1 Textile Techniken und die Experimentelle Archäologie Lehrveranstaltung Experimetelle Archäologie SS 2005 Scriptum Karina Grömer und Ingrid Schierer Wien 2005 2 Allgemeine Einführung zu den textilen Techniken Karina Grömer Gliederung: - Definition - Quellenlage - Überblick über die Textile Techniken - Kurzer Abriss der prähistorischen Bekleidung - Experimente zu Textilen Techniken Siehe auch: Homepage: http://members.aon.at/textile-techniken/ * Definition: was sind textile Techniken: Neben Bekleidung, die beim Thema Textile Techniken die häufigsten Assoziationen hervorruft, sind es aber auch zahllose andere Gegenstände des täglichen Gebrauchs, beginnend von diversen Schnü- ren, Fäden und Seilen bis hin zu Matten, Taschen, Netzen etc, die unter den Textilen Techniken aufscheinen. Die textilen Techniken sind definiert als ,,in erster Linien alle jene Verfahren, die die Bildung von Stoff aus kleinen Einheiten, z. B. aus Faden, Garn, Schnur, Bast, Blättern oder Teilen davon, Ruten, Holzspänen usw. bezwecken. Es gehören aber auch dazu die Gewinnung und Herstellung jener Aus- gangsmaterialien, z. B. das Spinnen des Fadens, und andererseits die Verarbeitung fertiger Stoffe (Zuschneiden, Nähen) sowie die Verzierung derselben, z. B. Sticken und Applikationsverfahren"1 . * Quellenlage Wenn man die archäologischen Hinterlassenschaften in dieser schriftlosen Zeit betrachtet, so ist be- sonders Mitteleuropa in Bezug auf die Textilreste selbst klimatisch sehr benachteiligt. Vergleicht man europäische Befunde mit zeitgleichen etwa aus Ägypten, wo aus den Gräbern im Wüstenmilieu etli- che Textilreste erhalten sind, so wird klar, wie viele Informationen über das Leben unserer Vorfahren verloren gegangen sind. Organische Materialien wie Pflanzen, Holz, Fleisch, Leder oder Haare, und somit auch Wolle und Leinen, vermodern in unseren Breiten rasch, sobald sie in den Boden gelangen. Nur in sehr wenigen Ausnahmefällen bleiben diese Substanzen über die Jahrtausende erhalten. Ein solcher Glücksfall ist zum Beispiel der Mann im Eis, der auch als ,,Ötzi" bekannt ist. Es handelt sich um eine jungsteinzeitliche Mumie (etwa 5.000 Jahre alt), die mitsamt seiner Ausrüstung und Klei- dung im Eis der Ötztaler Alpen am Similaun-Gletscher konserviert wurde. Zu dieser Ausrüstung zäh- len etwa ein Feuersteinmeser mit Griff und Scheide in Zwirnbindung aus Bast; ein Rindengefäß, Bogen, Pfeile und Köcher aus Leder oder ein Kupferbeil mit Schäftung. Die Bedeutung des Fundes 3 Quellenlage Abb. 1: Bildliche Darstellungen von Spinnen und We- ben. links: Klapperblech von Bologna, um 630 v. Chr. ­ rechts: Urne von Sporon, Hallstattzeit. ist kaum abschätzbar, handelt es sich bei der Kleidung des Ötzi doch um die einzige komplett erhalte- ne Bekleidung in der ganzen Steinzeit in Europa. Eine weitere Erhaltungsmöglichkeit für organische Materialien bietet das Salz. Österreich besitzt mit den Salzbergwerken in Hallstatt und Dürrnberg/Hallein eine unschätzbare Fundgrube, wo Leder, Holz, Bast und auch Textilreste zu finden sind. Die Funde ewa aus dem Bergwerk von Hallstatt stam- men aus der Spätbronze- und Eisenzeit, ca. aus einem Zeitraum zwischen 1.400 und 500 v. Chr. Be- kannte Funde aus dem Bergwerk sind etwa die hallstattzeitlichen Schuhe aus Leder, die bronzezeitli- chen Ledertragsäcke, aber auch die zahlreichen Textilfunde, etwa ein Stoffstück mit angenähter Borte in Gitterweberei, karierte Stoffe, oder die Brettchenwebborten. Auch feuchtes Milieu kann organische Materialien konservieren. Aus den jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbauten im Salzkammergut oder besonders in der Schweiz sind etliche Textil-, Schnur- und Mattenreste erhalten (keine Wolle), etwa ein Korbgeflecht von Arbon-Bleiche, Spätneo- lithikum. Ebenfalls durch das feuchte Milieu sind in Norddeutschland und Dänemark bronze- und ei- senzeitliche Baumsärge konserviert, in denen sich auch vollständige Gewänder finden (Flachs fehlt hier). Wenn sich Textilien direkt bei Metallgegenständen befinden, vor allem bei Bronze- und Eisenge- genständen, dann können sie ankorrodieren und die Gewebestruktur bleibt erhalten. Im Gräberfeld Hallstatt findet sich ein in ein Tuch eingewickeltes Schwert mit textilen Resten. Zumindest indirekt sind Textilien faßbar, wenn sie auf Keramik abgedrückt sind. Das konnte ge- schehen, etwa indem der Töpfer das feuchte Gefäß auf eine Matte gestellt hat, und sich das Bindungs- muster in den Boden eingedrückt hat. Archäologisch sind nur wenige Gerätschaften für textile Techniken erhalten. Die häufigsten sind zweifellos Spinnwirtel und Webgewichte. Es gibt aber auch, besonders aus Schweizer Pfahlbauten, etliche Geräte aus Holz und Knochen für die verschiedenen Textiltechniken. Aus den Metallzeiten 4 Rohmaterialaufbereitung sind dann bronzene Nadeln und Eisenscheren bekannt. Durch diese Artefakte kann auf die Herstel- lungsmethoden geschlossen werden. Selten sind bildliche Darstellungen aus der mitteleuropäischen Urgeschichte, die textile Techniken zeigen, etwa die bekannte Darstellung vom Spinnen und Weben auf dem hallstattzeitlichen Kegel- halsgefäß von Sopron oder das eisenzeitliche Klapperblech von Bologna. Ergänzt wird das Bild durch die Befunde von Webstühlen bei archäologischen Grabungen, die sich gut rekonstruieren las- sen, so der spätneolithische Webstuhlbefund von Krems-Hundssteig oder der urnenfelderzeitliche von Gars-Thunau. Indirekt ist die urgeschichtliche Tracht durch die verschiedenen Schmuckgegenstände und Trachtbe- standteile wie Gürtelschnallen, Nadeln oder Fibeln erschließbar, da diese im Grab noch immer an den Stellen liegen, an der sie einstmals Kleidungsstück zusammengehalten haben. * Überblick über die Textilen Techniken In der Urgeschichte war nach heutigem Wissensstand Schafwolle und Flachs am verbreitetsten, es wurden aber neben Flachs (Linum usitatissimum) auch Hanf (Cannabis sativa)2 , Nessel (Urtica