Sternheim, (William Adolf) Carl, * 1. 4. 1878 Leipzig, | 3. 11. 1942 Brüssel 1900 heiratete Sternheim zum ersten Mal. Nach der Scheidung 1906 heiratete er 1907 Thea Löwenstein, geb. Bauer (* 25. 11. 1883 Neuss, |5. 7. 1971 Basel), die mit ihrem Vermögen ihm einen großbürgerlichen Lebensstil ermöglichte. Bei Sternheim waren häufig Frank Wedekind, Mechtilde Lichnowsky u. Max Reinhardt zu Gast. Er sammelte Kunst (van Gogh, Gauguin, Renoir, Matisse, Picasso, Albrecht Altdorfers Kreuzigung). Nach der Scheidung der zweiten Ehe 1927 war S. 1930-1934 mit Wedekinds Tochter Pamela verheiratet. Seit 1930 wieder (wie schon mit kriegsbedingten Unterbrechungen zwischen 1912 u. 1918) in wohnte er in Belgien. Zusammen mit Franz Blei war er Herausgeber der Zweimonatsschrift <>, in der Kafkas erste Werke erschienen. Das Preisgeld des Fontane-Preises, der S. 1915 zugesprochen wurde, gab er an den damals noch unbekannten Franz Kafka weiter, um auf ihn als einen bedeutenden Erzähler aufmerksam zu machen. Seine an Schopenhauer u. Nietzsche geschulte Sprachreflexion, die er im Kampf der Metapher! (ein Aufsatz im <> 1917) formulierte; ließ ihn in seinen reifen Dramen ein zu Phrasen entstelltes Sprechen gestalten. Die sozialen Probleme werden auf ihre Ursachen in einem falschen Bewußtsein zurückgeführt. Canettis Komödien verarbeiten später diese Einflüsse weiter. Die Hose Das Stück gehört zu Sternheims Zyklus Aus dem bürgerlichen Heldenleben (Der Snob, 1913, Das Fossil; Bürger Schippel, Die Kasette, u. a. ,) über den Aufstieg der Nachkommen des Kleinbürgers Theobald Maske in die Welt von Großfinanz und Aristokratie und gilt als das wichtigste Werk aus des Zyklus. Handlung: Der Beamte Theobald Maske befürchtet einen Skandal, da seine Frau auf offener Straße jenes in der Wilhelminischen Zeit kaum aussprechbare Kleidungsstück verloren hat, das dem Stück den Titel gibt. Um die mögliche finanzielle Not im Fall seiner Entlassung nach diesem Skandal abzuwenden, beschließt Maske, Untermieter aufzunehmen, den gewandten Literaten Scarron sowie den schwächlichen Friseur Mandelstam. Beide sind aber, als Zeugen des peinlichen Vorfalls, vor allem an Maskes Frau Luise interessiert, die sich besonders dem Werben des "romantischen Dichters" nicht abgeneigt zeigt, der sie jedoch während einer Diskussion über Nietzsches "Übermenschen" vergißt, betrinkt und zum verabreden Stelldichen nicht kommt. Als eigentlicher Sieger geht Maske aus den Geschehnissen hervor; er verführt die Nachbarin und eröffnet seiner Frau anschließend, während er Anweisungen zur Zubereitung des Sonntagsbratens gibt, daß er sich nun auch finanziell in der Lage sehe, "ihr ein Kind zu machen". Das Lustspiel, wurde vom Berliner Polizeipräsidenten 1911 "aus Gründen der Sittlichkeit" verboten, musste unter dem ursprünglich geplanten Titel Der Riese gespiel werden. Heute zählt es zu S.s erfolgreichsten Stücken. Nicht wegen der damals anzüglichen Thematik, sondern wegen der scharf geschiffenene Pointen und dem Witz, mit dem er die Phrasenbruchstücke montiert und den kleinbürgerlichen Geltungsdrang und verdrängte sexuelle Wünsche unter der "Maske" gesellschaftlicher Anpassung und Unscheinbarkeit entlarvt. "Meine Unscheinbarkeit ist eine Tarnkappe, unter der ich meinen Neigungen, meiner innersten Natur ungehindert