Prof. Dr. Engelbert Thaler Pädagogische Hochschule Freiburg Schulung des Hör-Seh-Verstehens Hör-Seh-Verstehen ist omnipräsent und von hoher kommunikativer Relevanz. Um eine gezielte Schulung dieser Kompetenz zu ermöglichen, müssen mehrere Fragen geklärt werden: Welche Komponenten sind beim Hör-Seh-Prozess beteiligt? Welche Kriterien erleichtern der Lehrkraft die Auswahl geeigneter Hör-Seh-lexte? Welche Übungsdimensionen sind zu berücksichtigen? Wie könnte eine typische Hör-Seh-Stunde ablaufen? Welche Übungsformen bieten sich an? Wo finde ich geeignete Materialien? 1 Bedeutung von Hör-Seh Verstehen Die Relevanz des zielsprachigen Hörverstehens und die Notwendigkeit dessen gezielter unterrichtlicher Schulung sollten inzwischen außer Frage stehen: Das Verhältnis gesprochener zu geschriebener Sprachein der täglichen Tffimmnnilcfltinn beträgt 95 % zu 5 %, von den four basic skills ist üsteningim alltäglichen Gebrauch quantitativ die mit Abstand dominierende, sie ist Voraussetzung für andere Sprachtätigkeiten (Hören kommt vor dem Sprechen), Lerngruppen mit bewusstem Hörverstehenstraining zeigten sich in empirischen Studien den Kontrollgruppen - auch in anderen sprachlichen Bereichen - überlegen - ergo: Kommunikative Kompetenzist nur durch Förderung des Hörverstehens zu erreichen (vgl Rost 1994, Underwood 1994, Anderson/Lynch 1995, Kieweg et aL 2003). Gesellt sich zum Hören noch das Sehen, kommt zur authentischen Sprache die beobachtbare Handlung dazu, paralinguistische Handlungsmerkmale werden sichtbar, aus den disembodied vokes werden beobachtbare native Speakers, landeskundliche Elemente werden seh-/einseh-/verstehbar, Bilder können genauere Informationen liefern, visuelle Markierungen fungieren als Erinnerungshilfe, der Weltausschnitt erweitert sich, Lernen wird einsichtiger und motivierender (u.a. Stempleski/Tomalin 2001, Weiftling/Yare-ham2001, Sherman 2003, Surkamp 2005, Thaler 2005). Angesichts dieser Omnipräsenz und Mdtifunktionalität ist eine gezielte Schulung des Hör-Seh-Verstehens als kombinierte fremdsprachliche Kompetenz unbedingt vonnöten,Mwenn im 21. Jahrhundert ein zeitgemäßer, auf die Lernenden orientierter Fremdsprachenunterricht konzipiert werden soll" (Schwerdtfeger 2003, S. 299). Die zunehmende Hand-lungs- und Anwendungsorientierung des Stuß Deskriptoren C2 wieCl Cl Kann Spielfilme verstehen, auch wenn viel saloppe Umgangssprache oder Gruppensprache und viel idiomatischer Sprachgebrauch darin vorkommt B2 Kann im Fernsehen die meisten Nachrichtensendungen und Reportagen verstehen. Kann Fernsehreportagen, Live-Interviews, Talk-Shows, Fernsehspiele sowie die meisten Filme: verstehen, sofern Standardsprache gesprochen wird. Bl Kann in vielen Fernsehsendungen zu Themen von persönlichem Interesse einen großen Teil verstehen, z.B. in Interviews, kurzen Vorträgen oder Nachrichtensendungen, wenn relativ langsam und deutlich gesprochen wird Kann vielen Filmen folgen, deren Handlung im Wesentlichen durch Bud und Aktion getragen wird und deren Sprache klar und unkompliziert ist Kann das Wesentliche von Fernsehprogrammen zu vertrauten Themen verstehen, sofern darin relativ langsam und deutlich gesprochen wird A2 Kann die Hauptinformation