Zdenìk Mareèek, Institut für Germanistik und Nordistik der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität, Brno (Brünn) Deutschsprachige Autoren jüdischer Herkunft aus Mähren -- von der Aufklärung bis 1918 1. Die deutschsprachige Literatur aus Mähren steht im Schatten der Prager deutschen Literatur; wenn man sie auf Autoren jüdischer Herkunft beschränkt, dann um so mehr. Es ist zum Teil auch auf die Prager bzw. böhmische Perspektive der Historiker der deutschsprachigen Literatur in Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien zurückzuführen, zum Teil muß man allerdings zugeben, daß im Vergleich zu Prag die mährische Literaturszene weniger ausgeprägt war und Brünn für Olomouc (Olmütz) oder Jihlava (Iglau) keine große Anziehungskraft als Landeshauptstadt ausübte, weil das Literatur- und und Theaterleben viel deutlicher als in Böhmen auf Wien orientiert war. Erfolgreiche Autoren strebten nach Wien. Erst die Entstehung der Tschechoslowakischen Republik, die neue Lage der deutschsprachigen Kultur als einer vom tschechoslowakischen Staat abgewerteten Minderheitenkultur und die früher nicht gekannte Behinderung durch die Grenze zwischen Mähren und Österreich führten zu einer neuen Rolle Brünns für die Deutschen in Mähren. Erst im März 1919 entstand "Die deutsche Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst", die zwar jüdische und nichtjüdische, links und rechts orientierte Mäzene, Künstler, Schriftsteller und Publizisten, Musiker und Wissenschaftler aus ganz Mähren vereinigte, aber die Abwanderung der Schlüsselpersönlichkeiten nach Deutschland und Österreich nicht verhindern konnte. Nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland im Jahre 1933 kamen zwar Autoren wie Felix Langer oder Max Zweig nach Mähren zurück, mußten aber bald in ein neues Exil gehen. Andere gebürtige Mährer -- wie Adolf Donath oder Hugo Sonnenschein -- zwangen die Umstände zwar zur Rückkehr in die Tschechoslowakei, sie blieben aber in Prag. Die Ausgliederung der Autoren jüdischer Abstammung aus der deutschsprachigen Literatur aus Mähren ist nur insoweit gerechtfertigt, weil ihre Schriftstellerkarriere mit dem Antisemitismus gewisser Zeitgenossen konfrontiert wurde und weil ihre spätere Rezeption durch das Totschweigen in der NS-Zeit noch zusätzlich behindert wurde. Sonst waren sie meistens assimiliert oder interessierten sich für jüdische Themen erst, nachdem ihnen ihr literarischer Durchbruch mit anderen Themen gelungen war, wie z. B. Oskar Jellinek[1]. Nur Eduard Kulke (1831-1897) und Max Grünfeld (1856 -1933), zwei Autoren von Ghettogeschichten, haben sich bewußt von ihren religiös indifferenten oder konvertierten Zeitgenossen abgehoben und die Welt der jüdischen mährischen Gemeinden festgehalten, die durch den gesellschaftlichen Wandel nach Erlassung liberaler Gesetze von 1848 bzw. nach der rechtlichen Gleichstellung im Staatsgrundgesetz 1867 allmählich verschwand. Jüdische Autoren wie Franz Kafka, Max Brod oder Oskar Wiener[2] haben seinerzeit das Bild der Prager deutschsprachigen Literatur so wesentlich mitgeprägt, daß sogar ihre nichtjüdischen Zeitgenossen Gustav Meyrink und Paul Leppin verfolgt wurden, weil sie von den Antisemiten irrtümlich für Juden gehalten wurden. Deutschsprachige Mährer jüdischer Abstammung sind nicht so eng mit ihrem Herkunftsland verbunden, wenigstens nicht im Bewußtsein breiter Leserschichten. Eine interessante Symbiose deutschsprachiger jüdischer Schriftsteller mit ihrem tschechisch-mährischen Hinterland, dem sie ihre Stoffe verdanken, findet man nur bei Jakob Julius David, Philipp Langmann oder Oskar Jellinek, und zwar nur in einem Teil ihres Werkes. Andere wollten nicht als Mährer gelten und vermieden darum diese Themen, um nicht als "Provinzler" wahrgenommen werden. Die meisten verbrachten sowieso nur kürzere Lebensabschnitte in Mähren, wurden erst in Wien, Berlin oder in Prag berühmt und gingen völlig in dem neuen Milieu auf. Leo Slezak prägte zwar später den berühmten Satz: "Ich bin ein echter Wiener. Alle echten Wiener sind aus Brünn[3]", aber eine solche selbstironische Darstellung setzt schon ein hohes Selbstbewußtsein und eine Selbstironie voraus, die den aus Brünn stammenden Autoren häufig fehlten. Die Generation der zwischen 1880 und 1895 geborenen Autoren betrachtete es als Voraussetzung für ihren Aufstieg, die von nationalen Kämpfen geplagten Städte Mährens zu verlassen. Sowohl physisch als auch literarisch. Ihr ganzes Leben lang verbrachten in Mähren vor allem Autoren regionaler Bedeutung. Die Nähe Wiens, das wenig attraktive Angebot an Hochschulen in Mähren[4] und die Kurzlebigkeit interessanter Zeitschriftenprojekte in Brünn[5] sind Ursachen dafür, daß das literarische Leben in Mähren nur vorübergehend intensiver wird, vor allem in der Zeit zwischen 1889 und 1918. Wichtige gebürtige Mährer jüdischer Abstammung verlassen entweder schon im Kindesalter -- Lorm (*1821), Ernst Lothar (*1890) --, oder spätestens nach dem Abitur das Land. Das gilt für Sonnenfels, David sowie für die Vertreter der starken Generation, deren Geburtsjahr zwischen 1880 und 1895 liegt und deren Werk erst nach 1918 kulminiert: Hans Müller (*1882), Oskar Jellinek (*1886), Ernst Sommer (*1888), Max Zweig (* 1892) und Felix Langer (*1889) studieren Jura in Wien, Ernst Weiß (*1882) Medizin daselbst, Hermann Ungar (*1893) Jura in München und Prag, Ludwig Winder (1889) startet nach der Handelsakademie seine journalistische Laufbahn in Wien, Hugo Sonnenschein (*1889) beginnt nach dem Abitur in Brünn angeblich Literaturwissenschaft in Wien zu studieren. Sie sind alle nur dann der mährischen Literatur zuzuzählen, wenn sie im mährischen Literaturleben präsent bleiben und hier als bedeutende Landsleute wahrgenommen werden bzw. wenn ihr Werk thematisch mit Mähren verbunden blieb. Eine mechanische Zuordnung zur mährischen Literatur nach Geburtsort, wie sie im Fall von Leo Greiner[6] oder Hans Flesch-Brunningen[7] z.B. bei Josef Mühlberger vorliegt, scheint mir problematisch zu sein, weil man so in die Nähe der methodologisch abzulehnenden "Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften" von Josef Nadler gerät. Viel logischer erscheint mir deshalb vor allem Ernst Weiß, z. T. auch Hermann Ungar und Ludwig Winder im Kontext der Prager deutschen Literatur und Jakob Julius David, Hans Müller, Ernst Lothar und Oskar Jellinek im Kontext der Wiener Literatur darzustellen, obwohl ihre mährische Erfahrung sicher Spuren in ihrem Werk hinterlassen hat. Eine Ausnahme ist hier Philipp Langmann, dessen neuromantisches Spätwerk nach seiner Niederlassung in Wien 1901 fast ohne Resonanz blieb, während seine überwiegend naturalistischen Werke mit mährischen Stoffen Erfolg hatten. Und wenn das Symposion nicht auf die Epoche der Monarchie beschränkt wäre, müßte man wohl auch den 1882 in Wien geborenen Karl Kreisler nennen, dessen Leben und Werk zwischen 1909 bis zu seiner Deportation nach Theresienstadt mit Brünn verbunden bleibt. Die Zahl derjenigen jüdischen Autoren, die z. B. der Landeshaupstadt Brünn ihr Leben lang treu geblieben sind, ist klein und sie sind heute beinahe vergessen. Im folgenden wird näher nur auf zwei von ihnen eingegangen, auf Alois Isidor Jeitteles und Max Grünfeld. Auch wenn die große Zeitspanne von fünf bis sechs Generationen und das äußere Kriterion der Herkunft, nach dem diese Auswahl getroffen wurde, zur Folge hat, daß die Zusammenhänge zwischen den sieben Autoren bloß marginal bleiben und keinen komparatistischen Ansatz ermöglichen, sollte man doch einen gemeinsamen Rahmen abstecken. Es wäre wohl eine Konstruktion, würde man zum Beispiel Sympathien für den Josefinismus als ein gemeinsames Merkmal bei allen sieben Autoren annehmen. Es bietet sich eher ein literatursoziologischer Ansatz an, der die Entwicklung der Rahmenbedingungen des literarischen Lebens untersucht und die Rolle der sieben gewählten Autoren darin feststellt. Konservative, z. T. anachronistisch wirkende Poetik verurteilte manche Autoren zu einer Außenseiterrolle: Oskar Jellinek gewann 1924 den ersten Preis als Novellist im Wettbewerb des Verlags Velhagen & Klasing, als schon die Novelle als Genre und die Dorfthematik den Autoren der Antimoderne vorbehalten blieben. Max Zweig äußerte sich in einer schwerfälligen, quasi biblischen Allegorie und machte aus seiner Verachtung moderner literarischer Strömungen keinen Hehl. Hieronymus Lorm als Prosaist oder später Hans Müller als kommerziell erfolgreicher Dramatiker und Librettist bedienten sich einer konventionellen Sprache und scheuten vor manchem bedenklichen Klischee nicht zurück. Alles also Umstände, die einem neu erwachten Interesse an diesen Autoren im vorhinein übertriebene Erwartungen verbieten. 