltung des Unterrichts verbesserbar ist, indem z. B. gezielt Unterrichtsformen, -inhalte und -materialien an die Lernenden angepasst werden, sind von jeher Teil der Fremdsprachendidaktik. In einer Steigerung der Motivation werden Chancen für verbesserte und schnellere Lernergebnisse gesehen. Unterrichtsmodelle, die sich möglichst nah an Beweggründen von Lernenden für das Fremdsprachenlernen orientieren, gelten dabei als besonders erfolgversprechend — sie sind aber gleichzeitig auch besonders aufwendig, da nicht davon auszugehen ist, dass Motivierungsstrategien universell wirksam sind, weil die Motiv-/Motivationsstruktur von Lernenden individuell geprägt ist. 2. Ansätze in der L2-Motivationsforschung Die Einsicht, dass Motivation ein individuell unterschiedlicher, mehrdimensionaler und dynamischer Faktor ist, ist ein Hauptergebnis der internationalen L2-Motivationsfor-schung bis dato. Motivation ist dabei aus der Perspektive des Lernenden konzeptionali-siert und untersucht worden, d. h., Beweggründe für das Fremdsprachenlernen und Willensbildungsprozesse von Lernenden stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit — weniger die äußeren Quellen, die diese Beweggründe und Prozesse (mit) initiieren und aufrechterhalten (bzw. hemmen und zum Erliegen bringen). 2.1. Die Rolle von Einstellungen und Orientierungen Im Rahmen des bis in die 1990er Jahre vorherrschenden und bis heute prominenten socio-educational model (vgl. exemplarisch Gardner 1985) wird die Relevanz von (positiven) Einstellungen von Lernenden zur L2 und zur damit verbundenen Kultur sowie von Orientierungen, die sich auf die Hauptbeweggründe und langfristigen Ziele zum 1152_XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte 33 Fremdsprachenlernen richten, betont. Dabei werden instrumentelle von integrativen Ori- 34 entierungen zum L2-Lernen unterschieden: Lernende sind danach instrumentell orien- 35 tiert, wenn die Annahme, dass die Zielsprache für das spätere Leben nützlich ist (z. B. 36 Verbesserung der Berufschancen), vorrangig das Lernen steuert, während eine integrative 37 Orientierung aus Interesse und Offenheit für fremde Kulturen erwächst — und dabei 38 insbesondere für die Zielsprachenkultur, gegenüber der positive Einstellungen vorherr- 39 sehen. Beide Orientierungen schließen sich nicht notwendigerweise aus; weitere spezifi- 40 sehe Orientierungen wie Reisemotive, Bildungsmotive und allgemeine Kontaktmotive wur- 41 den nachgewiesen (vgl. exemplarisch Clement und Kruidenier 1983). 42 In Bezug auf Deutsch als Fremdsprache konnte im Rahmen unterschiedlicher Länder- 43 Studien ermittelt werden, dass (neben länder- und regionenspezifischen Merkmalen) all- 44 gemeine Motivationstendenzen zu beobachten sind, die insbesondere die Instrumentalität 45 und den besonderen Status von Deutschkenntnissen (als Bereicherung des mehrsprachi- 46 gen Profils, in Ergänzung zu Englischkenntnissen) betonen (vgl. Riemer 2006a). 47 2.2. Die Rolle der Selbstbestimmung 48 Motivation und Motivationsintensität werden auch dadurch geprägt, dass der Anreiz 49 zum Lernen entweder vom Lernenden selbst ausgeht oder von außen kommt. Die Selbst- 50 bestimmungstheorie, die erst seit den 1990er Jahren in der Fremdsprachenforschung Be- 51 rücksichtigung findet, differenziert zwischen intrinsischen und extrinsischen Verhaltensre- 52 gulationen von Lernenden und bildet diese innerhalb eines Kontinuums zu-/abnehmen- 53 der Selbstbestimmung ab (vgl. exemplarisch Noels et al. 2000). Während