dioi- ca)3 oder Baumbaste wie Eichen- (Quercus) oder Lindenbast (Tilia)4 verarbeitet, sowie - wie wir etwa vom hallstattzeitlichen Fürstengrab von Hochdorf, Dt. wissen - alle möglichen Tierhaare, etwa Dachshaar oder Roßhaar. Für diverse Flechtarbeiten (Matten, Taschen etc.) wurden auch Schilf, Gras oder Binsen verwendet. In der Jungsteinzeit wurden nach neueren Forschungen an Schweizer Seeufersiedlungen, der mesoli- thischen Tradition folgend, großteils Baumbaste und Flachs verwendet, um Netze, Matten oder auch Gewebe herzustellen. Wolle kam wahrscheinlich erst am Ende der Jungsteinzeit auf, ab dem 2. Vier- tel des 3. Jahrtausends v. Chr., und ist archäologisch durch Knochen von Schafen im Fundmaterial be- legt. Die ältesten europäischen Wollgewebe gibt es aus den frühbronzezeitlichen Grabhügeln von Unterteutschental, Dt. Die Wolle muss nach dem Auszupfen (bei Wildschafen durch den jährlichen Haarwechsel) oder Scheren (ab der Eisenzeit möglich) gewaschen und aufgelockert (durch Zupfen, Schlagen, Kardieren oder Kämmen) werden, dies kann mit einfachen Werkzeugen oder von Hand geschehen. Je besser das Wollvlies vorbereitet ist, Unreinheiten und Knoten entfernt und die Fasern gleichgerichtet wurden, desto einfacher kann ein einheitlicher gleichmäßiger Faden erzielt werden. Die Aufbereitung von Flachs, von dessen Stängel die Leinfaser gewonnen wird, ist weitaus schwie- riger und arbeitsaufwändiger, aber schon ab dem Neolithikum nachgewiesen. Um diese Fasern zu ge- winnen, müssen sie aus dem Stengel herausgelöst werden. Dies geschieht durch Wässern, Darren und Brechen der Pflanzenstengel. Im letzten Arbeitsschritt, dem Hecheln, können dann die verbliebenen Stengelreste aus den Fasern ausgekämmt werden. Als Hechel kann jede Art von Kamm oder Bürste aus hartem Material verwendet werden. Wiederum zeigen Funde aus den jungsteinzeitlichen Seeufersiedlungen der Schweiz ein Spektrum derartiger Geräte auf, etwa Spitzenbündel aus Schwarzdorn (Prunus spinosa), wie sie in Egolzwil 3 gefunden wurden oder die Hechelzähne aus Rippenknochen, entdeckt etwa in Zürich-Mozartstraße. Singulär ist das Hechelbrett der Lüscherzer Kultur 3. Jts v. Chr. aus Lüscherz ,,äußere Station", ein wahr- scheinlich mit Dornen besetztes Holzbrett (früher unter Lattringen). Die feinen Flachsfasern können 5 Abb. 2: Geräte zum Hecheln von Flachs und Bast aus jungsteinzeitlichen Seeufersiedlungen der Schweiz. 1 Hechelbrett mit Rekonstruktion, Lüscherz "äußere Station" (Lüscherzer Kultur). 2 Hechel aus Rippenkno- chen Zürich-Mozartstraße. 3 Schwarzdornbündel, Egolzwil. 4 Hechel aus Rippenlamellen, Steckborn "Schanz" (Pfyner Kultur). nach dem Hecheln versponnen und etwa zu Kleidungsstücken verwoben werden. Der Werg ist für gröbere Textilien, für Seile, Netze, aber auch als Füllmaterial verwendbar. Ähnlich wie Flachs werden auch Hanf und Nessel aufbereitet. Ebenso aufwändig ist die Vorbereitung von Baumbasten. Der Bast wird vom Baum geschält und auch durch Mazarierung vom Begleitgewe- be befreit. Danach muss er wie Flachs durch Rösten weiter aufbereitet werden. Diese 1-5 cm breiten geschmeidigen Stränge können vor dem Verspinnen noch durch Hecheln zerfasert werden. Gräser, Schilfstengel, aber auch Lindenbaststreifen, wurden aber auch unverarbeitet zur Herstellung von Matten und Wulsthalbgeflechten verwendet. Fadenbildung 6 Abb. 3: Spinnen mit der Handspindel, Schema. Fadenbildung Das Spinnen ist eine der fundamentalsten textilen Techniken, denn sie geht vielen anderen (vor allem flächenbildenden Techni- ken) voraus und bestimmt auch ihre Ergebnisse. Zum Spinnen benutzt man eine Spindel, die aus dem Spinnstab und einem run- den Gewicht, dem soge- nannten Spinnwirtel, be- steht. Garn wird herge- stellt, indem die Spindel gedreht und dabei gleich- zeitig ein Vorfaden aus dem Spinngut herausgezo- gen wird, der sich durch die Drehung der Spindel zu einem Faden verdreht. Hat dieser Faden eine be- stimmte Länge erreicht, wird er auf den Spinnstab aufgewickelt. Im archäologischen Fund- gut tauchen oft Spinnwirtel auf, die häufig in Siedlun- gen und Gräbern zu finden sind. Das Verspinnen von pflanzlichen und tierischen Fasern kommt in unserem Raum ab dem Beginn der Jungsteinzeit vor über 7.500 Jahren vor. Die Verwendung der Handspindel wird bei uns erst am Ende des Mittelalters im 15. Jahrhundert n. Chr. vom Spinnrad abgelöst. Wolle verspinnt man meist ,,aus der Hand", Flachs muss aufgehängt werden, um ihn verspinnen zu können. Dazu wird er etwa auf einen Spinnrocken aufgehängt und dann mit beiden Händen verzogen. Spinnt man 2 Fäden zusammen, so erhält man einen Zwirn. Es ist jedoch auch möglich, etwa Gräser oder Baste ohne Hilfe von Spindel mit Spinnwirtel zu einer Schnur zu verdrillen, indem man einfach 2 Stränge mit den Händen gegeneinander dreht. Derartige Schnüre kennt man etwa aus den Pfahlbauten von Mondsee oder von Hallstatt. Eine weitere Möglichkeit, eine Schnur zu bilden, ist das Flechten. Dazu kreuzt man abwech- selnd drei oder mehr Fäden oder Stränge von langfaserigem Material wie Bast. Abdrücke von Flechtschnüren gibt es etwa auf spätneolithischer Keramik von Wallhausen. 7 Flächenbildende Techniken Flächenbildende Techniken Verfolgt man den Weg vom Faden zum Gewebe, so sind schon mehr archäologische Befunde be- kannt. Von den flächenbildenden Techniken sind aus der Urgeschichte bisher verschiedene Webtech- niken, Netzen, Sprang, und Zwirnbindung und verschiedene Flechttechniken bekannt. Häkeln oder Stricken gab es noch nicht. Sprang Sprang ist seit dem Neolithikum durch Abdrücke auf Tonscherben und seit der Bronzezeit in Origina- len belegt. Gefunden wurden Tragnetze und Haarnetze, besonders in bronzezeitlichen Frauengräbern. Eine Haube aus Sprang gibt es etwa aus dem bronzezeitlichen Baumsarg in Borum Eshö. Sprang wird auf einem Rahmen hergestellt, auf den ein Faden in Form einer Spiralkette aufgebracht wurde. Nun werden die Kettfäden nach bestimmten Mustern in S- oder Z-Richtung miteinander ver- dreht. Diese Drehung wird an der oberen Seite des Werkstücks, sowie an der unteren Seite des Werk- stücks, wo sie spiegelverkehrt entsteht, durch ein Stäbchen gehalten. Nun folgt die nächste Reihe auf dieselbe Weise. Wenn sich die Reihen in der Mitte des Werkstückes treffen, werden sie durch einen durchgezogenen Faden fixiert Abb. 4: Sprang: 1 und 2: Einführen der Stäbchen zu Beginn der Arbeiten. 