1 Köbler, Gerhard, Zielwörterbuch europäischer Rechtsgeschichte, 4. A. (20051220. Fassung) A A. A. (lat. [M.]) ist die Abkürzung für den abstrakt Aulus Agerius genannten Kläger des römischen -> Formularprozesses. Lit.: Söllner § 9 Aachen ist der ohne nachweisbare Kontinuität zu einer römischen Siedlung an den Ausläufern des Hohen Venn 765 als fränkische königliche -> Pfalz erscheinende Ort. Von 936 bis 1531 ist es Krönungsstätte der deutschen Könige. 1166 erhält es besondere Rechte. Die 1192 neben der Gesamtheit der Bürger nachweisbaren -> Schöffen entwickeln sich zu einem bedeutenden -> Oberhof für teilweise bis zu 200 Gerichte. Bis 1254 wird A. freie -> Reichsstadt. Lit.: Schwabe, W., Der Aachener Oberhof, 1924; Schwabe, W., Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 47 (1925), 38/39 (1927); Regesten der Reichsstadt Aachen, Bd. 1ff. 1937ff.; Herkens, R., Der Anspruch Aachens auf Krönung der deutschen Könige nach 1531, Diss. jur. Bonn 1959; Falkenstein, L., Der ,,Lateran" der karolingischen Pfalz zu Aachen, 1966; Kraus, T., Jülich, Aachen und das Reich, 1988; Die Aachener Stadtrechungen des 15. Jahrhunderts, bearb. v. Kraus, T., 2004 Aargau ist das um die Aare gelegene Land, das als A. 763 erstmals erscheint. 1415 erobert die Eidgenossenschaft der -> Schweiz Teile des Gebiets. 1798/1803 wird daraus der Kanton A., der 1831 eine liberale Verfassung erhält. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Merz, W. u. a., Die Rechtsquellen des Kantons Aargau, Teil 1ff. 1898ff.; Merz, W., Mittelalterliche Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 1906; Nabholz, H., Der Aargau nach dem habsburgischen Urbar, Argovia 33 (1909); Dubler, H., Der Kanton Aargau und das Bistum Basel, 1921; Merz, W., Die Jahrzeitbücher der Stadt Aarau, Teil 1f. 1924ff. Merz, W., Geschichte der Stadt Aarau im Mittelalter, 1925; Aargauer Urkunden, Teil 1f. 1931ff.; Strebel, K., Die Verwaltung der freien Ämter im 18. Jahrhundert, 1940; Werder, M., Die Gerichtsverfassung des aargauischen Eigenamtes, 1941; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,440; Geissmann, H., Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton Aargau (1847-1855), 1991 Abandon ist die wohl im spätmittelalterlichen italienisch-französischen Seerecht entstehende Möglichkeit der Aufgabe der Rechte an einem Gegenstand, um Haftungsfreiheit bzw. später Versicherungsleistung zu erlangen. Der A. erscheint erstmals in einem Statut der Stadt Kampen vom 14. 2. 1372. Im 19. Jh. findet der A. Eingang in das Recht der juristischen Personen des Gesellschaftsrechts. Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913 Abecedarium ist das auf Grund antiker Gedankengänge im Spätmittelalter entstehende alphabetisch geordnete Sammelwerk eines Rechtsgebietes (römisches Recht, kirchliches Recht, um 1400 Greifswalder A. für -> Sachsenspiegel und Sachsenspiegelglosse mit 7 Handschriften). Lit.: Das Preetzer Abecedarium mit dem Richtsteig Landrechts, Z. d. Ges. f. Schleswig-Holstein- Lauenburgische Gesch. 22 (1892), 297; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 77 Abendmahlsprobe ist eine Form des -> Gottesurteils. Aberacht ist die seit dem Hochmittelalter belegte, nach fruchtlosem Verstreichenlassen einer Frist von -> Jahr und Tag eintretende Verstärkung der -> Acht. Lit.: Siuts, H., Bann und Acht, 1959 Aberdeen am Don in Schottland wird um 1130 Sitz eines Bischofs und 1494/5 Sitz einer Universität. Lit.: Keith, A., A thousand Years of Aberdeen, 1972; The Aberdeen Stylebook 1722, hg. v. Meston, M./Forte, A., 2000 Aberglaube Lit.: Freytag, N., Aberglauben im 19. Jahrhundert, 2003 Abfall Lit.: Abfall, hg. v. Rusterholz, P./Moser, R., 2004 Abgabe ist die Leistung von Gegenständen an die Allgemeinheit, an eine besondere Einrichtung oder an besondere Einzelne. Die rechtliche Grundlage der A. ist verschieden. Meist beruht die A. auf einer Pflicht zur Unterstützung als Gegenleistung für einen Schutz oder eine Gebrauchsmöglichkeit. In der Naturalwirtschaft besteht die A. in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld. 1919 fasst das Deutsche Reich das Recht der Abgaben in der Reichsabgabenordnung zusammen, die 1976 im Sinne eines Mantelgesetzes für die Abgaben Formatiert: Schriftart: Fett Gelöscht: 2 erneuert wird. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Pöhlmann, C., Was ist Seltertum, ZRG GA 55 (1935), 243; Becker, A., Was ist Seltertum, ZRG GA 56 (1936), 398; Löning, G., Muntepenninge, ZRG GA 59 (1939), 273; Müller, W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei St. Gallen, 1961; Henning, F., Dienste und Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969; Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Giese, F., Abgabenordnung im Dritten Reich, 1998 Ablass ist die im 11. Jh. (u. a. Clermont 1095 Ablass für Teilnahme am Kreuzzug, 1187 für geldliche Förderung eines Kreuzzugs, um 1300 von Verbindung zu Kreuzzügen gelöst) in der christlichen -> Kirche aus der Bitte um Vergebung und Nachlass einer Folge (Buße) entstehende, auch vor Gott verbindliche Befreiung von zeitlichen Sündenfolgen. Die ältesten Ablässe begnügen sich mit einem Erlass von 20 oder 40 Tagen Buße. Die zahlenmäßige und artmäßige Erweiterung führt bereits im 13. Jh. zu scharf gerügten Missständen. Der Kauf von A. 8auch für Verstorbene) wird ein wichtiger Anlass für die reformatorischen Ziele Martin -> Luthers. Lit.: Paulus, N., Geschichte des Ablasses im Mittelalter, Bd. 1f. 1922f.; Köhler, W., Dokumente zum Ablassstreit von 1517, 2. A. 1934; Boschmann, B., Der Ablass, 1948; Bornkamm, H., Thesen, 1967 Ablösungsgesetzgebung ist die Gesetzgebung des 19. Jh.s zur Beseitigung grundherrschaftlicher Rechte mit oder ohne Entschädigung. Dazu erlässt der Staat -> Preußen am 9. 10. 1807 das Edikt betreffend den erleichterten Besitz des Grundeigentums sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner, das die persönliche Abhängigkeit der -> Bauern von den -> Grundherren entschädigungslos aufhebt. Dem folgen am 14. 9. 1811 das Edikt, die Rechte der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse (Regulierungsedikt) betreffend und das Edikt zur Beförderung der Landeskultur (Landes- kulturedikt), nach denen der Bauer auf Antrag eines Beteiligten Eigentum an dem von ihm bewirtschafteten Hof erhält, wofür er als erblicher Besitzer ein Drittel, als nichterblicher Besitzer die Hälfte des Grundes dem Grundherrn überlassen oder eine dauernde Rente zahlen muss. Dadurch werden viele Bauern überfordert, so dass sie ihr neues Eigentum aufgeben müssen. Um dies zu vermeiden, richten Sachsen und Kurhessen (1832) öffentliche -> Rentenbanken ein, die dem Grundherrn den Ablösungsbetrag in Rentenbriefen entrichten und dadurch den Bauern die Tilgung der Ablöseschuld in 40 bis 60 Jahren ermöglichen. Abgelöst werden auch die Nutzungsrechte der Bauern in staatlichen oder grundherrschaftlichen Wäldern (Hessen 1814, Preußen 1821). Lit.: Danckelmann, B., Die Ablösung der Waldgrundgerechtigkeiten, Bd. 1f. 1880ff.; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887 Abmeiern ist das Beendigen des grundherrschaftlichen -> Meierrechts durch den Grundherrn in Niedersachsen und Ostwestfalen seit dem 14. Jh. Seit 1597 (Salzduhmscher Landtagsabschied) wird das A. verrechtlicht, mit der -> Bauernbefreiung beseitigt. Lit.: Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896 Abschichtung ist die vermögensrechtliche Verselbständigung eines Kindes bei Ausscheiden aus dem Hausverband. Sie betrifft im Mittelalter fast nur Söhne. Der Sohn kann A. verlangen, sobald er ,,zu seinen Jahren kommt" (d. h. mündig wird). Regelmäßig wird der Sohn abgeschichtet, wenn er bei Eheschließung einen selbständigen Haushalt gründet. Mit der A. erlischt die väterliche Herrschafts- und Schutzgewalt. Die Teilungs- quote ist unterschiedlich (z. B. Kopfteil vom Ganzen, Sohneskopfteil von der Hälfte). Lit.: Hübner 702; Adler, S., Eheliches Güterrecht und Abschichtungsrecht, 1893 Absetzung ist die Entfernung eines Menschen aus einer Tätigkeit und eines Wertes aus einem Vermögen. Die A. eines Amtsträgers begegnet schon früh (z. B. Vertreibung des römischen Königs). Sie wird in der Neuzeit verrechtlicht. Lit.: Bund, K., Thronsturz und Herrscherabsetzung im Frühmittelalter, 1979; Krah, A., Absetzungsverfahren, 1987; Rexroth, F., Tyrannen und Taugenichtse, HZ 278 (2004), 27; Wallner, M., Zwischen Königsabsetzung und Erbreichsplan, 2004 Absicht ist der unmittelbar auf den Erfolg als Ziel gerichtete Wille des Täters. Dieser wird im Mittelalter oft durch (lat.) animo deliberato, cum deliberato consilio, contumaciter, dolose und (mhd.) geverlich oder mutwillig beschrieben. Folgen zieht in erster Linie das im 3 Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gewollte Unrecht nach sich. Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964, 68ff. absolutio (F.) ab instantia -> Instanzentbindung Absolutismus ist die Regierungsform, bei welcher der Inhaber der Herrschaftsgewalt (Monarch) dem Untertanen gegenüber unbedingte Macht hat. Der frühe A. entwickelt sich in Spanien, Frankreich und England bis zum Ende des 15. Jh.s. Unterstützt wird der A. durch theoretische Ansichten, welche die Enttheologisierung der Herrschaft und die Unteilbarkeit der Staatsgewalt fordern (-> Machiavelli, Nicol [1469-1527], Il principe, 1513, -> Bodin, Jean [1529-1596], Les six livres de la République, 1576). Mittel zur Durchsetzung der absoluten Herrschaft werden die Aufstellung eines stehenden Heeres, der Aufbau einer allein vom Herrscher abhängigen Beamtenschaft und die Einführung eines Staatswirtschaftssystems. Voraussetzung des A. ist die Entmachtung des -> Adels hinsichtlich der Mitwirkung (bzw. formaler Mitspracherechte) bei der -> Landesherrschaft (in der Regel ohne Änderung der förmlichen Rechtsgrundlage der Herrschaft). Der Höhepunkt des A. wird unter Ludwig XIV. (1643-1715) in -> Frankreich erreicht. Im Reich eifern dem viele Landesfürsten nach (August der Starke [1670-1733] von Sachsen bzw. Polen, Friedrich Wilhelm [1620-1688] von Brandenburg bzw. Preußen). In der Mitte des 18. Jh.s (Friedrich II. in Preußen, Joseph II. in Österreich) setzt im aufgeklärten A. der Fürst als erster Diener des Staates wohlfahrtsstaatliche Änderungen in Gang (Bildungspolitik, Bauernbefreiung, Gerichtsorganisation). In Frankreich beendet die Revolution des Jahres 1789 den als Anspruch bedeutsamen, als Wirklichkeit kaum tatsächlich durchgesetzten A. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Bodin, J., Les six livres de la république, 1576; Hobbes, T., Leviathan 1651; Feine, H., Einwirkungen des absoluten Staatsgedankens auf das deutsche Kaisertum, ZRG GA 42 (1921), 474; Fehr, H., Der Absolutismus in der Schweiz, ZRG GA 69 (1952), 182; Sturmberger, H., Kaiser Ferdinand II. und das Problem des Absolutismus, 1957; Carsten, F., Princes and parliament in Germany, 1959; Schnur, R., Individualismus und Absolutismus, 1862; Conrad, H., Staatsgedanke und Staatspraqxis, 1971; Dreitzel, H., Protestantischer Aristotelismus und absoluter Staat, 1970; Absolutismus, hg. v. Hubatsch, E., 1973, 2. A; 1988; Der aufgeklärte Absolutismus, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1974; Aufklärung, hg. v. Hinrichs, E., 1985; Hubatsch, W., Das Zeitalter des Absolutismus 1600- 1789, 4. A. 1975; Anderson, P., Die Entstehung des absolutistischen Staates, 1979; Aspekte des europäischen Absolutismus, hg. v. Patze, H., 1979; Reinalter, H., Aufgeklärter Absolutismus und Revolution, 1979; Meyer, J., Frankreich im Zeitalter des Absolutismus, 1990; Henshall, N., The Myth of Absolutism, 1992; Dreitzel, H., Absolutismus und ständische Verfassung in Deutschland, 1992; Vec, M., Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat, 1998; Duchhardt, H., Das Zeitalter des Absolutismus, 3. A. 1998; Der Absolutismus ­ ein Mythos?, hg. v. Duchhardt, H., 1996; Hinrichs, E., Fürsten und Mächte, 2000; Hinrichs, E., Fürsten und Mächte, 2000; Der aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich, hg. v. Reinalter, H. u. a., 2002; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003 Abstimmung ist das durch Abgabe einzelner Entscheidungen erfolgende Verfahren zur Ermittlung des Willens einer Gesamtheit von zu einer Entscheidung zugelassenen Personen hinsichtlich einer bestimmten Frage. Als eine besondere Form der A. ist bereits im antiken Athen der Ostrazismus bekannt, bei dem das Volk mittels je eines Tonscherbens (griech. ostrakon) darüber abstimmen kann, ob ein Bürger, der die politische Ordnung gefährdet, für 10 Jahre ohne Verlust des Vermögens und seiner sonstigen Rechtsstellung verbannt werden soll. Im Einzelnen erfolgen dann Abstimmungen nach ziemlich unterschiedlichen Regeln, bis in der Mitte des 19. Jh.s sich die Einheitlichkeit des Abstimmungskörpers mit grundsätzlich gleichem Stimmrecht durchzusetzen beginnt. Im 20. Jh. ist die A. des Volkes über eine politische Frage ein Entscheidungsverfahren unmittelbarer Demokratie. Eine Sonderform der A. stellt die -> Wahl dar. Lit.: Stutz, U., Die Abstimmungsordnung der Goldenen Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217; Stutz, U., Der Jüngste stimmt zuerst, ZRG GA 49 (1929), 435; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip, 1973; Heun, W., Das Mehrheitsprinzip, 1983; Bleicken, J., Die verfassung der römischen Republik, 2000 4 Abstraktion ist die Lösung eines allgemeine Merkmale enthaltenden Umstandes von einzelnen Erscheinungsformen. Im 19. Jh. setzt die -> Pandektistik die Trennung des -> Verfügungsgeschäftes (-> Übereignung, -> Abtretung) von dem ihm als Grund (lat. [F.] causa) zugehörigen -> Verpflichtungsgeschäft und die Trennung des Innenverhältnisses (Auftrag) vom Außenverhältnis (Vollmacht) mit Hilfe des Prinzips der A. durch. Lit.: Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Landwehr, G., Abstrakte Rechtsgeschäfte, in: Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, 173; Eisenhardt, U., Die Entwicklung des Abstraktionsprinzips, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Ferrari, F., Vom Abstraktionsprinzip und Konsensualprinzip zum Traditionsprinzip, ZEuP 1993, 52 Abt (Lehnwort lat. abbas, abbatem [Akk.] 4. Jh., ,,Abt, Vater", Lehnwort gr. ábba, aram. abba, ,,Vater", Lallwort) ist seit dem 4. Jh. der Leiter einer rechtlich selbständigen Niederlassung eines christlichen -> Ordens des weströmischen Gebiets. Er wird als geistlicher Vater (lat. pater [M.] spiritualis) verstanden. Die Ordensregel Benedikts von Nursia (480- 547) legt Einzelheiten der Stellung genauer fest. Demnach erfordert die Weihe zum anfangs vom Bischof eingesetzten, nach den Novellen Justinians von sämtlichen Mönchen gewählten A. vorbildliche Lebensführung und Weisheit. Der A. hat gegenüber den Mönchen Rechte wie ein Vater gegenüber Kindern. Deshalb schulden die Mönche Gehorsam und Ehrerbietung. Im fränkischen Reich tritt neben das freie Wahlrecht der Mönche das Einsetzungsrecht eines Herrn. Seit karolingischer Zeit wird der A. auch mit weltlichen Aufgaben betraut. Synoden von Rom (826) und Poitiers (1078) sowie das Konzil von Vienne (1311/2) legen die Voraussetzung der Weihe zum Priester für den A. fest. Im 11. und 12. Jh. dringt der Grundsatz der freien Wahl für kurze Zeit wieder vor. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hegglin, B., Der benediktinische Abt, 1961; Salmon, P., L'abbé dans la tradition monastique, 1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wiech, M., Das Amt des Abtes im Konflikt, 1999 Abtei (lat. [F.] abbatia) ist seit dem 11. Jh. die von der Tätigkeit eines Abtes übernommene Bezeichnung für die von einem -> Abt geleitete, rechtlich selbständige Niederlassung eines christlichen Ordens. Die A. kann -> Reichsabtei, landsässige A. oder der römischen Kirche unterstellte freie A. sein. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Blume, K., Abbatia, 1919; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Äbtissin ist die Leiterin einer rechtlich selbständigen Niederlassung eines christlichen Frauenordens (des weströmischen Gebietes). -> Abt Abtreibung ist der künstlich herbeigeführte vorzeitige Abgang der menschlichen Leibesfrucht aus dem Mutterleib. Die A. ist nach römischem Recht zulässig. Die -> Kirche wertet sie zunächst in jedem Fall als -> Mord, Gratian (um 1140) beurteilt aber die A. vor dem 40. Tag der Schwangerschaft auf Grund von Exodus 21,22-23 milder. Seit etwa 1970 wird die kirchliche Auffassung im weltlichen Recht zunehmend eingeschränkt und der medizinisch einfach gewordene Schwanger- schaftsabbruch zugelassen. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lewin, L., Die Fruchtabtreibung, 4. A. 1925; Huser, R., The Crime of Abortion, Diss. Washington 1942; Noonan, J., The Morality of Abortion, 1970; Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn. Kulturgeschichte des Abtreibungsverbots, 1988; Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993; Onstein, H., Die Entwicklung der Straftatbestände der Abtreibung, Diss. jur. Münster 1996; Müller, P., Die Abtreibung, 2000; Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn, 2002; Bett, J., Die Beurteilung der embryopathischen Indikation zum Schwangerschaftsabbruch, Diss. jur. Tübingen 2003; Putzke, S., Die Strafbarkeit der Abtreibung in der Kaiserzeit, 2003; Koch, C., Schwangerschaftsabbruch, 2004; Behren, D., Die Geschichte des § 218 StGB, 2004 Abtretung ist die Übertragung einer Forderung von einem bisherigen -> Gläubiger (Zedenten) auf einen anderen (Zessionar), der damit neuer Gläubiger wird. Sie ist im römischen Recht ausgeschlossen, weil die Verbindlichkeit als höchstpersönliches Band zwischen Gläubiger und Schuldner betrachtet wird. Erst spät lässt das römische Recht mit Hilfe der Einrichtung des Prozessmandates und der Novation wenigstens die Übertragung eines selbstän- digen Rechtes zu, eine fremde Forderung auszuüben. Im Gegensatz hierzu entwickelt sich in den mittelalterlichen Städten die 5 Übertragung von Forderungen, die zunächst grundsätzlich der Mitwirkung des Schuldners durch Einwilligung gegenüber dem bisherigen Gläubiger oder durch Gelöbnis gegenüber dem neuen Gläubiger bedarf. Dieses Zustimmungs- erfordernis entfällt letztlich unter dem Einfluss des gemeinen Rechts, in dem das deutschrechtliche Gedankengut die Übertra- gung der Forderung auch der Substanz nach eröffnet, so dass bereits der -> Codex Maximilianeus Bavaricus civilis von 1756 (II 3 § 8) die A. aufnimmt. In England gilt die Forderung als solche bis 1873 als nicht übertragbar. Lit.: Kaser § 55; Köbler, DRG 127, 165, 214; Buch, G., Die Übertragbarkeit von Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Schumann, H., Die Forderungsabtretung im deutschen, französischen und englischen Recht, 1924; Luig, K., Zur Geschichte der Zessionslehre, 1966; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Hoop, G., Kodifikationsgeschichtliche Zusammenhänge des Abtretungsverbotes, 1992 Abtriebsrecht ist das Recht der Angehörigen einer Siedlungsgemeinschaft, den Zuzug eines Fremden zu verhindern. Es ist im Titel XLV (De migrantibus) des fränkischen Volksrechtes (507-511) bezeugt und besteht bis in das 19. Jh. Allerdings kann ein Herr einem Fremden ein Niederlassungsprivileg gewähren. Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff. Abzahlungsgesetz ist das deutsche Gesetz vom 16. 5. 1894, das außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) die Käufer von beweglichen Sachen vor Benachteiligung schützen will, die aus wirtschaftlichen Gründen nur gegen Zahlung des Preises in Raten kaufen können. Es wird 1994 durch das Verbraucherkreditgesetz abgelöst. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Benöhr, H., Konsumentenschutz vor 80 Jahren, ZHR 138 (1974), 492; Schubert, W., Das Abzahlungsgesetz von 1894, ZRG GA 102 (1985), 130 Abzahlungskauf -> Abzahlungsgesetz acceptatio (lat. [F.]) Annahme acceptilatio (lat. [F.]) Empfangnahme -> stipulatio Accursius (Bagnolo bei Florenz 1182 oder 1185-Bologna 1260 oder 1263) wird in einer bäuerlichen Familie geboren und lehrt nach dem Studium des römischen Rechts in Bologna (Azo) seit etwa 1215. Bis kurz nach 1230 legt er Kommentare zu allen Teilen der justinianischen Gesetze in Form von Glossenapparaten (lat. glossa [F.] ordinaria) mit insgesamt 96940 Einzelglossen vor, in denen er Problemlösungen unter umfangreicher Verwertung der vorangehenden Literatur bietet. Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 106; Genzmer, E., Zur Lebensgeschichte des Accursius, FS L. Wenger, Bd. 2 1945, 223; Atti del convegno internazionale di studi accursiani, ed. Rossi, G., Bd. 1ff. 1968; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Achilleisches Hausgesetz -> Dispositio Achillea Achramire (lat.-afrk.) ist die frühmittelalterliche Bezeichnung für das Versprechen, einen Gerichtstag wahrzunehmen, einen Eid zu leisten oder einen Bürgen oder Zeugen zu stellen (Lex Salica [507-511] 62 u. ö.). Das a. erfolgt unter Übergeben oder Zuwerfen eines (gekerbten) Stäbchens (lat. [F.] -> festuca). Lit.: Köbler, LAW; Daberkow, Adhramire und die germanische framea, Z. f. d. P. 49 (1923), 229 Acht ist im mittelalterlichen deutschen Recht die als Unrechtsfolge mögliche allgemeine Verfolgung. Die A. folgt auf verschiedene Taten, die eine niedrige Gesinnung widerspiegeln (z. B. Mord, Treubruch). Wird der Täter in der Tat ergriffen, so kann er folgenlos getötet werden. Im Übrigen bedarf es eines besonderen Verfahrens, in dem die A. erklärt wird. Der Geächtete steht außerhalb des Rechts, ist Feind aller und kann von jedem folgenlos getötet werden. Das bewegliche Vermögen des Geächteten wird verteilt, die Liegenschaft verwüstet. Mindere Formen der A. sind zeitlich (z. B. auf ein Jahr) befristet. Bei fruchtlosem Ablauf einer damit verbundenen Gestellungsfrist (Ungehorsamsacht) verfällt der Betreffende in -> Aberacht. Die vom König oder seinem Gericht verhängte A. gilt als -> Reichsacht im gesamten Reich. Im Laufe des Mittelalters entwickelt sich die A. zu einer differenzierten Rechtsfigur, die mit Erstarkung der staatlichen Gerichtsherrschaft verschwindet (vom Reichskammergericht zuletzt 1698, vom Reichshofrat zuletzt 1709 ausgesprochen). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Eichmann, E., Acht und Bann, 1909; Künßberg, E. Frhr. v., Acht, 1910; Heusler, 6 A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Poetsch, J., Die Reichsacht, 1911; Ruf, F., Acht und Ortsverweis im alten Land- und Stadtgericht Nürnberg, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 46 (1955), 1; Siuts, H., Bann und Acht, 1959; Landes, D., Das Achtverfahren, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Jacoby, M., Wargus, 1974; Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche Acht, 1992 Achtbuch ist das über die von einem Gericht ausgesprochene -> Acht geführte Buch, wie es der Reichslandfriede des Jahres 1235 vorsieht (z. B. Lübeck 1243, Iglau 1249, Rostock 1258, Rothenburg o. d. Tauber 1274, Nürnberg 1285). Lit.: Schultheiß, W., Nürnberger Rechtsquellen, Bd. 1f. 1960, 16 acta (lat. [N.Pl.]) -> Akten acta municipalia (lat. [N.Pl.]) Gemeindeakten Actio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Möglichkeit, vor Gericht zu verlangen, was einem zusteht (Klaganspruch). Im -> For- mularprozess trägt der Kläger in Gegenwart des Beklagten das Begehren vor dem Gerichtsmagistrat vor und beantragt die Erteilung einer bestimmten a. Ergibt sich, dass der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt keine bereits anerkannte a. rechtfertigt, entfällt der Antrag. Allerdings kann der Gerichtsmagistrat, wenn er das Begehren des Klägers gleichwohl als rechtsschutzbedürftig erachtet, eine a. in factum in Aussicht stellen. Die zugelassenen actiones, von denen jede ihre eigene Formel hat, werden vor allem im 4. Buch der Institutionen Justinians im Titel (lat.) De actionibus (Von den Klagansprüchen) zusammengestellt. Im Hochmittelalter aner- kennt beispielsweise Johannes Bassianus 169 verschiedene actiones. Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Köbler, LAW; Bethmann Hollweg, C. v., Der Civilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 6 1874, 16; Peter, H., Actio und writ, 1957; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996; Gröschler, P., Actiones in factum, 2002; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002 actio (F.) ad exhibendum (lat.) Klaganspruch auf Herausgabe Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 27 I 5, 34 II 3 actio (F.) adiecticiae qualitatis (lat.) Klag- anspruch aus Haftung für Gewaltunterworfene Lit.: Kaser §§ 11, 15, 49, 60, 83; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280 actio (F.) aestimatoria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung (aus Trödelvertrag) Lit.: Köbler, DRG 48 actio (F.) arbitraria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung bzw. zum Ermessen Lit.: Kaser §§ 8 IV, 83 II, 87 II actio (F.) auctoritatis (lat.) Klaganspruch wegen Eviktion (Entwerung) gegen den Verkäufer Lit.: Kaser §§ 7, 27, 32, 51; Söllner § 8 actio (F.) certae creditae pecuniae (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch auf eine bestimmte Gelddarlehensschuld. Lit.: Kaser §§ 39, 83 actio (F.) civilis (lat.) Klaganspruch nach dem Zivilrecht actio (F.) commodati (lat.) Klaganspruch aus Leihvertrag Lit.: Kaser § 39 II Actio (F.) communi dividundo (lat.) ist im römischen Recht der wohl im 3./2. Jh. v. Chr. durch eine lex Licinnia geschaffene Teilungsklaganspruch mindestens eines Angehörigen einer Vermögensgemeinschaft. Lit.: Kaser §§ 23 IV 83 actio (F.) conducti (lat.) Klaganspruch des Mieters usw. Lit.: Kaser §§ 42, 83 actio (F.) confessoria (lat.) Servitutenklag- anspruch, Nießbrauchsklaganspruch Lit.: Kaser §§ 28, 29 actio (F.) contraria (lat.) Gegenklaganspruch Lit.: Kaser § 38 IV 2 Actio (F.) de dolo (lat.) ist im römischen Recht der auf Anregung des C. Aquilius Gallus im 1. Jh. v. Chr. vom Prätor bei Fehlen einer anderweitigen actio gewährte Klaganspruch des durch einen Betrug Geschädigten gegen den Täter auf Ersatz des Schadens. Lit.: Kaser §§ 8, 83; Söllner § 9 Actio (F.) de in rem verso (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen einen Gewalthaber auf Herausgabe des Wertes, den ein Gewaltunterworfener aus einem Ver- pflichtungsgeschäft erlangt und zu einer Bereicherung des Vermögens des Gewalthabers verwendet. Lit.: Kaser § 49; Söllner § 12; Chiusi, T., Die actio de in rem verso, 2001 actio (F.) de pauperie (lat.) Klaganspruch 7 wegen Minderung durch Schaden Lit.: Kaser § 50 II 4 actio (F.) de peculio (lat.) Klaganspruch über das Sondergut eines Gewaltunterworfenen Lit.: Kaser §§ 49 II, 83 II; Söllner § 12 Actio (F.) depositi (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch des Hinterlegers auf Rückgabe der hinterlegten Sache gegen den Verwahrer. Lit.: Kaser §§ 39, 83 actio (F.) de recepto (lat.) Klaganspruch aus Garantieerklärung Lit.: Kaser § 46 III 3 actio (F.) de tigno iuncto (lat.) Klaganspruch über den verwendeten Balken Lit.: Kaser § 26 III 3; Köbler, DRG 25; Hinker, H., Tignum iunctum, ZRG RA 108 (1991), 41 actio (F.) empti (lat.) Kaufklaganspruch Lit.: Kaser §§ 51, 83 II; Söllner § 9 actio (F.) exercitoria (lat.) Klaganspruch gegen den Reeder Lit.: Kaser § 49 II 3 Actio (F.) ex stipulatu (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch des Gläubigers gegen den Schuldner, der in der einseitig verpflichtenden Stipulation eine unbestimmte Leistung versprochen hat. Lit.: Kaser §§ 40, 83; Söllner §§ 9, 24 actio (F.) ex testamento (lat.) Klaganspruch aus Testament Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 76 II actio (F.) familiae erciscundae (lat.) Erbteilungsklaganspruch Lit.: Kaser §§ 65, 66, 73, 81; Söllner §§ 8, 9 actio (F.) fiduciae (lat.) Klaganspruch aus Sicherungsübereignung Lit.: Kaser §§ 24, 31, 38, 83; Söllner § 9 actio (F.) finium regundorum (lat.) Grenzfeststellungsklaganspruch Lit.: Kaser § 23 Actio (F.) furti manifesti (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen den nicht handhaften Dieb auf das Doppelte des Wertes der entzogenen Sache. Lit.: Kaser § 83; Kaser, M., Die actio furti, ZRG RA 96 (1979), 89 actio (F.) honoraria (lat.) prätorischer Klaganspruch Lit.: Kaser § 4 II 1 actio (F.) in factum (lat.) auf den Sachverhalt zugeschnittener Klaganspruch Lit.: Söllner § 15; Gröschler, P., Actiones in factum, 2002 actio (F.) iniuriarum (lat.) Schadensersatz- klaganspruch Lit.: Kaser §§ 34, 35, 83; Söllner § 8; Moosheimer, T., Die actio iniuriarum aestimatoria, 1998 actio (F.) in personam (lat.) persönlicher Klaganspruch Lit.: Kaser § 4 I, II, 82 II; Söllner § 9 actio (F.) in rem (lat.) sachverfolgender Klaganspruch Lit.: Kaser §§ 4, 83 II; Söllner § 9 actio (F.) institoria (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen einen Unternehmer aus einer von seinem Angestellten eingegangenen Verbindlichkeit. Lit.: Kaser § 49 actio (F.) iudicati (lat.) Vollstreckungsklag- anspruch Lit.: Kaser §§ 32, 85 actio (F.) legis Aquiliae (lat.) Schadensersatzklaganspruch Lit.: Kaser § 51; Söllner § 8; Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958 actio (F.) locati (lat.) Klaganspruch des Vermieters usw. Lit.: Kaser §§ 42, 83 II actio (F.) mandati (lat.) Klaganspruch aus Auftrag Lit.: Kaser §§ 56, 57, 83 actio (F.) mixta (lat.) gemischter Klaganspruch Actio (F.) negatoria (lat.) heißt im römischen Recht der Klaganspruch, mit dem der zivile Eigentümer sich dagegen wehren kann, dass ein anderer sich ein nicht bestehendes Recht zur Einwirkung auf die Sache anmaßt. Lit.: Kaser § 27 II; Ogorek. R., Actio negatoria und industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Thier, A., Zwischen actio negatoria und Aufopferungsanspruch, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 407; Kawasumi, Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen Beseitigungsanspruch, 2001 actio (F.) negotiorum gestorum (lat.) Klaganspruch aus Geschäftsführung Lit.: Kaser §§ 38, 44, 56, 64, 83 actio (F.) noxalis (lat.) Schadensersatz- klaganspruch wegen Noxalhaftung des Gewalthabers Lit.: Köbler, DRG 27 8 Actio (F.) nullitatis (lat.) ist der mittelalterliche Nichtigkeitsklaganspruch Lit.: Köbler, DRG 117 actio (F.) operarum (lat.) Klaganspruch auf versprochene Dienste Lit.: Kaser §§ 16 II, 39 II actio (F.) pigneraticia (lat.) Pfandklag- anspruch Lit.: Kaser §§ 31, 39 actio (F.) poenalis (lat.) Strafklaganspruch actio (F.) popularis (lat.) Popularklaganspruch Lit.: Kaser § 50 I 1 actio (F.) praescriptis verbis (lat.) Klaganspruch der vorgeschriebenen Worte Lit.: Kaser § 45 II; Kranjc, J., Die actio praescriptis verbis, ZRG RA 106 (1989), 434 actio (F.) praetoria (lat.) prätorischer Klaganspruch Lit.: Kaser § 4 II actio (F.) pro socio (lat.) Klaganspruch gegen den Gesellschafter Lit.: Kaser § 43 I Actio (F.) Publiciana (lat.) ist im römischen Recht der wohl im letzten vorchristlichen Jahrhundert vom Prätor geschaffene Klaganspruch des besseren Besitzers (z. B. Ersitzungsbesitzers) gegen den schlechteren Besitzer auf Herausgabe der Sache. Lit.: Kaser §§ 27, 83; Söllner § 9 actio (F.) quanti minoris (lat.) Minderungs- klaganspruch Lit.: Kaser § 41 VI 4; Söllner § 9 Actio (F.) quod iussu (lat.) (Geheißklage) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen den Hausvater wegen des Geschäfts eines Haussohnes. Lit.: Kaser §§ 49, 83; Schleppinghoff, A., Actio quod iussu, Diss. jur. Köln 1996 actio (F.) redhibitoria Wandelungsklag- anspruch Lit.: Kaser §§ 34, 41; Söllner § 9 actio (F.) rei uxoriae (lat.) Klaganspruch auf Herausgabe des Heiratsgutes der Frau Lit.: Kaser §§ 33, 34, 36; Söllner §§ 9, 24; Söllner, A, Zur Vorgeschichte und Funktion der actio rei uxoriae, 1969 actio (F.) Serviana (lat.) Pfandklaganspruch Lit.: Kaser § 31 III actio (F.) stricti iuris (lat.) strengrechtlicher Klaganspruch Lit.: Kaser §§ 33 IV, 36 III, 37 I actio (F.) tutelae (lat.) Klaganspruch gegen den Vormund Lit.: Kaser §§ 62 IV 4, 83 II 3 actio (F.) utilis (lat.) brauchbar gemachter Klaganspruch Lit.: Kaser § 55 II 3; Stolmar, R., Die Genesis der actio utilis, 1988; Stolmar, R., Die formula der actio utilis, 1992 actio (F.) venditi (lat.) Kaufpreisklaganspruch des Verkäufers Lit.: Kaser §§ 41 III 2, 83 II 3 actus (lat. [N.]) Trift -> Dienstbarkeit actus (M.) iuridicus (lat.) -> Rechtsgeschäft Lit.: Köbler, DRG 164 actus (M.) legitimus (lat.) bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft Lit.: Kaser §§ 34, 41 Additio (F.) sapientium (lat.) ist das innerhalb der -> Lex Frisionum überlieferte Protokoll über Rechtsmitteilungen zweier Männer namens Wlemarus und Saxmundus. Lit.: Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum, 1927; Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980 Adel ist die Gesamtheit der erblich bevorrechtigten Familien einer Gesellschaft. Derartige Erscheinungen treten in verschiedenen Kulturen auf. Sie sind Wandlungen unterworfen. Die Herkunft des mittelalterlichen deutschen Adels ist nicht geklärt. Neben wirtschaftlichen Gesichts- punkten spielt wohl auch die Herrschaft über Menschen eine Rolle. Nicht sicher feststellbar ist die Bedeutung charismatischer Elemente (Heil, Behauptung göttlicher Abkunft). Das fränkische Volksrecht (507-511?) kennt noch keine rechtliche Aussonderung erblich bevorrechtigter Familien, doch ist es nicht ausgeschlossen, dass der aus der spätrömischen Reichsbeamtenschaft hervorgegangene römi- sche Senatorenadel vergleichbare fränkische Strukturen als Gegenstück findet. Mit den fränkischen Königen steigen viele ihrer Anhänger über die Zuteilung von wichtigen Aufgaben auf. Infolge von Heiratsver- bindungen und militärischen Erfolgen entwickelt sich ein engerer Kreis bedeutender Familien, denen zunehmend die höchsten Ämter des Reiches vorbehalten werden (Reichsadel). Weil ihre Lehen seit dem Ende des 9. Jh.s erblich werden, festigt sich ihre örtliche Bindung zu bestimmten Gebieten. 9 Diese oberste Schicht des bereits in den karolingischen Volksrechten durch ein beson- deres -> Wergeld sowie im Übrigen durch -> Ebenburt (Ebenbürtigkeit) und später -> Pairsgericht gekennzeichneten Adels wird zu den -> Landesherren bzw. -> Reichsfürsten. Demgegenüber tritt der vielfach der Unfreiheit entstammende, durch Herrendienst entstandene -> niedere Adel in den Dienst der Landesherren ein. Seit 1346 kann der A. (vom König) durch Urkunde an Bürger verliehen werden (Briefadel). Mit dem Absolutismus wird die politische Bedeutung des Adels im Land beschnitten. Durch Säkularisation, Mediati- sierung, Beseitigung der Grundherrschaft und Einführung des Gleichheitsgrundsatzes wird der rechtliche Vorrang des Adels (im deutschen Gebiet) in der jüngeren Neuzeit (bis 1918) beseitigt. Mit der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone (1945-1949) werden ihm dort auch die wirtschaftlichen Grundlagen entzogen. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 78, 87, 98, 111, 120, 132, 135, 149, 206, 225; Guilhermoz, P., Essai sur l'origine de la noblesse en France, 1902; Wittich, W., Altfreiheit und Dienstbarkeit des Uradels in Niedersachen, Vjschr. für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1906; Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Mayer, E., Der germanische Uradel, ZRG GA 32 (1911), 1; Mayer, E., Zur Lehre vom germanischen Uradel, ZRG GA 37 (1916), 93; Ernst, V., Die Entstehung des niederen Adels, 1916; Lintzel, M., Die Stände der deutschen Volksrechte, 1933; Dungern, O. v., Adelsherrschaft im Mittelalter, 1927, Neudruck 1967; Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Bader, K., Zur Lage und Haltung des schwäbischen Adels am Ende des alten Reiches, Zs. f. württ. 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Endres, W., 1993; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Ranft, A., Adelsgesellschaften, 1994; Fehrenbach, E., Adel und Bürgertum im deutschen Vormärz, HZ-258 (1994), 1; Jackman, D., Das Eherecht und der frühdeutsche Adel, ZRG GA 112 (1995), 158; Geschichte des sächsischen Adels, hg. v. Keller, K. u. a., 1997; Contamine, P., La noblesse au royaume de France, 1997; Nobilitas, hg. v. Oexle, G. u. a., 1997; Dumoulin, K., Die Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen Recht, 1997; Rösener, W., Adelsherrschaft als kulturhistorisches Phänomen, HZ 268 (1998), 1; Werner, K., Naissance de la noblesse, 1998; Peters, U., Dynastiegeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Reif, H., Adel im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Baudisch, S., Lokaler Adel in Nordwestsachsen, 1999; Binder-Krieglstein, R., Österreichisches Adelsrecht 1968-1918/19, 2000; Nobles and Nobility in Medieval Europe, hg. v. 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Conze, E., 2005; Dendorfer, J., Adelige Gruppenbildung und Königsherrschaft, 2005; Kleines Lexikon des Adels, hg. v. Conze, E., 2005 Ädile sind im römischen Recht zunächst die beiden Vorsteher des plebejischen Sonderheiligtums (lat. [F.] aedes [sacra], Tempel), die auch die Aufsicht über die dort stattfindenden Märkte haben. Im Jahre 367 v. Chr. wird ihnen die allgemeine Polizeigewalt 10 übertragen. Ihnen werden zwei weitere Ä. zur Seite gestellt, die abwechselnd aus Patriziern und Plebejern gewählt werden sollen. Sie erhalten die Marktgerichtsbarkeit, in deren Rahmen sie ein eigenes Edikt aufstellen. Außer in Rom gibt es Ä. später auch in anderen Gemeinden. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 8, 15; Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 aditio (lat. [F.]) Antritt adiudicatio (lat. [F.]) Zuspruch Adler ist der Vogel, der als König der Vögel bereits im Altertum als Begleitzeichen des höchsten Gottes (Zeus, Jupiter) erscheint und bald als Zeichen der römischen Weltherrschaft verwendet wird. Diese Symbolik übernimmt anscheinend Karl der Große. Unter Friedrich I. Barbarossa wird der goldene A. auf farblosem Grund zum Reichswappen, das im 13. Jh. schwarz auf goldenem Grund gestaltet wird. Am Ende des 12. Jh.s tritt der ebenfalls schon antike Doppeladler in Siegeln von Reichsstädten neben den einfachen A. Um 1230 geben die Reichsfürsten den bis dahin wegen ihrer königlichen Lehen geführten A. fast durchweg auf. Unter Kaiser Sigismund wird 1433 der schwarze Doppeladler im goldenen Feld Reichswappen, neben dem der König bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) den einfachen A. führt. 1848 erklärt die Bundesversammlung den Doppeladler zum Wappen des Deutschen Reiches, 1871 das Deutsche Reich den einköpfigen schwarzen A. in Gold mit aufgelegtem preußischem Adlerschild, 1919 den einköpfigen schwarzen A. in Gold, der 1950 von der Bundesrepublik Deutschland übernommen wird. Österreich verwendet 1804 den Doppeladler als Reichswappen, versieht ihn aber mit je einer Krone und führt 1919 den einköpfigen schwarzen A. mit Hammer und Sichel in den Fängen ein, der von 1934 bis 1945 durch einen Doppeladler ersetzt, 1945 aber mit einer zusätzlichen gesprengten Eisenkette wieder aufgenommen wird. Preußen führt seit 1320 zusätzlich den kaiserlichen A., der 1525 als schwarzer A. in Silber gestaltet und mit einer goldenen Krone um den Hals und einem silbernen S(igismund) auf der Brust versehen wird. 1701 wird der gekrönte schwarze A. in Silber Wappen des Königreichs. Lit.: Gritzner, E., Symbole und Wappen des alten deutschen Reiches, 1902; Korn, H., Adler und Doppeladler, Diss. phil. Göttingen 1969, Neudruck 1976; Hattenhauer, H., Deutsche Nationalsymbole, 1984; Hattenhauer, H., Geschichte der deutschen Nationalsymbole, 2. A. 1990; Hattenhauer, H., Deutsche Nationalsymbole, 3. A. 1998 Administratio Lit.: Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 42 Administrator ist seit dem Ende des 13. Jh.s der Verwalter eines Bistums. Lit.: Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 43 adoptio (lat. [F.]) Annahme an Kindes Statt -> Adoption Adoption ist die Annahme eines Menschen als Kind. Das römische Recht kennt in diesem Zusammenhang neben der (lat. [F.]) adrogatio eines Menschen sui iuris und verschiedenen testamentarischen Geschäften in Anknüpfung an die Zwölftafelgesetzgebung die (lat. [F.]) adoptio eines Menschen alieni iuris, bei der ein Vater seinen Sohn dreimal (bzw. eine Tochter oder einen Enkel einmal) dem künftigen Adoptivvater zu treuen Händen durch -> Manzipation (lat. [F.] -> mancipatio) überträgt, dieser ihn dreimal (bzw. einmal) freilässt, der Adoptierende vor dem Gerichtsmagistrat behauptet, dass das Kind das seine sei, der Vater nicht widerspricht und der Magistrat den Menschen dem Adoptivvater zuteilt. Das frühmittelalterliche Recht nimmt mit ähnlicher Zielsetzung die -> Affatomie bzw. das Speergedinge vor. Zu Beginn der Neuzeit wird die römischrechtliche A. in eingeschränkter Form aufgenommen (Freiburg 1520) und findet Eingang in die vernunftrechtlichen Kodifikationen. In Deutschland wird sie 1900 in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen und 1976 neu gefasst, in Großbritannien 1926 eingeführt. Lit.: Kaser § 60; Söllner §§ 8, 25; Hübner; Köbler, DRG 21, 268; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im germanischen Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Pitzorno, B., L'adozione privata, 1914; Eichmann, E., Die Adoption des deutschen Königs durch den Papst, ZRG GA 37 (1916), 291; Kuhn, H., Philologisches zur Adoption bei den Germanen, ZRG GA 56 (1947), 1; Wackernagel, W., Die rechtliche 11 Stellung der Nachkommen des Adoptivkindes, Diss. jur. Basel 1953; Diederichsen, U., Wandlungen des Adoptionsrechts, StAZ 1977, 301; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts, 1986; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Jussen, B., Patenschaft und Adoption, 1991; Knütel, R., Zur Adoption im römischen Recht, in: Familienrecht in Geschichte und Gegenwart, 1992, 3; Schoenenberger, M., Histoire du droit de l'adoption, (Diss. jur. Freiburg i. Ü.) 1995; L'adoption, hg. v. Lett, D. u. a., 1998; Neukirchen, C. Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption, 2004 advocatus (lat. [M.]) Herbeigerufener (Rechtsbeistand) -> Advokat, (mlat.) -> Vogt Advokat (lat. [M.] advocatus) ist seit dem 5. Jahrhundert in der Kirche ein Funktionsträger. Im 8. Jh. schreibt die Kirche die Zuziehung solcher advocati (M.Pl.) in weltlichen Streitigkeiten der Geistlichen vor. Bis 1340 wird ihr Aufgabenkreis durch päpstliche Dekrete näher bestimmt. Am Ende des 14. Jh.s findet das Wort als Fremdwort Eingang in das Deutsche. Im Prozess verfasst der A. als Bera- ter und Vertreter einer Partei Klageschriften und andere Stellungnahmen und trägt sie in seinem Plädoyer vor Gericht mündlich vor. Mit der Rezeption übernimmt zeitweise (KGO 1421, RKGO 1495) der -> Prokurator den Vortrag vor Gericht. In Preußen wird 1793 kurzfristig die Advokatur abgeschafft. 1878 wird der Ausdruck A. durch -> Rechtsanwalt ersetzt. Lit.: Söllner §§ 9, 11; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 56, 86, 117, 153; Fournier, P., Les officialités au Moyen Age, 1880; Hogan, J., Judicial Advocates and Procurators, 1941; Hermesdorf, B., Licht en schaduw in de advocatuur der Lage Landen, 1951; Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der Reichsstadt Ulm, 1966; Grahl, C., Die Abschaffung der Advokatur, 1993; Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997; Neschwara, C., Die Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Officium advocati, hg. v. Mayali, L., 2000 AEIOU ist die von dem der Buchstabenmagie zugetanen Kaiser Friedrich III. (1440-1493) von Habsburg seit 1437 verwendete Zeichenfolge, deren vielfache lateinische und deutsche Erklärungen (z. B. [lat.] Austriae est imperare orbi universo) erst später erscheinen. aequitas (lat. [F.]) Billigkeit, Gerechtigkeit Lit.: Rühl, P., Das aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20 (1899), 207; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA 52 (1932), 53 Aequitas (F.) canonica (lat.) ist die aus den Umständen des Einzelfalles eine Abweichung vom geltenden Recht begründende kanonische Billigkeit. Auf Grund von antiken Vorläufern (griech. epicheia, lat. supraiustitia) und kir- chenrechtlichen Sammlungen des 10. und 11. Jh.s wird sie von Gratian (1140) verwendet. Ziel ist die praktische Verwirklichung des Ge- rechtigkeitsideals. Hauptsächlich dient die a. c. der Auslegung und Ergänzung rechtlicher Regeln. Lit.: Wohlhaupter, E., Aequitas canonica, 1931; Maitland, F., Equity, 1936; Hering, C., Die aequitas bei Gratian, in: Studia Gratiana Bd. 2 1954, 96; Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968; Caron, P., ,,Aequitas" romana, ,,misericordia" patristica ed ,,epicheia" aristotelica nella dottrina dell' ,,aequitas canonica", 1971; Equity in the World's Legal Systems, hg. v. Newman, A., 1973; Maifeld, J., Die aequitas bei L. Neratius Priscus, 1991; Landau, P., Der Einfluss des kanonischen Rechts, in: Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991, 39; Wesener, G., Aequitas naturalis, in: Der Gerechtigkeitsanspruch des Rechts, 1996, 82 aerarium (lat. [N.]) Staatskasse, Staatsschatz Affatomie ([F.] ,,Indenschoßsetzung") ist das förmliche Verfahren des altfränkischen Rechtes, durch das Güter eines kinderlosen Erblassers Dritten zugewendet werden können. Lit.: Hübner; Schmidt, R., Die Affatomie der lex Salica, 1891 Africanus ist der als Schüler des -> Julian bekannte römische Jurist des 2. Jh.s n. Chr. ( 175?), von dem Epistulae und Quaestiones bezeugt sind. Lit.: Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961 Afrika ist der südlich Europas gelegene Kontinent, dessen günstige klimatische Gegebenheiten die Entwicklung des modernen Menschen ermöglichen, dessen Nordrand schon dem römischen Reich angehört, dessen südliche Teile aber erst mit dem Beginn der Neuzeit in das europäische Gesichtsfeld treten. Lit.: Davidson, B., Old Africa rediscovered, 1959; Davidson, B., Urzeit und Geschichte Afrikas, 1961; 12 Strauch, H., Afrikas Weg zur Einheit, Diss. jur. Zürich (um 1965); Zimmermann, R., Der Einfluss Pothiers auf das römisch-holländische Recht in Südafrika, ZRG GA 102 (1985), 168; Davidson, B., The Black Man's Burden, 1992; Iliffe, J., Geschichte Afrikas, 2. A. 2003; Harding, L., Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Hazdra, P., Afrikanisches Gewohnheitsrecht, 1999; Wesseling, H., Teile und herrsche, 1999; Afrika, hg. v. Grau, I. u. a., 2000; Das Afrika-Lexikon, hg. v. Mabe, J., 2001; Ansprenger, F., Geschichte Afrikas, 2002; Fage, J./Oliver, R., Kurze Geschichte Afrikas, 2002; Giliomee, H., The Afrikaners, 2003; Kleines Afrika-Lexikon, hg. v. Hofmeier, R. u. a., 2004; Marx, C., Geschichte Afrikas, 2004; Guérivire, J. de la, Die Entdeckung Afrikas, 2004 Afterlehen ist die seit dem Anfang des 14. Jh.s entstandene Bezeichnung für das von einem Lehnsmann in einem weiteren, von ihm begründeten Lehnsverhältnis an einen (Unter- )Lehnsmann weitergegebene Lehen. Im Gegensatz zu England und der Normandie ist in Deutschland und Frankreich der Empfänger des Afterlehens dem (Ober-)Lehnsherrn nicht zu Dienst und Treue verpflichtet. Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von Katzenelnbogen, 1969 Agnat ist der über Männer Verwandte. Im römischen Recht sind adgnati (M.Pl.) alle freien Menschen, die in demselben Hausverband stehen oder noch ständen, wenn ihr gemeinsamer Stammvater noch lebte. Im germanisch-deutschen Sprachbereich sind die Agnaten die Verwandten, die sich in rein männlicher Linie auf einen gemeinsamen Stammvater zurückführen lassen (-> Schwertmagen). Der verschiedentlich behaup- tete Vorrang des agnatischen Prinzips vor dem kognatischen Prinzip ist nicht nachweisbar. Lit.: Kaser § 12; Kroeschell, DRG 1; Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957) Agrarverfassung ist die (rechtliche) Grundordnung der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke einer Allgemeinheit. Die römische A. ist zunächst durch kleinbäuerliche naturale Hauswirtschaft gekennzeichnet, doch bewirkt die Entwicklung Roms zu einer Weltmacht den Übergang der römischen Kleinbauern in das Proletariat, während die Patrizier durch Sklaven Plantagenwirtschaft betreiben können. Die A. der Germanen ist umstritten. Eher unwahrscheinlich ist die durch Berichte Caesars und Tacitus' nahegelegte urkom- munistische A. mit jährlicher Ackerverlosung. Vielmehr dürften Haus und umliegendes Ackerland oder Weideland bereits fami- lienmäßig zugeordnet gewesen sein. Vielleicht als Folge der Landnahme in der Völkerwanderung und der Begegnung mit provinzialrömischen Zuständen entsteht die -> Grundherrschaft als überwiegende Form des Betriebs der -> Landwirtschaft. An ihre Stelle tritt im 19. Jh. das -> Eigentum des einzelnen Bauern. Im 20. Jh. führt die politische und wirtschaftliche Entwicklung zur Notwendigkeit der Bildung größerer Wirtschaftseinheiten (landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaf- ten in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR, Landpacht). Lit.: Köbler, DRG 133, 174; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Wührer, K., Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des germanischen Nordens, 1935; Lütge, F., Die Agrarverfassung des frühen Mittelalters im mitteldeutschen Raum, 1937, 2. A. = Neudruck 1966; Lütge, F., Geschichte der deutschen Agrarverfassung, 1963; Blaschke, K., Grundzüge und Probleme einer sächsischen Agrarverfassungsgeschichte, ZRG GA 82 (1965), 223; Wege und Forschungen der Agrargeschichte (FS Günther Franz), hg. v. Haushofer, H. u. a., 1967; Groß, R., Die bürgerliche Agrarreform in Sachsen, 1968; Jamin, R., Aufbau, Tätigkeit und Verfahren der Auseinandersetzungsbehörden bei der Durchführung der preußischen Agrarreformen, 1985; Agrargeschichte, hg. v. Troßbach, W. u. a., 1998 Agustín, Antonio (Saragossa 1516-Rom 1586) schafft nach Studien in Alcala, Salamanca, Padua und Bologna (Alciat) im päpstlichen Dienst die Grundlage für die geschichtliche Bearbeitung der Quellen des kirchlichen Rechts. Lit.: Bernal Palacios, A., Antonio Agustín y su ,,Recollecta in iure canonico", in: Revista espaola de derecho canonico 45 (1988), 487 Ägypten ist das sich längs des unteren Nils erstreckende Gebiet, in dem seit dem Ende des 4. Jt. v. Chr. eine Hochkultur erkennbar ist, deren Rechtssätze nur wenig bekannt sind. 30 v. Chr. fällt Ä. an die Römer, später wird es rasch vom -> Islam erfasst. Lit.: Friedell, E., Kulturgeschichte Ägyptens und des Alten Orients, 1936, Neudruck 1998; Seidl, E., 13 Einführung in die ägyptische Rechtsgeschichte, 2. A. 1951; Seidl, E., Ägyptische Rechtsgeschichte 2. A. 1968; Goedicke, Die privaten Rechtsinschriften, 1970; Lurje, Studien zum altägyptischen Recht, 1971; Seidl, E., Rechtsgeschichte Ägyptens als römischer Provinz, 1973; Wolff, H., Das Recht der griechischen Ppyri Ägyptens, Bd. 2 1978; Vercoutter, J., LÉgypte, Bd. 1 1992; Hölbl, G., Geschichte des Ptolemäerreiches, 1994; Assmann, J., Ägypten, 1996; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 2. A. 2001; Reclams Lexikon des alten Ägypten, hg. v. Shaw, I. u. a., 1998; Boochs, W., Altägyptisches Zivilrecht, 1998; Huß, W., Ägypten in hellenistischer Zeit, 2001; Clauss, M., Das alte Ägypten, 2001; Wolff, H., Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, hg. v. Rupprecht, H., Bd. 1 2002 Ahnengrab Lit.: Meier, J., Ahnengrab und Brautstein, 1944; Meier, J., Ahnengrab und Rechtsstein, 1950 Ahnenprobe Lit.: Klocke, F. v., Westdeutsche Ahnenproben, 1940 Ahrweiler Lit.: Krahforst, P., Stadtverfassung und Gerichtswesen im mittelalterlichen Ahrweiler, Diss. jur. Bonn 1962; Inventar des Archivs der Stadt Ahrweiler 1228-1795, bearb. v. Zimmer, T., 1965 Akademie ist die 529 n. Chr. vom oströmischen Kaiser Justinian verbotene Philosophenschule, deren Grundgedanke 1454 in Italien (Terranuova/Florenz) wiederbelebt wird. Seitdem versammeln sich nach dem Kooptationsprinzip bedeutende universitäre Gelehrte in außeruniversitären Akademien. Der entscheidende Anteil an der Entwicklung der modernen Welt kann aber eher den Univer- sitäten (z. B. Halle, Göttingen, Berlin) als den Akademien zugesprochen werden. Lit.: Electoralis academiae scientiarum Boicae primordia, Briefe aus der Gründungszeit, 1959; Lepper, H., Die Einheit der Wissenschaften, 1987; Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin, hg. v. Kocka, J., 1999; Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914-1945, hg. v. Fischer, W., 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u. a., 2001; Hammerstein, N., Innovation und Tradition, HZ 278 (2004), 591 Akademie für deutsches Recht ist die außeruniversitäre wissenschaftliche Einrich- tung der nationalsozialistischen Zeit (1933- 1945) zur weltanschaulichen Umgestaltung des Rechts. Die A. f. d. R. wird mit verschiedenen Gesetzesvorhaben befasst (u. a. Volksge- setzbuch). Ihr wissenschaftlicher Ertrag bleibt notwendigerweise eher gering. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Pichinot, H., Die Akademie für deutsches Recht, 1981; Akademie für Deutsches Recht, 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse, hg. v. Schubert, W., Bd. 1ff. 1986ff.; Anderson, D., The Academy for German Law 1933-1944, 1987; Wacker, G., Der Erbrechtsausschuss, 1997 Akklamation (F.) Zuruf, Zustimmung Akkreszenz -> Anwachsung Akkusationsprozess ist der seit dem 4. Jh. (Konstantin) aus dem römischen Recht in das kirchliche Recht (6./7. Jh.) übernommene Prozess. Er erfordert eine -> Anklage. Kennzeichnend sind die dem Anklageschrift- satz beizufügende Verpflichtung des Anklägers zum -> Talion für den Fall der Falschanklage und der -> Kalumnieneid. Im Hochmittelalter wird der A. auf den -> Strafprozess einge- schränkt. Ein Gegensatz zum A. ist der -> Inquisitionsprozess. -> Anklageprozess Lit.: Köbler, DRG 156; Herde, P., Audientia litterarum contradictarum, Bd. 1 1970; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher Frage, 1971 Akten ist die seit dem 15. Jh. (1500 acten) gelegentlich erscheinende Bezeichnung der in Gericht und Verwaltung in einer Angelegenheit entstehenden Schriftstücke. Solche A. kennt schon die Antike (59 v. Chr. [lat. N. Pl.] acta senatus). Nach dem frühmittelalterlichen Rückgang des Schriftwesens werden sie erst im 14. Jh. wieder bedeutsamer. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 3, 5, 105, 145; Neuss, E., Aktenkunde der Wirtschaft, 1954; Dülfer, K., Urkunden, Akten und Schreiben in Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957), 11; Schellenberg, T., Akten- und Archivwesen in der Gegenwart, 1961; Weitzel, J., Das Inventar der Akten des Reichskammergerichts, ZNR 1999, 408; Prozessakten als Quellen, hg. v. Baumann, A. u. a., 2001; Zala, S., Geschichte unter der Schere politischer Zensur, 2001 Aktenversendung ist die in der frühen Neuzeit verbreitete Übung der Gerichte, in einem anhängigen Verfahren die Akten mit der Bitte um ein(en) Urteil(svorschlag) zu versenden. Sie baut auf dem mittelalterlichen -> Oberhof auf, bezieht aber nach italienischem Vorbild Juristen und deren -> Fakultäten immer stärker ein (vgl. Art. 219 CCC). Seit der Mitte des 18. Jh.s schränken staatliche Gesetze die A. ein 14 (Preußen 1746, Bayern 1753). Mit den Reichsjustizgesetzen der Jahre 1877/1879 endet die der Unmittelbarkeit des Richters widersprechende A. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 155, 201; Bülow, O., Das Ende des Aktenversendungsrechts, 1881; Löning, G., Spätes Lob der Aktenversendung, ZRG GA 63 (1943), 333; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät, 1962; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983 Aktenwesen -> Akten Aktie -> Aktiengesellschaft Lit.: North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995 Aktiengesellschaft ist die Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (juristische Person), die ein in Aktien zerlegtes Grundkapital hat und für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Sie entsteht aus den Bedürfnissen der Beschaffung hohen Kapitals und der Streuung großen Risikos im Kolonialhandel am Beginn des 17. Jh.s (Niederländische ostindische Handelscom- pagnie 1602). Gesetzlich wird die A. im französischen Code de commerce (1807, 14 Artikel), im Gesetz über die Aktiengesellschaften für die königlich preußischen Staaaten vom 9. November 1843 (Konzession, Vorstand und Generalversamm- lung) und im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861, Konzessionssystem 1870 durch System der Normativbestimmungen ersetzt), danach in Deutschland 1937 in einem eigenen, 1965 und 1994 novellierten Aktiengesetz geregelt. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 167, 217, 242, 272; Lehmann, K., Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts, 1895; Cohn, G., Die Aktiengesellschaft, Bd. 1 1921; Schumacher, H., Die Entwickelung der inneren Organisation der Aktiengesellschaft, 1937; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique des sociétés den commerce en France, 1938; Bösselmann, Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens, 1939; Rauch, K., Die Aktienvereine in der geschichtlichen Entwicklung des Aktienrechts, ZRG GA 69 (1952), 238; Reich, N., Die Entwicklung des deutschen Aktienrechts, Ius commune 2 (1969), 239; Gmür, R., Die Emder Handelscompagnien, FS H. Westermann 1974, 167; Großfeld, B., Die rechtspolitische Bedeutung der Aktiengesellschaft im 19. Jahrhundert, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v., Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 236ff.; Landwehr, G., Die Organisationsstruktur der Aktienunternehmen, in: Vom Gewerbe zum Unternehmen, 1982, 251; Landwehr, G., Die Verfassung der Aktiengesellschaft, ZRG GA 99 (1982), 1; 100 Jahre modernes Aktienrecht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1984; Schubert, W., Die Entwürfe der Weimarer Republik zur Reform des Aktienrechts, ZRG GA 103 (1986), 140; Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der Ausschüsse 1 Ausschuss für Aktienrecht, hg. v. Schubert, W., 1986; Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik. Die Protokolle der Verhandlungen im Aktienrechtsausschuss des vorläufigen Reichswirtschaftsrats, hg. v. Schubert, W. u. a., 1987; Gaastra, F., De geschiedenis van de VOC, 1991; Nörr, K., Zur Entwicklung des Aktien- und Konzernrechts, ZHR 150 (1986), 155; Frey, M., Die spanische Aktiengesellschaft, 1999; Hartung, W., Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, 2000; Bahrenfuss, D., Die Entstehung des Aktiengesetzes von 1965, 2001; Kalss, S./Burger, C./Eckert, G., Die Entwicklung des österreichischen Aktienrechts. Geschichte und Materialien, 2003; Söhnchen, M., Die historische Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen, 2005 Aktivlegitimation (F.) Klagebefugnis Akzeptation (Annahme, Anerkennung) ist die durch Überleitungsgesetz erfolgende weltliche Anerkennung (Transformation) kirchlichen Rechts im Spätmittelalter (z. B. Mainzer Akzeptation 1439). Lit.: Hürten, H., Die Mainzer Akzeptation, 1955 Akzessorietät (F.) Abhängigkeit eines rechtlichen Umstandes von einem anderen Akzise (zu lat. accidere, auferlegen, cisa, Einschnitt) ist die im 11. Jh. in Spanien (1001) und Venedig, im 13. Jh. im deutschen Reich (Köln 1206, Standal 1314 Bierziese) bezeugte, ursprünglich städtische -> Verbrauchsteuer (auf z. B. Wein, Bier, Salz, Getreide, Fleisch). In den Ländern wird die A. im 17. Jh. bedeutsam (Württemberg 1633, Sachsen 1641, Brandenburg 1641, Kurpfalz 1699). Im 19. Jh. tritt die A. gegenüber der Einkommensteuer zurück, wird aber in der Form der Umsatzsteuer oder Mehrwertsteuer im 20. Jh. wieder belebt. Lit.: Köbler, DRG 113; Knipping, R., Die Kölner Stadtrechnungen des Mittelalters, 1897; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992 15 Alarich -> Breviarium Alarici Albanien ist der südosteuropäische, nördlich Griechenlands an der Adria gelegene Staat mit einer Fläche von 28748 qkm und rund 2,8 Millionen überwiegend muslimischer Einwoh- ner (Skipetaren oder Albaner), deren Sprache zum albanischen Zweig der indogermanischen Sprachenfamilie zählt. Das Gebiet wird im 1. Jt. v. Chr. griechisch beeinflusst und gerät 168 v. Chr. unter römische Herrschaft. Am Ende des Mittelalters wird das von 1392 bis 1479 Venedig unterstehende A. von den Osmanen erobert. Am 28. 11. 1912 erklärt sich A. für unabhängig, 1928 zum von 1939 bis September 1943 in Personalunion mit Italien verbundenen Königreich. Am 11. 1. 1946 entsteht die Volks- republik A. Im Dezember 1990 endet die kommunistische Einparteienherrschaft. Seit freien Wahlen vom März 1991 bemüht sich A. um eine Öffnung. Das albanische Recht ist dementsprechend im Wandel der Zeiten griechisch, römisch, osmanisch (Geltung der -> Megelle [1869­1876] bis 1928), westlich, sozialistisch und demokratisch geprägt. Lit.: Frasheri, K., The History of Albania, 1964; Skendi, S., The Albanian National Awakening, 1967; Ruß, W., Der Entwicklungsweg Albaniens, 1979; Lendvai, P., Das einsame Albanien, 1985; Albanien im Umbruch, hg. v. Altmann, F., 1990; Albanien, hg. v. Neuwirth, H. u. a., 1995; Mustafaj, B., Albanien, 1997; Kohl-Libal, C. v., Albanien, 1998; Schmitt, O., Das venezianische Albanien, 2001; Kohl, C. v., Albanien, 2. A. 2003; Albanien, hg. v. Jordan, P. 2003 Albertiner -> Wettin Alcala de Henares ist die östlich Madrids in Spanien gelegene Stadt, die auf römische Grundlagen zurückgeht und 1118 den Mauren wieder abgewonnen wird. 1348 wird dort durch die Cortes ein bedeutendes Rechtsbuch verkündet. 1498/1508 wird eine 1836 nach Madrid verlegte Universität gegründet. Alciat, Andreas (Alzate bei Como 1492-Pavia 1550), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium Latein, Griechisch, 1507 Rechtswissenschaft in Pavia und Bologna, 1516 Promotion Universität Ferrara, Advokat Mailand, 1518 nach Avignon berufen, 1522 Advokat Mailand, 1527 an die Universität Avignon zurückgekehrt, 1529 nach Bourges und 1533 nach Pavia berufen, 1541-1546 Ferrara. Er begründet mit Budé und Zasius die vom -> Humanismus geprägte Rechtswissenschaft ([lat.] Paradoxa [N.Pl.] iuris civilis, 1518, De verborum significatione, 1530), die im (lat.) -> mos (M.) Gallicus zum Ausdruck kommt. Zeitlebens ist er auch ein geschätzter Gutachter. Lit.: Köbler, DRG 143; Omnia ... opera, 1557, Neudruck 2004; Moeller, E. v., Andreas Alciat, 1907; Viard, P., André Alciat, 1926; Troje, H., Humanistische Jurisprudenz, 1993 Alemanne ist der Angehörige eines wohl am Ende des 2. Jh.s n. Chr. vor allem aus elbgermanischen Sueben gebildeten, im 3. Jh. erstmals erwähnten germanischen Stammes, der 259/260 den römischen Limes durchbricht und das Gebiet am oberen Rhein besiedelt (am Anfang des 4. Jh.s im Breisgau). 496/497 unterliegen die von einem König geführten Alemannen den -> Franken. Etwa zu dieser Zeit setzt die sich über Jahrhunderte hinziehende Christianisierung ein. Zu Beginn des 7. Jh.s zeichnen sie ihr Recht im -> Pactus Alamannorum und zu Beginn des 8. Jh.s in der -> Lex Alamannorum auf. 746 wird ihr Herzogtum vom fränkischen König endgültig beseitigt. Im fränkisch-deutschen Reich gehen die Alemannen in Schwaben (Baden, Württemberg), Elsässern, Schweizern und Vorarlbergern auf. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Cramer, J., Die Geschichte der Alamannen, 1899; Grundfragen der alemannischen Geschichte, hg. vom Institut für geschichtliche Landesforschung, 1955; Die Alemannen in der Frühzeit, hg. v. Hübener, W., 1974; Zur Frühgeschichte der Alemannen, hg. v. Müller, W., 1975; Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978; Borgolte, M., Die Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit, 1984; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens, 1986; Geuenich, D., Geschichte der Alemannen, 1997, 2. A. 2004; Die Alamannen, hg. v. archäologischen Landesmuseum, 1997; Franks and Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Bücker, C., Frühe Alemannen im Breisgau, 1999; Siegmund, F., Alemannen und Franken, 2000; Hartung, W., Die Alamannen, 2003; Die Alemannen und das Christentum, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003 Alemannien -> Alemanne, -> Schwabe Alexander III., der als Roland Bandinelli in Siena geboren wird und in Bologna die Rechte lehrt, veranlasst als Papst (1159-1181) bedeutsame -> Dekretalen (u. a. zur 16 Papstwahl). Lit.: Pacaut, M., Alexandre III, 1956; Baldwin, M., Alexandre III and the XIIth century, 1968; Weigand, R., Magister Rolandus und Papst Alexander III., AKKR 149 (1980), 3 Alexander von Roes (2. H. d. 13. Jh.s) ist Kanoniker in Köln und weilt nach 1280 mehrfach in Italien. Er verfasst dort drei Werke. In ihnen setzt er sich zugunsten des deutschen Königs gegen Ansprüche des französischen Königs ein (lat. Memoriale [N.] de prerogativa Romani imperii, 1281). Lit.: Schraub, W., Jordan von Osnabrück und Alexander von Roes, 1910; Alexander von Roes, Schriften, hg. v. Grundmann, H. u. a., 1958 Aller guten Dinge (Gerichtstermine) sind drei. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 76 (Henisch 1616) Allgäu Lit.: Wiedemann, R., Der ,,Allgäuische Gebrauch einer Gerichtsbarkeit nach Personalitätsprinzip, 1932; Zinsrodel des Klosters Mehrerau 1290-1505, bearb. v. Bilgeri, B., 1940 Allgemeine Deutsche Civilprozessordnung ist das 1866 Entwurf gebliebene zivilprozessuale Gesetzgebungsprojekt des Deutschen Bundes, dem die Bürgerliche Prozessordnung (1850) Hannovers des Ministerialbeamten Adolf Leonhardt zugrunde liegt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Protocolle der Commission zur Beratung einer allgemeinen Civilprozessordnung, 1862ff., Neudruck 1985 Allgemeine Deutsche Wechselordnung ist das auf Grund eines 1847 von allen Mitgliedstaaten des -> Deutschen Bundes ausgearbeiteten Entwurfes von der Frankfurter verfassungs- gebenden Nationalversammlung angenom- mene, am 27. 11. 1848 verkündete Gesetz zur Vereinheitlichung des partikularen Wechsel- rechts, das nach Scheitern der Einigungs- bestrebungen des Jahres 1848 in den einzelnen Mitgliedstaaten durch Landesgesetz als gleichlautendes allgemeines deutsches Recht in Kraft gesetzt wird. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protocolle der zur Beratung einer Allgemeinen Deutschen Wechsel- Ordnung in der Zeit vom 20. October bis zum 9. December in Leipzig abgehaltenen Conferenz, 1848; Huter, U., Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978, 77ff.; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 144 (1980), 484; Pannwitz, K. v., Die Entstehung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, 1998 Allgemeine Gerichtsordnung ist das 1781 in Österreich geschaffene Gesetz zur Regelung des gemeinrechtlichen Zivilprozesses (gehei- mes Aktenverfahren mit Verhandlungsmaxime, Eventualmaxime, grundsätzlicher An- waltszwang, mittelbarer Beweisaufnahme und gebundener Beweisregel), das 1796 abgeändert in Westgalizien (Westgalizische Gerichtsord- nung), später in Ostgalizien, der Bukowina, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Dalmatien und Istrien in Kraft tritt und erst durch die ältere Allgemeine Gerichtsordnung und erweiterte Westgalizische Gerichtsordnung vereinheitlichende österreichische Zivilprozess- ordnung von 1895 abgelöst wird. Lit.: Köbler, DRG 155; Baltl/Kocher; Loschelder, M., Die österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978 Allgemeine Gerichtsordnung ist die 1793 für Preußen geschaffene Zivilprozessordnung, die in vernunftrechtlicher Prägung (Erforschung der Wahrheit) eine Abkehr vom gemein- rechtlichen, als zu langwierig empfundenen Zivilprozess versucht, ohne ihre Ziele wirklich erreichen zu können. Lit.: Köbler, DRG 141, 155; Nörr, K., Reinhardt und die Revision der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten, 1975; Eckert, J., Die Entstehung der Allgemeinen Gerichtsordnung, in: Das Preußische Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; Busch, S., Die Entstehung der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preussischen Staaten, 1999 Allgemeine Geschäftsbedingung ist die allgemein verwendete Geschäftsbedingung. Allgemeine Geschäftsbedingungen entstehen nach Vorläufern in Policen von Versicherungen im ersten Drittel des 18. Jh.s am Ende des 19. Jh.s (1919 Berliner Spediteurbedingungen), werden zunächst nur vorsichtig gerichtlich kontrolliert und am 9. 12. 1976 in Deutschland gesetzlich geregelt (2002 als §§ 305ff. in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen). Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Raiser, L., Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935; Pohlhausen, R., Zum Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1978; Nörr, K., Zwischen den 17 Mühlsteinen, 1988; Helm, J., AGB-Regelungen im Transportrecht des ADHGB, FS E. Brandner, 1996, 219; Prang, T., Der Schutz der Versicherungsnehmer, 2003 Allgemeine Gütergemeinschaft -> Gütergemeinschaft Allgemeiner Teil ist der die allgemeinen Erscheinungen besonderer Teile zusammenfassende (und voranstellende) Teil einer Gesamtheit. Nach naturrechtlichen Systematisierungsansätzen (-> Weigel, -> Pufendorf, -> Nettelbladt und Dabelow) ordnet Gustav -> Hugo in seinen Institutionen des römischen Rechts (1799) das Privatrecht neu. Von ihm übernimmt Georg Arnold Heise in seinem Grundriss eines Systems des gemeinen Zivilrechts zum Behuf von Pandektenvorlesungen (1807) einen allgemeinen Teil des Privatrechts. Durch -> Savigny erlangt diese Vorstellung allgemeine Verbreitung und erfasst später über das Privatrecht hinaus auch Strafrecht und Verwaltungsrecht und andere Rechtsgebiete. Lit.: Köbler, DRG 158, 199, 206, 213, 237; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Jakobs, H./Schubert, W., Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB - Allgemeiner Teil, 1985; Lehmann, A., Nettelbladt und Dabelow als die eigentlichen Begründer eines allgemeinen Teiles, FS G. Maier, 1994, 39; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) ist die ->Kodifikation des Privatrechts in -> Österreich. Sie wird mit dem Ziel der Rechtsvereinheitlichung der verschiedenen habsburgischen Herrschaftsbereiche schon von Leibniz als Codex Leopoldinus Leopolds I. angeregt. 1709 setzt Joseph I. Kompilations- kommissionen in Prag und Brünn ein, 1753 Maria Theresia eine Kommission zur Abfassung eines (lat.) -> Codex (M.) Theresianus, der Provinzialrechte, das gemeine Recht, die Gesetze anderer Staaten und das allgemeine Recht der Vernunft berücksichtigen soll. Der 1766 fertiggestellte Entwurf wird lediglich als brauchbare Materialsammlung angesehen. Der gekürzte Entwurf Johann Bernhard Hortens wird 1776 nicht weiter beraten, in seinem personenrechtlichen Teil aber zum 1. 1. 1787 als -> Josephinisches Ge- setzbuch Josephs II. in den deutschen Erblanden in Kraft gesetzt. 1794 arbeitet Karl Anton von -> Martini an Hand der Benützung des Entwurfes Hortens und des zu diesem Zeitpunkt in Kraft gesetzten Allgemeinen Landrechts Preußens einen neuen, stärker naturrechtlich geprägten Entwurf aus, der durch Patent vom 13. 2. 1797 als -> Westgalizisches Gesetzbuch für das aus der dritten Teilung Polens 1795 erworbene Erbland Westgalizien und durch Patent vom 18. 9. 1797 auch für Ostgalizien kundgemacht wird. Er wird als sog. Urentwurf oder Entwurf Martini unter der Leitung Franz von -> Zeillers zwischen 1801 und 1810 in drei Lesungen beraten und zum 1. 1. 1812 für die gesamten deutschen Erblande des österreichischen Kaisers (Niederösterreich, Oberösterreich [ohne Innkreis], Böhmen [einschließlich Marktredwitz und sog. Fraischbezirk in der Oberpfalz, in Geltung bis 31. 12. 1899], Mähren, Schlesien, Galizien [z. T.], Bukowina, Teile des Hausruckkreises, Steiermark, Kärnten, Militärgrenze) als reines Privatgesetzbuch in Kraft gesetzt. Von Savigny wird es als misslungen bewertet. Durch Patent vom 29. 11. 1812 bzw. 1846 (Erbrecht) wird es von Liechtenstein übernommen. 1852 wird es in Ungarn, Kroatien und Slwawonien, in der Woiwodschaft Serbien und im Temescher Banat, durch Patent vom 29. 5. 1853 in Siebenbürgen eingeführt. Bern, Luzern, Solothurn und Aargau dient es als Vorbild. 1914 (Personenrecht, Familienrecht, Vormund- schaftsrecht, gesetzliches Erbrecht), 1915 (Grenzerneuerung, Grenzberichtigung), 1916 (Eigentumsvorbehalt, Belastungsverbot, Schuldübernahme, Auslobung, Schadensersatz, Verjährung) wird das ABGB pandektistisch novelliert. 1938 wird das Eherecht durch das Ehegesetz geändert, seit den 70er Jahren des 20. Jh.s durch mehrfache Novellierung das gesamte Familienrecht. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141, 185, 205; Harras von Harrasowsky, P., Geschichte der Kodifikation des österreichischen Civilrechtes, 1868; Ofner, J., Der Ur-Entwurf, Bd. 1f. 1889; Festschrift zur Jahrhundertfeier des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, 1911; Ogris, W., 175 Jahre ABGB, 1986/7; Caroni, P., Der unverstandene Meister, FS H. Baltl, 1978, 107; Neschwara, C., Die Geltung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Ungarn und seinen Nebenländern von 18 1853 bis 1861, ZRG GA 113 (1996), 362; Frohnecke, E., Die Rolle des ABGB in Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, 2001 Allgemeines Deutsches Gesetz über Schuldverhältnisse ist das seit 1863 von den Mitgliedstaaten des -> Deutschen Bundes beratene Gesetz, dessen (->Dresdener) Entwurf im Jahre 1866 gerade der Bundesversammlung zugeleitet ist, als der Deutsche Bund am Gegensatz zwischen Österreich und Preußen zerbricht. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Hedemann, J., Der Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, 1866, 1984 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch ist das auf Grund des Vorbildes des französischen -> Code de commerce (1808), preußischer und österreichischer Vorlagen 1861 im (Nürnberger) Entwurf entstandene Handelsgesetzbuch, das die Mitgliedstaaten des -> Deutschen Bundes durch übereinstimmende Einzelstaatsgesetze (u. a. Österreich 1862, in Geltung bis 1938) als allgemeines deutsches Recht in Kraft setzen. An seine Stelle tritt im Deutschen Reich 1897 das -> Handelsge- setzbuch (Österreich 24. 12. 1938). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protokolle der Kommission zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J., Bd. 1ff. 1958ff., Neudruck 1984; Thöl, H., Zur Geschichte des Entwurfes eines allgemeinen deutschen Handels- gesetzbuches, 1861; Goldschmidt, L., Der Abschluss und die Einführung des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 5 (1862), 204ff.; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, ZHR 144 (1980), 484; Wild, P., Der Einfluss des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs auf die Privatrechtsdogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966; Wieacker, F., Privatrechts- geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967 Allgemeines deutsches Recht ist das in der Mitte des 19. Jh.s durch Parallelgesetzgebung der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes entstandene Recht. -> Allgemeine Deutsche Wechselordnung, -> Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Lit.: Köbler, DRG 182 Allgemeines Gesetzbuch für die preußischen Staaten -> Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten Lit.: Svarez, Carl Gottlieb, Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die preußischen Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Register zum allgemeinen Gesetzbuch für die preußischen Staaten (1792), hg. v. Krause, P., 2004; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG 113 (1995), 40; Barzen, Carola, Die Entstehung des ,,Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten", 2000 Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung ist das gewisse aufgeklärte Grundsätze verwirklichende Strafgesetzbuch Österreichs von 1787, das noch vom Strafzweck der Abschreckung ausgeht. Lit.: Baltl/Kocher Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) ist das als -> Kodifikation zum 1. 6. 1794 in Kraft gesetzte umfassende Vernunftrechtsgesetzbuch -> Preußens. Ihm gehen als ältere, im Ergebnis erfolglose Versuche der Rechtsvereinheitlichung ein Ersuchen Friedrich Wilhelms I. von Preußen an die juristische Fakultät der Universität Halle (1714) und das von Samuel von -> Cocceji bearbeitete Projekt eines Corpus juris Fridericiani Friedrichs des Großen voraus. Als Folge des sog. -> Müller-Arnold-Prozesses erarbeiten nach einer Kabinettsorder Friedrichs des Großen Johann Heinrich Casimir von -> Carmer und Carl Gottlieb -> Svarez an Hand des römischen Rechtes nach natürlicher Ordnung und der Sonderrechte der einzelnen Provinzen einen vom König als zu weitläufig zurückgewiesenen Entwurf aus. Nach Überarbeitung wird 1791 ein Entwurf eines -> allgemeinen Gesetzbuches für die preußischen Staaten vorgelegt, sein Inkrafttreten zum 1. 6. 1792 verfügt, aber nach nicht mehr vollständig aufklärbaren Vorgängen im April 1792 auf unbestimmte Zeit suspendiert. 1794 wird das Gesetzbuch nach dem 1793 bei der zweiten Teilung Polens erfolgten Erwerb umfangreicher Gebiete als A. L. R. erlassen. Das Gesetz umfasst in zwei Teilen mit 23 und 20 Titeln sowie 19194 Paragraphen (fast) das gesamte 19 private und öffentliche Recht (Privatrecht, Gemeinderecht, Beamtenrecht, Staatsrecht, Kirchenrecht, Lehnrecht, Strafrecht), das es fürsorglich und kasuistisch abhandelt. Sein vom Einzelnen zum Staat fortschreitender Aufbau ist vernunftrechtlich. Anknüpfungs- punkt ist (noch) nicht der Mensch als ohne weiteres rechtsfähiges Wesen, sondern der Mensch, soweit er nach Geburt, persönlichen Verhältnissen und Stand Rechte und Pflichten hat. Inhaltlich stellt es in seiner Ausrichtung auf das gemeine Wohl einen Ausgleich zwischen altständischer Gesellschaft und aufgeklärter Freiheit dar, der die fortschrittlichen Ideen des Bürgertums nur eingeschränkt verwirklicht. Durch das -> Bürgerliche Gesetzbuch wird es zum 1. 1. 1900 abgelöst. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140, 184, 151, 160, 198; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 355; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Conrad, H., Die geistigen Grundlagen des ALR, 1958; Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, hg. v. Hattenhauer, H., 1970, 2. A. 1994, 3. A. 1996; Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, Register 1973; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1975; Das nachfriderizianische Preußen 1786-1806, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1988; Mühleisen, H., Zur Ordnung der Akten und Materialien des Allgemeinen Landrechts, ZRG GA 108 (1991), 194; Schwennicke, A., Die Entstehung der Einleitung des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, 1993; Friedrich Carl von Savigny, Landrechtsvorlesung 1824, hg. v. Wollschläger, C. u. a., 1994ff.; Gemeinwohl - Freiheit - Vernunft - Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Das Preußische Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; 200 Jahre allgemeines Landrecht, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1995; Kodifikation gestern und heute, hg. v. Merten, D. u. a., 1995; Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG GA 113 (1996), 40; Benthaus, R., Eine ,,Sudeley"?, Diss. jur. Kiel 1996; Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G., 1998; Zur Ideen- und Rezeptionsgeschichte des Preußischen Allgemeinen Landrechts, hg. v. Gose, W. u. a., 1999; Steinbeck, J., Die Anwendung des allgemeinen Landrechts in der richterlichen Praxis, 2004; Benöhr, H., Die Urheber des ALR, ZRG GA 121 (2004), 493; Register zum allgemeinen Gesetzbuch, hg. v. Krause, P., 2004 Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005 Allgemeines Persönlichkeitsrecht ist das einer Person an ihrer Persönlichkeit insgesamt zustehende Recht. Das allgemeine Persön- lichkeitsrecht wird im Gegensatz zum Bürgerlichen Gesetzbuch in Deutschland durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1958 (BGHZ 26, 349) anerkannt. Als Rechtsgrund wird Art. 2 Iff. GG angesehen. Beachte auch § 201a StGB. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Allgemeines Vermögensgesetzbuch für das Fürstentum Montenegro ist das vor allem unter der Mitarbeit Baltazar -> Bogisics (1834- 1908) 1888 in Kraft gesetzte Privatrechtsgesetzbuch (ohne Familienrecht und Erbrecht). Lit.: Zimmermann, W., Valtazar Bogisic (1834-1908), 1962 Alliierte -> Alliierte Hohe Kommandantur Alliierte hohe Kommandantur Berlin ist das gemeinsame Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für Berlin seit Juli 1945. Nach dem Auszug des sowjetischen Stadtkom- mandanten am 16. Juni 1948 tagen die 3 westlichen Stadtkommandanten allein. Die Hoheitsgewalt über -> Berlin (West) wird bis zur Vereinigung Berlins (1990) von den drei Westalliierten ausgeübt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche Status Berlins, 1975; Grant, H., Die Alliierten und die Teilung Deutschlands, 1985 Alliierte hohe Kommission ist das oberste Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs für die Bundesrepublik Deutschland einschließlich der westlichen Sektoren Berlins vom 21. 9. 1949 bis 5. 5. 1955. Die A. H. K. hat ihren Sitz auf dem Petersberg bei Königswinter. Sie besteht aus den 3 Hohen Kommissaren der beteiligten Mächte. Lit.: Vogt, H., Wächter der Bonner Republik, 2004 Alliierter Kontrollrat ist das am 30. 7. 1945 errichtete Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für die Ausübung der obersten Gewalt in Deutschland, insbesondere die Entscheidung aller Deutschland als Ganzes 20 betreffenden Fragen. Der Alliierte Kontrollrat erlässt auch Gesetze. Am 20. 3. 1948 stellt er wegen der gegensätzlichen Ansichten der westlichen Mächte einerseits und der Sowjetunion andererseits seine Tätigkeit ein. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245; Jaenicke, G., Der Abbau der Kontrollratsgesetzgebung, 1952; Etzel, M., Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, 1992; Schmoeckel, M., Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, ZRG 112 (1994), 431; Mai, G., Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland, 1995 Allmende ist die mehreren zur allgemeinen Nutzung zustehende Wirtschaftsfläche. Es ist zweifelhaft, ob die Anfänge der vor allem im Hochmittelalter bezeugten A. in die germanische Landnahme zurückreichen. Inhaltlich besteht die A. aus Wäldern, Weide und Ödland. Nutzungsberechtigt sind regelmäßig die Inhaber von Hofstellen bestimmter Größe (Markgenossen). Schon seit der fränkischen Zeit versucht der König und später auch der Landesherr, ein Allmendregal durchzusetzen. Das 19. Jh. strebt nach Beseitigung der A. zugunsten von Alleineigentum. -> Alm Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121; Weiss, J., Die Hackwaldallmende der Stadt Eberbach, ZRG GA 17 (1896), 77; Rüttimann, K., Die zugerischen Allmendkorporationen, 1904; Rennefahrt, H., Die Allmend im Berner Jura, 1905; Wopfner, H., Das Almendregal des Tiroler Landesfürsten, 1906; Omlin, H., Die Allmendkorporationen der Gemeinde Sarnen, 1913; Litscher, M., Die Alpkorporationen des Bezirkes Werdenberg, 1919; Meyer, E., Die Nutzungskorpora- tionen im Freiamt, 1919; Haff, K., Überbleibsel strenger Feldgemeinschaft auf friesischen und skandinavischen Inseln, ZRG GA 46 (1926), 378; Haff, K., Die alten Feld- und Wiesengemeinschaften der Insel Föhr und ihre Erbbücher, ZRG GA 47 (1927), 673; Bergdolt, W., Badische Allmenden, ZRG GA 48 (1928), 466; Weber, K., Zur Rechtsgeschichte der Wiesengemeinschaften der Hallig Hooge, 1931; Plett, E., Zur Rechtsgeschichte des Spätlandes auf Osterlandföhr, 1931; Rynning, L., Bidrag til norsk almenningsrett I, 1934; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948; Fischer, H., Zum Gebieetsrecht der Stadtallmende, ZRG GA 71 (1954), 209; Sidler, R., Die schwyzerische Unterallmeindkorporation, Diss. jur. Zürich 1956; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Wehrenberg, D., Die wechselseitigen Beziehungen zwischen Allmendrechten und Gemeindefronverpflichtungen, 1969; Zückert, H., Allmende und Allmendaufhebung, 2003 Allod ist das keinen zusätzlichen Beschrän- kungen unterliegende Familiengut. Es steht insbesondere im Gegensatz zu -> Lehen. In Deutschland gibt es immer A., während in Frankreich A. eher selten und in England A. seit 1066 verschwunden ist. A. kann zu Lehen gemacht werden und Lehen in A. verwandelt werden. Mit dem 19. Jh. geht A. in -> Eigentum auf. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Chenon, E., Étude sur l'histoire des alleux en France, 1888; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969 Allodifikation ist die Umwandlung von Lehen in -> Allod. Tatsächlich findet in der Neuzeit eine allmähliche A. der deutschen Landesfür- stentümer statt. Innerhalb der Landesfür- stentümer erfolgt eine A. der Lehen von 1702 (Preußen) bis 1919 (Mecklenburg). Lit.: Köbler, DRG 211; Loewe, V., Die Allodifikation der Lehen unter Friedrich Wilhelm I., in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 11 1898 Allthing ist die vielleicht 930 eingerichtete politische Versammlung der seit der 2. Hälfte des 9. Jh.s vor allem von Westnorwegen aus besiedelten Insel -> Island. Das A. wird in der zweiten Junihälfte jedes Jahres im Südwesten abgehalten. Teilnahmeberechtigt ist jeder thingsteuerfähige Freie, teilnahmeverpflichtet jeder Häuptling (Gode) und jeder neunte Mann. Auf dem A. hat der Gesetzessprecher oder Rechtssprecher (lögsögumadr) das Recht vorzutragen, ist Recht zu setzen und zu klären und müssen Urteile gefällt werden. 1271/81 endet diese ältere Gestaltung. 1798 wird das A. aufgelöst. Lit.: Kuhn, H., Das alte Island, 1971 Alm -> Almrecht Almrecht ist das Recht der Alp oder (aus alben kontrahiert) Alm als der hochgelegenen Weide- fläche. Diese gehört teils Genossenschaften, teils Grundherren. Das Eigentum an den Grundstücken ist oft durch besondere Rechte und Dienstbarkeiten eingeschränkt. Lit.: Weiß, R., Das Alpwesen Graubündens, 1941; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 21 1948; Moritz, A., Die Almwirtschaft im Stanzertal, 1956; Grass, N., Forschungen zur Alpwirtschaft, ZRG GA 81 (1964, 368; Ramseyer. R., Das altbernische Küherwesen, 1961; Gietzen, H., Die Almen des Stubaitales, 1964; Schweizerischer Alpkataster, hg. v. d. Abteilung für Landwirtschaft des eidgenössischen Volkswirtschaftsde- partements in Bern, 1962ff.; Hägele, E., Die Hinterriss, Diss. staatswiss. Innsbruck 1967; Edelmann, M., Die Almen im Tegernseer Tal, 1966; Werner, K., Die Almwirtschaft des Schnalstales, 1969; Starz, R., Die Almwirtschaft in der Wildschönau, Diss. staatswiss. Innsbruck 1970; Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Schenk, P., Die Almwirtschaft im Alpbachtal (Tirol), 1974; Grass, N., Oswald von Wolkenstein und die Almwirtschaft, ZRG GA 92 (1975), 105; Tremel, F., Zur Rechtsgeschichte des Almwesens, FS N. Grass Bd. 2 1975, 3; Arnold, G., Die Korporation Ursern, 1990; Grass, N., Alm und Wein, 1990 (Aufsätze) alodis (lat.-afränk.) -> Allod Alp -> Alm Alpen Lit.: Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters, 1965 Altdorf bei Nürnberg ist von 1622 bis 1809 Sitz einer Universität. Lit.: Mummenhoff, G., Die Juristenfakultät Altdorf in den ersten fünf Jahrzehnten ihres Bestehens, Diss. jur. Erlangen 1957; Loiermann, H., Die Altdorfer Juristen, FS K. S. Bader 1965, 267; Mährle, W., Academia Norica (1575-1623), 2000 alte Kulm -> Kulm Altena Lit.: Lappe, J., Die Freiheit Altena, 1929 Altenteil ist die einem Bauern und seinem überlebenden Ehegatten nach Übergabe seines Hofes an seinen Nachfolger zustehende Versorgung. Das A. wird bei freien Bauern durch Vertrag vereinbart, bei grundherr- schaftlichen Bauern auch in Hofrechten festgelegt. Es haftet am Hofgrundstück. Die Anerbengesetzgebung des 19. Jh.s kennt eine gesetzliche Regelung, deren Ausgestaltung der Vereinbarung überlassen ist. Lit.: Piepenbrock, J., Die Entwicklung des Altenteils oder der Leibzucht, 1925 (Diss.); Weiland, H., Die geschichtliche Entwicklung des bäuerlichen Altenteils, 1940; Schäfer, A., Übernahme und Altenteil, Diss. jur. Bonn 1994 Alter ist die für das Recht in verschiedener Hinsicht bedeutsame, durch die dem Menschen vorgegebene Dimension Zeit bedingte Erscheinung menschlichen Lebens. Schon das römische Recht unterscheidet zwischen Kleinkindern (lat. [M.Pl.] infantes), Nochnichtgeschlechtsreifen (lat. [M.Pl.] impuberes) und Geschlechtsreifen (lat. [M.Pl.] puberes), wobei der Eintritt der Reife bei Männern mit vollendetem 14., bei Frauen mit vollendetem 12. Lebensjahr angenommen wird und volle Geschäftsfähigkeit bedeutet. Aller- dings besteht bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ein besonderer Schutz bei Rechtsgeschäften. Nach den frühmittelalter- lichen Volksrechten tritt Mündigkeit zunächst nach der jeweiligen einzelnen Geschlechtsreife ein, später mit der Vollendung des 10. oder 12. Lebensjahres. Der Unmündige kann bestimmte Handlungen nicht vornehmen, andere nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen. Die väterliche Gewalt dauert aber bis zur -> Abschichtung fort. Nach dem Sachsenspiegel kann diese Rechtsstellung des Unmündigen freiwillig bis zum Ablauf des 21. Lebensjahres fortgeführt werden. Mit der Rezeption dringt die römische Regelung der (lat. [F.]) infantia ein. Wer älter als sieben Jahre alt ist, kann Rechte erwerben, aber bis zur Volljährigkeit (meist 25 Jahre) keine Pflichten begründen. Lit.: Kaser § 14; Hübner 63ff.; Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Aging and the Ages, hg. v. Sheehan, M., 1990; Alter und Gesellschaft, hg. v. Borscheid, P., 1995; Schäfer, D., Alter und Krankheit in der frühen Neuzeit, 2004; Schlegel-Voß, L., Alter in der Volksgemeinschaft, 2005 Alteri stipulari nemo potest (lat.). Für einen anderen kann man sich nichts versprechen (bzw. sich versprechen lassen). Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Ulpian 170-223) Alternativentwurf zur Strafrechtsreform ist der 1966 von reformfreudigen deutschen Strafrechtsprofessoren vorgelegte Entwurf, der die Liberalisierung des deutschen Strafrechts in der anschließenden Novellierung maßgeblich mitbestimmt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Altershilfe für Landwirte ist dine durch Gesetz vom 27. 7. 1957 in Deutschland errichtete Abteilung der Sozialversicherung, die von Alterskassen bei den landwirtschaftlichen 22 Berufsgenossenschaften betrieben wird. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Altersversicherung -> Sozialversicherung Altertum ist der mit den ersten schriftlichen Aufzeichnungen (3000-2800 v. Chr.) bzw. dem 11. Jh. v. Chr. beginnende, vor allem die Völker der Gegend vom Mittelmeer (Griechen, Römer) bis zum Zweistromland erfassende und mit der Völkerwanderung (476 Eroberung Westroms durch die Germanen) allmählich endende geschichtliche Abschnitt der mensch- lichen Entwicklung. -> Antike Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff. 1975ff.; Buchwald, W. u. a., Tusculum-Lexikon griechischer und lateinischer Autoren, 3. A. 1982; Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Gesamtregister I, II, 1997ff. (mit CD-ROM); Ott, M., Die Entdeckung des Altertums, 2002 Althochdeutsch ist die normalisierende Bezeichnung der zwischen (500 bzw.) 750 und 1050 als der alten deutschen Sprachperiode im südlichen (hochgelegenen) Deutschland (Alemannen, Bayern, Franken) gesprochenen, dem -> Mittelhochdeutschen vorausgehenden Sprachen (z. B. althochdeutsches Lex-Salica- Bruchstück). Lit.: Baesecke, G., Vor- und Frühgeschichte des deutschen Schrifttums (2, 1), 1950; Schützeichel, R., Die Grundlagen des westlichen Mitteldeutschen, 1961; Schützeichel, R., Althochdeutsches Wörterbuch 1969, 5. A. 1995; Sonderegger, S., Althochdeutsch als Anfang, 1977; Köbler, G., Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993; Köbler, G., Taschenwörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994; Meinecke, E./Schwerdt, J., Einführung in das Althochdeutsche, 2001 Althusius (Althaus), Johannes (Diedenshausen bei Berleburg 1557-Emden 12. 8. 1638), Hofpredigerssohn, wird nach dem Studium in Marburg, Köln, Basel (Amerbach) und Genf (D. Gothofredus) nach Herborn (1588) berufen. Von 1604 bis 1638 wirkt er in Emden als Ratssyndikus. Sein Hauptwerk (lat. [F.] Politica methodice digesta, 1603) ist der erste deutsche Versuch einer systematischen Staatslehre, den A. zu einer allgemeinen, mit noch mittelalterlicher Naturrechtsvorstellung behaf- teten Rechtslehre ausbaut, der aber letztlich von beschränkter Wirkung bleibt. Lit.: Köbler, DRG 148; Gierke, O. v., Johannes Althusius, 1880, 2. A. 102, 3. A. 1913, 4. A. 1929, 5. A. 1958, 6. A. 1968, Neudruck 1980; Reibstein, E., Johannes Althusius als Fortsetzer der Schule von Salamanca, 1955; Winters, P., Die ,,Politik" des Johannes Althusius und ihre zeitgenössischen Quellen, 1961; Althusius-Bibliographie, hg. v. Scupin, H. u. a., Bd. 1 1973; Friedrich, C., Johannes Althusius und sein Werk, 1975; Politische Theorie des Johannes Althusius, hg. v. Dahm, G. u. a., 1988; Althusius, J., Politik, übers. v. Janssen, H., hg. v. Wyduckel, D., 2003; Jurisprudenz, politische Theorie und politische Theologie. Beiträge des Herborner Symposions zum 400. Jahrestag der Politica des Johannes Althusisus 1603-2003, hg. v. Carney, F. u. a., 2004 Altmärkische Glosse zum Sachsenspiegel -> Stendaler Glosse Altniederfränkisch Lit.: Köbler, G., Sammlung altniederfränkischer Tradition ­ Texte ­ Glossen, 2002 Altsächsisch ist die zwischen (500 bzw.) 750 und 1200 als der alten deutschen Sprachperiode von den Sachsen gesprochene, dem Mittelniederdeutschen vorausgehende Sprache (z. B. -> Heliand). Alzey Lit.: 1750 Jahre Alzey, hg. v. Becker, K., 1973 Amerbach, Bonifacius (Basel 1495-1562), Professor der Pandekten in Basel und Anwalt (Familie aus Amorbach, ursprünglicher Name Welcker). Lit.: Die Amerbachkorrespondenz, hg. v. Hartmann, A. u. a., Bd. 1ff. 1942ff.; Hagemann, H., Die Rechtsgut- achten des Bonifacius Amerbach, 1997; Hagemann, H., Die Rechtsgutachten des Basilius Amerbach, 2001 Amerika ist der frühgeschichtlich von Sibirien aus (von Mongolen/Indianern) besiedelte, um die erste Jahrtausendwende von Wikingern und 1492 von Kolumbus auf der Suche nach Indien (nochmals) entdeckte, von Amerigo Vespucci als verschieden von Indien erkannte, im Süden von Spanien und Portugal und im Norden vor allem von England und Frankreich in Besitz genommene Kontinent, dessen verschiedene Kolonien bzw. Staaten sich seit dem 18. Jahrhundert von den Kolonialmächten lösen, aber im 20. Jahrhundert von den -> Vereinigten Staaten von A. stark geprägt werden. Lit.: Bravo Lira, B., Beziehungen zwischen den europäischen und ibero-amerikanischen Kodifikationen, ZRG GA 103 (1986), 294; Die neue Welt, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2001; Semper, F., Die Rechte der indigenen Völker in Kolumbien, 2003; Weber, K., 23 Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel 1680-1830, 2004; Arens, W: Braun; H., Die Indianer Nordamerikas, 2004; Depkat, V., Geschichte Nordamerikas, 2004 Amira, Karl von (Aschaffenburg 8. 3. 1848- München 22. 6. 1930), Richterssohn, wird nach dem Studium in München (Maurer) 1875 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau und 1892 in München. Seine Hauptwerke betreffen die germanischen Todesstrafen (1922), Nordgermanisches Obligationenrecht (1882ff.) und die Dresdener Sachsenspiegel- bilderhandschrift (1902, 1925/6). Lit.: Puntschart, P., Karl von Amira und sein Werk, 1932; Karl von Amira zum Gedächtnis, hg. v. Landau, P. u. a., 1999 Amortisationsgesetz ist das weltliche Gesetz, das die Freiheit des kirchlichen (oder auch jüdischen) Grunderwerbs und die Zunahme des abgabenfreien Kirchengutes einschränkt (z. B. Lübeck 1220/6, Judenburg 1269, Österreich 1303, vgl. Ssp LR I 25 § 1, ALR II 11 § 1199). Das österreichische Konkordat von 1855 und Art. 137 III WRV beseitigen diese wenig wirksamen Beschränkungen endgültig. Lit.: Kahl, W., Die deutschen Amortisationsgesetze, 1879; Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 2. A. 1951, 483f. Amsterdam an der Mündung der Amstel in das Ijsselmeer entsteht um 1270 und erhält um 1300 Stadtrecht. 1632 wird eine Universität eingerichtet. Lit.: Koning, H., Amsterdam 1977 Amt ist die Aufgabe oder der Dienst. Im römischen Recht hat nach dem Sturz des Königs vom Jahr 510 v. Chr. der Höchstmagistrat das höchste A. der Republik. Hieraus entwickelt sich durch Schaffung weiterer Magistraturen ein nach Zustän- digkeiten gegliedertes System der Träger herrschaftlicher Gewalt. Dieses wird durch die Einführung des Prinzipats abgeändert (Ressortbezogenheit, auf den Kaiser ausgerich- tete Hierarchie, Rangklassen, Qualifikations- kriterien, Besoldung). Zu den leitenden Ämtern treten zahlreiche nachgeordnete Dienststellen hinzu. In der fränkischen Zeit wird dieses System zwar grundsätzlich übernommen, aber erheblich vereinfacht. Hinzu kommt eine verstärkte personelle Bindung durch die Belehnung. Insbesondere das A. des Grafen wird als Lehen übertragen. Bald danach werden die dem Adel verliehenen Ämter durch ihre Inhaber dem König entzogen und zu eigenem Recht behauptet. In den seit dem 12. Jh. dementsprechend entstandenen Ländern ersetzt der Landesherr die Lehnsmannen durch festbesoldete absetzbare Amtsträger und macht das A. wieder zur staatlichen Einrichtung. Das örtliche Tätigkeitsgebiet wird zum A. im räumlichen Sinn. Wer mit einem A. betraut ist, ist Beamteter und wird zum -> Beamten. Seit dem 17. Jh. entstehen Verzeichnisse der Ämter (Amtskalender z. B. in England, Frankreich, dem Kirchenstaat um 1670, in Österreich um 1690 [1692], in Kursachsen 1702, in Preußen 1704 oder in Nürnberg 1705). Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 111, 197, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 29 (1908), 239; Conrat, M., Ein Traktat über romanisch- fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 30 (1909), 326; Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Lappe, J., Geschichte des Amtes Waltrop, 1938; Beyerle, D., Das frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise, 1960; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Banngewalt, 1960; Richardson, H./Sayles, G., The Governance of Medieval England, 1963; Bauer, V., Repertorium territorialer Amtskalender, Bd. 1f. 1997ff.; Brommer, P., Die Ämter Kurtriers, 2003 Ämtertraktat -> Decurio de gradus Amtmann ist der Inhaber eines Amtes. Im Mittelalter ist A. vor allem der Verwalter eines grundherrlichen Hofverbandes (im Südwesten auch der Dorfvorsteher) und danach der Leiter eines landesherrlichen Amtsbezirkes. Seit 1921 ist A. ein Beamter des gehobenen Dienstes. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 113, 151; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Agena, K., Der Amtmann im 17. Jahrhundert, 1972; Kroeschell, K., Der Amtmann, http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI/zitat/0201 kroeschell.htm; Klingebiel, T., Ein Stand für sich? Lokale Amtsträger in der frühen Neuzeit, 2002 Amtsanwalt ist der Vertreter des Staates vor dem Amtsgericht. Lit.: Rüping, H., Polizeianwalt - Amtsanwalt - Staatsanwalt. Zur Geschichte der Amtsanwaltschaft in Deutschland, FS Wolfgang Sellert, 2000, 537 Amtsbuch ist das Buch (oder die Rolle), das (bzw. die) zur Ausübung eines -> Amtes 24 gehörige Eintragungen enthält. Solche Amtsbücher sind seit dem Ende der römischen Republik die (lat. [M.Pl.]) commentarii der Magistrate und Priester sowie später des Kaisers. Im Mittelalter werden seit dem 12. Jh. viele Amtsbücher eingerichtet. -> Stadtbuch Lit.: Der kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1 1986, 1257ff.; Reetz, J., Hamburgs mittelalterliche Stadtbücher, Z. d. Ver. f. Hamburg. 44 (1958), 95 Amtsgericht ist das seit der frühen Neuzeit partikular für den Umfang eines -> Amtes (Verwaltungsbezirkes) eingerichtete -> Gericht, das durch das deutsche Gerichtsverfassungs- gesetz 1877/1879 zum einheitlichen Eingangsgericht (1893 im Deutschen Reich 1924 Amtsgerichte mit 4409 Richtern, 42% Einmannamtsgerichte) der ordentlichen Ge- richtsbarkeit bestimmt wird. Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Steinbach, E./Kniffka, R., Strukturen des amtsgerichtlichen Zivilprozesses, 1982; 150 Jahre Amtsgericht Diepholz, hg. v. Kruthaup, E. u. a., 2002; 150 Jahre Amtsgericht Soltau, hg. v. Rundt, S., 2002; 150 Jahre Amtsgerichte im Bereich des ehemaligen Königreichs Hannover, 2002; 125 Jahre rheinische Amtsgerichte, hg. v. Lünterbusch, A. u. a., 2003 Amtshaftung -> Staatshaftung Amtsherzogtum ist das als königliches Amt vergebene -> Herzogtum (9. Jh.) im Gegensatz zu dem aus der Heerführerschaft eines Volkes erwachsenden -> Herzogtum. Lit.: Goetz, H., ,,Dux" und ,,ducatus", 1974 Amtskalender -> Amt Amtspflichtverletzung ist die Verletzung einer einem Amtsträger gegenüber einem Dritten obliegenden Pflicht. Sie begründet nach § 839 BGB (1900) einen Schadensersatzanspruch (Amtshaftung, Staatshaftung). Lit.: Köbler, DRG 217 Amtsrecht ist im römischen Recht das vom Amtsträger geschaffene Recht (lat. -> ius [N.] honorarium). Lit.: Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 Amtssasse ist der im Gerichtsstand erster Instanz dem örtlichen Amt zugeordnete -> Landsasse. Amtsverfolgung ist die Verfolgung eines Unrechtserfolgs durch die Allgemeinheit bzw. den Staat von Amts wegen ohne Antrag des Verletzten. Sie findet sich bereits in Rom und erscheint seit dem Frühmittelalter. -> Offizialmaxime Amtsvergehen ist das in einem -> Amt begangene Vergehen. Als gedankliche Einheit werden die A. erst gegen Ende des 17. Jh.s erkannt. Noch das preußische Allgemeine Landrecht (1794) behandelt im Abschnitt Ver- brechen der Diener des Staates strafrechtliche und disziplinare Sanktionen nebeneinander. Unter französischem Einfluss wird danach das Standesdisziplinarrecht der Beamten vom Strafrecht geschieden (in Preußen 1849 zwei Verordnungen über das Disziplinarrecht). Im preußischen Strafgesetzbuch von 1851 werden Verbrechen und Vergehen im Amt als Sonderdeliktsgruppe zusammengefasst. Lit.: Stock, U., Entwicklung und Wesen der Amtsverbrechen, 1932; Sturm, W., Die Entwicklung der Sonderverbrechen, 1939; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Lüpkes, H., Die Verbrechen der Diener des Staats, 2004 Analogie ist der bereits der griechischen Philosophie bekannte Schluss von der (eigentlichen) Gleichheit mindestens zweier zunächst verschieden behandelter Tatbestände auf die (wegen der Gleichheit notwendige) Ausdehnung der Rechtsfolge eines (ersten) Tatbestandes auf den zweiten oder weiteren Tatbestand. Der Begriff analogisch taucht in der juristischen Literatur im 16./17. Jh. auf, wobei man unter analogischer Interpretation die Beseitigung von Widersprüchen versteht. Im frühen 19. Jh. wird auf Grund Immanuel Kants Überlegungen zur Systematisierbarkeit des empirischen Wissens die alte Verbindung von ausdehnender Auslegung und Ähnlichkeits- schluss aufgelöst und die A. als ,,rein logische" Ergänzung des Rechts aus dem ­ nur noch positiven und sich geschlossenen ­ Rechts- sytem verstanden (Feuerbach, Hufeland, Savigny). Zwischen Gesetzesanlogie und Rechtsanalogie wird seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts unterschieden. Lit.: Falk, J., Die Analogie im Recht. Eine Studie zur neueren Rechtsgeschichte, Diss. jur. Gießen, 1906; Diedenhofen, P., Die Artikel 104/105 der peinlichen Gerichtsordnung, 1938; Steinwenter, A., Prolegomena zu einer Geschichte der Analogie, FS Fritz Schulz 2 (1951), 345; Langhein, A., Das Prinzip der Analogie als juristische Methode, 1992; Chanos, A., Begriff und 25 Geltungsgrundlagen der Rechtsanalogie, 1994; Raisch, P., Juristische Methoden, 1995, 78; Schröder, J., Zur Analogie, ZRG GA 114 (1997), 1 Analogieverbot ist das Verbot für alle im Strafverfahren beteiligten staatlichen Stellen, -> Analogie eines Strafgesetzes zu Ungunsten des Handelnden vorzunehmen. Seit dem späten 18. Jh. wird Analogie zu Ungunsten Handelnder verboten (Österreich 1787). Im Dritten Reich wird 1935 das A. aufgehoben. -> Nullum crimen, nulla poena sine lege. Lit.: Köbler, DRG; Schottlaender, A., Die geschichtliche Entwicklung, 1911; Kleinheyer, G., Vom Wesen der Strafesetze, 1968; Schreiber, H., Gesetz und Richter, 1976; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Weber, W., Analogie- und Rückwirkungsverbot, Diss. jur. Bonn 1998 Analytical jurisprudence ist die von John -> Austin (1790-1859) begründete Strömung der englischen Rechtswissenschaft. Anarchie (F.) Herrschaftslosigkeit Ancien régime ist die Bezeichnung für die monarchisch-feudale Regierungsform (in Frankreich vor der französischen Revolution des Jahres 1789 bzw. allgemein) zwischen etwa 1650 und 1800. Lit.: Köbler, DRG 129, 132 Andelang ist der bei der Übereignung von Grundstücken im fränkisch-alemannischen Gebiet bis zum Ende des 11. Jh.s verwendete, nicht sicher bekannte Gegenstand (Hand- schuh?). Lit.: Goldmann, E., Der andelang, 1912; Frommhold, G., Das andelang-Rätsel, ZRG GA 35 (1914), 426; Balon, J., L'andelangus, ZRG GA 79 (1962), 32 Andernach am Rhein führt von 1173 bis 1256 einen den Schreinskarten von Köln ähnlichen Rotulus (-> Grundbuch). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Inventar des Archivs der Stadt Andernach, Bd. 1ff., bearb. v. Heyen, F., 1965ff. Andlau -> Peter von Andorra ist die aus sechs Tälern zu politischer Einheit zusammengefasste Tallandschaft im Südosten der ibero-baskisch besiedelten Pyrenäen. Seit dem späten 9. Jh. lassen sich dort Abgabenrechte der Grafen von Urgel und der Bischöfe von Urgel feststellen. Im 11. Jh. treten die verschiedenen Täler zu einer Einheit zusammen. Am 8. 9. 1278 werden durch Schiedsspruch (Paréage) Unklarheiten besei- tigt. Die Rechte der Grafen fallen über Zwischenstufen 1607 bzw. 1620 an Frankreich. Das ursprüngliche Recht Andorras nimmt römische und katalanische Sätze auf. 1748 wird das Gewohnheitsrecht aufgezeichnet. In der Gegenwart ist A. ein Fürstentum, dessen von den Souveränen (Staatspräsident Frankreichs, Bischof von Urgel) delegierte Rechte durch einen französischen Departementspräfekten und einen spanischen Provinzzivilgouverneur bzw. ihre Vikare (Viguier, Viguer) wahrgenommen werden. Lit.: Engels, O., Schutzgedanke und Landesherrschaft, 1970; Belinguier, B., La condition juridique des vallées d'Andorre, 1970; Ourliac, P., La jurisprudence civile d'Andorre, 1972 Anefang ist das rechtsförmliche Anfassen einer abhandengekommenen und vom Verfolger wiedergefundenen beweglichen Sache unter der Behauptung des Eigentums. Der A. bedeutet eine Klageerhebung gegen den Besitzer, der sich im nachfolgenden Verfahren verteidigen muss. Vor Gericht kann der Besitzer sich insbesondere dadurch vor dem Diebstahls- vorwurf befreien, dass er die Sache dem übergibt, von dem er sie erhalten hat. Führt dies zur Entdeckung des Diebes, so muss dieser die Sache herausgeben und Diebstahlsbuße leisten. Seit dem Hochmittelalter geht der A. allmählich in die Herausgabeklage (bzw. den -> Herausgabeanspruch) über. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 91; Köbler, WAS; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971 Aneignung ist der Erwerb des Eigentums an einer herrenlosen (eigentümerlosen) Sache. Die ersten Aneignungen fallen in die Anfangszeit des Rechts überhaupt. Im Laufe der Geschichte wird die A. vom abgeleiteten Eigentumserwerb (-> Übereignung) zurückgedrängt, so dass A. ziemlich selten wird. Lit.: Kaser § 26 I 1; Köbler, DRG 24, 40, 73, 90, 124; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Anerbe ist der durch das -> Anerbenrecht begünstigte -> Erbe. Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 175, 210 Anerbenrecht ist das Recht des Übergangs eines landwirtschaftlichen Betriebs auf einen 26 einzelnen von mehreren vorhandenen Erben. Eine derartige Gestaltung bildet sich spätestens im mittelalterlichen Reich aus, wobei grundherrschaftlicher Einfluss gestaltend gewesen sein kann. Daneben ist aber Realteilung in Mitteldeutschland und Süddeutschland verbreitet. Der Liberalismus lehnt das A. als freiheitsfeindlich ab. Aus wirtschaftlichen Gründen sehen partikulare Gesetze aber seit dem 19. Jh. A. vor, das dann zur Anwendung kommt, wenn der Hofinhaber nicht durch letztwillige Verfügung einen Hoferben auswählt. Das Reichserbhofgesetz des Jahres 1933 verallgemeinert die Anerbenrechtsregelung des Höfegesetzes Hannovers (1909). 1947 treten in der französischen und amerikanischen Besatzungs- zone die alten Anerbengesetze wieder in Kraft. In der britischen Besatzungszone wird eine Höfeordnung erlassen, die das Bundesver- fassungsgericht, wegen der Bevorzugung der Söhne, 1963 als verfassungswidrig ansieht. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Hagmeister Meyer zu Rahden, G., Die Entwicklung des ravensbergischen Anerbenrechts, 1936; Mauß, H., Anerbenrecht im niederrheinisch-westfälischen Grenzgebiet, 1938; Mayer-Edenhauser, T., Untersuchungen über Anerbenrecht und Güterschluss in Kurhessen, 1942, Gebb, J., Über den Versuch des deutschen Anerbenrechts, Diss. jur. Greifswald 1955; Bischoff, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in Hannover, Diss. jur. Göttingen 1966; Kroeschell, K., Geschichtliche Grundlagen des Anerbenrechts, Agrarrecht 6 (1978), 147; Buchenroth, A., Die Heimatzuflucht, 2004 Anerkenntnis -> Schuldanerkenntnis Anerkennungszins ist der wegen seiner geringen Höhe wirtschaftlich bedeutungslose, aber als erkennbares Zeichen eines bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses rechtlich bedeutsame Zins (z. B. Freigelassener, Erbbauberechtigter usw.). Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966 Anfechtung ist die nachträgliche Beseitigung einer eingetretenen Rechtswirkung durch Willenserklärung und bzw. oder Verfahrens- handlung des durch die Rechtswirkung Betroffenen. In diesem Sinne ermöglicht bereits die -> (lat.) querela [F.] inofficiosi testamenti des klassischen römischen Rechtes die Entkräftung eines Testamentes, das bestimmte nahe Angehörige des Erblassers übergeht. Im spätantiken Recht werden auch die Fälle der (lat.) -> in integrum restitutio (F.) so verstanden. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ordnet die A. im allgemeinen Teil ein. Lit.: Kaser § 9 I 1; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 209; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210; Harder, M., Die historische Entwicklung der Anfechtbarkeit von Willenserklärungen, AcP 173 (1973), 209 Anfechtungsklage ist die Klage, die auf die nachträgliche Beseitigung bestimmter Rechtsfolgen durch Urteil gerichtet ist. Im 19. Jh. gibt es eine A. gegen den Beschluss auf Eröffnung des Konkurses oder gegen polizeiliche Verfügungen. Lit.: Köbler, DRG 263 angariae (lat. [F.Pl.]) Spanndienste, Beherbergungspflichten in Antike und Frühmittelalter Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. Bd. 2 1928, 308 Angebot ist die auf den Abschluss eines -> Vertrages gerichtete -> Willenserklärung. Angelsachse ist der Angehörige der seit etwa 775 (Beda, Paulus Diaconus) mit der Sammelbezeichnung Angelsachsen benannten, im 5./6. Jh. unter den sagenhaften Führern Hengist und Horsa von Norddeutschland auf die britischen Inseln auswandernden -> Sachsen, Angeln (aus Schleswig) und Jüten. Die Angelsachsen bilden unter Verdrängung der einheimischen -> Kelten mehrere Kleinkönigreiche (Kent, Sussex, Wessex, Essex, East Anglia, Mercia, Northumbria), in denen sie von römischen und von schottischen Missionaren zum Christentum bekehrt werden. Den Königen von Wessex gelingt im 9. Jh. die Einigung, doch werden die Angelsachsen 1016- 42 von den Dänen beherrscht und 1066 bei Hastings von dem -> Normannen Wilhelm dem Eroberer unterworfen. Lit.: Köbler, DRG 81; Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1ff. 1898ff., Neudruck 1960; Braude, J., Die Familiengemeinschaften der Angelsachsen, 1932; Wilson, D., The Anglo-Saxons, 2. A. 1970; Vollrath- Reichelt, H., Königsgedanke und Königtum bei den Angelsachsen, 1971; Torkar, R., Eine altenglische 27 Übersetzung von Alcuins de virtute et vitiis Kap. 20, 1981; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; The Anglo-Saxons, hg. v. Hines, J., 1997 Angelsächsisches Recht ist das Recht der -> Angelsachsen. Es ist überliefert durch Gesetzbücher der angelsächsischen Könige des 7. bis 11. Jh.s, durch allgemeine Rechtsauf- zeichnungen unbekannter Verfasser und durch Urkunden und allgemeine Geschichtsquellen. Den Beginn bilden die in der Volkssprache niedergeschriebenen Rechtssätze Aethelberhts von Kent (597-616) und in jüngerer Überlieferung Ines von Wessex (688-694). Von Alfred dem Großen von Wessex stammt ein (ae.) domboc (887-899), von König Knut eine weitere umfangreiche Sammlung (1018-1023). Nichtoffizielle Kompilationen stellen der -> Quadripartitus, die Leis Willelme (A. 12. Jh.), die Consiliatio Cnuti (12. Jh.) und die -> Leges Henrici Primi (1114-1118) dar, mit denen das angelsächsische Recht noch weit in die normannische Zeit Englands reicht. Die Überlieferung ist auf wenige Handschriften beschränkt, so dass mit deutlichen Verlusten zu rechnen ist. Christlicher Einfluss ist unübersehbar. Die Abgrenzung von aufgezeich- netem Gewohnheitsrecht und neuem, gemeinsam mit Bischöfen und Adel gesetztem Recht bereitet Schwierigkeiten. Hauptgegen- stand der ,,Gesetzbücher" ist zunächst der Ausgleich von Unrechtserfolgen durch Buße an den Verletzten. Unter König Alfred nehmen kirchlicher Einfluss und königliche Anordnung zu. Ein Bezug auf geschriebenes Recht findet sich in den überlieferten Rechtsfällen, die vor dem vom reeve, ealdorman oder scirman des Königs geleiteten örtlichen Gericht verhandelt werden, nicht. Lit.: Liebermann, F., Zu den Gesetzen der Angelsachsen, ZRG GA 5 (1884), 198; Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1f. 1998ff., Neudruck 1960; Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen im Grundriss, 1909; Liebermann, F., The national assembly in the Anglo-Saxon period, 1913; Attenborough, F., Laws of the Earliest English Kings, 1922; Bechert, R., Die Einleitung des Rechtsgangs nach angelsächsischem Recht, ZRG GA 47 (1927), 1; Würdinger, H., Einwirkungen des Christentums auf das angelsächsische Recht, ZRG GA 55 (1935), 105; Sawyer, P., Anglo- Saxon Charters, 1968; Harding, A., Law Courts of medieval England, 1973; Korte, D., Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze und Rechtsbücher des 6.