frönen kann" (Maske). Man könnte sagen, das Scarron und Mandelstamm, die in die Wohnung von Maske als Untermieten enziehen, um in der Nähe der jungen Frau zu sein, Schafe im Wolfspelz sind, also als Verführer völlig harmlos sind, während Maske der echte Wolf im Schafspelz ist . Gleich in der ersten Szene verprügelt der Theobals Maske nach dem unglücklichen Spaziergang, bei dem seiner Frau der Hosenband gerissen ist, seine Frau. In seine Repliken stehen stehen altertümelnde Phrasen und Schimpfworte nebeneinander: Theobald Maske fürchtet seine Entlassung, die er als Entehrt, aus Brot und Dienst gejagt bezeichnet und schimpft gleichzeitig über seine Frau, solche Schlampe, Trulle[1]. Sie versteht es aber den zorn ihres Mannes zu abzulenken, indem sie beginnt über das Essen (Hammelschlegel[2]) und den Wein von ihren Eltern zu sprechen zu sprechen. Die Szene endet mit einer Montage aus zwei Ebenen: Hm, Hammelschlegel. Und gut gesalzen, Frau. Frau, Dämonen sind aus unserer Seele wirkend. Knechten wir sie mit unseres Willens ganzer Gewalt Im Dialog mit en neuen Untermietern stoßen auch unterschiedliche Ebenen aufeinder und ein Abschied z. B. stellt gleichzeitig eine nationalistische Behauptung in Frage: Theobald:Darf ich der Form halber, Herr Scarron, fragen, trägt die Arbeit, die Sie bei uns vorhaben, keinen staatsgefährlichen oder sonst die Ordnung der Dinge aufhebenden Charakter? Ich bin Beamter. SCARRON: Keineswegs, Herr. Ich gebe mein Ehrenwort. THEOBALD: Ich nehme es und empfinde von Person zu Person, Ihnen birgt das Wort Ehre noch den ungeheuren Inhalt, den es für jeden Deutschen hat. MANDELSTAM: Bis morgen früh! Der Snob Im zweiten Teil seiner "Maske"-Tetralogie karikiert Sternheim Aufstieg des reich gewordenen Christian Maske, Sohn Luises und Theobalds Er schlägt dazu seinen Eltern ein Tauschgeschäft vor: er bezahlt für Sie, was seine Erziehung sie gekostet hat, will sie aber nicht mehr sehen, um seine kleinbürgerliche Herkunft vertuschen zu können. Auch seine Geliebte findet er nur finanziell ab, um eine Adelige heiraten zu können. Als Christian jedoch bemerkt, daß es in adligen Kreisen als "schick" gilt, die eigene Leistung durch das Bekenntnis einer schlichten Herkunft zu unterstreichen, lädt er seine Eltern zu seiner Hochzeit ein. Theobald Maske kann ihm bei seiner Ankunft nur noch den Tod der Mutter mitteilen. Christians gesellschaftlicher Aufstieg ist gelungen und jeder Widerstand der Braut überwunden, als er unter Erinnerung an die Episode mit der Hose die Ehre seiner Mutter preisgibt und seine angebliche Abstammung vom französischen Adel andeutet. Christians übertriebene Anpassungsversuche sind letztlich überflüssig, da es allein sein Reichtum ist, der ihm die Anerkennung des verarmten Grafen sichert. CHRISTIAN zu seiner Geliebten über seine Absicht, den Kontakt zu seinen Eltern abzubrechen: Der Weg, den ich mache, ist durch meine Geburt ein besonders ungewöhnlicher. Daß es falsch wäre, durch Hervorzerren der Erzeuger den Abgrund zwischen Herkommen und errungener Stellung offenbar zu erhalten, liegt auf der Hand. Es wäre mehr als töricht-geschmacklos. SYBIL: Und da du heut nur guten Geschmack anbetest... ------------------------------- [1] salopp abwertend): [als unordentlich angesehene] weibliche Person: [2] Keule