Verb (Teil 4): Konjunktiv
Thema der Einheit
Der Konjunktiv im Deutschen ist ein relativ kompliziertes Thema. Dazu tragen mindestens zwei Faktoren bei:
- In vielen Fällen sind die Konjunktivformen nicht eindeutig erkennbar. Es gibt daher einen Streit in der Sprachwissenschaft, ob sie überhaupt existieren. Ist z.B. die Verbform in Bsp. (1) wirklich eine Konjunktivform oder einfach die etwas seltsam verwendete Form des Präteritum-Indikativ (Beispiel aus Eisenberg 2006: 197)?
(1) Karin hat behauptet, Paul prüfte zu streng.
- Auch die Terminologie schwankt. Es gibt mindestens zwei verbreitete Beschreibungssysteme: Das eine unterscheidet für jedes Tempus jeweils eine Indikativ- und eine Konjunktivform. Nach diesem System liegt in Bsp. (2) (aus einem Bericht das Tagesschau-Online-Portals vom 6.8.2024) ein Konjunktiv-Präsens vor. Ein weiteres, v.a. im DaF-Unterricht weit verbreitetes System unterscheidet Konjunktiv I für die indirekte Rede und Konjunktiv II für den Ausdruck von irrealen Sachverhalten und verschiedene weitere Funktionen (z.B. Höflichkeit). Nach diesem System liegt in Bsp. (2) eine Form von Konjunktiv I vor.
(2) Es dürfe nicht zur Gewohnheit werden, die Gesetzeslage zu ignorieren.
Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/grimm-haushalt-100.html
Daneben ist es - besonders für tschechischsprachige Fremdsprachenlerner - wichtig, die beiden Konstruktionen in (3) und (4) zu unterscheiden. Im modernen Tschechisch werden sie nämlich nicht unterschieden. In (3) geht es um einen möglichen zukünftigen Sachverhalt, in (4) geht es um die Vergangenheit, und es ist bereits zu spät, die beschriebene Handlung zu verwirklichen (er ist nicht gekommen und die Sprecherin ist nicht gegangen).
(3) Wenn er käme, würde ich sofort gehen.
(4) Wenn er gekommen wäre, wäre ich sofort gegangen.
In der Vorlesung versuche ich, das Dickicht ein wenig zu lichten und Ihnen die Logik der beiden Beschreibungssysteme näher zu bringen.
Handout zur Vorlesung
Begleitlektüre
Thieroff/Vogel, Kapitel 3.7 "Modus", S. 21–26;
Für alle, die tiefer in die Materie einsteigen wollen, empfiehlt sich ein Artikel von Gerhard Helbig:
Helbig Gerhard (2007): Der Konjunktiv – und kein Ende. Zu einigen Kontroversen in der Beschreibung des Konjunktivs der deutschen Gegenwartssprache, in: Deutsch als Fremdsprache, 44 (3), 140-153.