Verstehen braucht Sehen: Lernen mit Kurzfilmen im Unterricht Cintea Richter – Colégio Província de São Pedro Verstehen braucht Sehen: Lernen mit Kurzfilmen und Serien im DaF-Unterricht Seit Ende der 60er Jahre wird Video als Lehr- und Lernmittel im Unterricht Deutsch als Fremdsprache eingesetzt und nimmt bis heute einen festen Platz in der fachdidaktischen Diskussion ein. Argumente für und gegen den Einsatz dieses Mediums sind im Grunde genommen bekannt. Arbeitsformen sind in der Fachliteratur relativ ausführlich beschrieben. Dennoch werden Filme in der Praxis des Unterrichts eher selten eingesetzt. Die Grundlage der Lern- und Lehrprozesse bilden immer noch meistens Lehrwerke. Nun hat sich inzwischen die Gewichtung der Ziele des Fremdsprachunterrichts geändert. Das Hauptziel, das früher nur in der Ausbildung der kommunikativen Kompetenz der Lerner lag, zentralisiert heute vielmehr eine interkulturelle kommunikative Kompetenz. Um solches Ziel zu erreichen spielt das Hör-SehVerstehen eine sehr wichtige Rolle, weil es Situationen im Kontext darbietet. 1. Warum das Genre Kurzfilm? Schüler wünschen sich häufig Filme im Unterricht. Aber meistens haben wir Lehrer nicht so viele Stunden hintereinander, sodass man den Film ganz sehen könnte. Das heiβt, wir müssen den Film unterbrechen und in der nächsten Stunde weitersehen. So etwas nimmt viele Stunden in Anspruch. Wenn der Film dann endlich aus ist, sind wir schon unsicher, ob wir anschlieβend noch Übungen durchführen sollen. Zu diesem Zeitpunkt sagen auch die Schüler „schon wieder Film“ oder „immer noch dieser Film“. Kurzfilme sind sehr geeignet von der Zeit. Man kann sie in einer Stunde bearbeiten. Mein Motto: weniger – aber methodisch klar strukturiert – ist mehr! 2. Warum Serien? Serien sind auch interessant, weil Schüler dieses „Muster“ sehr gut kennen. Sie sehen sehr viele amerikanische Serien. Serien haben auch den Vorteil der Zeit. Sie sind in Folgen geschnitten und enthalten einen zusätzlichen positiven Faktor: die Spannung. Die Geschichte geht weiter und bietet die Möglichkeit eine wöchentliche oder monatliche Arbeit einzuplanen. Verstehen braucht Sehen: Lernen mit Kurzfilmen im Unterricht Cintea Richter – Colégio Província de São Pedro 3. Kurzfilme / Filme / Serien: Hör-Seh-Verstehen Potenzfelder des Hör-Seh-Verstehens:  Sprecher und Sprecherwechsel sind sichtbar  Bild gibt Rahmen, Kontext  Man sieht Raum und erkennt Zeit  Bild hilft beim Erkennen von schwierigen Wörtern  Bild macht prosodische Informationen sichtbar (nonverbale Äuβerungsformen...)  Bild macht emotional-affektives Verhalten sichtbar (nonverbales / extraverbales Verhalten)  Bild zeigt Landeskundliches  Bild bewirkt Reduktion der Anstrengung Wie sehen die obengenannten Punkte beim „normalen“ Hör-Verstehen aus? Wie oft im Leben werden die Schüler mit einem reinen HV konfrontiert? 4. Methodisches Vorgehen Es ist üblich, dass Lehrer sich unsicher fühlen, wenn es um didaktischmethodische Schritte zu Filmen und Kurzfilmen geht, insbesondere in Bezug auf filmkünstlerische Merkmale. Es gibt sicherlich Unterschiede bei der Behandlung von Filmen und Kurzfilmen und Serien. Filme sollten keiner reinen Spracharbeit dienen. Filmen sind eher eine interkulturelle und landeskundliche Einheit. Sie sollten in ihren Kontexten bearbeitet werden. Kurzfilme ermöglichen meistens eine Spracharbeit. Einige (wie „Spielzeugland“) ermöglichen zusätzlich eine landeskundliche Erörterung. Sehr interessant ist die Filmproduktion zu bearbeiten (Kameraperspektive, Kameraeinstellung...) und danach sogar einen Kurzfilm drehen oder einen Trickfilm herstellen. Verstehen braucht Sehen: Lernen mit Kurzfilmen im Unterricht Cintea Richter – Colégio Província de São Pedro Tipps und Beispiele, mögliche Aufgabentypologie für (Kurz)Filme: Vor dem Sehen: - Antizipationsaufgaben: „Wovon könnte der Film handeln?