Ursula Müller 1 Einführung 2 Suprasegmentales 2.1 Intonation 2.2 Koartikulation 3 Segmentales 3.1 Vokale 3.2 Konsonanten 4 Laut Buchstaben-Beziehungen 5 Hinweise für den Unterricht 5.1 Häufige phonetische Abweichungen 5.2 Didaktische Empfehlungen 1 Einführung Das Tschechische gehört (neben Polnisch, Slowakisch, Ober- und Niedersorbisch) zur Gruppe der westslawischen Sprachen innerhalb des slawischen Sprachzweiges des Indoeuropäischen. Die westslawischen Sprachen bestehen aus einer nördlichen und einer südlichen Gruppe. Zur südlichen, der sog. tschechoslowakischen Gruppe gehören im Nordwesten das Sorbische, im Osten das Slowakische und in der Mitte das Tschechische. Hierbei sind Slowakisch und Tschechisch die am nächsten miteinander verwandten Sprachen. Aufgrund seiner Entwicklung galt das Tschechische bis zum 16. Jahrhundert als Muttersprache für den Osten Mitteleuropas; noch heute lässt sich sein Einfluss z.B. auf die Rechtschreibung des Polnischen, Slowakischen, Sorbischen, Litauischen, Lettischen, Slowenischen, Kroatischen und Magyarischen nachweisen (vgl. Frei 1997: 23). Nach Frei (1997: 26f.) lässt sich das Tschechische in mehrere Ebenen gliedern: ♦ eine vertikale Ebene, d.h. eine westliche, böhmisch-hochsprachliche Variante, die etwa von 75% aller Tschechen gesprochen wird, und eine östliche, mährisch-schlesische hochsprachliche Variante, die ca. 25% der Tschechen verwenden. ♦ eine horizontale Ebene, etwa mit den stilistischen Varianten des Deutschen vergleichbar; sie unterscheidet zwischen Hochsprache (mit stilistischen Ausprägungen wie künstlerischer Stil, publizistischer Stil und Fachstil), die üblicherweise für die Schriftform verwendet wird, und Umgangssprache, die gewissermaßen die münd-liche Form der Hochsprache darstellt. ♦ die Ebene der Dialekte, des Stadtjargons u.a. Tschechisch wird etwa von 10,4 Millionen Menschen (Frei 1997: 16) in der Tschechischen Republik gesprochen: Dazu gehören Böhmen, Mähren sowie der tschechische Teil Schlesiens, also jene Gebiete, die seit 1993 die Tschechische Republik bilden. Auf dem Territorium der ehemaligen ČSFR waren Tschechisch und Slowakisch zwei gleichberechtigte National- und Staatssprachen. Tschechen und Slowaken lebten zwischen 1918 und 1992 zumeist in einem Staat. Heute ist Tschechisch die National- und Staatssprache der Tschechen in der Tschechischen Republik. Darüber hinaus ist eine relativ große Anzahl von Tschechen auf der ganzen Welt zu finden, insbesondere in englisch- und deutschsprachigen Ländern, aber auch in der Ukraine, im ehem. Jugoslawien sowie in Frankreich, Norwegen u.a. 2 Phonetik international: Tschechisch Phonetische Besonderheiten ♦ Die Sprechspannung ist bei den Konsonanten im Tschechischen ähnlich wie im Deutschen. Es gibt tschechische Laute mit gleicher Muskelspannung wie im Deutschen, Laute mit höherer Muskelspannung (z.B. [v]) und Laute mit geringerer Artikulationsenergie als im Deutschen (z.B. stimmlose Explosiva). Frei (1997: 68) bemerkt, dass bei den tschechischen Konsonanten die Artikulationsorgane viel intensiver arbeiten als im Deutschen und dass dies deutlich sichtbar sei. ♦ Der Glottisschlag existiert in beiden Sprachen. ♦ Lippenrundung gibt es im Tschechischen nur für die Vokale der hinteren Reihe, gerundete Vorderzungenvokale wie im Deutschen kommen nicht vor. ♦ Genereller Zungenspitzenkontakt an den unteren Schneidezähnen, wie er bisher für das Deutsche galt, ist im Tschechischen nicht vorhanden, es gibt vor allem bei den Vokalen Laute, die mit weit