2. Trotz der erwähnten Vorbehalte gegen den Geburtsort als Zuordnungskriterion soll hier -- schon wegen des Tagungsortes im Schloß der Dietrichstein und in der unmittelbaren Nähe des berühmten Nikolsburger Ghettos -- ein in dieser Stadt geborener Justiz- und Verwaltungsreformer, Publizist und Theatertheoretiker der österreichischen Aufklärung nicht unerwähnt bleiben, nämlich Joseph Freiherr von Sonnenfels (1733-1817). Seine Biographie zeigt den schwierigen Aufstieg eines getauften Juden aus dem Nikolsburger Ghetto bis in die Kreise des Wiener Kaiserhofs. Der erste Band von Sonnenfels´ Gesammelten Schriften (Wien 1783) enthält auch die autobiographische Schrift "An mein Herz", in der allerdings seine jüdische Herkunft und die Konversion zum Katholizismus unerwähnt bleiben und nur seiner Gönner mit Dankbarkeit gedacht wird. Über die ersten zwölf Jahre seines Lebens steht hier wenig, vielleicht deshalb, weil die Nikolsburger Jahre der Familie zwar für die Konversion des Vaters ausschlaggebend waren, aber kaum aufklärerische Impulse fü[.1] r den Sohn brachten: "Meine früheste Kindheit war von dem fürstlichen Hause Dietrichstein in Schutz genommen. Ich war einer von den vielen Zöglingen, die durch liebreiche Vatersorge dieses erhabenen Hauses dem Staate heranwachsen."[8] Noch einmal verdankte er dem Grafen Johann Karl von Dietrichstein eine wichtige Fürsprache, nämlich 1754, als er um seine Entlassung aus dem Deutschmeisterregiment in Klagenfurt ansuchte, nachdem er fünf Jahren als Soldat gedient hatte. Diese fünf Jahre sollten ihm helfen, "ohne Erniedrigung die Herstellung der verfallenen Umstände [seines] Vaters" abzuwarten. Eine ergiebigere, nicht zuletzt auch unterhaltsamere biographische Quelle als "An mein Herz" scheint ein Brief an einen ungenannten Freund zu sein, den der Olmützer Biograph von Sonnenfels, Willibald Müller, zitiert. Sonnenfels beanstandet darin die mangelnde Bildung seines piaristischen "Prefecten" in römischer Literatur; er behauptet, bei den Piaristen nur das gelernt zu haben, "was [ihn sein] glückliches Gedächtnis im Vorbeigehen behalten ließ. [...]Vielleicht war das ein Glück; die Leinwand, worauf der Maler arbeitet, ist ohne alle Farbe besser, als besudelt."[9] Sonnenfels beschreibt hier u. a. die Periode des Antichambrierens, nachdem ihm die durch Popowitsch besetzte Lehrkanzel der deutschen Sprache an der Universität Wien nicht gegeben worden war. Er kann sich mit der Wiener Protektionswirtschaft nicht anfreunden und faßt die Erfahrung mit einer Stellungssuche im folgenden Dialog zusammen. Man sollte nur vorausschicken, daß seine Zeugnisse von der Universität, seine Aufsätze in französischer und englischer Sprache und seine gedruckten Stücke von den Mächtigen gar nicht angesehen wurden. "Was will der Herr?" "Herr, ich suche eine Anstellung und wenn mich meine Verwendung unterscheiden wird, hoffe ich eine Beförderung." "Von wem ist der Herr hergeschickt?" "Von Niemandem. Ich wußte, daß ein Mann an ihrem Platze zugänglich sein muß, und ich war überzeugt, daß die Verwendung bei Ihnen Jedermann den Zutritt öffnet." [...] "Wer verlangt denn nach allem dem [Vorgelegten] ! Ich frage, wird der Herr von Jemandem recommandiert?[...] ich dächte, der Herr ist wohl gar ein Lutheraner?" "Keineswegs." "Wenigstens ist es dem Herrn sein Deutsch! Und das Gedruckte da?" "Es sind Versuche von mir!" "So, ein Autor gar? Der Herr ist in meine Kanzlei zu gescheidt." [...] "Um Vergebung, [...] das wußte ich nicht, daß Ihre Untergebenen keine gescheidten Leute sein dürften, auch wohl nicht vernünftig? Die Ursache läßt sich errathen und so bescheide ich mich wohl, bin ich in Ihrer Kanzlei nicht tauglich."[10] In dieser schwierigen Zeit ist der ambitionierte junge Absolvent der Universität und Verfasser der Programmschrift der von ihm mitbegründeten "Deutschen Gesellschaft" (1761) gezwungen, eine Stelle des Rechnungsführers der Arciéren-Leibgarde anzunehmen. In seiner Schrift "An mein Herz" schildert er dies so: "Hier fand ich mich in einer Stellung, von der ich damals glaubte, daß sie die Aussicht zu einer Verbesserung auf immer mir verschrenken würde; die ich aber heute als den eigentlichen Anfang meines Wohlstandes betrachten muß. Ich kam in Verbindung mit Freiherrn von Petrasch." Der Theaterreformator Petrasch (1714-1772), dessen "Societas incognitorum eruditorum in terris austriacis" in Olmütz in den Jahren 1746-1751 den ersten Versuch einer kosmopolitisch orientierten wissenschaftlichen Gesellschaft der Aufklärung in Österreich darstellt, war der erste Lieutenant der Garde, und trotz des bestehenden Rangunterschiedes zwischen einem Untergeordneten und einem Vorgesetzten nahm er Sonnenfels in sein Haus auf. Dank seiner allseitigen Förderung entstand hier Sonnenfels´ "Rede auf Maria Theresien". Eine Empfehlung Petrasch' an den publizistisch engagierten Juristen Staatsrath von Borie verhalf Sonnenfels 1763 zu der Berufung auf die neu gegründete Lehrkanzel für Polizei- und Staatswissenschaften. Der neue Professor startete anonym sein erstes Zeitschriftenprojekt: "Fragmente des Vertrauten", das an die Vorbilder der moralischen Wochenschriften anknüpft. Er versteckt allerdings sein Anliegen, aufklärerisches Gedankengut zu verbreiten, hinter dem Vorwand, Einblicke in das Geschehen in vornehmen Häusern zu vermitteln, ohne dabei die richtigen Namen der behandelten Personen preiszugeben. Die schon etwas aus der Mode kommende Form der moralischen Wochenschrift präsentiert er nur als Zugeständnis an die Zensur. So erregt er die Neugierde der Leserinnen. Die staatstreue Gesinnung und sein moralischer Eifer lassen ihn allerdings folgende Zeilen gegen die lockere Rokokogesellschaft schreiben, die heute als unzumutbare Verletzung der Privatsphäre gelten würden und nicht einmal als Rechtfertigung der sensationslüsternen Medien akzeptabel wären: "Die Gebieterin wird eine entehrende Vertraulichkeit zurücknehmen, dessen sie eine unbesonnene Magd gewürdiget, und sie wird ihren Ruhm in Sicherheit setzen. Der feile Unterhändler, der mit seinen Geheimnissen einen schändlichen Handel treiben durfte, wird gescheuet werden. Die Siege rascher Eroberer werden erschweret seyn: vielleicht würden sie nicht ungerühmt gesiegt haben wollen! In zahlreichen Gesellschaften, in engeren Kreisen, auch nur vertrauter Freunde, wird Zurückhaltung und Eingezogenheit herrschen. Noch einsam, wird man unsichtbare Zeugen scheuen, und seine Handlungen danach richten."[11] Dem heutigen Leser graut vor einer Welt, in der man aus Angst vor einem "Vertrauten" "noch einsam, unsichtbare Zeugen scheuen wird und seine Handlung danach richten". Unsere Erfahrung mit Diktaturen läßt uns diese Zeilen des Aufklärers nicht unbedenklich finden, also ahistorisch lesen. Sonnenfels kämpfte damals mit seinen gedruckten Spiegelbildern der Gesellschaft gegen die übermächtigen Gegner der Aufklärung. Und dieser Kampf der Publizisten gegen undurchsichtige Seilschaften am Hof und in der Kirche war in der Josefinischen Zeit erfolgreich oder führte wenigstens zur Ablösung der alten Strukturen durch neue. Sympathisch wirkt andererseits an diesen "Fragmenten", wie sie mit eingerückten Leserbriefen und fiktiven Träumen die Kenntnis der fortschrittlicheren deutschen Literatur (Gleim, Hagedorn, Wieland) auch in Österreich verbreiten, wie sie sich doch an der Messerschneide des Lasziven bewegen, das sie bekämpfen wollen, ohne geschmacklos zu werden. Die bedeutendste und mit Unterbrechungen auch die am längsten erscheinende Wochenschrift Sonnenfels' war "Der Mann ohne Vorurtheil" (1765-1767). Der Verfasser, "ein anderer Rousseau"[12], flüchtet vor dem Gewühle der Stadt auf seinen Landsitz und nimmt sich eines edlen Wilden "Capa-kaum" an, mit dem er dann (auf Dringen seiner Leser) die Wiener Gesellschaft besucht. Ganz überraschend wirkt die Kritik an der zunftmäßigen Organisation des Handwerks (II/1, 6. Stück) und die schonungslose Schilderung des Elends der bäuerlichen Bevölkerung (II/1, 1. Stück). Das Thema der Benachteiligung der Juden bleibt jedoch ausgeklammert. Verstreut findet man hier auch Kritik am Stegreiftheater. Systematisch wurde dieses Thema, das vereinfacht als Sonnenfels' Kampf gegen die Figur des Hanswurst am Wiener Volkstheater bezeichnet wird, in seinen "Briefen über die Wienerische Schaubühne" behandelt.[13] Polemisiert hat er allerdings auch gegen Lessing, dessen Hamburgischer Dramaturgie er die meisten Anregungen verdankt. Sonnenfels ist vor allem als ein Mann bekannt, der sich um die Abschaffung der Tortur in Österreich verdient machte. Er konnte es wagen, mit dem Fürsten Kaunitz als Rückendeckung seine Einwände gegen die Folter in seinen Universitätsvorlesungen auszusprechen. Das wichtigste Argument gegen die Wirksamkeit dieser unmenschlichen Verhöre entlehnte er Grotius: "Der Unglückliche auf der Folterbank wird lügen, wenn er die Marter zu ertragen, und lügen, wenn er sie nicht zu ertragen fähig ist."