“ – Vermutungen anhand Bilder der Protagonisten oder des Titels. - Landeskundliche / geschichtliche Vorbereitung: Rechercheaufgaben (Kontext vorbereiten) Während des Sehens: Filme sollten möglichst als Gesamtkunstwerk präsentiert und nach Möglichkeit nicht unterbrochen werden. Deshalb sollten wenige oder keine Aufgaben gestellt werden. Möglich ist es, den Film an einem Spannungspunkt zu stoppen und fragen wie der Film weiter geht. Eine andere Möglichkeit ist den Film ganz su sehen und danach einige Stücke auszuschneiden und sich intensiver mit diesem Teil zu beschäftigen. Denken Sie daran: weniger, aber methodisch klar strukturiert, ist mehr! Bei Kurzfilmen hat man die Möglichkeit den Film mehrmals zu sehen und auf verschiedenen Ebenen zu bearbeiten. - Beobachtungsaufgaben geben (geht sowohl mit Kurzfilmen als auch mit Stücke eines längeren Films): Leichtere Aufgaben Komplexere Aufgaben Was macht ...? Wie sieht er/sie aus? Protagonist / Antagonist Was „sagt“ die Mimik, die Gestik? Wie wirkt die Stimme/Intonation von...? Welche Symbole sind zu erkennen? (Farben, Räume, Bewegungen, Musik...) Kameraeinstellung, -perspektive: Welche kommt oft vor? (Oben, unten, nah, fern) Welche Wirkung ergibt sie? Wie lenkt der Regisseur den Blick der Zuschauer? Was wird dadurch wichtig? Ton: Welche Geräusche, Musik? Haben sie eine besondere Bedeutung? Farben und Licht: Wie wirkt die Szene? Haben Farben und Licht eine besondere/symbolhafte Bedeutung? Wie wird die Sequenz filmisch erzählt? (flashbacks, Zeit im Film, chronologische Reihenfolge... ) Welche Anweisungen könnte der Regisseur für diese Sequenz gegeben haben? Nach dem Sehen: - Gezielte Aufgaben zum Verständnis: Wahr/Falsch-Fragen, Zuordnungsaufgaben (Bilder- oder Szenepuzzle), Szeneprotokoll (Überschriften für bestimmte Szenen finden), inhaltsbezogene Fragen (klassische W-Fragen), Personenprofile (Beschreibung), Rollenspiele, Lückentexte, Poster zum Film erarbeiten, möglicherweise Stammbäume oder Grafiken zur Figurenkonstelation bauen. Verstehen braucht Sehen: Lernen mit Kurzfilmen im Unterricht Cintea Richter – Colégio Província de São Pedro Kurzfilm – Aufgabensequenz (ein Beispiel) Vor dem Hör-Sehen: Hypothesen bilden zu einem Bild, oder zum Ton Erstes Hör-Sehen: W-Fragen, Personen beschreiben, Sachen benennen Zweites Hör-Sehen: filmische Sequenz verstehen, Verbales, Nonverbales und Extraverbales wahrnehmen, Protagonisten und Antagonisten beschreiben. Drittes Hör-Sehen: Text (Sprache) genauer erkennen, Dialoge ordnen, Sprechblasen ausfüllen. Viertes Hör-Sehen: Szenen beschreiben, neue Sätze schreiben, Ich-Texte schreiben. Fünftes Hör-Sehen: Texte mitlesen, synchronisieren. Wo findet man Kurzfilme: man kann einige auf Youtube kostenlos sehen. In Form von Trickfilme gibt es die von Pixar, die man auch als DVD kaufen kann (über www.amazon.de oder wenn man in Deutschland ist). Wenn man auf Youtube den Begriff „Kurzfilme deutsch“ eingibt erscheinen viele. Man muss sie dann selektiv durchsehen.  