Film und Deutsch als Fremdsprache „Von der Information zur Narration“ Pädagogische Fakultät, MU Brno 31. Oktober 2013 Dr. Tina Welke, Universität Wien Programm WARUM „Film“ im Fremdsprachenunterricht? Hör-Seh-Verstehen als 5. Fertigkeit WIE umgehen mit „Film“ im Fremdsprachenunterricht?WIE umgehen mit „Film“ im Fremdsprachenunterricht? Auswahl methodischer Vorgehensweisen WELCHE „Filme“ im Fremdsprachenunterricht? Auswahl filmischer Textsorten FERTIGKEITEN rezeptiv schriftlich– visuell–sekundär Hören Lesen Lesen Schreiben produktiv mündlich-akustisch-primär Sprechen Hören Schreiben Sprechen DIE VERORTUNG VON HÖR-SEH-VERSTEHEN IM GEMEINSAMEN EURÖPÄISCHEN REFERENZRAHMEN/GERS (2000/01) Produktive Aktivitäten und Strategien o Produktive mündliche Aktivitäten (Sprechen) o Produktive schriftliche Aktivitäten (Schreiben) Rezeptive Aktivitäten und Strategien o Auditive rezeptive Aktivitäten (Hören)o Auditive rezeptive Aktivitäten (Hören) o Visuelle rezeptive Aktivitäten (Lesen) o Audio-visuelle Rezeption Interaktive Aktivitäten und Strategien o Mündliche Interaktion o Schriftliche Interaktion Sprachmittlung/Mediation (z.B. Dolmetschen) FERNSEHSENDUNGEN UND FILME VERSTEHEN IM GEMEINSAMEN EUROPÄISCHEN REFERENZRAHMEN/GERS A1: Keine Deskriptoren verfügbar A2: Kann die Hauptinformation von Fernsehmeldungen über Ereignisse, Unglücksfälle usw. erfassen, wenn der Kommentar durch das Bild unterstützt wird (….)(….) B1: Kann vielen Filmen folgen, deren Handlung im Wesentlichen durch Bild und Aktion getragen wird und deren Sprache klar und unkompliziert ist (…) B2: Kann Fernsehreportagen (…) sowie die meisten Filme verstehen, sofern Standardsprache gesprochen wird. (…) C1: Kann Spielfilme verstehen, auch wenn viel saloppe Umgangssprache (…) und viel idiomatischer Sprachgebrauch darin vorkommt. C2: Wie C1 Hör-Seh-Verstehen… … ist die Fähigkeit fremdsprachliche Inhalte bildgestützt verstehend zu hören und zubildgestützt verstehend zu hören und zu sehen (Blell/Lütge, 2008) Hör-Seh-Verstehen als 5. Fertigkeit Wahrnehmung, Speicherung, Verarbeitung von Ton und Bild Temporale Beziehung: simultan und sukzessiv Inhaltliche Bedeutung:Inhaltliche Bedeutung: Kongruenz/Komplementarität oder Diskrepanz Repräsentation: dual oder amodal oder integriert Prozesse: bottom up und top down: Interaktion (Thaler 2007:13) Klassifikation filmischer Texte nach dem Aspekt der FUNKTION zum Beispiel: informieren/berichteninformieren/berichten werben unterhalten dokumentieren lehren Beispiel 1. Orientierendes Hör-Seh-Verstehen: Sehen Sie den Beitrag an. Um welche Textsorte handelt es sich?Um welche Textsorte handelt es sich? Was wird thematisiert? Video 1 Fernsehbericht: Feiertage Sehen Sie den Beitrag an und beantworten Sie die folgenden Fragen: 1. Wie viele gesetzliche Feiertage gibt es in Österreich?1. Wie viele gesetzliche Feiertage gibt es in Österreich? 2. Wozu nutzen die ÖsterreicherInnen die Feiertage? 3. Welche Freizeitaktivitäten werden genannt? Welche sehen Sie? 4. Wie nennt man die Tage zwischen Feiertag und Wochenende? 