[14] Sonnenfels hatte wesentlich zur Herausbildung liberaler Verhältnisse in der österreichischen Literatur beigetragen und damit Voraussetzungen für die Entfaltung des literarischen Lebens der nächsten Generationen mit anderen Aufklärern geschaffen. Schon im "Mann ohne Vorurtheil" (Jahrgang II, Heft 2), bekennt er allerdings, ein Befürworter der staatlichen Zensur zu sein, in der er ein wichtiges Instrument des Staates zur moralischen und sprachlichen Erziehung des Publikums sah. Darin war er den Ideen des aufgeklärten Absolutismus verpflichtet, der zwischen der Rechtssicherheit und der religiösen Toleranz einerseits und der Bevormundung des Einzelnen durch den Staat andererseits keinen Widerspruch sah. 3. Schon nach den Josefinischen Judenpatenten, kam Alois Isidor Jeittelles (1794-1858) in Brünn zu Welt. Es war die Zeit, als z. B. seit 1782 auch in Mähren das Studium den nicht getauften Juden ermöglicht, das grausame Familiantengesetz jedoch nicht außer Kraft gesetzt wurde. Jeitteles studierte in Prag und in Wien Medizin und verkehrte in der Kaiserstadt mit Beethoven, Grillparzer und den Schauspielern des Burgtheaters. Seine literarischen Neigungen teilte er mit seinem Vetter Andreas Ludwig Jeitteles (1799-1878)[15], der sich nach seiner Konversion zum Katholizismus im Jahre 1828 in Wien habilitierte, zwischen 1834 und 1869 Professor der Medizin an der Olmützer Universität war und unter dem Namen Justus Frey Gedichte schrieb. Mit einem anderen Cousin, Ignatz Jeitteles (1783-1843)[16], gab Alois Jeitteles kurz das enzyklopädische Wochenblatt für Israeliten "Siona" (1819) heraus. Bleiben wir aber bei Alois Jeitteles, der vor allem dank der Vertonung seiner Gedichte "An die ferne Geliebte" durch Beethoven bekannt wurde. Die Behauptung des Beethoven-Biographen Anton Schindler, Beethoven hätte "die Kinder Israels in der Kunst gehaßt", ist also wenigstens in Bezug auf Alois und Ignaz Jeitteles nicht haltbar. Die Gedichte "An die ferne Geliebte" sind in dem Wiener Taschenbuch "Aglaja"[17] erschienen, das 1819 bis 1832 Joseph Schreyvogel redigierte. Es ist kein dichterisches Meisterwerk, die Reimpaare "Qual" -- "Tal" und "Pein" -- "sein" wiederholen sich, der Dichter schreckt auch vor den abgedroschenen Reimpaaren "Brust" -- "Lust" nicht zurück, Topoi der romantischen Liebeslyrik werden reichlich angewendet. Die rhythmische Vielfalt und die Tonlage der Klage eines auf dem Hügel sitzenden und in das nebelige Tal blickenden Geliebten sprachen aber sowohl Beethoven als auch dessen Publikum damals an. Das lyrische Subjekt gesteht, seine Lieder seien ohne Anspruch, Kunst zu sein, nur als Verkörperung seines Gefühls entstanden: "ohne Kunstgepräng´ erklungen, nur der Sehnsucht sich bewußt". Ob es nur ein Argument für sein unverstelltes, echtes Gefühl oder ein bewußter Verzicht auf eine künstlerische Autozensur, die auf gewisse Bilder verzichten muß, weil sie schon vorbelastet sind, sei dahingestellt. Der Liederzyklus endet jedenfalls mit der Zuversicht, die Stärke des Gefühls überwinde alle Hindernisse und die Lieder erreichen "die Huldin". Wenn alle Kommunikationskanäle versagen, kann man immer noch sein Lied dem Westwind anvertrauen: "Will denn nichts mehr zu dir dringen, Nichts der Liebe Bote sein? Singen will ich, Lieder singen, Die dir klagen meine Pein. Denn vor Liederklang entweichet Jeder Raum und jede Zeit, Und ein liebend Herz erreichet, Was ein liebend Herz geweiht!" Die Dicht- und Reimkunst von Alois Jeitteles war mehr für parodistische Zwecke als für originale Liebeslyrik geeignet. Wenigstens das Stück "Schicksalstrumpf"[18] (1818), eine Parodie auf die Schicksalstragödie, wirkt noch heute lebendiger als die parodierten Vorlagen. Das Genre der Schicksalstragödie war nach den Umwälzungen der Napoleonischen Kriege so populär, daß auch der bedeutendste österreichische Dramatiker der Vormärzzeit, Grillparzer, seinen größten Erfolg mit einer Schicksalstragödie, seinem ersten Bühnenstück "Die Ahnfrau", erreichte, nicht mit den späteren und reiferen Werken, die diese Modegattung mieden. Zacharias Werners Einakter "Der 24. Februar" oder Adolf Müllners Stücke "Der 29. Februar" und "Die Schuld" feierten noch größere Publikumserfolge und provozierten durch ihre Stereotype direkt zur Parodie. Alois Jeitteles und Ignaz Franz Castelli (1781-1862), der sich schon als Librettist des höchst erfolgreichen sentimentalen Singspiels "Die Schweizerfamilie" (Wien 1810, Musik: Joseph Weigl) einen Namen gemacht hatte, veröffentlichten ihren "Schicksalstrumpf" in Leipzig unter dem Pseudonym "von den Brüdern Fatalis". Die Handlung übertrifft die Schicksalstragödie an Unwahrscheinlichkeiten und wird von Moralino und Schicksal kommentiert. So fragt Kunigunde, warum ihr das alles geschehen sei. Und die Antwort Moralinos lautet: "Weil das Schicksal war so dumm. Wär kein Schicksal dumm auf Erden, Könnten Trauerspiele werden???" Kunigunde freut sich darüber, ein Stoff zum Trauerspiel geworden zu sein. Weil sich ihr Mann zu schwach fühlt, sie wegen der Untreue umzubringen, bittet er das darum Schicksal. Die allegorische Gestalt verwandelt sich für diesen Zweck in einen Dolch. Ich glaube, Jeitteles' Theaterfreunde haben sich bei der Parodie köstlich amüsiert. Seit 1821 lebte Jeitteles als Arzt in Brünn, und versuchte hier, seine Übersetzungen Calderons zu veröffentlichen (es erschien nur der erste Band "Das Fegefeuer des heiligen Patricius", 1824). Seine Zusammenarbeit mit dem Brünner Theater blieb auf ein einziges Stück beschränkt: nach einer spanischen Vorlage schrieb Jeitteles die Komödie "Die Macht des Blutes", die am 28. August 1837 aufgeführt wurde. Von 1848 bis zu seinem Tode im Jahre 1858 leitete er die Redaktion der "Brünner Zeitung". 4. Im Vormärz beginnt das Werk des ersten hier behandelten Autors, der es wagte, als freischaffender Journalist, Prosaist, Philosoph und Lyriker sich und seine Familie zu ernähren. In Nikolsburg als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns geboren und in Brünn im Greisenalter gestorben, ist Hieronymus Lorm (1821-1902) ein Autor, der die Zeitungen füllen half, durch sein Handikap bekannt wurde und durch seinen Pessimismus der resignativen Stimmung in der Gesellschaft nach 1848 entgegenkam. Der junge Lorm wuchs in einem gastfreundlichen Haus in Wien auf und lernte Friedrich von Bodenstedt und Berthold Auerbach früh kennen. Eine Freundschaft verband ihn mit Moritz Hartmann (seit 1842), den er im Exil unterstützte. Nach Lorms eigener Flucht ins Ausland konnte sich wieder er auf die Aufnahme in der Wohnung Hartmanns in Leipzig verlassen. Lorm war seit seinem 13. Lebensjahr z. T. gelähmt, seit dem 16. Lebensjahr taub und seit 188l völlig erblindet und schrieb unter dem Zwang, so viel zu produzieren, um davon leben zu können. Seine Überproduktion ließ ihn keine guten Prosawerke schreiben: "Lesefutter" nennt sie sein Biograph Karl Kreisler[19]. Seine Gedichte und philosophischen Versuche sind nicht uninteressant, aber in ihrem literarischen Wert häufig überschätzt worden. Am wichtigsten waren Lorms Kritiken, die er in den vierziger Jahren in Ignaz Kurandas im Ausland erscheinenden Zeitschrift "Grenzboten" veröffentlichte. Nach seiner Flucht aus Wien sammelte er seine Kritiken in Leipzig zu einem Buch und nannte sie "Wiens poetische Schwingen und Federn" (1847). In der Einleitung behauptet er provokant, die Dichtung in Österreich sei Zeitvertreib von Männern, die zumeist an den Staatsdienst gebunden, ängstlich besorgt sein müßten, ihre Stellung nicht zu gefährden, -- mit einem Wort dilettieren. Lorm überschätzt hier seinen Freund Hartmann und ist all zu hart z. B. in seinem Urteil über Grillparzer. Erst bei Hermann Bahr um 1900 wurde das Wort "Dilettant" auf ihre lateinische Wurzel "delectare" zurückgeführt und wieder aufgewertet worden. Für Lorm war "dilettieren" eindeutig ein Mangel an Professionalität. Für ihn selbst war Literatur jedoch eine Brotarbeit -- also kein viel besseres Los, als zwischen Amt und Kunst hin- und hergerissen zu werden. Lorms Gedankenwelt ist auf dem Begriff des grundlosen Optimismus[20] aufgebaut. "Über den grundlosen Optimismus" heißt auch der einleitende Essay in seinem Band "Philosophisch-kritischen Streifzüge" aus dem Jahre 1873. Für dieses Buch erhielt er von der Universität Tübingen das Doktorat der Philosophie. "Ein Glück, das Grund hat, geht mit ihm zu Grunde stündlich, Und nur ein grundlos Glück ist wahr und unergründlich." Lorm verwirft die menschliche Existenz als ein sinnloses Unterfangen. Nur in der Stille des Nichtseins, im Nirwana könne man noch die ursprüngliche göttliche Ordnung, Frieden und Ruhe erblicken. Außerdem offenbare sie sich dem Menschen im Naturgenuß. Lorm bekannte sich zur hinduistischen Weisheit, die er zum folgenden Aphorismus prägte: "Geborenwerden ist ein Verbrechen, so schwer, daß Todesstrafe darauf gesetzt ist." Dem gelähmten und blinden Dichter blieben nur Erinnerungen an einen weit zurückliegenden Naturgenuß. Nach 1881 konnte er sich mit seiner Tochter nur noch in einem speziellen Tastalphabet verständigen. Nie suchte er aber Zuflucht in einer religiösen Gemeinschaft, auch nicht der jüdischen. Er hielt sich für "absolut konfessionslos", und Jehovah war ihm ein launischer alter Rabbiner.