von Fernsehmeldungen über Ereignisse, Unglücksfälle usw. erfassen, wenn der Kommentar durch das Bud unterstützt wird Kann dem Themenwechsel bei TV-Nachrichten folgen und sich eine Vorstellung vom Hauptinhalt machen. Al keine Deskriptoren vorhanden Obersicht 1: Fernsehsendungen und Filme verstehen (GER des Europarats) 12 PRAXIS Fremdsprachenunterricht 14-2007 UNTERRICHT Fremdsprachenieniens lenkt den Blick auf die herausgehobene Bedeutung des Hör-Sehens im Alltag, Beruf, Bildungsund Freizeitbereich. Entsprechend trifft man in den diversen Bildungsstandards, Rahmenrichtlinien, Bildungsplänen, Kernlehrplänen und Vergleichsarbeiten bei den Kompetenzerwartungen immer öfter auf die Wortfolge HSr-Seh- Verste-hen, die dabei meist auf Filme und Fernsehsendungen bezogen ist - vgl etwa den Bildungsplan Baden-Württemberg (Landesinstitut für Schulentwicklung 2004) oder den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen/GER (Europarat 2001: Kap.4.4.2.3.-Ubersicht 1). Neben der Schreibung Hör-Seh-Ver-stehen sieht man auch die Wortfblgen Hörsehverstehen, Hör(seh)verstehen, Hör' /Sehverstehen, wobei erstere Schreibvariante - mit Großschreibung beider Sinne und zweifachem Bindestrich—die gleich-rangige Bedeutung beider Kanäle und die Wechselwirkungen am sichtbarsten zum Ausdruck bringt Hör-Seh-Verstehen ist keine Untervariante des Hörverstehens, sondern eine eigenständige kommunikative Kompetenz - oder Fertigkeit, die 5„ 6. oder 7., je nachdem, wie Sehen und Sprachmittlung eingeordnet werden (wobei auf die Differenzierung zwischen Fertigkeit und Kompetenz hier nicht näher eingegangen wird). 2 Ein Modell des Hör-Seh-Verstehens Angesichts der Bedeutung von Hör-Sehen erscheint es verwunderlich, dass die Forschung zu dieser Kompetenz sehr spärlich ist Das reine Hörverstehen hat sich in den inzwischen recht zahlreichen Untersuchungen als sehr anspruchsvolle Leistung erwiesen, wie Kieweg (2003) mit der Auflistung von 32 dabei erforderlichen geistigen Aktivitäten eindrucksvoll belegt - von »Wahrnehmung und Selektion der akustischen Signale" bis «permanente Einschätzung des Ist-Soll-Zustands". Das Hör-Seh-Verstehen stellt sich als noch vielschichtigerer Prozess dar, empfangen Lernende doch- simultan oder sukzessiv - einen auditiven und einen visuellen ln-put, wobei textuelle Elemente (Untertitel, Inserts, Schriftzüge) das Hör Seh-Verstehen noch zu einem Hör-Seh-Lese-Verste-hen ausdehnen können. Wie bei der audiovisuellen Rezeption sprachliche und bildliche Informationen im einzelnen Rezipienten empfangen, gespeichert und verarbeitet werden, ist angesichts der Vielfalt der beteiligten Komponenten (Ubersicht 2) noch nicht abschließend geklärt (Schmidt 1998,Ballstaedt 1987).Die duale Codierungstheorie postuliert bei der Speicherung der Informationen zwei separate, verbundene Systeme (verbales und imaginales System); ein anderes Modell geht von einer amodalen Repräsentation in einem System aus; die Theorie der audiovisuellen Integration versucht die Vorzüge beider Modelle zu vereinen und führt die Impulse der beiden Kanäle durch Redundanz, Komplementarität oder Inferenz zusammen. Der Bild-Hörtext-Rezeptionsprozess vollzieht sich wohl in einer permanenten