Lehrveranstaltung Experimentelle Archäologie 2006 1 Ingrid Schierer 1160 Wien schinge@utanet.at Im Bereich der universitären experimentellen Beschäftigung mit Weberei hat sich im Laufe der Zeit ein gewisser Kanon an Begriffen herausgebildet. Diese Begriffe stammen teilweise aus der Literatur, bzw. von kontaktierten Handwerkern. In diesem Glossar wird versucht, sie zu erklären; ihre Verwendung ist unterschiedlich und nicht verbindlich. Es wurde auch versucht, die englischsprachige Literatur zu berücksichtigen. Das Glossar erhebt keinen Anspruch auf Wissen- schaftlichkeit, eine Zitation unterbleibt daher. Glossar Abspulständer Für mechanische Webstühle (hand- oder fußbetrieben) wurden und werden von einer großen Anzahl von Spulen viele Fäden gleichzeitig abgezogen und als Kette entweder zu einem Zopf geflochten aufbewahrt oder auf dem Webstuhl angebracht. Große schwere Tonkegel mit Lochung wurden daher in der älteren Literatur auch als Spulständer angesprochen. Das Abrollen eines ganzen Bündels Fäden mit Hilfe von Spulen widerspricht aber dem Handlungsprinzip beim Herstellen einer Kette mit Anfangskante, in die jeder Kettfaden einzeln eingebracht werden muss. Oder für eine Kette für ein Hüftwebgerät z.B. braucht es an beiden Enden Fadenschlaufen und es ist günstig, die Fadenkreuzungen beim Scheren herzustellen; beides entsteht nicht, wenn wie oben beschrieben viele Fäden gleichzeitig von Spulen abgezogen werden. Abgepasste Kleidungsstücke So wie die Webe vom Webstuhl kommt, ist sie ein fertiges Kleidungsstück, bzw. jedes Stück wird nach seiner geplanten Verwendung konzipiert und hergestellt, um Materialverlust zu vermeiden. Naturgemäß sind das jene flächigen ,,Mäntel", die wir mit einem modernen Wort eigentlich als ,,Decken" bezeichnet würden. Auch Tuniken können so gewebt werden, dass kein Zuschneiden und nur minimale Näharbeit nötig sind ­ man beginnt an der Ärmelkante zu weben, webt die Länge des einen Ärmels, erweitert dann die Webe auf die Länge von Vorderteil und Rückenteil, wobei der Halsausschnitt als Schlitz ausgespart wird, verringert die Webbreite wieder für den Lehrveranstaltung Experimentelle Archäologie 2006 2 zweiten Ärmel und schließt nach der gewünschten Ärmellänge die Arbeit ab. Ohne Materialverlust und nur durch Nähte an den Seiten ist das Kleidungsstück fertig. Anfangskante/starting border Trägermaterial für die Kettfäden, die auf einem Gewichtswebstuhl verarbeitet werden sollen. Mehr oder weniger breit, in einer der genannten Webtechniken oder in Brettchenweberei. Für das Herstellen einer Anfangskante und der dadurch gleichzeitig entstehenden Kette braucht man ein von Webstuhl unabhängiges Gerät ­ siehe Scherbock. Vermutlich nicht benützt für den horizontalen Webstuhl ohne Gewichte, der parallel zum Boden ausgepflockt war, für den man an beiden Enden Schlaufen braucht. Bindungsarten/weaves Bis zur Bronzezeit ausschließlich Leinenbindung, dann Leinen- und Köperbindungen. Innerhalb der Gruppe der Köperbindungen gibt es unzählige Musterungsmöglichkeiten. Leinen und Köper brauchen keine verschiedene Webstühle; derselbe Webstuhl kann für Leinen und Köper hergerichtet werden. Bestimmte Produkte brauchen aber sehr wohl eigene Geräte: ein Prachtmantel läßt sich nur auf einem Gewichtswebstuhl herstellen, für den Peplos von Huldremose brauchte man einen Webstuhl, auf dem ein schlauchartiges Gewebe möglich war (nicht der Webstuhl ist schlauchförmig/tubular!) An Hand der Bindungsarten und deren Kombinationen