[21] Wie verzerrt allerdings die Realität bei Lorm in seinen serienmäßig hergestellten, als Kulturbilder deklarierten Prosawerken wiedergegeben wird, zeigt seine längere Erzählung "Eine mährische Gräfin"[22]. Die Erzählung spielt 1847 und 1848 in Oberdöbling, in Brünn und auf dem Schloß Waltron in Mähren. Eine nicht unbedeutende Rolle fällt im Roman der Bankierfamilie Wentheim zu, hinter der man das Wiener Haus Wertheimstein vermuten kann. Lorm selbst hat seine Jugendgedichte der jungen Josefine Gomperz, der späteren Frau von Wertheimstein, gewidmet, die er 1841 in Brünn kennenlernte. Die Anspielungen an die berühmte Wiener Familie, mit der die Brünner Familie Gomperz verwandt war, hat sicher das Buch unter den Brünnern attraktiver gemacht. Ob auch gewisse antisemitische Vorurteile darin ein Zugeständnis an den Gechmack der Brünner Leser war, muß dahingestellt bleiben. Der jüdische Altersgenosse der Gräfin, Bankier Wentheim, wird jedenfalls geschildert als unsolide, nur auf eigenen Vorteil bedacht, das Äußere hervorkehrend, ja sogar ein Erpresser. Salon Wentheim dient ihm nur als Statussymbol: "Wentheim war in Wahrheit auch im geselligen Leben nur Spekulant ..."[23] Erst sein Sohn Leander hat sich bessere Manieren angeeignet, ist ein Mann von Charakter. Er läßt die Familienfirma auflösen, um der Gräfin ihr Geld auszahlen zu können und steigt in die Politik ein -- als Abgeordneter des Frankfurter Parlaments. Erst später wird er zum Industriellen, bleibt aber ledig, weil er die geliebte gräfliche Tochter nicht heiraten durfte. Die Tochter der Gräfin ehelicht nämlich ihren Onkel. Dieser nicht mehr junge Graf wird für die Brautwahl von seiner mütterlichen Freundin, der alten Baronin von Traunfels, gelobt: "Sie machen es dem Fürsten Richard Metternich nach, der ebenfalls seine Nichte heiratet, die Comtesse Pauline Sandor, die Tochter seiner Schwester."[24] In der Erfindung der unmöglichsten Verwicklungen ist Lorm ein Meister, in seinem Entgegenkommen dem Geschmack der Leser ist er bereit, die gängigen Vorurteile gegen die Juden oder gegen die Frauen zu bestätigen. Kein Wunder also, daß Jakob Julius David Angst hatte, in demselben Verlag, in dem Lorms Werke erschienen, seine Gedichte weiter drucken zu lassen. Die Wertunterschiede der Werke beider Autoren waren nämlich beträchtlich. David bat darum seinen Dresdner Verleger Minden, von ihm seinen Band Lyrik wieder zurückkaufen zu können: "Mit Ausnahme meines Bändchens führen sie nur noch Lorm, mit dem ich -- heißen Sie mich größenwahnsinnig, wie Sie wollen -- nicht konfundiert werden möchte."[25] 5. Jakob Julius David (1859-1906) ist ein heute außerhalb Österreichs vergessener Novellist und Romanschriftsteller, und das zu Unrecht: Er veröffentlichte in seinen reifen Jahren nur Texte, die seiner selbstkritischen Überprüfung standhalten konnten. David entstammte einer jüdischen Pächterfamilie aus Nordmähren, wuchs im Kuhländchen auf und besuchte das Gymnasium in Kromìøí¾ (Kremsier) und Opava (Troppau). Weil er in eine Katholikin verliebt war, konvertierte er in Wien, ohne dadurch die Dame für sich gewinnen zu können. Roman Rocek nannte ihn "Dichter zwischen den Zeiten, den Moden, allen Geschmacksrichtungen und allen Weltanschauungen"[26]. An den Naturalismus erinnert die distanzierte Darstellung, die Vermeidung einer emotionellen bzw. mitleidvollen Haltung gegenüber seinen Figuren. Er greift das Zentralthema der Jahrhundertwende -- das Verhältnis von Kunst und Leben -- auf, allerdings von der Position eines sozial deklassierten Künstlers. Karl Kraus nannte ihn "einen der wenigen anständigen Menschen der hiesigen Literatur"[27]. Vor allem sein Wiener Roman "Am Wege sterben" (1900), ein Zeitdokument über das Leben von fünf Studenten aus Mähren und Schlesien in Wien, widerspricht dem Klischee vom prächtigen Wien der Jahrhundertwende. Auch seine Bauerndarstellung entsprach nicht der damals populären Heimatliteratur und ihren Stereotypen. Jüdische Gestalten kommen in seinem Werk selten vor. In der Novelle "Cyrill Wallenta" (1904) ist es eine Randfigur -- der jüdische Kneipenbesitzer Moses --, im "Höferecht" ist der Mautjude Bergmann deutlicher gezeichnet. Am ausführlichsten wird Simon Siebenschein im Roman "Am Wege sterben" porträtiert. Für ein verkapptes Selbstporträt kann man Davids Novelle "Ein Poet?" halten. David selbst hielt sie für seine beste Novelle. Es ist die Geschichte eines verhinderten Dichters, den seine Not zwingt, immer nur auf der Jagd nach neuen, von den Korrespondenzbüros noch nicht registrierten Lokalnachrichten für seine eigenen Zeitungsberichte zu sein. Seine dichterischen Ambitionen verbirgt er in den Beschreibungen der Umstände der berichteten Unglücksfälle. Ein Abend mit seinem schon etablierten, überheblichen Mitschüler, der eine gut bezahlte Stelle bei der Zeitung hat, bei der Bernhofer nur gedemütigt wird, beschleunigt seinen Entschluß, sich zu erschießen. Ein sachlicher Bericht über den eigenen Tod trifft genau den von den Redaktionen erwünschten Zeitungsstil, dem er sich nicht anpassen wollte. Die Pointe der Novelle wird dem mächtigen Redakteur in den Mund gelegt, dessen Kritik Josef Bernhofer eigentlich in den Selbstmord trieb: "Es ist schrecklich jetzt, wo der Mensch schreiben kann, jetzt erschießt er sich." Für die Witwe spendet er etwas Geld und regt eine Sammlung an. Auch David galt als ein Unangepaßter, der die Regeln des Literaturlebens im Zeitalter der "Neuen Freien Presse" nicht akzeptieren wollte und es deshalb nie zu Ruhm gebracht hat, obwohl sein Werk sicher zum Besten zählt, was das deutschsprachige jüdische Mähren hervorgebracht hat. In seiner Skizze "Jugendland" aus seinem Sterbejahr 1906 schreibt David: "Man hat es lange nicht betreten. Sehr lange nicht, ein volles Vierteljahrhundert mit allen seinen Erlebnissen und inneren Umwälzungen nicht. Aber - in sich trug´s man unverlierbar, wie einen eigensten, den vielleicht einzig wirklichen Besitz, den Einem das Leben gegönnt und gelassen, dahin man sich flüchten konnte, war die Nähe gar zu unverträglich -- nicht einmal in der Meinung, es sei so viel besser dagewesen. Nur anders war es, und die ideale Ferne hing und schleierte zwischen jenen Tagen und der Gegenwart."[28] Die Sehnsucht nach dem Jugendland bringt den Erzähler dieser Skizze nach Kremsier, um einen damaligen Mitschüler zu besuchen und im Schloßpark spazieren zu gehen, über "den Boden, der einen soviel reicher beschenkt, als man damals ahnen konnte". 6. Max Grünfeld (1856 -1933) stammte aus Kremsier, aus der Stadt der Gymnasialjahre Davids, studierte am Beth Hamidrasch und an der Universität Wien, wurde Religionsprofessor in Olmütz und unterrichtete dann 45 Jahre Geschichte und Religion an Brünner Mittelschulen, davon ab 1920 am Reformrealgymnasium in der Hybe¹ova 43, der einzigen jüdischen Mittelschule in den böhmischen Ländern. Grünfeld ist eine Ausnahme unter den hier behandelten jüdischen Autoren, weil er seine jüdische Identität nicht aufgegeben hat. Sein schmales literarisches Werk versucht Originale aus dem Kremsierer Ghetto seiner Jugend für die Nachkommen zu bewahren. Er konnte an die Tradition der mährischen Ghettogeschichten von Eduard Kulke -- geboren 1831 in Podivín (Kostel) bei Nikolsburg, gestorben 1897 in Wien -- anknüpfen, der zwar eine technische Ausbildung hatte, weil er aber ohne Konversion wohl keine Hochschulkarriere hätte machen können, als Musikkritiker und begeisterter Wagnerianer bekannt wurde. Kulkes Ghettogeschichten erschienen schon in den 60er und 70er Jahren des 19. Jahrhunderts: "Aus dem jüdischen Volksleben" (Hamburg 1871) und "Geschichten" (Leipzig 1869). Das Genre der Ghettogeschichte wurde in den 50er Jahren von Leopold Kompert etabliert. Grünfeld pflegt es, als die Popularität der Ghettogeschichten aus den böhmischen Ländern schon nachläßt und sogar Karl Emil Franzos seine exotisch wirkenden Bilder der Ostjuden verläßt. Im Jahre 1895 erscheint in Prag Grünfelds Band "Die Leute des Ghetto. Realistische Erzählungen und Schilderunge". Sowohl der humoristische Ton, der sich von der sentimentalen Stimmung der ersten Ghettogeschichten Leopold Komperts sympathisch abhebt, als auch die Stellung eines Nachgesangs auf dieses Genre verbindet ihn mit dem etwas redseligeren und tschechisch schreibenden Vojtìch Rakous (1862-1935).