Den vollen Text von Wielands Musarion finden Sie unter: http://gutenberg.spiegel.de/wieland/musarion/musarion.htm Widmungsvorrede An Herrn Creyßsteuereinnehmer Weisse in Leipzig. ... Denn weil ich nun einmal im Bekennen bin, so gestehe ich Ihnen auch, daß dasjenige, was man sonst von allen Schriftstellern sagt, <>, in diesem Gedichte eine meiner Absichten war. Ich wollte, daß eine getreue Abbildung der Gestalt meines Geistes (die von einigen, theils aus Blödigkeit ihres eignen, theils aus zufälligen Ursachen, vielleicht auch aus Vorsatz und Absichten, mißkannt worden ist) vorhanden seyn sollte; und ich bemühete mich, Musarion zu einem so vollkommenen Ausdruck desselben zu machen, als es neben meinen übrigen Absichten nur immer möglich war. Ihre Philosophie ist diejenige, nach welcher ich lebe; ihre Denkart, ihre Grundsätze, ihr Geschmack, ihre Laune sind die meinigen. Das milde Licht, worinn sie die menschlichen Dinge ansieht; dieses Gleichgewicht zwischen Enthusiasmus und Kaltsinnigkeit, worein sie ihr Gemüth gesetzt zu haben scheint; dieser leichte Scherz, wodurch sie das Überspannte, Unschickliche, Schimärische, (die Schlacken, womit Vorurtheil, Leidenschaft, Schwärmerey und Betrug, beynahe alle sittlichen Begriffe der Erdbewohner zu allen Zeiten, mehr oder weniger verfälscht haben,) auf eine so sanfte Art, daß sie gewissen harten Köpfen unmerklich ist, vom wahren abzuscheiden weiß; diese sokratische Ironie, welche mehr das allzustrenge Licht einer die Eigenliebe kränkenden oder schwachen Augen unerträglichen Wahrheit zu mildern, als andern die Schärfe ihres Witzes zu fühlen zu geben sucht; diese Nachsicht gegen die Unvollkommenheiten der menschlichen Natur - welche, (lassen Sie es uns ohne Scheu gestehen, mein Freund,) mit allen ihren Mängeln doch immer das liebenswürdigste Ding ist, das wir kennen. - Alle diese Züge, wodurch Musarion einigen modernen Sophisten und Hierophanten, Leuten, welche den Grazien nie geopfert haben, zu ihrem Vortheile so unähnlich wird - diese Züge - ja mein liebster Freund, sind die Lineamenten meines eignen Geistes und Herzens, und ich wage es, um so dreister es zu sagen, da sich unter unsern Zeitgenossen, und in der That unter den Menschen aller Zeiten, keine geringe Anzahl befindet, denen ein moralisches Gesichte, das dem ihrigen so wenig gleicht, nothwendig häßlich vorkommen muß. Von Herzen gern sey ihnen das Recht zugestanden, davon zu urtheilen, wie sie können: genug für mich, wenn Musarion und ihr Verfasser allen denen lieb ist, und es immer bleiben wird, welche in diesen Zügen ihre eignen erkennen. Weiter wird mein stolzester Wunsch niemals gehen; und so wünsche ich, wie Sie sehen, nichts als was ich gewiß bin, zu erhalten, oder Helvetius und die Erfahrung müssen Unrecht haben. ... Drittes Buch. Die Schöne lag auf ihrem Ruhebette, Und hatte (fern, vermuthlich, vom Verdacht Daß sie bey Phanias sich vorzusehen hätte,) Ihr Mädchen fortgeschickt. Es war nach Mitternacht; Ein leicht Gewölke brach des Mondes Silberschimmer, Und alles schlief: als plötzlich, wie ihr däucht, Den Gang herauf zu ihrem kleinen Zimmer Mit leisem Tritt - ich weiß nicht was sich