können Webfachleute Aussagen über die Webgeräte machen. Brettchenweben Diese Technik diente der Herstellung von schmalen Bändern oder Borten, die unter anderem als Besatz (angenäht) an Geweben Verwendung fanden. Brettchenkanten dienten auch als Anfangskante im Zuge der Herstellung der Kette für den Gewichtswebstuhl, bzw. konnten auch als Seitenkanten im selben Arbeitsgang wie die Webe entstehen. Breitenhalter Um zu verhindern, dass das Gewebe bei fortschreitender Arbeit enger wird (,,einzieht"), versucht man mit verschiedenen Hilfsmitteln jenen Teil des Gewebes, der schon fertig ist, nach links und rechts zu spannen. Archäologisch nicht nachweisbar, individuell angewendet; eine der großen Fragen, ob bei optimaler Spannung der Kette und bei ausreichender Übung, Breitenhalten überhaupt notwendig sind. (Anderseits sind die kleinen Löcher in der Webkante eines zeitgenössischen Stoffes die Spuren der metallenen Zähnchen, die die Stofffläche nach außen spannen.) Lehrveranstaltung Experimentelle Archäologie 2006 3 Einschäftiger Webstuhl Die Fachbildung erfolgt mit einem Schaft (künstliches Fach) und einem Trennstab (natürliches Fach). Mit dieser Ausstattung ist nur Leinen- bindung möglich. Fach/shed Abstand zwischen den Lagen der Kettfäden zwischen denen der Schussfaden eingelegt werden soll. Diese ,,Öffnung" wird beim echten Weben durch eine Vorrichtung (shedding device) hergestellt, die alle zu bewegenden Fäden gleichzeitig bewegt. Natürliches Fach (natural shed) bei Leinenbindung: Jene Stellung der Kettfäden, die sich allein durch Schwerkraft und Trennstab ergibt, keine Erzeugung dieses Faches notwendig. Künstliches Fach (counter shed) bei Leinenbindung: Jene Stellung der Kettfäden, die durch Betätigung von Schaft/Litzenstab die ,,andere" Fadenlage nach vorne holt, und zwar alle Fäden gleichzeitig in einem Arbeitsgang. Wenn bei Köperbindung die Fachbildung mit mehreren Schäften/Litzenstäben erfolgt, dann sind alle Fächer sind ,,künstlich". Allerdings kann auch beim Weben in Köperbindung mit Trennstab und Schäften gearbeitet werden; je nachdem, wie die Fäden eingezogen sind, gibt es dann ebenfalls ein natürliches Fach und (minus eins) künstliche Fächer. Fasern pflanzlichen und/oder tierischen Ursprungs bilden das Ausgangsmaterial für die Fadenproduktion. Die Fasern werden zum einfachen Garn versponnen und mehrere Garne zu dickeren Fäden verzwirnt. Filzen Nur das Vlies wird zu Filz verarbeitet, intentionaler Vorgang. Flechten Flechten unterscheidet sich von echtem Weben dadurch, dass keine mechanische Fachbildung erfolgt; ein endlos langer Faden wird um sich selber verschlungen (mit oder ohne Knoten, mit oder ohne Hilfsmittel), auch dadurch können Flächen (Matten, Netze, Gefäße, Umhänge, etc.) entstehen. Garn/yarn Der einfache, durch einen Arbeitsgang entstandene Faden. Das Garn ist entweder s-gedreht oder z-gedreht. Durch Zwirnen von s-gedrehten Garnen entsteht ein mehrteiliger Z-gedrehter Faden (s-spun and Z- plied); durch Zwirnen von z-gedrehten Garnen entsteht ein mehrteiliger S-gedrehter Faden (z-spun and S-plied). Lehrveranstaltung Experimentelle Archäologie 2006 4 Gewebe Echtes Gewebe zeichnet sich dadurch aus, dass die Kette ­ in zwei oder mehr Lagen von Fäden aufgeteilt ­ unter Spannung gehalten wird und dass jede dieser Lagen von Fäden als Gesamtheit gleichzeitig bewegt werden kann. Das kann entweder horizontal oder vertikal erfolgen. Eine derartige mechanische Einrichtung erlaubt die Fachbildung über die ganze Breite