[29] Weil Grünfelds Werk auf dieses Genre beschränkt blieb und der Autor sich sonst vor allem als Prediger in Brünn einen Namen machte, wurde er häufig aus dem Kontext der deutschsprachigen Literatur in Mähren ausgegrenzt. Grünfelds Repertoire der Originale aus dem Ghetto ist tatsächlich nicht allzu umfassend. Auch in seiner "Sammlung von heiteren Erlebnissen, Erinnerungen, Erzählungen aus dem mährischen Ghetto" (1928) wiederholt er zum Teil die alten Typen, diesmal unter dem etwas irreführenden Titel "Mährische Dorfjuden"[30]. Er erzählt in einer noch schlichteren, an das Mündliche angelehnten Weise seine Erinnerungen an das Kremsierer Ghetto: an eine "Sitzengebliebene" ( im neuen Erzählband heißt sie "Fräulein Rosa"[31]), an "Die Nebenbuhler" ( neu als "Einige Schnurren Mendels, des Schalksnarren", "Die Turmuhr und die Rindsfelle"[32]), seine ursprüngliche Erzählung über "Maier-Beer" zerfällt in mehrere, miteinander nicht verbundene Erinnerungen, die noch deutlicher anekdotenhaft zugespitzt werden: z. B. verarbeitet "Majer Gleser und die Sudah"[33] die Geschichte von einer mißglückten Brautwerbung des Doppel-Maier[34]. Der Unterschied zwischen dem Band "Die Leute des Ghetto" und "Mährische Dorfjuden" liegt unter anderem darin, daß Grünfeld offener nach dem Prinzip "Naturalia non sunt turpia" verfährt, z. B. in dem Text "Nuche und die zweite Zerstörung Jerusalems (der 2. Chorban)"[35]. Seine Anekdoten leiden darunter, daß er sie seinen Zeitgenossen erläutern muß, weil die Kenntnis der hebräischen religiösen Begriffe inzwischen dermaßen zurückgegangen ist, daß die Anekdote ohne deutsche Übersetzung für viele unverständlich wäre. Die Motive in der älteren Fassung sind mehr gebündelt (das Thema der rivalisierenden Fellhändler wird auch noch mit dem Motiv der unverheirateten Töchter gekoppelt), die Formulierungen mehr ausgefeilt und die Geschichten erzählerisch abgerundet. So z. B. lockt der als "Am-Hoorez", d.h. als Ignorant in religiösen Angelegenheiten bekannter Nossen den Uhrenhändler Awrohom in eine Falle mit der Wendung: "Ich werde Euch eine Uhr zeigen, wie Ihr sie noch nicht gekauft habet, vielleicht werdet Ihr daran verdienen."[36] Er lügt nicht, er behauptet nicht, sie sei zu verkaufen, trotzdem stürzt sich Awrohom auf das vorgegaukelte Geschäft. Die spätere Fassung der Geschichte ist nur auf den mündlichen Vortrag hin konzipiert, gar nicht so ausgetüftelt: "Ein großartig´ Geschäft, hätt´ ich für Euch, Reb Elije, eine Uhr ist zu verkaufen. Eine wunderbare Uhr, eine hohe Uhr, eine schlagkräftige Uhr."[37] In der Fassung aus dem Jahre 1895 schließt die Geschichte mit der Angabe, wo der Erzähler diese wahrhafte Geschichte gehört hat. In der Fassung von 1928 wird auch über die Aufnahme der Anekdote durch die Zuhörer berichtet: "Allgeimeines Gelächter und Schmunzeln. 'Erzählt noch was, Mendl', erscholl es im Chorus. 'Mendl, Ihr seid e Komiker.'" In der neuen Fassung tritt manchmal die didaktische Absicht des Autors in den Vordergrund, der jüdische Jargon soll der nächsten Generation vermittelt werden (und deshalb wird er in Klammern gleich übersetzt), die Lehre wirkt manchmal aufgesetzt[38], der Belehrende zerredet nicht selten zum Schluß sogar die Pointe.[39] Andererseits werden Anekdoten und Schnurren erzählt, bei denen noch eine reine Freude über das naive Erzählen vorherrscht, weil die Menschen, die in einer kleineren Stadt kaum ins Theater fahren konnten, ihren Komikern und manchen witzigen Verwicklungen noch im realen Leben begegneten. 7. Ein Dramatiker und Erzähler, der sich dem modernen Theater und den sozialen Problemen seiner Zeit verschrieb und die jüdische Welt kaum reflektierte, war Philipp Langmann (1862-1931). Er war seinerzeit der berühmte Brünner Naturalist, der in der Widmung zu seinen "Realistischen Erzählungen" (1895) ein Programm dieser Richtung in Mähren aufstellte: "Lieber unbeholfenes Naturschnitzwerk als diese Drechslerware, lieber thörichte Jungfrauen als diese verlogenen Puppen und du unklares Herz im schmierigen Arbeitskittel sollst uns willkommen sein, diese pomadisierten Schwerenöter, diese in Bier schwelgende und an Weinliedern sich begeisternde, chauvinistische Gesellschaft zum Teufel zu jagen. [...] Wenn ich diese Erzählungen mit dem Beiworte 'realistische' belaste, geschieht dies nicht mit Hinweis auf die letzte Fehde [zwischen Realisten und Idealisten]. Es giebt nur eine Kunst und diese ist realistisch. [...] Aber vor kurzem kam mir wieder ein Schlagwort unter, ein recht komisches. In England haben sie die Saisonmode des Praeraphaelismus längst schon in den Kasten gehängt, bei uns soll diese Starrheit, dieses symbolistische Unvermögen, dieses Ungestaltbare und darum Unkünstlerische -- Deutobold Mystifizinsky Symbolowitsch, ick kenne dir! -- als das Neueste zur Geltung kommen. Es soll bereits die realistische Kunst abgelöst haben: 'Der Realismus ist tot' sagt man. I wo! -- Hei lebet noch!" Sein Affront ist gegen Richard von Schaukal, Hermann Bahr und Jung Wien gerichtet. Das Arbeitermilieu, das er in seinem Erstling "Arbeiterleben! Novellen" (1893) darstellte, kannte er aus seinem Beruf als Fabrikchemiker in Letovice (Lettowitz), Frýdek-Místek (Friedek-Mistek) und Brünn und später als Beamter der Arbeiterunfallversicherungsanstalt in Brünn. Mehrmals griff er die Geschichte aus der Welt der Arbeiter, die er zuerst in Prosa verarbeitet hatte, in einem Stück wieder auf. So entstand aufgrund der Erzählung "Die vier Gewinner" aus dem Band "Realistische Erzählungen" das gleichnamige Lustspiel (1898), die Novelle "Der Hafen" aus dem Band "Verflogene Rufe" (1899) wurde als "Korporal Stöhr" (1901) dramatisiert. Auch der Name Turaser kommt schon in dem ersten Erzählband "Arbeiterleben!" vor. Sein Träger ist allerdings ein böswilliger älterer Arbeiter in der Blaufärberei, der einen neuen jungen Arbeiter vom Lande lynchen lässt, weil sich "Schimmel", der Titelheld der Erzählung, seine grausamen Späße nicht hat gefallen lassen wollen. Von Turasers Frau oder Kindern, die das handlungsauslösende Moment für den Meineid der Hauptgestalt im erfolgreichsten Stück von Langmann, in "Bartel Turaser" (1897), darstellen, ist in der Erzählung noch keine Rede. Eine ausführliche Information über dieses Stück aus einer Brünner Vorstadtfabrik und über dessen Rezeption auf den Bühnen der Prager Theater enthält die Studie Jiøí Veselýs aus dem Jahre 1984.[40] Die Erzähltexte Langmanns, die meistens nur wegen der damaligen Nachfrage nach Novellen diese Genrebezeichnung tragen, ohne sich der traditionellen Prosaform anzupassen, schockierten -- wie viele naturalistische Werke -- durch die Drastik der Darstellung. Die Misere des Lebens der Ärmsten und die Sachlichkeit der Erzählersprache, die häufig Fachausdrücke (z.B. aus der Textilproduktion) verwendet, stehen später im krassen Kontrast zur Perspektive des Künstlers, der die Vorgänge dem Alltäglichen entrückt und sie von einer hohen Warte des Archetypischen festzuhalten versucht. In der "Novelle" "Jula und der Heimatlose" aus dem Band "Ein junger Mann von 1895" lamentiert der Kutscher Johann Meindl aus Sellnitz ein elternlos aufgewachsener, von allen verachteter bzw. verspotteter Entwurzelter, vor einem Fremden, der Palamedes heißt und mit dem er auf dem Bock sitzt. Der Grund, warum hier Palamedes, antiker Erfinder von Buchstaben und Leuchttürmen und später Opfer der Rache von Odysseus, überhaupt vorkommt, wird nicht ganz klar. Man kann wohl annehmen, das sich hier hinter dem Namen des von Gorgias verteidigten Mannes der Autor selbst und seine Außenseiterposition im Lager der Literaten verbergen. Aus seiner Perspektive wird auch vom Tod Meindls berichtet, den eigentlich das vorher von Unglücklichen geschlagene Pferd verursacht. Palamedes steht dem Unglück gleichgültig gegenüber. Er hatte den Heimatlosen ja schon vorher verurteilt: "Wozu ist so ein Mensch auf der Welt da, dachte er, was thut er da? -- Versteht nichts rechtes, lebt in den Tag hinein, läßt sich prügeln, denkt an nichts, überlegt nichts, -- du lieber Gott! -- Arbeitet, damit er heut etwas zu essen hat, und ißt, damit er wieder arbeiten kann."