Wechsel- wirkung zwischen bottom-up-Prozessen und top-down-Prozessen, wobei Planung {firaming), Ausführung, Kontrolle und Reparatur beteiligt sind. Von einer mehrkanaligen Aufnahme erhoffen sich manche Lernfbrscher behal-tens-fördemde Effekte durch bessere Verankerung, andere befürchten dagegen eine behaltens-hemmende Wirkung durch kognitive Überforderung. Welche Seite Recht hat, entscheiden im Einzelfall die individuellen Voraussetzungen der Rezipienten, die Charakteristika der Textsorte und die methodisch-didaktische Gestaltung des Unterrichts. Theoretisch gehört zum Hör-Seh-Verstehen auch bildgestütztes Hörverstehen (stehende Bilder als visuelle Unterstützung, audio süde show) und das Mitlese- Hör~ Versteh en Seh-Verstehen Allgemeine Kompetenzen Verstehen von Handlungen -Weltwissen -Aktivitäten - SoziokultureDes Wissen —Demonstrieren Linguistische Kompetenzen -Zeigen - Phonetisch-Phonologische Dekodierung ikonischer Elemente Kompetenz -Bilder - Lexikalische Kompetenz -Landschaften —Grammatikalische Knmpptnw -Objekte - Semantische Kompetenz Deutung paralinguistischer Merkmale Soziolinguistische Kompetenzen -Gestik -Register -Mimik -Varietäten -Körperhaltung - Höflichkeitskonventionen -Augenkontakt Pragmatische Kompetenzen -Körperkontakt - Diskurskompetenz -Proxemik —Schemakompetenz Verstehen kinematografischer Techniken - Funktionale Kompetenz —Kameraperspektiven, Deutung prosodischer Mittel -bewegungen -Stimmqualität -Montage -Stimmhöhe -Licht, Musik -Lautstärke Weltwissen, soziokulturelles Wissen -Länge Leseverstehen -Untertitel —Inserts -Schriftzüge Hör-Seh-Verstehen Wahrnehmung, Speicherung, Verarbeitung von Ton und Bild - temporale Beziehung: simultan oder sukzessiv - inhaltliche Beziehung: Kongruenz/Komplementarität oder Diskrepanz -Repräsentation: dual oder amodal oder integriert -Prozesse: bottom up und top down: Interaktion Übersicht 2: Modell des Hör-Seh-Verstehens PRAXIS Fremdsprachenunterricht 14-2007 13 UNTIiRRICII I _H| Verfahren bei Hörtexten (Lesen des Buchtextes bei gleichzeitigem Vorspielen durch CD oder Vorlesen durch Lehrer). Der Fokus soll im Folgenden aber auf das (gleichzeitige) Hören und Sehen bewegter Bilder gelegt werden. 3 Übungs-Dimemlonen von Hör-Seh-Verstehen Will man das Hör-Seh-Verstehen trainieren, gut es zunächst, verschiedene Vorfragen zu klären (Ubersicht 3): Welche Absicht verfolgt man? Auf welchem Niveau? Mit welchem Antwortmodus? In welcher Sozialform? Wie stark gesteuert? Wo? Mit welcher Kontrolle? Gibt man seinen Schülerinnen lediglich den Auftrag listen and waten, provoziert man sie zu einer unrealistischen Absicht des »Alles-Verstehen-Wollens". Dieser kognitiven Überforderung mit anschließender Frustrierung kann man durch eine sinnvolle Spezifizierung und Reduktion der Intention vorbeugen (Dimension der Absicht). Schließlich verfolgt man auch im realen Leben immer eine bestimmte Absicht, denn man kann nicht alles verstehen. Lässt man seine Schülerinnen nach einem Filmausschnitt durch Handheben, Zeichnen oder Ankreuzen reagieren, beschleicht einen vielleicht ein schlechtes Gewissen wegen fehlenden „Sprachumsatzes''. Dabei zeigen solche nonverbalen Reaktionen präziser, was die Schüler verstanden