der Webe in einer Aktion; Kette und Schuss kreuzen sich im rechten Winkel. Die beim Scheren erfolgte Fixierung der Reihenfolge der Kettfäden; sie ist nicht wieder veränderbar. Webfehler durchziehen das ganze Gewebe und können ein Indiz dafür sein, dass es sich um ein echtes Gewebe handelt. Gewichtswebstuhl Spektakuläres und räumlich sowie zeitlich weit verbreitetes Webgerät verschiedenster denkbarer Bauart. Die hölzernen Teile sind nicht erhalten, nur die tönernen, mehr oder weniger stark gebrannten Webgewichte werden bei Grabungen gefunden. Die Rekonstruktion richtet sich nach griechischen Vasenbildern (ab ca. 600 vor), volkskündlichen Vorbildern (Die älteste Beschreibung eines Webstuhls aus Island stammt aus dem Jahr 1787 von Olaus Olavius) und völkerkundlichen Vergleichen (Webstuhl der Navajo, Webstuhl aus Anatolien) Die Arbeitsrichtung erfolgt von oben nach unten. Holm(e)/uprights Seitliche, schräg angelehnte oder auf einer freistehenden Konstruktion schräg eingebaute Stützen, die den Warenbau/oberen Querbaum/upper beam/Tuchbaum tragen. Hüftwebgeräte Die Kette ist zwischen zwei Rundhölzern angebracht, von denen das obere an einer Wand befestigt ist. Die Spannung wird durch den Körper der webenden Person erzeugt. Hüftwebgeräte sind archäologisch nicht nachweisbar. Breite durch die Reichweite der Arme begrenzt. Kette/Kettfäden/Zettel/Schweif/Warp/Aufzug Die Summe alle Fäden, die parallel zueinander vertikal oder horizontal gespannt sind und zwischen die - rechtwinkelig dazu - der Schuss (Weft) eingetragen wird. Kettfädenordner Bündel von Kettfäden werden zusammengefasst und die Webgewichte daran angebunden. Um die Kettfäden, die dadurch fächerförmig zusammenlaufen, in eine parallele Richtung zu bringen, bedient man sich eines Fadens, der oberhalb der Gewichte eingeknotet wird. Dieser Lehrveranstaltung Experimentelle Archäologie 2006 5 hält die Kettfäden einerseits halbwegs parallel, in gleichem Abstand und hält auch bis zu einem gewissen Grad die Breite. Köperbindung/twill (Hier werden nur einige Bezeichnungen aufgelistet, die Darstellungen dazu folgen im Vortrag.) Fortgeschrittenere Bindungsart in vielen Varianten: 2/2 twill lozenge twill herringbone or chevron twill Spitzköper Fischgratköper Rauten- oder Diamantköper Obwohl in der Konzeption schwieriger, kann auch Köper auf jedem Webstuhl hergestellt werden. Die abwechselnde Verwendung von Leinenbindung und Köperbindung in einem Werksstück ist höchste Webkunst. Leinenbindung/tabby/plain weave Einfachste Bindungsart, sagt weder etwas aus über das verarbeitete Material noch über den verwendeten Webstuhl. Leinenbindung kann sowohl auf einem vertikalen als auch auf einem horizontalen Webstuhl hergestellt werden. Litze/Litzenfaden/Litzenschlinge/heald/heddle Als Litzen oder Litzenfäden bezeichnet man jene Fäden mit denen die Kettfäden an der jeweiligen Fachbildungsvorrichtung (Schaft, Litzenstab) angebunden sind. Litzenstab/Schaft/heddle rod Leinenbindung: Für Leinenbindung ist ein Litzenstab notwendig. Jeder zweite Kettfaden ist mit einer Schlinge an diesem befestigt. Die "hintere" Kettfadenlage kann damit mit einem Hub nach vorne gehoben werden. Eine einmal getroffene Anordnung bleibt während des ganzen Arbeitprozesses gleich. Erst diese mechanische Fachbildung erlaubt die Herstellung echter Gewebe. Köperbindung: Je nach Bindungsart sind drei oder mehr Litzenstäbe notwendig und das ganze Handling wird konplizierter. Markierungen an Webgewichten Bedeutung ungeklärt