intrinsisch 54 motivierte Lernende aus innerem Bedürfnis (Neugier, Selbstverwirklichung, Vergnügen) 55 eine Zielsprache lernen, benötigen extrinsisch motivierte Lernende Anreize, die außer- 56 halb der Lernaufgabe liegen. Vier Formen extrinsischer Verhaltensregulation werden un- 57 terschieden, die durch zunehmende Selbstbestimmtheit charakterisiert sind: (a) externale 58 Regulation (Konflikte sollen vermieden und Anerkennung gewonnen werden); (b) intro- 59 jizierte Regulation (Handeln folgt äußerem Druck und wird aus Pflichtgefühl erledigt); 60 (c) identifizierte Regulation (der Wert einer Lernaktivität wird erkannt und zum eigenen 61 Nutzen erledigt); (d) integrierte Regulation (die Lernaktivität ist als Ausdruck eines indi- 62 viduellen Bedürfnisses akzeptiert). 63 2.3. Die Rolle von Erfolgserlebnissen und Attributionen 64 Dass Erfolg nicht nur die Folge motivierten Verhaltens ist, sondern selbst auch das wei- 65 tere Lernen durch gesteigerte Motivation befördern kann, ist spätestens seit den 1980er 66 Jahren auch für das Fremdsprachenlernen nachgewiesen. Warum und welche Erfolgser- 67 lebnisse hierfür wichtig sind, ist Untersuchungsgegenstand der Attributionstheorie, die 68 Selbstkonzepte von Lernenden in Bezug auf ihre Wahrnehmung von Lernerfolgen/-miss- 69 erfolgen (z. B. Selbstwirksamkeit, Kontrollüberzeugungen, gelernte Hilflosigkeit) ins 70 Zentrum rückt. Danach können Erfolgserlebnisse die Motivation verstärken, Misserfolg- 71 serlebnisse sie schwächen. Erfolgserlebnisse wirken dann nachhaltig motivierend auf Ler- 72 nende, wenn diese den Erfolg auf ihre eigene Persönlichkeit und ihr eigenes Handeln 127. Motivierung 1153 zurückführen können. Haben Lernende regelmäßig den Eindruck, durch ihr Handeln nichts bewirken zu können, kann dies ein negatives Selbstbild verstärken und die Motivation nachhaltig beschädigen (vgl. exemplarisch Williams, Bürden und Al-Baharna 2001). 2.4. Motivation als Prozess Die vorgestellten theoretischen Modelle implizieren, dass gute Beweggründe in Kombination mit ausreichender Selbstbestimmung und vorhandenen Erfolgserlebnissen motiviertes Verhalten ergeben. Nach Gardner (1985: 50) besitzt motiviertes Lernen folgende Komponenten: "a goal, effortful behaviour, a desire to attain the goal and favourable attitudes toward the activity in question." Also sind außerdem Anstrengungen erforderlich (z. B. zum Lernen von Vokabeln, beim Lösen von fremdsprachlichen Aufgaben), die Lernende tatsächlich aufbringen müssen, und zwar andauernd, oft über Jahre hinweg. Hier ansetzende Modelle beschreiben die Entwicklung motivierten Handelns als Prozess der Umwandlung von Zielsetzungen und Beweggründen in Handlungsabsichten und schließlich Handlungen, wobei Lernende z. B. zwischen konkurrierenden Zielen auswählen und eine motivationale Schwelle überschreiten müssen, um Lernhandlungen tatsächlich auch zu initiieren und beizubehalten (vgl. exemplarisch Dörnyei und Otto 1998; Riemer 2006b). Diese motivationalen und volitionalen, sich im Lernenden vollziehenden Prozesse werden beeinflusst durch das jeweilige soziokulturelle Milieu (z. B. Einfluss von Eltern und Peers), vorhandene Lernmöglichkeiten (z. B. Mediennutzung) — und im Falle gesteuerten Fremdsprachenlernens ganz maßgeblich durch die Bedingungen des Fremdsprachenunterrichts (Lehrerpersönlichkeit, Lernergruppe, Lernmaterialien). 