-12. Jahrhunderts, 1974; Rivers, T., A Reevaluation of Aethelberht 31, ZRG GA 93 (1976), 315; Scharer, A., Untersuchungen zu den angelsächsischen Königsurkunden des 7. und 8. Jahrhunderts, Diss. phil. Wien 1978 (masch.schr.); Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Scharer, A., Herrschaft und Repräsentation, 2000 Angestellter ist der Arbeitnehmer, der vorwiegend geistige Arbeit leistet. Die Gruppe der Angestellten wird im 19. Jh. als besonderer Teil der Arbeitnehmer erkannt. Lit.: Dittrich, M., Die Entstehung der Angestelltenschaft in Deutschland, 1939; Hromadka, W., Das Recht der leitenden Angestellten, 1979; Bichler, B., Die Formierung der Angestelltenbewegung, 1997; Schulz, G., Die deutschen Angestellten, 2000 Anhalt über dem Selketal ist die vielleicht um 1050 errichtete Burg, nach der sich ein seit etwa 1000 erkennbares Geschlecht (-> Askanier) benennt, dessen Angehörige als einzige Grafen seit 1218 dem Reichsfürstenstand angehören. Nach vielen Teilungen kommen die Güter 1863 im Herzogtum A. wieder zusammen, das am 12. 11. 1918 Freistaat wird. Am 9. 7. 1945 wird A. innerhalb der sowjetischen Besatzungszone mit der Provinz Sachsen -> Preußens vereinigt und 1947 dem neugebildeten Land -> Sachsen- Anhalt eingegliedert. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schrecker, U., Das landesfürstliche Beamtentum in Anhalt, 1906; Schröder, A., Grundzüge der Territorialentwicklung der anhaltinischen Lande, Anhalt. Geschichtsbll. 2 (1926); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2895; Marcus, P., Herzog Bernhard von Anhalt, 1993 animo (lat.) durch Beherrschungswillen, -> possessio, -> animus animus (lat. [M.]) -> Wille animus (M.) domini (lat.) Eigentümerwille animus (M.) donandi (lat.) Schenkungswille - > Schenkung animus (M.) novandi (lat.) Abänderungswille -> Novation Anjou ist die Seitenlinie der -> Kapetinger (erstes Haus begründet von vicecomes Fulco dem Roten um 898, Verlust der Grafschaft 1214/1259 an den König von Frankreich, 1154 28 Königtum in England mindestens bis 1399, 1499 Hinrichtung des letzten männlichen Plantagenet Earl Eduard von Warwick, zweites Haus 1246-1328/1351 als Apanage nach Übernahme der Grafschaft durch den König von Frankreich, drittes Haus 1351-1480), welche die Grafschaft Provence, Sizilien (1265-1282, Sizilien-Trinakria), Neapel (1265- 1435, Sizilien-Neapel), Ungarn (1308-1386) und Polen (1370-1386) sowie in einer jüngeren Linie Lothringen (1431-1473) beherrscht. Die Landschaft A. (der keltischen Andekaver) um Angers zählt von 1154 bis 1204 unter dem Haus -> Plantagenet zu -> England. 1480/1481 fallen A. und Provence an den König von -> Frankreich. Lit.: Guillot, O., Le comte d'Anjou et son entourage au 11e sicle, 1972; Gillingham, J., The Angevin Empire, 1984; Michalsky, T., Memoria und Repräsentation, 1999; Kiesewetter, A., Die Anfänge der Regierung König Karls II. von Anjou (1278-1295), 1999; Berg, D., Die Anjou-Plantagenets, 2003 Anklage ist die vor Gericht gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Straftat erhobene Anschuldigung. Sie tritt erst mit der Entstehung allgemeiner Streitbe- endigungseinrichtungen auf. In Rom erfolgt der Übergang zu einer allgemeinen staatlichen Strafverfolgung seit dem 2. vorchristlichen Jh. Danach erscheint eine Popularanklage bei Verfolgung gemeiner Verbrechen. Jeder Bürger kann durch Anzeige die A. vorbringen und erhält im Falle des Erfolges einen Lohn. Im deutschen Mittelalter bildet die A. die Voraussetzung für den besonderen, seit dem 14. Jh. sichtbaren -> Anklageprozess. Lit.: Köbler, DRG 156, 202, 118; Grossmann, S., Masken des Anklägers ­ Geschichte des Anklägers im amerikanischen Strafprozess, Diss. jur. Frankfurt am Main 2000 Anklagegrundsatz ist der Grundsatz, dass ein Strafverfahren nur auf Grund einer Anklage betrieben werden kann. Anklageprozess ist der Strafprozess, der eine - > Anklage (insbesondere seit dem 19. Jh. eine Anklage durch eine besondere öffentliche Anklagebehörde) (-> Staatsanwaltschaft) vor- aussetzt. Er ist in Frankreich eine unmittelbare Folge der französischen Revolution von 1789. In Deutschland setzt Baden 1832 erstmals Staatsanwälte ein. 1848 wird der A. von der Verfassung der Frankfurter Paulskirche vorgesehen. -> Akkusationsprozess Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954 Anklam ist die am Unterlauf der Peene vor 1243 von deutschen Siedlern angelegte Stadt, die vor 1283 der Hanse beitritt und spätestens 1292 Lübecker Stadtrecht übernimmt. Sie überliefert ein bedeutsames -> Stadtbuch. Lit.: Das Stadtbuch von Anklam, bearb. v. Bruinier, J., Bd. 1ff. 1960ff. Anleite ist die Einweisung in ein fremdes Gut, insbesondere die Einweisung des Klägers in die Güter eines wegen Prozessungehorsams geächteten Beklagten in einem sich über rund 10 Termine erstreckenden Verfahren vor dem Reichshofgericht oder einem kaiserlichen Landgericht vor 1784. Lit.: Kohler, J., Acht und Anleite des königlichen Hofgerichts, FS G. Cohn, 1915, 1; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1984 Annahme -> Vertrag Annalen (Jahrbücher) sind in möglicher Parallele zu spätantiken Konsullisten seit dem 8. Jh. erscheinende, chronologisch geordnete Aufzeichnungen über denkwürdige Begeben- heiten (z. B. Quedlinburger Annalen Sankt Servatiusstift Quedlinburg 1008-1030 [ab Schöpfung]). Lit.: Poole, R., Chronicles and Annals, 1926; Caenegem, R. van/Ganshof, F., Kurze Quellenkunde des westeuropäischen Mittelalters, 1964; Mc Cormick, M., Les annales, 1975; Hay, D., Annalists and Historians, 1977; Die Annales Quedlinburgenses, hg. v. Giese, M., 2004 Annaten sind gewohnheitsmäßig entwickelte, seit der Mitte des 13. Jh.s bei der Verleihung freier nichtkonsistorialer Benefizien allgemein an den Papst geleistete Abgaben in Höhe eines ganzen oder halben Jahresertrages, die seit 1917 grundsätzlich untersagt sind. Lit.: Kirsch, J., Die päpstlichen Annaten, 1903; Hoberg, H., Die Einnahmen der apostolischen Kammer, Bd. 1f. 1955ff. Anschluss ist die von Adolf -> Hitler 1938 nach mehrjähriger Vorbereitung durch politischen Druck herbeigeführte Angliederung -> Österreichs an das Deutsche Reich. Dem A. geht 1918 der vergebliche Versuch der aus den 29 meisten deutschsprachigen Gebieten Österreich-Ungarns gebildeten Republik -> Deutschösterreich voraus, sich mit dem -> Deutschen Reich zu verbinden. Am 12. 2. 1938 zwingt Hitler den österreichischen Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg, den nationalsozialistischen Sympathisanten Seyss- Inquart als Sicherheitsminister zu bestellen. Eine für den 12. 3. 1938 von Schuschnigg angesetzte Volksabstimmung für ein ,,freies und deutsches, unabhängiges und soziales, christliches und einiges Österreich" unterbleibt wegen des am 11. 3. 1938 von Hitler erzwun- genen Rücktritts Schuschniggs. Danach bestellt der Bundespräsident Seyss-Inquart zum Bundeskanzler. Auf Anforderung (Bitte um ,,Hilfe") Seyss-Inquarts an Hitler marschieren deutsche Truppen ein. Die Bundesregierung beschließt ein Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich. Eine Volksabstimmung vom 10. 4. 1938 bejaht den A. zu 99,73%. Lit.: Köbler, DRG 223; Baltl/Kocher; Kleinwächter, F./Paller, H., Die Anschlussfrage, 1930; Tirol und der Anschluss, hg. v. Albrich, T. u. a., 1988; Jung, O., Plebiszit und Diktatur, 1995; Roesler, J., Der Anschluss von Staaten, 1999; Krämer, K., Die Bestrebungen für einen Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschland 1918 bis 1921, Diss. jur. Hannover 2003 Anschütz, Gerhard (Halle/Saale 10. 1. 1867- Heidelberg 14. 4. 1948) wird nach dem Rechts- studium Professor in Tübingen (1899), Heidelberg (1900), Berlin (1908) und Heidelberg (1916). Er verfasst auf gesetzespositivistischer Grundlage den mit 14 Auflagen erfolgreichsten Kommentar zu der von ihm lose mitgestalteten Verfassung der -> Weimarer Republik. Lit.: Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933; Forsthoff, E., Gerhard Anschütz, Der Staat 6 (1967), 139; Gerhard Anschütz, Aus meinem Leben, hg. v. Pauly, W., 1993; Dreier, H., Ein Staatsrechtslehrer, ZNR 20 (1998) Ansegis (bei St. Rambert bei Lyon um 770-St. Wandrille/Fontenelle 20. 7. 833) ist der fränkische Benediktinerabt von St. Wandrille, der 827 in seinem (lat.) Legiloquus liber (M.) in einfacher Ordnung 29 (von etwa 90 heute bekannten) -> Kapitularien Karls d. Großen und Ludwigs des Frommen zusammenstellt, deren zwei Redaktionen (?) durch mehr als 60 (63), in vier Gruppen einteilbare Handschriften überliefert werden. Lit.: Ganshof, F., Was sind die Kapitularien?, 1961; Die Kapitualriensammlung des Ansegis, hg. v. Schmitz, G., 1996 Anstalt ist die von einem Träger öffentlicher Verwaltung seit dem 18. Jh. zur Erfüllung einer besonderen Verwaltungsaufgabe errichtete, verwaltungsorganisatorisch oder rechtlich ver- selbständigte Verwaltungseinheit von persön- lichen oder sachlichen Mitteln. Lit.: Gerstlacher, C., Sammlung aller Baden- Durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Weber, W., Die Entwicklung der Sparkassen, 1985; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Alexander, L., Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im römischen Recht, 2003 Anstiftung ist die vorsätzliche Bestimmung eines anderen zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat (Versuch genügt). Als allgemeine Grundfigur des -> Strafrechts wird die A. erst im 19. Jh. ausgebildet. Lit.: Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973 Anthropologie (F.) Menschenkunde Lit.: Dülmen, R. van, Historische Anthropologie, 3. A. 2001 Antichrese ist das aus dem hellenistischen Bereich in das klassische römische Recht eingeführte Nutzpfand, bei dem der Pfandgläubiger mit Erlaubnis des Verpfänders die Früchte der Pfandsache ziehen darf. Lit.: Kaser § 31; Hübner Antike ([3000/2800 v. Chr. bzw.] 11. Jh. v. Chr.-4./6. Jh. n. Chr.) ist der vor allem durch die Kultur der Griechen und Römer gekenn- zeichnete, durch die Eroberung Westroms durch Germanen im Jahre 476 abgeschlossene geschichtliche Abschnitt der menschlichen Entwicklung. -> Altertum Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff. 1986; The Cambridge Ancient History, 2. A. Bd. 6, hg. v. Lewis, D., 1994; Dahlheim, W., Die Antike, 6. A. 2002; Löwe, G./Stoll, H, Lexikon der Antike, 1997; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 2. A. 2001; Gehrke, H., Kleine Geschichte der Antike, 1999; Metzler Lexikon Antike, hg. v. Brodersen, K./Zimmermann, B., 1999; Lexikon der christlichen Antike, hg. v. Brauer, J./Hutter, M., 1999; Nickel, R., Lexikon der antiken Literatur, 1999; Geschichte der Antike, hg. v. Gehrke, H. 30 u. a., 2000; Dahlheim, W., Die Antike, 6. A. 2002; Brandt, H., Das Ende der Antike, 2001; Grziwotz, H./Döbertin, W., Spaziergang durch die Antike, 2002; Die Rechtskulturen der Antike, hg. v. Manthe, U., 2003; Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters, hg. v. Kern, M. u. a., 2003; Pöhlmann, E., Einführung in die Überlieferungsgeschichte und in die Textkritik der antiken Literatur, Bd. 1 2. A. 2003; Personen der Antike, hg. v. Brodersen, K. u. a., 2004 Antiochia (Kreuzfahrerfürstentum) Lit.: Mayer, H., Varia Antiochena, 1993 Antisemitismus -> Jude Lit.: Badinter, R., Un antisémitisme ordinaire, 1997; Scheil, S., Die Entwicklung des politischen Antisemitismus in Deutschland zwischen 1881 und 1912, 1999; Walter, D., Antisemitische Kriminalität, 1999; Katholischer Antisemitismus, hg. v. Blaschke, A. u. a., 2000; Kertzer, D., Die Päpste gegen die Juden, 2001; Bergmann, W., Geschichte des Antisemitismus, 2002; Ferrari Zumbini, M., Die Wurzeln des Bösen - Gründerjahre des Antisemitismus, 2002; Haury, T., Antisemitismus von links, 2002; El olivo y la espada, hg. v. Joan i Tous, P. u. a., 2003; Ley, M., Kleine Geschichte des Antisemitismus, 2003; Der Berliner Antisemitismusstreit 1879-1881, bearb. v. Krieger, K., 2003; Benz, W., Was ist Antisemitismus?, 2004 Antitribonianus ist das 1603 postum erschienene Werk François -> Hotmans, das im Angriff auf -> Tribonian die Anwendbarkeit des Corpus iuris civilis in der Neuzeit bestreitet und die Schaffung eigener Gesetzbücher empfiehlt. Lit.: Baron, J., Franz Hotmans Antitribonian, 1888 Antrag -> Vertrag Antrustio (lat. [M.]) ist der im Volksrecht der - > Franken durch dreifaches Wergeld des Freien ausgezeichnete freie Königsmann. Lit.: Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958 Antwerpen an der Schelde wird 726 erstmals urkundlich erwähnt. 1291 erhält es Stadtrecht. 1852 wird eine Universität eingerichtet. Anwachsung ist die Erhöhung der Anteile anderer Berechtigter an einer (gesamthänderischen) Gesamtheit im Wege der Gesamtnachfolge bei Wegfall eines Mitberechtigten. Sie dürfte in alten gesamthänderischen Gesamtheiten (z. B. Hausgemeinschaft, Akkreszenz im klassischen römischen Erbrecht) Bedeutung gehabt haben und später eher zurückgedrängt worden sein (z. B. durch Eintrittsrechte, Realteilung). Durch das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) gewinnt sie mit dem Gesamthandsprinzip an Gewicht. Lit.: Kaser §§ 73 III, 76 III 1 154ff.; Hübner; Breuel, F., Geschichte des Anwachsrechts in Ostfriesland, 1954; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333 Anwalt ist der Vertreter eines anderen (im Recht). Im römischen Recht ist Vertretung grundsätzlich ausgeschlossen. Im deutschen Bereich begegnen die ersten Anfänge im fränkischen Reich. Zum Hochmittelalter hin erscheinen Vertreter für Bischöfe, Äbte, Gemeinden oder Genossenschaften. Bis zur zweiten Hälfte des 15. Jh.s setzt sich die Vertretung der Partei im bürgerlichen Rechtsstreit durch. Mit der Rezeption des römisch-kanonischen Prozessrechts wird am Ende des 15. Jh.s der meist rechtsgelehrte, praktisch geschulte ->Prokurator zum Vertreter der Partei vor Gericht, der rechtsgelehrte -> Advokat zum außergerichtlichen Berater, doch verwischen sich in Deutschland die Unter- schiede trotz Fortführung der verschiedenen Benennungen bald wieder. In Preußen wird 1725 die Prokuratur abgeschafft und 1780 die Advokatur als freier Beruf beseitigt (Assistenzrat, Justizkommissar). Im 19. Jh. werden auch in Preußen wieder frei wählbare Prozessvertreter zugelassen, die seit 1849 (1878 im Deutschen Reich) Rechtsanwälte heißen. Lit.: Kaser § 87 II IV; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155, 202; Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Bader, K., Vorsprecher und Anwalt in den fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Böhm, O., Die nürnbergische Anwaltschaft um 1500 bis 1806, 1949; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Holly, G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte, 1989; Krug, G., Die Advokat-Anwälte, Diss. jur. Mannheim 1996; Die Geschichte des Deutschen Anwaltvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Nirk, R., 50 Jahre NJW. Die Entwicklung der Anwalt- schaft, NJW 1997, 2625; Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997; Treve, W., Rechts-, Wirtschafts- und Steuerberatung in zwei Jahrhunderten, 3. A. 1998; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003 Anwaltszwang ist die tatsächliche oder 31 rechtliche Verpflichtung im -> Prozess einen -> Anwalt zu verwenden. Anwartschaft ist die einer bestimmten Person zustehende rein tatsächliche Aussicht auf ein später zu erwartendes Amt oder Recht. Im deutschen Mittelalter hat der nahe Verwandte ein Anrecht auf den Nachlass (-> Erbenwartrecht). Im 20. Jh. setzt sich die A. als werdendes Recht, das dem Vollrecht wesens- gleich ist, beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt durch. Lit.: Kaser § 10 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 269; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, 1984 Anweisung ist die schriftliche Aufforderung eines Teiles (Anweisender) an einen anderen Teil (Angewiesener), Geld, Wertpapiere oder andere Sachen an einen Dritten (Anweisungs- empfänger) zu leisten. Sie gehört in die Frühzeit des -> Wertpapiers (13./14. Jh.). Anwenderecht ist das in die Anfänge des Ackerbaues zurückreichende Recht, zur Bestellung des eigenen Feldes kurzzeitig ein Nachbargrundstück zu betreten. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lässt das landesrechtlich vorhandene A. bestehen. Lit.: Hübner 281; Götz, A., Das Anwenderecht, 1925 Anzeige ist die Mitteilung eines rechtlich erheblichen Vorganges oder Zustandes. Sie ist in verschiedenen Formen dem römischen Recht bekannt. Eine Verpflichtung zu einer A. bestimmter Handlungen stellt die Rügepflicht dar. Der hochmittelalterliche kanonische Prozess unterscheidet im 12. Jh. die A. von der (lat. [F.]) accusatio. In der frühen Neuzeit genügt im Strafverfahren statt der Klage eines einzelnen Klägers die A. beim Richter zur Ingangsetzung des Verfahrens. Lit.: Köbler, DRG 157; Kisker, S., Die Nichtanzeige geplanter Straftaten - §§ 138, 139 StGB, 2002 Aostatal Lit.: Roddi, G., Il Coutumier Valdostano (1588), 1994 (Diss. jur. Freiburg im Üchtland) Apanage ist die Ausstattung eines nachge- borenen Sohnes, Bruders oder sonstigen Mitgliedes eines landesherrlichen Hauses zur Sicherung des standesgemäßen Unterhalts. Sie entwickelt sich nach älteren Vorläufern (Bretagne 990?, Dreux 1137?) im 13. Jh. in Frankreich. Einen Rechtsanspruch auf A. gibt es nur bei Vorliegen eines entsprechenden Hausgesetzes. Die meist bei Eintritt der Volljährigkeit fällige A. kann auf eine Person oder auf eine Linie bezogen sein. Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Wood, C., The French Apanages, 1966 Apel, Johann (Nürnberg 1486-27. 4. 1536) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg 1524 Rechtslehrer, 1530 Kanzler in Preußen und 1534 Rechtsberater in Nürnberg. 1535 schlägt er eine dialektische Lehrmethode für die Rechtswissenschaft vor. Außerdem bietet er erste systematische Ansätze. Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Doctor Johann Apell, 1861; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, Z. f. d. ges. Staatswiss. 100 (1940), 423 Apokalypse Lit.: Fried, J., Aufstieg aus dem Untergang, 2001 Apostelbrief ist im gelehrten Verfahrensrecht des Mittelalters der Bericht, den der untere Richter (lat. iudex [M.] a quo) auf die Bitte einer Partei, die -> Appellation gegen seine Entscheidung erhebt, an den oberen Richter (iudex ad quem) sendet. Er enthält eine Schilderung des bisherigen Verfahrensablaufes und eine Beurteilung der Berechtigung der Appellation sowie später auch die bisherigen Prozessakten. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Sägmüller, J., Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts, Bd. 2 3. A. 1914, 342 appellatio (lat. [F.]) Anrufung, Berufung, -> Appellation Appellation ist im spätrömischen Verfah- rensrecht das Rechtsmittel zur Überprüfung der Entscheidung eines unteren Richters durch einen höheren Richter, das mit einem Urteil endet. Die A. ist bei dem unteren Richter mündlich oder binnen 10 Tagen schriftlich einzubringen. Im hohen Mittelalter wird die A. (mittels -> Apostelbriefs), die seit dem 12. Jh. im kirchlichen Prozessrecht erscheint, aus dem oberitalienisch-kanonischen Prozessrecht in Deutschland zuerst in geistlichen Gerichten aufgenommen. In der zweiten Hälfte des 15. Jh.s ersetzt die A., die sich vor 1451 nur in einzelnen besonderen Fällen vor dem um 1450 grundsätzlich noch unmittelbar angerufenen, aber auch im älteren Rechtszugverfahren kaum eine nennenswerte Rolle spielenden König findet, allmählich die ältere Urteilsschelte in weltlichen Verfahren. Die Appellations- verfahren verdrängen bald die erstinstanzlichen 32 Rechtszugverfahren. Das 1495 eingerichtete Reichskammergericht ist vielfach Appel- lationsgericht (am Ende des 15. Jh.s zu 80%). Zur Eindämmung der A. wird dort 1521 eine Appellationssumme von 50 Gulden festgelegt, die 1654 auf 400 Reichstaler steigt. In die gleiche Richtung wirken die Nichtappel- lationsprivilegien. 1879 wird die A. im Deutschen Reich durch die -> Berufung ersetzt, in England erst 1875 wirklich zugelassen. -> Konzil Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 34, 56, 114, 117, 152; Köbler, LAW; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivlegien für Brandenburg-Preußen, 1908; Stölzel, A., Geding, Appellation, Hof, Hofgericht und Räte, 1912; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Blaschke, K., Das kursächsische Appellationsgericht 1559-1835 und sein Archiv, ZRG GA 84 (1967), 329; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75; Weitzel, J., Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts als Appellationsgericht, ZRG GA 90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der Reichskammergerichts- ordnung von 1495, 1973; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976; Die kaiserlichen privilegia de non appellando, hg. v. Eisenhardt, U., 1980; Becker, H., Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil, 1988; Kern, B., Die Appellation in Kurpfälzer und verwandten Rechtsquellen des 15. Jahrhunderts, ZRG GA 106 (1989), 115; Seeger, T., Die Extrajudizialappellation, 1993; Morhard, A., Die gerichtliche Berufung, 1995; Diestelkamp, B., Die Durchsetzung des Rechtsmittels der Appellation, 1998; Szidzek, C., Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation in Strafsachen, 2002; Strauch, D./Arntz, J./Schmidt- Troje, J., Der Appellhof zu Köln, 2002 Appellationsprivileg ist das Privileg des deutschen Königs an Landesherren, das eine -> Appellation aus dem jeweiligen Gebiet an den König ausschließt (Nichtappellationsprivileg). Es betrifft anfangs wohl nur den Rechtszug nach einer Urteilsschelte und erst in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s die eigentliche Appellation. 1356 verleiht die -> Goldene Bulle den Kurfürsten ein unbeschränktes A., dessen Bedeutung deswegen umstritten ist, weil die Appellation 1356 noch nicht allgemein aufgenommen worden war (z. B. in Sachsen erst seit dem 16. Jh.). Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Bross, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der Reichskammergerichts- ordnung von 1495, 1972; Eisenhardt, U., Die kaierlichen privilegia de non appellando, 1980 Appenzell erscheint 1071 erstmals als Abba- cella. Das zunächst unter der Herrschaft der Abtei Sankt Gallen stehende Gebiet gewinnt zwischen 1377 und 1429 Selbständigkeit. Seit 1411 ist A. zugewandter Ort der Eidgenos- senschaft der -> Schweiz, seit 17. 12. 1513 dreizehntes Mitglied. A. besteht aus einem evangelischen Halbkanton (Außerrhoden) und einem katholischen Halbkanton (Innerrhoden). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Benz, R., Die rechtlichen Zustände im Lande Appenzell, Appenzellische Jahrbücher 46 (1918), 1; Wirz, H., Die Grundlagen der Appenzeller Freiheit, Appenzellische Jahrbücher 56 (1929); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Land- und Alpwirtschaft in Außerrhoden, 1974; Blickle, P., Verfassung und Religion ­ Voraussetzungen und Folgen der Landteilung des Appenzell 1597, ZRG GA 115 (1998), 339 Aprilverfassung ist die am 25. 4. 1848 von Kaiser Ferdinand I. erteilte, vom Innenminister Franz Xaver von -> Pillersdorff geformte, nach dem 15. 5. 1848 zurückgezogene, erste formelle Verfassung Österreichs mit Gewaltenteilung, Reichstag und Grundrechten. Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher apud iudicem (lat.) vor dem Richter, -> Prozess, Verfahren Apulien im Süden Italiens gerät seit dem 9. Jh. v. Chr. unter den Einfluss der Griechen, wird 317 v. Chr. von Rom erobert und gehört nach dem Untergang Westroms über die Herrschaft von Ostgoten und Oströmern im Norden seit 570 zum Herzogtum Benevent der Lango- barden. In der Mitte des 11. Jh.s fällt es an die Normannen (1130 Sizilien), 1282 an das Königreich Neapel. Lit.: Palumbo, P., Medio evo meridionale, 1978 aquae ductus (lat. [M.]) Wasserleitungsrecht, - > Dienstbarkeit aquae haustus (lat. [M.]) Wasserschöpfrecht,- > Dienstbarkeit Aquileia nahe der Adria wird 181 v. Chr. als römische Kolonie gegründet. Der seit spätestens 314 nachweisbare Bischof bean- 33 sprucht seit 558/68 den Titel eines Patriarchen. 1077 wird der Patriarch Reichsfürst. Seit 1418 gelangt A. an Venedig, im 16. Jh. an Österreich und mit Venetien an Italien. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gamber, K., Das Patriarchat Aquileja, 1987 Aquilius -> lex Aquilia Aquitanien ist das Gebiet nördlich der Pyrenäen. Es wird seit 71 v. Chr. römisch, 418 westgotisch und 507 fränkisch. Im 7. Jh. entsteht ein fast selbständiges Herzogtum (bis 768), das im 9. Jh. erneuert wird. Durch Heirat der Erbtochter mit Heinrich II. -> Plantagenet (1152) gelangt A. beim Thronantritt Heinrichs II. in England in eine Personalunion mit -> England. Am Ende des hundertjährigen Krieges (1453/75) fällt A. von England an -> Frankreich. Lit.: Histoire de l'Aquitaine, hg. v. Higounet, C., 1971; Trabut-Cussac, J., L'administration anglaise en Gascogne, 1972 Äquivalenzprinzip ist der im 20. Jh. ausgebildete Grundsatz, dass zwischen dem Wert einer einzelnen Leistung der Verwaltung und der für diese geforderten Gebühr ein ausgewogenes Verhältnis bestehen muss. Araber ist der Angehörige des in den mittelalterlichen lateinischen Quellen meist als (lat. [M.Pl.]) Saraceni bezeichneten semitischen Volkes, das zunächst auf der arabischen Halbinsel siedelt. Die A. erobern nach der Bekehrung zum -> Islam im frühen Kalifat (632-692) Ägypten, Syrien, Irak und Persien. 711 wird Gibraltar erreicht, 716/717 Konstantinopel belagert und 732 ein Spanien einnehmender Vorstoß erst bei Tours und Poitiers von den Franken zurückgeschlagen. Im 9. Jh. setzt der Zerfall des bald auf Bagdad (762, um 1000 Kalifenbibliotheken mit vielleicht 100000 Bänden) ausgerichteten Reiches in mehrere Einzelherrschaften ein. 1260 können die Mongolen abgewehrt werden. Das im 15. Jh. unter muslimisch gewordenen Osmanen gebildete ssmanische Reich fasst die A. nochmals zusammen, doch geht 1492 mit Granada die letzte Herrschaft in Spanien verloren und werden im 19. Jh. die arabischen Länder mit dem Zerfall des osmanischen Reiches Gegenstand der Kolonialpolitik euro- päischer Staaten. Ein unmittelbarer Einfluss der A. auf das Recht Europas ist nicht nachweisbar, doch finden sich ausgehend von den wichtigsten Berührungsorten gewisse, Handel und Verwaltung betreffende mittelbare Auswirkungen (Kaufhöfe in Venedig, Seezoll in Pisa, Gesundheitsrecht in Sizilien, lat. contractus [M.] mohatrae). Im Übrigen geben die A. allgemein auch antikes Gedankengut und eigene Gelehrsamkeit fruchtbringend an das europäische Mittelalter weiter. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Amari, M., Storia dei Musulmani di Sicilia, Bd. 1ff. 1854ff.; Geschichte der arabischen Welt, hg. v. Haarmann, U./Halm, H., 4. A. 2001; Crespi, G., Die Araber in Europa, 1992; Halm, H., Die Araber, 2004; Walther, W., Kleine Geschichte der arabischen Literatur, 2004; Steinberg, G., Saudi-Arabien, 2004 Aragonien (Aragón) im Nordosten Spaniens gelangt am Ende des 3. Jh.s v. Chr. von den Puniern an die Römer, im 5. Jh. n. Chr. an die Westgoten und 713 an die Araber. Kurz nach 800 wird es eine Grafschaft der Franken, die eine eigene (lat. [F.]) convenientia (958) hat und sich im Zuge der Rückeroberung 1035 und 1134 zum Königreich entwickelt, in dem der -> Fuero von -> Jaca (1064) besondere Bedeutung hat. Dieses A. wird 1137 mit Katalonien und 1238 mit Valencia verbunden. Seit dem 13. Jh. dringt römisches Recht ein. 1247 werden die in 8, später in 12 Bücher gegliederten, vielleicht auf Vidal de Caellas zurückgehenden, ausschließliche Geltung beanspruchenden Fueros de Aragón (Fori Aragonum) in Huesca verkündet. Unter die Herrschaft Aragoniens gelangen auch Sizilien (1282), Sardinien (1323) und Neapel (1442). Seit 1469 tritt A. hinter -> Kastilien (1474 Personalunion) zurück und verliert die 1707 zunächst noch gewahrten Sonderrechte. Der Verlust der selbständigen Verwaltung (1833) wird erst 1982 wieder aufgehoben. Das überlieferte besondere Privatrecht gilt seit 1889 im Rahmen des Código Civil Espaol fort. Lit.: Fori Aragonum 1476/1477, Neudruck 1979; Schwarz, K., Aragonische Hofordnungen, 1914; Klüpfel, L., Verwaltungsgeschichte des Königreichs Aragon, 1915; Vidal mayor, hg. v. Tilander, G., 1956; Lalinde Abadía, J., Virreyes y lugartenientes, Cuadernos de historia de Espaa 1960, 98; Lalinde Abadía, J., La gobernación general en la corona de Aragón, 1963; Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964; Lalinde Abadia, J., Fairen Guillen, V., Die aragonesischen 34 Verfassungsprozesse, ZRG GA 91 (1974, 116; Los Fueros de Aragón, 1976; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat- rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,258 Arba `at ha-Turim -> Jakob Ben Ascher Arbeit ist die auf Schaffung von Werten gerichtete körperliche oder geistige Tätigkeit. Steht ursprünglich die damit verbundene Mühe im Mittelpunkt, so verlagert sich der Bedeutungskern besonders seit dem 19. Jh. auf die Unselbständigkeit und Fremdbestimmtheit der Tätigkeit. Hinsichtlich der A. treten deshalb, obwohl bereits im Mittelalter das dauernde Vorkommen vertraglich vereinbarter Arbeitsverhältnisse in Stadt und Land und die beständige Sorge der Obrigkeit für Reglementierung der Entlohnung bezeugt sind, erst seit etwa 1840 Arbeitgeber und Arbeitnehmer einander gegenüber. Bezüglich der A. schließen sie den -> Arbeitsvertrag, dessen Gestaltung Teil des -> Arbeitsrechts ist, für das sich das besondere -> Arbeitsgericht ausbildet. Bereits im 19. Jh. wird auch die Sicherung eines Rechtes des Einzelnen auf A. verlangt. Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Arbeit und Rhythmus im Rechtsleben, ZRG GA 41 (1920), 370; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 154; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Le travail au Moyen Age, hg. v. Hamesse, J. u. a., 1990; Jansen, R., Die Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen, 1990; Benöhr, H., Das Recht auf Arbeit in Frankreich 1848, ZRG GA 109 (1992), 179; Ritter, G., Arbeiter, Arbeiterbewegung und soziale Idee in Deutschland, 1996; Sellier, U., Die Arbeiter- schaftgesetzgebung, 1998; Brückner, W., Arbeit macht frei, 1998; Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung und heutige Bedeutung des Begriffs der gefahrgeneigten Arbeit, 1998; Geschichte und Zukunft der Arbeit, hg. v. Kocka, J. u. a., 2000; Fossier, R., Le travail au moyen âge, 2000; Schaller, K., Einmal kommt die Zeit, 2001; Guinand, C., Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), 2003 Arbeitnehmer Lit.: Pflaume, H., Organisation und Vertretung der Arbeitnehmer in der Bewegung von 1848/1849, 1934 Arbeitsgericht ist das im Deutschen Reich 1926 für die erste Instanz (RGBl. 1926, 507) geschaffene Eingangsgericht der für Streitigkeiten aus Arbeitsverträgen zuständigen, 1946/1953 gänzlich von der ordentlichen Gerichtsbarkeit verselbständigten Arbeitsgerichtsbarkeit (1927 Reichsarbeitsgericht). Vorläufer des Arbeitsgerichts ist ein besonderes, mit Arbeitgeberbeisitzern und Arbeitnehmer- beisitzern besetztes Gewerbegericht (1890, Österreich 1898). Es geht seinerseits auf den in Frankreich (Lyon 1806) von Napoleon auf Wunsch der Arbeitnehmer errichteten Conseil de prud'hommes zurück, der linksrheinisch nachgebildet (1808 Aachen-Burtscheid) und später in Preußen (1845) und im Norddeutschen Bund (1869) beibehalten wird. Lit.: Köbler, DRG 234, 261; Kaskel, W., Die Arbeitsgerichtsbarkeit 1929; Globig, K., Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer Befriedung, 1985; Linder, M., The Supreme Labor Court, 1987; Brand, J., Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichtsbarkeit, 1990; Schöttler, P., Zur Mikrogeschichte der Arbeits- gerichtsbarkeit, Rechtshistorisches Journal 9 (1990), 127; Weiß, J., Arbeitsgerichtsbarkeit, 1994; 50 Jahre saarländische Arbeitsgerichtsbarkeit, hg. v. Präsidenten des Landesarbeitsgerichts, 1997; 50 Jahre Arbeitsgerichtsbarkeit des Landes Schleswig-Holstein, 1997; Brand, J., Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland, Bd. 2 2002 Arbeitsgesetzbuch ist das für das -> Arbeitsrecht geschaffene Gesetzbuch (z. B. Deutsche Demokratische Republik 12. 4. 1961, 23. 11. 1966, 1977). Lit.: Kroeschell, DRG 3 Arbeitskampf (erster bekannter Arbeitskampf auf deutschem Boden Breslau 1329) -> Aussperrung, Streik Lit.: Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts, hg. v. Pohl, H., 1980; Sieg'l, C., Arbeitskämpfe seit dem Spätmittelalter, 1993; Schröder, R., Der gewerbliche Kampf, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 533; Dallmann, C., Die Anfänge des französischen Arbeitskampfrechts, Diss. jur. Würzburg 2002; Kittner, M., Arbeitskampf, 2005 (61 Fallschilderungen zwischen 1155 v. Chr. und 2003 n. Chr.) Arbeitslosenversicherung ist die bescheidenen gemeindlichen Anfängen (1913 in 13 deutschen Gemeinden eine Arbeitslosenunterstützung vorhanden) folgend von 1918 an geschaffene, 1927 einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Selbstverwaltung übertragene, 1969 aufgabenerweiternd im Ar- 35 beitsförderungsgesetz geregelte und zum 1. 1. 1998 in das Sozialgesetzbuch (III) überführte - > Sozialversicherung gegen die wirtschaft- lichen Folgen des Mangels einer Erwerbs- tätigkeit. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 233, 241; Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, hg. v. Benöhr, H., 1991 ; Führer, K., Arbeitslosigkeit und die Entstehung der Arbeitslosenversicherung, 1990; Lewek, P., Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenversicherung, 1992; Dorn, U., Arbeitslosigkeit, ZNR 1993, 12; Fukuzawa, N., Staatliche Arbeitslosenunterstützung in der Weimarer Republik, 1995 Arbeitsmündigkeit -> Mündigkeit Lit.: Gefaeller, W., Entstehung und Bedeutung der Arbeitsmündigkeit, 1968 Arbeitsrecht ist das die -> Arbeit betreffende Recht. Es wird als Rechtsgebiet erst am Beginn des 20. Jh.s verselbständigt (Sinzheimer 1907f./14, Potthoff 1925), nachdem sich die obrigkeitlichen und genossenschaftlichen Bindungen infolge des Liberalismus lösen und -> Arbeit zum Gegenstand freier vertraglicher Vereinbarung wird. Als erste gesetzliche Regelungen erscheinen Arbeitsschutz- bestimmungen (England 1802, Preußen 1839, Truckverbot 1849), die das deutsche Arbei- terschutzgesetz von 1891 verallgemeinert. Flankierend wirkt die -> Sozialversicherung. Die seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s allmählich entwickelte Kollektivierung des Arbeitsrechts findet einen ersten Abschluss in der -> Tarifvertragsverordnung (1918) und der zugehörigen Schlichtungsverordnung (1923). Durch die nationalsozialistische Regierung wird dann das kollektive A. durch eine autoritäre Arbeitsverfassung ersetzt, die nach 1945 wieder beseitigt wird. Erste Darstellungen des Arbeitsrechts stammen von P. Lotmar (1902/8) und H. Sinzheimer (1907f./14). Als Besonderheit des Arbeitsrechts wird lange Zeit die Haftungseinschränkung bei -> gefahrge- neigter Tätigkeit angesehen. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215, 227, 241; Sinzheimer, H., Über den Grundgedanken und die Möglichkeit eines einheitlichen Arbeitsrechts in Deutschland, 1914; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im deutschen Mittelalter, 1939; Ebel, W., Quellen zur Geschichte des deutschen Arbeitsrechts bis 1849, 1964; Mampel, S., Arbeitsverfassung und Arbeitsrecht in Mitteldeutschland, 1966; Wedderburn, K., Cases and materials on labour law, 1967; Weidmann, P., Die soziale Entwicklung des zürcherischen Arbeitsrechts von 1815-1870, Diss. jur. Zürich 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3635; Ramm, T., Die Arbeitsverfassung des Kaiserreichs, FS W. Mallmann, 1978; Ramm, T., Die Arbeitsverfassung der Weimarer Republik, in: In memoriam Sir Kahn-Freund, 1980; Umlauf, J., Die deutsche Arbeiterschutzgesetzgebung 1880-1980, 1980; Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H., 1984; Tschudi, H., Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987; Lewisch, P., Der Wandel von Arbeitsethos und Arbeitsrecht in Österreich in der Zeit von Maria Theresia bis zum ABGB, 1988; Bohle, T., Einheitliches Arbeitsrecht in der Weimarer Republik, 1990; Wahsner, R., Arbeitsrecht unter'm Hakenkreuz, 1994; Rückert, J., Beschreibende Bibliographie zur Geschichte des Arbeitsrechts, 1996; Kim, Y., Die Entwicklung des Rechts der Arbeitnehmerhaftung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996; Benöhr, H., Fast vier Tropfen sozialen Öls, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Sellier, U., Die Arbeiterschutzgesetzgebung im 19. Jahrhundert, 1998; Die Entstehung des Arbeitsrechts in Deutschland, hg. v. Nutzinger, H., 1998; Rudischhauser, S., Vertrag, Tarif, Gesetz. Der politische Liberalismus und die Anfänge des Arbeitsrechts in Frankreich 1890-1902, 1999; Thiele, M., Die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, 1999; Steinmetz, W., Begegnungen vor Gericht, 2001; Bornheim, S., Die arbeitsrechtliche Normsetzung des Reichskommissariats in den Niederlanden, 2002; Böhm, A., Arthur Philipp Nikisch, 2003; Hermel, M., Karl Flesch, 2004 Arbeitsverfassung -> Arbeitsrecht Arbeitsvertrag ist der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die entgeltliche Leistung von -> Arbeit geschlossene -> Ver- trag. Anfangs individuell ausgehandelt wird sein Inhalt zunehmend kollektiv gestaltet. Seit 1995 wird grundsätzlich die Schriftform angestrebt. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lotmar, P., Der Arbeitsvertrag, 2. A. hg. v. Rehbinder, M., 2001; Europäisches Arbeitsvertragsrecht, hg. v. Molitor, E. u. a., 1928ff.; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im deutschen Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im deutschen Mittelalter, 1939; Gellbach, H., Arbeitsvertragsrecht der Fabrikarbeiter im 18. Jahrhundert, 1939; Kaiser, A., Zum 36 Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung während des 19. Jahrhunderts, ins- besondere in den Auseinandersetzungen über den Arbeitsvertrag, 1972; Söllner, A., Der industrielle Arbeitsvertrag in der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, in: Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288; Vietinghoff-Scheel, E. v., Gewerbliche Arbeitsverhältnisse in Preußen, Diss. jur. Göttingen 1972; Ebert, K., Der industrielle Arbeits- vertrag in der österreichischen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 92 (1975), 143; Söllner, A., Entwicklungslinien im Recht des Arbeitsverhältnisses, in: NS-Recht in historischer Perspektive, hg. v. Institut für Zeitgeschichte, 1981, 135; Alonso Olea, M., Von der Hörigkeit zum Arbeitsvertrag, 1981; Wild, T., Die Entwicklung des Gesamtarbeitsvertragsrechts, 1984; Klippel, D., Der Lohnarbeitsvertrag in Naturrecht und Rechtsphilosophie, in: Geschichtliche Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990; Entwürfe zu einem deutschen Arbeitsver- tragsgesetz mit dem Arbeitsgesetzbuch der DDR von 1990 und dem österreichischen Entwurf einer Teilkodifikation des Arbeitsrechts von 1960, hg. v. Ramm, T, 1992; Becker, M., Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis, 1995; Thiele, A., Die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, 2000; Becker, M., Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis während der Weimarer Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus, 2005 Arbeitszeit ist die für -> Arbeit aufzuwendende Zeit des Arbeitnehmers. Ihre Bestimmung ist Ausfluss der Verrechtlichung des Arbeitsverhältnisses. Im Zug der Industrialisierung verlängert sich die A. durch Wegfall von Feiertagen erkennbar (um 20 Prozent?). Am 23. 11. 1918 wird im -> Deutschen Reich der Achtstundentag ange- ordnet und am 21. 12. 1923 die A. durch die Arbeitszeitordnung sowie 1994 durch das Arbeitszeitrechtsgesetz allgemein geregelt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bischoff, S., Arbeitszeitrecht in der Weimarer Republik, 1987; Grabherr, S., Das Washingtoner Arbeitszeitübereinkommen von 1919, 1992; Voth, H., Time and Work in England 1750-1830, 2000 arbiter (lat. [M.]) Schiedsrichter, -> Schiedsgericht Lit.: Kampmann, C., Arbiter und Friedensstiftung, 2001 Arbitrium Lit.: Meccarelli, M., Arbitrium iudicis und officialis im ius commune, ZRG GA 115 (1998), 552 Archäologie (Altertumskunde) ist die Wissenschaft von den gegenständlichen Hinterlassenschaften (z. B. Bauwerke, Geräte, Münzen, Knochen) von Menschen, die bei günstigen Voraussetzungen auch ethnische Unterschiede (z. B. im Frühmittelalter) wahr- scheinlich machen kann. Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Niemeyer, H., Einführung in die Archäologie, 3. A. 1983; Enzyklopädie der Archäologie, hg. v. Daniel, G., 1996; Fehring, G., Die Archäologie des Mittelalters, 3. A. 2000; Sinn, U., Einführung in die klassische Archäologie, 2000; Halle, U., Die Externsteine sind bis auf weiteres germanisch!, 2002; Martini, W., Sachwörterbuch der klassischen Archäologie, 2003; Bäbler, B., Archäologie und Chronologie, 2004; Die Aktualität des Archäologischen, hg. v. Ebeling, K. u. a., 2004 Archidiakon ist seit etwa 365 der Leiter der -> Diakone einer Bischofskirche, der sich zum Stellvertreter des -> Bischofs entwickelt, ehe er bis zum 19. Jh. weitgehend verschwindet. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Reinhardt, R., Das Archidiakonat auf dem Konzil von Trient, ZRG KA 61 (1975), 84 Archipresbyter ist der seit Anfang des 5. Jh.s nachweisbare Stellvertreter des -> Bischofs bei Messfeier und Spendung der Sakramente, im frühen Mittelalter der Leiter der Priester einer Taufkirche. Lit.: Faure, J., L'archiprtre, 1911 Archiv ist die Einrichtung zur (geordneten) Sammlung und Aufbewahrung von Schriftgut. Archive sind bereits in der Antike dort vorhanden, wo umfangreiches Schriftgut anfällt. Hieran schließt sich seit dem 3. Jh. die christliche Kirche an. Im weltlichen Bereich werden Archive mit dem 12. Jh. sichtbar. Das Hauptproblem der Gegenwart ist die große Menge des Schriftguts, das nach dem Grundsatz der Archivwürdigkeit gesichtet werden muss. Lit.: Köbler, DRG 105, 145; Goldinger, W., Geschichte des österreichischen Archivwesens, 1957; Schellenberg, T., Akten- und Archivwesen, 1961; Kleinau, H., Übersicht über die Bestände des niedersächsischen Staatsarchivs in Wolfenbüttel, 1963; Meisner, H., Archivalienkunde, 1969; Papritz, J., Archivwissenschaft, 1976; Gesamtarchiv Schenk von Stauffenberg, Herrschaft Wilflingen, hg. v. Becker, O., 1981; Archiv der Freiherren von Woellwarth. Urkundenregesten 1359- 1840, bearb. v. Hofmann, N., 1991; Die Bestände des 37 Generallandesarchivs Karlsruhe, Teil 7 Spezialakten der badischen Ortschaften (229), bearb. v. Rupp, R., 1992, Franz, E., Einführung in die Archivkunde, 4. A. 1993; Gaisberg-Schöckingensches Archiv, bearb. v. Müller, P., 1993; Füchtner, J., Quellen rheinischer Archive zur neuzeitlichen Personen- und Familiengeschichte, 1995; Bayerisches auptstaatsarchiv, red. Liess, A., 1996; Strauch, D., Das Archivalieneigentum, 1998; Weiser, J., Geschichte der preußischen Archivverwaltung, 2000; Handbuch der bayerischen Archive, hg. v. bayerischen Archivtag, 2001; Die archivalischen Quellen, hg. v. Beck, F. u. a., 2002; Die archivalischen Quellen, hg. v. Beck, F. u. a., 4. A. 2004 Arco Lit.: Waldstein-Wartenberg, B., Geschichte der Grafen von Arco, 1971 Arenga ist die der spätrömischen Rhetorik entstammende Einleitungsformel mittelalterli- cher Urkunden, die mit meist sehr allgemeinem Inhalt vom Protokoll zum Text überleitet. Lit.: Fichtenau, H., Arenga, 1957 argentarius (lat. [M.]) Bankier, -> receptum (argentarii) Ärgere Hand (lat. conditio [F.] vilior) ist die Kurzfassung des aus dem Grundsatz der Ebenburt (-> Ebenbürtigkeit) an manchen Stellen folgenden mittelalterlichen Rechtssatzes, dass Kinder aus Ehen von Angehörigen unterschiedlicher Stände dem Stand des schlechter geborenen Elternteiles angehören. Lit.: Hübner 104; Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau und der Kinder, 1912 Arglist ist die hinterhältige Gesinnung. Im klassischen römischen Schuldrecht verletzt jedes auf A. (lat. dolus [M.] malus) beruhende Verhalten ohne weiteres die Vertragstreue, so dass die Einrede der A. auch ohne besondere Vereinbarung offensteht. Lit.: Kaser § 8 V; Köbler, DRG 42, 49; Braun, F., Ohne Arglist, ZRG GA 54 (1934), 246 Arianer ist der Angehörige der 325 auf dem Konzil von Nizäa verworfenen Lehre des alexandrinischen Priesters Arius, nach der Christus Gott nicht wesensgleich ist. Goten, Vandalen und Langobarden sind bis ins 6. Jh. A., die Franken dagegen von Anfang an Athanasianer. Lit.: Courtois, C., Les Vandales et L'Afrique, 1955; Meslin, M., Les Ariens, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Arier ist der Angehörige eines arisch (indoiranisch) sprechenden, seit der Mitte des 2. Jt. v. Chr. geschichtlich nachweisbaren, auf die -> Indogermanen zurückführbaren Volkes. Seit dem 19. Jh. wird zunächst A. mit Indogermane gleichgesetzt und dann allmählich A. als Angehöriger der nordischen -> Rasse verstanden. Im Dritten Reich bedeutet A. in antijüdischer Verengung den Nichtjuden. Lit.: Bajohr, F., ,,Arisierung" in Hamburg, 1997 Arimanne (Heermann, lat. [M.] exercitalis) ist bei den Langobarden der vollfreie Krieger, insbesondere möglicherweise der auf Königsland angesiedelte, dem König verpflichtete Krieger. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Jarnut, J., Beobachtungen zu den langobardischen arimanni und exercitales, ZRG GA 88 (1971), 1; Jarnut, J., Prosopographische und sozialgeschichtliche Studien zum Langobardenreich in Italien, 1972 Arisierung ist im Dritten Reich (Adolf -> Hitlers) die Verdrängung der -> Juden aus dem Berufsleben und der Wirtschaftstätigkeit. Armenrecht ist die einstweilige Befreiung einer armen (unbemittelten) Partei von den Kosten eines Rechtsstreites. Sie ist eine besondere Ausprägung der Bevorzugung wegen Armut, wie sie bereits von der mittelalterlichen Kirche gefordert wird. 1980 wird das A. durch die -> Prozesskostenhilfe ersetzt. Lit.: Köbler, DRG 155, 263; Schott, C., Armenfürsorge, Bettelwesen und Vagantenbekämpfung in der Reichsabtei Salem, 1978; Mollat du Jourdin, M., Die Armen im Mittelalter, 2. A. 1987; Scherner, K., Arme und Bettler, ZNR 1988, 129; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Krauß, M., Armenwesen und Gesundheitsfürsorge in Mannheim vor der Industrialisierung, 1993; Tierney, B., Medieval poor law, 1995; Hippel, W. v., Armut, Unterschichten, Randgruppen in der frühen Neuzeit, 1995; Eser, S., Verwaltet und verwahrt, 1996; Hudemann-Simon, C., L'État et les pauvres, 1997; Hartlief, E., Die Düsseldorfer Armenversorgungsanstalt, Diss. jur. Köln 1998; Wohlrab, K., Armut und Staatszweck im deutschen Naturrecht, 1998; Sachße, C. u. a., Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland, 2. A. 1998; Humborg, M., Das Armenrecht, Diss. jur. Münster 1999; Rosenbaum, U., Liebestätigkeit und Armenpflege in der Stadt Zwickau, 1999; Jütte, R., Arme, Bettler, Beutelschneider, 2000; Gerhold, W., Armut und 38 Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002 Armesünder ist ursprünglich der in der Kirche bemitleidenswerte Sünder, in der frühen Neuzeit der dem peinlichen Gericht überantwortete Täter, insbesondere wenn er bereits (zum Tod) verurteilt ist. Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936 Arnstein Lit.: Heinrich, G., Die Grafen von Arnstein, 1961 Arnulfinger ist der Angehörige der nach Bischof Arnulf von Metz benannten Familie der Pippiniden oder späteren Karolinger. Von den Arnulfingern sind (ab etwa 650) 34 Urkunden und ein Brief überliefert (davon elf Fälschungen oder starke Verfälschungen), zu denen 56 verlorene Urkunden hinzuzrechnen sind (90 Privaturkunden). Lit.: Die Urkunden der Arnulfinger, hg. v. Heidrich, I., 2001, vgl. http://www.igh.histsem.uni-bonn.de arra (lat. [F.]) Angeld, -> arrha Arrest ist die Verhaftung oder Beschlagnahme und insbesondere das Eilverfahren des Zivil- prozesses zur Sicherung der Zwangsvoll- streckung wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruches, der in eine Geldforderung übergeht. Die Bezeichnung A. verdrängt seit dem 17. Jh. die ältere Bezeichnung Kummer für ein wohl schon seit dem frühen Mittelalter bekanntes, seit dem 12. Jh. bezeugtes Verfahren. Lit.: Köbler, DRG 116, 202; Wach, A., Der italienische Arrestprozess, 1868, Neudruck 1973; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914; Planitz, H., Studien zur Geschichte des deutschen Arrestprozesses, ZRG GA 34 (1913), 49; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914; Planitz, H., Studien zur Geschichte des deutschen Arrestprozesses ­ Der Fremdenarrest, ZRG GA 39 (1918), 223, 40 (1919), 87; Planitz, H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922; Mahnke, H., Das Arrestverfahren in den Lübecker Ratsurteilen, Diss. jur. Kiel 1961; Kraß, G., Das Arrestverfahren in Frankfurt am Main, 1996 Arrha (lat. [F.]), arra, arrabon ist die nach semitischem Vorbild im hellenistischen Recht bekannte, im entwickelten römischen Recht entbehrliche Draufgabe (Angeld) bei einem Vertragsschluss. Wer abredeuntreu wird, verwirkt im spätantiken Recht als Geber die a. an den Gegner und muss sie als Nehmer in doppelter Höhe zurückgeben. Im Frühmittelalter soll mit der Hingabe einer Teilleistung ein Vertrag geschlossen worden sein, der vielleicht anfangs nur den Empfänger verpflichtet. Vielfach wird die a. nur als Symbol gegeben, das von den Beteiligten sofort verschenkt oder vertrunken wird. Im Spätmittelalter verliert die a. außerhalb des Gesinderechts (Handgeld) ihre schuldbe- gründende Bedeutung und nähert sich dem -> Reugeld. In jedem Fall hat die a. eine gewisse Beweisfunktion. Lit.: Kaser § 41; Hübner 535ff.; Köbler, DRG 64, 91, 127; Köbler, LAW; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855 Arrhalvertrag ist der unter Verwendung einer -> arrha entstehende -> Vertrag. Lit.: Köbler, DRG 91, 126, 164 Ars (F.) dictandi (lat.) ist die seit dem 12. Jh. auftretende Bezeichnung für die Lehre vom Abfassen von Briefen und Urkunden, die auf Grund der antiken Rhetorik und Grammatik am Anfang des 12. Jh.s in Oberitalien ausgebildet wird ([lat.] Praecepta [N.Pl.] dictamina 1111?). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rockinger, L., Über Briefsteller und Formelbücher, 1861; Schmale, F., Die Bologneser Schule der ars dictandi, DA 13 (1967); Schaller, D., Baldwin von Viktring, DA 35 (1979) Ars (F.) notaria (lat.) ist die auf Grund antiker Vorläufer am Beginn des 13. Jh.s (ars notaria 1221) in Oberitalien (Bologna) verselbständigte Lehre von der Beurkundung von Rechtshandlungen ([lat.] Formularium [N.] tabellionum 1200/5, Rainerius Perusinus 1226- 1233, Rolandus Passagerii [Summa Rolandina, 1255ff.]). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Anselmi, A., Le scuole di notariato in Italia, 1926 Artes (F.Pl.) liberales (lat., Sg. ars liberalis) sind die in der römischen Antike auf der Grundlage der griechischen Philosophie von Bürgern gepflegten Wissenschaftsfächer (Grammatik, Rhetorik, Dialektik als sog. Trivium, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik als sog. Quadrivium), die im Mittelalter den Gegenstand der artistischen Fakultät der Universität bilden (schätzungs- weise 200000 Studierende in Deutschland im Mittelalter ohne späteren Übertritt in eine der drei höheren Fakultäten, 50-70 Prozent ohne Graduierung). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, G., Die sieben freien Künste im Mittelalter, 1886; Glorieux, P., La faculté des 39 arts et ses maîtres aux XIIIe sicle, 1971; Curtius, E., Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 9. A. 1978; Englisch, B., Die artes liberales im frühen Mittelalter, 1994; Artisten und Philosophen, hg. v. Schwinges, R., 1999 Articuli (M.Pl.) reprobati (lat., Sg. articulus reprobatus) sind die von Papst Gregor XI. am 8. 4. 1374 auf Betreiben des Theologiepro- fessors Johannes -> Klenkok für nichtig erklärten 14 Artikel des -> Sachsenspiegels, die kirchliches Verfassungsrecht, Verfahrensrecht und Privatrecht betreffen. Lit.: Köbler, DRG 117; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der articuli reprobati im Ermlande, ZRG GA 31 (1910), 426; Kullmann, J., Klenkok und die ,,articuli reprobati" des Sachsenspiegels, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, K., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 28 articulus (lat. [M.]) Artikel Artikelprozess ist der im Spätmittelalter entwickelte römisch-kanonische Zivilprozess, bei dem der Kläger nach der Erhebung der Klage und nach Durchführung der Streitbefestigung seinen Vortrag in scharf abgegrenzte Behauptungen einzelner Tatsachen ([lat. F.Pl.] positiones) zerlegen und der Beklagte dazu einzeln Antworten ([lat. F.Pl.] responsiones) geben muss, so dass sich (aus diesen auch als Artikel bezeichneten Positionen und Responsionen) leicht das Bestrittene und vom Kläger zu Beweisende ermitteln lässt. Der A. wird bereits von der Reichskammer- gerichtsordnung des Jahres 1496 übernommen, unter dem Einfluss des sächsischen Prozesses durch den jüngsten Reichsabschied von 1654 aber bis auf die noch im 19. Jh. erlaubten Beweisartikel wieder aufgegeben. Lit.: Linde, v., Lehrbuch des deutschen gemeinen Zivilprozesses, 7. A. 1850 Arumaeus (van Arum), Dominikus (Leeuwarden 1579-Jena 24. 2. 1637) wird nach Studien in Franeker, Oxford, Rostock und Jena dort 1600 promoviert und 1602 zum außerordentlichen Professor (1605 ordentlicher Professor) ernannt. Er begründet die sich an deutschen Quellen ausrichtende, methodisch gemeinrechtlich arbeitende Reichsstaatsrechts- lehre, innerhalb deren er das Reich als eine ständisch mitbestimmte Monarchie ansieht. Lit.: Arumaeus, D., Commentarius de comitiis Romano- Germanici Imperii, 1630; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988 Arzt Lit.: Niederhellmann, A., Arzt und Heilkunde in den frühmittelalterlichen Leges, 1983 As (lat. [N.]) ist eine römische Geldeinheit. Asega ist eine Figur der mittelalterlichen altfriesischen (Hunsigoer, Emsigoer, Fivelgoer, Rüstringer und Westerlauwerschen) Rechts- quellen, deren Alter (vorfränkisch?, nachkarolingisch?) und Bedeutung (Gesetzes- sprecher?, Urteilsfinder?) umstritten sind. Lit.: Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27 (1906), 114; Gerbenzon, P., Der altfriesische asega, der altsächsische eosago und der althochdeutsche esago, TRG 41 (1973), 75; Köbler, G., Zu Alter und Herkunft des friesischen asega, TRG 41 (1973), 93 Asien Lit.: Krieger, M., Geschichte Asiens, 2003 Askanier ist der Angehörige eines ursprünglich alemannisch-fränkischen Geschlechts, das um 1000 am Harz erscheint. Unter Albrecht dem Bären ( 1170) betreibt es die Ostsiedlung und erwirbt 1180 das Herzogtum Sachsen. Die brandenburgischen Güter der A. fallen 1319 an die -> Wittelsbacher, die wittenbergischen 1422 an die -> Wettiner und die lauenburgischen 1689 an die -> Welfen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Diederichs, A., Erbe und Erben Albrechts des Bären, VuG 28 (1938); Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Marcus, P., Herzog Bernhard von Anhalt, 1993; Partenheimer, L., Albrecht der Bär, 2001 assecuratio (lat. [F.]) -> Versicherung Assekuranz ist die wohl im 17. Jh. aus Italien übernommene, im 19. Jh. verdrängte Bezeichnung für die -> Versicherung. Assessor ist seit dem 15. Jh. (?) der rechtsgelehrte Beisitzer eines Gerichts, seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s der Anwärter auf eine feste Anstellung im höheren Staatsdienst. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 153 Assise (mlat. [F.] assisa) ist die Versammlung und die Gesamtheit der dort beschlossenen Rechtssätze (z. B. Assise regum regni Sicilie 1140, Assise sur la ligece um 1165, Assize of Clarendon 1166, Assize of Northampton 1176, Grand Assize 1179). Demgegenüber sind die Assisen von Jerusalem private Sammlungen von Abhandlungen über das Recht des Königreichs Jerusalem und Zyperns in fran- 40 zösischer Sprache des 13. Jh.s. Lit.: Köbler, DRG 108; Stenton, The Earliest Northamptonshire Assize Rolls, 1940; Grandclaude, M., Etude critique sur les livres des Assizes de Jérusalem, 1923; Dilcher, H., Normannische Assisen und römisches Recht, 1966; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975 Asso y del Río, Ignacio (1742-1804) begründet 1771 mit den (span.) Instituciones (F.Pl.) del derecho civil de Castilla ein aus partikularer Rechtssatzung schöpfendes, neben das römische Recht tretendes gemeines spanisches (kastilisches) Privatrecht, das begrifflich und systematisch noch römischrechtlich geprägt ist. Lit.: Mora, C., Vida y obra de Don Ignacio de Asso y del Río, 1972 Assyrer ist der Angehörige des vom 2. Jahrtausend v. Chr. an im vorderen Orient bedeutenden, im späten 7. Jh. v. Chr. den Medern und Persern unterliegenden Volks. Lit.: Cancik-Kirschbaum, Die Assyrer, 2003 Asyl (N.) Zuflucht -> Asylrecht Asylrecht ist das Recht der geschützten Zuflucht (politisch) Verfolgter. In griechischer und römischer Zeit besteht das Recht, einem Täter an einem heiligen Ort vorübergehend Schutz zu gewähren, für Tempel und wird von dort im 5. Jh. auf christliche -> Kirchen übertragen. Ob eine ähnliche Einrichtung auch den Germanen bekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die wohl durch römisch-christliches Vorbild geprägte karolingische Zeit schränkt das A. auf noch nicht verurteilte Täter und auf bestimmte Fristen ein. Örtlich wird später die Möglichkeit des Asylrechts auf Friedhof, Kloster, Pfarrhaus, Richterhaus usw. erweitert. Der neuzeitliche Staat schafft das A. bis zum Ende des 18. Jh.s ab. Danach gewährt er aber selbst politisch Verfolgten Schutz vor einem Verfolgerstaat. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 259; Bindschedler, R., Kirchliches Asylrecht (Immunitas ecclesiarum localis) und Freistätten in der Schweiz, 1906; Mittermaier, H., Die geschichtliche Entwicklung des Asylrechts, Diss. jur. München 1950; Henßler, O., Formen des Asylrechts, 1954; Kimminich, O., Die Geschichte des Asylrechts, 1978; Siems, H., Zur Entwicklung des Kirchenasyls, in: Libertas, 1991, 139; Reiter, H., Politisches Asyl im 19. Jahrhundert, 1992; Theler, J., Asyl in der Schweiz, 1995; Gamauf, R., Ad statuam licet confugere, 1999; Backsmann, K., Das Asylrecht in Preußen, Diss. jur. Bonn 2000; Fruscione, D., Das Asyl bei den germanischen Stämmen im frühen Mittelalter, 2002; Bammann, K., Im Bannkreis des Heiligen, 2002; Das antike Asyl, hg. v. Dreher, M., 2003; Derlien, J., Die religiöse und rechtliche Begründung der Flucht zu sakralen Orten, 2003; Traulsen, C., Das sakrale Asyl in der alten Welt, 2004 Athen ist der griechische, seit dem 7. Jh. erkennbare Stadtstaat in Attika, in dem Drakon (624) und Solon (594) gesetzgeberisch tätig werden. 508/7 geht A. zur -> Demokratie über. 338 wird A. von Makedonien besiegt. 86 v. Chr. fällt es unter Sulla an die Römer, 1456 an die Osmanen (Türken). Nach dem griechischen Befreiungskampf wird es 1834 Hauptstadt Griechenlands und erhält 1837 eine Universität. Lit.: Lipsius, Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff., Neudruck 1984; Meyer-Laurin, Gesetz und Billigkeit im attischen Prozess, 1965; Wolff, ,,Normenkontrolle" und Gesetzesbegriff, 1970; Mac Dowell, The Law in Classical Athens, 1978; Bötig, K., Athen, 3. A. 1981; Rhodes, P., The Athenian Boule, 2. A. 1985; Welwei, K., Athen, 1992; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 2. A. 1994; Die athenische Demokratie, hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995; Habicht, C., Athen, 1995; Cohen, D., Democracy and individual rights in Athens, ZRG RA 114 (1997), 27; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 2. A. 2001; Lehmann, G., Oligarchische Herrschaft im klassischen Athen, 1997; Figueira, T., The Power of Money, 1998; Hurwit, J., The Athenian Acropolis, 1999; Welwei, K., Das klassische Athen, 1999; Funke, P., Athen in klassischer Zeit, 1999; Dreyer, B., Untersuchungen zur Geschichte des spätklassischen Athen, 1999; Knell, H., Athen im 4. Jahrhundert, 2000; Große Prozesse im antiken Athen, hg. v. Burckhardt, L./Ungern-Sternberg, J. v., 2000; Law and Social Status in Classical Athens, hg. v. Hunter, V. u. a., 2000; Cohen, E., The Athenian Nation, 2000; Dreher, M., Athen und Sparta, 2001; Wilson, P., The Athenian Institution of the Khoregia, 2002; Tießler-Marenda, E., Einwanderung und Asyl bei Hugo Grotius, 2002; Demokratie, Recht und soziale Kontrolle im klassischen Athen, hg. v. Cohen, D., 2002; Schulz, R., Athen und Sparta, 2003; Pabst, A., Die athenische Demokratie, 2003; Schubert, C., Athen und Sparta, 2003; Goette, H./Hammerstaedt, J., Das antike Athen, 2004; Sinn, U., Athen, 2004; Flaig, E., Der verlorene Gründungsmythos der athenischen Demokratie, HZ 279 (2004), 36 Atlantikcharta ist die am 14. 8. 1941 von dem amerikanischen Präsidenten Wilson und dem britischen Premierminister Churchill auf einem 41 Schiff im Atlantik vereinbarte Erklärung über die Grundsätze der Politik (Verzicht auf Aggression, Entwaffnung von Aggressions- staaten, Selbstbestimmungsrecht der Völker, Gleichberechtigung im Welthandel, Freiheit der Meere), die von den Vereinten Nationen übernommen wird. Atomrecht ist die Gesamtheit der Atome besonders betreffenden Rechtssätze (z. B. Deutschland 1959 Atomgesetz). Lit.: Winters, Atom- und Strahlenschutzrecht, 1978 Attentat Lit.: Kellerhoff, S., Attentäter, 2003 Aubry, Charles (1803-1883) übersetzt 1838 als Professor in Straßburg zusammen mit Frédéric Charles Rau die vierte Auflage von Karl- Salomon Zachariäs Handbuch des französischen Zivilrechts (1837) aus dem Deutschen ins Französische und entwickelt hieraus in der Folge die führende Darstellung des französischen Privatrechts des 19. Jh.s. Lit.: Beudant, C./Gaudemet, E., Inauguration d'un moment la mémoire de Aubry et Rau, 1923 Auctor (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Vormann eines Gewaltinhabers einer Sache, auf den sich dieser berufen kann, wenn ein anderer als Eigentümer von ihm die Sache verlangt. Scheitert die Verteidigung durch den a., kann der angegriffene Gewalthaber vom a. den doppelten Kaufpreis verlangen. Lit.: Kaser § 25; Söllner § 8; Köbler, DRG 24; Köbler, LAW auctoritas (lat. [F.]) Ansehen, Zustimmung Auctor (M.) vetus de beneficiis (lat.) ist das in lateinischer Reimprosa abgefasste Rechtsbuch mit Grundsätzen des Lehnrechts, das in der ersten Hälfte des 14. Jh.s die Grundlage des mitteldeutschen -> Görlitzer Rechtsbuches bildet. Es ist streitig, ob der A. v. die Urfassung des Lehnrechts des Sachsenspiegels (oder eine im frühen 14. Jh. aus einer deutschen Fassung entstandene lateinische Übersetzung) darstellt. Alle Handschriften sind verschollen. Die Überlieferung besteht in Drucken von 1569, 1692 (Auszüge) und 1708. Möglicherweise enthält der A. v. ursprünglich auch Landrecht. Lit.: Köbler, DRG 103; Moeller, R., Noch einmal der Vetus auctor de beneficiis und der Sachsenspiegel, ZRG GA 38 (1917), 309; Eckhardt, K., Die Volljährig- keitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 4; Auctor vetus de beneficiis, hg. v. Eckhardt, K., 1964; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 27 Audiatur et altera pars (lat.). Auch die andere Seite muss (gerechterweise stets) gehört werden (vorrömisch, belegt 1580). Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Auditor (M.) Zuhörer, Hörer Lit.: Hülle, W., Das Auditoriat in Brandenburg-Preußen, 1971 Aufgebot ist die (mehrfache) öffentliche, vielfach gerichtliche Aufforderung an unbekannte oder an unbekanntem Ort weilende Beteiligte, vor einer beabsichtigten Änderung der Rechtslage Tatsachen anzugeben oder Rechte geltend zu machen. Ähnliche Vorgangsweisen erscheinen bereits in fränkischer Zeit (z. B. bei Vollstreckung in Grundstücke). Im Mittelalter finden sie vermehrt Anwendung (z. B. bei Aneignung von beweglichen Sachen). Ein A. vor einer Eheschließung fordert nach älteren Ansätzen das vierte Laterankonzil 1215. Mit der Re- zeption römischrechtlicher Regelungen entwickelt sich die -> Ediktalzitation, bei der jemand binnen einer Frist Klage zu erheben hat, wenn er sein Recht nicht verlieren will. Allgemein geordnet wird das A. in der preußischen -> Allgemeinen Gerichtsordnung (1793) und in der deutschen Zivilprozessordnung (1877/1879). Lit.: Daude, E., Das Aufgebotsverfahren, 5. A. 1930, VIII Aufklärung ist allgemein die Aufhellung eines dunkleren Zustands. Unter Bezugnahme auf einen auf Befreiung von nicht vernunftgemäß zu begründenden Ansichten gerichteten Er- kenntnisvorgang nennt man die gesell- schaftskritische Geistesbewegung des 17./18. Jh.s A. (frühe Anfänge im letzten Drittel des 17. Jh.s) Vorbereitend hierfür wirken Re- naissance, Humanismus und Reformation. Als Denkverfahren werden -> Empirismus und -> Rationalismus entwickelt. Bewusst wird die Einbeziehung immer breiterer Kreise (des Publokums) gesucht. Im Recht entspricht dem Gedankengang der A. die Anerkennung eines weltlichen -> Naturrechts (-> Vernunftrechts), das in die Kodifikationen des -> Allgemeinen Landrechts Preußens (1794), des -> Code civil Frankreichs (1804) und des -> Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs Österreichs 42 (1811/1812) Eingang findet. Politisch führt die A. zum aufgeklärten -> Absolutismus (Friedrich der Große in Preußen, Joseph II. in Österreich, Großherzog Leopold in Toskana) bzw. zur Revolution in Frankreich vom 14. 7. 1789. Die vollständige Umsetzung aller Ziele in politische Handlung gelingt nicht. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 157, 161, 206; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 243; Valjavec, F., Geschichte der abendländischen Aufklärung, 1961; Bosshard, H., Pestalozzis Staats- und Rechtsverständnis und seine Stellung in der Aufklärung, 1983; Aufklärung, hg. v. Hinrichs, E., 1985; Aufklärung als Politisierung - Politisierung der Aufklärung, hg. v. Bödeker, H. u. a., 1987; Aufklärung und Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989; Im Hof, U., Das Europa der Aufklärung, 1993; Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 1995; Vierhaus, R., Was war Aufklärung?, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v. Hammerstein, N., 1996; Schneiders, W., Das Zeitalter der Aufklärung, 1997; Aufklärung- Vormärz-Revolution, hg. v. Reinalter, H., 1997; Der Illuminatenorden (1776-1785/87), hg. v. Reinalter, H., 1997; Cattaneo, M., Aufklärung und Strafrecht, hg. v. Vormbaum, T., 1998; Sweetman, J., The Enlightenment and the Age of Revolution, 1998; The Enlightenment, hg. v. Williams, D., 1999; Toleration in Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999; Aufklärung ­ Vormärz ­ Revolution, hg. v. Reinalter, H., 2000; Böning, H./Siegert, R., Volksaufklärung, Bd. 2 2000; Alt, P., Aufklärung, 2. A. 2001; Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 2001; The Enlightenment in Europe, hg. v. Schneiders, W., 2003; Les Lumires et leur combat, hg. v. Mondot, J., 2004; Borgstedt, A., Das Zeitalter der Aufklärung, 2004; Goldenbaum, U., Appell an das Publikum, 2004; Asbach, O., Staat und Politik zwischen Absolutismus und Aufklärung, 2005; Fichte und die Aufklärung, hg. v. De Pascale, C., 2005 Auflassung ist die Öffnung eines Grundstücks für einen Erwerber. Sie erfolgt zunächst durch tatsächliches, möglicherweise rechtsförmliches Eröffnen des Grundstücks, später durch eine Erklärung vielleicht unter notwendiger Wahrung bestimmter Formen (außerhalb des Grundstücks). Seit dem 13. Jh. wird A. zur Bezeichnung für die Grundstücksübereignung insgesamt. Häufig erfolgt sie gerichtlich. Während der Aufnahme des römischen Rechts in der frühen Neuzeit wird die A. zurückgedrängt. Im 19. Jh. dringt sie wieder vor. Im deutschen bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist sie die Bezeichnung für den dinglichen Vertrag über den Eigentums- übergang an Grundstücken, zu dem die Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch hinzukommen muss. Lit.: Hübner 205, 259f., 262; Kroeschell, DRG 1, 2; Stobbe, O., Die Auflassung des deutschen Rechts, Jh. Jb. 22 (1873), 137; Lehmann, K., Die altnordische (altnorwegisch-altisländische) Auflassung, ZRG GA 5 (1884), 84; Lehmann, K., Zur nordgermanischen Auflassung, ZRG GA 11 (1890), 255; Schmidt, W., Die Auflassung im Mittelalter, Diss. jur. München 1932; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968); Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984 Aufnehmen des Kindes (in die Familie) ist der in frühmittelalterlichen Volksrechten erkennbare förmliche Rechtsakt, durch den ein neugeborenes Kind Mitglied der Rechtsge- meinschaft wird und deshalb danach nicht mehr ausgesetzt werden kann. Unter dem Einfluss des Christentums verschwindet dieses beson- dere A. Lit.: Hübner 52f., 699 Aufopferung ist die Beseitigung eines einzelnen Rechtes zugunsten der Allgemeinheit oder eines begünstigten Dritten, für die seit der Aufklärung Ersatz zu leisten ist (vgl. § 75 Einl. ALR). Lit.: Köbler, DRG 259 Aufrechnung ist die schon der römischen klassischen Jurisprudenz als prozessual geltend zu machende (lat. [F.]) -> compensatio bekannte, wechselseitige Tilgung zweier sich gegenüberstehender gleichartiger Forderungen durch Verrechnung. Das ältere deutsche Recht kennt einen besonderen Aufrechnungsvertrag. Eine A. durch einseitige Erklärung entsteht wohl unter römischrechtlichem Einfluss im Spätmittelalter. Später genügt eine bloße Aufrechnungslage für das Erlöschen der gegenüberstehenden Ansprüche. Seit dem Ende des 19. Jh.s wird wieder eine Aufrech- nungserklärung verlangt. Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 125; Dernburg, H., Geschichte und Theorie der Compensation, Neudruck 1965, 2. A. 1968; Prausnitz, O., Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928; Pielemeier, K., Das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB, 1988; Pichonnaz, P., La compensation, 2001 43 Auftrag ist im römischen Recht die als (lat. [N.]) -> mandatum bezeichnete Übernahme der unentgeltlichen Besorgung eines fremden Geschäfts, die wohl auf sittliche Pflichten zum Tätigwerden für einen Nachbarn zurückgeht. Im deutschen Recht scheint der A. zunächst keine besondere Rolle gespielt zu haben. Nach der Rezeption des römischrechtlichen Mandats wird am Ende des 19. Jh.s zwischen A. als Innenverhältnis und Vollmacht als Rechts- macht gegenüber Dritten (Außenverhältnis) unterschieden. Lit.: Kaser § 4; Söllner §§ 9, 17, 18; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Albrecht, G., Vollmacht und Auftrag, 1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Grau, U., Historische Entwicklung und Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge, 2004 Aufwertung ist die Erhöhung eines Wechselkurses einer Währung im Verhältnis zum Goldwert oder zu anderen Währungen. Daneben wird auch die Erhöhung des Nennbetrages einer Geldschuld, die in Einheiten einer entwerteten Währung ausgedrückt ist, entsprechend der Kaufkraft bei der Begründung des Schuldverhältnisses als A. bezeichnet (z. B. Aufwertungsentscheidung des Reichsgerichts vom 28. 11. 1923, 3. Steuer- notverordnung vom Februar 1924, Aufwertungsgesetz vom Juli 1925) im Deutschen Reich. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. 50; Scholz, R., Analyse der Entstehungsbedingungen der reichsgerichtlichen Aufwertungsrechtsprechung, 2001; Chlosta. C., Nur dem Gesetz unterworfen?, 2005 Auge Lit.: Stolleis, M., Das Auge des Gesetzes, 2004 Augenschein ist die unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Der A. ist als Beweismittel bereits dem römischen Prozessrecht bekannt und findet auch im mittelalterlichen deutschen Prozess (insbesondere im Inquisitionsprozess) Verwendung. Seit dem 17. Jh. wird der A. wissenschaftlich erörtert. Lit.: Kaser § 84; Holdefleiß, E., Der Augenscheinbeweis im mittelalterlichen deutschen Strafverfahren, 1933 Auge um Auge, Zahn um Zahn. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 39 (2. Moses 21, 22-25, Körte 1837) Augsburg geht auf den 45 n. Chr. auf einem Bergsporn zwischen Lech und Wertach gegründeten Vorort Augusta Vindelicum der römischen Provinz Rätien zurück. Vielleicht ist es seit dem 4. Jh. (oder 5. Jh.) Sitz eines seit 738 nachweisbaren Bischofs. 1156 grenzt eine Urkunde Friedrichs I. Barbarossa die Rechte des Bischofs und die Rechte der Bürger voneinander ab. 1167/11688 lässt sich der Kaiser die Hochstiftsvogtei und die Blutgerichtsbarkeit in A. übertragen. 1273 kommt die Vogtei an das Reich. 1276 zeichnet die Stadt ein eigenes, vom Kaiser bestätigtes Stadtrecht auf. Bis 1805 bleibt das zu einem europäischen Handelsmittelpunkt aufsteigende A. danach Reichsstadt und fällt dann an Bayern. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hellmann, F., Das Konkursrecht der Reichsstadt Augsburg, 1905; Wolff, A., Gerichtsverfassung und Prozess im Hochstift Augsburg in der Rezeptionszeit, Archiv für die Geschichte des Hochstifts Augsburg 4 (1913), 129; Steiger, H., Geschichte der Stadt Augsburg, 1941; Liedl, E., Gerichtsverfassung und Zivilprozess der freien Reichsstadt Augsburg, 1958; Batori, J., Die Reichsstadt Augsburg im 18. Jahrhundert, 1969; Zorn, W., Augsburg, 2. A. 1972; Schröder, D., Stadt Augsburg 1975; Fassl, P., Konfession, Wirtschaft und Politik, 1988; Roeck, P., Eine Stadt in Krieg und Frieden, 1989; Dietrich, R., Die Integration Augsburgs in den bayerischen Staat, 1993; Hecker, H., Das Recht der Reichsstadt Augsburg, ZRG GA 113 (1996), 391; Augsburger Buchdruck und Verlagswesen, hg. v. Gier, H. u. a., 1997; Künast, H., Getruckt zu Augspurg, 1997; Müller, F., Bürgerliche Herrschaft in Augsburg, 1998; Schorer, R., Die Strafgerichtsbarkeit in der Reichsstadt Augsburg, 2000; Roeck, B., Geschichte Augsburgs, 2005 Augsburger Konfession (Bekenntnis) ist die von Philipp Melanchthon für den Reichstag zu Augsburg verfasste, am 25. 6. 1530 verlesene Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche mit 2 Teilen zu 21 und 7 Artikeln. Lit.: Hoffmann, G., Entstehungsgeschichte der Augustana, Z. f. systemat. Theologie 15 (1938), 419 Augsburger Religionsfriede ist der im Reichsabschied des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) vom 25. 9. 1555 zwischen König Ferdinand I. und den deutschen Reichsständen in Bezug auf die Religion nach dem Stand vom 2. 8. 1552 ge- schlossene Friede, der die freie Reli- gionsausübung für Katholiken und Lutheraner gewährleistet. Er sichert den Reichsständen 44 (nicht aber ihren Untertanen) die Freiheit der Bekenntniswahl zu ([lat.] -> cuius regio, eius religio). Gibt ein geistlicher Reichsstand den katholischen Glauben auf, verliert er Gebiet und Kirchenamt ([lat.] -> reservatum [N.] ecclesiasticum). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Brandi, K., Der Augsburger Religionsfriede, 2. A. 1927; Simon, M., Der Augsburger Religionsfriede, 1955; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfriede und das Reichskammer- gericht 1550-1600, 1976 Augsburger Vertrag (Augsburger Tranaktion) -> Niederlande Augustiner ist der Anhänger des nach der im 8. Jh. entstandenen sog. Regel Augustins (354- 430) lebenden kirchlichen Ordens. Zu den Augustinern gehören Augustinerchorherren (11. Jh.) und Augustiner-Eremiten. Lit.: Verheijen, L., La rgle de St. Augustin, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Cremona, C., Augustinus, 2. A. 1995 Augustinus (354-430) Lit.: Fuhrer, T., Augustinus, 2004 Augustus (Rom 23. 9. 63 v. Chr.­Nola bei Neapel 19. 8. 14 n. Chr.) Sohn einer Nichte Caesars, 44 n. Chr. Adoptivsohn Caesars (ursprünglich Gaius Octavius, seit Adoption Gaius Iulius Caesar) verfolgt die Mörder Caesars und wird 36 v. Chr. Herrscher im westlichen und 30 v. Chr. Herrscher auch im östlichen Teil des römischen Reiches. Äußer- lich stellt er die republikanischen Zustände wieder her. Tatsächlich leitet er (27 v. Chr.) mit seinem Prinzipat den Übergang zum Kaisertum ein. Seine Herrschaft wird als (lat.) pax (F.) Augusta (augusteische Friedenszeit) erklärt. Für die Ehe erlässt er gesetzliche Gebote und Verbote. Lit.: Kienast, D., Augustus, 1982; Eck, W., Augustus und seine Zeit, 1998; Bleicken, J., Augustus, 1998; Kienast, D., Augustus, 3. A. 1999; Bringmann, K./Schäfer, T., Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums, 2002; Schlange-Schöningen, H., Augustus, 2005 Auktion ist die schon der Antike bekannte Veräußerung einer Sache an den Meist- bietenden durch öffentlichen Aufruf. Sie erhält sich in der Form der Vergabe von Steuern, Ämtern und Nutzungen an den Meistbietenden in den romanischen Ländern. Im 13. Jh. dringt die A. gepfändeter Güter eines nichtzahlenden Schuldners nach Mitteleuropa ein. Daneben findet sich seit dem 14. Jh. die A. von Waren durch Großhändler. Lit.: Süßheim, M., Das moderne Auktionsgewerbe, 1900; Durach, H., Die deutschen Großhandelsauktionen, 1960 Aurich Lit.: Conring, W., Die Stadt- und Gerichtsverfassung der ostfriesischen Residenzstadt Aurich, Diss. jur. Göttingen 1965 Ausbildungsförderung ist die Förderung der allgemeinen und beruflichen Bildung durch Geldleistungen seitens der Allgemeinheit. Sie ist eine Folge des Sozialstaatsgrundsatzes. Sie ist auf Herstellung der Chancengleichheit im Ausbildungsbereich gerichtet (in Deutschland 1957-197171 Honnefer Modell, 1971ff. Bundes ausbildungsförderungsgesetz). Lit.: Köbler, DRG 261 Ausbürger ist der außerhalb der -> Stadt lebende -> Bürger. Lit.: Domsta, H., Die Kölner Ausbürger, 1973 Ausgleich ist die 1867 für die Selbständigkeitsbestrebungen -> Ungarns innerhalb der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie gefundene Lösung. Auf der Grundlage der kaiserlichen Anerkennung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit Ungarns und der ungarischen Anerkennung der -> Pragmatischen Sanktion wird dort festgelegt, dass den österreichischen und ungarischen Ländern der Herrscher, die auswärtigen Angelegenheiten, die Armee und das Finanzwesen (mit gewissen Einschränkungen) unter einem einheitlichen Ministerium gemeinsam sein sollen. Das daraus erwachsende staatsrechtliche Verhältnis zu -> Österreich wird teils als Personalunion, teils als Realunion erklärt. 1918 wird Ungarn souverän. Lit.: Köbler, DRG 265; Baltl/Kocher; Der österreichisch- ungarische Ausgleich von 1867, 1967; Olechowski- Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreich-ungarischen Monarchie, 2000 Ausländer ist der einem anderen Land angehörige -> Fremde. Der A. erscheint als Folge der Bildung besonderer Länder im 13. Jh. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (um 1960) erweisen sich besondere Gesetze für A. (18. 4. 1965) als erforderlich (1991 Schengener Abkommen der Europäischen Gemein- schaften). Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Kanein, W./Renner, G., 45 Ausländerrecht, 5. A. 1992; Herbert, U., Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland, 2001 Auslegung ist die Ermittlung und Klarlegung des Bedeutungsgehaltes eines Umstandes, insbesondere einer Erklärung. Sie ist bereits Bestandteil der römischen Rechtswissenschaft, die das Zwölftafelgesetz ebenso auslegt wie einzelne Verträge oder Erklärungen. Nach der vorkritischen Hermeneutik der Aufklärung und des Vernunftsrechts ist Verstehen die Regel und Missverstehen die Ausnahme, weswegen die A. klarer und eindeutiger Rechtssätze ausgeschlossen ist. Nach der modernen Hermeneutik ist Missverstehen die Regel, so dass auch scheinbar klare und eindeutige Rechtssätze der A. bedürfen. In seinen methodologischen Darlegungen unterscheidet am Beginn des 19. Jh.s Savigny vier Arten von A. (grammatisch, historisch, systematisch und teleologisch). Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 3 V 1, 8 I; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 2, 17, 146, 229; Müller, H., Zur Geschichte der bindenden Gesetzesauslegung, 1939; Schumacher, D., Das rheinische Recht in der Gerichtspraxis des 19. Jahrhunderts, 1970; Rüthers, B., Die unbegrenzte Auslegung, 1968, 6. A. 2005; Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985; Savignyana, Bd. 2 Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A., 1993; Baldus, C., Regelhafte Vertragsauslegung, 1998; Bergfeld, C., Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts und des Reichsgerichts zur Auslegung von Rechtsgeschäften, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 625; Vogenauer, S., Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent, 2001; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004 Auslobung ist das durch öffentliche Be- kanntmachung erfolgende einseitige Versprechen einer Belohnung für die Vornahme einer Handlung, das im 18. Jh. so benannt wird. Ursprünglich wird die Erklärung des Auslobens als Angebot an unbestimmte Personen angesehen. Lit.: Dreiocker, K., Zur Dogmengeschichte der Auslobung, Diss. jur. Kiel 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Ausmärker ist der außerhalb einer -> Mark Wohnende, der nur ausnahmsweise an einer Mark berechtigt ist. Lit.: Hübner 137f. Ausnahmezustand ist der in der Mitte des 19. Jh.s als solcher erkannte Zustand des Staates in einer außergewöhnlichen Notlage. Nach rechtsstaatlichem Verständnis bedarf auch der A. einer (vorherigen gesetzlichen) Regelung. Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 343; Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957; Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand, 1967; Trotter, M., Der Ausnahmezustand, Diss. jur. Heidelberg, 1997 Außenerbe (lat. heres [M.] extraneus) ist im altrömischen Recht der bei Fehlen von Haus- erben (lat. sui heredes [M.Pl.]) eintretende Erbe (Agnat, Gentile, Patron, beliebiger Haus- fremder), der die Vermögensrechte durch eine besondere Handlung ergreifen muss. Lit.: Kaser § 65 Ausschlagung ist die bereits dem römischen Recht bekannte Willenserklärung des vorläufigen Erben, die Erbschaft nicht anzu- nehmen (lat. repudiare). Lit.: Kaser § 71 II 3; Hübner; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Außenminister - > Minister Lit.: Hampe, K., Das Auswärtige Amt in wilhelminischer Zeit, 2001 Aussetzung ist die bewusste Verbringung einer Person in eine Lage, in der ihr eine besondere Gefahr für das Leben droht. Nach dem römischen Zwölftafelgesetz ist die A. einer Missgeburt geboten, nach späterem römischem Recht und nach den frühmittelalterlichen Volksrechten ist die A. eines neugeborenen Kindes erlaubt. Ob es A. als Strafe gegeben hat, ist streitig. Im Übrigen ist A. eine Straftat. Lit.: Kaser § 60; Hübner 52 Aussperrung ist die von Arbeitgeberseite seit dem 19. Jh. unter Verweigerung der Lohn- zahlung planmäßig vorgenommene Nichtzu- lassung einer Gruppe von Arbeitnehmern zur Dienstleistung. Sie ist ein Mittel des Arbeitskampfes. Ihre Zulässigkeit ist nicht unbestritten. Lit.: Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H., 1984; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. phil. Bochum 1972 Ausstattung ist die über den gewöhnlichen Unterhalt hinausgehende, mit Rücksicht auf die Verheiratung oder die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung erfolgende Zuwendung der Eltern an ein Kind. Sie geschieht im Wesentlichen als -> Abschichtung 46 bei Verheiratung oder sonstiger Verselb- ständigung. Einen eindeutigen Rechtsanspruch auf A. gewährt das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II 2 §§ 232ff.). Lit.: Hübner; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981 Ausstäupen ist das mittels Rute, Stock oder Peitsche erfolgende Schlagen (an einem Pfahl [Staupe]?). Es findet sich als Rechtsfolge einer Tat früh für Unfreie, seit dem Hochmittelalter als Strafe des Diebstahls von geringerem Wert. Der Aufklärung gelingt bis 1848 die Beseitigung des Ausstäupens. Lit.: Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, 1938 Aussteuer ist die in weitem Umfang übliche Zuwendung der zur angemessenen Einrichtung eines Haushaltes gehörenden Gegenstände (an eine Tochter durch die Eltern oder näheren Verwandten). Sie ist wohl nur ausnahmsweise rechtlich notwendig. In der Gegenwart wird die A. vor allem durch die Gewährung einer Ausbildung verdrängt. Lit.: Hübner 664; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Austin, John (1790-1859), von 1826 bis 1832 Professor in London, ist als Begründer der englischen analytischen Jurisprudenz (Recht als eine Form des Befehls) einer der bedeutendsten englischen Rechtstheoretiker (The Province of Jurisprudence, 1832). Lit.: Löwenhaupt, W., Politischer Utilitarismus und bürgerliches Rechtsdenken, 1972; Morison, W., John Austin, 1982 Austrägalinstanz ist seit dem 14. Jh. ein Schiedsgericht für Streitigkeiten zwischen Reichsfürsten. Gegen die Entscheidungen der A. ist die Appellation an das -> Reichs- kammergericht zulässig. Der Deutsche Bund kennt nach Art. XI der Deutschen Bundesakte bzw. Art. XXII der Wiener Schlussakte ebenfalls eine A. für die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Bundesstaaten bzw. Streitsachen der Bundesglieder. Für die Vollstreckung der Urteile dieser A. ist die Bundesversammlung zuständig. Lit.: Köbler, DRG 153, 200; Leonhardi, P. v., Das Austrägalverfahren des Deutschen Bundes, Bd. 1f. 1838ff., Stein, A., Die Austragsgerichtsbarkeit des deutschen Bundes, 1950 Austrasien ist zeitweise ein besonderer (östlicher) Teil des fränkischen Reichs. Lit.: Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990 Austria ist die am Ende des Frühmittelalters in Parallele zu -> Austrien erscheinende Bezeichnung für ein Gebiet im Osten (des fränkischen oder deutschen Reiches z. B. 996 - > ostarrihhi, 1156 marchia Austrie, woraus sich -> Österreich entwickelt). Lit.: Köbler, DRG 76; Baltl/Kocher; Floßmann, U., Regnum Austriae, ZRG GA 89 (1972), 78 Austrien ist vom 6. bis 8. Jh. eine Bezeichnung für östliche Teile des Reiches der Franken. Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia im Mittelalter, 1960; Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990 Auswanderung ist das Verlassen eines Landes auf Dauer (durch einen Freien). 1555 erlaubt der -> Augsburger Religionsfriede die A. bei Religionswechsel des Landesherrn. Der absolute Staat schränkt die Freiheit der A. ein. Nach dem Vorbild Frankreichs (1789) lassen die Mitgliedstaaten des -> Deutschen Bundes 1815 die A. in einen anderen Mitgliedstaat und um 1848 die A. überhaupt zu. Teilweise wird bei A. eine -> Steuer verlangt (u. a. Reichs- fluchtsteuer in der Zeit der Weimarer Republik). Lit.: Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma, 1950, 199ff.; Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953, 1993 Ausweis s. Pass Ausweisung Lit.: Reiter, I., Ausgewiesen, abgeschoben, 2000 Authenticae (lat. [F.Pl.]) sind die vielleicht von -> Irnernius geschaffenen, im 13. Jh. in den ersten neun Büchern des -> Codex -> Justinians eingefügten (362 bzw. 212) Auszüge aus der -> Authenticum genannten Sammlung der -> Novellen sowie (seit dem 14. Jh.) die (2) Konstitutionen Sacramenta puberum und Habita Friedrichs I. Barbarossa und die (durch Aufteilung eines umfangreichen Gesetzes entstehenden 11) Konstitutionen (Navigia, Omnes peregrini, Agricultores usw.) Friedrichs II., die bis zu -> Accursius (um 1230) in den Codex aufgenommen werden. Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung des Heiligen Römischen Reiches, Studi P. Koschaker Bd. 1 1954, 187; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Authenticum (lat. [N.]) ist die Bezeichnung für eine um 1100 in Bologna erscheinende, 134 47 Stücke umfassende Sammlung unbekannter Herkunft der seit 535 n. Chr. unter dem oströmischen Kaiser -> Justinian ergangenen -> Novellen, die der Zeit als authentische Fassung gilt. -> Authenticae Lit.: Söllner § 22; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Autograph (N.) vom Autor selbst geschriebenes Schriftstück (kein Werk der antiken Literatur als A. erhalten) Lit.: Hoffmann, H., Autographa im früheren Mittelalter, DA 57 (2001), 1 Automat ist die mechanische, nach Aufheben einer Hemmung einen Vorgang selbsttätig ausführende Einrichtung. Größere tatsächliche Bedeutung gewinnt der A. mit dem Vordringen der elektronischen Datenverarbeitung am Ende des 20. Jh.s. Für Rechtsfolgen wird dessenungeachtet auf das hinter dem A. stehende menschliche Verhalten abgestellt. Autobahn ist die nur für den Automobil- verkehr zugelassene, vierspurige, kreuzungsfrei ausgebaute Straße. In Berlin wird 1921 die Avus eröffnet, der oberitalienische Autobahnen und im August 1932 die Strecke Köln-Bonn folgen. Nach Plänen Fritz Todts (1891-1942) entscheidt sich Adolf Hitler für Reichs- autobahnen, von denen durch gewagte Kredit- aufnahmen (viereinhalb Milliarden Reichsmark Schulden) im Dritten Reich rund 3860 Kilo- meter errichtet werden. Lit.: Hartmannsgruber, F., ...ungeachtet der noch ungeklärten Finanzierung, HZ 278 (2004), 625 Autonomie ist das (vom Staat gewährte) Recht zur Selbstgesetzgebung innerhalb einer anderweitigen Gesetzgebungshoheit. Die A. gewinnt mit der Entstehung des staatlichen Gesetzgebungsmonopols im Absolutismus an Bedeutung. A. haben beispielsweise Städte, Universitäten, Religionsgemeinschaften, Vereine usw. Lit.: Wicki, A., Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie im internationalen Privatrecht, 1965; Steffen, W., Die studentische Autonomie im hochmittelalterlichen Bologna, 1981; Mizia, R., Der Rechtsbegriff der Autonomie und die Begründung des Privatfürstenrechts, 1995; Lim, M., Der Begriff der Autonomie und des Menschenrechts bei Kant, 2002 Autor -> Urheber Auvergne ist die durch Cäsar ins römische Reich gelangte Landschaft um das Zentralmassiv in Frankreich. Sie wird 507 fränkisch (Mitte 8. Jh. [lat.] Formulae [F.Pl.] Arvernenses) und kommt 955 an Poitou. Seit 1189 geht sie vom König zu Lehen. Ein Teil fällt 1527/31 an den König, der gräfliche Rest 1609. Der Advokat Jean Masuer ( 1450) zeichnet in seiner (lat.) Practica (F.) forensis das zuvor ganz zersplitterte Recht erstmals umfassender auf. 1510 wird die Coutume d'Auvergne wirksam. Lit.: Massé, E., La coutume d'Auvergne, Diss. jur. Toulouse 1913; Histoire d'Auvergne, hg. v. Manry, A., 1974 Averani, Giuseppe (1662-1738), seit 1685 Professor des römischen Rechts in Pisa, übernimmt die humanistischen Gedanken des (lat.) -> mos (M.) Gallicus in die Rechtswissenschaft Italiens und bereitet dadurch den Boden für die Aufklärung (in Toskana) vor ([lat.] Interpretationum iuris libri [M.Pl.] duo usw., 1713). Lit.: Dizionario Biographico degli Italiani, 1960ff., 4, 658f. Aware, Avare, ist der Angehörige eines um 460 aus Zentralasien nach Westen vor- stoßenden, um 566 an Donau und Theiß siedelnden, 822 aus der Überlieferung verschwindenden Steppenvolks. Lit.: Pohl, W., Die Awaren, 2. A. 2002 Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius) (1490?- 1560), Sohn eines (lat.) legum doctor (M.) und Richters, wird nach dem Rechtsstudium in Avignon und Pavia (Mayno, Alciat?) 1521 königlicher Rat im Parlament von Grenoble. Mit Druckerprivileg vom 8. 8. 1515 veröffentlicht er in Valence (lat.) Libri (M.Pl.) de historia iuris civilis et pontificii mit 129 numerierten und 19 unnumerierten Blättern, welche die erste umfassende Rechtsgeschichte (des römischen und kirchlichen Rechts) darstellen. Lit.: Moeller, E. v., Aymar du Rivail, 1907; Köbler, G., Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, in: Geschichtliche Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990, 220 Aytta, Wigle (Viglius) van (Barrahuis bei Leeuwarden 1507-Brüssel 1577) wird nach dem Studium in Löwen, Dôle und Valence Schüler -> Alciats in Bourges und 1532 Professor des römischen Rechts in Padua, 48 1537-1542 in Ingolstadt. Er verwertet in seinen Veröffentlichungen auch byzantinische Rechts- quellen. Lit.: Postma, F., Viglius van Aytta als humanist en diplomaat 1507-1549, 1983; Sprenger, R., Viglius von Aytta, 1988 Azo (Bologna 1150?-1220) lehrt nach dem Studium in Bologna spätestens seit 1190 dort weltliches Recht. Seine bedeutendsten Leistungen bestehen in der Herstellung von (weitgehend ungedruckten) Glossenapparaten zu allen Teilen der justinianischen Gesetzgebung sowie in (lat.) Summae (F.Pl.) Codicis, Summae Institutionum und Summae Digestorum. Insbesondere im 16. Jh. erfahren seine Werke weiteste Verbreitung. Er ist Lehrer z. B. des -> Accursius. Lit.: Köbler, DRG 107; Belloni, A., Le questioni civilistiche del secolo XII, 1989; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 B Baar ist die in Urkunden des 8. und 9. Jh.s erscheinende Bezeichnung des Gebietes an der obersten Donau. 1264 tritt ein Landgraf in der B., 1403 eine Landgrafschaft B. auf, die denen von Fürstenberg zukommt. Lit.: Bader, K., Zur politischen und rechtlichen Entwicklung der Baar, 1937; Bader, K., Kloster Amtenhausen in der Baar, 1940; Beyerle, F., Zum Problem der alamannischen Baaren, ZRG GA 62 (1942), 305; Bohnenberger, K., Zu den Baaren, ZRG GA 63 (1943), 319; Bader, K., Die Landgrafschaft Baar, 1960; Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1969 Babelsberger Konferenz ist die in Babelsberg am 2./3. 4. 1958 tagende Konferenz, in der Walter Ulbricht von der Rechtswissenschaft der -> Deutschen Demokratischen Republik eine stärkere marxistisch-leninistische Durch- dringung sowie eine bessere Verbindung mit der Praxis des sozialistischen Aufbaus fordert. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mollnau, K., Imple- mentationsmechanismen der Babelsberger Konferenz, in: Staat und Recht in den neuen Bundesländern, Sonderheft Oktober 1991, 175; Güpping, S., Die Bedeutung der ,,Babelsberger Konferenz", 1997; Die Babelsberger Konferenz, hg. v. Eckert, J., 1993 Babenberger ist der Angehörige eines in der Mitte des 11. Jh.s nach der Burg Babenberg (Bamberg) benannten, vor allem in Ostfranken begüterten, 945 letztmalig bezeugten Adelsgeschlechtes (Popponen). Als erster, wohl mit ihnen verwandter jüngerer B. erscheint 976 ein Markgraf Liutpald der Mark an der Donau. 1156 erreichen die B. als Ausgleich für die Rückgabe des 1138 von den Staufern den Welfen entzogenen und 1139 den Babenbergern übertragenen Herzogtums -> Bayern die Erhebung ihrer Mark zum selbständigen, von Bayern gelösten Herzogtum -> Österreich des deutschen Reiches. Die zunächst an Böhmen gelangten Güter des 1246 im Mannesstamm erloschenen Geschlechts verlehnt König Rudolf von Habsburg nach dem -> Interregnum (1282) innerfamiliär an die -> Habsburger. Lit.: Köbler, DRG 76, 94; Rauch, K., Die Erwerbung des Herzogtums Steiermark durch die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A. 1977; Lechner, K., Die Babenberger, 4. A. 1985; Tausend Jahre Babenberger in Österreich, 1976; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Dienst, H., Die Babenberger 976- 1246, 2005 Babylon Lit.: Jursa, M., Die Baylonier, 2004 Baccalaureus (9. Jh. baccalarius, [lat., M.], Knecht) ist seit dem 13. Jh. (1231) der unterste akademische Grad (angloam. bachelor). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leff, G., Paris and Oxford in the 13th and 14th Centuries, 1968 Bacharach Lit.: Wagner, F., Stadt Bacharach und Samtgemeinde der Viertäler, 1956 Bachofen, Johann Jakob (Basel 22. 12. 1815- 25. 11. 1887), Seidenbandfabrikantensohn, wird nach dem Studium von Philologie, Geschichte und Recht in Basel, Berlin (Savigny) und Göttingen 1841-1845 Professor für römisches Recht in Basel und 1842 Richter (1844 Appellationsrat). Auf rechts- ethnologischer Grundlage entwickelt er die Vorstellung eines ursprünglichen Mutterrechts (Über das Weiberrecht, 1856, Das Mutterrecht, 1861). Bei seinen Zeitgenossen findet er hierfür kein Verständnis. Lit.: Bachofen, J. Eine Selbstbiographie, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 34 (1917); Bernoulli, 49 C., Johann Jakob Bachofen und das Natursymbol, 1924; Müllenbach, B., Johann Jakob Bachofen als Rechtshistoriker, ZRG GA 105 (1988), 17 Bacon, Francis (1561-1626), Sohn des englischen Lordsiegelbewahrers, wird nach dem Studium in Cambridge und der Berufsausbildung in Gray's Inn 1583 Anwalt, 1607 Kronanwalt, 1613 Justizminister, 1617 Lordsiegelbewahrer und 1618 Lordkanzler. Wegen des Verdachts der Bestechlichkeit verliert er 1621 alle öffentlichen Ämter. Als Jurist bemüht er sich besonders um Klarheit und Wissenschaftlichkeit. Außerrechtliche Bekanntheit gewinnt er durch die Forderung, dass die Wissenschaft nur aus der einzelnen Erfahrung allgemeine Folgerungen ziehen dürfe (-> Empirismus, -> Locke). Lit.: Köbler, DRG 136; Bock, H., Staat und Gesellschaft bei Francis Bacon, 1937; Krohn, W., Francis Bacon, 1988; Roger Bacon and the Sciences, hg. v. Hackett, J., 1997 Baculus (M.) iudicii secularis (lat.) in Frankenford ist das in 88 Artikeln gehaltene Werk über Gerichtsverfassung und Verfahren in Frankfurt am Main, das zwischen 1400 und 1430 von einem unbekannten Stadtschreiber verfasst worden sein könnte. Lit.: Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechts in Frankfurt am Main, 1939, 15 Bad Lit.: Gail, W., Die Rechtsverfassung der öffentlichen Badstuben, 1940 Baden im Oostal erscheint nach einem römischen Aquae Aureliae 987. Nach ihm benennt sich seit 1112 eine mit Markgraf Hermann ( 1074) erkennbare, von den Herzögen von -> Zähringen abstammende Familie. Sie gewinnt umfangreiche Güter, die bis zur Abdankung am 22. 11. 1918 gehalten werden können. 1951/1952 geht B. in Baden- Württemberg auf. Lit.: Kroeschell, DRG 186, 192, 201, 156; Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, E., Badisches Volksleben im neunzehnten Jahrhundert, 1900; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte Bd. 1f. 1906ff.; Andreas, W., Die Einführung des Code Napoléon in Baden, ZRG GA 31 (1910), 182; Lenel, P., Badens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung unter Markgraf Karl Friedrich (1738- 1803), 1913; Andreas, W., Geschichte der badischen Verwaltungsorganisation und Verfassung in den Jahren 1802-1818, 1913; Windelband, W., Die Verwaltung der Markgrafschaft Baden zur Zeit Karl Friedrichs, 1916; Krieger, A., Badische Geschichte, 1921; Strobel, E., Neuaufbau der Verwaltung und Wirtschaft der Markgrafschaft Baden-Durlach, 1935; Hofmann, K., Die germanische Besiedelung Nordbadens, 1937; Wahle, E., Vorzeit am Oberrhein, 1937; Beinert, B., Geheimer Rat und Kabinett in Baden, 1937; Baden im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1f. 1948ff.; Rheinbaben, G. v., Die erste Kammer in Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1949; Bader, K., Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen Entwicklung, 1950; Armbruster, F., Die Freiburger Talvogtei, 1950; Arndt, E., Vom markgräflichen Patrimonialstaat zum großherzoglichen Verfassungsstaat Baden, Diss. jur. Freiburg 1952 = ZGO 101 (1953), 157, 436; Haebler, R., Badische Geschichte, 1951, Neudruck 1987; Wielandt, F., Badische Münz- und Geldgeschichte, 1955; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961; Gut, J., Die Landschaft auf den Landtagen der markgräflich badischen Gebiete, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2626, 3,3,2855,3696; Hahn, W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit im Großherzogtum Baden-Baden, 1974; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden- Württemberg 1, 2, hg. v. Landkreistag, 1975; Theil, B., Das älteste Lehnbuch der Markgrafen von Baden, 1974; Krimm, K., Baden und Habsburg, 1976; Boelcke, W., Handbuch Baden-Württemberg, 1982; Badische Biographien, neue Folge, Bd. 1ff. 1982ff.; Real, W., Die Revolution in Baden 1848/49, 1983; Das Großherzogtum Baden zwischen Revolution und Restauration 1849- 1851, hg. v. Real, W., 1983; Gross, N., Der Code civil in Baden, 1993; Muscheler, K., Die Rolle Badens in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1993; Die badische Verfassung von 1818, hg. v. Bräunche, E. u. a., 1996; Handbuch der baden- württembergischen Geschichte, hg. v. Schwarzmaier, H. u. a., Bd. 1ff. 1998ff.; Baldes, A., Die Entstehung des Strafgesetzbuches, 1999; Quellen zur Entstehung der Verfassung des Landes Baden, bearb. v. Feuchte, P., 1999; Kißener, M., Richter zwischen Diktatur und Demokratie, 2003; Festschrift 200 Jahre Badisches Oberhofgericht ­ Oberlandesgericht Karlsruhe, hg. v. Münchbach, W., 2003; Würtz, C., Johann Niklas Friedrich Brauer (1754-1813), 2005 Baden-Württemberg ist das 1951/1952 aus Württemberg-Baden (Nordbaden, Nordwürttemberg), Baden (Südbaden) und Württemberg-Hohenzollern (Südwürttemberg, Hohenzollern) gebildete Bundesland der 50 Bundesrepublik Deutschland. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Deutsches Städtebuch, Baden-Württemberg 1959; Landesgeschicht- liche Vereinigungen in Baden-Württemberg, bearb. v. Gönner, E., 1987; Boelcke, W., Handbuch Baden- Württemberg, 1982; Handbuch der baden- württembergischen Geschichte, hg. v. d. Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Bd. 1ff. 1990ff. Badisches Landrecht von 1588 ist das von Markgraf Philipp II. am 2. 1. 1588 erlassene, bis 1810 geltende Landrecht für die Markgrafschaft Baden-Baden, das in seinen drei ersten Teilen (Untergerichtsordnung, Kontrakte, Testamente) auf dem württem- bergischen Landrecht von 1567 beruht, das Intestaterbrecht selbständig behandelt und in seinem fünften Teil (Strafrecht) (über das Kurpfälzer Landrecht von 1580) auf die kursächsischen Konstitutionen zurückgeht. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den Badischen Markgrafschaften, 1961, 86 Badisches Landrecht von 1654 ist das 1622 gedruckte, für Baden-Baden und Baden- Durlach gedachte, aber nur in Baden-Durlach von 1654 bis 1810 gültige Landrecht, das auf der Grundlage älterer Einzelgesetze in sieben Teilen fast das gesamte Recht ordnet (aus- genommen das Verwaltungsrecht). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1906ff., 2, 20 Badisches Landrecht von 1809 ist der zum 1. 1. 1810 als Landrecht für das Großherzogtum Baden eingeführte, übersetzte Code Napoléon (-> Code civil) mit Zusätzen und Handelsgesetzen, dessen Geltung durch die Inkraftsetzung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. 1. 1900 endet. Lit.: Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte, Bd. 2 1909; Code Napoleon - Badisches Landrecht, 1997; http://www..koeblergerhard.de/Fontes/CodeNapoleonBa den1809.pdf Bähr, Otto (Fulda 2. 6. 1817-Kassel 17. 2. 1895) wird nach dem Rechtsstudium Richter in Kassel (1849), Fulda, Kassel und Berlin. Als nationalliberaler Rechtspolitiker setzt er sich für die gerichtliche Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns ein (Der Rechtsstaat, 1864). In der Untersuchung Die Anerkennung als Verpflichtungsgrund entwickelt er den selbständig (abstrakt) verpflichtenden Schuld- vertrag. Lit.: Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Binder, B., Otto Bähr, 1983 Bahrprobe ist das wohl erst seit dem 13. Jh. in literarischen Texten erscheinende Verfahren, bei dem ein einer Tötung Beschuldigter an die Totenbahre des Getöteten treten und seine Unschuld beschwören muss. Veränderungen der Leiche (z. B. Bluten) werden als Hinweis auf die Täterschaft des Beschuldigten angesehen. Herkunft (vgl. 1. Moses 4,10 [lat.] vox sanguinis fratris tui clamat ad me de terra, die Stimme des Blutes deines Bruders ruft zu mir von der Erde) und Wesen des Verfahrens sind unklar. Mit der Aufklärung verschwindet die B., mit dem 19. Jh. der Glaube an sie. Lit.: Christensen, C., Baareprven, 1900; Koöb, F., Das alte Bahrrecht in Tirol, Tiroler Heimat 13/14 (1949/1950), 7; Fehr, H., Das Bahrrecht, Dt. Jb. f. Volkskunde 6 (1960), 85 Balduinus -> Baudoin Baldus de Ubaldis (Perugia 1327-Pavia 28. 4. 1400), Sohn eines adligen Professors der Medizin, wird nach dem Studium in Perugia (Bartolus) Professor des römischen Rechts in Perugia (1347-1357), Pisa (1357/13588), Florenz (1358-1364), Perugia (1364-1376), Padua (1376-1379), Perugia (1379-1390) und Pavia (1390-1400). Auf Grund der vollständigen Beherrschung des gesamten geltenden Rechtes gelingt ihm die selbständige Weiterbildung vieler Einzelheiten (Wechsel- recht, Gesellschaftsrecht, internationales Privat- recht, Prozessrecht, Staatsrecht, Strafrecht, Privatrecht) in rund 2800 Gutachten (lat. [N.Pl.] consilia) und verschiedenen (lücken- haften) Kommentaren. Lit.: Söllner § 25; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960; Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968; Lange, H., Die Consilien des Baldus, 1974 Balkan (Berg in Bulgarien) ist die aus dem Türkischen kommende, zusammenfassende Bezeichnung für die südosteuropäische Halbinsel. -> Griechenland, Albanien, Bulga- rien, Jugoslawien. Lit.: Weithmann, M., Balkan-Chronik, 1995; Hösch, E., Geschichte der Balkanländer, 4. A. 2002; Der Balkan, hg. v. Elvert, J., 1997; Der Balkan, hg. v. Heuberger, V. u. a., 1998; Südosteuropa, hg. v. Hatschikjan, M. u. a., 1999; Der Balkankrieg, hg. v. Hofbauer, H., 1999; Feldfunktion geändert 51 Mennel, R., Der Balkan, 1999; Razumovsky, D. Gräfin, Der Balkan, 1999; Pavlowitsch, S., A History of the Balkans 1804-1945, 1999; Todorova, M., Die Erfindung des Balkans, 1999; Hösch, E., Geschichte des Balkans, 2004 Ballei (zu mlat. [M.] ballivus) ist seit dem 14. Jh. nach sizilianischem Vorbild die Be- zeichnung für die Provinz des -> Deutschen Ordens mit dem Landkomtur an der Spitze (z. B. Utrecht, Alten-Biesen, Westfalen, Sachsen, Hessen, Thüringen, Franken, Koblenz, Elsass- Schwaben-Burgund, Lothringen, Österreich, An der Etsch und im Gebirge, Lamparten, Apulien, Sizilien, Böhmen, Armenien und Zypern, Romanien). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voigt, J., Geschichte des Deutschen Ritter-Ordens, Bd. 1f. 1857ff. Ballivus (zu lat. baiulus [M.] Lastträger) ist ein herrschaftlicher Amtsträger im frühmittelalterlichen Frankreich sowie später in Süditalien und als bailiff im hochmittelalterlichen England. Lit.: Nowé, H., Les baillis comtaux de Flandre, 1929 Balte ist der Angehörige eines baltisch sprechenden indogermanischen Volkes (Preußen, Kuren, Letten, Litauer). Baltikum ist die Sammelbezeichnung für die spätestens seit dem ausgehenden Früh- mittelalter von ugro-finnischen und balto- slawischen Stämmen (Esten, Liven, Kuren, Lettgaller, Selen, Semgaller) besiedelten Gebiete am östlichen Rand der südlichen Ostsee. Das B. wird seit dem Ende des 12. Jh.s von Deutschen (Riga 1201) und Dänen (Reval 1219) beeinflusst. Die Bischöfe von Riga (1255 Erzbistum), Dorpat, Ösel, Kurland und Reval sowie der Deutschordensmeister von Livland erlangen die Stellung von Fürsten des Heiligen Römischen Reiches. Sie finden sich im 15. Jh. in einer altlivländischen Konföderation mit alljährlichen Landtagen zusammen. Das Recht ist vom Reich beeinflusst (1315 waldemar- erichsches Lehnrecht, ältestes livländisches Ritterrecht, livländischer Spiegel [als Überarbeitung des -> Sachsenspiegels], wiek- öselsches Lehnrecht, mittleres livländisches Ritterrecht [15. Jh.], umgearbeitetes Ritterrecht, Bauernrechte, lübisches und hamburgisches Stadtrecht). Das römische Recht wirkt sich nur wenig aus. 1561 kommt das Gebiet an Polen und Schweden, 1710 fallen Estland und (mittleres) Livland, 1795 Kurland an Russland, wobei augsburgische Konfession, deutsches Recht, deutsche Verwaltung und Amtssprache zugesichert bleiben. 1816/9 erfolgt die Bauernbefreiung, danach die Festlegung des Provinzialrechts (1864 Zivilgesetzbuch, liv-, est- und kurländisches Privatrecht), 1889 die Einführung des russischen Gerichtsver- fassungsrechts und Prozessrechts. 1918 werden Estland (24. 2. 1918) und Lettland selbständig, am 6. 8. 1940 bzw. 5. 8. 1940 der Sowjetunion eingegliedert und am 6. 9. 1991 wieder unabhängig. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F. v., Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Schilling, C., Die lehn- und erbrechtlichen Satzungen des waldemar-erich'schen Rechtes, (o. J.); Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1977; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Schmidt, A., Geschichte des Baltikums, 1992; Baltische Länder, hg. v. Pistohlkors, G. v., 1994; Die baltischen Sprachen, hg. v. Eckert, R., 1994; Der Aufbau der freiheitlich-demokratischen Ordnung in den baltischen Staaten, hg. v. Meissner, C. u. a., 1995; Norgaard, O. u. a., The Baltic States after Independence, 1996; Die baltischen Staaten, hg. v. Scholz, F. u. a., 1997; Baltistik, hg. v. Bammesberger, A., 1998; Handbuch Baltikum heute, hg. v. Graf, H. u. a., 1998; Die Deutschbalten und der Nationalsozialismus, Bd. 1, hg. v. Garleff, M., 2000; Roth, M., Der Einfluss des Europarats auf die demokratische und menschenrechtliche Transformation der baltischen Staaten, 2004; Tuchtenhagen, R., Geschichte der baltischen Länder, 2005 Baluze, Etienne (Tulle 24. 11. 1630-Paris 28. 7. 1718) veröffentlicht nach dem Rechts- studium in Toulouse als Bibliothekar Colberts 1677 die erste große Ausgabe der frühmittelalterlichen -> Kapitularien (ein- schließlich der Volksrechte) des fränkischen Reiches (Capitularia regum Francorum). Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien?, 1961 Bamberg ist der als Burg Babenberg (-> Babenberger) erstmals zum Jahre 902 genannte Ort am oberen Main, der 1007 unter dem Sachsen Heinrich II. Sitz eines Bistums wird. Um 1060 erfolgt eine Aufzeichnung des Dienstrechts der Dienstmannen. 1507 schafft der bischöfliche Hofmeister Johann von -> Schwarzenberg die Bamberger Halsgerichts- 52 ordnung (Constitutio Criminalis Bamber- gensis). 1735 wird für kurze Zeit eine juristische Fakultät an der von 1648 bis 1803 bestehenden Universität eingerichtet. 1803 fällt das Fürstbistum B. an Bayern. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 94, 138; Köbler, Historisches Lexikon; Zöpfl, H., Das alte Bamberger Recht, 1839; Jaffé, P., Monumenta Bambergensia, 1869; Güterbock, C., Zur Redaktion der Bambergensis, 1910; Ament, W., Bamberg, 1929; Weiß, H., Stadt- und Landkreis Bamberg, 1974 Bamberger Halsgerichtsordnung -> Bamberg Bank ist allgemein die breite Sitzgelegenheit und rechtlich das Unternehmen, dessen Inhaber mindestens eine Art von Bankgeschäften in einem Umfang betreibt, der einen in kauf- männischer Weise eingerichteten Geschäfts- betrieb erfordert. Nach antiken Vorläufern in Ägypten, Griechenland und Rom (lat. [M.Pl.] argentarii, mensarii) entwickeln sich seit dem 12. Jh. berufsmäßige Geldwechsler zuerst in Italien (Lombarden), wobei wegen der Nähe von Geldwechsel und Darlehen auf Grund des kanonischen Zinsverbotes Juden geschäftliche Vorteile erwachsen. Seit dem 15. Jh. entstehen halböffentliche Banken (Barcelona 1401, Genua 1409, Amsterdam 1609, Hamburg 1619, Bank of England 1694). Seit etwa 1835 beginnen die Banken mit der Finanzierung von industriellen Unternehmen, die bereit sind, Fremdkapital aufzunehmen (Paris 1852 Aktienbank). Seit dem ausgehenden 19. Jh. werden die (vielfach von jüdischen Inhabern betriebenen) Privatbanken von den von ihnen zur Gefahrenverringerung entwickelten Aktien- banken allmählich zurückgedrängt, zwischen 1933 und 1945 auch geschlossen oder enteignet. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden die Banken zu bedeutenden Dienstleistungsunternehmen. Lit.: Köbler, DRG 176; Günther, K., Die städtischen Wechselbanken Deutschlands, Diss. jur. Münster 1932; Trusen, W., Die Anfänge öffentlicher Banken und das Zinsproblem, FS J. Bärmann, 1975, 113; Poeschel, H., Die Statuten der Banken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften in Hamburg und Altona von 1710-1889; Wissenschaft und Kodifikation Bd. 5 1980; Klein, E., Deutsche Bankengeschichte, 1982; L'alba della banca, 1982; Gabler Banklexikon, hg. v. Grill, W. u. a., 11. A. 1995; Lane, F./Mueller, R., Money and Banking, 1985; Ruland, A., Zur Entwicklung des Bankaufsichtsrechts, Diss. jur. Münster 1987; Wandel, E., Banken und Versicherungen, 1997; Fuchs, R., Die Wiener Stadtbank, 1998; North, M., Kommunikation, Handel, Geld und Banken, 2000; James, H., Verbandspolitik im Nationalsozialismus, 2001; Kahmann, H., Die Bankiers von Jacquier & Securius 1933-1945, 2002; Distel, J., Die Errichtung des westdeutschen Zentralbanksystems mit der Bank deutscher Länder, 2003; Der Privatbankier, hg. v. Institut für bankhistorische Forschung, 2003; James, H., Die Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Die Commerzbank und die Juden, hg. v. Herbst, L. u. a., 2004; Linder, N., Die Berner Bankenkrise von 1720, 2004 Bankert (mhd. Banchart [M.] auf der Bank Gezeugter) ist die ältere Bezeichnung für das -> nichteheliche Kind. Bann ist die Möglichkeit eines Amtsträgers, Gebote und Verbote unter Anordnung gewichtiger Rechtsfolgen im Fall der Nichtbeachtung auszusprechen. In diesem Sinn kann bereits der jüdische Rabbi den uneinsichtigen Sünder zum Heiden erklären (vgl. Matthäus 18,15-17). Dementsprechend schließt das Christentum (Elvira 306) Sünder in bestimmten Fällen aus der kirchlichen Gemeinschaft aus (nicht auch aus der Kirche insgesamt). In Fällen geringerer Sünde werden nur der Empfang der Sakramente und das kirchliche Amt abgesprochen. Vom kirchlichen B. kann der Papst lösen. Im weltlichen Bereich kennt das fränkische Recht den B. des Königs oder Grafen. Wer dagegen verstößt, muss 60 bzw. 15 Schilling leisten. Seit dem Hochmittelalter gehen die Bannrechte des Königs auf den Landesherrn über und werden dann durch das Hoheitsrecht des Landesherrn bzw. später des Staates ersetzt. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 83, 130; Sickel, W., Zur Geschichte des Bannes, 1886; Koehne, C., Studien über die Entstehung der Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA 25 (1904), 172; Eichmann, E., Acht und Bann, 1909; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1914; Voltelini, H. v., Königsbannleihe und Blutbannleihe, ZRG GA 36 (1915), 290; Heck, P., Die Bannleihe im Sachsenspiegel, ZRG GA 37 (1916), 260; Ganahl, K., Der Fürbann im bayerischen Rechtsgebiet, ZRG GA 54 (1934), 257; Fehr, H., Zur Geschichte des Bannes, ZRG GA 55 (1935), 237; Wießner, H., Twing und Bann, 1935; Stutz, U., Zur Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289; Siuts, H., Bann und 53 Acht, 1959 (Diss. phil. Kiel 1956); Doskucil, W., Der Bann in der Urkirche, 1958; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973 Banner ist die vielleicht schon in germanischer Zeit als Zeichen dienende Fahne (Heerfahne, Gerichtsfahne). Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943, 34; 75 (Fünfundsiebzig) Jahre Reichsbanner Schwarz- Rot ­ Gold, red. v. Grimm, U., 1999 bannitio (lat. [F.]) öffentliche Ladung Bannmeile ist die örtlich auf eine (oder auch mehrere) Meilen festgelegte Reichweite eines - > Bannes oder einer Herrschaftsgewalt. Seit dem Hochmittelalter werden insbesondere Burgen, Städte, Märkte, Mühlen oder Brauhäuser mit einer B. ausgestattet. In der Gegenwart beschreibt die B. eines Staatsorgans den räumlichen Bereich, in welchem keine Versammlungen abgehalten werden dürfen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Küchler, W., Das Bannmeilenrecht, 1964 barbarus (lat. [M.]) plappernder (Nichtrömer) Lit.: Köbler, LAW; Rugullis, S., Die Barbaren in den spätrömischen Gesetzen, 1992 Barbeyrac, Jean de (1674-1744), 1697-1710 Professor für alte Sprachen in Berlin, 1711- 1717 für Geschichte und Naturrecht in Lausanne, 1717-1744 für öffentliches und privates Recht in Groningen, verbreitet naturrechtliches Gedankengut durch fran- zösische Übersetzungen von Werken Pufendorfs, Grotius' und Cumberlands. Lit.: Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des Naturrechts in Europa, 1970 Bargilde -> Biergelde Barock Lit.: Methoden und Probleme der Alltagsforschung im Zeitalter des Barock, hg. v. Pickl, O. u. a., 1992 Baron ist die über das Mittellateinische und Mittelfranzösische von ahd. baro Mann abgeleitete Bezeichnung für eine Gruppe Adliger (1595 für Freiherr). Barrister ist der vor Gericht ([engl.] bar) auftretende Anwalt des englischen Rechts. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000 Barschalk ist eine Bezeichnung für bestimmte Halbfreie im frühmittelalterlichen Bayern. Lit.: Köbler, WAS; Janda, A., Die Barschalken, 1926; Mayer, T., Bauer und Barschalken, FS I. Zibermayr, 1954, 143 Bartolus de Saxoferrato (Venatura 1313?- Perugia 13. 7. 1357) lehrt nach dem in Perugia (1327, Cinus de Sighibuldis) und Bologna (1333) betriebenen Studium und der am 10. 11. 1334 in Bologna erlangten Promotion zum (lat.) doctor (M.) iuris civilis seit Winter 1338 in Pisa und Perugia (1342) weltliches Recht. Neben nahezu 400 Gutachten verfasst er bedeutende Kommentare zu Digesten und Codex Justinians sowie etwa 45 wichtige Traktate (z. B. zum Markenrecht und Wappenrecht) in klarer, aber trotz freierer Auslegung noch an der Scholastik aus- gerichteter Denkweise. Seine Werke bilden neben der Glosse des Accursius an vielen Orten die Grundlage des juristischen Studiums bis weit in die Neuzeit ( [lat.] Nemo bonus iurista, nisi Bartolista, niemand ist guter Jurist, wenn er nicht Bartolist ist). Lit.: Söllner § 25; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 3ff. 1834ff.; Woolf, C., Bartolus of Sassoferrato, 1913; Bartolo da Sassoferrato, Bd. 1f. 1962; Merzbacher, F., Bartolo de Sassoferrato, in: Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 559; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960; Cavallar, O. u. a., A Grammar of Signs, 1994 Basel am Rhein wird auf keltisch-römischer Siedlungsgrundlage vielleicht im 7. Jh. Sitz eines Bischofs. Seit 1362 zählt es sich zu den freien Städten im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). 1431-1437 ist es Tagungsort eines Konzils. 1459 (4. 4. 1460) erlangt es eine (bald verbaselete) Universität (mit sehr vielen Promotionen [1558-1818 rund 2200]). Am 13. 7. 1501 schließt sich B. als neunter Ort der Eidgenossenschaft der -> Schweiz an. Die Stadtgerichtsordnung von 1719 schöpft hauptsächlich aus dem württembergischen Landrecht von 1555. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Concilium Basiliense, hg. v. Haller, J., Bd. 1ff. 1896ff.; Bruder, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt Basel, 1909; Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910; Festschrift zur Feier des 450jährigen Bestehens der Universität Basel, 1910; His, E., Geschichte des Basler Grundbuchs, 1915; Wackernagel, R., Geschichte der Stadt Basel, Bd. 1f. 1907ff.; Heusler, A., Geschichte der Stadt Basel, 1917; Ribeaud, A., Le moulin féodal, 1920; Heusler, A., 54 Basels Gerichtswesen im Mittelalter, 1922; His, E., Zur Geschichte des Basler Notariats, Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 20 (1922), 1; Saxer, E., Das Zollwesen der Stadt Basel, 1923; Roth, P., Die Organisation der Basler Landvogteien, 1922; His, E., Eine historische Staatsteilung, GF Fritz Fleiner 1927; Membrez, A., Die Burgvogtei Binzen, 1928; Metzger, K., Die Verbrechen und ihre Straffolgen im Basler Recht des späteren Mittelalters, 1931; Koelner, P., Die Safranzunft zu Basel, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Zur Territorialbildung der Bischöfe von Basel, ZGO 52 (1938), 226; Die Matrrkel der Universität Basel, hg. v. Wackernagel, H., Bd. 1f. 1951ff.; Staehelin, A., Geschichte der Universität Basel 1632 bis 1818, 1957; Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler Buchdruck, ZRG GA 77 (1960), 241; Hagemann, Hans Rudolf, Basler Stadtrecht im Spätmittelalter, ZRG GA 78 (1961), 140; Professoren der Universität Basel, 1960; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel 1459-1529, 1962; Baerlocher, R., Das Rechtsmittelsystem des baselstädtischen Zivilprozess- rechts, 1964; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung 1860-1870, 1963; Staehelin, A., Sittenzucht und Sittengerichtsbarkeit in Basel, ZRG GA 85 (1968), 78; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von 1719, 1969; Abplanalp, F., Zur Wirtschaftspolitik des Fürstbistums Basel, 1971; Bühler, T., Gewohnheitsrecht und Landesherrschaft im ehemaligen Fürstbistum Basel, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,443, 3,2,1958; Mommsen, K., Katalog der Basler juristischen Disputationen 1558-1818, 1978; Simon, C., Untertanenverhalten und obrigkeitliche Moralpolitik, 1981; Hagemann, H., Basler Rechtsleben im Mittelalter, Bd. 1f. 1981ff.; Kern, B., Die juristische Gesellschaft zu Basel, ZRG GA 100 (1983), 145; Röthlin, N., Die Basler Handelspolitik, 1986; Münch, P., Aus der Geschichte des Basler Privatrechts im 19. Jahrhundert, 1991; Hirsch, V., Der Hof des Basler Bischofs Johannes von Venningen, 2004; Hagemann, H., Laiengericht und gelehrtes Recht am Beispiel des Basler Stadtgerichts, ZNR 27 (2005), 1 Basiliken (kaiserliche Bücher) ist der Name für die 60 Bücher, in denen unter Kaiser Leon VI. (886-912) in -> Byzanz die Rechtstexte -> Justinians ins Griechische übersetzt, gestrafft und vereinfacht werden (Digestenparaphrase des Anonymus, Codexparaphrase des Thaleleios). Um 1345 bearbeitet -> Harmenopoulos die B. im -> Hexabiblos. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 6; Basilicorum libri LX, hg. v. Scheltema u.a,, Bd. 1ff. 1953ff. Baske ist der Angehörige eines vorindogermanischen, um die Pyrenäen siedelnden Volkes. Im 10. Jh. deckt sich das Land der Basken mit dem Königreich -> Navarra. 1939 beseitigt der spanische Diktator Franco die Vorrechte der ihm ablehnend gegenüberstehenden Basken. 1979 erhalten die Basken (wieder) Autonomie. Lit.: Ortots, Die Basken, 1979; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,247; Kasper, M., Baskische Geschichte, 1997; Kurlansky, M., Die Basken, 2000 Baudoin (Balduinus), François (Arras 1520- Paris 1573), Fiskaladvokatensohn, lehrt nach dem Studium in Löwen (Mudaeus) kurz in Paris (Du Moulin), seit 1548 in Bourges, seit 1555 in Straßburg, seit 1556 in Heidelberg, nach einiger Unterbrechung seit 1566 in Besançon und seit 1569 in Angers. Innerhalb der französischen Humanisten bemüht er sich um die von der einfachen Überlieferung gelöste zusammenfassende Behandlung verschiedener Textschichten (z. B. der Codexfragmente Konstantins). Lit.: Erbe, M., François Baudoin, 1978 Bauer ist der Angehörige des die Landwirtschaft betreibenden Berufsstands. Sachlich entsteht der B. mit der Sesshaftwerdung, mit welcher der Ackerbau neben die Viehzucht tritt. Im Frühmittelalter gerät der B. vielfach in grundherrschaftliche Abhängigkeit. Seit der Aussonderung der Bürger und Ritter bilden die verbleibenden Mitglieder der Gesellschaft den Berufsstand der Bauern. Namengebend wird das bloße Nebeneinanderwohnen (ahd. ban). Zu Beginn des 16. Jh.s lehnen sich die Bauern erfolglos gegen ihre Herren auf (-> Bauernkrieg). Im 19. Jh. erlangen sie Freiheit und Eigentum (-> Bauernbefreiung). Lit.: Köbler, DRG 79, 98, 111, 135; Heusler, A., Der Bauer als Fürstengenoss, ZRG GA 7 (1886), 235; Wittich, Werner, Die Frage der Freibauern, ZRG GA 22 (1901), 245; Urkunden zur deutschen Agrargeschichte, hg. v. Wopfner, H., 1925; Barth, F., Der baaremer Bauer, Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar 17 (1928); Weller, K., Die freien Bauern in Schwaben, ZRG GA 54 (1934), 178; Mayer, T., Die Entstehung des ,,modernen" Staates im 55 Mittelalter und die freien Bauern, ZRG GA 57 (1937), 210; Bader, K., Das Freiamt im Breisgau und die freien Bauern am Oberrhein, 1936; Veltzke, G., Der gebundene bäuerliche Besitz, 1938, Arbusow, L., Das Bauernrecht des sog. budberg-schraderschen Landrechtsentwurfs von 1740, Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 25 (1937), 377; Huppertz, B., Räume und Schichten bäuerlicher Kulturformen in Deutschland, 1939; Höffner, J., Bauer und Kirche 1939; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer, 1939; Deutsches Bauerntum, Bd. 1f. hg. v. Franz, G., 1939f.; Möller, K., Das Vierländer Bauernrecht, 1940; Lütge, F., Die landesherrlichen Urbarsbauern in Ober- und Niederbayern, 1943; Grass, N., Zur Kontinuität im bäuerlichen Rechte der Alpenländer, ZRG GA 66 (1948), 516; Haff, K., Der freie Bergbauer als Staatsgründer, ZRG GA 67 (1950), 394; Dollinger, P., L'évolution des classes rurales en Bavire, 1949; Niederer, A., Gemeinwerk im Wallis, 1956; Lehmann, R., Die Verhältnisse der niederlausitzischen Herrschafts- und Gutsbauern, 1956; Hofmann, H., Freibauern, Freidörfer, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 23 (1960), 195; Wopfner, H., Bergbauernbuch, 1951ff.; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Achilles, W., Vermögensverhältnisse braunschweigi- scher Bauernhöfe im 17. und 18. Jahrhundert, 1965; Henning, F., Dienste und Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969; Grüll, G., Der Bauer im Lande ob der Enns, 1969; Bauer, Wort und Begriff, hg. v. Wenskus, R. u. a., 1975; Dollinger, P., Der bayerische Bauernstand vom 9. bis zum 13. Jahrhundert, 1982 (franz. 1949); Fossier, R., Paysans d'Occident, 1984; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 1985, 4. A. 1987; Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen Bauernstandes, 1989; Trossbach, W., Bauern 1648­ 1806, 1993; Rösener, W., Die Bauern in der europäischen Geschichte, 1993; Wopfner, H., Tiroler Bergbauernbuch, hg. v. Grass, N., Bd. 1ff., 1995ff.; Epperlein, S., Bäuerliches Leben im Mittelalter, 2003 Bauerbrief -> Dorfordnung Bauergericht ist unter verschiedenen Namen das unter Vorsitz eines Bauermeisters in Flursachen tagende Gericht des mittelalterlich- frühneuzeitlichen Dorfes. Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge in Thüringen und Sachsen, 1962 Bauernbefreiung ist die Befreiung der gebiets- mäßig durchaus verschieden gestellten Bauern aus der grundherrlichen Abhängigkeit an der Wende des 18. Jh.s zum 19. Jh., die von Staatsmännern, Wirtschaftsdenkern und aufgeklärten Bürgern auch zwecks Ertragssteigerung angeregt wird. Sie beginnt in Savoyen (1761, 1771). Reformen Josephs II. in Österreich werden abgesehen von der Aufhebung der Erbuntertänigkeit nach 1789 wieder abgeschafft. In Baden wird 1787 die Leibeigenschaft aufgehoben. In Preußen erhalten von 1799 bis 1805 50000 Domänen- bauern persönliche Freiheit und freies Eigentum. Im Oktober 1807 verschafft ein preußisches Edikt bis zum Martinitag 1810 allen Bauern persönliche Freiheit, das Regulierungsedikt von 1811 auch Eigentum gegen Entschädigung. Im Laufe des 19. Jh.s dringt die B. allgemein durch. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 174; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Mähren und Schlesien, Bd. 1f. 1893; Conze, W., Die liberalen Agrarreformen Hannovers im 19. Jahrhundert, 1947; Conze, W., Quellen zur Geschichte der Bauernbefreiung, 1957; Engels, W., Ablösungen und Gemeinheitsteilungen in der Rheinprovinz, 1957; Winkel, H., Die Ablösungskapitalien aus der Bauernbefreiung in West- und Süddeutschland, 1968; Hippel, W. v., Die Bauernbefreiung im Königreich Württemberg, Bd. 1f. 1977; Dipper, C., Die Bauernbefreiung in Deutschland 1790-1850, 1980; Kreutzkamp, F., Bauernbefreiung auf Cappenberg, 2003 Bauernkrieg ist der zu Beginn der Neuzeit von den -> Bauern gegen die -> Grundherrn geführte Krieg. Die Bauernkriege gründen sich auf eine als Folge der Pest am Ende des Mittelalters entstandene Agrarkrise und auf die von Martin Luther genährte Hoffnung auf Besserung der Lage der Unterdrückten. Nicht zuletzt wegen Luthers baldiger Stellungnahme gegen die mörderischen Rotten der Bauern enden die Bauernkriege mit einer Niederlage der Bauern, ohne dass diese sich jedoch vollständig entrechten lassen. Lit.: Zimmermann, W., Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges, 1841ff.; Franz, G., Der deutsche Bauernkrieg, 1933, Aktenband 1935, 12. A. 1984; Blickle, P., Die Revolution von 1525, 1975; Struck, W., Der Bauernkrieg am Mittelrhein und in Hessen, 1975; Waas, A., Der Bauernkrieg, 1995; Blickle, P., Der Bauernkrieg, 1998; Strunz-Happe, A., Wandel der Agrarverfassung, 2003; Fink, B., Die Böhmenkircher Bauernrevolte 1580-1582/83, 2004; Hohn, M., Die rechtlichen Folgen des Bauernkrieges von 1525, 2004; Bundschuh, hg. v. Blickle, P. u. a., 2004 56 Bauerschaft Lit.: Lappe, J., Die Bauerschaften der Stadt Geseke, 1908 Lappe, J., Eine ,,untergegangene" Bauerschaft, ZRG GA 32 (1911), 229; Lappe, J., Die Bauerschaften und Huden der Stadt Salzkotten, 1912 Bauersprache (mnd. bursprake) ist die Versammlung der Nachbarn in Stadt und Dorf, in der das geltende Recht verkündet wird und bei Bedarf allgemeine Angelegenheiten beraten werden. Lit.: Kroeschell, DRG 1 Baulast ist im späten 20. Jh. in Deutschland das sich nicht bereits aus öffentlichrechtlichen Vorschriften ergebende, also freiwillig gegenüber der Bauaufsichtsbehörde über- nommene, ein Grundstück betreffende Tun, Dulden oder Unterlassen eines Eigentümers. -> Kirchenbaulast Lit.: Döring, C., Die öffentliche Baulast, 1994 Baurecht ist objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die sich auf die Zulässigkeit und die Grenzen bzw. die Ordnung und die Förderung der Errichtung und wesentlichen Veränderung von baulichen Anlagen sowie auf deren bestimmungsgemäße Nutzung beziehen. Ursprünglich gilt für das B. der Grundsatz der Baufreiheit des Grundstücksberechtigten (so noch das preußische Allgemeine Landrecht von 1794). Seit dem Hochmittelalter finden sich erste Einschränkungen in den verdichtet besiedelten Städten. Dem folgen allmählich zahlreiche einzelne Polizeiverordnungen, Erlässe und Entschließungen der Landesherren. Sie werden in der Mitte des 19. Jh.s durch allgemeine Regelungen ersetzt (München 1863, Bayern 1864, Baden 1868, Sachsen 1868/9, Preußen 1871, Württemberg 1872), die mit zunehmender Besiedlungsdichte immer stär- kere Beschränkungen aufnehmen, so dass der Grundsatz der Baufreiheit in erheblichem Umfang zum bloßen Grundsatz eingeengt wird. Lit.: Köbler, DRG 152, 198, 259, 269; Grein, F., Baurecht nach den Vorschriften des allgemeinen Landrechts, 1863; Urschlechter, A., Das Baurecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen 1940; Gönnenwein, O., Die Anfänge des kommunalen Baurechts, FG H. Fehr, 1948, 71; Pirson, D., Das Baurecht des fürstlichen Absolutismus im hohenzollerischen Franken, 1961; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Ries, P., Bauverträge im römischen Recht, Diss. jur. München 1989; 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, hg. v. Bauer, H. u. a. , 2000; Binding, G./Linscheid-Burdich, S., Planen und Bauen im frühen und hohen Mittelalter, 2002; Kocken, E., Van bouwen, 2004 Bausparkasse ist die genossenschaftlich organisierte -> Sparkasse, die Darlehen zu Bauzwecken an Genossen vergibt. Die erste B. wird 1775 in Birmingham gegründet (Ketley's Building Society, 1831 Oxford Provident Building Association in Frankfort/- Pennsylvania). In Deutschland stammt die älteste B. von 1885 (Bielefeld, B. für jedermann, 1924 Bausparkasse Wüstenrot). Lit.: Köbler, DRG 241; Lehmann, W., Die Bausparkasse, 5. A. 1977 Bautzen Lit.: Eide, Statuten und Prozesse, hg. v. Schwerhoff, G. u. a., 2002 Bayer ist der Angehörige des aus streitigen Grundlagen erwachsenden, zum 6. Jh. (Jordanes) erstmals genannten, zwischen Alpen und Donau siedelnden Volkes. Die Bayern geraten schon früh unter die Herrschaft der -> Franken. Vielleicht vor 743 zeichnen sie ihr Recht auf (-> Lex Baiwariorum). Ihr dem Hause der Agilolfinger angehörender König Tassilo III. wird 788 von Karl dem Großen abgesetzt. Später gelangen die Bayern (bzw. gelangt das Gebiet der Bayern als Herzogtum) nacheinander an die Luitpoldinger, das sächsische und salische Königshaus (größte Ausdehnung um 950), die Welfen, die Babenberger (1139-56), die Welfen und nach dem Sturz Heinrichs des Löwen (1180) an die - > Wittelsbacher. Seit 1255 wird das Land Bayern mehrfach geteilt. 1329 werden Oberpfalz und Pfalz einer eigenen Linie überantwortet (mit Kurwürde seit 1356). 1335/1346 gibt Kaiser Ludwig der B. dem Teil Oberbayern (ein 1518 reformiertes) Landrecht, 1474 Herzog Ludwig der Reiche, der Gründer der Universität Ingolstadt, Niederbayern eine Landesordnung, die 1501 ergänzt wird (vgl. auch das Landgebot von Bayern-München von 1500). Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg wird 1506 die Unteilbarkeit des wiedervereinigten Landes festgelegt, 1516 eine Landesfreiheitserklärung, 1516/1520 eine (vielleicht von Augustin Köllner endredigierte, 1520 um 20 Seiten gekürzte) Landesordnung, 1518 eine Landrechtsreformation (zum 57 Landrecht von 1335/1346), 1520 eine Gerichtsordnung, 1553 eine Landesordnung und 1616 durch Herzog Maximilian ein einheitliches Landrecht geschaffen. In der Mitte des 18. Jh.s wird das Recht unter W. v. Kreittmayr im (lat.) -> Codex (M.) iuris Bavarici criminalis, im -> Codex iuris Bavarici iudiciarii und im -> Codex Maximilianeus Bavaricus civilis zusammengefasst. 1777 kommen Pfalz und Bayern wieder zusammen. Zwischen 1803 und 1816 gewinnt das 1806 zum Königreich aufgestiegene Bayern große schwäbische und fränkische Gebiete. 1808 entsteht eine Konstitution, 1813 ein Strafgesetzbuch, 1818 eine Verfassung. 1918 wird das Königreich zum Freistaat, der 1945 alle linksrheinischen Gebiete (Pfalz) an das neue Rheinland-Pfalz verliert. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 75, 131, 139, 192, 256; Monumenta Boica, ed. Academia Scientiarum Boica, Bd. 1ff. 1763ff.; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1f. 1889ff.; Gutmann, F., Die soziale Gliederung der Bayern zur Zeit des Volksrechtes, 1906; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Stowasser, O., Das Land und der Herzog in Bayern und Österreich, 1925; Spindler, M., Die Anfänge des bayrischen Landesfürstentums, 1937; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge- schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1472,2634, 3,3,3697; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 1ff. 2. A. 1981, z. T. 3. A.ff. 1995ff.; Schmid, A., Das Bild des Bayernherzogs Arnulf (907-937), 1976; Jahn, J., Ducatus Baiuvariorum, 1989; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 2. A. 1992; Wolf, G., Bemerkungen zur Geschichte Herzog Tassilos III. von Bayern (748-788), ZRG GA 109 (1992), 353; Prinz, F., Die Geschichte Bayerns, 1997; Liebhart, W., Bayerns Könige, 2. A. 1997; Fait, B., Demokratische Erneuerung, 1998; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000; Volkert, W., Geschichte Bayerns, 2001; Störmer, W., Die Baiuwaren, 2002; Bayerische Verfassungsurkunden, bearb. v. Wenzel, A., 4. A. 2002; Schauplätze der Geschichte der Bayern, hg. v. Schmid, A. u. a., 2003; Holzfurtner, L., Gloriosus dux, 2003; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 3. A. 2004; Freund, S., Von den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004 Bayerisches Landrecht von 1616 ist dasn von Herzog Maximilian (1597-1651) seinem Land - > Bayern gegebene einheitliche -> Landrecht. Lit.: Schuppenies, P., Die Bürgschaft im bayerischen Landrecht, Diss. jur. Mannheim 1975 Bayerisches Oberstes Landesgericht ist das in Wahrung der Erinnerung an Bayern als unabhängigen deutschen Staat (1806-1871) beibehaltene, über mehreren bayerischen Oberlandesgerichten (München, Nürnberg, Bamberg) stehende oberste Gericht (Oberappellationsgericht) der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Bayern. Es geht auf das auf Grund eines kaiserlichen, vom Reichskammergericht befreienden Privilegs am 18. 4. 1625 verfügte Revisorium (Revisions- gericht) Bayerns zurück. Eingerichtet wird es durch das bayerische Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 23. 2. 1879. Vom 1. April 1935 bis 1948 war es aufgehoben. Ab 1. Januar 2005 ist es für Neueingänge durch die Oberlandesgerichte München, Nürnberg und Bamberg ersetzt, zum 30. 6. 2006 auch für anhängige Sachen aufgehoben. Lit.: Merzbacher, F., 350 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, in: Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 509; Das Bayerische Oberste Landesgericht, hg. v. Herbst, G., 1993; Demharter, J., 375 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, NJW 2000, 1154 Bayerisches Strafgesetzbuch von 1813 ist das von -> Feuerbach erarbeitete Strafgesetzbuch - > Bayerns, das unter der Theorie des psychologischen Zwanges die wechselseitige Freiheit aller Bürger dadurch schützen will, dass es den Straftatbestand möglichst genau festlegt. Lit.: Feuerbach, P., Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 1801, 14. A. 1847; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern, 1978 Bayerische Zivilprozessordnung vom 29. 4. 1869 ist das am 1. 7. 1870 den älteren (lat.) -> Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii ablösende, bis 1879 geltende Zivilprozessgesetz -> Bayerns. Bayern ist das von den Bayern (-> Bayer) bewohnte Gebiet. Lit.: Gengler, H., Beiträge zur Rechtsgeschichte Bayerns, 1889; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der 58 mittelalterlichen Gerichtsverfassung Bayerns, 1929; Wüstendörfer, M., Das baierische Strafrecht des 13. und 14. Jahrhunderts, 1942; Historischer Atlas von Bayern, hg. v. d. Kommission für bayerische Landesgeschichte, Teil Altbayern Heft 1ff. 1950ff., Teil Franken 1951ff., Teil Schwaben 1952ff.; Rall, H., Kurbayern in der letzten Epoche der alten Reichsverfassung, 1952; Lieberich, H., Zur Feudalisierung der Gerichtsbarkeit in Bayern, ZRG GA 71 (1954), 243; Wilhelm, R., Rechtspflege und Dorfverfassung nach niederbayrischen Ehehaftsordnungen, 1954; Fried, P., Herrschaftsge- schichte der altbayerischen Landgerichte Dachau und Kranzberg, 1962; Grasser, W., Johann Freiherr von Lutz 1826-1890, 1967; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 1ff. 1967ff.; Dollinger, H., Studien zur Finanzreform Maximilians I. von Bayern in den Jahren 1598-1618, 1968; Peitzsch, Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Ostadal, H., Die Kammer der Reichsräte in Bayern von 1819-1848, 1968; Hüttl, L., Caspar von Schmid (1622-1693), 1971; Weis, E., Montgelas, 1971; Mößle, Wilhelm, Bayern auf den Dresdener Konferenzen 1850/51, 1972; Repräsentation und Parlamentarismus in Bayern, Bd. 1 1974; Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern, hg. v. Bosl, K. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Rankl, H., Staatshaushalt, Stände und ,,gemeiner Nutzen" in Bayern 1500 bis 1516, 1976; Was früher in Bayern alles Recht war, v. Eberle, R., 1976; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 1983; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v. Volkert, W. u. a., 1983; Demel, W., Der bayerische Staatsabsolutismus 1806/18108-1817, 1983; Kraus, A., Grundzüge der Geschichte Bayerns, 1984; Sandberger, A., Altbayerische Studien zur Geschichte von Siedlung, Recht und Landwirtschaft, 1985; Christoffer af Bayerns breve 1440-1448, hg. v. Olesen, J., 1986; Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königrteich Bayern von 1811, hg. v. Demel, W. u. a., 1986; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Fischer, S., Der geheime Rat und die geheime Konferenz unter Kurfürst Karl Albrecht von Bayern 1726-1745, 1987; Der bayerische Landtag, hg. v. Ziegler, W. u. a., 1995; Leeb, J., Wahlrecht und Wahlen zur zweiten Kammer, 1996; Regierungsakten des Kurfürstentums und Königreichs Bayern 1799-1815, bearb. v. Schimke, M., 1996; Heydenreuter, R., Kriminalgeschichte Bayerns, 2003; Biebl, G., Bayerns Justizminister v(on) Fäustle und die Reichsjustizgesetze, 2003; Franz, M., Die Landesordnung von 1516/1520, 2003; Die Protokolle des bayerischen Ministerrates, hg. v. d. historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1ff. 2003ff.; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004; Schlosser, H., Agnes Bernauerin (1410-1435), ZRG GA 122 (2005), 263; Weis, E., Montgelas, 2005; Bayern mitten in Europa, hg. v. Schmid, A. u. a., 2005; Kummer, K., Landstände und Landschaftsverordnung unter Maximilian I. von Bayern (1598-1651), 2005 Beamtenrecht ist die sich als Rechtsgebiet seit dem 19. Jh. entwickelnde Gesamtheit der -> Beamten betreffenden Rechtssätze (Ansätze in einem Reichshofratsprozess von 1776, in dem der Reichshofrat seinen Schutz einem ohne gerichtliches Urteil entschädigungslos und unehrenhaft entlassenen Beamten gewährt). Lit.: Bader, K., Die Rechtsprechung des Reichshofrats und die Anfänge des territorialen Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Dold, I., Die Entwicklung des Beamtenverhältnisses im Fürstentum Fürstenberg, 1961; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue im preußischen Beamtenrecht, 1973 Beamter im beamtenrechtlichen Sinn ist, wer unter Aushändigung einer Urkunde bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts in das Beamtenverhältnis als ein öffentliches Dienstverhältnis und Treueverhältnis berufen worden ist. Insofern gibt es vor dem im Mittelalter entstehenden Territorialstaat keine eigentlichen Beamten, sondern nur Funk- tionsträger. Im fränkischen Reich setzt sich für diese das Lehnsprinzip durch. Später wird der belehnte Adlige durch den festbesoldeten, absetzbaren und zunehmend fachlich geschulten Beamten ersetzt. Schon im 17. Jh. kann dieser wegen seiner wohlerworbenen Rechte nicht mehr ohne gerichtliches Urteil entschädigungslos seines Amtes enthoben werden. Allgemeine Regeln über die als Zivilbedienstete bezeichneten Beamten enthält das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II 10 §§68ff.). 1850 schreibt die preußische Verfassungsurkunde für die richterlichen Beamten moderne Grundsätze fest, welche die Weimarer Reichsverfassung in den Artikeln 128ff. auf alle Beamten erweitert. Wegen der hohen Personalkosten ist in der Gegenwart streitig, welche Staatstätigkeit von Beamten ausgeübt werden muss. 59 Lit.: Köbler, DRG 151, 197, 217, 225, 233, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Gönner, T., Der Staatsdienst, 1808; Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Bader, K., Die Rechtsprechung des Reichshofrates und die Anfänge des territorialen Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Wyluda, E., Lehnrecht und Beamtentum, 1969; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue im preußischen Beamtenrecht, 1973; Rejewski, H., Die Pflicht der politischen Treue im preußischen Beamtenrecht (1850-1918). 1973; Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung, 1978; Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980; Schimetschek, B., Der österreichische Beamte, 1984; Megner, K., Beamte, 1985; Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991; Kittel, E., From Ad Hoc to Routine, 1991; Mühl-Benninghaus, S., Das Beamtentum in der NS-Diktatur, 1996; Wunder, B., Die badische Beamtenschaft, 1998 Beati possidentes (lat. [M.Pl.]) die glücklichen Besitzenden (sind im Rechtsstreit im Vorteil). Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Euripides 485/480-406 v. Chr.) Beaumanoir, Philippe de Rémi, Herr (Seigneur) von (um 1247-7. 1. 1296), nachgeborener Sohn des bailli (Amtmanns) des Gâtinais, wird nach dem Studium des Rechts in Orléans und vielleicht Bologna 1279 bis 1283 bailli der Grafschaft Clermont in Beauvaisis. Zwischen 1280 und 1283 verfasst er Li livres des coustumes et des usages de Beauvoisins (Coutumes de Beauvaisis), die teils das Bestehende bewahren, teils aber auch verändern. Später erhält er hohe königliche Ämter. Lit.: Köbler, DRG 103; Philippe de Beaumanoir, Coutumes de Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd. 1f. 1899, Neudruck 1970; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir et les coutumes de Beauvaisis, 1283-1983, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983 Beaumont im Erzbistum Reims ist die freie Siedlung, mit deren Recht viele Orte im Westen des deutschen Reiches bewidmet werden. -> Loi de Beaumont Lit.: Kroeschell, DRG 1, 221; Bonvalot, E., Le tiers état d'aprs la charte de Beaumont, 1884 Bebenburg, Lupold von (Bebenburg in Württemberg um 1297-Bamberg 28. 10. 1363), Reichsministerialensohn, wird nach dem Studium des kirchlichen Rechts in Bologna (1316) Kanoniker in Würzburg und nach der Lösung (1351) des 1338 vom Papst ausgesprochenen Bannes 1353 Bischof in Bamberg. In seinem kaiserfreundlichen (lat.) Tractatus (M.) de iuribus regni et imperii (1340) entwickelt er eine eigenständige Reichstheorie, in der er einem Reichskaisertum ein auf göttliches Recht gegründetes Weltkaisertum gegenüberstellt. Lit.: Wolf, E.,Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 30 Beccaria, Graf Cesare Bonesana von (Mailand 15. 3. 1738-28. 11. 1794), 1760-71 Professor in Mailand, danach im Dienst der österreichischen Lombardei, verfasst 1764 (it.) Dei delitti e delle pene (Von Verbrechen und Strafen). Darin verlangt er die Durchsetzung des Grundsatzes (lat.) nulla poena sine lege (keine Strafe ohne Gesetz), die regelmäßige Ersetzung der Todes- strafe durch lebenslängliche Zwangsarbeit, die Abschaffung der Folter, die Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung, das Verbot der Willkür bei Strafverfolgung, die Beachtung der Nützlichkeit gegenüber der bloßen Vergeltung sowie die Bekämpfung des Verbrechens durch aufgeklärte Bildung. Lit.: Köbler, DRG 158; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989; Weis, E., Cesare Beccaria (1738- 1794), 1992; Beccaria et la culture juridique des lumires, hg. v. Porret, M., 1998 Bede ist im deutschen Mittelalter die im Hinblick auf eine bestimmte Notlage von einem Herrn erbetene und von den Betroffenen durch Zustimmung bewilligte, in ihrer Höhe vermögensabhängige -> Abgabe in Geld seit etwa dem 11. Jh. Innerhalb der als Einheit bedepflichtigen Stadt trifft die B. als Umlage den Bürger. Später wird die B. von der Steuer verdrängt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Waas, A., Vogtei und Bede, 1919; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963 Bedingung ist das zukünftige ungewisse Ereignis, von dessen Eintritt die Folgen einer menschlichen Erklärung abhängig gemacht werden. Die B. ist aufschiebend oder auflösend bereits dem frühen römischen Privatrecht bekannt (lat. [F.] -> condicio). Mit diesem wird sie in weiten Teilen Europas seit dem Mittelalter aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch folgt dem von Windscheid (Die Wirkung der erfüllten 60 Bedingung, 1851) eingenommenen Standpunkt, dass die erfüllte aufschiebende Bedingung regelmäßig keine rückwirkende Kraft hat und während der Schwebezeit eine Gebundenheit des bedingt Verpflichteten zu Gunsten des bedingt Berechtigten für den Fall des Eintritts der Bedingung besteht Lit.: Kaser § 10; Schiemann, G., Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, 1973; Scheltema, A., De goederechtelijke werking van de ontbindende voorwarde, 2003 beerbt (mit einem [Abkömmling als] Erben versehen) Befangenheit ist das Fehlen der Unvoreingenommenheit bzw. der sachlichen Einstellung unabhängig von persönlichen Neigungen. Insbesondere von Richtern wird schon früh verlangt, dass sie unparteilich vorgehen. Allgemein wird die B. erst im 18. Jh. erfasst. Befestigungsrecht ist das bei den Franken vom König beanspruchte Recht, einen Ort mit einer künstlichen Schutzvorrichtung (z. B. Mauer) zu sichern. Mit der Entstehung des -> Landes geht das B. vom König auf den Landesherrn über (1220 bzw. 1231). Danach erwerben auch die Städte ein B. Lit.: Schrader, E., Das Befestigungsrecht in Deutschland, 1909; Coulin, A., Befestigungshoheit und Befestigungsrecht, 1911 Begnadigung ist der auf Gnade beruhende teilweise oder völlige Erlass der Strafe eines einzelnen Täters nach Eintritt der Rechtskraft eines Strafurteils durch einen Herrn. Sie ist so alt wie die Strafe selbst. Im 20. Jh. wird sie zunehmend verrechtlicht. Lit.: Bauer, A., Das Gnadenbitten in der Strafrechtspflege, 1996 Begräbnis ist das Verbringen eines Toten unter die Erdoberfläche. Es ist schon in frühen Zeiten an vielen Orten üblich. Vielfach werden dem Begrabenen Beigaben für ein anderweitiges Fortwirken mitgegeben. Im Anschluss an die jüdische Bibel begraben die Christen ihre Toten im Hinblick auf die künftige Auferstehung des verklärten Leibes (1. Moses 38,24, 1. Korinther 15,42), wobei allmählich der Kirchhof zum wichtigsten Begräbnisplatz wird. Mit der zunehmenden Verdichtung wird das B. verrechtlicht. Lit.: Körner, A., Das kirchliche Beerdigungsrecht, 1906; Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 6. A. 1992 Begriff Lit.: Begriffsgeschichte, hg. v. Bödeker, H., 2002 Begriffsjurisprudenz ist die Richtung der Rechtswissenschaft, die davon ausgeht, dass die Rechtsordnung aus einem lückenlos geschlossenen System von Begriffen (Begriffs- pyramide) besteht, aus dem vor allem durch einen logischen Denkvorgang eine Lösung des Einzelfalls ermittelt werden könne. Sie beruht geschichtlich auf der -> historischen Rechts- schule (Savigny) und methodisch auf dem -> Naturrecht (Christian Wolff). Wichtigster Vertreter ist Georg Friedrich -> Puchta (1798- 1846), der den Juristen auf ein hierarchisches System von rein juristischen, positiven und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie der Geschichte) gelösten Begriffen verpflichtet, aus dem nach vorgegebener, den Naturwis- senschaften verwandter geometrischer Art für jede Frage konstruktiv die zutreffende Lösung gewonnen werden kann, ohne dass freilich auf der Suche nach Gerechtigkeit andere Gesichtspunkte völlig ausgeschlossen sind. Die B. wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s allmählich von der -> Interessenjurisprudenz verdrängt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 188; Krawietz, W., Theorie und Technik der Begriffsjurisprudenz, 1976; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 8. A. 1996, § 4; Bohnert, J., Über die Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Haferkamp, H., Georg Friedrich Puchta und die Begriffsjurisprudenz, 2004; Henkel, T., Begriffsjurisprudenz und Billigkeit, 2004 Begründung -> Urteilsbegründung Lit.: Horak, F., Rationes decidendi, 1969; Gudian, G., Die Begründung in Schöffenspüchen des 14. und 15. Jahrhunderts, 1960; Begründungen des Rechts, hg. v. Nembach, U. u. a., 1979; Köbler, G., Die Begründung von Rechtssätzen im Hoch- und Spätmittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 86; Köbler, G., Die Begründungen der Lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 69; Hensche, M., Teleologische Begründungen, 1998; Die Begründung des Rechts als historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000; Hocks, S., Gerichtsgeheimnis und Begründungszwang, 2002 Begünstigung ist die Hilfeleistung an einen anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht, ihm die Vorteile der Tat zu 61 sichern. Sie wird erst in der Neuzeit als solche verselbständigt. Lit.: Dersch, G., Begünstigung, Hehlerei und unterlassene Verbrechensanzeige, 1980; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002 Behörde ist die organisatorisch selbständige Stelle, die Aufgaben öffentlicher -> Verwal- tung wahrnimmt. Dementsprechend entstehen Behörden, sobald die Verwaltung eine gewisse Größe überschreitet. Dies ist insbesondere seit der Entwicklung des modernen Staates im Spätmittelalter der Fall. Im 19. Jh. erfolgt ein rational-bürokratischer Aufbau aller Behörden. -> Bürokratie Lit.: Köbler, DRG 150, 197, 233, 258; Biedermann, H., Geschichte der landesfürstlichen Behörden in und für Tirol, Archiv f. Gesch. Tirols 2 (1866); Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Wintterlin, F., Geschichte der Behördenor- ganisation in Württemberg, 1904; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation, 1913; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation im Zeitalter Maximilians I., 1913; Bär, M., Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, 1919; Freitag, D., Das schlesische Behördenwesen, Diss. jur. Breslau 1937; Ohnsorge, W., Die Verwaltungsreform unter Christian, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26ff.; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, Bd. 1f. 1973 Beichtstuhljurisprudenz ist die seit dem 12. Jh. an Gewicht gewinnende Lehre vom Verhalten des christlichen Beichtvaters ge- genüber einem Sünder hinsichtlich der Entscheidung für und gegen die Lossprechung. Hierzu entstehen besondere Beichtsummen (lat. Summae [F.Pl.] confessorum) wie z. B. die Summa de poenitentia des Raymund von Peafort (vor 1238) oder die Summa confessorum des Johannes von Freiburg (vor 1290). Die auftretenden Rechtsprobleme des sog. (lat.) -> forum (N.) internum werden dabei nach den Regeln der gelehrten Rechte behandelt. Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique et manuels de confession au moyen âge, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,999 Beichtsumme -> Beichtstuhljurisprudenz Lit.: Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,1828 Beigeordneter ist in einigen Bundesländern Deutschlands der vom zuständigen Organ einer kommunalen Körperschaft auf Zeit gewählte führende Beamte. Lit.: Wolter, H., Der Beigeordnete, 1978 Beihilfe ist die Unterstützung eines Menschen insbesondere bei einer Straftat oder hinsichtlich einer Entlohnung für eine Tätigkeit. Zwischen Tätern und Gehilfen wird erst im Spät- mittelalter gelegentlich unterschieden. Danach wird die B. als allgemeine Erscheinung erfasst. Die finanzielle B. entwickelt sich mit dem Ausbau des Rechts der -> Beamten. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 119; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff. Beilager ist der Beischlaf als Voraussetzung für die vollzogene -> Eheschließung. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Eckhardt, K., Beilager und Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Carlsson, L., Das Beilager im altschwedischen Recht, ZRG GA 75 (1958), 348; Hemmer, R., Über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 76 (1959), 292; Carlsson, L., Vom Alter und Ursprung des Beilagers im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 310; Hemmer, R., Nochmals über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 78 (1961), 298 Beirut -> Berytos Beisasse ist (vor allem in der mittelalterlichen Stadt) der nicht vollberechtigte Bewohner (Bürger). Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980, 275ff. Beisitz ist eine Form einer Beteiligung. Im mittelalterlichen Recht bleibt nach dem Tode eines Hausvaters die Witwe mit den Kindern in ungeteilter Vermögensgemeinschaft auf dem Gut sitzen. Sie erzieht die Kinder und nutzt deren Vermögen durch B., bis dieser durch Abschichtung, Wiederverheiratung oder Tod beendet wird. Mit der Entwicklung des -> Ehegattenerbrechtes schwindet der noch im 62 preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) enthaltene B. Lit.: Hübner 693; Köbler, DRG 89 Beisitzer -> Assessor Beispruch ist im älteren deutschen Recht die Zustimmung des nächsten Erben des Veräußerers eines Gutes zur Veräußerung. Das Beispruchsrecht beruht auf der ursprünglichen Familiengebundenheit von Grund und Boden. Es ist zunächst ein vollständiges Recht auf Herausgabe der veräußerten Sache (Rück- rufsrecht), schwindet im Laufe des Mittelalters aber in regionaler Verschiedenheit über ein Vorkaufsrecht allmählich gegenüber der Verfügungsfreiheit des Eigentümers. Lit.: Hübner 332; Fipper, C., Das Beispruchsrecht nach altsächsischem Recht, 1879; Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und Erbenhaftung, ZRG GA 28 (1907), 69; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938; Forster, G., Mitwirkungsrechte, 1952 Beispruchsrecht -> Beispruch Beleidigung ist die nach außen dringende Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung eines anderen. Sie ist im altrömischen Recht in der (lat. [F.]) iniuria (Unrecht) des Zwölftafelgesetzes mit der Folge der Leistung von 25 Pfund Kupfer enthalten, die im klassischen römischen Recht zu einem Tatbestand erweitert wird, der jede bewusste Missachtung der Persönlichkeit eines anderen in Wort und Tat umfasst. In der frühen Neuzeit werden Körperverletzung und tätliche B. voneinander geschieden. Die peinliche Gerichtsordnung Karls V. von 1532 erfasst nur einzelne Sonderfälle. Im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) wird die B. als Straftatbestand angesehen. Das frühe 19. Jh. sondert die Verleumdung von der B., das Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 sieht B., Verleumdung und üble Nachrede als B. in weiterem Sinn an. Lit.: Köbler, DRG; Landsberg, E., Injuria und Beleidigung, 1886; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998 Belgien ist das Gebiet zwischen der kontinentalen Ärmelkanalküste und den Ardennen. Sein Name geht auf 51 v. Chr. von Caesar unterworfene keltisch-germanische Mischstämme zurück, die zusammenfassend als (lat. [M.Pl.]) Belgae bezeichnet werden. Sie geraten in der Völkerwanderung unter den Einfluss der vom Niederrhein einströmenden -> Franken, die den nördlichen Teil sprachlich assimilieren (flämisch). 843 gelangt ein Teil an den Westen (Frankreich), der übrige Teil an den Osten (Deutschland), 1384 das gesamte Gebiet an -> Burgund und über Maria von Burgund 1477 an Habsburg, für das Karl V. 1531 die Aufzeichnung aller örtlichen Gewohnheitsrechte (coutumes) binnen sechs Monaten anordnet (1750: 691). Bei der Teilung im Hause Habsburg (1521/1522/1526) fällt der Raum an -> Spanien, ohne im Freiheitskampf der -> Niederlande mit diesen sich aus der spanischen Herrschaft lösen zu können. Nach dem spanischen Erbfolgekrieg (1713) wird B. an das habsburgische -> Österreich gegeben, nach der Besetzung durch Frankreich 1815 mit den Niederlanden vereint. Unter der Einwirkung der französischen Revolution des Jahres 1830 erklärt das teils wallonische (romanische), teils flämische (germanistische) Gebiet am 18. 11. 1830 seine Unabhängigkeit. Die Verfassung vom 7. 2. 1831 legt eine konstitutionelle Monarchie fest. Das Recht ist deutlich von Frankreich geprägt. Die 1831/1839 garantierte Neutralität ist seit 1914/1919 beendet bzw. aufgehoben. Seit 1952 ist B. Kernland europäischer Einigung. -> Europäische Union Lit.: Recueil des anciennes ordonnances de la Belgique; Recueil des anciennes coutumes de la Belgique; Pirenne, H., Histoire de Belgique, Bd. 1ff. 1899ff.; Errera, P., Das Staatsrecht des Königreichs Belgien, 1909; Marez, G. des. Le droit privé Ypres, 1927; Vercauteren, F., Étude sur les civitates de la Belgique seconde, Mémoires publiés par l'académie royale de Belgique 1934; Niermeyer, J., Onderzoekingen over Luikse en Maastrichtse oorkonden, 1935; Dievoet, E. van, Het burgerlijk recht, 1943; Standen en Landen, Bd. 1ff. 1950ff.; Génicot, L., L'économie rurale Namuroise, 1960; Verhulst, A./Gysseling, M., Le compte général de 1187, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 3,1,1069, 3,2,2581, 3,3,3726,- 3794,3892,3973,4091; Ordonnances et autres actes juridiques concernant le duché de Bouillon, Bd. 2 1977; Gilissen, J., Introduction historique au droit, 1979; Smidt, J. de u. a., Chronologische Lijsten van de geentendeerde sententien, 1979; Gilissen, J., Historische 63 Inleiding tot het recht, 1981; Liber sentenciarum van de officialiteit van Brussel 1448-1459, hg. v. Vleeschouwers, C. u. a., 1982; Cossart, A. v., Belgien, 1985; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux, 1987; Costumen van de stad en van de kasselrij Kortrijk, hg. v. Monballyu, J., Bd. 2 1989; Schilling, J./Täubrich, R., Belgien, 1990; Holthöfer, E., Beiträge zur Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs im 19. und 20. Jahrhundert, 1993; Hermsdörfer, W., Geschichte und Gegenwartsgestalt des Verhältnisses von Staat und Kirche in Belgien, 1998; Cook, B., Belgium, 2. A. 2004; Geschiedenis van de Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, red. v. Gerard, E. u. a., 2003; Koll, J., Die belgische Nation, 2003; Politieke en sociale geschiedenis van justitie in Belgie, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2004 ; La Belgique, les petits tats et la construction européenne, hg. v. Dumoulin, M. u. a., 2003; Napoleons nalatenschap, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2005 Belial (hebr. Bosheit, Widersacher Christi) ist eine Lehrschrift ([lat.] Processus [M.] Luciferi contra Jesum coram iudice Salomone, Prozess Luzifers gegen Jesus vor dem Richter Salomo) des kanonistisch geschulten Archidiakons Jacobus Paladinus de Theramo von 1382. Ihre frühe deutsche Übersetzung ist ein Fall populärer, die Rezeption der gelehrten Rechte beschleunigender Literatur. Lit.: Hagemann, H., Der Processus Belial, FG M. Gerwig, 1960, 55 Beliebung -> Dorfordnung, Siebenhardenbeliebung Bellapertica -> Petrus de Bello, Andrés (1781-1865), der von 1810 an ein jahrelanges Rechtsstudium in London betreibt, ist der Verfasser des auf dem europäischen Kodifikationsgedanken und dem spanisch-römischen Sachmaterial eigenständig aufgebauten (span.) Codigo civil (Bürgerliches Gesetzbuch) de la república de Chile von 1855. Lit.: Nelle, D., Entstehung und Ausstrahlungswirkung des chilenischen Zivilgesetzbuches von Andrés Bello, 1988 Bellot, Pierre François (1776-1836), seit 1819 bzw. 1823 Professor in Genf, ist der Redaktor des Zivilgesetzbuches und Schöpfer des Prozessrechts in -> Genf. Lit.: Elsener, W., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975, 446 Benedictus Levita ist der selbstgewählte Name des (unbekannten) Verfassers einer in drei Bücher mit 405, 436 und 478 Kapiteln gegliederten, um 850 wohl in der Erzdiözese Reims entstandenen, zu mehr als drei Vierteln gefälschten oder verfälschten Rechtssammlung, die Kapitularien aus der Sammlung des -> Ansegis, Bibeltexte, Kirchenväter, Kanones und andere Quellen kirchlichen wie weltlichen Rechts ohne jede Ordnung aneinanderreiht. Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien? 1961; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988ff. Benedikt XIV. (Prospero Lambertini, Bologna 1694-1754), seit 1740 Papst, ist auf Grund seines Werkes (lat.) De synodo dioecesana (Über die Diözesansynode) der früheste Vertreter einer geschichtlichen Kirchenrechtswissenschaft. Lit.: Haynes, R., Philosopher King. The Humanist Pope Benedict XIV, 1970 Benediktiner ist der Angehörige des von Benedikt von Nursia (um 480-547) zunächst in Subiaco und nach 529 in Montecassino geleiteten ältesten abendländischen Mönchsordens, der nach der von Benedikt ver- fassten Klosterregel lebt. Bedeutende Klöster der B. sind neben Montecassino vor allem Luxeuil, Corbie, Fontenelle, Stablo, Malmédy, Bobbio, Farfa, Echternach, Prüm, Reichenau, Sankt Gallen, Weißenburg im Elsass, Lorsch, Maria Laach, Fulda, Corvey, Benediktbeuern, Wessobrunn, Beuron, Ettal, Tegernsee, Mondsee, Gorze, Melk, Bursfeld, Sankt Blasien, Weingarten, Sankt Emmeram und Göttweig. -> regula Benedicti Lit.: Hilpisch, S., Geschichte des benediktinischen Mönchtums, 1929; Holtz, L., Geschichte des christlichen Ordenslebens, 1986 Benediktinerregel -> regula Benedicti Benediktion Lit.: Franz, A., Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, 1909 Beneficium (lat. [N.] Wohltat) ist im römischen Recht jede Gunst (z. B. Übertragung des Rechts an einer Sache [u. a. b. excussionis sive ordinis, b. divisionis, b. cedendarum actionum, b. dationis in solutum, b. abstinendi, b. inventarii, b. separationis bonorum, b. cessionis bonorum, b. competentiae]), im Frühmittelalter unter anderem die besonders vorteilhafte -> Leihe. Als solche gilt jedenfalls seit 743/744 auch die Leihe gegen Leistung von 64 Kriegsdienst. Später werden als b. auch Ämter und in Anerkennung an spätrömische Vorbilder sogar Kirchen oder Pfründengüter (Amts- pfründen) verliehen. Im Süden Frankreichs spricht man seit dem Ende des 9. Jh.s auch von fevum, feodum, feudum, später allgemein volkssprachig von -> Lehen. Im 13. Jh. tritt in Deutschland das Wort b. ebenfalls zurück. Im Rahmen des römischen Rechts wird es mit dessen Aufnahme seit dem Spätmittelalter wieder verwendet. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Stutz, U., Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 1895, Neudruck 1972; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983; Wesener, G., Rechtswohltat, HRG Bd. 4 1986, 423 beneficium (N.) cedendarum actionum (lat.) Wohltat der abzutretenden Ansprüche Beneficium (N.) competentiae (lat.) (Rechtswohltat des Notbedarfs) heißt seit dem 16. Jh. die schon im klassischen römischen Recht vorhandene Möglichkeit, gewisse nahe Angehörige oder Mitgesellschafter nur zum Geldwert eines zur Urteilszeit vorhandenen Vermögens zu verurteilen, um die mit der Vollstreckung verbundenen Nachteile nicht eintreten zu lassen. Ein gewohnheitsrechtlich entstandenes, auf Liber extra 3,23,3 gestütztes b. c. genießt auch der Klerus, dem das zum standesgemäßen Unterhalt Notwendige zu belassen ist. Lit.: Kaser §§ 32 III, 85; Wünsch, O., Zur Lehre vom beneficium competentiae, Diss. jur. Leipzig 1897; Zipperling, O., Das Wesen des beneficium competentiae, 1907; Gildemeister, J., Das beneficium competentiae im klassischen römischen Recht, 1986 beneficium (N.) divisionis (lat.) Wohltat der Teilhaftung Beneficium (N.) emigrationis (lat.) (Wohltat der Auswanderung) ist die nach der Reformation Martin -> Luthers von Lan- desherren und durch den Augsburger Reli- gionsfrieden vom 25. 9. 1555 reichsrechtlich gewährte Freiheit, in ein Land auszuwandern, in dem die vom eigenen Landesherrn nicht geteilte Religion eines auswanderungswilligen Untertanen gilt. Voraussetzung ist der Verkauf der Güter und die Entrichtung einer Nachsteuer sowie einer möglichen Befreiungsabgabe. Lit.: Zycha, A., Deutsche Rechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1949, 55 beneficium (N.) excussionis (lat.) Wohltat (Einrede) der Vorausklage beneficium (N.) inventarii (lat.) Wohltat der Inventarerrichtung Bene¹-Dekrete sind die von Edvard Bene¹ als dem Präsidenten der zweiten tschechoslowakischen Republik verfügten (insgesamt 143) Dekrete (Dekret des Prä- sidenten vom 19. Mai 1945 über die nationale Verwaltung [Enteignung) der Vermögenswerte von Deutschen und Madjaren, Verrätern und Kollaborateuren, Dekret vom 19. Juni 1945 über die Bestrafung der nazistischen Verbrecher, Verräter und ihrer Helfershelfer durch außerordentliche Volksgerichte, Dekret vom 21. Juni 1945 über die Konfiskation und Aufteilung des landwirtschaftlichen Vermögens der Deutschen, Madjaren usw., [Bekannt- machung des Finanzministers vom 22. Juni 1945 über die Sicherstellung des deutschen Vermögens,] Dekret vom 20. Juli 1945 über die Besiedlung des landwirtschaftlichen Bodens der Deutschen, Madjaren und anderen Staatsfeinde durch Tschechen und Slowaken, Verfassungsdekret vom 2. August 1945 über den Verlust der Staatsbürgerschaft der Deutschen und Madjaren, Dekret vom 19. September 1945 über die Arbeitspflicht der ausgebürgerten Menschen (ohne Entlohnung und Lebensmittel), Dekret vom 18. Oktober 1945 über die Auflösung der deutschen Universität Prag und der deutschen technischen Hochschulen von Prag und Brünn, Dekret vom 25. Oktober 1945 über die Konfiskation des feindlichen Vermögens, das Dekret vom 27. Oktober 1945 über die Einrichtung von Zwangsarbeitssonderabteilungen und Verfassungsdekret vom 27. Oktober 1945 über die Sicherstellung der als unzuverlässig angesehenen Menschen (sowie Erlass des Innenministeriums vom 26. November 1945 über die Aussiedlung der deutschen Anti- faschisten in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands und Gesetz vom 6. Mai 1946 über die Rechtmäßigkeit aller mit dem Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zusammenhängenden Handlungen [oder Straftaten]). Lit.: Dokumente zur Diskussion über die Bene¹-Dekrete, hg. v. Slapnicka, H., 1999; Bene¹, E., Benesovy dekrety, 2002; Mandler, E., Benesovy dekrety, 2002; Die 65 Deutschen und Magyaren in den Dekreten des Präsidenten der Republik. Studien und Dokumente 1940- 1945, hg. v. Jech, K., 2003; Perzi, N., Die Bene¹- Dekrete, 2003 Bentham, Jeremy (London 15. 