Mehrschäftiger Webstuhl Webstühle mit mehr als einem Schaft, dienen immer der Herstellung von Körperbindung Lehrveranstaltung Experimentelle Archäologie 2006 6 Netzsenker Die Ansprache gelochter Tonscheiben und Tonringe als ,,Netzsenker" ist heute nicht mehr üblich. Rapport Mustersatz bis zur Wiederholung der Reihenfolge der Schafthebungen Schaft Entspricht dem Litzenstab. Beim mechanischen Trittwebstuhl ist der vom Weber am weitesten entfernt Schaft der ,,erste" Schaft. Schaftgabel(n)/heddle rod support(s) Jene Halterung(en) an den seitlichen Stützpfosten des Webstuhls, in die bei künstlichem Fach der Litzenstab eingehängt wird, um beide Hände für des Einlegen des Schussfadens frei zu haben. Schaftgabeln sind auf griechischen Vasenbildern nicht zu sehen; wenn links und rechts je eine Person den Schaft hält, braucht er nicht eingehängt zu werden und die webende Person hat beide Hände trotzdem zum Arbeiten frei. Scheren (Anzetteln) Ordnen und Aufspannen der Kettfäden für ein neues Werksstück mit oder ohne Anfangskante; die Reihenfolge der Kettfäden wird dadurch unwiderruflich festgelegt, geringfügige Korrekturen sind möglich. Ein dermaßen vorbereitete Kette muss nicht gleich zu Gewebe verarbeitet werden, sie kann gelagert, getauscht, transportiert werden. Scherbock Hilfsmittel für das Herstellen der Kette mit Anfangskante. Schiffchen Begriff aus der Trittweberei. Mit Hilfe des Schiffchens wird der Schussfaden in das Fach eingebracht. Archäologisch nicht nachweisbar und von Arbeitsablauf beim senkrechten/schrägen Gewichtswebstuhl schwer vorstellbar. Es fehlt die als ,,Rutschfläche" fungierende untere Fadenlage. Das Einbringen des Schussfadens ist beim Gewichtswebstuhl eher ein Durchreichen ohne Schiffchen. Schlichten Unter Schlichten versteht man das Tränken und Bestreichen der Kette mit einer härtenden, bzw. glättenden Flüssigkeit. Ein aus Mehl oder Stärke gekochter Kleister (ev. mit Zusatz von Leim und Talg) macht die Fäden steif. Die Schlichte soll die Leichtgängigkeit der Kettfäden, die sich beim Fachwechsel aneinander reiben, fördern. Das Anbringen der Schlichte und deren Tendenz in warmen und trockenen Arbeitsräumen, so scharf auszutrocknen, dass die Fäden abbrechen, wird als Grund dafür genannt, dass das Weben am besten in feuchten Kellern erfolgen Lehrveranstaltung Experimentelle Archäologie 2006 7 sollte. Ob in den Web-Grubenhäusern die gewünschten Bedingungen herrschen, ist nicht untersucht. Schuss/weft/woof siehe Kette Schwellbalken(konstruktion) Sonderform des Gewichtswebstuhls. Reine Spekulation für den Fall, dass im Befund keine Pfostenlöcher der seitlichen Stützen des Webstuhls sichtbar sind. Die seitlichen Holme werden in einem halbierten Baumstamm verankert, der Webstuhl steht dadurch aufrecht, die Fachbildung ist unbefriedigend und beim Arbeiten stört der Schwellbalken. Meines Erachtens eine Sackgasse unter den Rekonstruktionsvesuchen, hat seine eigene Wissenschaftsgeschichte, brachte und bringt aber durch das praktische Arbeiten wertvolle Ergebnisse, weil man unmittelbar merkt, was förderlich ist und was nicht. Spinnwirtel/spindle whorls Zum Spinnen sind tönerne Spinnwirtel nicht unbedingt notwendig, die Schwungmasse kann auch aus vergänglichen Materialen bestehen (Äpfel, Bein, Holz, ...) Sprang heißt auch im Englischen ,,sprang". Das ist eine Technik, bei der die Kettfäden auf einer Art Rahmen aufgespannt sind und in Spannung gehalten werden, wo aber kein Eintrag eines Schussfadens erfolgt. gehalten