[41] Im Kontext der damaligen Literaturszene klingt die Begründung des Unglücks des Kutschers als Folge seiner Heimatlosigkeit doppeldeutig: Langmann bekennt sich damit zu einem der Schlagworte der Provinzliteratur um 1900, überwindet es aber gleichzeitig, indem er es nicht auf einen mythisierten, ideologisch besetzten Begriff der Landschaft und des Herkunftslandes, sondern auf die Verweigerung der Heimatzuständigkeit in Sellnitz zurückführt, also auf die Verweigerung der Fürsorge der Gemeinde, wenn Meindl arbeitsunfähig werden sollte. Andererseits weist er auf die völlige Vereinsamung Meindls hin, so daß der Kutscher sogar sein Pferd beneidet, dem mehr Aufmerksamkeit der Menschen gilt als ihm. Er wird von klein auf ausgegrenzt und so in die Position eines völlig Überflüssigen gedrängt, der sich dann nicht mehr verpflichtet fühlt, gut zu sein. Der Erfolg des Stückes "Bartel Turaser" bestimmte Langmanns Entscheidung, nach Wien zu ziehen und seit 1901 freischaffend zu werden. Sein Werk nach 1900 fand allerdings wenig Resonanz beim Publikum. So wurde die Tragödie über die zersetzende Kraft des Geldes auf dem Lande, "Gertrud Antleß" (1900), zwar von der Kritik eher wohlwollend behandelt, wenigstens in seiner Heimatstadt Brünn, erlebte aber nur wenige Aufführungen. Man lobte zwar, daß er "das Geschehene zugleich als Wirklichkeit und als Symbol" gestaltet [42], daß "nicht der Undank der Kinder, sondern die Tragik des Eigentums"[43] das Sujet ist, und darum das Anzünden des Bauerngutes durch die gedemütigte Mutter besser nachvollziehbar ist. Der Schluß wurde jedoch abgelehnt, weil er die Familie des Sohnes noch zusätzlich von der Dorfgemeinschaft verurteilen läßt. Die Wirkung der verzweifelten Tat wird durch die nachträgliche Bestätigung durch die Dorfgemeinschaft geschwächt und die Idee der zersetzenden Macht des Eigentums relativiert. Langmann konnte sich trotz der Anerkennung eines Teils der Kritik und seiner Zugehörigkeit zu dem gut organisierten Stuttgarter Cotta-Verlag nicht richtig durchsetzten. Weder sein kompliziertes soziales Drama "Die Herzmarke", noch sein einziger Roman mit autobiographischen Zügen, "Leben und Musik" (1903) konnten breitere Kreise ansprechen. Nachdem er 1906 den Grillparzerpreis erhalten hatte, versuchte er noch, sich historischen Stoffen in der Novelle sowie auf der Bühne zuzuwenden, jedoch ohne deutlichen Erfolg. Nach 1911 war er auf die Unterstützung der Stadt Wien angewiesen, weil die niedrigen Auflagen seiner Bücher und seine spärlichen Beiträge in der Presse ihn nicht vor Armut retten konnten. Seine Versuche, wieder in Brünn als Bibliothekar Fuß zu fassen, scheiterten. Er verlor die Kontakte zu den Wiener Theaterleuten und geriet infolge seiner Armut immer mehr in Isolation. In dieser Zeit erschienen Beiträge von zwei -- ebenfalls jüdischen -- Autoren, die wieder auf den einst erfolgreichen Autor aufmerksam machten: von dem Redakteur der Wiener "Neuen Freien Presse" Paul Kisch, dem Bruder von Egon Erwin Kisch, anlässlich Langmanns Neuerscheinungen von 1911[44], und von Langmanns jüngerem Brünner Schriftstellerkollegen Oskar Jellinek elf Jahre später im "Tagesboten" anläßlich von Langmanns 60. Geburtstages -- sei es auch mehrere Wochen danach.[45] 8. Im Unterschied zu Langmann war Hans Müller-Einigen (1882-1950), der ältere Bruder des heute bekannteren Ernst Lothar, ein Erfolgsschriftsteller, und zwar nicht nur ein Jahrzehnt lang. Sein Gedicht "Kinderseelen", das er in der siebenten Klasse des Gymnasium schrieb und in seiner ersten Gedichtsammlung "Dämmer" veröffentlichte, repräsentiert ihn noch in der Festschrift zur Feier des 350-jährigen Bestehens des Deutschen Staatsgymnasiums in Brünn im Jahre 1928. Seine ersten prosaischen Beiträge erschienen schon 1900 in der von Julius Korngold geleiteten "Brünner Sonntagszeitung". "Das Märchen vom Leben und Glück"[46] erinnert noch an gekünstelte lyrische Allegorien, die das Thema des Opfers des Einzelnen auf dem Niveau eines gelungenen Schulaufsatzes eines Gymnasiasten gestalten. Ein Jüngling bekommt vom Glück die Möglichkeit, durch seinen Kuß einen Menschen glücklich zu machen, muß dabei aber sterben. Er zögert so lange, bis er einem müden Greis begegnet, in dem er sich selbst nicht mehr erkennt. Erst den küßt er und sinkt tot zur Erde. Dieser paradoxe Schluß, der die Alltagslogik wohl bewußt außer Kraft setzt, weist auf Müllers zukünftige literarische Neigungen. Als "klug und bedächtig" wird der mit dem Glück egoistisch umgehende Jüngling in dem Märchen bezeichnet. Klug und bedächtig blieb auch der Jurist Müller, der es verstand, seine Werke immer marktgerecht zu schreiben. Als es eine Nachfrage nach Lyrik in der Tagespresse gab, war er gemeinsam mit Georg Busse-Palma imstande, Verse wie am Fließband zu produzieren, um mit deren Erlös wenigstens ihre Kaffeehausbesuche bezahlen zu können. Nach drei Gedichtsammlungen (1900, 1903 und 1904) erschien Müllers erster Novellenband "Das Buch der Abenteuer" (1905), meist Liebesgeschichten, die das Wiener Milieu bevorzugen und dem Vorbild des jungen Stefan Zweig folgen. Die Zusammenarbeit der bekannten jüdischen Familien Müller und Korngold wurde in Wien noch intensiver, als Julius Korngold einen Librettisten für sein Wunderkind Erich Wolfgang suchte. Beide kannten sich wohl auch von den Zusammenkünften, die Eduard Hanslick bis zu seinem Tod im Jahre 1904 in einem Bierhaus, am liebsten im Deutschen Haus am Stephansplatz, arrangierte und an denen sowohl Hanslicks Verwandte, die ihm besonders sympathisch waren, als auch sein designierter Nachfolger als Musikkritiker bei der "Neuen Freien Presse", Julius Korngold, teilnahmen. Hanslicks Frau, die Sängerin Sophie Wohlmut, war nämlich eine Brünnerin, aus der Familie der Besitzer der Tuch- und Lodenfabrik, der auch Hans Müllers Mutter entstammte. Hans Müller verfaßte ein Libretto für Korngolds Oper "Violanta", wurde gebeten, das Libretto der Oper "Die Tote Stadt" zu schreiben (noch bevor Korngold Vater und Sohn die Übersetzung des Rodenbachschen Schauspiels "Le mirage/Das Trugbild" selbst für das Opernlibretto adaptierten), bearbeitete den Text zur Oper "Das Wunder der Heliane" nach dem Mysterium "Die Heilige" des früh verstorbenen Hans Kaltneker. Zu Müllers Schauspiels "Der Vampir" schrieb 1922 Erich Wolfgang Korngold eine Bühnenmusik, die heute als verschollen gilt. Wegen seiner politisch motivierten Erfolge während des Ersten Weltkrieges wurde Hans Müller von Karl Kraus unbarmherzig verfolgt. 1915 wurde nämlich in Müllers Drama "Könige" (1915) über Ludwig den Bayern und Friedrich von Österreich, über ihre Rivalität und Versöhnung, eine politisch brauchbare Darstellung des deutsch-österreichischen Bündnisses erblickt, und der Dichter verdiente nicht nur prächtig, sondern wurde auch vom deutschen Kaiser anläßlich dessen Wien-Besuches empfangen. Während er vor 1914 gute Kontakte zu Brünn aufrecht hielt und sich freute, wenn seine Stücke dort aufgeführt wurden (der Einankterzyklus "Das stärkere Leben" 1906, der Komödienzyklus "Gesinnung" 1912), kam es später, nach Festigung seiner Position als gefragter Bühnenautor, zu einer Entfremdung in seiner Beziehung zu Mähren, ja zu einer gewissen Verdrängung seiner provinziellen Wurzeln, die auch aus seiner Korrespondenz mit Emil Soffé[47] aus den Jahren 1901 bis 1920 ablesbar sind. Zuerst -- 1901 -- dankt Müller dem "verehrten Meister" für seine Kritik über "Dämmer", noch 1905 bestätigt er dem "verehrten Herrn Professor", er habe "für die 'Neuen' -- weiß Gott - sehr, sehr wenig übrig"[48]. 1912 wurde er von Soffé aufgefordert, seine literarischen Vorbilder zu nennen. Er bekennt sich zu Hugo Salus und den romantischen bzw. Vormärzdichtern. 1915 ist Müller verwundert, daß sein "neues Drama [Könige], ein großes Versschauspiel, noch nicht zu Ihrer [Soffés] Kenntnis gelangt ist. Es [...] soll mich hoffentlich auf einem steileren Steg nach aufwärts zeigen.[49] Die Korrespondenz bricht ab, als Hans Müller sich wiederholt weigert, einen Vortrag über "Eigenes oder Aktuelles" in Brünn zu halten: "Hierzu fehlt es mir an Zeit und Laune. In Betracht käme, wie überall während meiner deutschen Reise, nur eine Vorlesung aus eigenen Werken." Und ein Thema ist auch das Honorar: "[...] muß ich Sie bitten, mir zu sagen, wie weit der Verein gehen kann. Ich möchte ihnen nicht wehe tun, kann aber andererseits, aus prinzipiellen Gründen, unter ein gewisses Maß nicht hinabgehen.