3. Von der Einsicht in die Motivationsstruktur zur Motivierung von Lernenden Anhand der Fülle der vorhandenen, auch kontrovers diskutierten theoretischen Ansätze (vgl. auch Art. 97), Komponenten und Prozesse in Bezug auf die L2-Motivation wird deutlich, dass hieraus nicht unmittelbar Konsequenzen für die Praxis des Fremd- und Zweitsprachenunterrichts hervorgehen können in der Form, dass das motivierende Potential spezifischer Lernarrangements, -materialien und Lehrtechniken generell prognostiziert werden könnte. Ganz im Gegenteil: Einsicht in die Komplexität, Dynamik und Individualität des Faktors Motivation muss sich in der allgemeinen Erwartung von Lehrenden (aber auch von Lernenden) spiegeln, dass Motivierungsstrategien in unterschiedlichen Lernkontexten ganz unterschiedliche Auswirkungen (und Nebenwirkungen) haben können. Für jede Lernergruppe sind — jeweils neu — Lernervoraussetzungen, Motive und Variablen der Willensbildungsprozesse zu beobachten und z. B. auf der Basis gemeinsamer Unterrichtsreflexionen zu diagnostizieren. Lernende handeln auf der Basis individueller Erwartungen und Ziele; motivieren kann nur, was für den Lerner in klarem Bezug zu seinen Erwartungen, Zielen und auch Bedürfnissen steht. Motivierung impliziert also die gezielte Auswahl an den Interessen und Bedürfnissen ausgerichteter Unterrichtsgegenstände, Materialien, Medien und Lehrtech- 1154_XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte 112 niken. Eine weitere Konsequenz aus der L2-Motivationsforschung ist die Unterstützung 113 der Lernenden bei der Festsetzung realistischer Lernziele (inkl. Zwischenziele) — gerade im in Bezug auf die spezifische Sprache Deutsch, die in vielen Regionen und auch im Konus text Deutsch als Zweitsprache als besonders schwere Sprache gilt. Und dementsprechend 116 müssen Lernende bei der Reflexion ihrer Lernfortschritte Hilfestellungen erhalten. Lang- 117 fristige Ziele und Erfolgserwartungen sind regelmäßig mittels zeitnaher Erfahrungen zu Iis aktualisieren und aufrechtzuerhalten. Lehrende sollen Lernende zu Erfolgserlebnissen 119 führen, die diese sich selbst zuschreiben und die sie selbst kontrollieren können — also 120 Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit der Lernenden stärken. In Kontexten, in denen 121 extrinsische Motivationen überwiegen, sollten Lernende dabei unterstützt werden (v. a. 122 in schulischen Pflichtkontexten), Formen stärker selbstbestimmter Lernmotivation zu 123 entwickeln, das heißt u. a. wahrzunehmen, dass Unterrichtsaktivitäten und Lerngegen- 124 stände für ihr gegenwärtiges und mutmaßlich ihr zukünftiges Leben von wirklicher Be- 125 deutung sind. Flankiert durch Maßnahmen, die Lernende dabei unterstützen, ihren eige- 126 nen Lernertyp besser kennenzulernen und ihr Lernstil-Repertoire wirklich auszuspielen 127 (und behutsam zu erweitern), implizieren solche Prinzipien eine Lehrhaltung, die Lerner- 128 autonomie fördert — auch indem Lernende grundsätzlich in unterrichtliche Entschei- 129 dungsprozesse involviert werden und wirklich Verantwortung für ihr eigenes Lernen 130 übertragen bekommen und wahrnehmen. 131 Allgemeine Motivierungsprinzipien wie die oben genannten sind im Rahmen unter- 132 schiedlicher Modelle präzisiert worden. Wicke (2004) stellt für den DaF-Unterricht mit 133 Jugendlichen „zehn einfache Regeln" auf, die u. a. auch die Notwendigkeit einer gemein- 134 samen Zielsetzung von Lerngruppen und die Eigenmotivation der Lehrkraft betonen. 