Caesar über die Germanen Ihr ganzes Leben verbringen sie mit Jagden und Kriegsübungen; von klein auf suchen sie sich durch Strapazen abzuhärten. Wer am längsten keusch bleibt, erntet unter den Seinen das größte Lob; die Keuschheit, meinen sie, fördert den Wuchs und stählt die Muskelkraft. Geschlechtsumgang vor dem zwanzigsten Jahre vollends gilt als eine ganz große Schande. In dieser Beziehung ist auch kein Verbergen möglich; denn die Geschlechter baden gemeinsam in Flüssen, und ihre Kleidung besteht nur aus Fellen oder kleinen Pelzdecken, die einen großen Teil des Körpers nackt lassen. Landwirtschaft und Klima (Kap. 22) 22. Auf Ackerbau legen die Germanen keinen Wert; ihre Nahrung besteht zum größten Teil aus Milch, Käse und Fleisch. Auch verfügt niemand über ein bestimmtes Stück Ackerland oder über Grundbesitz. Vielmehr weisen die Behörden und Fürsten allemal auf ein Jahr den Geschlechtern und ihren Sippen sowie denen,die sich zum Zweck gemeinsamer Feldbestellung zusammentun, Land zu, wieviel und wo es ihnen gut dünkt, und zwingen sie dann, das Jahr darauf ein anderes Stück zu bebauen. Für diese Einrichtung führen sie viele Gründe an: sie sollen nicht durch Seßhaftigkeit ihre Vorliebe für den Krieg mit der für den Ackerbau vertauschen; sie sollen ferner nicht nach Erwerb eines ausgedehnten Grundbesitzes trachten, und dabei sollen die Mächtigeren nicht die Schwächeren aus ihren Besitzungen verdrängen; sie sollen auch nicht zu sorgfältig zum Schutz vor Kälte und Hitze bauen, und schließlich soll nicht irgendwie Geldgier entstehen, die Quelle von Parteiungen und Streitigkeiten. Die große Masse soll vielmehr zufriedenen Sinnes bleiben und dadurch Ruhe und Ordnung bewahren, wenn jeder sieht, daß er nicht weniger besitzt als der Mächtigste. Kriegswesen und Staatsverfassung (Kap. 23) 23. Für einen Stamm ist es der höchste Ruhm, wenn möglichst weit um ihn herum die Ländereien wüst liegen und sich Ödland ausbreitet. Das ist in den Augen der Germanen ein wesentliches Kennzeichen ihrer Tapferkeit, wenn sie die Nachbarstämme aus ihrem Gebiet vertreiben, so daß diese ihr Land räumen müssen, und wenn niemand den Mut aufbringt, sich in ihrer Nähe anzusiedeln. Zugleich fühlen sie sich dadurch sicherer, weil sie keinen plötzlichen Überfall zu fürchten brauchen.Führt ein Stamm einen Verteidigungs- oder Angriffskrieg, so wählt man zu seiner Leitung Behörden mit Gewalt über Leben und Tod. Im Frieden gibt es keine solche Behörde fürs ganze Land, sondern die Fürsten der Landschaften und Gaue sprechen unter ihren Leuten Recht und legen die Streitigkeiten gütlich bei.Raubzügen außerhalb der Grenzen eines jeden Landes haftet nichts Entehrendes an; man rühmt sie vielmehr als ein Mittel, die jungen Leute zu üben und ihrem Nichtstun zu steuern. Wenn sich daher einer der Fürsten in der Volksversammlung zur Führung eines solchen Zuges bereit erklärt und Freiwillige dazu aufruft, so erheben sich alle, denen die Sache und der Mann gefallen, und sagen unter dem Beifall der Menge ihre Mithilfe zu. Wer dann nicht mitzieht, gilt als Drückeberger und Verräter und findet fortan in nichts mehr Glauben. An einem Gastfreund sich zu vergreifen halten die Germanen für Sünde; aus welchem Grunde auch einer zu ihnen kommt, immer schützen sie ihn vor Unbill und halten ihn für unverletzlich; überall findeter gastliche Aufnahme.Machtverhältnis zwischen Galliern und Germanen (Kap. 24) 24. Es gab früher eine Zeit, da die Gallier den Germanen an Tapferkeit überlegen waren; ja, sie fingen sogar mit ihnen Krieg an und schickten wegen Übervölkerung und Landnot Scharen von Ansiedlern über den Rhein. So besetzten die tektosagischen Volcer die so fruchtbaren Landstriche Germaniens um den Hercynischen Wald und siedelten daselbst. Von diesem Walde hatten, wie ich sehe, auch Eratosthenes und einige andere griechische Schriftsteller, die ihn den Orcynischen nennen, gerüchtweise gehört. Jenes Volk hat sich bis auf den heutigen Tag dort gehalten und steht im Rufe großer Tapferkeit und Gerechtigkeit. Die Germanen aber sind bei ihrer alten Armut, Bedürftigkeit und Genügsamkeit geblieben, ebenso bei ihrer Lebensweise und Körperpflege. Die Gallier dagegen sind durch die Nähe der römischen Provinzen und durch ihre Bekanntschaft mit überseeischen Erzeugnissen in vielen Beziehungen üppiger geworden. So haben sie sich allmählich daran gewöhnt, die Schwächeren zu sein, und in vielen Kämpfen geschlagen, stellen sie nicht einmal selbst mehr die Überlegenheit der Germanen in Abrede.