haben. Schriftliche Antworten überprüfen zusätzlich ja immer auch noch die Schreibfertigkeit (Dimension des Antwortmodus). Verlässt man sich darauf, dass Lernende das Hör-Seh-Verstehen automatisch, unbewusst, nebenbei erwerben, ist man verlassen. Diese Fertigkeit bedarf einer systematischen, gezielten, kontrollierten Schulung durch eine steuernde Lehrkraft Strebt der Lernende aber nach den höheren Weihen dieser Kompetenz, ist regelmäßiges Oben im außerschulischen Bereich unerlässlich (Steuerungs-, Ort-, Kontrofl-Dimensionen). Dimension Beispiele Absicht -Globales Hör-Seh-Verstehen (kommunikative Situation, Thema) - Grobes Hör-Seh-Verstehen (wesentliche Aspekte) - Selektives Hör-Seh-Verstehen (einzelne ausgewählte Aspekte) - Detafl-Hör-Seh-Verstehen (Vollverstehen aller Einzelheiten) -Transzendierendes Hör-Seh-Verstehen (Inferieren, Elabo-rieren, Abstrahieren, Generalisieren, Konstruieren, Antizipieren, Evaluieren) Niveau -Frühbeginn... Sekundarstufe 1... Sekundarstufen -leicht... mittel... schwer Antwortmodus - mündliche... halbmündliche... schriftliche Reaktion -verbale... nonverbale Reaktion -geschlossene... offene Aufgaben Sozialform -Einzelarbeit -Partnerarbeit -Gruppenarbeit Steuerung -starkgesteuert... autonom (Selbstlernen) Ort -Klassenzimmer - Multimedialabor -zu Hause Ergebniskontrolle - Fremdkontrolle durch Lehrer - Kontrolle durch Medien -Selbstkontrolle - Kontrolle durch Partner (pair work) Obersicht 3: Übungs-Dimensionen beim Hör-Seh-Verstehen 4 Auswahl von Hör-Seh-Dokumertten In den diversen amtlichen Vorgaben werden bezüglich Hör-Seh-Verstehen immer wieder Fernsehsendungen und Filme aufgeführt (vgl 1., 3. Abschnitt). Im Sinne einer Progression sollten dabei zunächst Kurzfilme eingesetzt bzw. bei längeren Filmen regelmäßige Verständniskontrollen nach einzelnen Sequenzen eingeschoben werden. »Notwendige Voraussetzung für eine wirkliche Arbeit mit Spielfilmen ist die Vorübung in früheren Jahren mit kürzeren Hör-Seh-Materialien" (Staatsinstitut 2005: S. 227). Bei der Entscheidung, welchen Text man für eine bestimmte Lerngruppe auswählen soll, können folgende Faktoren behilflich sein - wobei in der zweiten Spalte Merkmale für tendenziell schwierigere Texte, in der dritten Spaltesolchefür leichtere Texte aufgefthrt sind (Ubersicht 4). Grundsätzlich kann auch ein eher schwieriger Text durch eine entsprechende Gestaltung der Übungsumgebung an das jeweilige Niveau der Lernenden angepasst werden. Für jüngere Schüler und Klassen der Sekundarstufe I bieten sich mehrere Hilfen an: I Grobverstehen ist tendenziell weniger anspruchsvoll als Detailverstehen. I Ein mehrmaliges Wiederholen der Szene erleichtert das Verstehen. I Wenige Fragen zu einem kleinen, Überschaubaren Ausschnitt sind leichter zu bearbeiten als viele, komplexe Fragen * «um gesamten Film. I Nonverbale Antworten fallen leichter als verbale. I Eine sinnvolle Vorbereitungsphase reduziert die Verarbeitungslast beim anschließenden Hör-Sehen. I Klare und deutliche Anweisungen vermeiden mögliche Verwirrung. I Bei Lückentexten kann die Zahl derAus-lassungszeichen die Zahl der Buchstaben signalisieren oder ein Glossar aller ausgelassenen Wörter am Ende angehängt werden. I Die Arbeit in Paaren oder Kleingruppen senkt den Erwartungsdruck. 