135 DaF-Unterricht muss danach die Vorerfahrungen der Lernenden einbeziehen und an 136 vorhandenen Lernmotivationen anknüpfen. Die Lernenden sollen von Themen, Texten 137 und Aufgaben wirklich betroffen sein, sie müssen für die Lernenden relevant sein. Ler- 138 nende müssen so oft wie möglich Gelegenheit zur Anwendung des bereits Erlernten er- 139 halten (möglichst durch Verwendung authentischer Sprache auch in zielsprachlicher Um- 140 gebung), um dadurch auch Rückmeldung über ihren (erfolgreichen) individuellen Lern- 141 stand zu erhalten. Lehrer müssen Neugier und Interesse wecken und diese nicht einfach 142 voraussetzen. Auch sollen sie durch angemessenes Feedback das Selbstvertrauen der Ler- 143 nenden stärken und sie davon überzeugen, dass Lernen auch soziales Lernen ist (vgl. 144 Wicke 2004: 15 — 16). Die zentrale Rolle der Lehrkraft, ihrer Vorgehensweisen sowie ihrer 145 Haltung für den Motivationsprozess heben ebenfalls Apelt (1996), Düwell (1998) sowie 146 Dörnyei und Csizer (1998) hervor. Der bis heute am weitesten ausgearbeitete Vorschlag 147 stammt von Dörnyei (2001), der insgesamt 35 (weiter unterteilte) Motivierungsstrategien 148 unterscheidet, die Maßnahmen vorsehen zur (a) Herstellung grundlegender motivationa- 149 1er Bedingungen (z. B. unterstützende Unterrichtsatmosphäre, gute Gruppendynamik); 150 (b) Entfaltung der Ausgangsmotivation (z. B. Verbesserung der Zielorientiertheit der Ler- 151 nenden, Anpassung von Lehrmaterialien); (c) Aufrechterhaltung der Motivation im wei- 152 teren Lernverlauf (z. B. motivierende Präsentation von Aufgaben, Lernerautonomieför- 153 derung); sowie zur (d) (positiven) Selbstevaluation der Lernenden (z. B. Verstärkung mo- 154 tivierender Attributionen, angepasste Feedbackverfahren). iss Maßnahmen zur Motivierung von Lernenden sind nur sehr eingeschränkt planbar, 156 insbesondere was die Prognose von Konsequenzen und Nebenwirkungen betrifft. Bereits 157 Solmecke (1983) hat mit seinem Motivations-Handlungsmodell verdeutlicht, dass eine iss Maßnahme zur Motivierung einer Gruppe immer auf unterschiedliche Fähigkeiten, Hai- 127. Motivierung 1155 tungen und Fertigkeiten der Lernenden trifft, nicht kalkulierbare (Selbst-)Bewertungen impliziert, die das motivierende Potential unterschiedlich zur Entfaltung bringen — oder eben nicht: Einfache Wenn-dann-Beziehungen sind also nicht herzustellen. Der Erfolg von Motivierungsmaßnahmen ist damit letztlich ein Spiegel gelungener Unterrichtsinteraktion und Gruppendynamik. 4. Literatur in Auswahl Apelt, Walter 1996 Motivation und Fremdsprachenunterricht — Bilanz und Ausblick. Fremdsprachenunterricht 40: 81-89, 166-171. Clement, Richard and Bastian G. Kruidenier 1983 Orientations in second language acquisition: I. The effects of ethnicity, milieu, and target language on their emergence. Language Learning 33: 273 — 291. Dörnyei, Zoltán 2001 Motivational Strategies in the Language Classroom. Cambridge: Cambridge University Press. Dörnyei, Zoltán and Kata Csizér 1998 Ten commandments for motivating language learners: results of an empirical study. Language Teaching Research 2: 203—229. Dörnyei, Zoltán and István Ottó 1998 Motivation in action: a process model of L2 motivation. Working Papers in Applied Linguistics 4: 43 — 69. Düwell, Henning 1998 Motivation und Motivierung im Fremdsprachenunterricht. In: Udo O. H. Jung (Hg.), Praktische Handreichung für Fremdsprachenlehrer, 38—46. 