zurückgezogener Zungenspitze und „kugelförmigem" Zungenrücken gebildet werden (z.B. 0- und U-Laute). ♦ Der Kieferöffnungswinkel ist bei den tschechischen Vokalen größer als bei den deutschen. ♦ Stimmtonverlust, wie er im Deutschen bei der Auslautverhärtung oder im Anlaut auftritt, gibt es im Tschechischen nur im absoluten Auslaut; ansonsten werden die entsprechenden Laute voll stimmhaft realisiert. ♦ Lautschwächungen treten im Tschechischen nicht auf, es gibt keinen Reduktionsvokal ähnlich dem deutschen Murmelvokal [a]. ♦ Bei koartikulatorischen Veränderungen wechselt der Laut meist seine Qualität (stimmhaft zu stimmlos und umgekehrt); bei Doppelkonsonanten wird nur ein Laut realisiert oder er wird gedehnt (vgl. 2.2). Phonetik international: Tschechisch 3 2 Suprasegmentales 2.1 Intonation Im Tschechischen gibt es kaum einen Identitätsunterschied zwischen betonten und unbetonten Silben, deshalb auch kaum einen Qualitätsunterschied zwischen betonten und unbetonten Vokalen. Die Betonung wird daher als schwach eingestuft: schwächer als im Deutschen, Englischen, Russischen, Italienischen. Die Betonung liegt grundsätzlich auf der ersten Silbe des Wortes. Wörter mit drei und mehr Silben haben einen schwachen Nebenton auf der 3. oder 4. Silbe, bei zusammengesetzten Wörtern liegt der Nebenton auf der ersten Silbe des zweiten Wortbestandteiles. Primäre (ursprüngliche) Präpositionen bilden mit dem folgenden Wort eine Akzenteinheit und übernehmen damit den Hauptton. Bei sekundären (abgeleiteten) Präpositionen liegt der Hauptton auf dem Substantiv, die Präposition trägt einen Nebenton. Die Grundtendenz der Melodie des Aussagesatzes ist fallend, was im Prinzip auch auf jeden einzelnen Takt des Satzes zutrifft; sämtliche Takte weisen den ersten Grad der Druckakzentstärke auf. Werden Druckakzentstärken 2. und 3. Grades erreicht, so liegt der Ton der ersten Silbe nahe bzw. jenseits der oberen Grenze des mittleren Sprechstimmbereiches. Das Typische für Entscheidungsfragesätze ist die steigend-fallende Intonation innerhalb eines Taktes. Die Intonation von Ergänzungsfragesätzen gleicht dem Grundmuster der Aussagesätze: fallende Intonation innerhalb der einzelnen Takte, fallende Tonhöhenrelationen zwischen den einzelnen Takten. Unterschiede zum Deutschen liegen in der Behandlung der betonten und unbetonten Silbe, der Wortbetonung und der Melodieführung der einzelnen Satztypen (Aussage- und Fragesatz). Schwierigkeiten könnten auftreten durch die vom Deutschen abwei-chende Folge von Thema und Rhema. Das Rhema muss im Tschechischen nicht an letzter Stelle stehen, aber es gibt dennoch die Möglichkeit, das letzte Element stärker zu betonen. 4 Phonetik international: Tschechisch 2.2 Koartikulation Der Terminus „Auslautverhärtung" ist für die slawischen Sprachen nicht gebräuchlich; es wird von „Stimmtonverlust" gesprochen. Dieser tritt im Tschechischen nur im absoluten Auslaut (am Wortende vor Sprechpause) auf. Koartikulatorisch bedingte Assimilationen sind grundsätzlich regressiv. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen Stimmassimilation und Assimilation in Bezug auf die Artikulationsstelle. Bei der Stimm-assimilation wird der einem stimmlosen Konsonanten unmittelbar vorangehende paarige Konsonant stimmlos, der einem stimmhaften Konsonanten unmittelbar vorangehende Konsonant stimmhaft. Als Ausnahme gilt der Laut [v], er unterliegt der Assimilation zu [f], bewirkt aber nicht, dass der vorangehende paarige Konso-nant stimmhaft wird. Assimilationen hinsichtlich der Artikulationsstelle sind an der Wortgrenze und an der Grenze zweier Morpheme nicht statthaft. An der Wortformgrenze und teilweise auch an Morphemgrenzen (besonders zwischen Präfix und Wortbildungsbasis) dürfen [t] und [d] mit nachfolgendem [s, z, J, 3] nicht als [ts, ds, tj, d3] realisiert werden. Der Konsonant [n] wird vor [k] und [g] zu [q], jedoch nicht im relativen und absoluten Auslaut, auch nicht an der Wortgrenze. Doppelte Konsonantenbuchstaben werden innerhalb nicht-zusammengesetzter Wörter kurz, in zusammengesetzten Wörtern, in Präpositionalverbindungen und an der Wortfuge lang realisiert. Im Auslaut gibt es kaum Doppelkonsonanten. Benachbarte (auch durch Assimilation) gleiche Laute werden als ein Laut gesprochen; nur wenn es die unterschiedliche Bedeutung erfordert, werden beide Laute realisiert bzw. erfolgt Längung bis auf die doppelte Lautdauer. Dies gilt auch für Konsonantenbuchstaben gleicher Artikulationsstelle und -art mit potentiell unterschiedlicher Stimmbeteiligung. Bei Okklusiven (Explosiven) wird die Verschlusssprengung verzögert, der Konsonant gelängt (nur ein Laut wird realisiert). Die Buchstaben werden zu [ts], die Folgen zu [tj]. Stehen die Buchstaben vor oder , werden sie als [d, f, n] ausgesprochen. Stehen jedoch vor , so tritt keine Erweichung ein, obwohl es phonetisch mit zusammenfällt. Phonetik international: Tschechisch 5 3 Segmentales Im Deutschen werden die Laute, wie allgemein üblich, nach dem Internationalen Phonetischen Alphabeth (IPA) und in eckigen Klammern ([ ] ) wiedergegeben. Im Tschechischen dagegen werden die Zeichen für die Laute entweder den Buchstaben der Schrift entlehnt oder aber - teils auch noch modifiziert - nach dem Trans-kriptionsvorschlag der ehem. tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften (AdW) verwendet und ebenfalls in eckigen Klammern ([ ] ) wiedergegeben. Um auch für den tschechischen Deutschlehrer bzw. Nicht-Phonetiker das Einlesen zu erleichtern, sind in Übersicht 1 beide Zeichensysteme nebeneinander gestellt, in Übersicht 3 nur die von IPA unterschiedlichen Zeichen durch IPA ergänzt und mit einem Sternchen (*) versehen. Eine vollständige Übertragung der tschechischen Buchstaben in die Transkription nach IPA verdeutlicht Übersicht 5. Abweichend von IPA sind die weichen Konsonanten generell nur in die tschechische Version aufgenommen, da eine Wiedergabe mit [j], nicht der Realisationsform entspricht und deshalb auch von der neuen Literatur nicht übernommen wird . 3.1 Vokale Das Tschechische weist zehn Vokalphoneme auf: fünf kurze und fünf lange. Übersicht 1 zeigt die Zuordnung der Vokale der vorderen, mittleren und hinteren Reihe zur Lippenaktivität 'gerundet' und 'ungerundet' und zu den Quantitätsmerkmalen 'lang' und 'kurz'. Übersicht 1: Vokale (Phoneme) ungerundet gerundet vorn zentral hinten lang AdW IPA l e i: e: ä a: 6 ü o: u: kurz AdW IPA i e i e a a o u o u 6 Phonetik international: Tschechisch Übersicht 2: Deutsche und tschechische Vokale (Laute) Vokalviereck Deutsch - Tschechisch Zungenhebung a oa a: 0 tschechische Vokale A deutsche Vokale Vergleich zwischen deutschen und tschechischen Vokalen ♦ Ubersicht 2 verdeutlicht, dass zwischen den Vokalen beider Sprachen bedeutende Unterschiede im Grad der Kieferöffnung und Zungenhebung bestehen. Generell werden die tschechischen Vokale den deutschen gegenüber als „weiter" (offener) bezeichnet, wobei der lange tschechische Vokal geschlossener als der kurze ist; bei den A-Lauten ist das Verhältnis umgekehrt. Zu beachten