[50] Auch aus diesen nicht zur Veröffentlichung bestimmten Äußerungen geht hervor, wie geschäftstüchtig und zielbewußt Hans Müller handelt. Eine mehr selbstkritische Betrachtung seines Werkes findet man erst in seinem Roman "Jugend in Wien"[51] aus dem Jahre 1948. Müllers handwerkliche Geschicklichkeit und das Gespür dafür, was das Massenpublikum interessiert, waren die Eigenschaften, denen er in den 30er Jahren seine Erfolge als Librettist des Singspiels "Im weißen Rössl", zu dem Ralph Benatzky Musik schrieb und dessen vier musikalische Einlagen von Robert Gilbert und dem mit Brünn verbundenen Robert Stolz stammen. Das Stück war so erfolgreich nicht zuletzt wegen der Gestalt Kaiser Franz Josephs, der hier als Deus ex machina auftritt, und wegen der komödiantisch ausgebeuteten Kontraste zwischen dem österreichischen Personal in St. Wolfgang und den reichsdeutschen Gästen. Müllers Freundschaft mit Stefan Zweig[52] ging zwar erst in der Mitte der 20er Jahre in Brüche, aber schon im Oktober 1912 notiert sich Zweig in sein Tagebuch über Hans Müllers Einakterzyklus "Gesinnung": "Abends bei Hans Müllers widerlichen Einaktern. Dieses Anbiedern an die niedersten Instincte, diese Ordinärheit des Witzes fällt mir auf die Nerven: das Publicum hingegen war amüsiert oder schien so, Horden von Bekannten waren aufgeboten, um zu jubeln, es gelte als eine edle künstlerische Tat. Mir war zum Brechen zumute, wobei doch wirklich kein Neid mitspielt, wie diese dummen Gesellen denken." Noch lukrativer als die Zusammenarbeit mit Benatzky war Müllers Stelle als Chefdramaturg der UFA und später seine Aufträge als Drehbuchautor für Metro-Golwyn-Mayer. Im Jahre 1938, in dem sein Bruder Ernst Lothar, vor dem "Anschluß" Direktor des Theaters in der Josefstadt, nur noch nach einer abenteuerlichen Flucht sein Leben retten konnte, lebte Hans Müller in der Schweiz und nahm den Namen seiner neuen Heimatstadt als zweiten Teil seines Künstlernamens an: Müller-Einigen. Seine Beziehungen zu Stefan Zweig und sein autobiographischer Roman machen ihn zum dankbaren Studienobjekt der Sozialgeschichte der Literatur, die einen Einblick in die Mechanismen des damaligen Literaturlebens gewinnen möchte. In seinem Roman "Jugend in Wien" reflektiert Müller überraschend objektiv die Unterdrückung der Tschechen im Brünn seiner Kindheit: "Die hohlwangigen, bleichen Brünner Arbeiterkinder sah er, mit krummen, rachitischen Beinen, wieder nach Billowitz, ins Löw-Beersche Kindererholungsheim gebracht werden, anstatt ihre Eltern in das Naturheim der [...] für alle Schaffenden gleichen, unverletzbaren Menschenrechte. Er hörte den schrillen, jämmerlichen Kreuzerstreit der Frauen und Mütter noch einmal, auf dem bergigen 'Krautmarkt', beim Ankauf altbackenen, schon fast verschimmelten Brotes. [...Und wie] dem tschechischen, für seine Schulen demonstrierenden Kleinvolk ein Steinhagel nachflog, geschleudert von den Großmäuligsten der die Stadt regierenden deutschen Minderheit. Blut floß, Flüche tobten, Racheschwüre verfinsterten die Luft.[53] Damit sind wir am Ende unseres Beitrages angelangt. Kein Wort über antisemitische Äußerungen und Stimmungen findet man bei Müller-Einigen, wie sie in Karl Hans Strobls Memoiren belegt sind. Andere jüdische Autoren aus Mähren, wie Felix Langer (1889-1980), Oskar Jellinek (1886-1949) oder Karl Kreisler (1882-1942), deren Werk den Schwerpunkt erst in der Zwischenkriegszeit hat, würden den Rahmen dieses Beitrages sprengen. 9. Versuchen wir, kurz zusammenzufassen: Joseph von Sonnenfels lehrt Österreich, in einem rhetorisch vollendeten, dem damaligen österreichischen Ohr lutherisch klingenden Deutsch zu schreiben und die Amtssprache zu vereinheitlichen. Nur zwischen den Zeilen kann man lesen, mit welchen Schwierigkeiten und Intrigen der zum Katholizismus konvertierte Jude zu kämpfen hatte. Alois Jeitteles versucht vergeblich, die Bemühungen seiner Wiener Jahre in Brünn fortzusetzen. Auch nach dem Ende der Metternich-Ära erwies sich seine "Brünner Zeitung" als keine passende Plattform für einen literarischen Diskurs. Hieronymus Lorm kritisiert die literarischen Verhältnisse im Vormärz-Österreich, schreibt aber später völlig im Einklang mit den Erwartungen seiner nicht allzu gebildeten Leser. Jakob Julius David ist ein zum Alltagsjournalismus verurteilter Dichter, der erst kurz vor seinem Tod seine tiefe Beziehung zu Mähren äußern kann. Dadurch, daß er zwischen die literarischen Strömungen geriet und infolge seiner sozialen Stellung und seiner Schwerhörigkeit ein Außenseiter blieb, wurde sein Werk zu Unrecht bald vergessen. Max Grünfeld widmet sich dem Genre der Ghettogeschichte in einer Zeit, als dieses nicht mehr populär ist, und wird erst in dem letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts -- ähnlich wie der um 25 Jahre ältere Eduard Kulke -- als literarischer Autor wiederentdeckt. Philipp Langmann feierte kurze Zeit große Erfolge, als er die in Österreich sonst kaum vorhandene naturalistische Literatur repräsentierte. Von seinen 48 Erzählungen, die z.B. in Eugen Schick einen Nachahmer fanden, wäre auch bei strengen Kriterien vielleicht ein Auswahlband empfehlenswert, um eine bedeutende Zeitspanne in der Geschichte der deutschsprachigen Literatur in Mähren zu dokumentieren. Hans Müller wurde einst von Karl Kraus ein "junger Sonnenmoritz" genannt und versuchte vergeblich, vor Gericht von Kraus eine Entschuldigung für seine Beleidigungen zu erreichen. Kraus hat nur mit Genugtuung die Gerichtsurteile in der "Fackel" abgedruckt. Müllers umfangreiches Werk trägt deutliche Spuren der Überproduktion. In seinem auf Erinnerungen basierenden Roman "Jugend in Wien" vermag er allerdings zu einer überraschend distanzierten und selbstkritischen Einstellung zu seinen Verfehlungen zu finden. Im Unterschied zu den Prager Autoren um die Zeitschrift "Herder-Blätter" haben sich die meisten mährisch-jüdischen deutschsprachigen Autoren weniger für die tschechische Kultur interessiert als die Prager. Aus den in diesem Beitrag skizzierten kurzen Porträts geht hervor, welche Bedeutung hier Wien als Vorbild und Zentrum zukam: Nur Grünfeld mit seinen Ghettogeschichten konnte seine Existenz als Religions- und Geschichtslehrer in Brünn behaupten, die anderen hatten früher oder später Wien als ihren Wirkungsort. Alois Jeitteles ging in Brünn eher seinem Arzt- und später Journalistenberuf nach, die intensive literarische Tätigkeit blieb mehr oder minder auf seine Wiener Studienjahre beschränkt. Hieronymus Lorm brachte seine Pflegebedürftigkeit nach Brünn zu seinem Sohn. Nur bei Philipp Langmann gab es einen -- allerdings vergeblichen -- Versuch, Wien, das ihm kein Glück gebracht hatte, wieder zu verlassen. Nìmecky pí¹ící autoøi ¾idovského pùvodu na Moravì -- od osvícenství do r. 1918 Pøíspìvek na poèátku zdùrazòuje heterogennost rolí sedmi vybraných autorù v literárním ¾ivotì nìmecky mluvící Moravy. Pova¾uje v¹ak za u¾iteèné pøipomenout tyto autory proto, ¾e se dnes v èeském prostøedí ztratilo povìdomí o moravském pùvodu významnìj¹ích z nich, ale i proto, ¾e jiní mìli dùle¾itou pozici v brnìnském literárním ¾ivotì pøed rokem 1918. Joseph von Sonnenfels (1733 -- 1817) uèil Raku¹any psát v øeènicky vytøíbené nìmèinì, by» jim znìla nezvykle luteránsky, pokou¹el se reformovat rakouské divadlo a vydával osvícensky zamìøené èasopisy. Jen mezi øádky lze z jeho autobiografických textù vyèíst, s jakými potí¾emi se tento ¾idovský rodák mikulovský i pøes svou konverzi ke katolicismu bìhem své kariéry potýkal. Alois Jeitteles (1794 -- 1858) se po vídeòských studiích vrátil do Brna jako lékaø; marnì se zde v¹ak pokou¹el dále rozvíjet své literární ambice. Ani "Brünner Zeitung", které zaèal vydávat po pádu Metternichova re¾imu, nebyly vhodnou platformou pro literární diskurs. Hieronymus Lorm (1821-1902) sice v dobì pøedbøeznové tvrdì kritizoval rakouské literární pomìry z liberálních pozic, sám v¹ak pozdìji psal zcela v souladu s oèekáváním prùmìrného ètenáøe, zdaleka nejen liberálnì naladìného, proto¾e se literárními pøíspìvky do novin a èasopisù musel u¾ivit. Jakob Julius David (1859 -- 1906) byl odkázán rovnì¾ na výtì¾ek svého psaní, ov¹em mezi umìleckou tvorbou a ka¾dodenní ¾urnalistikou pøísnì rozli¹oval. Jeho pozdní prózy s tématikou moravského venkova ho staví mimo tehdej¹í literární proudy. Aèkoli s modernou sdílel zájem zkoumat vztah ¾ivota a umìní, vymykal se stylu vídeòské moderny, ov¹em i tehdy populární Heimatliteratur. Jeho román Am Wege sterben (1900), dobový dokument o ¾ivotì pìti moravských a slezských studentù ve Vídni, se vzpírá kli¹é o elegantní Vídni na pøelomu století. David patøí k neprávem zapomenutým autorùm. Max Grünfeld (1856 -1933) se vìnoval ¾ánru povídky z gheta v dobì, kdy ji¾ jistì nepatøil k oblíbeným a èasto pìstovaným. Stejnì jako o 25 let star¹í Eduard Kulke je Grünfeld teprve v posledních letech znovu objevován v souvislosti s vlnou zájmu o zaniklý svìt venkovských a malomìstských ¾idovských komunit. Philipp Langmann (1862-1931) byl koncem 90. let 19. století oslavován jako význaèný rakouský naturalista, by» tento umìlecký styl se v Rakousku pøíli¹ nerozvinul. Z Langmannových 48 povídek by bylo vhodné sestavit po dùkladném výbìru malý èeský výbor, který by ho pøedstavil