2., verbesserte und erweiterte Auflage. Frankfurt a. M. etc.: Peter Lang. Gardner, Robert C. 1985 Social Psychology and Second Language Acquisition. The Role of Attitudes and Motivation. London: Arnold. Noels, Kimberly A., Luc G. Pelletier, Richard Clement and Robert J. Vallerand 2000 Why are you learning a second language? Motivational orientations and self-determination theory. Language Learning 50: 57 — 85. Riemer, Claudia 2006a DaF-Lernende — alles Exoten? Motivationsforschung und Deutsch als Fremdsprache. In: Hans-Jürgen Krumm und Paul Portmann-Tselikas (Hg.), Innovationen — neue Wege im Deutschunterricht, 43 — 58. Innsbruck: Studien Verlag (= Theorie und Praxis. Osterreichische Beiträge zu Deutsch als Fremdsprache Bd. 9/2005). Riemer, Claudia 2006b Der Faktor Motivation in der empirischen Fremdsprachenforschung. In: Almut Küppers und Jürgen Quetz (Hg.), Motivation Revisited, 35—48. Berlin: LIT-Verlag. Solmecke, Gert 1983 Ein Motivationshandlungs-Modell für den Fremdsprachenunterricht. In: Gert Solmecke (Hg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht, 271—278. Paderborn: Schöningh. Wicke, Rainer E. 2004 Aktiv und kreativ lernen. Projektorientierte Spracharbeit im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Ismaning: Hueber. 1156_XII. Sprachen lehren: Einzelaspekte 205 Williams, Marion, Robert L. Burden and Safiya Al-Baharna 206 2001 Making sense of success and failure: The role of the individual in motivation theory". 207 In: Zoltán Dôrnyei and Richard W. Schmidt (Hg.), Motivation and Second Language 208 Acquisition, 171 — 184. University of Hawaii. Second Language Teaching & Curriculum 209 Center. 210 Claudia Riemer, Bielefeld (Deutschland) 211 128. Lernerautonomie 212 1. Gegenstandsbestimmung 213 2. Begründung und Bedingungen der Autonomieförderung 214 3. Anforderungen an Lernende und Lehrende 215 4. Modellfunktion des Unterrichts 216 5. Aufgaben 217 6. Materialien 218 7. Literatur in Auswahl 219 1. Gegenstandsbestimmung 220 Nach Little sind Menschen beim Erfüllen einer bestimmten Aufgabe autonom, wenn 221 sie diese ohne Unterstützung bewältigen, in anderen Kontexten erworbenes Wissen und 222 Fähigkeiten auf diese Aufgabe übertragen und flexibel auf die speziellen Bedingungen 223 und Anforderungen der Aufgabe eingehen können (Little 1999:22). In diesem Sinn ist 224 Autonomie ein übergeordnetes, langfristiges Entwicklungsziel, das sich nicht auf das Ler- 225 nen von Sprachen beschränkt, sondern die Entwicklung verschiedenster schulischer und 226 persönlicher Kompetenzen mit einschließt und über den Rahmen der obligatorischen 227 Schulzeit hinausweist. Unter Autonomie kann aber auch ein didaktisch-methodischer 228 Ansatz, eine Fähigkeit, die ein Lernender für das Lernen mitbringt oder ein Prozess, der 229 gestaltet werden muss, verstanden werden. 230 Im Bereich der Didaktik des Fremdsprachenunterrichts existieren drei verschiedene 231 Interpretationen von Autonomie: 232 (1) Autonomie in Bezug auf Lernort, -zeit und -rhythmus 233 (2) Autonomie als Übernahme von Verantwortung für das Lernen 234 (3) Autonomie als Fähigkeit, eigene Lernprozesse selber zu steuern und zu reflektieren 235 Unter die erste, technizistische Interpretation von Autonomie im Fremdsprachenunter- 236 rieht fallen Selbstlernprogramme, bei denen die Anwesenheit und die Intervention einer 237 Lehrperson nicht erforderlich ist, da in den Materialien die notwendigen Anleitungen, 238 EntScheidungsprozesse und Korrekturhilfen enthalten sind. Im Gegensatz dazu können 239 die Lernenden in Unterrichtsansätzen, die der zweiten Interpretation von Autonomie 240 folgen, auf Ziele, Inhalte, Materialien, Vorgehensweisen oder den Unterrichtsablauf Ein-