2. 1748-6. 6. 1832), Anwaltssohn, wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Lincoln's Inn (1763) für kurze Zeit Anwalt. 1789 veröffentlicht er als Privatgelehrter (engl.) The Introduction of the Principles of Morals and Legislation (Einführung in die Grundsätze von Moral und Gesetzgebung), welcher der Gedanke zugrunde liegt, dass eine Handlung dann richtig und ein Gesetz dann gerecht ist, wenn es das größte Glück der größten Zahl von Menschen fördere (-> Utilitarismus). Dazu strebt er eine Kodifikation an. 1817 tritt er in (engl.) A Catechism on Parliamentary Reform (Bekenntnis zur Reform des Parlaments) für jährliche Wahlen, einheitliche Wahlbezirke, Ausdehnung des Wahlrechts und Geheimheit der Wahl ein. Er beeinflusst John -> Austins analytische Rechtswissenschaft. Die historische Rechtsschule nimmt ihn nicht zur Kenntnis, doch gibt es einzelne Auswirkungen seiner Vorstellungen im Prozess, Gefängniswesen und den Zinsen. Lit.: Köbler, DRG 139, 179; Bentham, J., A Comment on the Commentaries, hg. v. Everett, C., 1928; Vanderlinden, J., Code et codification dans la pensée de J. Bentham, TRG 32 (1974); Campos Boralevi, L., Bentham and the oppressed, 1984; Postema, G., Bentham and the Common Law Tradition, 1986; Luik, S., Die Rezeption Jeremy Benthams, 2003 Bentheim Lit.: Finkemeyer, E., Verfassung und Verwaltung der Grafschaft Bentheim zur Zeit der hannoverschen Pfandschaft 1753-1804, 1967; Veddeler, P., Die territoriale Entwicklung der Grafschaft Bentheim bis zum Ende des Mittelalters, 1970 Benutzungszwang ist der öffentlichrechtliche Zwang zur Benutzung einer öffentlich- rechtlichen Einrichtung, wie er im 19. Jh. durch die -> Leistungsverwaltung durchgesetzt wird (z. B. Preußen 1868 bezüglich der öffentlichen Schlachthäuser). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Deutsche Verwal- tungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983f. Beratungshilfe ist die in Deutschland zusammen mit der Prozesskostenhilfe das -> Armenrecht 1980 ablösende Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens durch Rechtsanwälte. Lit.: Köbler, DRG 263; Engels, C., Beratungs- hilfegesetz/Prozesskostenhilfe, 1990 Berber Lit.: Brandes, J., Geschichte der Berber, 2004 Bereicherung ist die Vermehrung eines Vermögens. Sie ist dann herauszugeben, wenn sie nicht rechtlich begründet ist. In diesem Sinn kann bereits im klassischen römischen Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat. indebitum [N.] solutum) wohl wegen der Ähnlichkeit mit einem Darlehen mit der besonderen Begehrensform der -> Kondiktion (lat. [F.] condictio) zurückverlangt werden. Über die Nichtschuld hinaus gilt diese Folge auch für Fälle nicht eingetretener Erwartung oder sittenwidrigen Leistungszweckes. Herauszu- geben ist grundsätzlich der erlangte bestimmte Gegenstand. In nachklassischer Zeit wird im Osten die Herausgabe aus grundloser Vorenthaltung mit der allgemein phi- losophisch-christlichen Überlegung gerecht- fertigt, dass niemand aus dem Nachteil eines anderen reicher (lat. locupletior) werden dürfe. Im Mittelalter versuchen die Glossatoren erstmals, die Kondiktion mit dem Grundsatz der Beschränkung der Herausgabepflicht auf die noch vorhandene B. zu verbinden. Dem folgt -> Duaren (1509-1559). Von Hugo -> Grotius wird der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand, der aus der Sache eines anderen, der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist, herauszugeben hat, worum er reicher geworden ist. Er wird aber nicht in die vernunftrechtlichen Kodifikationen aufge- nommen. Im 19. Jh. setzt sich wohl auf Grund der von Glück übernommenen Vorstellung die Ansicht durch, dass nur die noch vorhandene B. herauszugeben ist. Gierke bewirkt, dass im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) die Grundlosigkeit des Habens als Leitgedanke der Ansprüche auf Herausgabe der B. vorangestellt wird. Lit.: Kaser § 48; Söllner § 9; Köbler, DRG 166, 215, 271; Coing, H., Zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung bei Accursius, ZRG RA 80 (1963), 396; Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungsansprüche, 1969; Feenstra, R., Die ungerechtfertigte Bereicherung in dogmengeschichtlicher Sicht, in: Ankara Universitesi Hukuk Fakültesi Dergise 66 29 (1972), 289; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke bei der Schenkung unter Ehegatten, 1974; Schubert, W., Windscheid und das Bereicherungsrecht des ersten Entwurfs des BGB, ZRG RA 92 (1995), 186; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen Recht, 1988; Schartl, R., Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen Rechtsquellen des Mittelalters, TRG 60 (1992), 109; Jakobs, H., Lucrum ex negotiatione, 1993; Unjust Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Hallebeek, J., The Concept of unjust enrichment, 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in Europa, 2001; Wernecke, F., Abwehr und Ausgleich aufgedrängter Bereicherungen, 2004; Grundstrukturen eines europäischen Bereicherungsrechts, hg. v. Zimmermann, R., 2005 Berg an der Dhün am Niederrhein ist im 11. Jh. der Sitz eines Geschlechts von Grafen, deren Land 1614/1666 an Pfalz-Neuburg und 1777 mit der Pfalz an Bayern gelangt. 1805/1806 formt Napoleon aus diesem und anderen Gebieten das Großherzogtum Berg mit Verfassung und Verwaltung nach fran- zösischem Vorbild. 1813/1814 werden die französischen Einrichtungen aufgehoben. 1815 fällt B. an Preußen, über das sein Gebiet zu -> Nordrhein-Westfalen kommt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Land im Mittelpunkt der Mächte, 3. A. 1985; Kraus, T., Die Entstehung der Landesherrschaft der Grafen von Berg, 1981; Francksen, M., Staatsrat und Gesetzgebung im Großherzogtum Berg 1806-1813, 1982; Lohausen, H., Die obersten Zivilgerichte, 1995; Schmidt, C., Das Großherzogtum Berg, 1999; Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005 Berg, Günther Heinrich von (Schwaigern bei Heilbronn 27. 11. 1765-9. 9. 1843), Amt- mannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen 1793 außerordentlicher Professor in Göttingen und danach Hofrat (1800), Regie- rungspräsident, Bundestagsgesandter, Oberap- pellationsgerichtspräsident und Staatsminister. Sein bekanntestes Werk ist ein siebenbändiges Handbuch des -> Polizeirechts (1799ff.). Lit.: Köbler, DRG 152 Bergelohn ist die bei der Bergung eines in Seenot und zugleich aus der Verfügungsgewalt der Schiffsbesatzung geratenen Schiffes geschuldete Vergütung. Ursprünglich herrscht hier der Grundsatz des Strandraubs, dem der Grundsatz des Strandregals des Landesherrn folgt. Seit dem frühen Mittelalter (Rhodos 600- 800 n. Chr., Hamburg 1270, Ordonnance de la Marine 1681) wird dem Berger ein Anteil zugesprochen. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s wird für den Berger wie den Hilfeleistenden ein gemäß den Umständen nach billigem Ermessen zu bestimmender B. für richtig gehalten (Strandungsordnung 1874, §§ 740ff. HGB, Brüsseler Übereinkommen 1910). Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957 Bergbau -> Bergrecht Lit: Bader, K., Zur Geschichte des Eisenerzabbaues und des Hüttenwerks zu Blumberg, 1938; Schmidtill, E., Zur Geschichte des Eisenerzbergbaues im südlichen Fichtelgebirge, 1963; Valentinitsch, H., Das landesfürstliche Quecksilberbergwerk Idria 1575-1659, 1981; Europäisches Montanwesen im Hochmittelalter. Das Trienter Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a., 1986; Paul, R., Vorstudien für ein Wörterbuch zur Bergmannssprache in den sieben niederungarischen Bergstädten, 1987; Wiesemann, J., Steinkohlenbergbau in den Territorien um Aachen 1334-1794, 1995 Bergen (,,Bergweide") am Byfjord wird 1070 gegründet. Es ist seit dem 12. Jh. -> Norwegens Krönungsstadt. Um 1343 eröffnet dort die -> Hanse eine Niederlassung. Lit.: Bruns, F., Die Lübecker Bergenfahrer, 1900; Bergen, hg., v. Friedland, K., 1971; Archiv der Bergenfahrerkompagnie zu Lübeck, bearb. v. Asmussen, G. u. a., 2002 Berggericht Lit.: Huffmann, F., Über die sächsische Berggerichtsbarkeit, 1935 Bergrecht ist das Recht des Bergbaus. Dieser beginnt um Goslar (Silber) im 9. Jh., an der Südseite des Erzgebirges um 1140 und im Mansfelder Gebiet (Kupfer) um 1190. Ausgangspunkt ist die Bergbaufreiheit des Grundeigentümers. Wohl bereits im Frühmittelalter beansprucht der König die Herrschaft über den Bergbau. 1158 verkündet Friedrich I. Barbarossa zunächst für Italien in Roncaglia (Constitutio de regalibus) das Silberregal und das Salzregal des Königs. Wenig später wird das B. erstmals festgehalten (Trient 1185). In der Folge darf auch gegen den Willen des Grundeigentümers an jedem geeigneten Ort Bergbau betrieben werden (Bergfreiheit), wobei der Finder Anspruch (Finderrecht) auf Verleihung der Schürfrechte 67 hat (Kulmer Handfeste 1233). 1356 geht das Bergregal auf die Kurfürsten und danach bis 1648 auf andere Reichsfürsten über. Die Landesherren erlassen Bergordnungen (Schneeberg 1492, Annaberg 1509, Joachimsthal 1518, Jüich-Berg 1542, Henneberg 1566). Die Bergbauunternehmer arbeiten als bergrechtliche Gewerkschaft (Genossenschaft) mit Kuxen als Anteilen. Arbeitgeber ist zunächst der einzelne Gewerke für seine allmählich in verschiedenen Hinsichten geschützten Arbeiter (Knappe). In der Mitte des 18. Jh.s wandelt sich der Bergbau zur Industrie. Der Staat greift durch Gesetze ein (Loi relative aux mines 28. 7. 1791, Code des mines 1810, Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten 24. 6. 1865, Österreich 1854), wobei an die Stelle des Bergregals die staatliche Berghoheit tritt. Lit.: Köbler, DRG 90, 97, 113, 167, 205, 218; Agricola, G. v., De re metallica libri XII, 1556; Die Henneberger Bergordnung von 1566, hg. v. Lingelbach, G., 2002; Abignente, G., La propriet del sottosuolo, 1888; Zycha, A., Das Recht des ältesten deutschen Bergbaues, 1899; Arndt, A., Noch einmal der Sachsenspiegel und das Bergregal, ZRG GA 23 (1902), 112; Arndt, A., Einige Bemerkungen zur Geschichte des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 59; Zycha, A., Über den Ursprung der deutschen Bergbaufreiheit, ZRG GA 24 (1903), 338; Arndt, A., Zur Frage des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 465; Arndt, A., Zur Geschichte und Theorie des Bergregals und der Bergbaufreiheit, 2. A. 1916; Müller- Erzbach, Das Bergrecht, 1917; Stolz, O., Die Anfänge des Bergbaues und Bergrechtes in Tirol, ZRG GA 48 (1928), 207; Schönbauer, E., Beiträge zur Geschichte des Bergbaurechts, 1929; Weizsäcker, W., Das alte Zinnbergrecht von Graupen im Erzgebirge, ZRG GA 50 (1930), 233; Weizsäcker, W., Sächsisches Bergrecht in Böhmen, 1929; Sehm, J., Der Silberbergbau zu Annaberg, (1934); Silberschmidt, W., Zur Geschichte der Bergfreiheiten, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935), 260; Silberschmidt, W., Das schwedische Bergrecht, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935), 442, Krzy¿anowski, J., Die Bergbaufreiheit in Polen, 1935 (polnisch); Sehm, J., Die Schreckenberger Bergordnung 1499/1500, 1936; Büchsel, H., Rechts- und Sozialgeschichte des oberschlesischen Berg- und Hüttenwesens 1750 bis 1806, 1941, Löscher, H., Die erste Annaberger Bergordnung vom 11. Februar 1493, ZRG GA 68 (1951), 435; Schneider, H., Zur Geschichte des Bergrechts und der Bergverfassung im Siegerland, Diss. jur. Bonn 1954; Schmelzeisen, G., Die Arbeitsordnung in den jüngeren Berggesetzen, ZRG GA 72 (1955), 111; Schneider, H., Das ältere Siegerländer Bergrecht, 1956; Schrader, E., Zum Bergrecht und zum Schatzrecht im Sachsenspiegel I, 35, ZRG GA 74 (1957), 178; Löscher, H., Vom Bergregal im sächsischen Erzgebirge, Freiberger Forschungshefte D 22, 1957; Löscher, H., Zur Frühgeschichte des Freiberger Bergrechts, ZRG GA 76 (1959), 343; Willecke, R./Turner, G., Grundriss des Bergrechts, 2. A. 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1767; Strätz, H., Bergmännisches Abbaurecht, FS N. Grass, 1974, 533; Willecke, R., Die deutsche Berggesetzgebung, 1977; Europäisches Montanwesen im Hochmittelalter. Das Trienter Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a., 1986; Tubbesing, G., Vögte, Froner, Silberberge, 1996; Steuer, H./Zettler, A., Der mittelalterliche Bergbau und seine Bedeutung für Freiburg, 1996; Ecker, F., Die Entwicklung des Bergrechts im Saarbrücker Steinkohlenrevier, 1997; Soestwöhner, M., Bergschadensrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bochum 1997; Kranz, H., Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, 2000; Pfeifer, G., Ius regale montanorum, 2002 Bergregal -> Bergrecht Berlich(ius), Matthias (Schkölen 9. 10. 1586- Leipzig 8. 8. 1638), Bürgermeisterssohn, wird nach dem Studium des Rechts in Jena und Marburg 1611 in Leipzig Anwalt. In seinen (lat.) Conclusiones (F.Pl.) practicabiles (Praktische Sclüsse) (1615ff.) stellt er das gemeine Recht nach der Ordnung der kursächsischen Konstitutionen von 1572 dar. Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 640, 736 Berlin erwächst aus zwei älteren (um 1200 geplanten?) Siedlungen (Cölln, Berlin, slawische Besiedlung Berlins bis ins 10. Jh. nachweisbar?), die um 1235 Stadtrecht erhalten und 1307 organisatorisch vereinigt werden. Am Ende des 14. Jh.s (1397) entsteht das Berliner Stadtbuch (Berlin, Stadtarchiv, ohne Signatur), dessen Schöffenrecht hauptsächlich auf dem -> Sachsenspiegel aufbaut und durch die Glosse Johanns von Buch, durch den Richtsteig Landrechts und durch das Sächsische Weichbildrecht beeinflusst ist, aber auch brandenburgische Gewohnheiten und gelegentlich gelehrtes Recht erkennen lässt. 68 Unter den Hohenzollern (1415) wird B. 1470 Residenz der Markgrafen von Brandenburg, die hier 1516 das -> Kammergericht einrichten. 1871 wird B. Hauptstadt des Deutschen Reiches. Am 27. 4. 1920 wird unter Eingemeindung von 59 Landgemeinden Groß- Berlin gebildet, das 1945 in vier Sektoren der Besatzungsmächte aufgeteilt, 1990 aber wieder vereinigt und danach zur Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland bestimmt wird. Der Versuch der Vereinigung mit Brandenburg scheitert bei einer Volksabstimmung am 5. 5. 1996. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181, 245; Gebhardt, P. v., Das älteste Berliner Bürgerbuch 1453- 1700, 1927; Seeboth, J., Das Privatrecht des Berliner Stadtbuches, 1928; Die Bürgerbücher von Cölln an der Spree, hg. v. Gebhardt, P. v., 1930; Latendorf, O., Die Entwicklung der städtischen Kassenorganisation Berlins, 1931; Berliner Häuserbuch, bearb. v. Lüdicke, R., Bd. 1 1933; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche Status Berlins, 1975; Scholz, F., Berlin und seine Justiz, 1982; Clausewitz, P., Das berlinische Stadtbuch, 1883; Festschrift zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, hg. v. Wilke, D., 1984; Geschichte Berlins, hg. v. Ribbe, W., Bd. 1f. 1987; Rechtsentwicklungen in Berlin, hg. v. Ebel, F. u. a., 1988; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 61; Schultz, H., Berlin 1650- 1800, 2. A. 1992; Fijal, A., Die Geschichte der juristischen Gesellschaft zu Berlin in den Jahren 1859 bis 1933, 1991; Schubert, W., Die Vorträge von Reinhold Johow in der Berliner Mittwochs-Gesellschaft (1881- 1897), ZRG GA 110 (1993), 458; Schröder, R./Bär, F., Zur Geschichte der juridischen Fakultät, Kritische Justiz 1996, 447; Spree-Insel, hg. v. Haspel, J. u. a., 1998; Raiser, T., Schicksalsjahre einer Universität, 1998; Lösch, A. Gräfin v., Der nackte Geist, 1999; Berlin. Die Hauptstadt, hg. v. Süß, W., 2000; Fritze, W./Schich, W., Gründungsstadt Berlin, 2000; Ribbe, W., Die historische Kommission zu Berlin, 2000; Berlin, hg. v. Schoeps, J., 2001; Ziolkowski, T., Berlin, 2002; Engler, H., Die Finanzierung der Reichshauptstadt, 2004 Bern wird wohl unter Bezugnahme auf Verona 1191 vom Herzog von Zähringen auf ursprünglichem Königsgut gegründet. 1218 gelangt es an das Reich zurück (Berner Handfeste Kaiser Friedrichs II., in ihrer Echtheit umstritten) und wird 1274 Reichsstadt. Danach erwirbt B. umfangreiche Güter, verbindet sich 1353 mit der -> Eidgenossenschaft der Schweiz und entwickelt sich (1458 4500 Einwohner) zum größten Stadtstaat nördlich der Alpen, der mit 130000 qkm rund ein Drittel der heutigen Schweiz umfasst. Seit 1848 ist B. Hauptstadt der Schweiz. Am 9. 9. 1886 wird in B. die völkerrechtliche Berner Übereinkunft des Urheberrechts geschlossen, die alle Verbandsstaaten (nicht z. B. Vereinigte Staaten von Amerika) zur Gleichbehandlung der Urheber aus Mitgliedstaaten mit Inländern verpflichtet. Lit.: Mutach, A. v., Revolutionsgeschichte der Republik Bern 1789-1815, hg. v. Wirz, H., 1934; Die Rechtsquellen des Kantons Bern (Teil 1 Stadtrechte, Teil 2 Rechte der Landschaft), hg. v. Welti, E. u. a. 1902ff.; Welti, F. u. a., Das Stadrecht von Bern, Bd. 1ff. 1902ff., Bd. 1f. 2. A. bearb. v. Rennefahrt, H., 1971; Stürler, R. v., Die vier Berner Landgerichte Seftigen, Sternenberg, Konolfingen und Zollikofen, Diss. jur. Bern 1920; Die historische Entwicklung der Leinwandweberei im Kanton Bern, Diss. staatswiss. Bern 1920; Audétat, E., Verkehrsstraßen und Handelsbeziehungen Berns (Diss. phil. Bern), 1921; Rennefahrt, H., Freiheiten für Bern aus der Zeit Friedrichs II., Zeitschrift für schweizerisches Recht N. F. 46 (1927); Rennefahrt, H., Grundzüge der bernischen Rechtsgeschichte, Bd. 1-4 1928ff.; Däppen, O., Verfassungsgeschichte der Berner Landstädte, Archiv des historischen Vereins des Kantons Bern 30 (1929), 1; Strahm, H., Studien zur Gründungsgeschichte der Stadt Bern, 1935; Die Rechtsquellen des Kantons Bern, Teil 2, Bd. 2 1937; Schmid, B., War Bern in staufischer Zeit Reichsstadt?, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 20 (1940), 161; Feller, R., Geschichte Berns, 1946; Roth, U., Samuel Ludwig Schnell und das Zivilgesetzbuch für den Kanton Bern von 1824-1830, 1948; Bader, K., Um Echtheit oder Fälschung der Berner Handfeste, ZRG GA 72 (1955), 194; Sechshundert Jahre Inselspital (1354-1954), verf. v. Rennefahrt, H. u. a., 1954; Dübi, A., Die Geschichte der bernischen Anwaltschaft, 1955; Rennefahrt, H., Nochmals um die Echtheit der Berner Handfeste, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 6 (1956), 145; Häusler, F., Das Emmental im Staate Bern bis 1798, Bd. 1f. 1958ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,444, 3,2,1925; Soliva, C., Zur Berner Stadtrechtsreformation von 1614, ZRG GA 92 (1975), 117; Bierbrauer, P., Freiheit und Gemeinde im Berner Oberland 1300-1700, 1991; Gmür, R., Der alte bernische Stadtstaat (1191-1798), ZRG GA 112 69 (1995), 366; Gerber, R., Gott ist Burger zu Bern, 2001; Berns mutige Zeit, hg. v. Schwinges, R. 2003 Bernardus Papiensis (Pavia vor 1150-1213) wird nach dem Studium in Bologna Lehrer des geistlichen Rechts und 1187 Propst, 1198 Bischof von Pavia. Seine in fünf Bücher geteilte systematische Dekretalensammlung (lat.) Breviarium (N.) extravagantium (Kurzfassung der zusätzlichen) (1188/1190) wird (als [lat.] compilatio [F.] prima, erste Sammlung) zum Vorbild aller späteren Gesetzessammlungen (Dekretalensammlungen) des kanonischen Rechts, das seit seiner Zeit als sich ständig erneuernde Rechtsordnung in ihrem jeweils neuesten Stand auf den Universitäten gelehrt wird. Lit.: Landau, P., Die Entstehung der systematischen Dekretalensammlungen, ZRG KA 65 (1979), 120 Berner, Albert Friedrich (Straßburg/- Uckermark 30. 11. 1818-Berlin 13. 1. 1907), Justizratssohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Berlin (Savigny, Gans) 1848 außerordentlicher Professor und 1861 ordentlicher Professor in Berlin. Sein vom Vergeltungszweck geprägtes Lehrbuch des -> Strafrechts erfährt 18 Auflagen. Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965 Berthold von Henneberg -> Henneberg Beruf ist die auf Dauer angelegte, die Arbeitskraft und Arbeitszeit überwiegend in Anspruch nehmende Betätigung, die im allgemeinen mit dem Ziel betrieben wird, daraus den Lebensunterhalt zu gewinnen, und die zugleich einen Beitrag zur gesell- schaftlichen Gesamtleistung erbringt (bloße gelegentliche Betrauung mit einer gutachterlichen Tätigkeit ist kein B.). Der B. entwickelt sich mit der Entstehung besonderer Tätigkeitsfelder. Bedeutsam ist er bereits in der mittelalterlichen Stadt. Verfassungsrechtlich geschützt wird der B. im späteren 20. Jh. Lit.: Lange, H., Das Verbot der Berufsausübung im Mittelalter, 1940; Richarz, M., Der Eintritt der Juden in die akademischen Berufe, 1974; Henning, H., Die deutsche Beamtenschaft, 1984; Knörr, M., Die Berufszulassung zum Handwerk, Diss. jur. Erlangen 1996 Berufsfreiheit ist die Freiheit der Berufswahl und Berufsausübung, die erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s grundrechtliche Bedeutung erlangt. Lit.: Hege, H., Das Grundrecht der Berufsfreiheit, 1977 Berufsrichter ist der Richter, der seine Tätigkeit als Beruf ausübt. Er tritt als gelehrter Offizial des Bischofs vereinzelt seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allgemeiner seit 1246 als ständiger, ordentlicher und selbst entscheidender Einzelrichter der kirchlichen Gerichtsbarkeit auf. Bis zum 19. Jh. setzt er sich unter Verdrängung des ungelehrten, ehrenamtlich tätigen Schöffen auch im weltlichen Gericht durch, ehe ihm dann durch den Liberalismus erneut ehrenamtliche Laienrichter zur Seite gestellt werden. Lit.: Köbler, DRG 154, 234; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Müller-Volbehr, J., Die geistlichen Gerichte in den braunschweig-wolfenbüttelschen Landen, 1972; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte, 1974; Horn, N., Bologneser doctores und iudices im 12. Jahrhundert, ZHF 3 (1976), 221 Berufsschule ist die in Deutschland im 19. Jh. zur Verbesserung der beruflichen Ausbildung entwickelte öffentliche Schule. Lit.: Fischbach, R., Von der Sonntags- und Fortbildungsschule zur Berufsschule, 2004 Berufung ist das seit 1877/1879 grundsätzlich gegen Urteile des ersten Rechtzuges in Deutschland gegebene Rechtsmittel. Es kommt mit der Aufnahme des römisch-kanonischen Prozessrechts im Spätmittelalter als -> Appellation ins Reich und verdrängt dort die ältere Urteilsschelte, die seit dem Ende des 13. Jh.s schon B. genannt werden kann. Lit.: Kaser § 65 IV; Köbler, DRG 116, 202, 235; Planck, W., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, 268 Berytos (Beirut) ist der Sitz einer bereits vor 238 n. Chr. berühmten Rechtsschule. Hier wie in Konstantinopel lehren besoldete Professoren (lat. [M.Pl.] antecessores) in einem festen Studienplan in fünf Jahreskursen die Institutionen des Gaius, Teile zivilrechtlicher Schriften, Stücke des Edikts, die Responsen Papinians, die Responsen des Paulus und die Konstitutionen der Kaiser, wobei sie bewusst die klassischen Traditionen aufgreifen. Erzeugnisse ihrer Arbeit sind nur vereinzelt überliefert. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53; 70 Wieacker, F., Antecessores, FS H. Niederländer, 1991, 215 Besançon wird 1691 Sitz einer Universität (bis 1793). Besatzungsstatut ist die 1949 von den drei westlichen Besatzungsmächten Deutschlands einseitig erlassene Grundregelung des Verhältnisses ihrer Hoheitsgewalt zu jener der Bundesrepublik Deutschland, die dieser grundsätzlich die volle gesetzgebende, voll- ziehende und rechtsprechende Gewalt über- trägt. 1951 überarbeitet, wird es am 5. 5. 1955 mit Inkrafttreten der Pariser Verträge beseitigt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pollock, J., Besatzung und Staatsaufbau nach 1945, hg. v. Krüger-Bulcke, I., 1994; Waibel, D., Von der wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, Wolfgang, 1999 Besatzungsrecht -> Besatzungszone Lit.: Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1996; Waibel, D., Von der wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945- 1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999; Walton- Jordan, U., Die britische Gerichtsbarkeit in Nordwestdeutschland 1945-1949, ZRG GA 117 (2000), 362; Zentz, F., Das amerikanische Strafverfahren als Element der Besatzungspolitik, 2005 Besatzungszone ist das Gebiet (Zone), das einer von mehreren Besatzungsmächten zugeteilt ist. 1945 werden das -> Deutsche Reich (und das davon wieder verselbständigte - > Österreich) in je eine B. der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs aufgeteilt (Potsdamer Abkommen vom 2. 8. 1945). Am 5. 5. 1955 erklären die westlichen Besatzungs- mächte die Bundesrepublik Deutschland für souverän, am 25. 3. 1954/20. 9. 1955 die Sowjetunion die Deutsche Demokratische Republik. Das in den Besatzungszonen von den alliierten Stellen unmittelbar oder durch deutsche Stellen mittelbar erlassene Recht (Besatzungsrecht) gilt auch über die Beendigung des Besatzungsregimes hinaus bis zu seiner Aufhebung oder Abänderung. Lit.: Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG 244, 245; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts, 1950; Overesch, M., Das besetzte Deutschland, 1986, Neudruck 1992; Das geltende Besatzungsrecht, hg. v. Schröder, 1990; Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999; Lehmann, A., Der Marshall-Plan und das neue Deutschland, 2000; Mußgnug, D., Alliierte Militärmissionen in Deutschland 1946-1900, 2001;Kriegsende und Neubeginn, hg. v. Hoser, P. u. a., 2003; Behling, K., Spione in Uniform, 2004 Beschlagnahme ist die zwangsweise Sicher- stellung von Gegenständen zur Sicherung öffentlicher oder privater Belange. Unterschiedliche Einzelfälle dieser Art sind bereits in älteren Zeiten bekannt (z. B. römische [lat.] missio [F.] in bona, Gütereinweisung). Lit.: Kaser §§ 85, 86; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912 Beschwerde (lat. [N.] gravamen) ist die Belastung, aus der sich ein verfahrensmäßiger Rechtsbehelf entwickelt (z. B. Italien 12. Jh.). Im Verhältnis zu Rechtsmitteln wie Appellation bezieht sich die B. in der jüngeren Vergangenheit auf Beschlüsse und Verfügungen. Eine neue Sonderform ist die -> Verfassungsbeschwerde in Deutschland. -> Nichtigkeitsbeschwerde Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch- romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Kiefner, H., Zur Divergenzjudikatur des Reichsgerichts, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 585; Suppliche e <>, hg. v. Nubola, C., 2002 Beseitigung ist die Entfernung eines Umstands, insbesondere die Entfernung einer Störung. Auf sie kann ein Anspruch bestehen. Er ist von einem möglichen Schadensersatzanspruch unabhängig. Lit.: Kawasumi, Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen Beseitigungsanspruch, 2001 Beseler, Georg (Rödemis bei Husum 2. 11. 1809-Bad Harzburg 28. 8. 1888), Kammer- ratssohn, wird nach dem Studium in Kiel, München, Göttingen und Heidelberg mit der auch Urkunden berücksichtigenden Lehre von den Erbverträgen 1835 habilitiert und nach Basel, Rostock (1837), Greifswald (1842) und Berlin (1859) berufen. Sein System des gemeinen deutschen Privatrechts versucht ein dem gemeinen römischen Recht gegenüber gleichwertiges deutsches System zu 71 entwickeln. Vor 1831 bzw. 1848ff. wirkt er auch politisch. Lit.: Beseler, G., Erlebtes und Erstrebtes, 1884; Gierke, O., Georg Beseler, ZRG GA 10 (1889), 1; Kern, B., Georg Beseler, 1982 (mit Schriftenverzeichnis, 77 Titel); Kern, B., Georg Beselers Mitgliedschaft in der Berliner Mittwochs-Gesellschaft, ZRG GA 113 (1996), 279 Besitz ist die tatsächliche Gewalt einer Person über eine Sache. Das römische Recht bezeichnet dies als (lat. [F.]) possessio, die auf die tatsächliche Gewalt (lat. [M.] usus) und auf das Sitzen auf Land zurückgeht. Nach dem allgemeinen Recht (lat. ius [N.] civile) muss die tatsächliche Gewalt auf einem Rechtsgrund beruhen, nach dem Amtsrecht (lat. ius [N.] praetorium) wird der Besitz (Interdiktenbesitz) durch bestimmte Klagen gegen Entziehung oder Störung geschützt (z. B. Eigenbesitzer und gewisse Fremdbesitzer wie Erbpächter, Pre- karist, Pfandgläubiger oder Sequester). Nicht B. hat der bloße Innehaber (z. B. Mieter). Vom B. streng geschieden ist das Eigentum. Justinian schränkt den B. auf den rechtlichen B. mit Eigentümerbesitzwillen ein, nähert diesen B. aber einem Recht an. Im deutschen Recht steht ursprünglich das schlichte Haben (ahd. haben, aigan) im Vordergrund. Später entwickelt sich die besondere Figur der -> Gewere. Mit der Aufnahme des römischen Rechts verdrängt das Wort B. (Lehnübertragung?) das Wort Gewere. Sachlich kommt es zu einer gegenseitigen Beeinflussung. Savigny versteht den B. als Tatsache, stellt ihn dem Eigentum (Recht) gegenüber, ordnet ihn in das Deliktsrecht ein und verrätselt das Recht des Besitzes als das Recht eines Faktums. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der unmittelbare B. die tatsächliche Herrschaft, neben welcher der durch ein Rechtsverhältnis (Besitzkonstitut) vermittelte mittelbare B. steht. Die Innehabung ist beseitigt, der Gegensatz zum Eigentum betont. Lit.: Kaser § 19; Hübner 221; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 25, 39, 60, 140, 162, 211; Savigny, F., Das Recht des Besitzes, 1803; Bruns, Das Recht des Besitzes, 1848; Randa, A., Der Besitz nach österreichischem Recht, 4. A. 1895; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2. A. 1956; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Benöhr, H., Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige, 1972; Wacke, A., Das Besitzkonstitut, 1974; Diurni, G., Le situazioni possessorie nel Medioevo, et langobardo-franca, 1988; Schnatenberg, P., Die Entstehung der Regeln des BGB über den mittelbaren Besitz, Diss. jur. Köln 1994; Link, M., Possession, possessio und das Schicksal des common law, 2003; Moriya, K., Savignys Gedanke im Recht des Besitzes, 2003 Besitzkonstitut -> Besitz Besitzrecht -> Besitz Besitzschutz ist der dem zunächst rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnis (Besitz) zugeordnete Schutz der Rechtsordnung gegen unrechtmäßige Entziehung oder Störung. Hierzu gewährt das römische Recht besondere - > Interdikte gegen unerlaubte Eigenmacht (lat. vi [gewaltsam], clam [heimlich], precario [Zurückbehaltung bei bloßer Bittleihe]). Das kanonische Recht des Mittelalters entwickelt dies zu einem vorläufigen Besitzschutz weiter. Hierauf baut auch das Reichskammergericht auf, das aber bereits bei der vorläufigen Entscheidung nach einem bestandskräftigen Ergebnis strebt. Die historische Rechtsschule erarbeitet einen rein possessorischen Schutz der besonderen Besitzklagen, bei dem wie in Rom eine Einrede aus dem Recht zum Besitz (z. B. Eigentum) ausgeschlossen ist. Lit.: Kaser § 21; Söllner §§ 9, 23; Hübner 221ff.; Kroeschell, DRG 1; Wieling, H., Grund und Umfang des Besitzschutzes, FG U. v. Lübtow, 1980; Dedek, H., Der Besitzschutz, ZEuP 1997, 342; Jacobi, J., Besitzschutz vor dem Reichskammergericht, 1998; Beermann, C., Besitzschutz, 2000 Besold, Christoph (Tübingen 1577-Ingolstadt 1638), aus einer Juristenfamilie, 1610 Professor in Tübingen, 1636 in Ingolstadt, entwickelt innerhalb der politischen Wissenschaft eigene Vorstellungen im Bereich des neuen öffentlichen Rechts. Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 120 Besonderes Gewaltverhältnis ist das Verhältnis, das, im Gegensatz zum allgemeinen Verhältnis des Inhabers von Hoheitsgewalt über den Bürger, zusätzliche Einwirkungen ohne weitere Rechtsgrundlage ermöglicht (z. B. Staat - Strafgefangener). Diese im 19. Jh. entwickelte Vorstellung wird im letzten Drittel des 20. Jh.s zunehmend abgelehnt. Lit.: Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom 72 besonderen Gewaltverhältnis, 1982 Bessarabien (östlicher Teil der Moldau zwischen Pruth und Dnjestr, in dem ab 1814 Deutsche angesiedelt wurden, 1940 umgesiedelt, 1945 vertrieben)-> Rumänien, Sowjetunion, Moldawien Lit.: King, C., The Moldovans, 2000; Schmidt, U., Die Deutschen aus Bessarabien, 2. A. 2004 Bestechung ist die Gewährung eines Vorteiles an einen Amtsträger für eine Dienst- pflichtverletzung. Sie ist als Wahlbestechung bereits dem römischen Recht bekannt. Besondere Bedeutung erlangt sie mit der Entwicklung des Beamtentums. Lit.: Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Kulesza, R., Die Bestechung im politischen Leben Athens, 1995 Besthaupt ist das beim Tode eines Bauern besonders in Grundherrschaften an einen Herrn abzuliefernde beste Stück Vieh. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schultze, A., Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Mayer, E., Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Stutz, U., Zweitbesthaupt, ZRG GA 40 (1919), 282 Bet, Josef -> Karo Betreibung Lit.: Malamud, S. u. a., Die Betreibungs- oder Eingewinnungsverfahren der Stadt Zürich im Spätmittelalter, ZRG GA 116 (1999), 87 Betreuung ist in Deutschland seit 1. 1. 1992 die staatliche Fürsorge für die Person und das Vermögen eines volljährigen Menschen, soweit er infolge einer Krankheit oder Behinderung seine Angelegenheiten nicht selbst besorgen kann, durch einen vom zuständigen Vormundschaftsgericht bestellten Betreuer. Die B. ersetzt die Entmündigung Lit.: Köbler, DRG 268; Damrau, J./Zimmermann, W., Betreuungsgesetz, 1991; Müller, B., Rechtliche und gesellschaftliche Stellung von Menschen mit einer geistigen Behinderung, 2001 Betriebsrat ist das Organ der Arbeitnehmer einer Betriebs, das in bestimmten Angelegenheiten eines Betriebes mitwirkt und mitbestimmt. Der B. entwickelt sich am Ende des 19. Jh.s (1905 Bergbau, 1916 Kriegs- wirtschaft). Nach dem Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 ist in Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten ein B. zu bilden (Österreich 1919). Im Dritten Reich wird der B. beseitigt, 1946 (in Österreich 1947) aber wieder eingeführt und danach gestärkt (11. 10. 1952, 15. 1. 1972). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 241, 273; Oertzen, P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Plumeyer, M., Die Betriebsrätegesetze, Diss. jur. Hannover, 1992; Schaub, G., Der Betriebsrat, 7. A. 2002; Raedel, C., Amtsenthebungen und Kündigungen von Betriebsräten, 1999 Betriebsrisiko ist die im 20. Jahrhundert verrechtlichte Gefahr des Erliegens bzw. Stillstands eines Betriebs ohne Verschulden eines Beteiligten. Lit.: Tamm, M., Die Entwicklung der Betriebsrisikolehre, 2001 Betriebsverfassung ist die Gesamtheit der Regeln, welche die Rechte des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und ihrer Organe im Betrieb in Bezug auf das Betriebsgeschehen ordnen. Die B. wird in Deutschland nach einzelnen Vorläufern des späten 19. Jh.s durch das Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 eingerichtet und durch Gesetz vom 17. 4. 1946 wiederhergestellt. Lit.: Köbler, DRG 273; Adelmann, Quellensammlung zur Geschichte der sozialen Betriebsverfassung, Bd. 1f. 1960ff.; Reichold, H., Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht, 1995; Mitbestimmung und Betriebsverfassung, hg. v. Pohl, H., 1996 Betriebswirtschaft ist die Wirtschaft des einzelnen Betriebs (im Gegensatz zur Wirtschaft des gesamten Volks oder Staats), die seit 1898 wissenschaftlich gelehrt wird. Lit.: Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre, hg. v. Gaugler, E./Köhler, R., 2002 Betrug ist die durch Täuschung verursachte Vermögensschädigung (z. B. der Universitätsassistent I. lässt sich im öffentlichen Dienst jahrelang krank schreiben und betreibt in dieser Zeit privatwirtschaftlich einen Verlag für Lügenbarone). Sie findet sich seit dem 16. Jh., ohne dass sie von der Fälschung eindeutig geschieden werden kann. Erst 1871 gelingt eine klare Abgrenzung. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 158; Schütz, S., Die Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988; Roth, J./Sokolowsky, K., Lügner, Fälscher, Lumpenhunde, 2000; Lügen und Betrügen, hg. v. Hochadel,O. u. a., 2000; Freller, T., Die Welt will betrogen sein, 2001 Betteln ist das Bitten um unentgeltliche Leistungen zum Lebensunterhalt. Es wird seit dem Hochmittelalter sichtbar. Zeitweise wird 73 es mit polizeilichen Mitteln entschieden bekämpft (u. a. z. B. Graz 1996). Lit.: Stamm, R., Theodor Konrad Hartleben (1770-1827) und seine Allgemeine deutsche Justiz- und Polizey- Fama, ZGO 113 (1965), 45; Goglin, J., Les miserables, 1976; Scherner, K., Arme und Bettler, ZNR 1988, 129; Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995; Bindzus, D./Lange, J., Ist Betteln rechtswidrig? JuS 1996, 482; Bräuer, H., ... und hat seit hero gebetlet, 1996 Betti, Emilio (Camerino 1890-1968), nach juristischen Studien in Parma und philosophischen Studien in Bologna seit 1917 Professor für römisches Recht in Camerino und in Macerata, Messina, Parma, Florenz, Mailand und Rom, bemüht sich unter Verknüpfung von Dogmatik und Geschichte vor allem um ein neues Verständnis der -> Auslegung und der Hermeneutik insgesamt. Lit.: Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Methodik der Geisteswissenschaften, 1962; L'ermeneutica giuridica di Emilio Betti, hg. v. Frosini, V./Riccobono, F., 1994 Beutellehen ist das an einen Bürger oder Bauern gelangende -> Lehen. Bei ihm ist statt Kriegsdienst bei Herrenfall und Mannfall eine erhöhte Abgabe in den Beutel des Herrn zu leisten. Im 18. Jh. gibt es auch ritterliche B. Lit.: Klein, H., Ritterlehen und Beutellehen, Mitteil. d. Ges. f. Salzburger Landesk. 80 (1940) Beuterecht ist das Recht auf Aneignung feindlichen Gutes im Krieg. Es besteht ur- sprünglich gegenüber der gesamten gegnerischen Bevölkerung. Im 19. Jh. setzt sich für den Landkrieg die Beschränkung auf das für Kriegszwecke verwendbare Staatseigentum des Feindes durch (Haager Landkriegsordnung 1907). Lit.:Redlich, F., De praeda militari, 1956; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994 bewegliche Sache -> Sache Beweis ist die Darlegung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Vorstellung durch ein Verhalten. Besondere Bedeutung hat der B. in einem Streit zweier Personen. Im altrömischen Recht würdigt dabei der (lat. [M.]) iudex (Richter) frei die mit beliebigen Mitteln vorgebrachten Beweisversuche. Demgegenüber setzt sich im spätantiken römischen Recht die Bindung an feste Beweisregeln und Beweislastregeln durch. Bei den Germanen erfolgt meist außerhalb des Gerichts ein B. mit Eid, Zeugen oder Augenschein, wobei der Angegriffene ein Recht zum B. hat. Im Frühmittelalter wird der B. häufig im Gericht erbracht, wobei der B. durch eine Urkunde vordringt. Wahrscheinlich unter christlichem Einfluss gewinnt das Gottesurteil dann Bedeutung, wenn ein anderer B. nicht möglich ist. Der Kläger kann allmählich das Beweisrecht dadurch an sich ziehen, dass er ein stärkeres Beweismittel als den Eid anbietet. Im spätmittelalterlichen Strafverfahren bemüht sich der Richter von sich aus um die Ermittlung der Wahrheit. Als sicherstes Beweismittel gilt das Geständnis. Zu seiner Erreichung ist die Folter zulässig, wobei seit der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. (1532) ihre Anwendung nur bei Vorliegen bestimmter Indizien gestattet wird. Hinzu kommen feste Beweisregeln. Mit dem gelehrten Zivilprozess gelten unbestrittene Tatsachen als zugestanden. Bestrittene Tatsachen sind vom Kläger durch Zeugen, Parteieid, Urkunden, Augenschein oder Sachverständige zu beweisen (Beweis- last), wobei feste Beweisregeln gelten. Nach französischem Vorbild setzt sich im 19. Jh. die freie richterliche Beweiswürdigung durch. Die Beweislast trägt jede Partei für die ihr günstigen Tatsachen. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116, 155, 167; Hänel, A., Das Beweissystem des Sachsenspiegels, 1858; Kries, A. v., Der Beweis im Strafprozess des Mittelalters, 1878; Endemann, W., Die Entwicklung des Beweisverfahrens im deutschen Civilprozess seit 1495, 1895; Haff, K., Beweisjury und Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130; Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahr- scheinlichkeit nach älterem deutschem Recht, 1921; Stutz, U., Die Beweisrolle im altdeutschen Rechtsgang, ZRG GA 49 (1929), 1; Bechert, R., Recht oder Pflicht zur Beweisführung?, ZRG GA 49 (1929), 26; La preuve, 1963; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Nagel, Die Grundzüge des Beweisrechts im euopäischen Zivilprozess, 1967; Ziller, H., Private Bücher des Spätmittelalters und ihre rechtliche Funktion, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1972; Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1986; Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a., 1994; Allen, C., The Law of Evidence in Victorian England, 1997; Wißgott, V., Das Beweisantragsrecht im Strafverfahren, 1998; Macnair, 74 M., The Law of Proof in Early Modern Equity, 1999; Stürner, R., Geschichtliche Grundlinien des europäischen Beweisrechts, FS A Söllner, 2000; Nehlsen-von Stryk, K., Die Krise des irrationalen Beweises im Hoch- und Spätmittelalter, ZRG GA 117 (2000), 1; Sauer, M., Die Entwicklung des Ablehnungsgrundes der Wahrunterstellung, Diss. jur. Köln 2002; Perband, M., Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung im Zivilprozess (§ 286 ZPO), 2003; Deppenkemper, G., Beweiswürdigung als Mittel prozessualer Wahrheitserkenntnis, 2004 Beweisinterlokut ist im gemeinen deutschen Zivilprozessrecht eine gerichtliche Zwischen- entscheidung über Beweislast, Beweisthema und Beweisfrist. Es trennt den Prozess in zwei Teile und bildet den Beginn des besonderen Beweisverfahrens. Dessen Ergebnis bindet den Richter. Besonders ausgestaltet ist das B. im sog. sächsischen Prozess (so noch Hannover 1850). Im 18. Jh. dringt das B. allgemein in den gemeinen Prozess ein. Die preußische allgemeine Gerichtsordnung von 1793 kennt aber schon kein B. mehr, ebensowenig das französische Zivilprozessrecht und die davon beeinflusste deutsche Zivilprozessordnung von 1877/1879. Lit.: Planck, J., Die Lehre vom Beweisurteil, 1848 Beweislast -> Beweis Beweismittel -> Beweis Beweisurteil ist das -> Urteil über eine Beweisfrage. -> Beweisinterlokut Beyer, Georg (Leipzig 10. 9. 1665-Wittenberg 21. 8. 1714), Aktuarssohn, wird nach den Studien von Philosophie und Recht in Leipzig (Thomasius), Frankfurt an der Oder und Leipzig 1706 Professor in Wittenberg. Dort hält er als einer der ersten eine Vorlesung über deutsches Recht, die als Leitfaden des deutschen Rechts ([lat.] Delineatio [F.] iuris Germanici, 1718) nach seinem Tod veröffentlicht wird. Lit.: Köbler, DRG 144, 186, 205; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, III, 1 137f. Bibliothek Lit.: Otto, J., Bibliothek des Bundesgerichtshofs, 1996 (rund 475000 Bände) Biblisches Recht ist das aus den in der jüdisch- christlichen Bibel enthaltenen zahlreichen rechtlichen Sätzen gebildete Recht. Am bekanntesten hiervon sind die zehn Gebote. Noch wichtiger ist vielleicht die grundsätzliche Beschreibung des jüdisch-christlichen Gottes als eines Gottes des Rechts, der die Einhaltung von Recht gebietet und die Verletzung von Recht verbietet. Dieser Grundgedanke beeinflusst die europäischen Rechte in nachhaltiger Weise. Lit.: Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, in: Fontes iuris Romani antejustiniani, Bd. 2 1940, 541; Hohenlohe-Schillingsfürst, C. v., Der Einfluss des Christentums auf das Corpus Juris, 1937; Kisch, G., Sachsenspiegel and Bible, 1941; Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, Bd. 1ff. 1952ff.; Verdam, P., Mosaic Law in Practice and Study throughout the Ages, 1959; Welch, J., A biblical law bibliography, 1990; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994; Calvocoressi, P., Who´s who in der Bibel, 5. A. 1994; Campenhausen, H. v., Die Entstehung der christlichen Bibel, Neudruck 2003; Ohler, A., dtv-Atlas Bibel, 2004 Bielefeld Lit.: Urkundenbuch der Stadt und des Stiftes Bielefeld, hg. v. Vollmer, B., 1937; Flügel, A., Kaufleute und Manufakturen in Bielefeld, 1990 Bienenrecht ist das die Bienen betreffende Recht. Dabei darf der Eigentümer einen Bienenschwarm auch auf einem fremden Grundstück einfangen. Im deutschen -> Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) gelten die §§ 961ff. Lit.: Rieth, J., Das gesamte deutsche Bienenrecht, 1910; Schüßler, A., Deutsches Bienenrecht, 1934; , Haff, K., Zum Bienenrecht in den schwedischen und dänischen Landschaftsgesetzen, ZRG GA 60 (1940), 253; Schulz, S., Die historische Entwicklung des Rechts an Bienen, 1990 Biener, Friedrich August (Leipzig 5. 2. 1787- Dresden 1861) wird nach Rechtsstudien in Leipzig und Göttingen 1810 Professor in Berlin. Bier (vielleicht zu lat. bibere trinken) ist das aus stärkehaltiger Substanz (z. B. Gerste, Weizen) durch alkoholische Gärung gewonnene (gebraute) Getränk. Im Frühmittel- alter wird es von Frauen hergestellt, später entsteht in den Städten eine gewerbliche Produktion, die seit etwa 1300 Hopfen als die Haltbarkeit erhöhenden Zusatz verwendet. In der frühen Neuzeit setzt sich in Bayern ein auf das Jahr 1516 zurückgeführtes Reinheitsgebot (Malz, Hopfen, Hefe, Wasser) durch. 75 Lit.: Moldehauer, G., Das Göttinger Braurecht, Diss. jur. Göttingen 1956; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München, 1981, Unger, R., A History of Brewing in Holland 900-1900, 2001; Blanckenbuerg, C. v., Die Hanse und ihr Bier, 2001 Biergelde oder Bargilde ist der im 8./9. Jh. erscheinende (freie) Mensch, der von der Forschung teils mit Wehrsiedlung, teils mit Rodungssiedlung verbunden wird. Der Inhalt des Wortes ist nicht völlig klar (,,Abgabenleister"?), obgleich die Biergelden noch im -> Sachsenspiegel (1221-1224) als besonderer Stand erfasst sind. Lit.: Köbler, WAS; Metz, W., Zur Geschichte der Bargilden, ZRG GA 72 (1955), 185; Hagemann, H., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111 Bifang ist das von einem Berechtigten neu genutzte, meist eingefriedete Grundstück. Lit.: Köbler, WAS; Bethge, O., Über Bifänge, VSWG 20 (1928) Bigamie ist die Eheschließung eines verheirateten Menschen in einer nur die Einehe zulassenden Rechtsordnung. Das Christentum hält von Anfang an nur die Einehe für zulässig. Als Folge der Christianisierung der römischen Gesellschaft ist die B. seit Diokletian strafbar. Im Frühmittelalter ist die B. eine zunächst rein kirchliche Frage, für die nur die kirchlichen Gerichte zuständig sind. Seit dem Hoch- mittelalter sehen vor allem die Stadtrechte Enthaupten und Ertränken als peinliche Strafe vor. Die -> Constitutio Criminalis Bam- bergensis (1507) behandelt unter dem Einfluss der augustinischen Ehebruchsgesetzgebung eine Frau bei B. strenger als einen Mann, die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532) ordnet die B. stets als qualifizierten Ehebruch ein. Strafe ist zunächst die Todesstrafe, nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 und nach dem Reichsstrafgesetzbuch von 1871 mehrjähriges Zuchthaus (§ 171 StGB). Privatrechtlich ist die B. Ehehindernis. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 56; Hälschner, H., Die Lehre vom Ehebruch und der Bigamie, Gerichtssaal 22 (1870), 401; Buchholz, S., Der Landgraf und sein Professor, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997 Bilanz ist die zusammengefasste Gegenüber- stellung der aktiven und passiven Vermögenswerte einer Person. Sie entwickelt sich im spätmittelalterlichen Handelsgeschäft. Besonders seit dem ausgehenden 20. Jh. werden die rechtlichen Vorschriften betreffend eine B. angesichts der wachsenden Größe der Unternehmen immer dichter (1937 Richtlinien zur Vereinheitlichung des Buchhaltungswesens der Wirtschaft). Lit.: Brönner, H., Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 9. A. 1991 Bild ist die sichtbare Wiedergabe eines Umstandes durch menschliches Tun. Lit.: Goerlitz, T., Die rechtliche Behandlung der gewerblichen Bildzeichen in Deutschland seit dem 14. Jahrhundert, ZRG GA 55 (1935), 216; Historische Bildkunde 2, 1935; Beyerle, F., Sinnbild und Bildgewalt im älteren deutschen Recht, ZRG GA 58 (1938), 788; Troescher, G., Weltgerichtsbilder, Westdt. Jb. f. Kunstgeschichte 11 (1939), 139; Kisch, G., Recht und Gerechtigkeit in der Medaillenkunst, 1955; Brückner, W., Bildnis und Brauch, 1966; Ebel, F. u. a., Römisches Rechtsleben im Mittelalter, 1988; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Bild und Abbild, hg. v. Vavra, E., 1999; Schmoeckel, M., Auf der Suche nach der verlorenen Ordnung, 2004 Bilderhandschrift ist die mit Bildern ausgestattete Handschrift. Die umfänglichsten rechtlichen Bilderhandschriften sind mit bis zu 924 Bildstreifen zum Sachsenspiegel überliefert (1270? Harzvorland?, Stamm- handschrift verloren, Anfang 14. Jh. Heidelberger B. [Druck 1971], vielleicht Meißen wohl 1347-1363 Dresdener B. [Druck 1902, 2002], Wolfenbütteler B. [Druck 1993], 1336 Oldenburger B. [Druck 1995]). Die Bedeutung der Bilder ist streitig. Lit.: Köbler, DRG 103; Amira, K. v., Die Dresdener Bilderhandschrift, Bd. 1ff. 1902ff.; Koschorreck, W., Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, 1970; Text­Bild­Interpretation, hg. v. Schmidt- Wiegand, R., 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 24; Got ist selber Recht. Die vier Bilderhandschriften des Sachsenspiegels Oldenburg, Heidelberg, Wolfenbüttel, Dresden, hg. durch Schmidt- Wiegand, R. u. a., 1992; Scheele, F., die sal man alle radebrechen, 1992; Eike von Repgow Sachsenspiegel Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt- Wiegand, R., 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1995; Repgow, Eike von: Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1998; Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels als digitale 76 Edition auf CD-ROM, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1999; Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenpiegels. Interimskommentar, hg. v. Lück, H., 2002; Der Dresdener Sachsenspiegel. Faksimile-Ausgabe, 2002 Bildung Lit.: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 5 1989 Billigkeit ist die natürliche Gerechtigkeit vor allem im einzelnen Fall. Sie erscheint in der römischen Antike teils als (lat. [F.]) benevolentia des Kaisers, teils bei den nach der B. beurteilten Klagen oder Schuldverhältnissen (lat. -> bonae-fidei-iudicia [N.Pl.]). Im frühen Mittelalter bewirkt die Kirche die Aufnahme des Gedankens der B. (lat. -> aequitas [F.] canonica), wobei Streit darüber besteht, ob der König nach B. urteilen konnte. Danach greift insbesondere das Naturrecht verstärkt die B. auf. Lit.: Kaser §§ 3, 33; Köbler, DRG 86; Rühl, P., Das aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20 (1899), 207; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Kirn, P., Über die angebliche Billigkeitsjustiz des fränkischen Köngs, ZRG GA 47 (1927), 115; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA 53 (1932), 53; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Schott, C., Billigkeit und Subjektivismus, FS M. Keller, 1989, 745 Bill of Rights ist das englische Gesetz, das 1689 vom König angenommen und von einem ordentlichen Parlament bestätigt wird. In 13 Artikeln verbietet es katholische Thronfolge, Steuererhebung, Gesetze und Heer ohne Zustimmung des Parlaments sowie geistliche Gerichte und gewährt Redefreiheit, Pe- titionsrecht und das grundsätzliche regelmäßige Geschworenengericht. In den Vereinigten Staaten von Amerika heißen B. o. R. die zehn Artikel, die 1791 der Verfassung von 1787 hinzugefügt werden. -> Virginia Bill of Rights Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; The complete Bill of Rights, hg. v. Cogan, N., 1997 Binding, Karl (Frankfurt am Main 4. 6. 1841- Freiburg im Breisgau 7. 4. 1920), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Studium in Göttingen (1860-1863) Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Staatsrecht in Heidelberg (1865), Basel, Freiburg, Straßburg und Leipzig. Er vertritt auf liberaler Grundlage ein formales Vergeltungsstrafrecht. Nach seiner Normen- theorie geht der Rechtsregel eine Sozialnorm voraus, deren Befehlswirkung der Täter missachtet, so dass er durch Bestrafung unter die Macht des Staates gebeugt werden muss (Die Normen und ihre Übertretung, Bd. 1ff. 1872ff.). Er lässt Analogie zu und befürwortet die Vernichtung lebensunwerten Lebens. Lit.: Köbler, DRG 204; Kaufmann, A., Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, 1954 Binnenschifffahrt ist die Schifffahrt auf den schiffbaren Binnenwasserstraßen. Sie geht bereits weit in die Zeit der alten Völker zurück. In Deutschland ist sie in der Gegenwart in einem besonderen Gesetz geregelt. Lit.: Kischel, D., Die Geschichte der Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Vortisch, O., Binnenschifffahrtsrecht, 4. A. 1991 Biographie ist die Lebensbeschreibung eines Menschen. Aussagen über sich selbst (Autobiographien) begegnen in Griechenland seit dem 7. Jh. v. Chr. (Hesiod, Xenophon, Isokrates, Platon, Augustinus). Lit.: Berschin, W., Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, Bd. 1ff. 1986ff.; Varnhagen von Ense, K., Denkwürdigkeiten des eignen Lebens, hg. v. Feilchefeldt, K., Bd. 1ff. 1987; Rüthers, B., Geschönte Geschichten ­ geschonte Biographien, 2001; Sonnabend, H., Geschichte der antiken Biographie, 2002; Meisterdenker der Welt, hg. v. Grabner-Haider u. a., 2004; Biographisches Handbuch der deutschen Politik, bearb. v. Jahn, B., Bd. 1ff. 2004; Antike Autobiogra- phien, hg. v. Reichel, M., 2005 Birkarecht (biaerkeraett, bjärköarätt) -> Schonen, -> Schweden Bischof (griech. episkopos [M.] Aufseher) ist in der katholischen Kirche der Obere, der in einem bestimmten Teil der Kirche als Nachfolger der Apostel in Einheit mit dem Papst das höchste Amt ausübt. Er setzt sich als Leiter einer Gemeinde von Kleinasien aus allmählich durch und hat im 3. Jh. auch das Amt als Richter inne. Sein Sitz innerhalb seines Bistums ist grundsätzlich eine Stadt (lat. [F.] civitas). Im fränkischen Frühmittelalter wird der B. vom König eingesetzt oder vom Volk gewählt. Im Investiturstreit setzt die Kirche (1122) die Wahl durch Klerus und Volk durch. Bis 1215 wird das Domkapitel zum Wahl- gremium. Etwa zu dieser Zeit tritt neben den B. der Weihbischof. Im Reich wird der B. geistlicher Reichsfürst (bis 1803). Im 77 evangelischen Kirchenwesen verdrängt der Superintendent bis 1918 (teilweise) den B. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56, 87, 115, 152; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931; Claude, D., Die Bestellung der Bischöfe im merowingischen Reiche, ZRG KA 80 (1963), 1; Vescovi e diocesi, 1964; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Kaiser, R., Bischofsherrschaft, 1981; Scheibelreiter, G., Der Bischof in merowingischer Zeit, 1983; Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches, hg. v. Gatz, E., 1990; Landau, P., Der Papst und die Besetzung der Bischofsstühle, Z. f. ev. Kirchenrecht 37 (1992), 241; Bührer-Thierry, G., Évques et pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997; Die früh- und hochmittelalterliche Bischofserhebung im europäischen Vergleich, hg. v. Erkens, F., 1998; Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches, hg.v. Gatz, E., 2000; Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945-2001, hg. v. Gatz, E., 2002; Freund, S., Von den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004 Bismarck, Otto von (Schönhausen 1. 4. 1815- Friedrichsruh 30. 7. 1898) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen und Berlin Landwirt und 1849 für die Konservative Partei Mitglied der zweiten preußischen Kammer, Vertreter Preußens im Deutschen Bund, Gesandter und am 23. 9. 1862 preußischer Ministerpräsident. Nach der Gründung des -> Norddeutschen Bundes (1867) und des (zweiten) Deutschen Reiches (1871) wird er bis 1890 Reichskanzler. Besondere rechtliche Verdienste gewinnt er durch die Herstellung der Rechtseinheit in Deutschland und durch die Einführung der -> Sozialversicherung. Lit.: Köbler, DRG 171, 177, 183,194; Meyer, A., Bismarcks Kampf mit Österreich, 1927; Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969; Gall, L., Bismarck, 1980; Pflanze, O., Bismarck, Bd. 1f. 1997f.; Krobckow, C., Graf v., Bismarck, 1997; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001; Schmidt. R., Otto von Bismarck (1815-1898), 2004 Bistum -> Bischof Lit.: Gatz, E., Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches, 2003 Bizone ist die Bezeichnung für den Zusammenschluss von amerikanischer und britischer Besatzungszone in Deutschland (1. 