3: Abschluss: Durchfädeln eines Fa- dens. 4: gehäkelter Abschluss. 8 Flächenbildende Techniken Abb. 5: Gewebe und Geflechte aus Wetzikon-Robenhausen., 3. Pfahlbaubericht, Antiquarische Gesellschaft Zürich, 1860, Taf. IV 9 Flächenbildende Techniken Zwirnbindung Bei der Zwirnbindung werden senkrechte passi- ve Elemente waagrecht von 2 aktiven Elementen durch Verzwirnen fixiert (oder umgekehrt). Je nach Abstand der Zwirnreihen entstehen dichte oder lockere Zwirngeflechte. Die Zwirnbindung ist etwa durch die Messerscheide oder den Gra- sumhang von Ötzi bekannt. Aus den Schweizer Seeufersiedlungen gibt es auch Taschen, Fisch- reusen und jungsteinzeitliche Hüte, die in Zwirn- bindung hergestellt wurden. In diese Kettenstof- fe wurden manchmal Bastbüschel so eingehängt, dass ein dichter, pelzartiger und wasserabstoßen- der Flor entstand. Beim Zwirnen von Kettstoffen können Webge- wichte oder Gewichte aus Stein verwendet wor- den sein, wie ein Fund aus Wetzikon-Robenhau- sen zeigt, wo ein nicht fertig gestelltes zwirnbin- diges Gewebe entdeckt wurde, bei dem an den Kettfäden Webgewichte befestigt waren. Mögli- cherweise ist dieser ,,Zwirnbindungswebstuhl" zur Herstellung größerer flächiger Gebilde sogar älter als der Gewichtswebstuhl. Netzen Die Herstellung von Netzen bedingt eine eigene Technik mit nur 1 Fadensystem, bei der ein flä- chiges Gebilde aus lockeren Maschen entsteht, Abb. 6: Schematische Darstellung der Zwirnbindung. a Zwirnbinden der Kette. b Zwirnbinden des Schusses. Abb. 7: Netzen: A: Fischernetz Zürich-Kleiner Hafner, Cortaillod-Kultur. ­ B: Schema Pfahlbauknoten. ­ C: Netznadel Lüscherzer Kultur. 10 Flächenbildende Tech-niken Abb. 8: A: Körbchen aus Fiavé, Italien. ­ B: Lattringen, Spätneolithikum, Tasche aus Lindenbaststreifen. Abb. 9: Flechttechniken: 1: Sieb von Hornstaad 3900 v. Chr. Reko von Anne Reichert. ­ 2: umwickeltes Wulst- halbflechten. ­ 3: Wulsthalbflechten mit eingehängten Fäden. 11 Flächenbildende Techniken die mit Knoten fixiert werden. Es gibt also auch die Möglichkeit, flächenförmige Textilien ohne Rah- men, allein mit Nadel und Faden herzustellen. Aus der Lüscherzer Kultur, im frühen 3. Jahrtausend v. Chr., sind gebogene Knochengeräte bekannt, die als Netznadeln interpretiert werden. Ebenfalls in den spätneolithischen Schweizer Pfahlbauten tauchen oft Netze auf, die mit dem sogenannten ,,Pfahlbauknoten" hergestellt wurden. Nadelbindung In der Nordischen Bronzezeit sind die sogenannten Nadelbindungen sehr beliebt. Bei dieser Technik werden mit einer Nadel in Reihen Schlingen durchflochten. Funde in Nadelbindetechnik aus der Bronzezeit sind vor allem Socken, Fausthandschuhe und Milchseiher. Flechttechniken Verschiedene Flechttechniken kamen besonders bei der Herstellung von Matten, Körben oder auch Schuhen zur Anwendung. Matten können auf verschiedene Art und Weise geflochten werden, etwa in Leinenbindung, oder in Köperbindung; als randparallele Geflechte oder Diagonalflechterei. Beim Wulsthalbflechten werden passive Fadenbündel durch mit einem Faden umschlungen und da- durch mit dem nächsten verbunden, oft auch unter Verwendung von Nadeln. Mit einer derartigen Technik wurden Körbe oder Hüte gefertigt, wie jener frühbronzezeitliche aus Fiavé, Italien Gewichtswebstuhl Soweit bisher bekannt ist, war in der Urgeschichte zur Herstellung von großflächigen Geweben in un- seren Breiten der senkrechte Gewichtswebstuhl üblich. Aus der Nordischen Bronzezeit kennt man auch den Rundwebstuhl; es ist auch möglich, dass großflächige Tuche am horizontalen Webgerät mit Rückengurt gefertigt wurden. Neben Spinnwirteln sind Webgewichte im archäologischen Fundgut das am zweithäufigsten anzutreffende Textil-Utensil, sie deuten auf einen Gewichtswebstuhl hin. Beim Gewichtswebstuhl werden die in Gruppen zusammengefassten Kettfäden, die am oberen Ende am Warenbaum befestigt sind, durch Webgewichte aus Ton beschwert und somit straff gehalten. Beim Rundwebstuhl hingegen werden die Kettfäden durch 2 gegenüberliegende Webbäume ge- spannt, beim Webgerät mit dem Rückengurt wird die Fadenspannung durch das Körpergewicht des Webers erreicht, an dessen Hüfte das Webgerät befestigt wird, nachdem die Kette mit der anderen Seite an einen Pfahl gebunden wurde. Abb. 10: Schema eines Gewichtswebstuhles (1) und Rundwebstuhles (2). 3: Weben mit Rückenwebgerät, alte spanische Darstellung aus Mittelamerika. 12 Flächenbildende Techniken Am Beginn des Webens steht das Schären der Kettfäden, die beim Gewichtswebstuhl außer- halb des Webgerätes geschärt und danach auf das Webgerät aufgebracht werden und dann mit den Webgewichten befestigt werden. Ist der Webstuhl aufgespannt, kann mit dem Weben begonnen werden. Um die Arbeit des Webens zu erleichtern, sind die einzelnen Fäden in Fächern festgelegt, die durch das Heben eines Litzenstabes geöffnet werden können. An dem Litzenstab sind die je- weiligen oberen Musterfäden der Zeile durch Litzen aufgebunden und werden so alle gemein- sam angehoben, damit der Schussfaden unter ihnen hindurch geführt werden kann. Der Ge- wichtswebstuhl besitzt durch seine Konstruktion ein natürliches Fach und kommt somit bei der Leinwandbindung, für die nur zwei Fächer nötig sind, mit nur einem Litzenstab aus. Für kompli- ziertere Bindungsarten wie etwa der Köperbin- dung, die ab der Bronzezeit bekannt ist, werden mehrere Litzenstäbe verwendet. Aus der Jungsteinzeit sind nur Gewebe in Lein- wandbindung