12 WAS IST DRAMAPÄDAGOGIK? Dramapädagogik (Drama in Education, Drama) ist ganzheitliches Lernen durch Erfahren und Erleben. Dramapädagogik ist eine Unterrichtsmethode, die Methoden aus Theater, Literatur, Kunst, Psychologie und Therapie zu pädagogischen und sozialpädagogischen Zwecken einsetzt. Es handelt sich um eine ganzheitliche, kreative und ästhetische Lehr- und Lernmethode, die Spielen und Darstellen im Unterricht mit einschließt. Die Lehrperson gibt Impulse, um kommunikative und darstellerische Aktionen sowie kreative Prozesse bei den SchülerInnen auszulösen und zu fördern. Die SchülerInnen bewegen sich im Drama spielerisch von ihrer Alltagsrealität in eine dramatische und ästhetische Realität. DRAMAPÄDAGOGIK IM UNTERRICHT Drama ist Lernen über sich selbst Andere Unterrichtsformen versuchen möglichst viel in die SchülerInnen hineinzufüllen, Drama versucht möglichst viel von dem, was schon an Erfahrungen, Wissen, Einstellungen, Werten in den Schülern liegt, hervorzuholen und zu ent- wickeln. Drama als Prozess Der Schwerpunkt der dramapädagogischen Methoden im Unterricht liegt im Prozess und nicht an (einem Publikum) vorzeigbaren Ergebnissen. Diese Art des Unterrichts unterstützt gleichermaßen das Lernen im affektiven, sozialen und kognitiven Bereich und initiiert selbständiges Lernen durch theatralische, darstellerische, soziale und kommunikative Elemente. Mittels Dramapädagogik besteht die Möglichkeit der Bewältigung komplexer Themen, sowie die Arbeit mit und an literarischen Texten. Es geht immer um Inhalte, die Bewältigung von Problemen und die Entwicklung von Lösungsstrategien, nicht um die Qualität der Darstellung. Am Ende einer dramapädagogischen Einheit steht als Ziel nicht ein Produkt, sondern eine Erkenntnis. Verschiedenste Themenkreise können so erforscht und durch das Spiel beleuchtet werden. WAS DRAMAPÄDAGOGIK BEWIRKEN KANN von Richard Finch DP bewirkt ... • Entfaltung der gesamten Vielfalt der menschlichen Intelligenz • Entfaltung der Fähigkeit kreativen Denkens und Handelns • Einfühlungsvermögen und Sensibilität für soziales Miteinander • Erforschung von gesellschaftlichen Werten • Verständnis für kulturelle Unterschiede • Entwicklung physischer und geistiger Fer- tigkeiten • Erweiterung der kognitiven Bereiche (Wissen) TO FIND SOMETHING NEW LOOK INTO THE OLD! DRAMA IS ABOUT FINDING OUT WHAT YOU KNOW, BUT DON´T YET KNOW YOU KNOW. 13 DAS DRAMAPRINZIP VON DER SITUATION ZUR ERKENNTNIS ABGRENZUNG ZWISCHEN DRAMAPÄDAGOGIK UND THEATERPÄDAGOGIK Dramapädagogik ist eine Lehr- und Lernmethode, die kognitive, affektive und soziale Inhalte ver- mittelt. Die Vermittlung ästhetischer Werte ist zwar wichtig, aber zweitrangig. Demgegenüber geht es in der Theaterpädagogik vorrangig darum, die Ausdrucksmöglichkeiten und -fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen durch das Medium Theater zu schulen und zu ästhetisieren. Dabei steht weniger ein inhaltliches, sondern eher ein künstlerisches Lernziel im Mittelpunkt. In der theaterpädagogischen Arbeit wird im Gegensatz zur Dramapädagogik oft am Ende des Prozesses ein Produkt präsentiert, ein Theaterstück, eine Szene, eine Szenensequenz, die einem Publikum gezeigt werden kann. Theaterpädagogik und Dramapädagogik haben jedoch viele Berührungspunkte: Die dramapädagogischen Spiele und Techniken können die Basis für beide Richtungen bilden. In der Theaterpädagogik werden sie eher im Hinblick auf ihre künstlerische