1. 1947-8. 4. 1949). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pünder, Das bizonale Interregnum, 1966; Hubert, G., Die Diskussion um die rechtliche Natur der Bizone, 1996 Bjärköarätt (N.) -> Birkarecht, -> Schonen, -> Schweden Blackstone, Sir William (London 10. 7. 1723- 14. 2. 1780) wird nach Studien in Oxford (1738-1741) und einer Rechtsausbildung im Middle Temple in London 1746 Anwalt (barrister) in London, 1753 Dozent und 1758 Professor für englisches Recht in Oxford, 1766 Anwalt in London und 1770 Richter. Seine vier Bände Commentaries on the Laws of England (1765ff.) bieten eine umfassende knappe Darstellung des englischen Privatrechts, Staatsrechts, Prozessrechts und Strafrechts (common law und equity), die sich in Anlehnung an ein Werk Matthew -> Hales in Personen, Sachen, Delikte und Straftaten gliedert. Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 12 1938, 702ff.; Warden, L., The Life of Blackstone, 1938; Simmonds, N., Reason, History an Privilege ­ Blackstone's Debt to Natural Law, ZRG GA 105 (1988), 200 Blasius de Morcono ist der letzte Erläuterer des langobardischen Rechts als eines lebenden Rechtes (Tractatus vielleicht zwischen 1323 und 1332 entstanden). Lit.: Dom. Blasii de Morcono de differentiis inter ius Longobardorum et ius Romanorum tractatus, cura Abignente, J., 1912 Blasphemie ist die Lästerung des christlichen Gottes. Seit dem 13. Jh. erscheint die B. auch in weltlichen Strafrechtstexten. Kirchliche wie weltliche Folgen sind vielfältig. Im 20. Jh. schwindet die Bedeutung. Lit.: Volker, G., History of the Crime of Blasphemy, 1928; Schwerhoff, G., Blasphemie vor den Schranken der städtischen Justiz, Ius commune 25 (1998), 39; Cabatous, A., Geschichte der Blasphemie, 1999 (übersetzt von Wilczek, B.) Bleichgericht Lit.: Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA 25 (1904), 345 Blendung (F.) ist das Ausstechen oder Ausbrennen eines Auges oder beider Augen. B. ist eine Leibesstrafe in Altertum und Mittelalter. Mit der Aufklärung wird sie beseitigt. blickender Schein -> Augenschein Blijde Inkomst -> Brabant Blinder 78 Lit.: Laske, W., Zur Stellung des Blinden im Recht des Mittelalters, ZRG GA 97 (1980), 27; Krüger, J., Blindheit und Königtum, 1992 Blockade ist die Absperrung eines Gebietes von anderen Gebieten vor allem im Seekrieg. 1584 verwenden die Holländer die B. als Kriegsmittel im Freiheitskampf gegen Spanien. Die Pariser Seerechtsdeklaration vom 16. 4. 1856 und die Londoner Deklaration vom 26. 2. 1909 legen das Recht der B. fest. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schenk, R., Seekrieg und Völkerrecht, 1958; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, §§ 42, 48 Blume des Sachsenspiegels ist die in 10 Handschriften überlieferte ungedruckte Bearbeitung der -> Blume von Magdeburg durch Nikolaus -> Wurm (um 1397). Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 67 Blume von Magdeburg ist das von Nikolaus - > Wurm am Ende des 14. Jh.s nach dem Vorbild des Richtsteig Landrechts unter Benutzung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Weichbildes verfasste Werk. Lit.: Böhlau, H., Die Blume von Magdeburg, 1868; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66 Bluntschli, Johann Kaspar (Zürich 7. 3. 1808- Karlsruhe 21. 10. 1881) wird nach dem Studium in Zürich, Berlin (1827-9) und Bonn Gerichtsschreiber in Zürich (1830), dann Professor in Zürich (1836), München (1848) und Heidelberg (1861). Auf der Grundlage seiner Staats- und Rechtsgeschichte der Stadt und Landschaft -> Zürich (1838/1839) führt er das Privatrechtliche Gesetzbuch für den Kanton Zürich zum Abschluss (1853ff.), das bis 1911 (auch in Schaffhausen, Thurgau und Zug) gilt. Lit.: Briefwechsel Johann Kaspar Bluntschlis mit Savigny, Niebuhr, Leopold Ranke, Jakob Grimm und Ferdinand Meyer, hg. v. Oechsli, W., 1915; Vontobel, J., Die liberal-konservative organische Rechts- und Staatslehre Joh(ann) Caspar Bluntschlis, Diss. jur. Zürich 1954; Schmidt, S., Die allgemeine Staatslehre Johann Caspar Bluntschlis, 1968 (Diss.); Affentranger, M., Besitz und Besitzschutz im Züricher Privatrechtlichen Gesetzbuch Johann Caspar Bluntschlis, 1987; Senn, M., Rassistische und antisemitische Elemente im Rechtsdenken von Johann Caspar Bluntschli, ZRG GA 110 (1993), 372; Röben, B., Johann Caspar Bluntschli, Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861-1881, 2003; Cavallar, G., Johann Caspar Bluntschlis europäischer Staatenbund in seinem historischen Kontext, ZRG GA 121 (2004), 504 Blutbann ist die Zuständigkeit zur Verhängung der Todesstrafe. -> Hochgerichtsbarkeit Blutrache ist die im älteren Recht erlaubte eigenmächtige Vergeltung einer Verletzung (Tötung) durch eine neue Verletzung (Tötung). Recht und Pflicht zur B. bzw. Fehde oder Selbsthilfe verschwinden bis zur Neuzeit. Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Vlavianos, B., Zur Lehre der Blutrache, Diss. jur. München 1924; Zacharias, R., Die Blutrache im deutschen Mittelalter, Z. f. d. A. 91 (1962), 167 (Diss. phil. Kiel 1961) Blutschande (Inzest) ist der Geschlechtsverkehr zwischen nahen leiblichen Verwandten, der sowohl im Alten Testament wie auch bei den Römern verboten ist. Vom christlichen Einfluss wird das Frühmittelalter erfasst, das als Folge die Tötung, die Verknechtung, das Exil oder das Gefängnis kennt. Häufiger erscheint die B. am Ende des Mittelalters wohl unter dem Einfluss des römischen Rechts (1507 Constitutio Criminalis Bambergensis: Enthauptung). Eine Ein- schränkung auf die Verwandten und Verschwägerten aufsteigender und absteigender Linie bringt das preußische Strafgesetzbuch von 1851. Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 165f.; Siebert, Das Inzestverbot, Diss. jur. Berlin 1997 Bocksdorf, Dietrich von (Zinnitz um 1405- Zeitz 9. 3. 1466) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (1425) und Perugia (1436/1437) Professor des kirchlichen Rechts in Leipzig und 1463 Bischof von Naumburg. Er verfasst wissenschaftliche Arbeiten zum -> Sachsenspiegel (Informaciones 1433, 1451, Sippschaftsregeln, Erbschaftsregeln, Remis- sorium, Weise des Lehnrechts), nicht dagegen die sog. Bocksdorfsche Erweiterung der Glosse zum Sachsenspiegel. Lit.: Köbler, DRG 103; Distel, T., Eine Rechtsunterweisung Dittrich von Bocksdorfs, ZRG GA 4 (1833), 234; Kisch, G., Zur sächsischen Rechtsliteratur der Rezeptionszeit, Bd. 1 Dietrich von Bocksdorfs ,,Informaciones", 1923; Verfasserlexikon, 2. A. Bd. 2 1980, 110 (H. Ulmschneider) Bocksdorfsche Glosse ist die wohl von Tammo von -> Bocksdorf nur in einzelnen 79 Besserungen veränderte Erweiterung der buchschen Glosse des Sachsenspiegels. Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74 Bocksdorf, Tammo von, verfasst nach dem Rechtsstudium in Prag als Domherr in Magdeburg 1426 ein -> Remissorium zum Sachsenspiegel und vielleicht die Bocksdorfschen (lat. [F.Pl.]) additiones (Zusätze) zur Sachsenspiegelglosse. Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74 Bodenreform ist die Umwandlung von Großgrundeigentum in bäuerliche Betriebe im Anschluss an staatliche Umwälzungen (z. B. 1945 sowjetische Besatzungszone). Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 121; Weißbuch über die ,,Demokratische Bodenreform", hg. v. Kruse, J., 1988; Werner, J., Die Bodenreform, 1997; Fikentscher, R./Schmuhl, B./Breitenborn, K., Die Bodenreform in Sachsen-Anhalt, 1999; Zahnert, D., Das Recht der Bodenreform der sowjetischen Besatzungszone, 2000; Kempen, B./Dorf, Y., Bodenreform 1945-1949, 2004; Die rechtsstaatliche Bewältigung der demokratischen Bodenreform, hg. v. Kempen, B., 2005 Bodenregal ist das vom König im Frühmittelalter grundsätzlich geltend gemachte -> Regal an herrenlosem Grund und Boden, das sich in Frankreich erhalten (domaine public) und in Deutschland zum Aneignungsrecht des Staates (Fiskus) entwickelt hat. Lit.: Köbler, DRG 90; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, § 27 Bodensee Literatur: Stoffel, F., Die Fischereiverhältnisse des Bodensees, 1906; Münch, W., Das Fischereirecht des Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz 1943; Gönnenwein, O., Die Rechtsgeschichte des Bodensees, Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 69 (1950); Der Bodensee, hg. v. Maurer, H., 1982 Bodin, Jean (Angers 1530-Laon 1596), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium (1548) und einer Lehrtätigkeit in Toulouse 1561 Advokat am Parlament von Paris, 1571 Bediensteter des Herzogs von Alençon, 1576 Staatsanwalt in Laon und schließlich königlicher Prokurator. In seinem empirisch entwickelten, für die politische Festigung Frankreichs gedachten Hauptwerk (Les six livres de la République, 1576, Sechs Bücher über die Republik) beschreibt er rationalistisch das auf der von Gott gegebenen Souveränität (Unteilbarkeit, Unbeschränktheit, Ständigkeit) aufbauende moderne Staatswesen, in dem der Souverän zum Erlass des Gesetzes (lat. [F.] lex) befugt ist, aber den göttlichen und natürlichen Gesetzen (lat. [N.] ius) unterliegt. Streitig ist, inwieweit B. den -> Absolutismus begründet. Lit.: Köbler, DRG 148f.; Fickel, G., Der Staat bei Bodin, 1934; Schmitz, A., Staat und Kirche bei Jean Bodin, 1939; Bodin, Jean, hg. v. Denzer, H., 1973 ; Goyard- Fabre, S., Jean Bodin et le droit de la république, 1989 Bodman Lit.: Bodman. Dorf, Kaiserpfalz, Adel, hg. v. Berner, H., 1977 Bodmerei ist die Beleihung eines Schiffes in der Form, dass mit seinem Verlust die Zahlungspflicht entfällt. Der B. geht das griechisch-römische Seedarlehen voraus (lat. fenus [N.] nauticum). Im Hochmittelalter wird auf Grund unbekannter Entwicklung die Verpfändung des der Seegefahr ausgesetzten Schiffes oder Schiffsteiles (bodeme, Boden) vorausgesetzt (Rôles d'Oléron 2. H. 13. Jh., Lübeck 1387, 1418 Bodmereiverbot der Hanse). Später wird sie durch die Seeversicherung verdrängt und auf die Notbodmerei des Schiffes eingeschränkt. Lit.: Mathiass, B., Das foenus nauticum und die geschichtliche Entwicklung der Bodmerei, 1881; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Schuster, S., Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005 Böhmen ist das nach den keltischen Boiern (latinisiert Boiohaemum) benannte Land östlich des Bayerischen Waldes, in das seit dem 6. Jh. Slawen eindringen. Seit 800 wird es christianisiert, wobei um 890 Herzog Boriwoi aus dem Geschlecht der -> Przemysliden getauft wird. Vom ottonischen König Heinrich I. wird B. unterworfen. Es entwickelt sich zum Herzogtum im deutschen Reich (1114 Schenk). 1198/1212 wird es ähnlich wie -> Österreich verselbständigt. 1314 gewinnt Johann von Luxemburg als König von B. das Nichtappellationsprivileg. 1344 wird Prag Erzbistum. Kaiser Karls IV. Plan eines böhmischen Landrechts (-> Maiestas Carolina) scheitert 1355. Im 15. Jh. wird B. zur Adelsherrschaft, die 1526 Ferdinand I. von Österreich auf Grund von Erbansprüchen zum 80 König ernennt. 1495 entsteht mit den Neun Büchern über die Rechtsordnung des Landes Böhmen das bedeutendste Werk der tschechischen spätmittelalterlichen Rechts- wissenschaft. 1564 wird eine 1627 absolutisierend erneuerte Landesordnung erlassen. 1918 löst sich B., wie seit 1848 gefordert, in der -> Tschechoslowakei von Österreich. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 95, 109, 129; Palacky, F., Geschichte Böhmens, Bd. 1ff. 1836ff.; Codex juris municipalis regni Bohemiae, 1886; Werunsky, E., Die Maiestas karolina, ZRG GA 9 (1888), 64; Werunsky, E., Der Ordo iudicii terre Boemie, ZRG GA 10 (1889), 98; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Bd. 1 1895; Lippert, J., Sozialgeschichte Böhmens in vorhussitischer Zeit, 1896ff.; Schreuer, H., Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte der böhmischen Sagenzeit, 1901; Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae, hg. v. Friedrich, G. u. a., Bd. 1ff. 1904ff.; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, 1912; Köster, A., Die staatlichen Beziehungen der böhmischen Herzöge und Könige zu den deutschen Kaisern, 1912; Stieber, M., Böhmische Staatsverträge, 1912; Zycha, A., Über den Ursprung der Städte in Böhmen, 1914; Peterka, O., Rechtsgeschichte der böhmischen Länder, Bd. 1f. 1923ff.; Perels, E., Zur Geschichte der böhmischen Kur, ZRG GA 45 (1925), 83; Weizsäcker, W., Die Fremden im böhmischen Landrechte, ZRG GA 45 (1925), 206; Weizsäcker, W., Nárok und sok im böhmisch-mährischen Landrecht, ZRG GA 53 (1933), 300; Stanka, R., Die böhmischen Konföderationsakte von 1619, 1932; Diels, P./Koebner, R., Das Zaudengericht in Böhmen, Mähren und Schlesien, 1935; Wegener, W., Die Pøemysliden, 1957; Klabouch, J., (Die Rechtslehren des Aufklärungs- zeitalters in den böhmischen Ländern), 1958; Wegener, W., Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter, 1959; Nový, R., Libri civitatum Bohemiae, 1963; Markov, J., Das landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis zum 17. Jahrhundert, ZRG GA 83 (1966), 144; Cultus pacis, hg. v. Vanìèek, V., 1966; Siedlung und Verfassung Böhmens in der Frühzeit, hg. v. Graus, F./Ludat, H., 1967; Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K. Bd. 1ff. 1967ff.; Russocki, S., Protoparlamentaryzm Czech do pocz±tku XV wieku (Der Protoparlamentarismus Böhmens bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts), 1973; Procházka, R. Frhr. v., Genealogisches Handbuch erloschener böhmischer Herrenstandsfamilien, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,429; Hlavaèek, I. u. a. Nichtbohemikale Originalur- kunden in den böhmischen Ländern, 1977; Eberhard, W., Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478-1530, 1981; Sasse, B., Die Sozialstruktur Böhmens in der Frühzeit, 1982, Hassenpflug-Elzholz, E., Böhmen und die böhmischen Stände, 1982; Prinz, F., Böhmen im mittelalterlichen Europa, 1984; Eberhard, W., Monarchie und Widerstand, 1985; Hoensch, J., Geschichte Böhmens, 3. A. 1997; Seltenreich, R., Das römische Recht in Böhmen, ZRG GA 110 (1993), 496; Èechura, J., Die Struktur der Grundherrschaften im mittelalterlichen Böhmen, 1994; Rentzow, L., Die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Vernewerten Landesordnung für das Königerich Böhmen von 1627, 1998; Kadlecová, M., Verneuerte Landesordnungen, ZRG GA 120 (2003), 150; Begert, A., Böhmen, die böhmische Kur und das Reich, 2003; Himl, P., Die armben Leüte und die Macht, 2003; Malý, K., Die böhmische Konföderationsakte und die verneuerte Landesordnung, ZRG GA 122 (2005), 285 Böhmer, Justus Henning (Hannover 29. 1. 1674-Halle 23. 8. 1749) wird nach dem Studium in Jena (1693-1695) Anwalt in Hannover und Hofmeister, seit 1698 Lizentiat in Halle, dann 1701 außerordentlicher und 1711 ordentlicher Professor. Hier verfasst er 1704 das beste Lehrbuch des römischen Rechts im 18. Jh. ([lat.] Introductio [F.] in ius digestorum, Einführung in das Recht der Digesten) und eine umfassende geschichtlich-dogmatische Ge- samtdarstellung des protestantischen Kirchen- rechts ([lat.] Ius [N.] ecclesiasticum protestantium). Lit.: Köbler, DRG 144, 159; Rütten, W., Das zivilrechtliche Werk Justus Henning Böhmers, 1981; Landau, P., Kanonistischer Pietismus bei Justus Henning Böhmer, in: Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, 1994, 317 Boissonade de Fontarabie, Gustave Emile (1825-1910), nach dem Rechtsstudium seit 1864 Lehrer des römischen Rechts in Grenoble und 1867 Paris, wechselt 1873 nach -> Japan, wo er als Berater der Regierung französisches Recht lehrt und 1880 ein Strafgesetzbuch und eine Strafprozessordnung sowie 1890 einen nicht Gesetz gewordenen Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches erarbeitet. Lit.: Carbonnier, J. u. a., Boissonade et la réception du droit français au Japon, Revue internationale du droit comparé 43 (1991), 327 81 Bologna ist die auf etruskischen und römischen Grundlagen ruhende Hauptstadt der oberitalienischen Landschaft Emilia, die sich seit 1115 von den vom deutschen König eingesetzten Grafen von B. zu lösen vermag. In B. wird vielleicht auf der Grundlage einer im 11. Jh. bezeugten Artistenschule und wegen des Wissensbedarfs zahlreicher Notare und Investitoren (1057) als Rechtsschule (lat. [N.] studium) eine der ältesten Universitäten Europas gegründet. Ihr bekanntester Lehrer ist (nach Albertus [1067], Arianus, Geminianus und Pepo) zunächst -> Irnerius mit der von ihm geprägten Schule der -> Glossatoren (Bulgarus, Martinus, Jacobus, Hugo und viele andere bis Accursius). Um 1140 kommt das Studium des kirchlichen Rechts hinzu. Die fremden Studenten gründen am Ende des 12. Jh.s als Mehrheit aus zwei (lat. [F.Pl.]) universitates eine -> universitas. Ihre Zahl wird zu dieser Zeit auf etwa 1000 beziffert. Bruchstücke von Statuten der Universität sind aus dem Jahre 1252 überliefert. Zwischen 1265 und 1425 lassen sich rund 3600 deutsche, fast ausschließlich geistliche Rechtsstudenten in B. nachweisen (durchscnhittlich 23 Erstnennungen im Jahr mit rückläufiger Tendenz). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 106, 159; Fitting, H., Die Anfänge der Rechtsschule von Bologna, 1888; Knod, G., Deutsche Studenten in Bologna (1289- 1562), 1899; Schelb, W., Staatsverwaltung und Selbstverwaltung, 1911; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 39; Wandruszka, N., Die Oberschichten Bolognas, 1993; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000; Le carte bolognesi del secolo XI, a cura di Feo, G., 2001 Bolschewismus ist die bis etwa 1953 übliche Bezeichnung des Kommunismus in der Sowjetunion (zu Bolschewiki, russ., Mehrheitler). Lit.: Köbler, DRG 226; Lösche, P., Der Bolschewismus im Urteil der deutschen Sozialdemokratie, 1967 Bonae-fidei-iudicium (lat. [N.]) ist im klassischen römischen Recht die nach der -> Billigkeit beurteilte freiere Klage bzw. das freier beurteilte Schuldverhältnis (z. B. Kauf, Miete, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag, Gesellschaft, Auftrag, Tutel, Geschäftsführung ohne Auftrag, Verwahrung, Gesellschaft, Vormundschaft, Treuhandschaft, Mitgift- rückgabe). Bei einem b. ist zu leisten, was nach guter Treue (lat. bona fides [F.]) geschuldet wird. Lit.: Kaser § 33; Wieacker, F., Zum Ursprung der bonae- fidei-iudicia, ZRG RA 80 (1963) 1; Honsell, H., Quod interest im bonae-fidei-iudicium, 1969 Bona fides (lat. [F.] gute Treue) ist im klassischen römischen Recht zunächst die Pflicht zum Worthalten und danach ein Maßstab, nach dem der Richter das betreffende Rechtsverhältnis zu beurteilen hat. Für den Inhalt des Schuldverhältnisses findet dabei neben der formlosen Vereinbarung auch die Verkehrssitte Anwendung. Lit.: Kaser § 33; Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Köbler, DRG 40, 42; Köbler, LAW; Lombardi, L., Dalla fides alla bona fides, 1961 Bönhase ist seit dem 15. Jh. die im Mittel- niederdeutschen entstandene Bezeichnung für den unzünftigen Handwerker (wie ein Hase auf dem Boden arbeitend?, außerhalb der ,,Hanse" arbeitend?). Lit.: Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, 1928, 2. A. 1981 Boni homines (lat. [M.Pl.], Sg. bonus homo) oder auch (lat.) probi homines (M.Pl.) sind im Frühmittelalter und bis ins 13. Jh. Zeugen, Gerichtsbeisitzer, Schätzer oder Vermittler, die Freiheit, guten Leumund sowie meist Grundeigentum und Ansässigkeit als rechtliche Voraussetzung ihrer jeweiligen Tätigkeit erfüllen. Seit Ende des 12. Jh.s treten sie in den oberitalienischen Städten als Vertreter der Konsuln auf. Lit.: Köbler, LAW; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines des frühen Mittelalters, 1981 Bonn am Rhein ist ein auf keltisch-römischer Grundlage entstandener Ort, der im 12. Jh. an das Erzstift -> Köln gelangt. Im 16. Jh. wird er dessen Hauptort und erhält 1777/1786 eine 1797 aufgehobene, 1815/1816 jedoch wiedererrichtete Universität. 1949 wird B. bis zum Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland (1990) Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wiedemann, A., Geschichte Godesbergs und seiner Umgebung, 1920; Hübinger, P., Das historische Seminar, 1963; Schäfer, K., Verfassungsgeschichte der Universität Bonn 1818 bis 82 1960, 1969; Meier, J., Der Rechtsunterricht an den Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987; Die Juristen der Universität Bonn im Dritten Reich, hg. v. Schmoeckel, M., 2004 Bonorum possessio (lat. [F.] Güterbesitz) ist im klassischen römischen Erbrecht die Stellung, die der -> Prätor auf Antrag dem zuweist, den er im Fall des Todes eines Erblassers am ehesten für berechtigt hält. Der damit erreichte Schutz und die damit gewonnene Zuständigkeit für den Bereich des prätorischen Rechts können sich durch Ersitzung in Eigentum nach zivilem Recht wandeln. Lit.: Kaser §§ 65, 71, 73; Söllner § 25; Köbler, DRG 38; Ankum, H. u. a., Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius esse, ZRG RA 107 (1990), 155 bonus homo -> boni homines Boppard Lit.: Heyen, F., Reichsgut im Rheinland, 1956 Borgarthingsbók ist ein norwegisches Rechtsbuch. -> nordisches Recht Lit.: Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des Eidsivathings, hg. v. Meißner, R., 1942 Börsengesetz ist das am 22. 6. 1896 geschaffene, das Recht des Wertpapierhandels an der Börse, (Vorformen im 15. Jh. in Sevilla, Cadiz und Lissabon [16. Jh.9]) regelnde deutsche Gesetz. Lit.: Meier, J., Die Entstehung des Börsengesetzes, 1992; Schulz, W., Das deutsche Börsengesetz, 1994 Bösgläubigkeit ist das Wissen oder grobfahrlässige Nichtwissen um einen rechtlich bedeutsamen Umstand. -> guter Glaube Bosnien ist die östlich der mittleren Adria gelegene Landschaft, die 9 n. Chr. von den Römern erobert wird. Zu Beginn des 7. Jh.s siedeln sich Südslawen an. Das dort entstehende Königreich gerät mit Herzegowina 1463/82 durch Eroberung unter die Herrschaft der Osmanen. Seit 1878 erlebt B. unter dem Einfluss Österreichs einen Aufschwung. 1908 wird B. von -> Österreich annektiert. 1918 wird es Teil -> Jugoslawiens, 1996 wird es als Bosnien-Herzegowina wieder verselbständigt. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,332; Balic, S., Das unbekannte Bosnien, 1992; Dzaja, S., Bosnien-Herzegowina, 1994; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Babouna, A., Die nationale Entwicklung der bosnischen Muslime, 1996; Haselsteiner, H., Bosnien-Hercegovina, 1996; Lovrenovic, I., Bosnien und Herzegowina, 1998; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina 1878, 2003; Classen, L., Der völkerrechtliche Stauts von Bosnien-Herzegowina, 2004 Bote (lat. [M.] nuntius) ist ein Mensch, der für einen anderen ohne eigene Willensbildung eine Erklärung empfängt oder abgibt. Lit.: Kaser § 11; Kroeschell, DRG 2 Bourbone ist der nach Bourbon-l'Archambault im heutigen Departement Allier benannte Angehörige einer durch Graf Ludwig I. von Clermont (1270-1342, 1327 Herzog von Bourbon) begründeten Seitenlinie der -> Kapetinger. Die jüngere Linie Bourbon- Vendôme erlangt von 1589 bis 1792 und von 1814 bis 1830 bzw. in der 1660 abgespaltenen Nebenlinie Orléans von 1830 bis 1848 das Königtum in -> Frankreich. In Spanien wird die Linie Bourbon-Anjou 1700 Königsgeschlecht (ausgenommen 1808-1814, 1868-1875, 1931- 1975). Sie herrscht auch von 1735 bis 1860 in Neapel-Sizilien sowie von 1748 bis 1802 und von 1847 bis 1859/1860 in Parma-Piacenza. Lit.: Legual, A., Histoire du Bourbonnais, 1960 ; Malettke, K., Die Bourbonen 1589-1848, 2005 Bourges ist die auf keltischen Grundlagen (Avaricum) beruhende zentralfranzösische Stadt am Zusammenfluss von Yvre und Auron. Ihre Universität ist zu Beginn des 16. Jh.s Ausgangspunkt des -> mos Gallicus (lat. [M.], gallische Art) der Rechtswissenschaft. -> Budé Lit.: Devailly, G. u. a., Histoire du Berry, 1980 Boutillier, Jehan (Pernes vor 1350-24. 1. 1396) verfasst als Berater des französischen Königs in Nordfrankreich wohl kurz vor 1396 die -> Somme rural. Lit.: Köbler, DRG 143; Dievoet, G. van, Jehan Boutillier en de Somme rural, 1951 Boykott ist die nach dem englischen Gutsbesitzer Charles Boycott (Irland 1880) benannte Ablehnung aller Rechtsbeziehungen zu einem möglichen Vertragspartner, dem dadurch die Möglichkeit zur Teilnahme am Rechtsverkehr abgeschnitten wird. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Bozen Lit.: Die Bozner Handelskammer vom Merkantilmagistrat bis zur Gegenwart, 1981; Das Urbar 83 des Heilig-Geist-Spitals zu Bozen von 1420, bearb. v. Schneider, W., 2003 Brabant ist das aus dem fränkischen Gau Bracbantum im Nordwesten Europas (1188) entstandene, sich vom Reich ver- selbständigende (1349 Goldene Bulle von Brabant), den Einwohnern in der Blijde Inkomst 1356 die Rechte des Fürsten begrenzende Herzogtum, das 1390/1430 an -> Burgund und 1477 an -> Habsburg kommt. 1815 wird es Teil der -> Niederlande, 1830 mit seinem südlichen Gebiet Teil -> Belgiens. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Moll, W., De rechten van den Heer van Bergen op Zoom, 1915; Lousse, E., Les deux chartes romanes brabançonnes du 12 juillet 1314, Bulletin de la Commission royale d'histoire 96 (1932), 1; Sturler, J. de, Les relations politiques et les échanges commerciaux entre le duché de Brabant et l'Angleterre, 1936 ; Willem van der Tanerijen, Boec van der loopender praktijken der raidtcameren van Brabant, hg. v. Strubbe, E., 1952; Ganshof, F., Brabant, 1938; Middeleeuwe rechtsbronnen van stad en heerlijkheid Breda, hg. v. Cerutti, F., Bd. 1f. 1956ff.; Nikolay, W., Die Ausbildung der ständischen Verfassung in Geldern und Brabant während des 13. und 14. Jahrhunderts, 1985; Godding, P., Le Conseil de Brabant sous le rgne de Philippe le Bon (1430-1467), 1999; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004 Bracton, Henry de (Bratton Fleming 1210- Exeter 1268) ist nach dem Studium des weltlichen und kirchlichen Rechts wohl an der Domschule von Exeter seit etwa 1229 Schreiber (clerk) eines Richters, seit 1245 reisender Richter, von 1247 bis 1257 Richter am Gericht Coram rege (Court of King's Bench) und seit 1264 Domkanzler in Exeter. Sein vielleicht nach 1230 verfasstes oder auch von ihm nur überarbeitetes, durch 48 Handschriften überliefertes, unvollendetes Werk (lat.) -> De legibus et consuetudinibus Angliae (Über Gesetze und Gewohnheiten Englands) bietet auf Grund einer Sammlung von etwa 2000 Urteilen (precedents) des Königsgerichts die beste Darstellung des englischen -> common law des Mittelalters. Der Traktat gliedert sich nach Personen, Sachen und Klagansprüchen. Im dritten Teil behandelt er an Hand der verschiedenen Klageformeln (writs) das Privatrecht, Strafrecht und Lehnrecht. Eine gezielte Romanisierung des englischen Rechts durch B. ist nicht erweislich. Lit.: Bractons Note Book, hg. v. Maitland, F., 1887; Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2 4. A. 1936, 230; Peter H., Actio and writ, 1957; Fesefeldt, W., Englische Staatstheorie des 13. Jahrhunderts, 1962; Richardson, H., Bracton, the problem of his text, 1965; Bracton , hg. v. Woodbine, G., übers. v. Thorne, S., 1968; Thorne, S., Henry de Bracton 1268-1968, 1970 Brandenburg ist die nach der slawischen Brennaburg (928/9) benannte Mark (1157) östlich der Elbe. Nach den Askaniern (1134- 1319), Wittelsbachern, Luxemburgern (1375 Landbuch der Mark Brandenburg) gelangt es als Kurfürstentum (1356) an die Hohenzollern (1411/1417). 1473 legt die -> Dispositio Achillea des Markgrafen Albrecht Achilles die Unteilbarkeit fest. 1614 fallen Kleve, Mark und Ravensberg an, 1618 -> Preußen als Lehen Polens. Seit 1701 tritt B. hinter den Namen Preußen zurück. Der Versuch der Vereinigung des Bundeslandes B. mit Berlin scheitert bei einer Volksabstimmung am 5. 5. 1996. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, H., Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Bd. 1f. 1888; Urkundliches Material aus den Brandenburger Schöppenstuhlsakten, hg. v. Stölzel, A., 1901; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, 1901f.; Spangenberg, H., Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittelalter, 1908; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivlegien für Brandenburg-Preußen, 1908; Altmann, W., Ausgewählte Urkunden zur brandenburgisch-preußischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 2. A. 1914; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk, 1915, Neudruck 1980; Caemmerer, H. v., Die Testamente der Kurfüsten von Brandenburg, 1915; Luck, W., Die Prignitz, 1917; Werminghoff, A., Ludwig von Eyb der Ältere (1417- 1502), 1919; Gley, W., Die Besiedlung der Mittelmark, 1926; Acta Brandenburgica, Bd. 1ff. 1927ff.; Tschirch, O., Geschichte der Chur- und Hauptstadt Brandenburg an der Havel, 1928; Schulze, B., Brandenburgische Landesteilungen, 1928; Schulze, B., Die Reform der Verwaltungsbezirke in Brandenburg und Pommern 1809- 1918, 1931; Erläuterungen zur brandenburgischen Kreiskarte von 1815, v. Schulze, B., 1933; Die alten und neuen brandenburgischen Kreise nach dem Stande von 1815, bearb. v. Curschmann, F. u. a., 1933; Brandenburgische Ämterkarte, bearb. v. Schulze, B., 1935; Schulze, B., Besitz- und siedlungsgeschichtliche Statistik der brandenburgischen Ämter und Städte, 1935; 84 Das Landregister der Herrschaft Sorau von 1381, hg. v. Schultze, J., 1936; Oestreich, G., Der brandenburgisch- preußische geheime Rat, 1937; Ruppel-Kuhfuß, E., Das Generaldirektorium unter der Regierung Friedrich Wilhelms II., 1937; Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375, hg. v. Schultze, J., 1940; Buchda, G., Über die verlorenen hallischen Konstitutionen zum Landrecht der Kurmark Brandenburg (1714), ZRG GA 69 (1952), 385; Schultze, J., Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, 1964 (Aufsätze); Hoppe, W., Die Mark Brandenburg, Wettin und Magdeburg, 1965 (Aufsätze); Engel, E./Zientara, B., Feudalstruktur, Lehnbürgertum und Fernhandel im spätmittelalterlichen Brandenburg, 1967; Geschichte von Brandenburg und Berlin, Bd. 3, hg. v. Herzfeld, H., 1968; Harnisch, H., Die Herrschaft Boitzenburg, 1968; Schmidt, E., Markgraf Otto I. von Brandenburg, ZRG GA 90 (1973), 1; Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von 1594, 1973; Podehl, W., Burg und Herrschaft in der Mark Brandenburg, 1975; Die Mark Brandenburg, hg. v. Schultze, J., Bd. 1ff. 2. A. 1989; Ein sonderbares Licht in Teutschland, hg. v. Heinrich, G., 1990; Brandenburgische Geschichte, hg. v. Materna, I./Ribbe, W., 1995; Justiz in Stadt und Land Brandenburg, hg. v. Clavée, K., 1998; Geschichte der brandenburgischen Landtage, hg. v. Adamy, K. u. a., 1998; Pohl, D., Justiz in Brandenburg 1945-1955, 2001 brandenburgischer Landrechtsentwurf -> Köppen Brandileone, Francesco (Buonabitacolo 1858- Neapel 1929) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Neapel Professor für italienische Rechtsgeschichte in Macerata, Sassari, Parma, Bologna und Rom. Brandmarken ist das schon den Römern (Verbot der B. ins Gesicht durch Kaiser Konstantin) bekannte Kennzeichnen eines Täters durch Brandzeichen (oder Ver- stümmeln), das sich 726 bei den Langobarden und noch 1787 in Österreich und 1832 in Frankreich findet. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 495; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 530, Neudruck 1964; Cate, C. ten, Tot glorie der gerechtigheit, 1975; Hattenhauer, H., Die Brandmarkung in das Gesicht, 1994 Brandstiftung ist das Inbrandsetzen einer (fremden) Sache. Die B. ist in Rom eine Straftat, auf die der Feuertod steht. Im Mittelalter wird sie wegen ihrer Bedeutung in der -> Fehde eher gering gebüßt. Der Sachsenspiegel (1221-1224) kennt Enthauptung oder (bei Mordbrand) Rädern als ihre Strafen, das preußische Allgemeine Landrecht (1794) Enthauptung und Feuertod. Die fahrlässige B. wird schon früh gesondert behandelt. Lit.: Kaser §§ 36, 50; Kroeschell, DRG 1, 2; Osenbrüggen, E., Die Brandstiftung, 1854; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 348; Timcke, G., Der Straftatbestand der Brandstiftung, Diss. jur. Göttingen 1965 Brant, Sebastian (Straßburg 1458-1521), Gastwirtssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Basel Professor (1489), wechselt aber 1501 als Syndicus (bzw. 1503 Stadtschreiber) nach Straßburg. Neben (lat. [F.Pl.]) Expositiones [1490, Ausstellungen9] veröffentlicht er im Rahmen der populären Literatur eine Bearbeitung von Tenglers -> Laienspiegel (1509) und des -> Klagspiegels sowie die Satire Narrenschiff (1494). Lit.: Köbler, DRG 143; Staehelin, A., Sebastian Brant, in: Professoren der Universität Basel, 1960, 18; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962, 127 Brauchtum ist die Gesamtheit der tatsächlich innerhalb einer Personenmehrheit geübten sozialverträglichen Verhaltensweisen. Das B. weist viele Beziehungen zum Recht auf. Insbesondere kann das Recht das B. beeinflussen. Lit.: Köbler, DRG 5; Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und Hochzeit, 1914; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtsbrauch und Kinderspiel, 1920 (SB Heidelberg), 2. A. 1952; Künßberg, E. v., Rechtliche Volkskunde, 1936; Becker, A., Frühlingsbrauch und Sonnenkult, 1937; Fehrle, E., Deutsche Hochzeitsbräuche, 1937; Zipperer, F., Das Haberfeldtreiben, 1938; Lippert, E., Glockenläuten als Rechtsbrauch, 1939; Müller, G., Der Umritt, 1941; Dörrer, A., Brotspenden als Verlöbnis und Gemeinschaftsbrauch, ZRG GA 74 (1957), 266; Erler, A., Burschenbrauchtum vor den Schranken des Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 79 (1962), 254; Schädler, K., Die Lederhose in Bayern und Tirol, 1962; Brückner, W., Bildnis und Brauch, 1966; Cromberg, H., Die Knabenschaftsstatuten der Schweiz, (um 1976); Schieder, E., Das Haberfeldtreiben, 1983; Deimling, B., Ad rufam ianuam, ZRG GA 115 (1988), 498; Becker- 85 Huberti, M., Lexikon der Bräuche und Feste, 2000 Braunschweig an der Oker wird 1031 erstmals erwähnt und wächst aus fünf älteren Siedlungen zusammen. Schon früh steht der Ort unter der Herrschaft der Welfen, deren Reichsfürstentum von 1235 nach B. und Lüneburg benannt wird. Die zeitweise ziemlich selbständige Stadt, die 1227 das Hagenrecht und das sog. Ottonianum aufzeichnet und 1532 ihre Statuten einer 1675 aufgehobenen Reformation unterzieht, geht 1671 an das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel über und gelangt 1946 an Niedersachsen. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der Stadt Braunschweig, Bd. 1ff. 1874ff. (Bd. 5 1994); Hanselmann, L., Die ältesten Stadtrechte Braunschweigs, Hans. Geschbll. 1892, 3; Frensdorff, F., Das braunschweigische Stadtrecht bis zur Rezeption, ZRG GA 26 (1905), 195; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte in Braunschweig-Lüneburg, 1904; Fahlbusch, O., Die Finanzverwaltung der Stadt Braunschweig, 1913; Busch, F., Beiträge zum Urkunden- und Kanzleiwesen der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg, 1921; Hüttebräuker, L., Das Erbe Heinrichs des Löwen, 1927; Wolters, G., Das Amt Friedland und das Gericht Leineberg, 1927; Meier, P., Der Streit Herzog Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel mit der Reichsstadt Goslar, 1928; Kleinau, H., Der Grundzins in der Stadt Braunschweig, 1929; Willecke, R., Das eheliche Güterrecht im Braunschweiger Stadtrecht, 1929; Timme, F., Die wirtschafts- und verfassungsgeschicht- lichen Anfänge der Stadt Braunschweig, 1931; Germer, H., Die Landgebietspolitik der Stadt Braunschweig, 1937; Spieß, W., Die Heerstraßen auf Braunschweig, 1937; Spieß, W., Die Ratsherren der Hansestadt Braunschweig 1231-1671, 1940; Querfurth, H., Die Unterwerfung der Stadt Braunschweig im Jahre 1671, 1953; Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig, hg. v. Spieß, W., 1954; Piper, H., Testament und Vergabung von Todes wegen, 1960; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Herzog Ottos des Kindes, 1961; Moderhack, R., Hundert Jahre Stadtarchiv und Stadtbibliothek, 1961; Spieß, W., Geschichte der Stadt Braunschweig im Nachmittelalter, 1966; Kleinau, H., Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, 1967, 1968 (2425 Namen); Pitz, E., Landeskulturtechnik, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschich- te, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2903; Garzmann, M., Stadtherr und Gemeinde in Braunschweig, 1976; Petersen, W., Verzeichnis der Einblattdrucke und Handschriften, 1984, Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig, 1986; Bringmann, W., Die braunschweigische Thronfolgefra- ge, 1988; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat, 1995; Hackel, C., Der Untergang des Landes Braunschweig, 2000; Die braunschweigische Landesgeschichte, hg. v. Jarck, H. u. a., 2000; Justiz und Anwaltschaft in Braunschweig, hg. v. Isermann, E. u. a., 2004 Braurecht Lit.: Peterka, O., Die bürgerlichen Braugerechtigkeiten in Böhmen, 1917; Brinkmann, H., Das Brauwesen der kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, 1925; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München, 1981 Braut ist zunächst die neuvermählte junge Frau und erst in jüngerer Zeit die durch ein Heiratsversprechen erst zur Eheschließung verpflichtete Frau. Lit.: Köbler, WAS; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch, 1910 Brautlauf ist die im 13. Jh. im Deutschen erloschene Bezeichnung für die Hochzeit. Lit.: Krogmann, W., Brautlauf und Braut, Wörter und Sachen 16 (1934), 81 Bregenz Lit.: Helbok, A., Die Bevölkerung der Stadt Bregenz, 1912 Breisach Lit.: Beyerle, Franz, Das älteste Breisacher Stadtrecht, ZRG GA 39 (1918), 318; Haselier, G., Geschichte der Stadt Breisach am Rhein, 1969 Bremen an der Wesermündung wird 787/789 Sitz eines Bischofs bzw. 845/864 eines Erzbischofs. Im 13. Jh. löst sich B. von der Herrschaft des Bischofs. 1541/1666 wird die Reichsfreiheit erlangt, die sich in der Stellung als Mitglied des Deutschen Bundes und als Land im Deutschen Reich und in der Bundesrepublik Deutschland fortsetzt. 1970 entsteht in B. eine Universität. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kühtmann, A., Die Romanisierung des Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891; Kühtmann, A., Geschichte der bremischen Stadtvogtei, 1900; Rehme, P., Über das älteste bremische Grundbuch (1438-1558), 1908; Gattjen, B., Der Rentenkauf in Bremen, 1928; Eckhardt, K., Die mittelalterlichen Rechtsquellen der Stadt Bremen, 1931; Das bremische Stadtrecht von 1303/08, hg. v. Eckhardt, K., 1931; Haase, C., Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts, 1953; Hinte, P., Die hannoversche 86 Gerichtsbarkeit in der Stadt Bremen von 1720-1803, Diss. jur. Göttingen 1957; Merker, O., Die Ritterschaft des Erzstifts Bremen im Spätmittelalter, 196ich, 1969; 2; Lorenz, G., Das Erzstift Bremen und der Administrator Friedrich, 1969; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2905; Barkhausen, W., Erzbischof Adaldag und König Harald Gormsson, ZRG GA 111 81994), 363; Kessler, A., Die Entstehung der Landesverfassung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996; Bremer Freiheiten, bearb. v. Gerstenberger, H., 1997; Schwarzwälder, H., Das große Bremen-Lexikon, 2000; 700 Jahre Bremer Recht 1303-2003, hg. v. Elmhäuser, K., 2003 Bremgarten Lit.: Bürgisser, E., Geschichte der Stadt Bremgarten, 1937 Breslau an der Oder erscheint im 10. Jh. als befestigte Siedlung. 1225 erhält es eine Marktsiedlung nach deutschem Recht. 1526 fällt es mit Böhmen an Österreich. 1702 wird eine Universität eingerichtet (bis 1811). -> Breslauer Landrecht Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Goerlitz, T., Die Übertragung liegenden Gutes, 1906; Rehme, P., Über die Breslauer Stadtbücher, 1909; Pfitzner, J., Besiedlungs-, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Breslauer Bistumslandes, 1926; Pfeiffer, G., Das Breslauer Patriziat, 1929; Goerlitz, T., Die Breslauer Rechtsbücher des 14. Jahrhunderts, ZRG GA 59 (1939), 136; Lindgren, E., Die Breslauer Strafrechtspflege, 1939; Hermann, E., Das Abgabenrecht der Stadt Breslau, 1941, Goerlitz, T., Verfassung, Verwaltung und Recht der Stadt Breslau, hg. v. Petry, L., 1962; Rabe, C., Alma mater Leopoldina, 1999; Encyklopedia Wroclawia (Enzyklopädie Breslaus), hg. v. Harasimowicz, J., 2000; Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau 1702 bis 1811, hg. v. Conrads, N., 2002; Eschenloer, P., Geschichte der Stadt Breslau, hg. v. Roth, G., 2003; Thum, G., Die fremde Stadt, 2003; Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau 1702 bis 1811, hg. v. Conrads, N. u. a., 2004 Breslauer Landrecht ist die durch König Johann von Böhmen veranlasste, in 351 Kapitel mit 13 Anhangskapiteln gegliederte, im Fürstentum Breslau und Teschen gebrauchte Bearbeitung des Landrechts des - >Sachsenspiegels (1346/1356). Lit.: Köbler, DRG 103; Gaupp, E., Das schlesische Landrecht, 1828, Neudruck 1966; Goerlitz, T., Die Breslauer Rechtsbücher, ZRG 59 (1934), 155; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 30 Bretagne ist die schon früh von Kelten besiedelte westliche Halbinsel Westeuropas, die 56 v. Chr. von Caesar unter die Herrschaft der Römer gebracht wird. Vom 5. Jh. n. Chr. an wandern keltische Briten von Britannien aus ein, die unter die Herrschaft der Franken geraten. Um 845/846 wird die B. vom fränkischen Reich unabhängig, steht bald aber wieder unter französischer und seit 1113 englischer Lehnsherrschaft. Zwischen 1312 und 1325 wird die (franz.) Trs ancienne coutume de B. (Sehr alte Gewohnheit der B.) aufgezeichnet. 1515 wird die B. Krondomäne Frankreichs. Lit.: La trs ancienne coutume de Bretagne, hg. v. Planiol, M., 1896; Poisson, H., Histoire de la Bretagne, 1966; Fleuriot, L., Les origines de la Bretagne, 1980 Breviarium (N.) Alarici (lat.) ist die vom Westgotenkönig Alarich II. vor 507 geschaffene Kurzfassung des nachklassischen römischen Rechts, die für die Romanen im westgotischen Reich gilt und bis in das Hochmittelalter Bedeutung behält. -> Lex Romana Visigothorum Lit.: Söllner § 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 82; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953 Brevium exempla (lat. [N.Pl.]) ist die moderne Bezeichnung eines frühmittelalterlichen Güterverzeichnisses (825-850) für königliche Güter in Staffelsee, Weißenburg und bei Lille. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960, 18 Briand-Kellogg-Pakt -> Kellogg-Pakt Brief (aus lat. breve, kurze [Mitteilung]) ist die (kurze) schriftliche, später durch einen Umschlag verschlossene Mitteilung. Lit.: Die Tegernseer Briefsammlung des 12. Jahrhunderts, hg. v. Plechl, H., 2002; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des Petrus de Vinea, 2002 Briefadel ist der durch Urkunde erlangte Adelsstand und die Gesamtheit der durch Urkunde in den -> Adel erhobenen Menschen. B. ist seit 1346 unter französischem Einfluss möglich (bis 1918). Lit.: Köbler, DRG 98 Briefgeheimnis ist die Geheimheit der in einem Brief (Schriftstück) niedergeschriebenen Gedanken eines Menschen. Der verfassungs- rechtliche Schutz des Briefgeheimnisses ist 87 eine Errungenschaft des 19. Jh.s (Kurhessen 1831). Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Vellusig, R., Geschichte des Briefes, 2000 Bringschuld ist die am Wohnsitz des Gläubigers zu erbringende Schuld. Da Abgaben in der Regel beim Berechtigten abzuliefern sind, ist die B. schon im Frühmittelalter weit verbreitet. Ihre Bedeutung wächst nach dem Aufkommen der Geldwirtschaft. Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, § 28 Brinz, Alois Ritter von (Weiler im Allgäu 25. 2. 1820-München 13. 9. 1887), Sohn eines Landgerichtsaktuars, wird nach dem Studium von Sprachen und Recht in München und Berlin 1851 außerordentlicher Professor und 1854 ordentlicher Professor in Erlangen, Prag (1857), Tübingen (1866) und München (1871). Sein wichtigstes Werk ist ein Pandek- tenlehrbuch (1857ff.), in dem er die juristische Person als Zweckvermögen versteht. Lit.: Rascher, J., Die Rechtslehre des Alois von Brinz, 1975 Britannien -> Brite Brite ist der Angehörige eines keltischen, die britischen Inseln bewohnenden Volkes, das 409 n. Chr. von römischer Herrschaft frei wird, aber wenig später von der Bedrohung durch Angeln, Sachsen und Jüten in die -> Bretagne bzw. nach Wales, Cornwall und Schottland zurück- weicht. Lit.: Ross, A., Pagan Celtic Britain, 2. A. 1974; Brodersen, K., Das römische Britannien, 1998; A Companion to Roman Britain, hg. v. Todd, M., 2004 Brite -> England, Großbritannien, Kelte Britische Zone ist die 1945 Großbritannien zugeteilte -> Besatzungszone Deutschlands. Sie geht am 1. 1. 1947 in der -> Bizone auf. Von 1948 bis 1950 kennt sie einen Obersten Gerichtshof. Lit.: Trittel, Die Bodenreform in der britischen Zone 1945-1949, 1975; Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische Zone, ZNR 3 (1981), 158 Brixen Lit.: Fajkmajer, K., Studien zur Verwaltungsgeschichte des Hochstiftes Brixen im Mittelalter, Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs 6 (1909); Schwüppe, H., Das Bürger- und Inwohnerbuch der Stadt Brixen 1500-1709, Diss. phil. Innsbruck 1955 (masch.schr.) Brocarda oder Brocardica (lat. [F.], Herkunft streitig) ist im Hochmittelalter die in der Kompilation Justinians noch nicht enthaltene, gelehrte Rechtsregel (Pilius, Damasus Boemus um 1215). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, E., Brocardica, ZRG KA 69 (1952), 453; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Bruderschaft (F.) dem Verhältnis von Brüdern nachgebildeter Verband von Priestern oder Handwerkern Lit.: Hinojosa, E. de., La fraternidad artificial en Espaa, Revista de Archivos 1905; Moeller, E. v., Die Elendenbrüderschaften 1906; Le mouvement confraternel, 1987 ; Frank, T., Bruderschaften im spätmittelalterlichen Kirchenstaat, 2002; Rosenplenter, K., Saeculum pium, 2003 Brunner, Heinrich (Wels 21. 6. 1840-Bad Kissingen 11. 8. 1915) wird nach dem Rechtsstudium in Wien Professor in Lemberg (1866/1868), Prag (1870), Straßburg (1872) und Berlin (1873). Unter genauer Quellen- kenntnis durchdringt er den geschichtlichen Stoff juristisch und legt nach zahlreichen Einzelarbeiten (z. B. über Schwurgericht, Urkunde, Landschenkung) 1887 den ersten Band seiner die germanische und fränkische Zeit umfassenden deutschen Rechtsgeschichte vor. Lit.: Köbler, DRG 221; Brunner, H., Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechtes, 1894; Festschrift Heinrich Brunner, 1910; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., 1931; Stutz, U., Heinrich Brunner, ZRG GA 36 (1915), IX Brünn in Südmähren ist der seit 800 erscheinende, im Hochmittelalter von Deutschen aufgesiedelte Ort, der 1243 das Stadtrecht von -> Iglau erhält. Brünner Schöffenbuch ist ein von einem Stadtschreiber Johannes (1343-58) in Brünn verfasstes, sachlich-alphabetisch von (lat. [F.Pl.]) actiones (Klagansprüche) bis vulnera (Wunden) geordnetes -> Rechtsbuch, das (etwa mit der Wendung lex dicit, das Gesetz besagt) in das einheimische deutsche Recht einzelne römisch- rechtliche Zutaten einfügt. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bretholz, B., Geschichte der Stadt Brünn, 1911, Schubart-Fikentscher, G., Das Brünner Schöffenbuch, DA 1 (1937), 457; Schubart- Fikentscher, G., Römisches Recht im Brünner 88 Schöffenbuch, ZRG GA 65 (1947), 86; Weizsäcker, W., Wien und Brünn in der Stadtrechtsgeschichte, ZRG GA 70 (1953), 125; Flódr, M., Právni kniha mìsta Brna z poloviny 14. století 1 (Das Rechtsbuch der Stadt Brünn aus der Mitte des 14. Jahrhunderts 1), 1990; Der Brünner Todesmarsch 1945, hg. v. Hertl, H. u. a., 1998; Lexikon bedeutender Brünner Deutscher, hg. v. Fehige, C. u. a., 2000 Brüssel an der Zenne erscheint am Ende des 7. Jh.s. Es entwickelt sich zum Vorort der burgundischen Niederlande. 1830 wird es Hauptstadt des neuen Königreichs -> Belgien. 1834 erhält es eine Universität. Lit.: Favresse, F., Le conseil de Bruxelles 1282-1521, Revue Belge de Philologie 9 (1930), 139; Godding, P., Le droit foncier á Bruxelles, 1960; Histoire de Bruxelles, hg. v. Martens, M., 2. A. 1979 Buch ist das zu einem Band zusammengefasste Schriftstück. Sein Inhalt kann alle Lebensbereiche erfassen. Rechtlich bedeutsam sind etwa Achtbuch, Gesetzbuch, Grundbuch, Lehrbuch, Rechtsbuch oder Stadtbuch. Bereits in der Antike entstehen Buchsammlungen oder Bibliotheken mit bis zu einer halben Million katalogisierter Schriftrollen (Alexandria um 300 v. Chr., um 350 n. Chr. vielleicht 30 öffentliche Bibliotheken in Rom). Mit dem Übergang (von der vielfach in ausgeliehenen Lagen oder peciis) abgeschriebenen Hand- schrift zur Drucktechnik mit beweglichen Lettern (Johannes Gensfleisch genannt Gutenberg in Mainz zwischen 1440 und 1454, 1448?, Beginn mit Kalenderblättern und Sibyllenweissagungen, ab 1451 42zeilige Bibel mit 48 erhaltenen Exemplaren) wird es zur Massenware, wobei im 16. Jahrhundert bereits 70 bis 90 Millionen einzelne Bücher (d. h. fast eine Million einzelne Bücher im Jahr)im deutschen Sprachraum hergestellt werden. Die Zahl allein der rechtswissenschaftlichen Monographien steigt zwischen 1952 und 2002 von 667 auf 3634 pro Jahr. Lit.: Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler Buchdruck, ZRG GA 77 (1960), 241; Bieber, H., Die Befugnisse und Konzessionierungen der Münchner Druckereien und Buchhandlungen, Diss. jur. München 1956; Fischel, L., Bilderfolgen im frühen Buchdruck, 1963; Presser, H., Buch und Druck, 1978; Lexikon des gesamten Buchwesens, hg. v. Corsten, S., 2. A. 1987; Bülow, M., Buchmarkt und Autoreneigentum, 1990; Rationalisierung der Buchherstellung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, 1994; Janzin, M./Güntner, J., Das Buch vom Buch, 1995; Laienlektüre und Buchmarkt im späten Mittelalter, hg. v. Kock, T. u. a., 1997; Nederemeyer, U., Von der Handschrift zum gedruckten Buch, 1998; Geschichte der Buchkultur, Bd. 1ff., hg. v. Mazal, O. u. a., 1999; Füssel, S., Gutenberg und seine Wirkung, 1999; Zimmer, D., Die Bibliothek der Zukunft, 2000; Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Jäger, G. u. a., 2001ff.; Haegen, P. van der, Der frühe Basler Buchdruck, 2001; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Casson, L., Bibliotheken in der Antike, 2002; Antike Bibliotheken, hg. v. Hoepfner, W., 2002; Hiller, H./Füssel, S., Wörterbuch des Buches, 6. A. 2002; Juristische Buchproduktion im Mittelalter, hg. v. Colli, V., 2002; Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Handbuch der historischen Buchbestände in Österreich, Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa, 1992ff., CD-ROM-Edition 2003; Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004; Wadle, E., Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz, ZRG GA 122 (2005) 301 Buch, Johann von (um 1290 -nach 1356), aus einer seit 1194 als Herren von Buch (bei Tangermünde) bezeugten altmärkischen ritterlichen Familie, ist nach dem Studium in Bologna (1305) Ratgeber und Richter des Markgrafen von Brandenburg (1332 Hauptmann der Mark, 1336 [lat.] capitaneus [M.] generalis, Generalhauptmann, zwischen 1321 und 1356 in zahlreichen Urkunden belegt). Er teilt das Landrecht des - >Sachsenspiegels in drei Teile, versieht es mit einer die Übereinstimmung mit dem römischen und kirchlichen Recht darlegenden Glossierung (buchsche Glosse) und verfasst um 1335 den -> Richtsteig Landrechts. Lit.: Steffenhagen, E., Die Entwicklung der Landrechtsglosse des Sachsenspiegels, SB. d. Akad. Wien 114 (1887), 309; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 29 Bücherkommissar ist der mit der Bücherzensur beauftragte Amtsträger (Köln 1479), dem päpstliche Beauftragte seit dem 13. Jh. (Paris 1323) vorausgehen. 1579 wird für das Reich ein ständiges Bücherkommissariat in Frankfurt eingerichtet, das ohne geringe tatsächliche Bedeutung bis 1792 wirkt. Lit.: Widmann, F., Geschichte des Buchhandels, 1952 Buchführung -> Buchhaltung 89 Buchhaltung ist die Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen eines Unternehmers in Büchern zur Erlangung von Übersicht. Älteste Versuche in dieser Richtung finden sich bereits im 3. vorchristlichen Jahrtausend im vorderen Orient. Im Mittelalter erscheinen die ersten Anfänge unter byzantinisch-arabischem Einfluss in Venedig im 10. Jh. (Genua 1157, Lübeck 13. Jh.). Das älteste erhaltene Kaufmannsbuch Oberdeutschlands ist das Schuldbuch der Familie Holzschuher (Nürnberg 1304). Im 14. Jh. entwickelt sich die doppelte Buchführung mit doppelter Eintragung unter Soll und Haben (Genua 1327). Im 19. Jh. führt die Industrialisierung zur technischen Verfeinerung und greift der Staat ordnend ein. Hinter dem privaten Kaufmann bleibt dabei die öffentliche Verwaltung jeweils deutlich zurück. Lit.: Penndorf, B., Geschichte der Buchhaltung in Deutschland, 1913; Melis, F., Aspetti della vita economica medievale, 1962; Weiss, S., Buchhaltung und Rechnungswesen des Avignoneser Papsttums (1316- 1378), 2003 Budaeus -> Budé Budapest an der Donau entsteht 1872 durch Zusammenlegung der auf antiken Grundlagen ruhenden, 1148 erstmals erwähnten Städte Buda und Pest, die 1526 bzw. 1541 von den Osmanen erobert werden (bis 1686). 1635 wird eine Universität eingerichtet. 1872 wird B. Hauptstadt der transleithanischen Reichshälfte Österreichs, 1918 Hauptstadt Ungarns. Lit.: Mesterházi, L., Tausendjähriges Budapest, 1970 Budé (Budaeus), Guillaume (Paris 26. 1. 1468- 23. 8. 1540) tritt nach dem Rechtsstudium in Orléans (1483-86) in die Dienste des Königs von Frankreich. Nach einer Plutarch- übersetzung aus dem Spanischen (1503) legt er 1508 (lat.) Annotationes (F.Pl.) in pandectas (Anmerkungen zu den Pandekten) vor, in denen er die Pandekten philologisch-historisch unter- sucht und das erste Beispiel des (lat.) -> mos (M.) Gallicus (gallische Art) gibt. Die Anwendbarkeit der in sich uneinheitlichen Rechtssammlung auf seine Gegenwart verneint er. Lit.: Köbler, DRG 143; Delaruelle, L., Guillaume Budé, 1970 Budgetrecht ist das Recht, Einnahmen und Ausgaben im Staatshaushalt durch Gesetz festzulegen. Es geht im 19. Jh. vom Landesherrn an das -> Parlament über (Preußen 1850). Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004 Büdingen Lit.: Philippi, H., Territorialgeschichte der Grafschaft Büdingen, 1954 Bukarest erscheint auf antiken Siedlungsspuren im 13. Jh. als Marktflecken. 1862 wird es Hauptstadt Rumäniens. 1864 erhält B. eine Universität. Bukowina am Osthang der Karpaten gehört seit dem 14. Jh. zu dem späteren türkischen Vasallenfürstentum Moldau. 1775 gelangt die B. an -> Österreich, wo sie 1849 eigenes Kronland wird. 1919 fällt B. an -> Rumänien, 1940 im Norden an die Sowjetunion. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Röskau-Rydel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999 Bulgarien südlich der unteren Donau ist anfangs von Thrakern besiedelt, die im 5. Jh. v. Chr. unter die Herrschaft der Makedonier, im 2. Jh. v. Chr. der Römer kommen. Im 7. Jh. entsteht aus Slawen, Thrakern, Awaren und Turkvölkern das Volk der Bulgaren, das 681 und 1185 zu einem eigenen Reich findet. 1393 fällt B. an die Osmanen (Türken). 1877/1878 löst sich B. teilweise, 1908 als eigenes Zarenreich vollständig von der türkischen Herrschaft. 1945 wird B. kommunistisch. Sein Recht ist entsprechend dieser Entwicklung römisch, slawisch, osmanisch, westlich, sozialistisch und nach 1990 demokratisch geprägt. Lit.: Stefanov, I. u. a., Bulgarien, 1975; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,243; Revolution auf Raten ­ Bulgariens Weg zur Demokratie, hg. v. Höpken, W., 1996; Knaus, G., Bulgarien, 1997; Crampton, R., A Concise History of Bulgaria, 1997; Härtel, H. u. a., Bulgarien, 1998; 100 Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M. u. a., 1998; Öffentlichkeit ohne Tradition, hg. v. Heppner, H., 2003 Bulle ist die ein Siegel umschließende Kapsel, das Siegel sowie die mit ihm versehene Urkunde. Aus Byzanz kommt die Bleibulle im 6. Jh. in die päpstliche Kanzlei und von dort am Ende des 8. Jh.s an den fränkischen Hof (1226 Goldene Bulle von Rimini, 1356 -> Goldene Bulle Karls IV.). 90 Lit.: Ewald, W., Siegelkunde, 1914; Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. 