Literatur nach der Wende 1. Geschichte, Generationen  Phasen: Abschied von den Kriegsteilnehmern - Hanns-Joseph Ortheil (1992) Wende des Erinnerns - Christoph Hein, Martin Walser, Günter Grass Generationenromane- neue Väterromane 2. Hanns-Joseph Ortheil *1951 Abschied von den Kriegsteilnehmern (1992) Der Erzähler versucht, nach dem Tod des Vaters seine NS-Vergangenheit mit Hilfe von Dokumenten und Fotografien aus dessen Nachlass zu rekonstruieren. So entsteht das Bild eines Nazi-Mitläufers, der sich selbst als Opfer begreift und von Auschwitz nichts gewusst haben will. Am Ende des Romans wendet sich die Perspektive des Erzählers, die Auseinandersetzung mit den Kriegsteilnehmern wird durch aktuelle Geschehnisse abgelöst (durch die Begegnung des Erzählers mit den DDR-Flüchtlingen des Jahres 1989).  (Vgl. Thomas Bernhards Auslöschung (der Erzähler entledigt sich mit der Familiengeschichte der gesmten Vergangenheit) 3. Martin Walser *1927 Von der literarischen Geschichtsschreibung Martin Walsers in den 1990-er Jahren sind vor allem zwei Romane zu nennen:  Die Verteidigung der Kindheit (1991) und Ein springender Brunnen (1998). Im Ersteren wird die Lebensgeschichte des Alfred Dorn vor dem Hintergrund der deutsch-deutschen Geschichte, einem Zeitraum von etwa vierzig Jahren. Die wichtigsten historischen Stationen werden hier aus der Perspektive des (Anti)helden erzählt, dessen pathologische Beziehung zur Mutter als eine Art "roter Faden" die einzelnen Abschnitte des Lebens von Alfred markiert, die nicht selten mit den wichtigsten politischen Ereignissen beider deutschen Staaten zusammenfallen. Ein springender Brunnen ist als ein Roman mit deutlichen autobiographischen Zügen zu lesen. Als einigermaßen gewagt wurde die Perspektive angeprangert, aus deren erzählt wird - die Welt wird mit den Augen des Protagonisten Johann gesehen, dessen Leben in der Zeitspanne von seinem 5. - 17. Lebensjahr "ins Auge gefasst" wird. Wenn etwas vorbei ist, ist man nicht mehr der, dem es passierte. Als das war, von dem wir jetzt sagen, daß es gewesen sei, haben wir nicht gewußt, daß es so ist Jetzt sagen wir, daß es so und so gewesen sei, obwohl wir damals, als es war, nichts von dem wußten, was wir jetzt sagen. (Ein springender Brunnen, 9) 4. Wende des Erinnerns, Berliner Republik  Wende des Erinnerns Nach 1989 wurden einige Erinnerungsthemen im vereinigten Deutschland nach und nach nicht mehr tabuisiert. Es handelte sich vor allem um das Thema der Vertreibung, die bisher im Geschichtsdiskurs der ehemaligen DDR ausschließlich unter dem Begriff "Umsiedlung" behandelt wurde. Ein weiteres Thema, das in beiden Teilen des Deutschland vor 1989 noch nicht öffentlich diskutiert werden konnte, ist die Täter-Opfer Frage, die vor der Wiedervereinigung zu einseitig aufgefasst wurde. Christoph Hein * Zur Zeit der DDR durch die Prosawerke Der fremde Freund (1982), Horns Ende (1985) und Der Tangospieler (1989) bekannt. Landnahme (2004) Roman, in dem fünf Personen über einige Momente im Leben des Protagonisten Bernhard Haber Auskunft geben: Thomas, Miriam, Peter, Katharina und Sigurd. Reinhard Jirgl *1953 Die Unvollendeten (2003) Der motivisch behandelte Erinnerungsort des dreiteiligen Romans ist  Komotau, es werden Geschicke von drei Generationen einer Familie geschildert: die Mutter Johanna, ihre Töchter Hanna und Maria, und die Enkelin Anna, Erich, ihr Geliebter. Am Schluss - Ich-Perspektive des Erzählers (der Sohn von Anna). Ort: Komotau, Birkheim  5. Generationenromane Die historische Forschung unterscheidet folgende sechs Generationen:   1.  die Generation der NS-Funktionseliten - Jahrgänge vor dem Ersten Weltkrieg  2.  die Generation der jungen Frontsoldaten - Jahrgänge nach dem Ersten Weltkrieg  3.  die Flakhelfer-Generation - Jahrgänge 1926-28  4.  