ist, dass die E-und O-Laute nur offen vorkommen, also [e, e:; o, o:]. ♦ Es gibt in beiden Sprachen keine Nasalvokale, im Tschechischen fehlen die gerundeten Vorderzungenvokale. ♦ Der Quantitätsunterschied ist im Tschechischen größer als im Deutschen und hat im Tschechischen eine phonologische Funktion. Im Deutschen kann der Unterschied 'offen'/'geschlossen' bei den beiden A-Lauten vernachlässigt werden, es werden [a] als hell und kurz, [a:] als dunkel und lang bezeichnet. Phonetik international: Tschechisch 1 ♦ Die langen tschechischen Vokale haben die doppelte Länge der entsprechenden kurzen und sind etwa ein Drittel länger als der jeweilige deutsche Vokal. Dagegen ist der Qualitätsunterschied im Deutschen größer als im Tschechischen; die langen Vokale werden deutlich geschlossener und mit stärkerer Zungenspannung artikuliert als die kurzen Vokale. ♦ Im Tschechischen gibt es keine Vokalreduktion, also keinen Qualitätsunterschied zwischen betonten und unbetonten Vokalen. ♦ Die Quantität der Vokale ist nicht positionsbedingt: Auch im Auslaut kann ein Vokal kurz oder lang sein. Die Länge oder Kürze ist von der Anzahl der nachfolgenden Konsonanten unabhängig. ♦ Die beiden Halbvokale [u] und [ i] entsprechen dem Schriftbild und . Sie sind aufgrund ihrer Bildungsweise (wenig gespannte Stimmlippen, so dass ein „unreiner" Stimmton entsteht bzw. starke Engebildung mit deutlichem Reibegeräusch) den Konsonanten zuzurechnen; sie können nicht Silbenträger sein. ♦ Bei den Diphthongen werden die mit [u] als festem Bestandteil gebildeten (mit fj> , a, e]) als die drei echten Diphthonge [ou, au, eu] bezeichnet. Sie unterscheiden sich von den mit [i] gebildeten dadurch, dass das unsilbische flüchtig ist; es wird für spezielle Lautverbindungen benötigt. ♦ Die tschechischen Diphthonge sind fallende Diphthonge, die aus einem Vollvokal bestehen, der dem Halbvokal (mit geringerer Schallfülle) vorausgeht. Die deutschen Diphthonge sind mit den tschechischen nicht identisch, da deren zweiter Bestandteil grundsätzlich der Halbvokal [u] ist. 8 Phonetik international: Tschechisch 3.2 Konsonanten Übersicht 3: Vergleich der tschechischen und deutschen Konsonanten (Phoneme) Tschechisch Deutsch Explosive p b t d k g t1 d p b t d k g Frikative f v s z s/J* z/3* j x h f v s z J 3 5 j x h Affrikaten c/ts* c/tj* - Nasale m n -n m n rj Liquide 1 r r/s * 1 r Im Tschechischen stehen den 25 Konsonantenphonemen 34 Laute gegenüber, nach Koenitz (1981) sind es 32 Phoneme, /t, d/ existieren nur in Phonemfolgen in der Ver-bindung mit /s, z, s, z/. Der Unterschied 'stimmhaft'/'stimmlos' ist mit 'druckschwach'/ 'druckstark' gekoppelt (okklusive Konsonanten), jedoch wird dabei niemals der Grad der Aspiration erreicht. Von den hinsichtlich der Stimmbeteiligung paarigen Konso-nanten (der Unterschied zwischen zwei Konsonanten liegt hier nur in der Stimm-beteiligung) können stets nur gleichartige Konsonanten ohne Pause aufeinander folgen, d.h. entweder nur stimmhafte oder nur stimmlose. Die Liquiden /l, r/ können Silbenträger sein. Phonetik international: Tschechisch 9 Übersicht 4: Die tschechischen Konsonanten (Laute) Artikulationsorgan —> labial coronal postalveolar präpalatal post-dorsal-velar pha-ryngal-laryngal Artikulationsart 4-Explosive stimmlos stimmhaft labial dental dental-alveolar lateral prädorsal mediodorsal P b t d f d' k g ? Affrikaten stimmlos stimmhaft ts dz tj d3 Frikative stimmlos stimmhaft f V s z J 3 j X Y h Nasale m m" n n" fi fi" i) Liquide stimmlos stimmhaft f r r 1 Vergleich