Rundschreiben Zentrum Lesen – Pädagogische Hochschule der FHNW – Institut Forschung und Entwicklung 16/2009 Nora Knechtel Konkrete Poesie Konkrete Poesie ist eine bedeutsame Richtung moderner Poesie. Sie ist Literatur, die Wörter, Buchstaben oder auch Satzzeichen aus dem gewohnten grammatischen Zusammenhang löst und diese gleichsam als «Material» verwendet.DieAussage der Dichtung wird auch dadurch vermittelt bzw. getragen, wie die Buchstaben und Worte angeordnet sind. Die klangliche und visuelle Seite von Sprache werden stark gewichtet. Die Wirkung dieser beiden sprachlichen Dimensionen wird durchTechniken der Montage, Reihung bzw. Wiederholung von Wörtern, Buchstaben oder Satzzeichen und nicht zuletzt durch bewusste Anordnung der verwendeten Einzelteile betont. Konkrete Poesie lässt sich gut für sprachliches Lernen einsetzen, weil sie sprachliche Normen häufig gerade nicht einhält und deren Bedeutung dadurch besonders deutlich werden kann. Des Weiteren bietet Lyrik dieser Art Verknüpfungsmöglichkeiten zwischen sprachlichem und literarischem Lernen. Der rezeptive und produktive Umgang mit konkreter Poesie im Deutschunterricht bietet sich darüber hinaus an, um literale Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Funktionen von Sprachspielen im Unterricht Konkrete Poesie kann als Sprachspiel begriffen werden und so im Unterricht einerseits für Entspannung und Lockerung zwischen Trainingseinheiten oder angeleiteten Übungen sorgen. Schülerinnen und Schüler haben meist Spass im Umgang mit konkreter Poesie. Neben dem Unterhaltungseffekt bietet sie aber auch Möglichkeiten für die Schülerinnen und Schüler, sich mit Sprache kreativ auseinanderzusetzen. Dabei regt das Spiel mit Sprache sowohl Kreativität und Phantasie der Schülerinnen und Schüler an als auch ihre sprachliche Erlebnisfähigkeit: Sie erhalten Einblicke in den Aufbau der Sprache, Kenntnis über sprachliche Strukturen und Inhalte sowie Einsichten in die Funktion sprachlicher Mittel. Sprachspiele sensibilisieren für eine bewusstere Sprachwahrnehmung bzw. -verwendung und können auch Hemmungen im produktiven Umgang mit Sprache abbauen helfen. Insbesondere für Kinder, die Deutsch als Zweitsprache lernen, kann dies hilfreich sein. Zudem kann konkrete Poesie sprachliche Inhalte durch Visualisierung verständlich machen – sodass evtl. auch noch unbekannter Wortschatz erschlossen werden kann. Formen konkreter Poesie und ihr Einsatz im Unterricht Vor allem für kleinere Schülerinnen und Schüler in den ersten Schuljahren können Spiele mit der Wortgestalt einen Einstieg in das Thema «konkrete Poesie» bieten, beispielsweise mithilfe von Antonymen. Die Lehrperson kann hierzu Beispiele vorbereiten und mit den Schülerinnen und Schülern die Besonderheit der Schrift bzw. der einzelnen Buchstaben (Form und Anordnung) im Gespräch herausarbeiten. Anschliessend entwerfen und bearbeiten die Schülerinnen und Schüler – in Partneroder Gruppenarbeit – eigene Wortpaare entsprechend. Quelle: http://www.coldewey.org/component/option,com_doc- man/task,doc_download/gid,37/Itemid,1/ Piktogramme sind eine Form konkreter Poesie, die andere Möglichkeiten zum eigenen kreativen Gestalten von und mit Sprache eröffnet. Haben die Schülerinnen und Schüler erst einmal ein Beispiel wie das folgende Gedicht kennen gelernt und in Partnerarbeit die Besonderheiten des Beispiels besprochen, fällt es ihnen leicht, eigene Piktogramme zu verfassen: Quelle: Reger, Harald: Kinderlyrik in der Grundschule. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2000, S. 263. Praxisbeilage 2Sprachspiele im Deutschunterricht:Konkrete Poesie Rundschreiben Zentrum Lesen – Pädagogische Hochschule der FHNW – Institut Forschung und Entwicklung 16/2009 Wortspiele anderer Art ermöglichen den Schülerinnen und Schülern Einsichten in die Lautgestalt von Sprache und in den Wortaufbau. Das Erfinden weiterer Wörter um die Zahl 8 (z.B. P8, Betr8), Wortsammlungen mit weiteren Zahlen (z.B. 1mal, 1horn, 1brecher) oder auch die bildliche Darstellung einzelner Wörter in Verbindung mit anderen (z.B. nleitung, nbrecher, sen) können hier spielerische Umgangsmöglichkeiten mit Sprache sein. Achterbahnträume Hans Manz 8 W8soldaten Bew8en W8eln in Sch8eln Und l8en: «Auf der W8, um Mittern8 werden Feuer entf8 und die W8eln geschl8et. Wir haben lange genug geschm8et.» «8ung», d8en die W8eln, «wir öffnen mit Sp8eln die Sch8eln, denn der Verd8, dass man uns hinm8, ist angebr8.» Und entflogen s8, abends um 8. Quelle: Hans Manz: Die Welt der Wörter. 1991 Beltz Verlag, Weinheim/Basel, S. 49. Für Schülerinnen und Schüler der Primar- aber auch der Sekundarstufen sind Beispiele konkreter Lyrik verwendbar, die mit wenigen sprachlichen Elementen arbeiten und starke Betonung auf deren Anordnung im Raum legen, wie es in den folgenden Beispielen der Fall ist. Als Einstieg könnte die Lehrperson die Gedichte als Fliesstext vorgeben. Die Schülerinnen und Schüler erhalten die Aufgabe, die Wörter anzuordnen, wie sie es für ein Gedicht als passend empfinden. Ähnlich wie bei Aufgabenstellungen anhand traditioneller Lyrik auf diese Weise literarisches Wissen über Reim und Vers erarbeitet werden kann, wird in diesem Fall angestrebt, die Sensibilität für die visuelle Darbietung von Sprache zu fördern. Lösungen können in Partner- oder Gruppenarbeit gefunden werden. Das Arbeiten zu zweit verlangt den Austausch über verschiedene Lösungsvorstellungen und regt zu eigener Urteilsbildung und Kritik an. Anschliessend sind die verschiedenen Anordnungen der Schülerinnen und Schüler zu diskutieren.DieVersion des Autors ist im Vergleich zu den Lösungsvorschlägen der Schülerinnen und Schüler zu diskutieren. Als Anschlussarbeit bietet es sich an, die Schülerinnen und Schüler eigene Gedichte entwerfen und diese – beispielsweise auch mit Hilfe eines Textverarbeitungsprogramms – realisieren zu lassen. schweigen Eugen Gomringer Quelle: Gomringer, Eugen (1996) (Hrsg.): Konkrete Poesie. Stuttgart, Reclam. S. 58. fliegen Ernst Jandl Quelle: Ernst Jandl (1985): Gesammelte Werke, Bd. 1. Neuwied, S. 391. Literatur: Marenbach, Dieter (1980): Sprachspiele und Sprachreflexion. In: Sprachbetrachtung und Kommunikationsanalyse: Beispiele für den Deutschunterricht. Hg. v. Otto Schober. Königsstein: Scriptor.