erhalten, jedoch teils mit sehr fei- nen Fäden hergestellt (mit einer Garnstärke von 0,3-1 mm). Neben der einfachen Leinenbindung wurden am Gewichtswebstuhl auch Köper- und Panamabindun- gen hergestellt, wie durch die Hallstätter Textilien bekannt. Dabei entstanden auch durch Verwen- dung verschieden gefärbter Fäden bei Kette und Schuß sogenannte ,,schottisch" aussehende Karo- muster, die in der Eisenzeit sehr modern waren. Der römische Historiker Diodor berichtet z. B. 54 v. Chr. über gestreifte Mäntel und Karomuster bei den Kelten. Bandweberei Zur Herstellung von schmalen Bändern kam in der Urgeschichte die Bandweberei mittels Webgitter oder Litzenstäben, sowie die Brettchenweberei zum Einsatz, mit der sich effektvolle farbige Orna- mente bilden ließen. Mit der Gitterweberei oder Litzenstabweberei kann man einfache, auch ge- musterte Borten herstellen, indem verschiedenfarbige Kettfäden verwendet werden. Ab der Jung- steinzeit wurde die Bandweberei auch zur Herstellung von Anfangskanten für den Gewichtswebstuhl verwendet. Da bei den schmalen Bändern die Kettfäden so dicht nebeneinander liegen dass die Schussfäden vollkommen unsichtbar bleiben, haben sie im Vergleich zu Tuchen eine sehr hohe Halt- barkeit. Diese Ripsbindung ist äquivalent zur Leinwandbindung, nur bleibt bei ihr entweder die Kette oder der Schuss vollkommen verdeckt (Schussrips/Kettenrips). Abb. 11: Einfache Bandwebgeräte: Gitterweberei und Litzenstabwebgerät. 13 Nähen und Schneidern Brettchenweberei Die Brettchenweberei, bei der viereckige, an den Ecken gelochte Brettchen verwendet wurden, ist wahrscheinlich in der Jungsteinzeit noch nicht verbreitet, auch wenn quadratische Keramikbrettchen aus Spanien durchaus als Brettchenweb-Utensilien gedeutet werden können. Es sind jedoch keine di- rekten Hinweise auf diese Technik in Form von Geweben oder Abdrücken aus der Steinzeit bekannt. Die Brettchenweberei erlebt ihre erste Hochblüte in der Älteren Eisenzeit. Die Muster der Brettchenwebborten aus dem Salzbergwerk von Hallstatt und aus dem Fürstengrab Hochdorf sind besonders kompliziert und können daher als sehr kostbar angesehen werden. Ein besonderer Fund zur Brettchenweberei ist eine vollständig aufgespannte Kette mit 52 Holzbrett- chen, die man in dem berühmten Osebergschiff (Schiffsgrab der Königin Asa, 9. Jh. n. Chr.) fand. Walken und Filzen Eine Technik der Oberflächenbehandlung von (meist gewebten) Stoffen ist das Walken. Dabei wird ein Wollgewebe mit Feuchtigkeit und Reibung stark verdichtet und verfilzt. Der Vorteil dabei ist, dass ein gewalktes Gewebe wasserundurchlässiger und auch wärmer ist als das Ursprungsgewebe. Es ist jedoch bei prähistorischen Textilien häufig nicht festzustellen, ob es intentionell oder erst durch den Gebrauch geschah. Derartige Textilien fanden sich etwa in Hallstatt; aber auch eine Reihe von Stoffen aus der nordischen Bronzezeit sind gewalkt. Abb 12: Schema der Brettchenweberei. 14 Abb. 13: Filzen: 1 vor dem Filzen liegen die Wollfasern kreuzweise aufeinander. 2 während des Filz- und Walk- voeganges wandern die Fasern und verschlingen sich ineinander. 3 die Lagen werden dachziegelartig über- einandergelegt. Ein ähnlicher Vorgang ist das Filzen, jedoch nicht an Geweben durchgeführt, sondern an aufeinan- dergelegten Wollflocken. Dabei werden ebenfalls durch Feuchtigkeit und Reibung die einzelnen Wollflocken verdichtet, verfilzt und so zu einem flächigen Gebilde miteinander verbunden. Das Filzen von tierischen Fasern ist bisher für die Urgeschichte nur durch den Fund von der Býcí Skála Höhle nachgewiesen. Echte Filze gibt es besonders bei den Steppenvölkern, beginnend bei den Skythen. Abb. 14: Spätneolithische Nachweise von Knöpfen: A und B: Zürich-Mozartstrasse, Knochen und Ge- weih, Schnurkeramik. ­ C: Sion-Petit Chasseur, Muschel, Glockenbecherkultur. ­ D: Textil mit Knopfloch aus Zürich-Kanalisation-Seefeld, Schnurkeramik, 2600 v. Chr. Nähen und Schneidern Ein wichtiges, aber unscheinbares Requisit für die Kleidungsherstellung aber auch für diverse Wulstgeflechte, wie Körbe, ist die Nähnadel. Diejenigen, die aus Tierknochen oder Metall hergestellt wurden, sind bis heute überliefert. Die frühesten Nähnadeln in Österreich gibt es aus der Altsteinzeit (Magdalenien, ca. 15.000 v. Chr.), zu einer Zeit, in der wir großteils mit Klei- dung aus Leder und Fellen rechnen müssen. Auch Scheren, die neben anderen Tätigkeiten auch in der Herstellung von Gewändern dienen können, finden sich ab der Eisenzeit, in der Steinzeit hat man das gleiche wohl mit Feuerst- einklingen bewältigt. Aus dem Spätneolithikum und auch aus der Ei- senzeit sind Knöpfe aus Knochen, Muscheln oder Geweih erhalten, die zum Verschließen von Kleidung gedient haben könnten. Aus Zü- rich-Seefeld gibt es ein einzigartiges Gewebe- fragment aus der Zeit um 2.600 v. Chr., das ein Knopfloch aufweist. Ab der Bronzezeit sind durch die verschiedenen Nadeln und Fibeln auch 15 Kurze Geschichte der prähistorischen Bekleidung vielfältige Möglichkeiten des Kleidungsverschlusses vorhanden, die etwa bei Experimenten zur Klei- dungsrekonstruktion immer in Betracht gezogen werden müssen. Größere Teile, die intentionell auf eine bestimmte Form zugeschnitten und zusammengenäht wurden, finden sich etwa im ältereisenzeitlichen Salzbergwerk von Hallstatt. Sie stellen mit die frühesten Zeugnisse Planvoller Schneiderei dar. Verzierungstechniken In der Urgeschichte existierte bereits eine große Vielfalt von Möglichkeiten, Textilien (in diesem Fall Gewebe) zu verzieren. So können schon beim Weben durch die Verwendung unterschiedlicher Far- ben in Kette und Schuss Streifen- und Karomuster entstehen. Durch den Eintrag zusätzlicher Fäden während des Webens in ,,flottierender" Technik können Motive entstehen, die in ihrem Aussehen stark an Stickerei erinnern. Beispiele dafür gibt es vom Dürrnberg/Hallein. Es ist jedoch auch echte Stickerei bekannt (aufsticken am