Pixar For the birds original  Jack-Jack Attack (german)  Spielzeugland  Der kleine Nazi  http://lizenzshop.filmwerk.de/shop/materials.cfm?type=trailer&genre= Kurzspielfilm  http://www.deutscher-kurzfilmpreis.de  http://www.arte.tv/de/Kurzfilmauswahl/2249920.html  http://www.wdr.de/tv/kinozeit/kurzfilm/  http://www.kindernetz.de/videobox/-/id=163182/vvn8e7/index.html  www.toggo.de Verstehen braucht Sehen: Lernen mit Kurzfilmen im Unterricht Cintea Richter – Colégio Província de São Pedro Andere Hör-Seh-Verstehen-Möglichkeiten: Nachrichten – Nachrichten sind auch kurz und können in einer Unterrichtsstunde bearbeitet werden. Man muss nur sehr genau auf das Sprachniveau achten. Das hängt meistens vom Thema ab. Komplexere Themen sollten nur mit Fortgeschrittenen durchgeführt werden. Das Goethe Institut hat ein Channel auf youtube, wo man ser viele Videos mit kurzen Dokumentationen und Nachrichten finden kann. http://www.youtube.com/user/goetheinstitut?blend=3&ob=0 (oder einfach auf Youtube nach „Goethe Institut Canal“ suchen) Werbespots – Kurz und einfach. Werbespots kann man sogar mit Anfänger bearbeiten und sie können ganz einfach selbst so etwas herstellen. Man findet sie kostenlos auf Youtube:  Werbung von IBM (der Eifelturm, der Wasserhahn...)  Werbung von BILD (Bildwerbung, Bildblog Werbespot)  Werbung von Paulaner (Sprachprobleme im Biergarten)  Werbung von IKEA (Küche 2011, Sohn, das Zuhause deines Lebens)  Oreo Werbung 2011 Soaps, Telenovelas, Serien – von den Schülern sehr beliebt. Vorschlag: wöchentlich oder monatlich (je nach Stundenzahl) bearbeiten.  Berlin, Berlin  Türkisch für Anfänger  Verliebt in Berlin  Schmetterlinge im Bauch Wie bekommt man sie? Leider müssen sie gekauft werden, es gibt sie nicht kostenlos im Internet. Man kann sie über www.amazon.de kaufen Filme – Für gröβere und sogar fächerübergreifende Projekte sehr geeignet.  Am kürzeren Ende der Sonnenallee  Das Leben der Anderen  Der rote Kakadu (Um amor além do muro)  Die weiβe Rose (Sophie Scholl – Uma mulher contra Hitler)  Die Welle Verstehen braucht Sehen: Lernen mit Kurzfilmen im Unterricht Cintea Richter – Colégio Província de São Pedro  Good Bye Lenin  Das weiβe Band  Der Untegang  Die Fälscher  Edukators Es gibt didaktisiertes Material zu Filmen unter http://www.bpb.de/publikationen/SNA3WX,0,0,Filmhefte.html Listen zu den deutschen Filmen findet man in der Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_bedeutender_deutscher_Filme Vorträge, die mir bei dieser Zusammenfassung unterstützt haben: BIECHELE, Barbara (Deutschland) – Verstehen braucht Sehen: entdeckendes Lernen mit Spielfilm im Unterricht Deutsch als Fremdsprache – Kurzvortrag auf der IDT (internationale Deutschlehrertagung) 2009 in Jena. CHUDACK, Sebastian (Polen) – Lehrwerk oder vielleicht doch Filme? Das ist die Frage! – Kurzvortrag auf der IDT (internationale Deutschlehrertagung) 2009 in Jena. TONSERN, Clemens (Österreich) – Der österreichische Spielfilm im Bereich DaF/DaZ. Warum es sich lohnt das ewige Dornröschen wach zu küssen. – Kurzvortrag auf der IDT (internationale Deutschlehrertagung) 2009 in Jena. BÖHM, Cornelia (Portugal) – Nichts als Dramen und Intrigen? Vom Einsatz der Daily Soap „Berlin, Berlin“ im DaF-Unterricht. Kurzvortrag auf der IDT (internationale Deutschlehrertagung) 2009 in Jena. Verstehen braucht Sehen: Lernen mit Kurzfilmen im Unterricht Cintea Richter – Colégio Província de São Pedro