zwischen tschechischen und deutschen Konsonanten ♦ Generell sind tschechische stimmlose Konsonanten absolut stimmlos, stimmhafte voll-stimmhaft, im Deutschen dagegen unterscheiden wir stimmhafte und stimmlose Lenes. ♦ Die Laute [f, s, m, J, 3] weisen im Verhältnis zum Deutschen kaum Unterschiede auf, bei [z] ist er gering, [v] wird tschechisch mit stärkerer Muskelspannung (deutlicherem Reibegeräusch) realisiert. ♦ [m", n", n"] werden im absoluten Auslaut häufig realisiert. Im Gegensatz zum Deut-schen, wo erst der Stimmklang abgebrochen und dann der Verschluss gelöst wird, wird der Stimmklang im Tschechischen erst nach Lösung des Verschlusses abge-brochen, so dass ein vokalartiger, deutlicher Nachklang entsteht ([a]). ♦ Im Tschechischen gibt es in Bezug auf die Merkmale 'nicht palatalisiert' / 'palatali-siert' drei Konsonantenpaare: [t, t'; d, d'; n, n]. Bei den palatalisierten [f, d', n] 10 Phonetik international: Tschechisch liegt die Zungenspitze im Gegensatz zu den nicht-palatalisierten [t, d, n] an den unteren Schneidezähnen und der Zungenrücken wird mit großer Energie an das Palatum gepresst. ♦ Der Laut [q] existiert nur als stellungsbedingte Variante vor [g] und [k] innerhalb des Wortes. ♦ [r] wird grundsätzlich, auch im Auslaut, als Zungenspitzen-R realisiert, mit wenigen Schwingungen wie im Deutschen, auch im Auslaut. Es gibt also weder ein Reibe noch ein Zäpfchen-R und in keiner Position ein reduziertes [r]. ♦ [1] hat im Tschechischen einen dunkleren Klang als im Deutschen, ist jedoch weder palatalisiert noch velarisiert; es wird mit größerem Kieferöffnungswinkel gebildet als im Deutschen. ♦ [y] ist als die stimmhafte Entsprechung des [x] eine stellungsbedingte Variante; es existiert kein [9]. ♦ Ein wesentlicher Unterschied besteht in beiden Sprachen beim Hauchlaut: Während im Deutschen die Stimmlippen geöffnet sind, also nicht zum Schwingen kommen, sind im Tschechischen die Stimmlippen relativ weit aneinander angenähert, aber nicht weit genug, um zu regelmäßigen Schwingungen zu kommen. Die Knorpelritze dagegen ist geöffnet; so entsteht ein Hauchgeräusch mit einem „unreinen" Stimmton. ♦ [?] als laryngaler, okklusiver (und explosiver) Konsonant wird im absoluten Anlaut vor Vokalen verwendet. Wird er jedoch nach einer Sprechpause weggelassen, so kommt es weder zu Verwechslungen, noch wird das Wort unverständlich. Dieser Knacklaut wird auch dann realisiert, wenn einem Wort, das mit einem Vokal beginnt, eine unsilbische Präposition vorausgeht. Hier erfüllt er die Funktion eines Grenzsignals (Wortformen- und Morphemgrenze). Als Ersatz für den Knacklaut ist die Reduzierung der Artikulationsenergie der vorhergehenden Silbe möglich oder die Verzögerung bei der Bildung des reinen Stimmtones. In dieser Verzögerungsphase bildet die Stimmritze keinen Verschluss (schmaler Spalt), es entsteht ein laryngaler konstriktiver Konsonant [ ], ähnlich dem [h]. Phonetik international: Tschechisch 11 4 Laut-Buchstaben-Beziehungen Für das Tschechische gilt als Regel, dass einem Laut ein Buchstabe entspricht; deshalb gibt es keine Buchstabenkombination mit einem Lautwert, wie etwa im Deutschen - [J]. Die Buchstabenfolge wird im Tschechischen als ein Buchstabe definiert. Dennoch kommen auch im Tschechischen durch Koartikulation Veränderungen zustande, die diese „Regel" außer Kraft setzen. Das Tschechische verwendet die Buchstabenschrift auf der Grundlage des lateinischen Alphabets. Die Erweiterung des lateinischen Grundalphabets auf 41 Buchstaben (je groß und