fertigen Gewebe mit einer Nadel), etwa ein Gewebe aus einem la- tnezeitlichen Grab von Nové Zámky, Slowakei. Reich bestickt ist auch der Ärmel der bronzezeitli- chen Frauenbluse von Skrydstrup, Dänemark. Das Aufnähen von Perlen (Samen?) ist von der bronze- zeitlichen Fundstelle Lago di Ledro, Italien, bekannt. Gewebe, die in Band- oder Brettchenweberei gefertigt wurden, können nicht nur durch verschieden- färbige Kettfäden gestaltet werden, sondern es ist auch das Einweben von Metallen, etwa Metallröll- chen, belegt, beispielsweise vom latnezeitlichen Grab von Waldalgesheim oder von Brno- idenice. * Kurzer Abriss der prähistorischen Bekleidung Eine Geschichte der Bekleidung in der Urgeschichte zu umreißen, ist aufgrund der seltenen Funde vollständiger Gewänder sehr problematisch. In der Altsteinzeit, bei den Jägern und Sammlern, waren die Kleidungsstücke großteils aus Leder und Fellen. Sie konnten aber auch mit Knochenperlen bestickt sein. Ab der Jungsteinzeit wurde von den ersten Bauern Flachs kultiviert, das Wollschaf taucht erst in der späten Jungsteinzeit um 3.000 v. Chr. auf. Auch zu dieser Zeit, wie auch heute noch, wurden Klei- dung aus Leder gefertigt. Die einzige vollständige Bekleidung kennen wir von der Eismumie ,,Ötzi" (3000 v. Chr.). Die Schuhe waren aus Grasgeflecht und Leder. Zur besseren Wärmedämmung wurde der Schuh zwischen Netz und Oberleder mit Heu ausgestopft. Auf dem Kopf trug Ötzi eine Haube aus Bärenfell. Die Kleidung lag zerrissen an der Fundstelle verstreut und wurde in mühevoller Kleinarbeit wieder zusammenge- setzt. Bekleidet war der Mann aus dem Eis mit Beinröhren - heute würde man Leggins sagen - und einem Durchziehschurz; eine derartige Beinbekleidung ist auch von den Prärieindianern bekannt. Darüber kam ein tunikaartiges Obergewand aus Ziegelfell, in Patchwork mit dunklen und hellen Fell- streifen gestaltet. Bei den Schultern der Mumie wurden Reste eines Grasmantels gefunden. Die vielfältigsten Gewänder sind aus den bronzezeitlichen nordischen Baumsargfunden erhalten. Im frühbronzezeitlichen Baumsargfund von Egtved wurde in einem Mädchengrab ein gewebtes Oberteil mit Dreiviertelärmeln und ein Schnurrock gefunden, der in Bandweberei und verdrehten Fäden her- gestellt wurde. Eine bronzezeitliche Tracht eines älteren Mannes wurde in Borum Eshö gefunden. Es ist ein einfacher Umhang und ein langer Lendenschurz. Ebenfalls aus einem Männergrab stammt der 16 Prähistorische Bekleidung 17 Experimente Filzhut, der Kittel und der Umhang aus Orga. Der Kittel wurde offensichtlich aus den Stoffresten zu- sammengesetzt, die beim Zuschneiden des Umhanges übrigblieben. Ein besonderes eisenzeitliches Frauengewand ist aus Huldremose in Dänemark bekannt. Es ist ein rundgewebter Stoffschlauch, der an den Schultern mit Fibeln gehalten und um die Taille gegürtet wurde. Dieses Gewand ist auch im antiken Griechenland bekannt. Am Riesenfernergletscher/Südtirol wurden eisenzeitliche Beinkleider, sog. Leggings, gefunden. In der späten Eisenzeit und römischen Kaiserzeit (in Deutschland ,,Römische Eisenzeit") gibt es aus den nordeuropäischen Mooren erstmals Funde von Hosen, etwa in Thorsberg. Die Oberteile bleiben Tunika-artig in verschiedenen Längen. In Österreich ist leider aus der Bronze- und Eisenzeit kein einziges vollständiges Gewand bekannt. Auch die Textilreste aus Hallstatt und vom Dürrnberg sind so fragmentiert, dass sie nicht wieder zu Kleidungsstücken zusammengesetzt werden können. Wenn man etwas über die Bekleidung erfahren will, müssen wieder Umwege einschlagen werden: Viele Informationen finden wir in Gräberfeldern, wie z. B. im frühbronzezeitlichen Friedhof von Franzhausen in NÖ oder auch im Gräberfeld Hallstatt. Auch wenn die Kleidung selbst nicht mehr vorhanden ist, kann doch aufgrund der im Grab vorhande- nen Trachtbestandteile, wie Gürtelschnallen, Nadeln, Fibeln, etc. auf die Kleidung rückgeschlossen werden. Diese liegen noch an der Stelle, wo sie früher Stoff zusammengehalten haben, oder am Gürtel, am Strumpfband befestigt waren. In der Eisenzeit gibt es auch vermehrt bildliche Darstellungen von Kleidung, bes. in der Hallstattzeit verzierte Situlen, Gürtelbleche etc. Über eisenzeitliche Schuhe haben wir nicht nur die wenigen Schuhfunde aus dem Salzbergwerken, sondern auch Fibeln in Schuhgestalt oder tönerne Schuhleisten. * Experimente zu den textile Techniken Vorab: das reine Tun ist noch kein Experiment, ebensowenig das Durchführen hinlänglich bekannter Techniken, etwa ,,wie funktioniert Spinnen mit der Handspindel". Eine experimentalarchäologische Fragestellung wäre etwa: ,,welche Fadenstärken sind mit den Spinnwirteln der Jevi¹ovice-Kultur möglich?" Eine gute Beherrschung der Technik ist vorausgesetzt, um ein Experiment überhaupt durchführen zu können. Anforderungen für ein echtes Experiment: dicht an den archäologischen Fakten bleiben, Forschungs- frage haben (nicht einfach ,,irgendwas" machen), alles dokumentieren, Zeitabnahmen, Fotos, Protokolle etc... Beispielexperimente siehe Literaturliste: Schierer 1987 und Grömer 2001 und 2005 Abschluss Bei der Betrachtung der verschiedenen prähistorischen Textiltechniken ist erkennbar geworden, dass trotz der durch die schlechten Erhaltungsbedingungen für organische Materialien ungünstigen Aus- gangslage für dieses Thema durchaus eine große Vielfalt an Möglichkeiten sowohl der Herstellung 18 Literatur als auch der Nutzung prähistorischer Textilien über die Jahrtausende bis heute erhalten geblieben sind. Sie sind in ihren Erfordernissen und Ergebnissen so unterschiedlich, dass, je nach Bedarf, ein Textil mit genau passenden Eigenschaften erzeugt werden konnte. Dies ist aber nur durch ein perfektes Zusammenspiel verschiedener Techniken möglich. Die Experimentelle Archäologie hat die Aufgabe, Möglichkeiten der Herstellung, Verwendung etc. aufzuzeigen und dadurch einen besseren Einblick in die Lebenswelt der prähistorischen