werden. Die Fläche entsteht ohne Eintragung eines Schussfadens durch Überkreuzen und gegenseitiges Verdrehen der Kettfäden. Die Arbeit erfolgt von beiden Seiten (gleichzeitig von oben und unter) und schreitet gegen die Mitte zu fort. Wird das ganze Stück verwendet, geschieht die Sicherung in der Mitte des Werkstückes durch einen Fadeneintrag. Oder die spiegelbildlich gleichen Teile werden jeder für sich z.B. an einer Brettchenkante fixiert und auseinander geschnitten. Teppich-Webstuhl/tapestry loom Siehe zeitgenössische Abbildungen, ohne Gewichte, die Arbeitsrichtung verläuft von unten nach oben Trennstab/Trennbalken/Trennlatte/shed rod Siehe Litzenstab, bzw. Schaft Trittwebstuhl Mechanischer Webstuhl bei dem das Heben und Senken der Schäfte mit den Beinen und mit Hilfe von ,,Pedalen" erfolgt. Weder für die Lehrveranstaltung Experimentelle Archäologie 2006 8 Urgeschichte noch für die Frühgeschichte anzunehmen. Diese, im 19.Jh. und auch in der ersten Hälfte des 20. Jh. gut bekannten Geräte hatten die Urgeschichtler vor Augen, als sie sich der Erforschung der Weberei zuwandten. Von diesen Webstühlen stammen die verwendeten Termini und auch die Zeichnungen (point paper designWebpatrone) für Schafteinzug und Tritteinzug wurden übernommen, obwohl sie für die Gewichtswebstühle so gar nicht passen. Waagrechter horizontaler Web"stuhl" (ohne Gewichte!)/horizontal ground loom Erste Darstellung auf einer Schale aus dem 5. Jt. vor Christus aus Badari, Ägypten Walken Gewebte Stoffe können zusätzlich gewalkt werden; die Spinn- und Zwirnrichtung beeinflusst die Qualität des Walkens. Gebrauchsspuren an den Kleidungsstücken verändern ebenfalls die Oberfläche, haben aber nichts mit absichtlichem Walken zu tun. Warenbaum/oberer Querbaum/upper beam/cloth roller Beim neuzeitlichen Handwebstuhl/Trittwebstuhl ist der Warenbaum vorne, nahe beim Körper der webenden Person. Beim Gewichtswebstuhl ist er oben. Daran ist die Anfangskante befestigt, die Kette hängt nach unten. Die Schussfäden werden von unten nach oben angeschlagen. Mit zunehmendem Fortschreiten der Arbeit, wenn der Abstand zwischen Arbeitskante und Schäften mit Schussfäden aufgefüllt ist, müssen die Gewichte abgeknüpft werden, die Kette ist nicht mehr gespannt, das Stück Stoff wird um den Warenbaum gerollt und anschließend wird die Kette wieder angeknüpft. Die Arbeitskante ist dadurch wieder höher oben, der Abstand zu den Schäften kann mit Schussfäden ausgefüllt werden. Die Drehbarkeit des Warenbaums wurde in den älteren Literatur immer wieder in Frage gestellt. Webgatter/-gitter/rigid heddle Ein Brettchen geringer Breite mit Schlitzen und Löchern versehen, durch die die Kettfäden abwechselnd durchgezogen werden. Die Fachbildung erfolgt durch Heben und Senken dieses Webgitters, echtes Weben ist möglich. Archäologisch nicht nachweisbar, bzw. stellt sich die Frage, ob und wann bei einer Ausführung in Knochen, Horn oder Holz die notwendige Feinheit hätte erreicht werden können. Webgewichte/warp weights Scheibenförmig, ringförmig, kegel- oder pyramidenförmig, exzentrisch gelocht. Form und Größe bleiben relativ konstant, auf Grund der Form allein ist keine Altersbestimmung möglich. Die Verwendung dieser Lehrveranstaltung Experimentelle Archäologie 2006 9 Artefakte im allgemeinen ist geklärt; die feinen funktionellen Unterschiede, die sich aus geringen Unterschieden in Masse und Form ergeben, konnten im Experiment noch nicht ausreichend erschlossen werden. Webgrube Meint eine Vertiefung unter