5 Übiingsformen ohne Vortage des Transkripts Sieht man sich die Übungsvorschläge von Verlagspublikationen und Websites zum 14 PRAXIS Fremdsprachenunterricht 14-2007 Auswahlkriterium höhere Anforderung geringere Anforderung 1. Textsorte abstrakter Text, argumentative und expositorische Formen (z. B. Dokumentationen), unvertrautes Genre konkreter Text, narrative Formen (z. B. Zeichentrick-Märchen), vertrautes Genre 2. linguistische Komplexität komplexer Satzbau, elaborierter Stil, komplizierte Grammatik, Deixis ohne klare Referenzen kurze Hauptsätze, eindeutige Bezüge, einfache Wörter und Strukturen 3. sprachliche Artikulation Lärm, große Sprecherzahl, gleichzeitiges Sprechen, phonetische Reduktion, unbekannte Akzente, hohe Sprechgeschwindigkeit passende, nicht störende Hintergrundgeräusche, klare Aussprache, langsames Sprechen, Standardsprache, ein oder zwei Sprecher 4. sprachliche Dichte viel gesprochene Sprache pro Szene (z.B. Talkshows) wenig Sprache, bilinguale Clips (Englisch - Deutsch) 5. methodische Ergiebigkeit Erstellung passender Übungen problematisch Eignung für klare, einfache Übungen 6. pädagogische Eignung hoher Anteil an Gewalt/Sexualität, Altersauflagen der Filmkontrolle Freigabe der Filmkontrollbehörde für alle Altersgruppen 7. persönliche Relevanz Fehlen individueller Bezugspunkte vertraute Lebenswelt, interessante Thematik 8. Länge abendfüllender Spielfilm kurzer, in sich geschlossener Clip 9. Ton-Bild-Relation Divergenzen Bild-Ton, geringe visuelle Stützung des Gesagten (z. B. Fernsehnachrichten) Kongruenz, hohe visuelle Stützung (z. B. Wettervorhersage mit Karte) 10. Diskursstruktur mangelnde Kohärenz, nicht-linearer Erzählstrang, implizite Informationen klarer Aufbau, chronologische Reihenfolge, Hervorhebung von Schlüsselszenen, explizite Informationen 11. Qualität des Materials schlechtes Bad, unklarer Ton gutes Bild, klarer Ton 12. Begleitmaterial Fehlen von zusätzlichen Aufgaben, Texten, Hintergrundinformationen begleitende Übungsmaterialien, Skript, Buch als Vorlage Übersicht 4: Selektionskriterien für Hör-Seh-Texte Hör-Seh-Verstehen an, erkennt man eine Dominanz von comprehension questions, multiple choice, true/false Statements, tickingoffitems. Damit können Gütekriterien von Lernzielkontrollen wie Objektivität, Validität, Reliabüität und Ökonomie meist angemessen berücksichtigt werden. Im Sinne von Methodenwechsel, Vermeidung von Monotonie und Progression sollten aber auch offenere und kognitiv komplexere Übungsformen mit einbezogen werden. Von den drei Codes beim Hör-Sehen -textuell-verbaler, auditiver, visueller -wird in der Übersicht 5 zu Übungsformen der erste ignoriert, d.h. das Transkript wird weggelassen. Die Häufigkeit des Vorspielens (1 x/2x) und der zeitliche Einsatz des Aufgabenblatts (vor oder nach dem 1./2. Vorspielen) sind von Länge und Schwierigkeitsgrad der Quelle abhängig. Man kann auch unterschiedliche Aufgabenblätter für das 1. und das 2. Hör-Seh-Verstehen vorlegen. Für die Schüler stellt es außerdem eine Hilfe dar, wenn die Anordnung der Aufgaben der Chronologie des Films folgt 6 Übungsformen mit Vorlage des Transkripts Bezieht man das Transkript (auf Arbeitsblatt oder Folie) mit ein, wird das Hör-Seh-Verstehen einerseits leichter (Vorgabe eines Textes), andererseits schwieriger (doppeltes Sehen: Film und Text - Hör-Seh-Seh-Verstehen). Eine neue Möglichkeit der Arbeit mit dem textuellen Code bietet die DVD mit ihren verschiedenen Untertiteln (vgl. Thaler 2007). Die Übersicht 6 differenziert zwischen drei Formen von Transkripten: sübtitles, vollständige, aber veränderte Textvorlage sowie unvollständiger Text. 7 Übungsmaterialien Bei der Suche nach geeigneten Filmen auf DVD kann man die Dienste allgemeiner Anbieter (z. B. www.amazon.de) und spezieller Fremdsprachen-Verlage (z. B. Herbstreuth, Lingua Video) in Anspruch nehmen. Für jüngere Lerner bieten sich dabei textarme oder sprachlich einfache Cartoons (z.B. Spider, Spot, Pingu, Mr Ben, Eric Carlyle stories, Wallace and Gromit) an. Im Zuge zunehmender Digitalisierung der Kabelnetze stehen auch im Fernsehen immer mehr englischsprachige Kindersendungen zur Verfügung -von animated cartoons bis zu kindgerechten TV documentaries. Auch die fremdsprachigen Sendungen der Landessender (z. B. Bayerisches Fernsehen: http://www.br-online.de/wissenbildung/ sendungen/sprachensendungen/ englisch.xml, konsultiert am 02.01.07) PRAXIS Fremdsprachenunterricht 14-2007 15 UNTERRICHT Übungs-Operatoren Übungsfarmen sich erinnern (remember) -Verständnisfragen -Richtig-Falsch-Aussagen (true/false) - Multiple-Choice-Antworten -Abhaken von Gegenständen (die gehört/gesehen wurden) -Ausfallen einer labeile (Spalten mit persons/places/actions oder who? what? where? when? why? how?) -Pausetaste; What did he/she say? beschreiben (describe) - Standbild (freezeframe): What does he look like? - silent viewing (Ton aus): laufender Kommentar zu den Bildern zusammenfassen (summarize) -Nacherzählung (classchain: einer nach dem anderen, jeder nur einen Satz) -Auswahl der treffendsten Zusammenfassung aus mehreren Versionen erraten (guess) - silent viewing (Ton aus): What may the characters say? - blind listening (Bild weg): What may the visuals look like? vorhersagen (predict) - upside down comprehension (Fragen zum Inhalt werden vor dem Sehen beantwortet, Kontrolle nach dem Sehen) - nach der Eröffhungsszene: What is going to happen next? erklären (explain) - bei der letzten Szene: What has caused this situation? - Intention/Botschaft analysieren (analyse) -Mnematografische Techniken (Form und Funktion) -Subtext zusammenarbeiten (cooperate) - spßf viewing (eine Hälfte sieht und hört den Film, die andere hört ihn nur): Austausch der Informationen umwandeln (transform) -Collage - Einakter, Kurzgeschichte etc. Obersicht 5: Übungen ohne Vorlage des Transkripts können als Hör-Seh-Verstehens-Materi-al genutzt werden (z. B. Playtime für Kinder ab fünf Jahren, die Sitcom Goal über Fußball, Dokumentationen wie Inside the British Isles). In den meisten Fällen muss bei diesen DVD- und TV-Titeln die Lehrkraft allerdings noch die passenden Hör-Seh-Übungen entwerfen. Diese zeitaufwändige Arbeit kann sie sich sparen, wenn sie zu Füm-Unterrichts-modellen greift, die schon spezielle Hör-Seh-Verstehens-Übungen enthalten (z. B. Hartmann 2006, Brenken et al 2001,Tha-ler2003). Im Netz bieten