Aussagefähigkeit oder Verwendbarkeit eingesetzt, in der Dramapädagogik um ein bestimmtes Lernziel zu erreichen, meist ohne den ästhetischen Moment zu vertiefen. INHALTE DRAMAPÄDAGOGISCHER UNTERRICHTSEINHEITEN Jede dramapädagogische Unterrichtseinheit enthält folgende Elemente: • Information • Identifikation mit einer Rolle • Blickpunktwechsel • Aufbau einer fiktiven Situation durch - konkrete Gegenstände - Räumlichkeiten - Handlungen - Verbalisierung - Interaktion - Kommunikation • Treffen von Entscheidungen • Diskussion und Evaluierung Die DRAMATISCHE SITUATION ↓ fokussiert durch ORT, ZEIT, CHARAKTERE UND HANDLUNG ↓ unterstützt durch den Gebrauch von BEWEGUNG, GESTIK, STIMME, RAUM, OBJEKT, ZEICHNUNG, TEXT... ↓ führt zu einer DRAMATISCHEN KREATION UND AUSSAGE ↓ die eine KULTURELLE, PERSÖNLICHE, SOZIALE, HISTORISCHE ... BEDEUTUNG haben kann. 14 VERSPIELTHEIT • Wir fühlen uns sicher zu experimentieren, etwas zu riskieren, zu scheitern und Regeln frei und großzügig auszulegen. • Wir spielen mit der Sprache und anderen Zeichensystemen um die neue, noch unausgesprochene Stimme zu finden. • Wir sind in der Welt kreativ. • Nichts ist „heilig“! GELEBT • Wir sind Menschen mit menschlichen Bedürfnissen, Gefühlen, Ängsten und Träu- men. • Unsere Erfahrungen formen unsere Welten, unser Lernen und unsere Entwicklung. • Unsere Verschiedenheiten sind unsere Stärke. NOTWENDIGE FREIHEIT • Jede/r von uns ist ein Individuum. • Wir müssen in unserem Lernen Wahlmöglichkeiten haben. • Wir sind frei unsere Welten zu verändern. • Die „Regeln“ zu kennen gibt uns mehr Wahlmöglichkeiten und größere Freiheit, zu sein. ACHTSAMKEIT • Wir denken darüber nach, was wir tun. • Wir nehmen den (menschlichen) Gehalt und Zusammenhang in unserer Arbeit ernst. • Wir überlegen wie uns das, was wir lernen, verändern könnte und wohin wir uns verändern. • Wir sind achtsam im Denken über uns selbst, über andere und die Welt, in der wir leben. GEPLANT • Unsere lokalen Gemeinschaften haben einen klaren Plan wohin wir gehen, was wir lernen sollen und wie wir wertgeschätzt werden. • Wir haben das Anrecht auf das Wissen, das uns Kraft gibt. NOTWENDIGE EINSCHRÄNKUNG • Wir arbeiten innerhalb einer Gemeinschaft und leben innerhalb ihrer Traditionen, Codes und Regeln. • Wir greifen auf kulturell kraftvolle Formen der Kommunikation zu und arbeiten mit ihnen. • Wir wachsen in gegebenen Strukturen auf. EIN PÄDAGOGISCHER RAHMEN FÜR MENSCHLICHES LERNEN von Jonothan Neelands „Der stärkste Impuls war der Wunsch, das Lernen zu einem Teil des Prozesses von sozialer Veränderung zu machen.“ Raymond Williams Der pädagogische Rahmen ist eine lebendige Dynamik, die erzeugt wird, indem Lehr- und Lernpraktiken und die gelebte Erfahrung von (schulischer) Ausbildung in einen dialektischen Zusammenhang gestellt werden. 15 VERHALTENSRAHMEN IM DRAMAUNTERRICHT von Jonothan Neelands Vertrag Der notwendige Rahmen von verhandelten und öffentlichen Regeln, die unser Verhalten im Drama reglementieren. Dieser Rahmen soll dort SchülerInnen und LehrerInnen schützen und einen expliziten regulierten öffentlichen Bereich liefern, in dem, wie in einem Spiel, die TeilnehmerInnen und ihre LehrerInnen darüber im Klaren sind, was erlaubt wird und was nicht erlaubt wird. Keine/r der TeilnehmerInnen ist zum Beispiel frei, rassistische oder sexistische Kommentare zu machen, wenn das im Vertrag verboten wird. Gegebene Umstände Was ein/e SchülerIn sagt