den hängenden Gewichten. Meines Erachtens nicht ausreichend dokumentiert. Funktion ungeklärt, es geht auch ohne. Webkamm Geräte zum Anschlagen der Schussfäden Weberkarde Gerät zum Kämmen der Schafwolle Webschwert Gerät zum Anschlagen der Schussfäden. Wenn aus Holz gefertigt, ist es wie Vieles andere nicht nachweisbar; wenn aus Metall, ist es zum Arbeiten (fast) zu schwer, vor allem am Gewichtswebstuhl, wo gegen die Schwerkraft gearbeitet wird, möglicherweise Statussymbol. Zwirn/thread/twisted yarn/plyed yarn Zwei (two-ply yarn) oder mehrere zusammengedrehte Garne ("Einzelfäden"). Die Drehrichtung des Zwirns ist immer der des Garns entgegengesetzt. Lehrveranstaltung Experimentelle Archäologie 2006 10 Kommentierte Literaturliste (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) zur Lehrveranstaltung ,,Experimentelle Archäologie" vom 30. Juni bis 3. Juli 2005 Zusammengestellt von Ingrid Schierer, Wien im März 2005 H.-J. BARTHEL, Eine hallstattzeitliche Grube mit Webgewichten von Herbsleben/Kreis Bad Langensalza. Ausgrabungen und Funde 19, 1974, 258 ­ 262 (Logikrätsel) Lise BENDER JRGENSEN, North European Textile Production and Trade in the 1st Millenium AD. Journal of Danish Archaeology vol. 3, 1984, 124-134 (kurzer Überblick) Lise BENDER JRGENSEN, Forhistoriske textiler i Skandinavien. Nordiske Fortidsminder, Serie B, Bind 9, Kbenhavn 1986 (ausführliche Auflistung) C. DOBIAT, Der Burgstallkogel bei Kleinklein I. Die Ausgrabungen der Jahre 1982 und 1984, MSVF 13, 1990 (ca. 100 Gewichte, Webbreite ca. 3m) R.J. FORBES, Studies in ancient technology Vol. IV, Leiden, 1964 (Als Nachschlagewerk) Annelies GOLDMANN, Webversuche nach Befunden von Reepsholt und Emden. Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 6, Oldenburg 1991, 353-360 Annelies GOLDMANN, Endlosstoffe ­ eine Erfindung der Eisenzeit. Experimentelle Archäologie in Deutschland, Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 13, Oldenburg 1996, 109 Margrethe HALD, Jernalderns Dragt. Aarhuus 1962 (leider in dänisch) Marta HOFFMANN, The Warp-Weighted Loom. Studia Norvegica 14, 1964 (Ein Klassiker! Volkskundliche Darstellung der Gewichtswebstühle. In der Folge oft zitiert und verwendet als Rekonstruktionsvorlage) Marta HOFFMANN und H. B. BURNHAM, Prehistory of textiles in the old world. In: Viking 37, 1973, 49-76 K. HOREDT, Moreºti. Grabungen in einer vor- und frühgeschichtlichen Siedlung in Siebenbürgen, 1979 (Zwei Webhütten inmitten anderer Siedlungsbauten; Ausgrabungsbefund, Webgewichte) J. HOOPS (Hg.), Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Band 8, Berlin 1994 Lehrveranstaltung Experimentelle Archäologie 2006 11 (Der ,,Fibelband"- enthält u.a. Zeichnungen zur Trageweise der Fibeln) H.-J. HUNDT, Vorgeschichtliche Gewebe aus dem Hallstätter Salzberg. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 6, 1959, Mainz 1960, 66 ­ 100, Tafeln 10 ­ 28 H.-J. HUNDT, Vorgeschichtliche Gewebe aus dem Hallstätter Salzberg. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 7, 1960, Mainz 1960, 126 ­ 150, Tafeln 12 ­ 31 H.-J. HUNDT, Textilreste aus dem Hohmichele. In: Gustav RIEK, Der Hohmichele. Ein Fürstengrabhügel der späten Hallstattzeit bei der Heuneburg, Heuneburgstudien I, RGF 25, 1962. 199 ­ 214 und Tafeln 25 - 44 (Erläuterungen webtechnischer Grundbegriffe, Beispiel für Naht, Brettchengewebe, Seide als Import?) H.-J. HUNDT, Vorgeschichtliche Gewebe aus dem Hallstätter Salzberg. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 14, 1967, Mainz 1970, 38 ­ 67, Tafeln 4 ­ 28 H.