Menschen zu erhalten. Es sind aber immer nur Möglichkeiten, die festgestellt werden können. ,,Dass sich Menschen aus der Steinzeit und überhaupt aus lange vergangenen Zeiten über das, was heute über sie gesagt und vor allem auch geschrieben wird, kranklachen würden, ist ein unvermeid- bares Risiko, aber in der Archäologie völlig normal." aus: C. Ahrens, Wiederaufgebaute Vorzeit. Freilichtmuseen in Europa. Neumünster 1990, S. 180. Literatur zu prähistorischen Textilien und Experimenten J. Banck-Burgess 1999: Hochdorf IV. Die Textilfunde aus dem späthallstattzeitlichen Fürstengrab von Eberdingen-Hochdorf (Kreis Ludwigburg) und weitere Grabtextilien aus hallstatt- und latnezeitlichen Kulturgruppen. Forsch. und Ber. zur Vor- und Frühge- schichte in Baden-Württemberg 70, Stuttgart 1999. E. J. W. Barber 1991: Prehistoric Textiles. The development of cloth in the Neolithic and Bronze Age with special Reference to the Ae- gean. Princeton 1991. J. Bender Jorgensen 1992: North European Textiles until AD 1000. Aarhus 1992. A. Bohnsack 1985: Spinnen und Weben. Entwicklung von Technik und Arbeit im Textilgewerbe. Hamburg 1981. A. de Capitani et al. 2002: Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon/Bleiche 3. Funde. Archäologie im Thurgau 11, 2002. Solveig K. Ehlers, Bronzezeitliche Textilien aus Schleswig-Holstein: eine technische Analyse und Funktionsbestimmung, Diss. Kiel 1998 A. Feldtkeller und H. Schlichterle 1987: Jungsteinzeitliche Kleidungsstücke aus Ufersiedlungen des Bodensees. Arch. Nachrichten aus Baden 38/39, 1987, 79 f. B. Freudenberg 1990: Vom Vlies zum Faden. Experimentelle Archäologie in Deutschland. Archäologische Mitt. aus Nordwestdeutsch- land Beih. 4, Oldenburg 1990, 450 ff. M. Hald 1950: Olddanske Tekstiler. Kobenhavn 1950. W. Hirschberg und W. Janata 31986: Technologie und Ergologie in der Völkerkunde. Berlin 1986. H.-J. Hundt 1987: Vorgeschichtliche Gewebe aus dem Hallstätter Salzberg. Jahrb. Röm.-Germ. Zentralmus. 34/1, 1987, 261 ff. A. 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Stolte 1990: Versuch der Musternachbildung eines Brettchengewebes: Teilstück der Manipel von Sankt Ulrich. Experimentelle Ar- chäologie in Deutschland. Archäologische Mitt. aus Nordwestdeutschland Beih. 4, Oldenburg 1990, 438 ff. U. Traub 1984: Kleiner Spinnkurs. Winterbach-Manolzweiler 1984. E. Vogt 1937: Geflechte und Gewebe der Steinzeit. Monogr. z. Ur- und Frühgesch. d. Schweiz 1, 1937. J. Wininger 1995: Die Bekleidung des Eismannes und die Anfänge der Weberei nördlich der Alpen. The Man in the Ice 2. Veröff. des Forschungsinst. für Alpine Vorzeit der Universität Innsbruck 2, 1995, 119 ff. Anmerkungen 1 Definition bei Hirschberg und Janata 1986, S. 127. 2 Hanf ist ab der späten Urnenfelderkultur/ Hallstattzeit bekannt, etwa aus Hochdorf. J. Banck-Burgess 1999. 3 Nesselgewebe finden sich etwa aus Voltdofte auf Fünen, späte Nordische Bronzezeit. Nach M. Hald 1950, 422 f. 4 Etwa in der jungsteinzeitlichen Seeufersiedlung Arbon Bleiche 3, Schweiz, wo eine Spindel mit aufgewickeltem gesponnenem Lin- denbastfaden gefunden wurde. Siehe U. Leuzinger 2002, 99. 20 Experimentelles und nachahmendes Handeln im textilen Bereich Weben Ingrid Schierer Anliegen der Lehrveranstaltung: * Textilproduktion ist eine Veredelungstechnik, ohne Verarbeitung ist der Rohstoff nur begrenzt nütz- lich; ein gesponnener Faden z.B. ist schon ein Halbfertigprodukt, die aufgescherte Kette ebenfalls * Komplexität des Arbeitsvorganges beim Weben * Zeitaufwand * Zusammenarbeit mit anderen ,,Handwerkern" * Jedes Fundstück ist auf die technischen Aspekte hin anzuschauen * Präsentation: Weben am Gewichtswebstuhl * Bindungsarten und Webmuster aus Funden und Befunden 1. Forschungsgeschichte (in Auszügen) Experimente zur Erklärung der in den Siedlungen gefundenen gelochten Tonscheiben, bzw. Tonkegel erfolgten in Mitteleuropa erstmals nach dem Auffinden der Schweizer Pfahlbauten. In den 1860er Jahren wurde der Bandfabrikant Paur1 hinzugezogen und er konnte die Verwendung dieser Artefakte als Webgewichte glaubhaft machen. Sofort setzte eine rege wissenschaftliche Diskussion ein, die 1910 in einer Rekonstruktion von Kima- kowicz-Winnicki2 mündet, die keine Webgewichte verwendet, sondern einen unteren Querbaum. In dieser Zeit, war man der Handweberei noch näher; jeder ,,wusste" wie ein Webstuhl funktioniert. Das Umdenken von Paur, der eine Erklärung für die Tonartefakte sucht und nicht den damals ge- bräuchlichen Trittwebstuhl senkrecht stellt, ist daher besonders beachtlich. Ein weiterer Pionier war Schlabow3 , der die fadengetreue Nachbildung des sogenannten Thorsberger Prachtmantels in Auftrag gab. Diese war im Textilmuseum Neumünster seit 1931 der Öffentlichkeit zugänglich, wurde aber erst 1951 in der ,,Festschrift Schwantes" publiziert. 2. Vorbilder für die Rekonstruktion (exemplarisch) Im Wesentlichen gibt es drei Quellengruppen, die als Vorbilder herangezogen wurden und werden: Abbildungen, vor allem die griechische Vasenbilder ab dem 6. Jh.v.Chr. und die Urne von Sopron. Volkskundliche Vorlagen4 , beginnend mit Smundur Magnússon Hólm 1778(besser bekannt als is- ländischer Webstuhl von Olaus Olavius 1780) und den von Worsaae 1859 publizierten Webstuhl von den Froerinseln Völkerkundliche Vorbilder5 Schierer - Weben 21 Bei jeder Beschäftigung mit dem Thema ist auf die ursprüngliche Literatur zurückzugehen, da oft nur einer vom anderen abschreibt, bzw. die Abbildungen verwendet, aber selber die nötige Fachkenntnis vermissen lässt. 