klein) kommt durch diakritische Zeichen zustande. Es gibt drei Diakritika, die sowohl für große als auch für kleine Buchstaben gelten: Strich ' ausschließlich für Vokalbuchstaben , er kennzeichnet die Länge des betreffenden Vokals, also <á, é, í, ó, ú, ý>; Häkchen " für den Vokalbuchstaben und die Konsonantenbuchstaben (auch <ď, ť>), es kennzeichnet Qualitätsunterschiede, also <ě, d", t", ň, š , ž, ř> (auch <ď, ť); Ringel ° für den Vokalbuchstaben ; ein langes kann durch einen Strich <ü> oder durch ein Ringel <ü> gekennzeichnet werden. 12 Phonetik international: Tschechisch Übersicht 5: Tschechisches Alphabet mit Lautwerten nach API Buchstabe Laut Buchstabe Laut Buchstabe Laut a a l i: t t i a: k k t' t' b b 1 1 u u c ts m m ü u: c tj n n ü u: d d n n V V d' d 0 0 w e e 6 o: X X e e: P P y i e ie q(u) (kv) y i: g 9 r r z z h h f r3 z 3 ch X s s i i S J Interferenzerscheinungen werden durch das Schriftbild von hervorgerufen. Phonetik international: Tschechisch 13 5 Hinweise für den Unterricht 5.1 Häufige phonetische Abweichungen ♦ Der Unterschied zwischen betonten und unbetonten Silben hinsichtlich der Druck-starke bzw. der Lautschwächung wird vernachlässigt; der minimale Unterschied zwischen betonten und unbetonten Silben und Vokalen wird auf das Deutsche übertragen. ♦ Bei Unsicherheit in Bezug auf die Wortakzentstelle betonen tschechische Deutschlernende oft die erste Silbe des Wortes. ♦ Die regressive Stimmassimilation des Tschechischen wird auf das Deutsche übertragen, so dass die Auslautverhärtung entfällt und es über die Silben- und Wortgrenze hinweg zur Affrikatenbildung kommt bzw. sich die Silbengrenzen verändern. Das Wort lässt sich nicht mehr verstehen, weil seine Bestandteile nicht erkennbar sind. ♦ Beim Verwenden von Tonhöhen jenseits der oberen Grenze des mittleren Sprech-stimmbereiches wird beim deutschen Gesprächspartner Emotionalität signalisiert, die vom tschechischen Sprecher nicht beabsichtigt ist. ♦ Vokale klingen aufgrund des größeren Kieferöffnungswinkels und der damit verbundenen veränderten Zungenlage generell etwas zu dumpf. ♦ 0- und U-Laute sind sehr weit rückverlagert, da die Zungenspitze zu weit von den Zähnen zurückgezogen ist. ♦ Die beiden A-Laute werden 'weiter' ('offener') realisiert als im Deutschen. ♦ Die Qualitätsmerkmale der tschechischen E- und O-Laute werden auf das Deutsche übertragen, so dass die E- und O-Laute zu offen gesprochen werden, z.B. [o:] als [o:]; der Murmelvokal [a] wird besonders im Auslaut als offenes [e] realisiert. ♦ Die Vorderzungenvokale werden entrundet artikuliert und mit zu großem Kieferöffnungswinkel gesprochen. ♦ Die Diphthonge [ao, o$] werden aufgrund der Schriftbildinterferenz als mit [u] realisiert. Durch Schriftbildinterferenz wird der Buchstabe als [i] artikuliert. ♦ Die Konsonanten [t, d, n] werden vor [i] palatalisiert ausgesprochen. ♦ Da es im Tschechischen keine Lautreduktion gibt, wird der R-Laut auch im In-und Auslaut als Zungenspitzen-R realisiert. Die Endung <-er> wird als [er] ausgesprochen. 14 Phonetik international: Tschechisch ♦ Der Hauchlaut klingt gepresst. ♦ Der Neueinsatz wird nicht immer realisiert. ♦ Die Explosive [p, t, k] werden nicht aspiriert. ♦ Der Ich-Laut wird häufig stimmhaft oder als Ach-Laut gesprochen. ♦ [q] wird im Auslaut als [n-g] oder [n-k] artikuliert. ♦ Besonders bei [n] und [m] wird im Auslaut erst der Verschluss gelöst und dann der Stimmton weggenommen, so dass es zum vokalartigen Nachschlag kommt. 