-J. HUNDT, Bemerkungen zur Rettung und Auswertung trachtenkundlicher Reste in Bodenfunden. Informationsblätter zu Nachbarwissenschaften der Ur- und Frühgeschichte 2, 1971. Schriften des Schleswiger Kreises, Textilkunde 1, 1-8 H.-J. HUNDT, Die Gewebereste von Gevelinghausen. Anhang 1 zu Albrecht JOCKENHÖVEL, Eine Bronzeamphore des 8. Jh. V. Chr. von Gevelinghausen, Kreis Meschede. Germania Jg. 52, 1974, 1. Halbband, 48-51 Katharina v. KURZYNSKI, ,, ... und ihre Hosen nennen sie bracas". Textilfunde und Textiltechnologie der Hallstatt- und Latnezeit und ihr Kontext. Internationale Archäologie 22, Espelkamp 1996 (Ein ,,Muss"!) W. LA BAUME, Die Entwicklung des Textilhandwerks in Europa. 1955 (Ein Klassiker!) NISCHER-FALKENHOF, MITSCHA-MÄRHEIM, Dritter Bericht über die Ausgrabungen in Nieder-und Oberleis. WPZ 22, 1935, 87 ­ 90 (Alt. Nur als Beispiel für Interpretationsnotstand) R. PATTERSON, Spinning and Weaving. Singer, Holmyard (Hg.), A History of Technologi, Vol.II, 1956, 191- 220 (griffige Zusammenstellung) POST, WALTERSTORFF, LINDQUIST, Bronsldersmanteln frn Gerumsberget I / Västergötland (in der Übersetzung von Ernst A. Meyer). Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, Monografiserien 15, 1928, 45 - 71 (Als Beispiel für eines der seltenen ,,ganzen" Kleidungsstücke) Lehrveranstaltung Experimentelle Archäologie 2006 12 H.-F. ROSENFELD, Webstuhl und Schermethode in der germanischen Bronze- und Eisenzeit. Forschungen und Fortschritte 28.Jg., Berlin 1954, 12-20 (Etymologie) Ingrid SCHIERER, Ein Webstuhlbefund aus Gars-Thunau. Rekonstruktionsversuch und Funktionsanalyse, Archaeologia Austriaca 71, Wien 1987 K. SCHLABOW, Der Thorsberger Prachtmantel, der Schlüssel zum altgermanischen Webstuhl. Karl Kersten (Hg.) Festschrift für Gustav Schwantes, Neumünster 1951 K. SCHLABOW, Gewebe und Gewand zur Bronzezeit. Veröffentlichungen des Fördervereins Textilmuseum Neumünster e.V., Heft 3, Neumünster 1962 K. SCHLABOW, Textilfunde der Eisenzeit in Norddeutschland. Göttinger Schriften zur Vor- und Frühgeschichte, Band 15, Neumünster 1976 K. SCHLABOW, Der Thorsberger Prachtmantel, der Schlüssel zum altgermanischen Webstuhl. Veröffentlichungen des Fördervereins Textilmuseum Neumünster e.V., Heft 5, Neumünster 19822 H. STAHLHOFEN, Eine spätbronzezeitliche Webstuhlgrube in Wallwitz. Ausgrabungen und Funde 23, Heft 4, 1978, 179 ­ 183 (Ein theoretischer Rekonstruktionsversuch) E. VOGT, Geflechte und Gewebe der europäischen Stein- und Bronzezeit. Sonderabdruck aus der Ciba-Rundschau 66, 1946, 2408 ­ 2440 (Alt, aber gut! Diverse Geflechte, u.a. auch Sprang) W. H. ZIMMERMANN, Archäologische Befunde frühmittelalterlicher Webhäuser. Textilmuseum Neumünster 1982 W. H. ZIMMERMANN, Die Rekonstruktion eines mittelalterlichen Gewichtswebstuhls. Experimentelle Archäologie in Deutschland, Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 13, 1996, 108. Zahlreich sind Museums- und Ausstellungsführer, die rekonstruierte Webstühle zur Belebung und Animation anführen. Diese orientieren sich alle an den Klassikern. Wie z.B. H.-J. HÄSSLER, Die Altsachsen. Ein Streifzug durch die Frühgeschichte in Niedersachsen, Beihefte zu Ausstellungen der Abteilung Urgeschichte des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover, Heft 6, 1996 In den Museums- und Ausstellungsführern kann oft schön beobachtet werden, welche Literatur benützt worden ist. Zusammengestellt von Ingrid Schierer, Wien im März 2005