verschiedene Bildungsserver ebenfalls aufbereitetes Hör-Seh-Material an (z. B. multiple choice und ticking off mit London Now für die 8. Klasse; http://bildungsstandards.bildung-rp.de/uploads/media/Beispielaufgaben_ Kl_8_Englisch_01.pdf 02.01.07). Auf der BBC Learning English Website (http:// www.bbc.co.uk/worldservice/learning-english/multimedia/index.shtml 02.01.07) finden sich gute landeskund- liche Kurz-Videos mit verschiedenen ge-schlossen -kontrollierten Übungen (Beyond the Postcard). Ein Leckerbissen für fortgeschrittene Lerner ist Little Britain - die momentan populärste britische television sketch show, dekoriert mit zahlreichen BAFTA Awards, eine BBC-Sketch-Serie voller „political incorrectness" (als DVD z.B. Little Britain: The Complete First Series, 11 October 2004, BBCDVD1494, zu Humor und Schematheorie vgl Snell 2006). Sie eignet sich für lehrergelenkten Klassenzimmerunterricht oder autonomes Training des Hör-Seh-Verstehens zu Hause (zu independent film study vgl. Doye 1998, Holden 2000). 8 Aufbau einer Übungsstunde Die Schulung des Hör-Seh-Verstehens sollte normalerweise nicht als isolierte Übung erfolgen, sondern in eine stimmig strukturierte Stunde eingebettet werden. Dazu gehören mindestens eine vorbereitende, eine begleitende und eine nachbereitende Phase (Aufgabe). Der Vorschlag eines Strukturmodells umfasst 10 Schritte. (Übersicht 7) Um den rezeptologischen Beigeschmack abzuschwächen, ist der Hinweis nötig, dass dieses Modell je nach Textsorte, Länge, Ziel, Inhalt-und entsprechender Hör-Seh-Ab- a) mit Untertitel - englische Sprache und englische Untertitel -englische Sprache und deutsche Untertitel* * (- deutsche Sprache und englischer Untertitel) b) bei vollständiger, veränderter Vorlage des Textes - Ordnen durcheinander gewürfelter Sätze/Passagen - Erkennen von Fehlern im Skript (error Spotting) - Erkennen von mondegreens (Freudsche Verhörer, mishearings) - Ersetzen von Symbolen/Bildern durch Wörter - Wählen zwischen Alternativen (stellenweise 2 Wörter angeboten) - Löschen von (nicht gesprochenen) Wörtern c) bei unvollständiger Textvorlage - Füllen eines Lückentextes (beliebige Abstände zwischen den Lücken) - Vervollständigen einer cloze passage (Lücken in regelmäßigen Abständen) -C-Test fru/eo/rwo; - Einsetzen bestimmter Worttypen (Adjektive oder Verben getilgt) - Zuordnen ausgewählter Textpassagen zu Bildern - Zuordnen ausgewählter Satzhälften - Zuordnen von Zitaten zu Figuren Ubersicht 6: Übungen mit Vorlage des Transkripts 16 PRAXIS Fremdsprachenunterricht 14ZO07 sieht - adaptiert werden kann und muss. Eine Variation empfiehlt sich allein schon aus motivationalen Gründen, aber auch um verschiedene Arten des Hör-Seh-Ver-stehens zu trainieren. So kann man ja auch for das erste Sehen die sinnvolle Aufgabe stellen, ein Detail zu erkennen (z. B.Werbefilm) oder darauf zu achten, welches Gefühl bei einem erzeugt wird. Naturlich ist auch eine Trennung der Rezeptionskanäle möglich, i. e. man kann durchaus zunächst nur sehen oder nur hören und danach beides - was mitunter erstaunliche Überraschungseffekte ergibt Bibliografie Anderson, Anne/Lynch, Tony (1995): Listening. Oxford: Oxford University Press Ballstaedt, Steffen-Peter (1987): Integrative Verarbei-tung bei audio- visuellen Medien. Tübingen: DIFF, Forschungsberichte 46 Doye, Chris (1998): Films for self study. In: Modern English Teacher, H. 4, S. 60-63 Europarat (Hg.)