5. Notieren Sie 5 österreichische Feiertage, die im Beitrag vorkommen. 6. Welche Interessensgruppen stehen einander gegenüber? 7. Was fordern die Gegner der fixen Donnerstag-Feiertage? Ablauf einer HSV-Einheit am Beispiel Fernsehbericht: „Feiertage“ ZIB-Magazin, ORF I 10.04.2013 Thema: Feiertage Ziel: einem Fernsehkurzberichtbericht folgen und wichtige Informationen entnehmen können 1. Orientierendes Hör-Seh-Verstehen: Wovon1. Orientierendes Hör-Seh-Verstehen: Wovon handelt der Bericht? Lesen Sie die Fragen 2. Kursorisches Hör-Seh-Verstehen Beantworten Sie die Fragen Vergleichen Sie die Antworten 3. Abschließendes Hör-Seh-Verstehen Stile des HÖR-SEH-VERSTEHENS (in Analogie zum Hör- bzw. Leseverstehen) ORIENTIERENDES HÖR-SEHVERSTEHEN „Worum geht es?“ KURSORISCHES HÖR-SEHVERSTEHEN „Nur das Wesentliche erfassen“„Nur das Wesentliche erfassen“ SELEKTIVES HÖR-SEHVERSTEHEN „Nur das, was (mich) interessiert“ TOTALES HÖR-SEHVERSTEHEN „Ganz genau hinhören und hinsehen!“ Methodische ZugangsweisenPhasenbezogenes Vorgehen VOR Aufbau von Erwartungshaltung, Aktivierung von Vorwissen – sprachlich, kulturell, filmbezogen (Einstieg über Ton, Bild, Schrift) WÄHREND analytisch und kreativ-produktiveWÄHREND analytisch und kreativ-produktive Auseinandersetzung mit Film, Themen künstlerischer Form (Zuordnungs-, Ergänzungs-, Beobachtungsaufgaben; getrennte Kanäle) NACH Gesamtdeutung, Anschlussaktivitäten (Rekonstruieren, Perspektivenwechsel) Filmdidaktik (nach Surkamp 2010: 60ff.) Teildisziplin der Fremdsprachendidaktik (seit Beginn der 90er Jahre) 5. Fertigkeit: Hör-Sehverstehen authentische Kulturprodukte + Kontextualisierung + Einbeziehung nonverbaler Kommunikation methodische Zugangsweisen: vor/während/nach dem Hör-Sehen Einbeziehung künstlerischer Medien (fakultatives) „Lernvehikel“ (obligatorischer) „Lerninhalt“ sprachbezogen kulturelle Begegnung Sprache rezipierend Sprache evozierend Schlüssel zur Sprache Schlüssel zur Kultur Erwerb sprachlicher Fertigkeiten Erwerb von konkretemErwerb sprachlicher Fertigkeiten Erwerb von konkretem Wissen, konkreten Erfahrungen im Umgang mit Kulturen → Interkulturalität (vgl. Badstübner-Kizik 2007) VOR dem Hör-Seh-Verstehen: Welche visuellen Motive assoziieren Sie mit den einzelnen Ländern ? Schweden Montenegro Frankreich Serbien Italien Bosnien und Herzegowina Vereinigtes Königreich GroßbritannienVereinigtes Königreich Großbritannien die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien Spanien Kosovo Deutschland Türkei Österreich Kroatien Griechenland Albanien Fernsehspot: „Europa“ (ORF 2) 1. Orientierendes Hör-Seh-Verstehen: Sehen Sie den Fernsehspot an. 2. Kursorisches Hör-Seh-Verstehen: Welche2. Kursorisches Hör-Seh-Verstehen: Welche Motive sehen Sie im Spot? Notieren Sie die Motive. Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse. Video 2 NACH dem Hör-Seh-Verstehen Ordnen Sie die folgenden Motive den Ländern zu: Nachrichtenagentur, Sprecherin, Journalistin Studenten mit Magisterhüten Wasser, Fjord, Natur antikes Bauwerk, Landschaft, Mädchenantikes Bauwerk, Landschaft, Mädchen Skyline, Hochhäuser, Nacht, Straße, Verkehr Berge, Altstadt, Sprung von der Brücke, Fluss Wasser, See, Berge, Kloster Opernhaus mit Logen, Publikum, Applaus, Bühne junge Frauen, Innenstadt, Bäckerei, Tauben Modi künstlerischer Medien (Wie?) Welchen Argumentationsaufbau können Sie in der Gestaltung des Werbespotsin der Gestaltung des Werbespots erkennen? Filmkompetenz (film literacy) (nach Surkamp, 2010: 64 ff.) Zusammenspiel von visuellen und akustischen Zeichen, sprachliche und außersprachlicheZeichen, sprachliche und außersprachliche Zeichen verstehen, bewegte Bilder lesen, akustische Signale von audio-visuellen Formaten deuten, das Medium Film (kritisch) nutzen und gestalten können Filmbildung Fünf Teilbildungsziele in wechselseitiger Progression (Inter-)Kulturelles Sehverstehen &Interkulturelles Lernen Filmanalyse/FilmkritikFilmanalyse/Filmkritik Hör-/Seh-Verstehen Filmerleben (nach Blell/Lütge 2008) Auswahlkriterien für den Einsatz von Filmen Segmentierbarkeit Länge WiederholbarkeitWiederholbarkeit Ziel Schwierigkeitsgrad Ästhetische Qualität von der Rezeption zur Produktion Welche filmischen Textsorten sind für den Fremdsprachenunterricht geeignet? Kurzbericht Werbespot Schlüsselszene(n)Schlüsselszene(n) Trailer/Teaser Exposition Kurzfilm Teaser Ziel: An Hand von Schlüsselbildern die mögliche Entwicklung einer filmischen Narration antizipieren Um welche Art von Film handelt es sich? Was ist das Thema des Films? → GENRE Wer sind die handelnden Figuren? Was sind die Motivationen der Figuren? → FIGUR(EN)Motivationen der Figuren? → FIGUR(EN) Wo und wann spielt der Film? → SETTING Welche Handlung erwarten Sie? Was sind mögliche Wendepunkte? Wie endet der Film? →STORY An wen richtet sich der Film? Wer ist die Zielgruppe? → REZIPIENTINNEN Video 3 Filmanalyse (nach Faulstich 2002) WAS: die Handlungsanalyse Drehbuch, Filmprotokoll, Sequenzprotokoll Zeit, Struktur, Phasen WER: die Figurenanalyse Konstellationen: Haupt- und Nebenfiguren, ProtagonistKonstellationen: Haupt- und Nebenfiguren, Protagonist und Held, Figurenpaarungen Rollen, Typen Setting/Ausstattung WIE: die Analyse der Bauformen Kamera/Einstellung und Montage Dialog und Geräusche Musik Raum Licht, Farbe (WOZU: Die Analyse der Normen und Werte: Interpretationen, Ideologie, Message) Arbeit mit dem Teaser 1. Ordnen Sie die Stichpunkte entsprechend der Bildfolge im Teaser: Berg und Bergsteiger im Sommer Im Büro Touristen auf Aussichtsplattform Im Zug Auf der AussichtsplattformAuf der Aussichtsplattform Vor dem Hotel – Ankunft Berg und Bergsteiger im Winter In der Gaststube Relief-Routenplanung Vor dem Hotel – Touristen 2. Konstruieren Sie an Hand der Bilder die mögliche Filmhandlung Historischer Kontext Eiger-Nordwand, 3970 m 1936: Vierer-Seilschaft († 2 Österreicher, 2 Deutsche) Versuche, die Begehung der Eiger-Nordwand für den Nationalsozialismus zu instrumentalisierenNationalsozialismus zu instrumentalisieren 1936: Olympiade: Aussicht auf Goldmedaille 1938: Erstbegehung (2 Österreicher, 2 Deutsche) Fiktionalität Film bildet nicht „Wirklichkeit“ ab, sondern ist Interpretation der „Wirklichkeit“ (arrangiert, inszeniert, kreiert) Film produziert autonome Eigenwelt und erzeugt damit Wirklichkeitseindruck Beurteilungsmöglichkeit der Fiktionalität beruht auf Vorannahmen/WissenBeurteilungsmöglichkeit der Fiktionalität beruht auf Vorannahmen/Wissen der Rezipienten Authentizitätssignale machen mediale Konstruktion von Wirklichkeit bewusst (z.B. wackelnde Kamera, Figuren wenden sich an Kamera) Fiktionalität zeigt sich im „Vertuschen“ des Vermittlungsapparats (z.B. Figuren sind mit sich allein, scheinbar natürliches Licht, Filmmusik) Im Prinzip ist jede mediale Rekonstruktion der Wirklichkeit Fiktion. Tina Welke Danke für Ihre Aufmerksamkeit tina.welke@univie.ac.at Filmographie Fernsehbericht: „Feiertage“ ZIB-Magazin, ORF I, 10.04.2013 Europa, Österreich 2012, Österreichischer RundfunkFernsehen/ORF 2, Fernsehspot, 1,20 MinutenFernsehen/ORF 2, Fernsehspot, 1,20 Minuten Nordwand, Deutschland/Österreich/Schweiz 2008, Regie: Philipp Stölzl, Drehbuch: Christoph Silber/Rupert Henning/Johannes Naber, 120 Minuten. (Auszeichnungen: u.a. Deutscher Filmpreis 2009 in der Kategorie Beste Kamera/Bildgestaltung und Beste Tongestaltung.) Literatur in Auswahl Badstübner-Kizik, Camilla (2007): Bild- und Musikkunst im Fremdsprachenunterricht. Zwischenbilanz und Handreichungen für die Praxis. Frankfurt a.M.: Peter Lang. Blell, Gabriele/Lütge, Christiane (2008): „Filmbildung im Fremdsprachenunterricht: neue Lernziele, Begründungen und Methoden“. In: FLuL 37, S. 124-140. Esterl, Ursula/Hajnalka Nagy (2012) (Hrsg.): Kultur des Sehens. ide (= Informationen zur Deutschdidaktik, Heft 2. Innsbruck: StudienVerlag. Faulstich, Werner (2002): Grundkurs Filmanalyse. München: Wilhelm Fink Verlag. „Filmdidaktik“ (2008): Der Deutschunterricht, Heft 3. Friedrich-Verlag: Seelze„Filmdidaktik“ (2008): Der Deutschunterricht, Heft 3. Friedrich-Verlag: Seelze Schwerdtfeger, Inge C. (1989): Sehen und Verstehen. Arbeit mit Filmen im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Berlin: Langenscheidt. „Sehen(d) Lernen“ (2007), Fremdsprache Deutsch, Heft 36. München: Hueber-Verlag. Surkamp, Carola (2010): „Filmdidaktik“ und „Filmkompetenz“. In: Surkamp, Carola (Hrsg.): Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik. Ansätze, Methoden, Grundbegriffe. Stuttgart: Metzler, S. 60-65. Thaler, Engelbert (2007): „Schulung des Hör-Seh-Verstehens“. In: PRAXIS Fremdsprachenunterricht 4, S. 12-17. Welke, Tina/Faistauer, Renate (2010) (Hrsg.): Lust auf Film heißt Lust auf Lernen. Der Einsatz des Mediums Film im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Wien: Präsens. Welke, Tina (2013): „‘Haben Sie den gesehen?‘ Film-Filmbildung-Filmdidaktik in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache.“ In: Horizonte. Sonderheft zur IDT 2013. Hrsg. Österreichischer Verband für Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache, Göttingen: V&Runipress, S. 48-60. Wintersteiner, Werner (2003) (Hrsg.): Film. ide (= Informationen zur Deutschdidaktik), Heft 4. Innsbruck: StudienVerlag.