5.2 Didaktische Empfehlungen > Als Voraussetzung für die Akzentuierung im Deutschen (starker Wechsel zwischen betonten und unbetonten Silben) müssen alle Regularitäten der Lautschwächung erarbeitet werden, da es im Tschechischen keinerlei Reduktionserscheinungen gibt. > Besondere Aufmerksamkeit ist dem Wechsel zwischen betonten und unbetonten Silben sowie den Wortakzentregeln zu widmen. > Bei der Intonation sind die progrediente und interrogative Melodieführung zu erarbeiten. > Generell ist bei der Melodieführung auf die Einhaltung des Spielraumes für den deutschen Sprechstimmbereich zu achten. > Bei den Vokalen ist der Quantitätsunterschied 'kurz' / 'lang' im Zusammenhang mit dem Qualitätsunterschied 'offen'/"geschlossen' zu beachten. Besondere Aufmerksamkeit ist bei den E- und O-Lauten notwendig in Bezug auf die geschlossene Länge (Lippenrundung der O-Laute!) und bei der Verwendung des Murmelvokals [a]. Die gerundeten Vorderzungenvokale (0- und Ü-Laute) sind zu erarbeiten. > Bei den Diphthongen ist der Unterschied zwischen den tschechischen und deutschen herauszuarbeiten. Besonderer Wert ist darauf zu legen, dass beide Laute miteinander verschmelzen und der zweite Bestandteil bei [ao] und [o$] nicht als [u] und bei [ae] nicht als [ai] realisiert wird. > Generell ist der Zungenspitzenkontakt an den unteren Schneidezähnen zu üben, der besonders schwer bei 0- und U-Lauten fällt. Hier sollte die Zunge so weit wie möglich nach vorn gebracht werden, um der „Kugelbildung" bewusst entgegenzuarbeiten. Gleichzeitig sollte der Kieferöffnungswinkel kleiner gehalten werden. Phonetik international: Tschechisch 15 > Die vokalische Substitution [b] ist völlig neu zu erarbeiten. Dabei ist besonderer Wert auf die Tatsache zu legen, dass zwei Laute, nämlich [ar] ersetzt werden und kein R-Laut, auch nicht andeutungsweise, zu hören sein darf. > Zungenspitzen-R mit geringer Schlagzahl kann bestehen bleiben (für den Anlaut). Die Erarbeitung des Reibe-R ist jedoch vorteilhaft im Hinblick auf die Verwendung reduzierter R-Laute, besonders für den Auslaut. Auf keinen Fall sollte das Zäpfchen-R eingeführt werden: Rückverlagerung der Artikulationsbasis wäre die Folge. > Um für das [1] den helleren Klang zu erreichen, empfiehlt sich die Verkleinerung des Kieferöffnungswinkels für das deutsche [1], dadurch wird der dumpfe Klang des tschechischen Lautes vermieden. > Um ein deutsches [h] zu erreichen, ist der im Tschechischen übliche hohe Energieaufwand, der Reibegeräusch und Stimmton hervorruft, zu vermeiden. Dem Lernenden ist bewusst zu machen, dass > es im Deutschen keine palatalen Laute gibt und deshalb [t, d, k] vor einem E-oder I Laut in ihrer nichtpalatalen Qualität erhalten bleiben; [q] als Lautwert der beiden Grapheme im In- und Auslaut eines Wortes existiert und bei der Schreibweise [q] + [k] zu artikulieren sind; > für die Graphemfolge im Deutschen die Lautwerte [9] und [x] realisiert werden und die entsprechenden Regeln geübt werden müssen; > im Deutschen zwischen Fortes und Lenes unterschieden wird und man Fortes mit starkem Reibegeräusch bzw. aspiriert bildet; > das Gesetz der Auslautverhärtung sowohl an der Wort- als auch an der Silbengrenze zutrifft. > im Deutschen im Gegensatz zum Tschechischen die progressive Assimilation vorherrscht. 16 Phonetik international: Tschechisch Literatur Bauernöppel, J./Fritzsch, H./Bielefeld, B. (1970): Kurze tschechische Sprachlehre. Berlin (Volk und Wissen), 7-19. Frei, B. J. (1997): Tschechisch gründlich und systematisch . 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