(2001): Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen far Sprachen: lernen, lehren, beurteilen, Berlin: Langenscheidt Frenken, Wiltrud et al (2001): American Beauty. Paderborn: Schöningh Hartmann, Ulrich (2006): Rabbit-Proof Pence. Paderborn: Schöningh Holden, William (2000): Making the most of movies: keeping film response journals. In: Modern Engtiih Teacher, H.2.S. 40-46 Kieweg,Werner (2003): Mentale Prozesse beim Hörverstehen. Im Der Fremdsprachliche Unterricht Englisch 64/64, S. 18-22 Kieweg, Werner et aL(Hg.)(2003): DerFremdsprach-liche UnterrichtBngUsch 64-65/2003, Themenheft „Hörverstehen'' Landesinstitut fur Schulentwicklung Baden-Württemberg (Hg.)(2004): Bildungsplan Gymnasium. www.schme-bw.de/mrterricht/budtuigS8tan-dards/28.12.06 Rost, Michael (1994): Introducing Listening. Harmondsworth: Penguin Schmidt,SyIke(1998): Wortschatzerwerb beim Fernsehen. Frankfurt am Main: Lang Schwemrfeger, Inge (2003): Übungen zum Hör-Seh-Verstehen. Im Bausch, Karl-Richard/Christ, Herbert/Krumm, Hans-Jürgen (Hg.): Handbuch Premasprachenunterricht. Tübingen: Francke, S. 299-302 Schritt Phase Funktionen 1 Aufbau einer Hör-Seh-Motivation - Einfuhrung in die Hör-Seh-Situation (Wer, wann, wo?) - Begründung der Notwendigkeit (Warum lohnt es sich?) 2 Vorentlastung (nicht: Vorwegnähme) - Erklärung wichtiger Wörter und Strukturen -Vermittlung landeskundlichen Hintergrundwissens 3 Verdeutlichung der ersten Hör-Seh-Absicht -Angabe der Intention: globales oder grobes Verstehen - Stellung und Erläuterung der Vorfragen 4 Erstes Hör-Sehen Präsentation des gesamten Hör-Seh-Iextes 5 Kontrolle des Global-/Grobverstehens - Präsentation der Schülerantworten -Besprechung 6 Verdeutlichung der zweiten Absicht -Vorgabe: detailliertes (selektives, transzend.) Verstehen - Stellung und Erläuterung der Fragen 7 Zweites Hör-Sehen Präsentation des Materials (gesamt oder Ausschnitt) 8 kontrolle des Detail-Verstehens -Präsentation der Schülerantworten (bzw. Selbst-/Partnerkontrolle) -Besprechung 9 optional: 3. Durchgang - Drittes Hör-Sehen (Ausschnitt) mit spezieller Aufgabe - Kontrolle der Antworten 10 Abschluss Anschlussaufgaben, Analyse, Diskussion, Transfer, Evaluation, Abrundung Obersicht 7: Strukturmodell einer Hör-Seh-Übungsstunde Sherman, Jane (2003): Using authentic video in the language classroom. Cambridge: Cambridge University Press Snell, Julia (2006): Schema theory and the humour of Little Britain. In: English Tbday 1, S. 59-64 Staatsinstitut fur Schulqualitfit und Bildungsfor- schung Mftnchen (Hg.)(2005): Time to talk Berlin: Corn elsen Stempleski, Susan/Tbmalin, Barry (2001): Film. Oxford: Oxford University Press Surkamp, Carola (Hg.) (2004): DerFremdsprachliche UnterrichtBngUsch 68/2004,Themenheft„'Ieach- ing Films" Thaler, Engelbert (2003): Dead Poets Society. Paderborn: Schöningh Thaler, Engelbert (2005): Popular culture. Paderborn: Schöningh Thaler, Engelbert (2007): Film Based Language Learning. 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