schleicht. Sie stutzt. Was kann es seyn? Ein Geist? nach seinen Tritten - Besuch von einem Geist! den wollt' ich sehr verbitten, Denkt sie. Indem eröffnet sich die Thür, Und eh' sie's ausgedacht, steht - Phanias vor ihr. <> - <>, fiel ihm die Freundin in die Rede, <> <> - <> - fällt sie ein, <> - <> - <> - <> - <> - <> Welch einen Strahl von unverhofftem Licht Läßt dieses Wort in seine Seele fallen! Er glaubte seinem Ohr den süßen Wechsel nicht; (V. 1146) Allein, er sieht das Glück, das ihm ihr Mund verspricht, In ihren schönen Augen wallen. Vor Wonne sprachlos sinkt sein Mund auf ihre Hand; Wie küßt er sie! Sein inniges Entzücken Entwaffnet ihren Widerstand; Sie gönnet ihm und sich die Lust ihn zu beglücken, Die Lust die so viel Reitz für schöne Seelen hat; Selbst da er sich vergißt bestraft sie ihn so matt, Daß er es wagt, den Mund an ihre Brust zu drücken. Die Nacht, die Einsamkeit, der Mondschein, die Magie Verliebter Schwärmerey, ihr eignes Herz, dem sie Nur lässig widersteht, wie vieles kommt zusammen, Das leichte Blut der Schönen zu entflammen! Allein Musarion war ihrer selbst gewiß: Und als er sich durch das was sie erlaubte, Nach Art der Liebenden, zu mehr berechtigt glaubte, Wie stutzt' er, da sie sich aus seinen Armen riß! Daß eine Phyllis sich erkläret Sie wolle nicht, daß sie mit - leiser Stimme schreyt, Und wenn nichts helfen will, euch - lächelnd dräut, Und sich, so lang' es hilft, mit stumpfen Nägeln wehret), Ist nichts befremdliches. Ein Satyr kaum verzeiht Den Nymphen, die er hascht, zu viele Willigkeit. Sie sträuben sich: gut, dieß ist in der Regel; Und so verstand es auch der schlaue Phanias. Er irrte sich, es war nicht das! Sie scherzte nicht, und wies ihm keine Nägel. Nach mehr als Einem fehl geschlagenen Versuch Fängt unser Held sehr kläglich an zu krähen. Und in der That, wer hätte sich's versehen? Man treibt in einem Ritterbuch Die Tugend kaum so weit! - Doch will er nicht gestehen, Daß dieß Betragen Tugend sey: Er nennt es Eigensinn und Grillenfängerey; Er schilt sie spröd, unzärtlich, unempfindlich. Die Schöne, die gesteht daß sie uns günstig sey, Macht, seiner Meinung nach, sich zum Beweis verbindlich. <> Unwiderstehlich, sagt man, sey (V. 1200) Der Weisheit Reitz aus einem schönen Munde. Wir geben's zu, so fern euch nicht dabey Aus einem Nachtgewand mit nelkenfarbnem Grunde Ein Busen reitzt, der, jugendlich gebläht, Die Augen blendt und niemahls stille steht; Ein Busen, den die Göttin von Cythere, Wenn eine Göttin nicht zum Neid zu vornehm wäre, Beneiden könnt'. In diesem Falle fand Sich, leider! unser Held, von zwey verschiednen Kräften Gezogen. Mußt' er auch so starr und unverwandt Auf die Gefahr ein lüstern Auge heften? Natürlich muß der stärkre Sinn Des schwächern Eindruck bald verdringen; Und was die Freundin spricht, ihn zu sich selbst zu bringen, Schwebt ungefühlt an seinen Ohren hin. Was Amor nur vermag um Spröde zu bezwingen, Was, wie man sagt, schon Drachen zahm gemacht, Die Künste, die Ovid in ein System gebracht, Die feinsten Wendungen, die unsichtbarsten Schlingen Versucht er gegen sie, und keine will gelingen. <> - <> - <> (V. 1252) <> - <> - <> - <> - <>