3. Forschungsstand (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) Bestimmte Produkte brauchen bestimmte Geräte, die Frage kann nicht sein: Gewichtswebstuhl ja oder nein, sondern die Merkmale an den gefundenen Geweberesten müssen mit dem Wissen über die technischen Möglichkeiten überprüft werden. Der Peplos von Huldremose kann nicht auf einem Webstuhl gleichen Typs wie der Thorsberger Prachtmantel erzeugt worden sein; für Beinbinden braucht man keinen Webstuhl, der eine Breite von 3m zuläßt, etc. Egal welchen Typs, ein Webstuhl ist ein Gerät, das in sich stabil sein muss und nicht ,,nachgeben" darf. Aber er ist auch ein Gerät, dessen Teile, wenn darauf gearbeitet wird, ständig in Bewegung sind ­ und das muss leicht und schnell vonstatten gehen. Er muss ausreichend massiv sein, um beim Han- tieren Stabilität zu geben und er braucht eine feine Zurichtung, um unnötige Reibung zu vermeiden. Ein Gewichtswebstuhl ist ein ,,high tech" Gerät mit langer Lebensdauer das Generationen überdauert (außer er brennt ab) und das bei Bedarf transportabel ist. Alle bekannten Rekonstruktionen ­ viele davon existieren nur als Zeichnungen - sind eigentlich zu primitiv; da von den hölzernen Teilen keine Reste vorhanden sind, war und ist der Spekulation Tür und Tor geöffnet. Die derbe, grobe und unschöne Zurichtung resultierte u.a. auch aus dem Wunsch, die Menschen der Vorzeit als besonders urwüchsig darzustellen; im Gegensatz dazu überhöhen die Darstellungen aus der Zeit des Nationalsozialismus die ,,Germanen" kulturell. Weiters bedarf es der Experten aus den anderen Disziplinen, z.B. der Holz-, Knochen- oder der Horn- bearbeitung, um im Kontext zu bleiben. 4. Überlegungen zum Experiment im textilen Bereich Wie im ersten Abschnitt versucht darzustellen, steht am Anfang ein Experiment, das wirklich einen Sachverhalt klären konnte. Unabhängig von der darauf folgenden wissenschaftlichen Diskussion, die oft sehr unseriös geführt wurde, bleibt die Tatsache bestehen, dass ein echtes Experiment dazu diente, eine Antwort auf eine konkrete Fragestellung zu geben. Das riesige Gebiet ,,Textiles" ist zu untertei- len und bei der Planung nach klar umrissenen Bereichen zu durchforsten, innerhalb derer eine kon- krete Fragestellung entworfen wird und deren Beantwortung eine neue Erkenntnis bringt. Gerade der hohe zeitliche und materielle Aufwand beim Weben - bei einer Dichte von z.B. nur 10 Fäden pro cm hat man auf einer Breite von einem Meter bereits 1000 Fäden (500 davon müssen auf dem Litzenstab angebunden werden!) ­ läßt einen davor zurückscheuen unter genau beschriebenen und reproduzierbaren Bedingungen den Webstuhl anzuzünden. Nicht das Prinzip muss heutzutage im Experiment gefunden werden; die wesentlichen Fragen gelten als geklärt ­ es muss nicht immer wieder ein Gewichtswebstuhl gebaut werden und dann ausprobiert werden, ob es möglich ist, darauf zu weben. Aber natürlich müssen die grundlegenden Fertigkeiten Schierer - Weben 22 im nachahmenden Versuchen erworben werden und Erfahrungen müssen immer wieder neu gemacht werden. Im Zusammenspiel von Befunden, textilen Resten, wissenschaftlichen Kenntnissen und der hand- werklichen Bedingungen kann mitunter aufgezeigt werden, was ­ bezogen auf einen bestimmten Zeitabschnitt - nicht bekannt war und was generell technisch unmöglich ist. Echte Experimente im Bereich ,,Weben", als Unterbereich all dessen, was mit Textilien im weitesten Sinne zusammen hängt, können nur von den Befunden ausgehen: Auf der einen Seite, die (wenigen) erhaltenen ganzen Kleidungsstücke, die (kleinen und kleinsten) Stoffreste und auf der anderen Seite, die Webgewichtsfunde, d.h. eigentlich die geschlossenen, modern ausgegrabenen und gut dokumen- tierten Webgewichtslagen. Dazwischen ist unbekanntes Niemandsland, das von vielen wirklichen und selbsternannten Experten beackert wird. 5. Überlegungen zu imitativem Arbeiten und nachahmendem Versuchen Ein weiterer Bereich, für den die experimentelle Beschäftigung mit derTextilproduktion wichtig sein kann, ist das Anliegen, die Lebensbedingungen der prähistorischen Gemeinschaften im Museum zu veranschaulichen. Wohl wissend, dass museales Ausstellen wieder anderen, eigenen Gesetzen folgt, soll das Dargebotene doch ,,richtig" sein. Ist es doch ein Anliegen moderner Forschung, die falschen Bilder, die die interessierten Besucher im Kopf haben zu verändern. Fragestellungen zu den Punkten 4. und 5. Experiment und nachahmendes Versuchen im textilen Bereich könnten u.a. herangezogen werden, um z.B. zu klären: .) Wieviele und welche vorbereitende Arbeiten notwendig sind und wie lange sie dauern. Weben selbst ist die letzte Phase vieler, vieler Arbeitsschritte. Die Gewebe selber sind Ergebnisse eines kom- plexen Fertigungsprozesses. Die Produktion von echten Geweben erfordert technische Fähigkeiten und nicht nur individuelle Geschicklichkeit und erfordert eine Zusammenarbeit mit anderen ,,Fach- leuten" ­ mit den Schafzüchtern, den Flachsbauern, den Holzbearbeitern, den Töpfern, etc. Mögli- cherweise stammen einfache Webgeräte nur von einer Person, große Gewichtswebstühle haben sicher mehrere Väter und Mütter. .) Welchen Stellenwert hat die Produktion von Geweben ab dem Neolithikum in den Sozietäten ange- sichts der benötigten Menge von Kleidungsstücken und Gebrauchsstoffen. .) Was bedeutet es, wenn eine große Variationsbreite an Bindungsarten auftritt, was wenn eine stärke- re Vereinheitlichung beobachtet werden kann (wie z.B. unter den Textilien vom Dürrnberg ­ stärkere Vereinheitlichung ­ im Vergleich zum älteren Hallstatt)6 .) Wie gehen wir damit um und wie halten wir es aus, dass es bestimmte Hilfsmittel und Webgeräte gegeben haben muss, von denen keine Reste vorliegen. .) Die Art der Benützung der Grubenhäuser etwa, oder die Funktion, der immer wieder diskutierten Langgruben unter Gewichtswebstühlen7 ist nach wie vor ungeklärt. .) Die Einteilung der Arbeitszeit im Tagesablauf und im Jahresablauf ist nicht geklärt. Zu welcher Ta- geszeit ist arbeiten gut möglich, wann ist wo in einer Hütte das beste Licht, welche künstliche Be- leuchtung ist möglich, welche Temperatur ist ideal? Schierer - Weben 23 .) Wie schwer müssen die Gewichte sein, um die genau passende Spannung für eine gewisse Fadens- tärke zu erzeugen. Oder andersrum: wie verändert sich die Webe, wenn leichtere oder schwerere Ge- wichte verwendet werden. .) Heute, im 21. Jh., sollten wir uns von der früher unbeeinspruchten Praxis verabschieden, Traditio- nen aus z.B. dem 19.Jh. über Tausende von Jahren in die Tiefen der Urzeit zu projizieren. Gerade beim Weben kann das damalige Ambiente nicht ausgeklammert werden ­ d.h. der eine oder andere Vesuch mag in einer modernen, warmen, hellen Werkstatt auch sinnvoll durchzuführen sein, aber in der damals üblichen Arbeitsumgebung galten andere Bedingungen. Wo ist das beste Licht im Lauf des Tages? Wo im Lauf des Jahres? Wenn überhaupt, wie könnte eine künstliche Beleuchtung erfolgt sein? Welcher Abstand zur Feuerstelle ist günstig? Wie wird Ungeziefer, bzw. wie werden Kinder und Haustiere ferngehalten? Welche allgemeinen Arbeitsbedingungen sind förderlich/nicht förderlich? 