die Generation der Kriegskinder - 1935-1945  5. -6. zwei Nachkriegsgenerationen (nach Norbert Frei, 2005) Jahrtausendwende: Übergang von der Zwei-Generationen-Struktur in Väterromanen zur drei- oder mehrstelligen Konstellationen im Generationenroman. Kreative Formen lösen authentische Zeugenberichte ab. Väterromane kehren nach einiger Zeit wieder zurück, . Die Romane greifen auch nichtliterarische Themen auf (Wehrmachtausstellung u. a.), wie z. B. Ulla Hahn *1945: Unscharfe Bilder (2003), oder Hertha Müller *1953 Atemschaukel (2009) - Müller hat in Gesprächen mit dem rumäniendeutschen Dichter Oskar Pastior dessen Geschichte (im Roman als die Figur Leopold Auberg erfasst) zusammengetragen. Pastior wurde nach dem Krieg in ein sowjetisches Arbeitslager verschleppt. Generationenromane Die Generationenromane des 19. und 20. Jahrhunderts folgen einer chronologischen Struktur, ein neutraler Berichterstatter erzählt. Die neuen Generationenromane werden aus verschiedenen Perspektiven, oft von mehreren Personen erzählt - die Familiengeschichte steht nicht im Vordergrund, sie wird nachträglich durch allerlei Dokumente rekonstruiert. Beispiele: Eva Menasse *1970 Vienna (2005) Authentische Familiengeschichte: der Vater der Erzählerin, die an die Autorin erinnert, wird in der Synagoge als Jude registriert, wodurch in der Zeit nach dem Anschluss eine Gefahr für ihn entsteht. Er wird in der NS-Zeit diskriminiert. Nach dem Krieg gehören aber die Familienmitglieder für die israelitische Gemeinde nicht zum Judentum. Es handelt sich dabei nicht um eine Dokumentarliteratur, die Geschichte wird auch von anderen Erzählern und ihren eigenen Perspektiven dargestellt. Julia Franck *1970 Die Mittagsfrau (2007) Zeitetappen - Anfang des 20. Jahrhunderts - der Erste Weltkrieg, der Vater verletzt, die Mutter geistig umnachtet - Weimarer Republik - Nationalsozialistisches Deutschland - Zweiter Weltkrieg - DDR Orte: Bautzen - Berlin - Stettin - Pasewalk - Rostocker Bezirk Figuren: Helene (Alice) - Martha - Peter Grenzübergänge (2009) eine Anthologie Rücken an Rücken (2011) - Ella und Thomas, DDR der 50-er und 60-er Jahre Welten auseinander (2021) - Julia-Stephan / Ost-West Tanja Dückers *1968 Himmelskörper (2003) Die Zwillinge Paul und Eva Maria, genannt Freia, wachsen bei ihren Eltern Peter und Renate am Berliner Stadtrand auf. Ihre Großeltern, Max und Jo, kommen oft zu Besuch und die Kinder stellen ihnen Fragen nach dem Zweiten Weltkrieg und ihren Erlebnissen, bekommen jedoch nur ausweichende oder unzureichende Antworten. Mit zunehmendem Alter interessiert sich insbesondere Freia immer mehr für die Vergangenheit der Familie und stößt bei der Wohnungsauflösung der Großmutter, nach deren Tod, auf eine Kiste, die neben mit Hakenkreuzen versehenen Gegenständen auch Hitlers „Mein Kampf“ enthält. Der Inhalt der Kiste und Erzählungen der Großeltern über die Kriegszeit, die sich mit zunehmendem Alter häufen, lassen Freia erkennen, dass ihre Großeltern „der Partei“ angehörten und Nazis waren. Die Parteizugehörigkeit und eine denunzierende Geste Renates, ermöglichten Jo, ihrer Schwester Lena und Renate schließlich die Flucht auf dem Flüchtlingsschiff „Theodor“, wodurch sie der Havarie der „Wilhelm Gustloff“ entgingen. Während Eltern und Großeltern alles sammeln und ihre Erinnerungen damit archivieren, beschließen die Zwillinge sich der Gegenstände, ihrer Erinnerungen an die Kriegsgeschichten und die damit verbundene Familiengeschichte dadurch zu entledigen, dass sie ein Buch schreiben wollen, das sie „Himmelsköper“ nennen. (https://www.grin.com/document/150147) Jenny Erpenbeck *1967 in Ostberlin ist gelernte Buchbinderin und Theater-Regisseurin.  Sie debütierte 1999 mit der Novelle "Geschichte vom alten Kind". Für ihr Werk wurde sie vielfach ausgezeichnet (z B. Thomas-Mann-Preis) Heimsuchung (2008) Aus der Perspektive von Bewohnern, Bediensteten und Besuchern rekonstruiert sie die Geschichte eines Sommerhauses an einem märkischen See, eine Stunde südöstlich von Berlin. Ein Haus, drei Familien, fünf Generationen:  Auf nur knapp zweihundert Seiten verdichtet der Roman den Wahnsinn eines deutschen Jahrhunderts von der Weimarer Republik bis in die Nachwendejahre. Da ist der Architekt aus Berlin, der seiner jungen Frau das reetgedeckte Haus am See baut. Der jüdische Nachbar,  der vor den Nazis flieht und sein Grundstück für einen Spottpreis an den Architekten verkauft. Krieg, Zusammenbruch. Eine Schriftstellerin zieht ein. Sie kehrt aus dem russischen Exil zurück, um beim Aufbau der DDR zu helfen, im festen Glauben an die Utopie eines sozialistischen Deutschlands. (https://www.dw.com/de/jenny-erpenbeck-heimsuchung/a-44458433) Kairos (2021) Ostberliner Kulturszene, "Liebesgeschichte" Schriftsteller Hans W., Katharina