und tut, ist weiter beschränkt durch die gegebenen Umstände der Dramastunde. Dies könnten die gegebenen Umstände der imaginären Dramenwelt wie auch Tatsachen in vorgegebenen Geschichten sein. Es könnten auch die gegebenen Umstände eines Theaterstücks oder des Dramapretextes sein: Charaktere, Situationen, historische Fakten und Zusammenhänge. Es könnten auch die gegebenen Umstände des Lehrplans sein. Wir sind an die Erreichung eines besonderen geplanten Ziels gebunden. Um Angelegenheiten in der sozialen Wirklichkeit des Dramas komplexer zu machen erfordern die gegebenen Umstände auch Beschränkungen von Zeit, Stimmung, Platz, dem, der „oben“ und dem, der „unten“ ist. Dramatechniken Was wir im Drama sagen und tun ist weiters beschränkt durch Techniken und Methoden, die verwendet werden, um die gegebenen Umstände zu realisieren. Ein breiter Bereich von Konventionen ist hilfreich, um SchülerInnen verschiedene Erfahrungen von Form und Inhalt nahezubringen. Sie geben ihnen auch das „Werkzeug“, um komplexe Beziehungen herzustellen und zu er- kennen. Wissen und Erfahrungen Eindeutig grenzen uns unser bestehendes Wissen und unsere bestehende Erfahrung weiter ein. Wieder wird ein breiter Bereich von unserem Wissen und unserer Erfahrung von den gegebenen Umständen, von den verwendeten Dramatechniken gebraucht, um die Dramaarbeit auszuführen. Wir geben den SchülerInnen Wissen und Erfahrung von der Welt und vom Drama, aber wir müssen auch beobachten und ihr schon bestehendes Wissen verwenden. Persönliche Grenzen Was wir sagen und tun hängt auch von unserem Selbstsinn ab - unserem Körper, unserer Kultur, unserem sozialen Verständnis, unserer Toleranz anderem und anderen gegenüber, unserer Geschichte, unserem Bedürfnis nach Privatheit und schlussendlich unserer Selbstwertschätzung. In einigen Situationen kann dieser Rahmen die anderen umfassen. Wir können uns also manchmal in Situationen finden, wo wir vor der Erstellung eines allgemein akzeptierten „Arbeitsvertrages“ die persönlichen Grenzen und Werte der einzelnen TeilnehmerInnen erkennen sollten. Innerhalb dieser vorgegebenen Rahmen können die SchülerInnen nach ihren eigenen Bedürfnissen und Meinungen handeln. Verläuft eine Dramaarbeit nicht nach Wunsch, sollte man die Verhaltensrahmen hinterfragen, wie effektiv sie benutzt wurden und wie die SchülerInnen damit zurechtgekommen waren. Gab es Probleme mit dem Vertrag? Waren die gegebenen Umstände eindeutig und konkret genug? Wurden die geeigneten Dramatechniken eingesetzt? Hatten die SchülerInnen genug Vorerfahrung? War die Arbeit für die persönlichen Grenzen der SchülerInnen zu herausfordernd? 1. VERTRAG 2. GEGEBENE UMSTÄNDE 3. DRAMATECHNIKEN 4. WISSEN UND ERFAHRUNG 5. PERSÖNLICHE GRENZEN 16 DER PRETEXT: PLANUNG EINES DRAMAS Ein Pretext ist die Ablaufplanung einer Dramastunde oder eines Dramaprojekts. Er beinhaltet die zugrunde liegende Geschichte, die Erzählung und die geeigneten und geplanten Dramatechniken. Er beinhaltet aber auch Entscheidungsmöglichkeiten über den weiteren Verlauf des Dramas. Während der Planung eines Pretextes gilt es folgende Fragen zu beantworten: • Was ist der zentrale Punkt im Drama? • Worum geht es wirklich? Vor dem Pretext Wer einen Pretext sucht, sucht nach einem sozialen Thema. Es geht immer um das Zusammenleben von Menschen. Es ist die Thematik, die gelehrt wird, nicht die Geschichte. Sollte eine Geschichte als Vorlage für den Pretext dienen, muss