6. Bindungsarten Textile Reste, und seien sie auch noch so klein, stellen eine ganz eigene und spektakuläre Fundgruppe dar. Stoffe, die ehemals Kleidungsstücke waren, sind, nachdem sie als solche außer Gebrauch genom- men worden sind, bis zur Unkenntlichkeit und bis zum völligen Verschleiß verwendet worden8 . Die letzten Reste der ,,Fetzen" bleiben den Archäologen. Viel direkter und unmittelbarer als alle anderen Artefakte stellen sie in der primären und sekundären Verwendung eine Verbindung zu den damals le- benden Menschen her. Abhängig von den Erhaltungsbedingungen sind entweder Leinen oder Wolle erhalten; das kann so weit gehen, dass bei Geweben aus unterschiedlichen Materialien entweder nur die Kette oder nur der Schuss erhalten ist. Feinheitsgrad und Bindungsart sind meist bestimmbar, aber ohne Kante ist es nicht möglich Kette und Schuss zu unterscheiden. Das ist eine besondere Heraus- forderung bei Stücken, die einen Musterwechsel zeigen. Abb. 1: Musterwechsel von Panama- zu Köperbindung. Fund aus Hallstatt. Schierer - Weben 24 Die Umzeichnungen in der Literatur, dürfen nicht unkritisch übernommen werden; das beigefügte Webschema (die ,,Patrone") ist oft unvollständig und für den Gewichtswebstuhl ungeeignet. Sogenannte ,,Webfehler" sind mitunter ,,Scherungsfehler". Abb. 2: Zustand eines Textilfragmentes aus Hallstatt in der Fundsituation und in der Umzeichnung. Spitzköper mit Ripsanfangskante. Abb. 3 Webpatrone für einen Tritt- webstuhl. Beispiel Diagonalkö- per. Schierer - Weben 25 Die meisten Stoffreste sind nach der Restaurie- rung auch gar nicht regulär zu besichtigen, sie zählten bislang zu den wenig attraktiven Dingen, bzw. sind zu fragil um sie den Ausstellungsbe- dingungen auszusetzen (Abb. 4). Gebräuchliche Bindungsarten Leinenbindung9 ­ tabby ­ plain weave Reps: Ist im Grundprinzip eine Leinenbindung, bei der durch unterschiedlich starke Fäden nur die eine (z. B. die Kette) oder die andere (z.B. der Schuss) Fadenlage sichtbar ist (Abb. 5). Köperbindungen ­ twill 1/2 (Gleichgrat-)Köper ­ 1/2 twill 2/2 (Gleichgrat-)Köper ­ 2/2 twill Fischgrätköper ­ Chevron twill or herring-bone Spitzköper­ Broken twill or zig-zag twill Rautenköper ­ Lozenge twill Diamantköper ­ Diamond twill Panamabindung ­ basket weave Halbpanama ­ half basket weave Atlasbindung ­ (Hier nur der Vollständigkeit halber angeführt, kommt meines Wissens nicht vor.) ­ ist charakterisiert durch schräg verlaufen- de Fadenkreuzungspunkte wie bei der Köperbindung, aber es werden mindesten vier Fäden über- sprungen; die Kreuzungspunkte von Kett- und Schussfäden berühren einander nie. Abb. 4: Neolithisches Garnknäuel aus Lüscherz. Abb. 5: Schemazeichnung Schuß- und Kettreps. Abb. 6: Beispiele für verschiedene Bindungsarten in Musterzeichnung. Schierer - Weben 26 Musterbildung Spinnrichtungsmuster (spin pattern) Durch bewusstes Verwenden S- oder Z-gedrehter Garne in Kette und Schuss(Bild) Farbmuster Musterbildung durch Fäden in verschiedenen Farben Längsstreifen: verschiedenfärbige Fäden in der Kette Querstreifen: verschiedenfärbige Fäden im Schuss Bei Köpervarianten tritt der Grateffekt stärker hervor, wenn in Kette und Schuss jeweils unterschied- liche Farben verwendet werden. ,,Schottenmuster", bzw. Karos in allen Varianten: verschiedenfärbige Fäden in Kette und Schuss Abb. 7: Schemazeichnungen verschiedener Bindungsarten. Schierer - Weben 27 Hahentrittmuster: Entsteht bei Köperbindung durch streifenweisen Farbwechsel in Kette und Schuss. Die Streifen umfassen meist 4-6 Fäden Funde dazu gibt es aus den Salzbergwerken aus Hallstatt und Dürrnberg/Hallein. Anmerkungen 1 F. KELLER, Pfahlbauten in der Schweiz. Mitteilungen der An- tiquarischen Gesellschaft 14/1-6, 1861, 14-23 2 M. v. KIMAKOWICZ-WINNICKE, Spinn- und Webwerkzeu- ge. Mannusbibliothek, Nr. 2, Würzburg 1910 3 K. SCHLABOW, Der Thorsberger Prachtmantel. Schlüssel zum altgermanischen Webstuhl, Veröffentlichungen des Förder- vereins Textilmuseum Neumünster, Heft 5, 19822 4 Marta HOFFMANN, The warp-weighted loom. Studies in the history and technology of an ancient implement, Studia Norvegi- ca 14, 1964 5 HIRSCHBERG, JANATA, Technologie und Ergologie in der Völkerkunde, Band 1, 19802 H. EPHRAIM, Über die Entwicklung der Webtechnik und ihre Verbreitung außerhalb Europas, Diss. Jena 1904 Abb. 8: Spinnrichtungsmuster: Umzeichnung und Original aus Hallstatt. Abb. 9: Hahnentrittmuster aus Hallstatt. 6 Thomas STÖLLNER, Sympusium Hallstatt Textilien vom 4. ­ 6. Juni 2004, Abstractband Seite 33 7 W.H. ZIMMERMANN, Archäologische Befunde frühmittelal- terlicher Webhäuser. Textilmuseum Neumünster 1982 (Textil- symposium 1981) 8 Hallstatt, Haithabu 9 Oft auch Leinwandbindung genannt; heißt bei Seide Taftbin- dung, bei Wolle Tuchbindung, bei Baumwolle Kattunbindung. Ist durch unterschiedliche Fadenstärken nur ein Fadensystem sicht- bar, spricht man von Reps, z.B. Schuss-, Eintrag- oder Querreps, wenn die Schussfäden deutlich dicker sind oder von Kett- bzw. Längsreps, wenn nur die Kettfäden auf Grund der Fadenstärke sichtbar sind.