jako autora se silným sociálním cítìním a snahou pový¹it naturalistický detail na symbol lidské existence. Hans Müller (1882-1950) si za první svìtové války vyslou¾il posmì¹né oznaèení Karla Krause "junger Sonnenmoritz". Müllerovo rozsáhlé dílo je poznamenáno øemeslnou dovedností a povrchností, plynoucí z jeho nadprodukce. Ve svém posledním románì "Jugend in Wien", vycházejícím ze vzpomínek na studia a literární zaèátky, v¹ak dospìl k pøekvapivì distancovanému a sebekritickému pohledu na vlastní tvorbu. Na rozdíl od pra¾ských nìmeckých ¾idovských autorù z okruhu èasopisu "Herder-Blätter" nejevili morav¹tí nìmeètí ¾idov¹tí autoøi zájem o èeskou kulturu. Záhy odcházeli do Vídnì a jedinì Grünfeld a Langmann jsou podstatnìji spjati svým dílem s moravským prostøedím. ------------------------------- [1] Der Sohn (1928) und Die Seherin von Daroschitz (1933). [2] Wiener (1873-1944) war älter und traditioneller orientiert als die Generation der Herder-Blätter (vier Hefte 1911/12). Er ist Autor des Prager Romans Im Prager Dunstkreis, 1919, und Herausgeber der Anthologie Deutsche Dichter aus Prag, 1919. [3] Leo Slezak: Rückfall. Stuttgart 1940, S. 177. [4] Die Ständeakademie wird 1847 von Olmütz nach Brünn verlegt und 1849 in eine technische Bildungsanstalt umgewandelt, von der Olmützer Franzensuniversität (1827-1855) bleibt nach 1855 nur noch die Theologische Fakultät, die Gründung der Brünner technischen Hochschule verzögert sich: erst im Jahre 1873 entsteht die deutsch dominierte Hochschule, neben der seit 1899 die tschechische technische Hochschule existiert. [5] Vor allem Moderne Dichtung (1890-1891) und Der Mensch (1918). [6] Greiner (1876 -- 1928) verließ Brünn in seinem 6. Lebensjahr, lebte bis zum Abitur in Kronstadt in Siebenbürgen, dann in München und Berlin. [7] Flesch entstammte einer jüdischen, seit zwei Generationen getauften jüdischen Kaufmannsfamilie, die in Brünn reich geworden war und in den erblichen Adelsstand als "Edle von Brunningen" erhoben wurde. Seine Mutter übersiedelte mit ihrem dreijährigen Sohn nach Abbazia, heute Opatija, um ihrem Geliebten, einem Linienschiffskapitän der K. u. k. Kriegsmarine, nahe zu sein, ließ sich scheiden und lebte später in Wien, wo Flesch-Brunningen schon die Volksschule besuchte. Brünn wird in seinen Lebenserinnerungen Die verführte Zeit (1988) gerade nur im Zusammenhang mit der Herkunft seiner Eltern erwähnt. Die Mutter, geborene Brosch, war Nichte ihres Ehemannes. [8] Sonnenfels gesammelte Schriften. Wien, mit von Baumeisterischen Schriften, 1783. S. 5 [9] Willibald Müller: Josef von Sonnenfels. Biographische Studie aus dem Zeitalter der Aufklärung in Österreich. Wien: Wilhelm Braumüller: 1882. s. 12 und 13. Vgl. auch M. Holzmann und M. Portheim, Materialien zu einer Sonnenfels-Biographie. In: Zeitschrift für die Geschichte der Juden in der Tschechoslowakei, 1, 1931, H. 3, S. 198-207. D. Lindner, Der Mann ohne Vorurteil. Josef von Sonnenfels 1733-1817. Wien 1983. [10] Ebenda, S. 18. [11] Sonnenfels gesammelte Schriften. Wien, mit von Baumeisterischen Schriften, 1783. S. 96 ff. -- bei der Paginierung der Fragmente S. 16. [12] Ebenda. S. 105. [13] Zuerst Wien 1768. Neudruck Graz 1988. Herausgeberin Hilde Haider-Pregler. [14] Ebenda. An mein Herz, Blatt 5. [15] Lucy Topoµská: Olomoucký nìmecký básník Justus Frey. In: Gaudeamus, Olomouc VSMO 1973, S. 39ff. [16] Ignatz Jeitteles´ Hauptwerk ist Ein alphabetisches Handbuch zur Theorie der Philosophie des Schönen und der schönen Künste (2 Bde., Wien 1835/36. Neudr. Hildesheim/New York 1978), im Gegensatz zu seinen journalistischen Beiträgen im Vormärz verrät es seine konservative, der Goethe-Zeit nicht mehr gerechten Ansichten. [17] 1820 erschien in diesem Almanach Grillparzer Gedicht Campo vaccino, das der <> die <> gegenüberstellte und Grillparzer bei Hof verdächtig machte. [18] Ein Wortspiel mit dem weggelassenen Fugen-S: ein Trumpf des Schicksals, aber auch der schicksalhafte Strumpf, um den sich die Handlung dreht. [19] Karl Kreisler: Hieronymus Lorm. Schicksal und Werk. Veröffentlichung der Dt. Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst in Brünn.Verlag L & A. Brecher, Brünn 1922. S. 27. [20] So heißt auch sein Buch (1894). [21] Kreisler, a. o. z. W. S. 104/105. [22] Weihnachtsgabe des Vereines "Deutsches Haus" in Brünn an seine Mitglieder. Verlag des Vereines Dt. Haus in Brünn 1897. Druck von Rudolf M. Rohrer in Brünn. Der literarisch schwache Roman eines jüdischen Autors verletzte wohl nicht allzu sehr den Geschmack eines Publikums, dem zwei Jahre später das deutsche Königsdrama König Vannius von Guido List[22] zugedacht war. Lists Werke zählten nur zum anderen Pol der Trivialliteratur und strotzen von Heldentum, Patriotismus u. Germanenseligkeit. Sein Drama über einen König, dessen Standbild von Wollek auch die Eingangshalle des Deutschen Hauses schmückte und von dem der Obmann des Deutschen Hauses Friedrich Wannieck seinen Namen ableitete, wurde den fast 1200 Mitgliedern im Jahre 1900 als Weihnachtsgabe zugesandt. [23] Ebenda, S. 54. [24] Ebenda, S. 190. [25] Davids Brief vom 18. 8. 1899 an Minden. Zitiert nach Hermann Groeneweg: J. J. David. In seinem Verhältnis zur Heimat, Geschichte, Gesellschaft und Literatur. Graz: Wächter-Verlag 1929. [26] Roman Rocek: Jakob Julius David oder: Die vorweggenommene Moderne. In: Roman Rocek: Neue Akzente. Wien, München 1984, S. 72. [27] Die Fackel, Nr. 2001. [28] Jakob Julius David: Jugendland. In: Wiener Abendpost, 1. 9. 1906. [29] Vojkoviètí a pøespolní (1910). [30] Max Grünfeld: Mährische Dorfjuden. Eine Sammlung von heiteren Erlebnissen, Erinnerungen, Erzählungen aus dem mährischen Ghetto. Brünn: Jüdischer Buch- und Kunstverlag Brünn, Adlergasse 9. [31] Ebenda, S. 42 -- 44. [32] Ebenda, S. 46 -- 48. [33] Ebenda, S. 5. [34] Max Grünfeld: Originale aus dem Ghetto. In: Der Dorfgeher. Ghettogeschichten aus Alt-Österreich. Hg. Günther A. Höfler, Ingrif Spörk. Leipzig: Reclam, 1997. S. 125: "Da aber das Mahl angerichtet war und der Gänge so viele, vergaß unser angehender Bräutigam, weshalb er gekommen. Er aß nicht, nein, er fraß mit einer gewissen Berserckerwuth. Keinen Blick warf er auf die holde Schönen, er hatte für sie kein Auge, ..." [35] Mährische Dorfjuden. S. 22 -- 23: Geh´ ich da durch die Gasse und vor mir humpelt unsere Nuche. Da hör´ ich, wie ihr ein Sifezer(Seufzer) entfährt, aber nicht von vorn, sondern aus der hinteren Weltgegend. [...]"E Chorben bin ich, e Chorben (eine Ruine). -- Nuche geht weiter, gibt wieder einen Sifezer von sich, wie zum erstenmal und sagt wieder: E Chorben bin ich, e Chorben. Dann dreht sie sich um, sieht mich und fragt: Seit wann gehet Ihr hinter mir. Ich darauf: Seit dem zweiten Chorben. (Mit diesem Worte bezeichnete man die Zerstörung Jerusalems.) [36] Max Grünfeld: Originale aus dem Ghetto. S. 105. [37] Max Grünfeld: Mährische Dorfjuden. S. 47. [38] Der Baalboos, die Kinder und der Hecht. Ebenda. S. 29: "Man lügt so lange, bis man selbst an seine Lügen glaubt. Uns Juden beschimpfen unsere Gegner so viel und so lange, bis es auch unter uns die Schwachen und Charakterlosen glauben und mitschimpfen." [39] Z. B. in Erste Chedergänge, oder nach dem Lohn die Arbeit. In: Mährische Dorfjuden. S. 6. [40] Jiøí Veselý: "Es gibt nur eine Kunst, und diese ist realistisch!" Philipp Langmann, der mährische Hauptmann? in: Acta universitatis Carolinae -- Philologica 2, Germanistica pragensia IX (1984), S. 101 -- 113. [41] Philipp Langmann: Ein Junger Mann von 1895. Leipzig: Robert Friese, 1895. S. 6. [42] Dr. S. R., Gertrud Antleß. Drama von Philipp Langmann. in: Brünner Neue Zeitung, Jg. 4, Nr. 189 (29. 3. 1900), S. 2 -- 3. [43] Ebenda. [44] Paul Kisch, Philipp Langmann, Der Statthalter von Seeland. Erlebnisse eines Wanderers. In: Deutsche Arbeit, Jg. 11, 1912. S. 635 -- 636. [45] Oskar Jellinek, Philipp Langmann. Zu seinem 60. Geburtstag. In: Tagesbote (Brünn), 25. März 1922. S. 5. [46] Hans Müler, Das Märchen vom Leben und Glück. . in: Brünner Neue Zeitung, Jg. 4, Nr. 243 (8. 12. 1900), S. 2 -- 3. Unter diesem Titel erschien die Brünner Sonntagszeitung im 4. Jg. [47] Handschriftensammlung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek. [48] IN 43 074 [49] IN 43 077 [50] IN 43 078 [51] F. Speidelsche Verlagsbuchhandlung Wien 1948. [52] Durch manche Widmungen und wohlwollende Besprechungen belegt: Zweig widmet Hans Müller, dem lieben Freunde, den Novellenband Die Liebe der Erika Ewald aus dem Jahre 1904, Hans Müller ihm z. B. seine Gedichtsammlung Die lockende Geige (1904). Zweig bespricht u. a. Müllers Gedichtbuch Dämmer (Stimmen der Gegenwart, Aprilnummer 1901). [53] Hans Müller: Jugend in Wien. Wien 1948, S. 155. ------------------------------- [.1]