man in der Geschichte die Thematik suchen und diese weiterentwickeln. Der Pretext ... ... muss ein klarer (und einfacher Rahmen) sein. ... führt die GM (Gruppenmitglieder) schnell emotional in die Dramaarbeit hinein. ... ist das Gerüst für die Gruppe um in die Geschichte zu starten. ... dient um herauszufinden, was die SchülerInnen wirklich brauchen bzw. was sie wirklich interessiert und woran weitergearbeitet werden soll. STRUKTUR UND PLANUNGSRAHMEN EINES DRAMAS Rolle Wer wird dargestellt? Was sind die Hintergründe und Intentionen der Personen? Situation Was ist das Schicksal der Personen? In welcher Situation befinden sich die Personen? Ort Wo und in welcher Zeitepoche findet die Handlung der Geschichte statt? Fokus Worum geht es in der Geschichte wirklich? Perspektive Aus welcher Perspektive wird die Situation betrachtet und beleuchtet? Der Planungsrahmen sollte während der Erstellung des Pretextes ständig hinterfragt werden. Die Aufgabenstellungen an die SchülerInnen müssen klar und eindeutig sein. Entscheidungen im Drama In vielen Situationen im Drama sollen oder müssen die GM Entscheidungen treffen um die Handlung voranzutreiben, um Schicksale zu entscheiden, um eigene Wege einzuschlagen. Entscheidungen werden meist aus folgenden Sichtweisen getroffen: • Vernunft • Religion • Tradition • Leidenschaft PERSPEKTIVE FOKUS ORT SITUATION ROLLE JEDES DRAMA ENTHÄLT: • Charaktere • Ort • Zeit • Ereignisse 17 ENTWICKLUNG EINES PRETEXTES IN 10 STUFEN von Allan Owens 1.Eine Idee, eine Angelegenheit, ein Gefühl, einen Gedanken, eine Abbildung, einen Begriff, eine Geschichte, einen Text oder ein Thema auswählen. 2.Brainstorming, mögliche Dramatechniken zu vorhandenen Ideen suchen. 3.Mögliche Lerninhalte und Lernziele suchen, die in das Drama eingebaut werden könnten. 4.Dramastruktur und Konventionen im Hinblick auf mögliche Lerninhalte nochmals bearbeiten. 5.Ersten Entwurf mit chronologisch geordnetem Ablauf und Dramatechniken erstellen. 6.Den ersten Entwurf überarbeiten und in einem bevorzugten Layout erstellen. 7.Ressourcen suchen, die die Lerninhalte bereichern würden. 8.Mögliche Verzweigungen und Entwicklungen im Drama einplanen. 9.Ziele und Lerninhalte klären und defi- nieren. 10.Pretext mit einer Gruppe durchführen und anhand der gewonnenen Erkenntnisse verbessern. PLANUNGSHILFEN FÜR PRETEXTE UND DRAMASTRUKTUREN von Jonothan Neelands Drehpunkt der Geschichte Was ist der Hauptpunkt/sind die Hauptpunkte und was ist der Drehpunkt der Geschichte? Ereignisse Aktionen, Dinge, die passieren. In Geschichten gibt es viel Beschreibungen. Im Drama wird alles durch Aktionen ausgedrückt. Es sind immer Menschen, die an diesen Aktionen beteiligt sind. Welches ist die wichtigste Aktion und würden die SchülerInnen diese gerne aus- führen? Rollen für LehrerInnen und SchülerInnen Es kann auch Figuren geben, die nicht in der vorgegebenen Geschichte vorkommen, wie: Detektive, Forscher, Experten, Reporter etc. Objekte Einplanung stimmiger Objekte in der Geschichte ist von Nutzen. Sind die Objekte wichtig, wird darum gekämpft? z. B. Flüchtlingsgeschichte: alter Koffer, alter Mantel. Poetische Aktion Alles was die Geschichte stimmungsvoller, sinnlicher, atmosphärischer macht (Tänze, Musik, Lieder, dramatische Elemente ...) unterstützt die dramatische Aussage und Ästhetik der Arbeit. Inhaltsebenen • Bildung • Persönlichkeitsentwicklung • Heilung • Ritual „YOU GOT TO THINK ABOUT THE FLAVOUR.”