1356, bearb. v. Müller, K., 1970 Bund ist die gewollte Verbindung von Menschen zu einer übergeordneten Einheit. Politisch bedeutsam ist beispielsweise der -> Deutsche B. Im Bundesstaat kann auch der Gesamtstaat als B. bezeichnet werden. Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 582 Bundesakte -> Deutsche Bundesakte Bundesarbeitsgericht ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in arbeits- rechtlichen Streitigkeiten mit Sitz in Kassel bzw. Erfurt (1996). Lit.: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, hg. v. Gamillscheg, F. u. a., 1975; Grunsky, W., Arbeitsgerichtsgesetz, 6. A. 1990; 50 Jahre Bundesarbeitsgericht, hg. v. Oetker, H. u. a., 2004 Bundesexekution ist im Deutschen Bund die Ausführung der Bundesakte, der Bundesbeschlüsse und gerichtlicher und gerichtsähnlicher Entscheidungen durch den Deutschen Bund gegenüber einem Bundesglied (z. B. 1830 gegen Braunschweig, 1834 gegen Frankfurt, 1864 gegen Dänemark sowie formlos 1866 gegen Preußen). Bundesfinanzhof ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in Finanz- streitigkeiten mit Sitz in München. Der B. ist Nachfolger des zum 1. 10. 1918 eingerichteten Reichsfinanzhofes. Lit.: Offerhaus, K., Der Bundesfinanzhof, 3. A. 1993 Bundesgerichtshof ist seit 1. 10. 1950 das oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutsch- land mit Sitz in Karlsruhe. Lit.: Möhring, P., 25 Jahre Bundesgerichtshof, NJW 1975, 1820; Otto, J., Bibliothek des Bundesgerichtshofs, 1996 (rund 475000 Bände); Pieper, K., Palais im Park, 1999; Medicus, D., Entscheidungen des BGH als Marksteine für die Entwicklung des allgemeinen Zivilrechts, NJW 2000, 2921; Die Praxis des Bundesgerichtshofes im deutschen Rechtsleben, hg. v. Canaris, C. u. a., Bd. 1ff. 2000; Schubert, W./Glöckner, H., Vom Reichsgericht zum Bundesgerichtshof, NJW 2000, 2971; Fortitudo temperantia - Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000 Bundeskanzler ist der politische Führer der Regierung in Deutschland (1949) und Österreich. Bundesoberhandelsgericht ist das für Handelssachen durch Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 12. 6. 1869 gegründete und in Leipzig eingerichtete Gericht. 1871 wird es zum auch die süddeutschen Staaten erfassenden Reichs- oberhandelsgericht, das 1879 im -> Reichsgericht aufgeht. Lit.: Köbler, DRG 195; Behrend, J., Das Bundesoberhandelsgericht, Z. f. Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen, 3, 200; Winkler, S., Das Bundesoberhandelsgericht und das spätere Reichsoberhandelsgericht, 2001 Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt in Deutschland (1949) und Österreich. Bundesrat ist (im -> Norddeutschen Bund und) im Deutschen Reich von 1871 das die Mitwirkung der Einzelstaaten am Bundes- geschehen ermöglichende Organ, das als Träger der obersten Gewalt den Gesamtstaat als Einheit repräsentiert. Von seinen 58 Stimmen entfallen 17 auf Preußen, 24 auf 7 mittlere Staaten und je eine auf die übrigen 17 Länder. Mit dem -> Reichstag erlässt der B. Gesetze. Auch die Bundesrepublik Deutschland kennt einen B. als Vertretung der (11 bzw. 1990) 16 Länder. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 174, 195, 220, 248, 257; Reincke, H., Der alte Reichstag und der neue Bundesrat, 1906; Maunz, T., Der Bundesrat in Vergangenheit und Gegenwart, Hist. Jb. 74 (1955), 446; Scholl, Udo, Der Bundesrat in der deutschen Verfassungsentwicklung, 1982; Klein, E., Die Rolle des Bundesrates und der Länder, 1998 Bundesrecht ist das vom Bund der Bundesrepublik Deutschland geschaffene bzw. übernommene Recht, im weiteren Sinn das Recht jeden Bundes. Lit.: Zachariä, H., Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd. 1f. 3. A. 1867; Bluntschli, J., Geschichte des schweizerischen Bundesrechts, 1875 Bundesregierung ist die Regierung eines Bundesstaates. Lit.: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, hg. v. Booms, H., 1953ff.; Die Mitglieder der Bundesregierungen, hg. v. Kempf, U. u. a., 2000; Kanzler und Minister 1949-1998, hg. v. Kempf, U., 2001 Bundesrepublik ist die föderalistische Republik (z. B. Österreich, Deutschland). Lit.: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Bracher, K., Bd. 1ff. 1982ff.; Benz, W., Von der 91 Besatzungsherrschaft zur Bundesrepublik, 1984; Morsey, R., Die Bundesrepublik Deutschland, 4. A. 2000; Thränhardt, D., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2. A. 1996; Geschichte der deutschen Einheit, Bd. 1ff. 1997ff.; Ritter, G., Über Deutschland, 1998; Schäfer, J., Deutsche Geschichte (CD-ROM), 1998; ZEIT-Geschichte der Bonner Republik, hg. v. Dönhoff, M. u. a., 1999; Görtemaker, M., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 1999; Nörr, K., Die Republik der Wirtschaft, 1999; Fünfzig Jahre Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Conze, E. u. a., 1999; Frei, N., Vergangenheitspolitik, 1999; Baring, A., Es lebe die Republik, 1999; Dippel, H., Die Konstitutionalisierung des Bundesstaats, in: Der Staat, 1999, 221; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945- 1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, Wolfgang, 1999; Rupp, K., Politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 3. A. 2000; Kielmannsegg, P. Graf, Nach der Katastrophe, 2000; Recker, M., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2002; Rödder, A., Die Bundesrepublik Deutschland 1969-1990, 2003; Die Bundesrepublik Deutschland. Staatshandbuch, 2003 Bundessozialgericht ist das oberste Gericht der Sozialgerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Kassel. Bundesstaat ist der Zusammenschluss von Staaten zu einem neuen Staat (z. B. Deutsches Reich 1871, Schweiz). Lit.: Grzeszick, B., Vom Reich zur Bundesstaatsidee, 1996; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2002 Bundestag ist allgemein die Versammlung der Mitglieder eines Bundes, insbesondere das Parlament der Bundesrepublik Deutschland. Lit.: Schäfer, W., Der Bundestag, 4. A. 1982; Vierzig Jahre Deutscher Bundestag, hg. v. Neske, G., 1989; Ismayr, W., Der deutsche Bundestag, 1992; Die Mitglieder des Deutschen Bundestages, 1998; Der Deutsche Bundestag 1949-1999, hg. v. Deutschen Bundestag, 1999; Schindler, P., Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, 1949­1999, 1999; Reker, S., der Deutsche Bundestag, 1999; M. d. B. Volksvertretung im Wiederaufbau 1946-1961, hg. v. Schumacher, M., 2000; Biographisches Handbuch der Mitglieder des deutschen Bundestages 1949-2002, hg. v. Vierhaus, R. u. a., 2002f. Bundesverfassungsgericht ist das am 7. 9. 1951 mit Sitz in Karlsruhe errichtete Verfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland (bis 2001 132000 Verfahren, davon 127000 Verfassungsbeschwerden). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257, 261; Schlaich, K./Korioth, S., Das Bundesverfassungsgericht, 6. A. 2004; Haltern, U., Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie und Misstrauen, 1998; Das Bundes- verfassungsgericht, hg. v. Limbach, J., 2000; Limbach, J., Das Bundesverfassungsgericht, 2001; Limbach, J., Das Bundesverfassungsgericht und der Grundrechtsschutz in Europa, NJW 2001, 2913; Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, hg. v. Badura, P. u. a., 2001; Grigoleit, K., Bundesver- fassungsgericht und deutsche Frage, 2004; Wesel, U., Der Gang nach Karlsruhe, 2004 Bundesversammlung ist die Versammlung von Mitgliedern eines Bundes (z. B. Deutscher Bund 1815-1866 mit Sitz in Frankfurt am Main). In der Bundesrepublik Deutschland wählt eine B. den Bundespräsidenten. Lit.: Dublin-Honegger, J., Die Anfänge der schwei- zerischen Bundesversammlung, Diss. jur. Basel 1978; Moldenhauer, R., Aktenbestand und Geschäftsverfahren der deutschen Bundesversammlung, Archival. Z. 1978, 35 Bundesverwaltungsgericht ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in Verwaltungsstreitigkeiten mit Sitz in Berlin (bzw. Leipzig). Lit.: Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, hg. v. Schmidt-Aßmann, E., 2003 Bündnis Lit.: Rauch, G., Die Bündnisse deutscher Herrscher mit Reichsangehörigen, 1966; Verosta, S., Theorie und Realität von Bündnissen, 1971 Bündnisrecht ist das Recht, Bündnisse mit anderen einzugehen. Ursprünglich jedem Inhaber herrschaftlicher Gewalt offen, wird es in England und Frankreich durch den Staat beseitigt. Im deutschen Reich eröffnen es die Goldene Bulle (1356) und der Westfälische Friede von Münster und Osnabrück (1648) für die Reichsstände, sofern es sich nicht gegen Kaiser und Reich richtet. Im -> Deutschen Bund ist es nur durch die Verpflichtung beschränkt, die Sicherheit des Bundes oder einzelner seiner Glieder nicht zu be- einträchtigen. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bezold, F. v., Das Bünd- nisrecht, 1904; Böckenförde, E., Der Westfälische Friede und das Bündnisrecht der Reichsstände, Der Staat 8 (1969) 449 Bunge, Friedrich Georg von (Kiew 1802- Wiesbaden 1897) begründet als Professor für 92 Provinzialrecht in Dorpat die baltische Rechtsgeschichte und bearbeitet den 1864 veröffentlichten Band 3 des Provinzialrechts der Ostseegouvernements, der in Lettland bis 1937 und in Estland bis 1945 als Zivilgesetzbuch gilt. Lit.: Recke, J./Napiersky, C., Allgemeines Schriftsteller- und Gelehrtenlexikon, 1827, 303, 1859, 112 Burchard von Ursberg Lit.: Wulz, W., Der spätstaufische Geschichtsschreiber Burchard von Ursberg, 1982 Burchard von Worms (965-Worms 20. 8. 1025), aus dem Hause der Grafen von Reichenbach-Ziegenhain, wird nach seiner Erziehung in Koblenz 1000 Bischof von Worms. Sein wohl zwischen 1008 und 1012 verfasstes Handbuch ([lat., N.] Decretum) in 20 Büchern und 1785 Kapiteln (davon 163 noch herkunftsmäßig ungeklärt) ist die wichtigste vorgratianische Kanonessammlung. Sie beruht auf der (lat.) Collectio (F.) Anselmo dedicata (dem Anselm gewidmete Sammlung), dem (lat.) Liber (M.) de synodalibus causis (Buch über Synodalsachen) des -> Regino von Prüm und einzelnen Kanones und Dekretalen sowie Bußbüchern und Kirchenschriften. Seine (lat.) Lex (F.) familiae Sancti Petri (1023-1025) ist ein frühes Beispiel eines grundherrschaftlichen Hofrechts. Lit.: Meyer, G., Überlieferung und Verbreitung des Dekrets des Bischofs Burchard von Worms, ZRG KA 55 (1935), 141; Theuerkauf, G., Frühmittelalterliche Studien, Bd. 2, 1968; Kerner, M., Studien zum Dekret des Bischofs Burchard von Worms, Diss. phil. Aachen 1971; Hoffmann, H./Pekorny, R., Das Dekret, 1991; Bischof Burchard von Worms 1000-1025, hg. v. Hartmann, W., 2000; Corbet, P., Autour de Burchard de Worms, 2001 Burg ist der befestigte Ort, der anfangs wohl nur der Zuflucht dient. Im Frühmittelalter wird auch die antike Stadt oder das Kastell als B. bezeichnet. Vielleicht nach deren Vorbild entstehen an vielen Stellen Burgen, von denen nur ein Teil auch urkundlich belegt ist. Wohl seit dem 11. Jh. sondern sich B. und Stadt. In der Neuzeit ersetzt der Adel die B. durch das Schloss. In der Gegenwart sind 50 Prozent aller namentlich bekannten mitteleuropäischen Burgen verschwunden, vom Restbestand drei Viertel nur noch Ruinen. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 79, 96; Merz, W., Mittelalterliche Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 1906; Koehne, C., Mühlenbann und Burgenbau, ZRG GA 28 (1907), 63; Fischer, H., Burgbezirk und Stadtgebiet im deutschen Süden, (1956); Burgen, Schlösser und Burgherrengeschlechter der Ostschweiz, hg. v. Meili, H., 1970; Jäschke, K., Burgenbau und Landesverteidigung um 900, 1975; Die Burgen im deutschen Sprachraum, hg. v. Patze, H., 1976; Binding, G. u. a., Burg, Lexikon des Mittelalters, Bd. 2 1983, 927; Streich, G., Burg und Kirche, 1984; Allen Brown, R., Castles, Conquest & Charters, 1989; Burg ­ Burgstadt - Stadt, 1994; Burgen im Spiegel der Überlieferung, hg. v. Ehmer, H., 1998; Burgen in Mitteleuropa, hg. v. Böhme, H. u. a., 1999; Spazier, I., Mittelalterliche Burgen zwischen mittlerer Elbe und Bober, 1999; Pfälzisches Burgenlexikon, hg. v. Keddigkeit, J. u. a., Bd. 1 1999; Krahe, F., Burgen und Wehrtürme, 2002 Burg (Stadt bei Magdeburg) Lit.: Das Burger Landrecht hg. v. Markmann F. u. a., 1938 Burgenland ist das ursprünglich meist zu Ungarn gehörige, seit dem 11. Jh. zunehmend von Deutschen besiedelte Gebiet, das 1919 -> Österreich als Bundesland zugesprochen wird. Lit.: Urkundenbuch des Burgenlandes, Bd. 1ff. 1955ff.; Burgenland 1938, 1988; Ernst, A., Geschichte des Burgenlandes, 2. A. 1991 Bürge ist, wer sich durch Vertrag mit einem Gläubiger eines Dritten verpflichtet, dem Gläubiger gegenüber für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. -> Bürgschaft Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 44, 74, 128 Bürger ist der Bewohner der -> Stadt. Ihm entspricht lateinisch vor allem civis (M.), das hauptsächlich den Angehörigen des römischen Volkes im Gegensatz zum Nichtrömer und zum Sklaven meint. Im deutschen Frühmittelalter engt sich der weitere Begriff des ahd. burgari, Burgbewohner, wohl seit dem 11. Jh. auf den B. ein. Er hat -> Bürgerrecht. In der Neuzeit wird B. dagegen jeder, der nicht zum Adel oder zu den Bauern gezählt wird (Preußen 1794). Er ist der Prototyp des modernen Staatsbürgers. Lit.: Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 (1936), 150; Struck, W., Die Neubürger von Großalsleben 1604-1874, 1962; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; 93 Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 672; Felser, R., Herkunft und soziale Schichtung der Bürgerschaft obersteirischer Städte und Märkte, 1977; Res publica, Bürgerschaft in Stadt und Staat, hg. v. Dilcher, G., 1988; Bürgertum im 19. Jahrhundert, hg. v. Kocka, J., 1995; Dilcher, G., Bürgerrecht und Stadtverfassung, 1996; Bürgertum und bürgerlich-liberale Bewegung, hg. v. Gall, L., 1997; Ruppert, K., Bürgertum und staatliche Macht in Deutschland zwischen französischer und deutscher Revolution, 1997; Haupt, H./Crossick, G., Die Kleinbürger, 1998; Reidegeld, E., Bürgerschaftsre- gelungen, Freizügigkeit, Gewerbeordnung und Armen- pflege, ZRG 116 (1999), 87; Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums, hg. v. Lundgreen, P., 2001; Neubürger im späten Mittelalter, hg. v. Schwiunges, R. u. a., 2002; Bürgertum in Thüringen, hg. v. Hahn, H. u. a., 2001; Lässig, S., Jüdische Wege ins Bürgertum, 2004 Bürgerbuch ist das die -> Bürger der mittelalterlichen Stadt verzeichnende -> Buch (z. B. Köln 1130-1140, Rostock 1258, Lübeck 1259). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Andernacht, D./Stamm, O., Die Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt, 1955; Das älteste Bürgerbuch der Stadt Soest, hg. v. Rothert, H., 1958 Bürgerlehen ist das -> Lehen eines -> Bürgers. Es entsteht meist durch Verkauf durch den Adel. Der älteste Beleg für das B. reicht bis in das 11. Jh. (Regensburg 1072/1073). Bis in das 15. Jh. nimmt die Zahl der B. zu, dann infolge des Widerstandes des landständigen Adels ab. Die danach noch bestehenden B. gleichen sich an Miete und Pacht an. Lit.: Frensdorff, F., Die Lehnsfähigkeit der Bürger, 1895; Grabscheid, D., Die Bürgerlehen im altdeutschen Reichsgebiet, Diss. phil. Frankfurt am Main 1957 Bürgerlicher Tod ist der rechtliche Tod im Gegensatz zum natürlichen Tod. Er bewirkt den Verlust der bürgerlichen Rechtsfähigkeit (Fähigkeit, Eigentümer zu sein, eine Ehe einzugehen oder aufrechtzuerhalten, zu schenken, zu testieren, Vormund zu sein, Zeuge zu sein usw.). Er ist wohl aus unterschiedlichen Wurzeln (Acht, Exkommunikation, Infamie) entstanden (16. Jh. mort civile als Bezeichnung bestimmter Kapitalstrafen mit Bürgerrechtsver- lust). Im 17. Jh. ist er die Folge des Gerichtsungehorsams, im 18. Jh. die Folge jedes Urteils auf Todesstrafe und vieler lebenslänglicher Strafen. In der Mitte des 19. Jh.s tritt der bürgerliche Tod zurück (Bayern 1849, Preußen 1850, Frankreich 1854). Ähnliche Folgen wie der bürgerliche Tod zieht zeitweise auch die Ablegung des klösterlichen Armutsgelübdes (Klostertod) nach sich. Lit.: Hübner 56; Weithase, F., Über den bürgerlichen Tod als Straffolge, Diss. jur. Berlin (FU) 1966; Borgmann, B., Mors civilis, 1969; Borgmann, B., Mors civilis, Ius commune 4 (1972), 81 Bürgerliches Gesetzbuch ist allgemein das vom politischen Bürgertum im 18. Jh. zur gesetzlichen Regelung des Privatrechts geforderte Gesetzbuch. Es wird in Frankreich 1804 (Code civil), in Österreich 1811/2 (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) und in Sachsen 1863 (Bürgerliches Gesetzbuch) verwirklicht, während es andernorts nur zu Entwürfen kommt (Preußen 1842, Hessen- Darmstadt 1842, Bayern 1861/1864). In Deutschland erreichen nach vergeblichen Gesetzgebungsanträgen der Jahre 1867-1872 die nationalliberalen Abgeordneten Miquel und Lasker am 20. 12. 1873, dass die Gesetzgebungszuständigkeit des Deutschen Reiches vom Schuldrecht auf das gesamte bürgerliche Recht ausgedehnt wird. Auf ein Gutachten des Handelsrechtlers Goldschmidt und den Vorschlag einer später sog. Vorkommission (1874) wird eine (erste) Kommission mit 11 Mitgliedern (u. a. Planck, Windscheid) eingesetzt. Ihr 1888 mit Motiven vorgelegter Entwurf wird von verschiedenen Seiten (u. a. Menger, Gierke) angegriffen. Daraufhin wird 1890 eine zweite Kommission (u. a. Planck, von Jacubezky) samt einer vorgeschalteten Vorkommission mit der Umarbeitung beauftragt, die nach einigen Veränderungen 1895 den zweiten Entwurf mit Protokollen dem Bundesrat vorlegt. Der danach 1896 im Reichstag mit einer Denkschrift eingebrachte dritte Entwurf wird nach Bearbeitung am 18. 8. 1896 verkündet und zum 1. 1. 1900 in Kraft gesetzt. Das die Geltung des preußischen Allgemeinen Landrechts, des Code civil und des gemeinen Rechts in Deutschland beendende Gesetzbuch ist ein für neue Anforderungen durchaus offenes, recht begriffliches, ziemlich abstraktes, nach den Erscheinungsformen des subjektiven Rechtes und vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreitend in fünf Bücher gegliedertes 94 Erzeugnis technisch geschulter Juristen, unter denen eine überragende schöpferische Persönlichkeit fehlt. Inhaltlich überwiegen die den bürgerlichen Kreisen angemessenen und vorteilhaften liberalen Züge, zu denen patriarchalisch-konservative und soziale Elemente hinzukommen. Das Bürgerliche Gesetzbuch beeinflusst das Privatrecht vieler Länder (Japan, Schweiz, Österreich, China, Brasilien, Thailand, Peru, Griechenland, Italien, Frankreich). Sein Inhalt ist inzwischen vor allem im Familienrecht erheblich verändert. Lit.: Söllner §§ 1, 16, 25; Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181, 182, 207, 212; Gradenwitz, O., Wörterverzeichnis zum bürgerlichen Gesetzbuche, 1902; Wieacker, F., Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, 1953; Gmür, R., Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965; Brandt, D., Die politischen Parteien und die Vorlage des Bürgerlichen Gesetzbuches im Reichstag, 1975 (Diss.); Die Beratung des BGB in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, hg. v. Schubert, W., 1980ff.; Behn, M., Der Generalbericht der badischen Kommission zur Begutachtung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche Reich, ZRG GA 99 (1982), 113; Caroni, P., Liberale Verfassung und bürgerliches Gesetzbuch im 19. Jahrhundert, 1988; John, M., Politics and the Law in the late nineteenth century Germany. The Origins of the Civil Code, 1989; 1989; Schroeder, K., Deutsches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch, ZRG GA 109 (1992), 152; Muscheler, K., Die Rolle Badens in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1993; Schmoeckel, M., 100 Jahre BGB, NJW 1996, 1697; Schulte-Nölke, H., Die schwere Geburt des Bürgerlichen Gesetzbuches, NJW 1996, 1784; Knieper, R., Gesetz und Geschichte, 1996; Die Sozialdemokratie und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Vormbaum, T., 1996; Bürgerliches Gesetzbuch 1896-1996, hg. v. Schlosser, H., 1997; Schubert, W., Das Bürgerliche Gesetzbuch im Urteil französischer Juristen bis zum ersten Weltkrieg, ZRG GA 114 (1997), 128; Das deutsche Zivilrecht 100 Jahre nach Verkündung des BGB, 1997; Kern, B., Der preußische BGB-Entwurf von 1842,, 1998; BGB- Synopse 1896-1998, hg. v. Strätz, H., 1998; Eiffler, S., Die Feuertaufe des BGB, ZNR 1998, 238; Horn, N., Ein Jahrhundert Bürgerliches Gesetzbuch, NJW 2000, 40; Gast, B., Der Allgemeine Teil und das Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches im Urteil von Raymond Saleilles, 2000; Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, hg. v. Falk, U. u. a., 2000; Kramer, E., Der Einfluss des BGB auf das schweizerische und österreichische Privatrecht, AcP 200 (2000), 365; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen Staat und Kirche. Mitwirkung der Zentrumspartei, 2001; Wolters, M., Die Zentrumspartei und die Entstehung des BGB, 2000; Depping, A., Das BGB als Durchgangspunkt. Privatrechtsmethode und Privatrechtsleitbilder bei Heinrich Lehmann (1876-1963), 2002; Das BGB im Wandel der Epochen, hg. v. Sellert, W. u. a., 2002; Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, hg. v. Schmoeckel, M./Rückert, J./Zimmermann, R., Bd. 1 2003; Staudinger, J. v., Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch ­ Eckpfeiler des Zivilrechts, 2005 Bürgerliches Recht ist das von den Bürgern in der Französischen Revolution (1789) als Recht einer egalitären Gesellschaft errungene Privatrecht. Es leitet sich sprachlich von (lat.) ius (N.) civile ab. Neben ihm steht beispielsweise das Handelsrecht (wie in Frankreich neben dem Code civil der Code de commerce). Bürgermeister ist seit der Mitte des 13. Jh.s (Köln 1258, Basel 1261) der Vorsitzende des kollegialen Verwaltungsorgans und Repräsentant der Gemeinschaft zunächst in der -> Stadt, dem ein etwas älterer lateinischer -> magister (M.) civium (Köln) bzw. magister civilis (Hildesheim-Dammstadt 1196) vorausgehen. Der B. wird teils gewählt, teils eingesetzt. Er hat sowohl verwaltende wie auch richterliche Aufgaben und Befugnisse. An vielen Orten gelingt ihm ein allmählicher Ausbau seiner Stellung. Oft finden sich mehrere B. nebeneinander. -> Selbstverwaltung Lit.: Kroeschell, DRG 2, 41; Köbler, DRG 111, 198; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980, 323; Rabus, K., Der Ulmer Bürgermeister bis 1548, Diss. jur. Tübingen 1952; Rörig, W., Die Entwicklung der rheinischen Bürgermeistereiverfassung, Diss. jur. Mainz 1957; Stemmler, G., Die Amtskette des Bürgermeisters, 2002; Weil, F., Entmachtung im Amt, 2004 Bürgerrecht ist die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft der -> Bürger. Schon in Rom vermittelt die Stellung als civis (M.) Romanus ([lat.] römischer Bürger) ein Bündel von Rechten und Pflichten, weil nur für den civis Romanus das römische (lat.) -> ius (N.) civile gilt. In gleicher Weise sondert das B. den 95 Bürger zunächst der -> Stadt aus der Allgemeinheit aus. Der Erwerb des Bürgerrechts erfolgt dabei meist durch Geburt, daneben durch einen besonderen Akt der Aufnahme. -> Grundrecht, Menschenrecht Lit.: Kaser §§ 3, 13, 58; Söllner § 12; Kroeschell, DRG 1, 2; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Hartung, F./Commichau, G., Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 5. A. 1985; Julen, T., Das Bürgerrecht im Oberwallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1978; Deeters, J., Das Bürgerrecht der Reichsstadt Köln, ZRG GA 104 (1987), 1; Menschen- und Bürgerrechte, hg. v. Klug, U., 1988; Dilcher, G., Bürgerrecht und Stadtverfassung, 1996 Burggraf ist der eine Burg verwaltende Graf (z. B. B. von Nürnberg). Lit.: Rietschel, S., Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit, 1905; Peterka, O., Das Burggrafentum in Böhmen, 1906; Brünneck, W. v., Das Burggrafenamt und Schultheißentum in Magdeburg und Halle, 1908; Eckhardt, K., Präfekt und Burggraf, ZRG GA 46 (1926), 163 Burghausen Lit.: Leidl, G., Rechtsgeschichte der Stadt Burghausen an der Salzach, 1960 Burgrecht erscheint seit der ersten Jahrtausendwende als Lehnübersetzung (ahd. burgreht) des lateinischen ius (N.) civile. In Süddeutschland bezeichnet es seit 1167 eine Landleihe zu freiem Erbzins. Daneben findet es sich etwas später als Benennung des -> Stadtrechts und des -> Bürgerrechts. Lit.: Köbler, DRG 104; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964 Bürgschaft ist der einseitig verpflichtende Vertrag zwischen einem Gläubiger eines Dritten und einem -> Bürgen, in welchem sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger des Dritten verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Bereits bei den Römern ist die B. das wichtigste Mittel zur Sicherung einer Forderung. Vermutlich verbürgen sich dabei (lat. [M.]) vas bzw. praes zunächst noch nicht für die Leistung des Schuldners, sondern übernehmen nur eine Haftung dafür, den Schuldner (oder eine Sache) zu bestimmter Zeit an bestimmtem Ort zu stellen (Gestellungsbürge). Erst aus der Verschmel- zung dieser Einrichtung mit einem Leistungsversprechen (lat. [F.] sponsio) erwächst der (Leistungs-)Bürge (lat. [M.] adpromissor, sponsor, fidepromissor, fideiussor [1. Jh. v. Chr.]). Für das deutsche Recht steht ebenfalls die Herkunft der B. nicht sicher fest (Pfandrecht?, Gestellung zwecks Vermeidung der Festnahme des Schuldners?). Im späten Mittelalter tritt die B. gegenüber dinglichen Sicherheiten zurück. Teils haftet der Bürge dem Gläubiger ausschließlich, teils haftet auch der Schuldner. Verschiedentlich haften beide gesamtschuldnerisch. Zuerst begegnet die heutige Gestaltung, dass der Bürge primär und der Schuldner grundsätzlich nur subsidiär haftet (Einrede der Vorausklage), in Nord- deutschland. Lit.: Kaser §§ 50, 57; Hübner 508; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 44, 74, 128; Beyerle, F., Der Ursprung der Bürgschaft, ZRG GA 47 (1927), 567; Kaufmann, E., Die Bürgschaft im Recht des Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 74 (1957), 199; Martin, R., Das Bürgschaftsrecht Nord- und Ostdeutschlands, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Eggert, R., Die Bürgschaft im süddeutschen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Reimer, K., Treuhandbürgschaft und Sicherungsbürg- schaft, ZRG GA 85 (1968), 194; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht in historischer Sicht, 1974; Feenstra, R., Die Bürgschaft, Rec. Soc. J. Bodin 28 (1974), 295; Walliser, P., Die Amtsbürgschaft im schweizerischen Recht, ZRG GA 96 (1979), 100; Maier, K., Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen Gesetzbüchern des 16.-18. Jahrhunderts, 1980; Hoppe, C., Die Bürgschaft im Rechtsleben Hamburgs, 1997; Jenks, S., Die Bürgschaft im mittelalterlichen englischen Strafrecht, Diss. phil., Berlin 1998 Burgund (franz. Bourgogne) ist zunächst die von den -> Burgundern in der Völkerwanderung besiedelte Landschaft (zwischen 400 und 436 Mainz bis Worms, nach 436 bzw. 443 um Genf und Lyon). Danach ist B. ein fränkisches Teilreich. 879 entsteht ein Königreich B. (Niederburgund), das von dem 888 errichteten Königreich B. (Hochburgund) 950 aufgesogen wird und mit diesem einschließlich der Grafschaft B. (Franche- Comté) 1032 an das Deutsche Reich fällt. Das westlich der Saône entwickelte, 963 an die -> Kapetinger gelangte Herzogtum B. gewinnt im 14. und 15. Jh. große Bedeutung, bis es über Maria von B. 1477/82 größtenteils an die -> Habsburger kommt, in seinem Kern aber 1493 - 96 > Frankreich zugeschlagen wird. Das übrige B. wird 1674-78 von Frankreich erobert. 1459 werden die Coutumes générales du Comté de Bourgogne aufgezeichnet. Lit.: Köbler, DRG 95, 76, 129; Köbler, Historisches Lexikon; Seignobos, C., Le régime féodal en Bourgogne, 1882; Stouff, L., Les origines de l'annexion de la Haute- Alsace la Bourgogne en 1469, 1901; Walther, A., Die burgundischen Zentralbehörden, 1909; Richard, J., Les ducs de Bourgogne, 1954; Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79 (1962), 106; Rompaey, J. van, De grote raad van de hertogen van Borgondië, 1973; Die Urkunden der burgundischen Rudolfinger, bearb. v. Schieffer, T., 1977; Boehm, L., Geschichte Burgunds, 2. A. 1979; Jeanclos, Y., L'arbitrage en Bourgogne et en Champagne, 1977; Bart, J., La liberté ou la terre, 1984; Pridat, H., Nicolas Rolin, 1995; Esders, D., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997; Ehm, P., Burgund und das Reich, 2002 Burgunder oder Burgunde ist der Angehörige eines (vielleicht) von der Ostsee (vielleicht Bornholm) über die Oder und Weichsel an den mittleren Rhein gelangten ostgermanischen Volkes. Das Recht der B. ist in der -> Lex Burgundionum bzw. -> Lex Romana Burgundionum überliefert. Von der vielleicht im 7. oder 8. Jahrhundert untergegangenen Sprache ist möglicherweise außer dem Namen nichts sicher bekannt. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 57, 75, 86; Jahn, A., Geschichte der Burgundionen und Burgunder, 1874; Saleilles, R., De l'établissement des Burgundes, 1891; Kienast, W., Studien über die französischen Volksstämme des Frühmittelalters, 1968, 23; Perrin, O., Les Borgondes, 1968; Kaiser, R., Die Burgunder, 2004 Burgus (M.) bezeichnet als lateinisches Lehnwort wohl aus dem Germanischen seit dem 2. Jh. n. Chr. ein kleines Kastell, danach allgemeiner die Siedlung. Im frühen Mittelalter ist es teils die an eine (lat. [F.]) civitas angelehnte, teils unabhängige Siedlung. Im Reich erscheint b. 1120 (Mühldorf am Inn). Der Bewohner heißt (lat. [M.]) burgensis (Frankreich 10. Jh., Spanien 11. Jh., Freiburg 1120). Streitig ist, inwieweit b. oder burgum die Marktsiedlung und burgensis eine besondere Art von -> Bürger anzeigt. Lit.: Schlesinger, W., Burg und Stadt, in: Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2 1963, 124; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Werveke, H. van, Burgus, 1965 Burgward ist vor allem in der frühhochmittelalterlichen Zeit der Ostsiedlung das Gebiet um die befestigte Siedlung (-> Burg) als Verteidigungsbereich und Verwaltungsbereich. Lit.: Knüll, B., Die Burgwarde, Diss. phil. Tübingen 1895; Schlesinger, W., Burgen und Burgbezirke, in: Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte, 1961, 158 Bürokratie (F.) ist die durch hauptberuflich tätiges, fachlich ausgebildetes Personal bzw. durch Trennung von Amt und Person bzw. durch Regelgebundenheit und durch Schriftlichkeit aller wesentlichen Amtsvor- gänge gekennzeichnete Verwaltungsgestaltung. Sie wird gedanklich in der Mitte des 18. Jh.s erfasst. Lit.: Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Treichel, E., Der Primat der Bürokratie, 1991; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991 Burschenschaft ist der im frühen 19. Jh. (1813/1815) neben die älteren Landsmannschaften tretende, national und liberal ausgerichtete Zusammenschluss (Verbindung) der Studenten. Lit.: Brunck, H., Die deutsche Burschenschaft, 1999; Roeseling, S., Burschenehre und Bürgerrecht, 1999 Bußbuch ist das ein System kirchlicher -> Bußen für Sünden enthaltende Buch ([->lat.] -> Paenitentiale). Es erscheint seit dem 6. Jh. in Irland und England ([lat.] Iudicia [N.Pl.] Cummeani, Kolumban, (lat.) Liber [M.] de poenitentiarum mensura taxantium, Theodor von Canterbury, [lat.] Canones [M.Pl.]), bald danach mit der irischen Mission auf dem Festland (u. a. Buch 19 von -> Burchard von Worms, Decretum). Im 13. Jh. tritt an die Stelle des Bußbuchs die (lat.) Summa (F.) confessorum (Summe der Bekenner) der -> Beichtstuhljurisprudenz. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Wasserschleben, E., Die Bußordnungen der abendländischen Kirche, 1851; Spindler, E., Das altenglische Bußbuch, 1934; Vogel, C., Les libri poenitentiales, 1978 Buße ist ursprünglich der Ausgleich eines Unrechtserfolges durch eine Leistung an den Verletzten zum Zweck der Besserung seiner Lage. Sie ist dem römischen Recht als die Geldsumme bekannt, mit der anfangs das vergeltende Racherecht des Verletzten abgelöst wird (lat. [F.] poena). In der jüdisch- 97 christlichen Kirche ist sie die Abwendung von einer sündhaften Vergangenheit. Tacitus bezeugt sie für die Germanen, bei denen ein Teil der B. auch an die Allgemeinheit fällt. In den -> Volksrechten des Frühmittelalters wird ein ganzes System von Bußen festgehalten (-> Kompositionensystem), zu dem insbesondere auch das -> Wergeld gehört. Ihnen entsprechen die Bußen der -> Bußbücher. Dieses Bußensystem wird seit dem Hochmittelalter durch die -> Strafe zurückgedrängt. Die Leistung an den Verletzten wird als -> Schadensersatz verstanden. B. wird aber teils als an den Verletzten, teils als an den Staat (für Ordnungswidrigkeiten) zu erbringende Geldleistung weiter fortgeführt. Lit.: Kaser §§ 35, 50; Söllner § 8; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 43ff., 2, 207ff.; Pappenheim, M., Scheinbuße und Selbsturteil, ZRG GA 29 (1908), 334; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 95; Weisweiler, J., Buße, ZRG GA 51 (1931), 541; Hattenhauer, H., Über Buße und Strafe, ZRG GA 100 (1983), 53; Vogel, C., Le pécheur et la pénitence, 1969; Hamilton, S., The Practice of Penance, 2001 Bußgeld ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die an den Staat zu erbringende Geldleistung für eine Ordnungswidrigkeit. Buteil ist im Frühmittelalter die grundherrschaftliche Abgabe beim Erbfall. Sie besteht teils in der Hälfte des Viehs, teils im -> Besthaupt. Sie schwindet schon am Ende des Frühmittelalters. Lit.: Hübner 676; Kroeschell, DRG 1, 2 Büttel ist der gebietende Mensch, insbesondere der Gerichtsdiener. Er lädt, verhaftet, pfändet und vollstreckt häufig auch eine Strafe. Wegen des niedrigen Ansehens wird die Bezeichnung im 19. Jh. aufgegeben. -> Gerichtsvollzieher Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Metzke, H., Zur lokalen und sozialen Mobilität der Amts- und Gerichtsdiener im 17./18. Jahrhundert, ZRG GA 113 (1996), 412; Pauser, J., Der Zwettler Gerichtsdiener, 2002 Bützow ist von 1760 bis 1789 Sitz einer Universität. Buxtehude Lit.: Schindler, M., Buxtehude, 1959 Bynkershoek, Cornelis van (Middelburg 1673 - Den Haag 1743) wird nach dem Rechtsstudium in Franeker Anwalt in Den Haag und Richter. In seiner Dissertation (lat.) De dominio maris (1703, Über das Eigentum am Meer) begründet er für den Landesherrn das Eigentum vor der jeweiligen Küste, soweit es mit Waffen beherrscht wird. Lit.: Krikke, A./Faber, S., Cornelis van Bynkershoek, in: Zestig juristen, 1987, 141 Byzanz ist e die 326/330 von dem römischen Kaiser Konstantin von Byzantion in Kon- stantinopel umbenannte Stadt am Bosporus, die 395 Hauptstadt des östlichen Teiles des römischen Weltreichs wird und damit zugleich für das von hier aus beherrschte (oströmische) Reich. Der von Kaiser Justinian (527-65) unternommene Versuch, die weströmischen Gebiete zurückzugewinnen, bleibt ohne nachhaltige Wirkung in dem seit Herakleios (610-41) verstärkt griechisch geprägten Land. Vielmehr wird das Byzantinische Reich in der Folge von Persern, Arabern und Bulgaren nachhaltig bedroht und verliert nach der kirchlichen Trennung der griechisch-or- thodoxen Kirche von der katholischen Kirche (1054) 1176 im Kampf gegen die Rum- Seldschuken seine Stellung als Großmacht. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer (1203/4) wird das Byzantinische Reich unter die Venezianer und die übrigen Kreuzfahrer aufgeteilt. Osmanen, Serben und Bulgaren bedrohen den verbleibenden Rest von mehreren Seiten. Mit der Eroberung Kon- stantinopels am 29. 5. 1453 durch die Osmanen endet B. bzw. das Byzantinische Reich. Lit.: Zachariae von Lingenthal, K., Geschichte des grie- chisch-römischen Rechts, 3. A. 1892; Neudruck 1955; Karajannis, C., Die Zentralverwaltung des mittelbyzantinischen Reiches, 1949; Ohnsorge, W., Das Zweikaiserproblem im früheren Mittelalter, 1947; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Pieler, P., Byzantinische Rechtsliteratur, in: Handbuch der Altertumswissenschaft, XII, 5, 2, 1978, 343; Ohnsorge, W., Abendland und Byzanz, 1979 (Aufsätze); Beck, H., Das byzantinische Jahrtausend, 2. A. 1994; Winkemann, F., Byzantinische Rang- und Ämterstruktur, 1985; Simon, D., Epochen der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73; Schreiner, P., Byzanz, 2. A. 1994; Simon, D., Die Epochen der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73; Wirth, P., Grundzüge der byzantinischen Geschichte, 2. A. 1989; Ostrogorsky, G., Byzantinische Geschichte 324 bis 1453, 3. A. 1996; 98 Cutler, A./Spieser, J., Das mittelalterliche Byzanz, 1997; Haldon, J., Byzantium in the Seventh Century, 1997; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 2. A. 2001; Norwich, J., Byznanz, 1998; Lilie, R., Byzanz, 1999; Avenarius, A., Die byzantinische Kultur und die Slawen, 2000; Matschke, K./Tinnefeld, F., Die Gesellschaft im späten Byzanz, 2000; Haldon, J., Das byzantinische Reich, 2002; Brandes, W., Finanzverwaltung in Krisenzeiten, 2002; Lilie, R., Byzanz und die Kreuzzüge, 2004 C Caesar (Cäsar), Gaius Iulius (Rom 13. 7. 100­ Rom 15. 3. 44 v. Chr.), Neffe des Marius, wird nacheinander Quästor, Ädil, Prätor und Konsul. Zwischen 58 und 51 v. Chr. erobert er Gallien, wobei er auch den Rhein überschreitet und auf die britischen Inseln übersetzt. Nach einem erfolgreichen Bürgerkrieg wird er im Februar 44 Diktator auf Lebenszeit. An den Iden des März wird er ermordet. Durch ihn endet die römische Republik. Literarisch bedeutsam sind seine Kommentare über den gallischen Krieg, die auch über die Germanen berichten. Lit.: Köbler, DRG 32, 66; Walser, G., Caesar und die Germanen, ZRG GA 57 (1974), 275; Meier, C., Caesar, 1982; Julius Caesar, 1992; Christ, K., Caesar, 1994; Jehne, M., Caesar, 1997; Etienne, R., Jules César, 1997; Canfora, L., Caesar, 2001; Zecchini, C., Cesare e il mos maiorum, 2001; Baltrusch, E., Caesar und Pompeius, 2004; Dahlheim, W., Julius Cäsar, 2005 Cahier (M.) de doléances ist das vielleicht schon auf hochmittelalterliche Ansatzpunkte zurückgehende, seit 1427 in ersten Anfängen, 1484 in gedruckter Form erkennbare ,,Beschwerdeheft" der ständischen Delegierten der Generalstände in Frankreich. Lit.: Marion, M., Dictionnaire des institutions de la France, 1923, 66 Calenberg ist ein sächsisch-welfisches Teilfürstentum Braunschweig-Lüneburgs, das in verwickelten Nachfolgen im Land -> Hannover und damit über Preußen in Niedersachsen (1946) aufgeht. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Spieß, W., Die Großvogtei Calenberg, 1933; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1960; Das Calenberger Hausbuch von 1592, bearb. v. Lathwesen, H., 1980 Calonius -> Turku Calvin, Johannes (Noyon 10. 7. 1509-Genf 27. 5. 1564) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans und Bourges (1528-1532) und dem Lizentiat in Paris Anhänger der Reformation Martin -> Luthers und beeinflusst von Genf aus Europa von Schottland bis Siebenbürgen. Der von ihm begründete Calvinismus wirkt sich auf die Gedanken der -> Demokratie und des -> Widerstandsrechts bedeutsam aus. Lit.: Köbler, DRG 153; Bohatec, J., Calvin und das Recht, 1934; Staedtke, J., Johannes Calvin, 1969; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Die Schüler Calvins in der Diaspora, hg. v. Lüthi, K. u. a., 1989; Territorialstaat und Calvinismus, hg. v. Schaab, M., 1993; Naphy, W., Calvin, 1994; Heise, V., Der calvinistische Einfluss auf das humanistische Rechtsdenken, 2004 Cambacérs, Jean-Jacques-Regis de (Mont- pellier 1753-1824), Bürgermeisterssohn, legt nach Tätigkeiten als Anwalt und Richter im Zuge seiner Mitgliedschaft im Konvent (1792) bzw. im Wohlfahrtsausschuss (1794) der französischen Revolution drei Entwürfe (1793, 1794, 1796/1797) für einen -> Code civil vor, die sich auch wegen seiner engen Verbindung zu Napoleon maßgeblich auf den 1804 entstandenen Code civil Frankreichs auswirken. Lit.: Papillard, F., Cambacérs, 1961 cambium (lat. [N.]) -> Wechsel Cambrai Lit.: Meijers, E./Blécourt, A., Le droit coutumier de Cambrai, Bd. 1f. 1932ff.; Hüttebräuker, Cambrai, Deutschland und Frankreich 1308-1378, ZRG GA 59 (1939), 88 Cambridge am Fluss Cam ist seit 1066 Vorort einer Grafschaft. Seit 1209 erwächst in C. aus der Abwanderung von Lehrern und Studenten aus -> Oxford eine Universität. In ihr entstehen 1284 weltliche Studien. Kennzeichnend für den Grundsatz der Bildung durch persönlichen Umgang sind die zahlreichen Colleges (1997 27, ca. 12000 Studenten). Lit.: Emden, A., A biographical register of the University of Cambridge, 1963; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat- rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; A History of the University of Cambridge, hg. v. Leader, D. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.; Sager, P., Oxford and Cambridge, 2003 camerarius (lat. [M.]) -> Kämmerer Canon (lat.-griech. [M.], Regel, Richtschnur, Norm) ist die einzelne Vorschrift in kirchlichen 99 Rechtsquellen. Hiervon leitet sich die Bezeichnung -> kanonisches Recht ab. Lit.: Köbler, LAW; Zechiel-Eckes, K., Die Concordia canonum des Cresconius, 1992; Fowler-Magerl, L., Kanones. Ausgewählte Kanonessammlungen außerhalb Italiens zwischen 1000 und 1140, 1998 (CD) Canossa -> Investiturstreit Cantiuncula, Claudius (Metz um 1490- Ensisheim 1549) wird nach dem Rechtsstudium in Löwen und Basel von 1518 bis 1524 in Basel Professor des weltlichen Rechts und übernimmt danach verschiedene Verwaltungsaufgaben und Gerichtstätigkeiten. Seine Schrift (lat.) De ratione studii legalis paraenesis (1522) bietet erstmals einen Plan zur Verbesserung des Rechts in Deutschland nach den Grundsätzen des -> Humanismus. Lit.: Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 44; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel, 1962, 355; Kisch G., Claudius Cantiuncula, 1970 Capella (F.) regia (lat. Hofkapelle) ist zunächst die seit etwa 650 den Merowingerkönigen eigene Reliquie des Mantels des heiligen Martin, danach der Gebetsraum der Königspfalz und schließlich die Gesamtheit der mit dem König ziehenden Geistlichen (capellani [M.Pl.] Kapellane, bald auch bei anderen Großen). Im ostfränkischen Teilreich wird 965 der Erzbischof von Mainz Erzkaplan und die Hofkapelle zum personalen Ausgangspunkt des ottonischen -> Reichskirchensystems. Mit dem -> Inves- titurstreit verliert die c. r. ihre darauf gegründete Bedeutung, bleibt aber als solche bis 1806 bestehen. Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, Bd. 1f. 1959ff. Capitaneus (lat. [M.]) ist allgemein eine Bezeichnung für eine hervorragende Person, die z. B. in Oberitalien (Lombardei bis Toskana) am Beginn des Hochmittelalters (11. Jh.) für höhere städtische Adlige Verwendung findet. Lit.: Köbler, LAW; Meyer, K., Die capitanei von Locarno im Mittelalter, 1916; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; La vassallit maggiore del Regno Italico, hg. v. Castagnetti, A., 2001 capitis deminutio (lat. [F.]) Herabsetzung der Rechtspersönlichkeit capitula (lat. [N.Pl.]) Kapitel Capitula (N.Pl.) Remedii (lat.) sind die im Südwesten des fränkischen Reiches um 800 erfolgte verkürzende Aufzeichnung des spätrömischen Rechts. Lit.: Köbler, DRG 81; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953 capitulare -> Kapitular Capitulare (N.) de villis (lat.), Kapitular über Königshöfe, ist das in einer Handschrift des zweiten Viertels des 9. Jh.s überlieferte, in 70 Kapitel eingeteilte (berühmteste) Kapitular Karls des Großen aus dem letzten Jahrzehnt des 8. Jh.s, das zur Beseitigung von Missständen die Verwaltung der Königshöfe des gesamten fränkischen Reiches ordnen will. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Dopsch, A., Westgotisches Recht im Capitulare de villis, ZRG GA 36 (1915), 1; Mayer, T., Das Capitulare de villis, ZRG GA 79 (1962), 1; Brühl, C., Capitulare de villis, 1971; Metz, W., Zur Erforschung des karolingischen Reichsgutes, 1971 Capitulare (N.) Saxonicum (lat., sächsisches Kapitular) ist das die -> Capitulatio de partibus Saxoniae mildernde Kapitular Karls des Großen für Sachsen von 797. Capitulatio (F.) de partibus Saxoniae (lat.) ist die in Kapitel gegliederte, nach 782 entstandene Anordnung Karls des Großen gegenüber den unterworfenen, noch heidnischen Bräuchen (Verbrennen der Hexe, Verbrennen der Leiche, Menschenopfer) anhängenden -> Sachsen, die auffälligerweise sehr häufig die -> Todesstrafe androht. Vielleicht ist ihr zweiter Teil erst 803 entstanden. Lit.: Die Eingliederung der Sachsen in das Frankenreich, hg. v. Lammers, W., 1970 Capua Lit.: Le pergamene di Capua, hg. v. Mazzoleni, J, Bd. 1f. 1957ff. Cardiff am Taff ist 75 n. Chr. Sitz eines römischen Lagers. 1350 gewinnt es Stadtrecht. 1883 erhält es eine Universität. Carmer, Johann Heinrich Casimir von (Bad Kreuznach 29. 12. 1721-Gut Reitzen im Kreis Guhrau 23. 5. 1801), reformierter Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena und Halle 1749 Kammergerichtsreferendar in Preußen, 1768 Chefpräsident sämtlicher Ober- amtsregierungen in Schlesien und 1779 Großkanzler und Erster Minister des Justiz- 100 departements. Infolge seines Wirkens wird 1781 das Prozessrecht im (lat.) -> Corpus (N.) iuris Fridericianum (Erstes Buch) neu geordnet und vor allem durch Svarez die Entstehung des -> Allgemeinen Landrechts entscheidend gefördert. Lit.: Köbler, DRG 140; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 362; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967 Carolina (lat. [F.]) -> Constitutio Criminalis Carolina Carpzov, Benedikt (Wittenberg 27. 5. 1595- Leipzig 31. 8. 1666), Sohn eines gleichnamigen Professors der Rechte, wird nach dem Rechtsstudium in Jena, Leipzig und Wittenberg 1620 Mitglied des Leipziger Schöffenstuhles, 1645 Professor in Leipzig und 1653 Geheimer Rat in Dresden. In seiner auf sächsische Urteile wie gemeinrechtliche Lehre gegründeten (lat.) Practica (F.) nova imperialis Saxonica (1635, 9. A. 1695, Neue kaiserlich-sächsische Praxis) bietet er die erste systematische Darstellung des (deutschen) Strafrechts. Die (lat.) Iuris- prudentia (F.) Romano Saxonica secundum ordinem Constitutionum D. Augusti Electoris Saxoniae (Römisch-sächsische Rechtswis- senschaft nach den kursächsischen Kon- stitutionen) erklärt die kursächsischen Konstitutionen an Hand der entschiedenen Fälle. Die (lat.) Iurisprudentia (F.) ecclesiastica consistorialis (1649, konsistorialkirchliche Rechtswissenschaft) ordnet einheitlich erstmals das Recht der protestantischen Kirche. Lit.: Köbler, DRG 144; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Köckritz, S. v., Die Bedeutung des Willens für den Verbrechensbegriff Carpzovs, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Schieckel, H., Benedict I. Carpzov (1565-1624) und die Juristen unter seinen Nachkommen, ZRG GA 83 (1966), 310; Schiekel, H., Alexander Graf zu Dohna als Nachkomme von Benedikt I. Carpzov, ZRG GA 89 (1972), 212; Benedikt Carpzov, hg. v. Schild, W., 1997; Bemedict Carpzov, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000 Carta, charta (lat. [F.] Blatt, Urkunde) ist die Urkunde, vor allem die subjektiv gefasste Geschäftsurkunde des frühmittelalterlichen Rechtsverkehrs im Gegensatz zur (lat. [F.] notitia) Beweisurkunde. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW; Brunner, H., Zur Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880, Neudruck 1961; Zeumer, K., Cartam levare, ZRG GA 4 (1883), 113; Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977, 190 case-law (engl. [N.]) -> Fallrecht Cassiodor, Flavius Magnus Aurelius Senator (Bruttium vor 490-nach 580) ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der Spätantike, der auf Grund seiner vorangehenden Verwaltungstätigkeit in seinen Variae (lat. [F.Pl.] Verschiedenes) die ostgotische Herrschaftspraxis in Italien bis 537 erkennen lässt. Lit.: O`Donnell, J., Cassiodor, 1979 Cassius, Longinus (1. Jh.), aus alter senatorischer Familie, wird als Schüler des -> Sabinus Haupt der römischen Rechtsschule der Sabinianer oder Cassianer. Seine (mindestens 10 Bücher umfassenden) Libri (M.Pl.) iuris civilis (Bücher des römischen Rechts) sind nur mittelbar durch Auszüge überliefert. Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 130 casum sentit dominus (lat.). Den Zufall fühlt der Eigentümer. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 caupo (lat. [M.]) Schankwirt causa (lat. [F.]) Grund, Ursache, Fall Lit.: Kaser §§ 19, 24, 25, 27, 33, 40, 48; Söllner §8; Köbler, DRG 44, 61; Fuchs, J., Justa causa traditionis, 1952 causae (F.Pl.) civiles (lat.) bürgerliche Sachen causae (F.Pl.) criminales (lat.) Strafsachen causae (F.Pl.) maiores (lat.) wichtigere Angelegenheiten causae (F.Pl.) minores (lat.) mindere Angelegenheiten Cautela (lat. [F.]) ist die von dem magdeburgischen Bürger Hermann von Oesfeld 1350 verfasste, handschriftlich seit 1382 belegte kleine Sammlung von Anweisungen zum vorsichtigen Verhalten vor Gericht. -> Premis Lit.: Homeyer, C., Der Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, 1857; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66 cautio (lat. [F.]) Sicherheitsleistung Lit.: Kaser § 7; Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Köbler, LAW cautio (F.) Muciana (lat.) mucianische -> Sicherheitsleistung, -> Mucius Scaevola 101 Celle Lit.: Figge, R., Altes Recht in Celle, 1938; Jessen, P., Der Einfluss von Reichshofrat und Reichskammergericht auf die Entstehung und Entwicklung des Oberappellationsgerichts Celle, 1986 Celsus, Iuventius (pater) (1. Jh.) ist der als ein Haupt der Prokulianer und als Vater des -> Celsus (filius) bekannte klassisch-römische Jurist. Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 137 Celsus, Iuventius Publius (filius) (2. Jh.), Sohn des Iuventius Celsus (pater), ist der bedeutende Vertreter des hochklassischen römischen Rechts (u. a. [lat.] Libri [M.Pl.] digestorum, Bücher der Digesten), von dem etwa die lateinischen Wendungen Ius est ars boni et aequi (Das Recht ist die Kunst des Guten und Gerechten) und Scire leges non hoc est verba earum tenere, sed vim ac potestatem (Gesetze kennen bedeutet nicht, ihre Worte zu wahren, sondern ihren Sinn und Zweck) und das (lat.) Senatusconsultum (N.) Iuventianum (129) mit einer Bevorzugung des gutgläubigen Berei- cherungsschuldners im Erbrecht stammen. Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 146; Hausmaninger, H., Publius Iuventus Celsus, in: Prescriptive formality, 1994 Centena (lat. [F.]) ist im frühmittelalterlichen Franken und Alemannien eine Verwal- tungseinheit streitigen Inhalts. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Metz, W., Zur Geschichte der fränkischen centena, ZRG GA 74 (1957), 234; Schulze, K., Die Grafschaftsverfassung in den Gebieten östlich des Rheins, 1974 Centenarius (lat. [M.]) ist in der römischen Spätantike der kaiserliche Beamte mit 100000 Sesterzen Jahresgehalt, im Frühmittelalter bei Westgoten, Langobarden, Bayern, Franken und Alemannen ein niederer königlicher Amts- träger. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krug, H., Untersuchungen zum Amt des centenarius - Schultheiß, ZRG GA 87 (1970), 1, 88 (1971), 29 (Diss. phil. Wien 1968) Cessante ratione legis cessat ipsa lex (lat.). Fällt der Sinn eines Gesetzes weg, fällt das Gesetz selbst weg. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Glosse zu Digesten 35, 1, 72, §6); Krause, H., Cessante causa cessat lex, ZRG KA 46 (1960), 81 cessio (lat. [F.]) Abtretung -> Zession Chamave -> Ewa Chamavorum Chambéry in den Voralpen gelangt 1232 an Savoyen. 1761 erhält es eine Universität. Champagne ist die südwestlich vor den Ardennen liegende Landschaft. Sie fällt 486 n. Chr. von den Römern an die Franken und wird 814 Grafschaft. Diese wird 1314/1361 Krondomäne Frankreichs. Unter Rückgriff auf eine um 1253 entstandene Sammlung der Usages de C. und Einfügung verschiedener höchstgerichtlicher Urteile der Jahre 1270 bis 1295 verfasst wahrscheinlich Guillaume de Châtelet zwischen 1295 und 1300 den Ancien coutumier de C. Lit.: Portejoie, P., L'ancien coutumier de Champagne, 1956; Bur, M., La formation du comté de Champagne, 1977 Chancengleichheit ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus dem Gleichheitsgrundsatz entwickelte Vorstellung, dass in bestimmten Wettbewerbslagen C. hergestellt werden müsse. Lit.: Bender, R./Schumacher, R., Erfolgsbarrieren vor Gericht, 1980 Charta der Vereinten Nationen -> Vereinte Nationen Charte constitutionelle (frz. [F.] Verfassungsurkunde) ist die oktroyierte Verfassung des Jahres 1814 in Frankreich. Chartepartie (aus [lat.] carta [F.] partita, geteilte Urkunde) ist im Seehandelsrecht die Urkunde über die (teilweise) Befrachtung eines Schiffes (vgl. ADHGB von 1861). Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957 Chemnitz -> Hippolithus a Lapide Lit.: Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA 25 (1904), 345; Schlesinger, W., Die Anfänge der Stadt Chemnitz, 1952 China Lit.: Senger, H. v., Kaufverträge im traditionellen China, Diss. jur. Zürich 1970; Köbler, G., Rechtschinesisch, 2001; Recht und Rechtsgeschichte Chinas, 2002; Lexikon der chinesischen Literatur, hg. v. Klöpsch, V. u. a., 2004; Seyock, B., Auf den Spuren der Ostbarbaren, 2004 Chirographum (lat.-gr. [N.] Handgeschriebenes) ist in der römischen Antike die Papyrusurkunde. Von England aus wird c. später zur Bezeichnung für die in zwei 102 Ausfertigungen auf einem danach zer- schnittenen Blatt hergestellte Urkunde über ein mehrseitiges Rechtsgeschäft (854/855, St. Bertin 944, Trier 967). Seit dem 14. Jh. wird das c. bei siegelführenden Beteiligten durch die Siegelurkunde verdrängt, bleibt aber im Übrigen bis zum 18. Jh. in Gebrauch. -> Chartepartie Lit.: Kaser §§ 7, 40; Köbler, DRG 43; Köbler, LAW; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1, 2. A. 1912, 699; Trusen, W., Chirographum und Teilurkunde im Mittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 233 Chorbischof (Landbischof) ist im oströmischen Reichsteil der ursprünglich gleichberechtigte Gehilfe des städtischen Bischofs für das Landgebiet der Diözese. Seit der Mitte des 8. Jh.s erscheint unter angelsächsischem Einfluss ein C. im Westen, der seit dem 9. Jh. aber wieder schwindet. Lit.: Gottlob, T., Der abendländische Chorepiskopat, 1928, Neudruck 1963 Chorherr ist der Kleriker, der Mitglied eines an einer Kirche bestehenden Kapitels ist. Ansätze zu einer solchen Gemeinschaft zeigen sich schon bei Bischof Eusebius von Vercelli (um 283-371). Das Frühmittelalter entwickelt hierfür besondere Regeln bzw. canones (z. B. Chrodegang von Metz um 755 regula canonicorum). Die frühhochmittelalterliche Kirchenreform führt zur stärkeren Regulierung (gregorianische Reform). Im 12. Jh. werden Empfehlungen des heiligen Augustinus besonders aufgegriffen (Augustinerchorherr). Lit.: Lawrence, C., Medieval Monasticism, 2. A. 1989, 163 Chrenecruda (afrk. ,,reine Erde"?) ist die in Titel 58 des salfränkischen Volksrechtes (Pactus legis Salicae) erwähnte, den leistungsunfähigen Wergeldschuldner betref- fende -> malbergische Glosse, die sich auf ein vielleicht neu geschaffenes, nur kurze Zeit bezeugtes Formalverhalten bezieht. Lit.: Gierke, J., Chrene cruda und Spatenrecht, ZRG GA 28 (1907), 290; Goldmann, E., Chrenecruda-Studien zum Titel 58 der Lex Salica, 1931; Schmidt-Wiegand, R., Chrenecruda, FS G. Schmelzeisen, 1980, 252 Christentum ist die Gesamtheit des christlichen Glaubens und seiner Anhänger. Unter Fortführung jüdischer Vorstellungen des alten Testamentes geht das C. davon aus, dass sein Stifter Jesus Christus als Sohn Gottes durch seinen Tod am Kreuz die Menschen von ihrer Sündigkeit erlöst hat. Die daran anknüpfenden Gedanken breiten sich im römischen Reich so rasch aus, dass der Staat seit der Mitte des 3. Jh.s das C. entschieden verfolgt. Durch das Toleranzedikt Kaiser Konstantins (311) wird das C. gleich- berechtigter Kult, durch Theodosius I. 380 Staatsreligion. Seit dem Ausgang des Altertums greift das C. vor allem auf die germanischen Völker über. Spaltungen (1054 und 1517) führen zu den besonderen Bekenntnissen der Katholiken, Orthodoxen und Protestanten. In der Neuzeit verbreitet sich das C. mit der Entdeckung neuer Länder und der Gewinnung von Kolonien über die ganze Erde. Bereits kurz nach seiner Entstehung entwickelt das C. ausgeprägte rechtliche Regeln (-> kirchliches Recht), die in vielen Hinsichten das weltliche Recht mitgestalten. Lit.: Söllner §§ 19, 20, 21; Köbler, DRG 51, 68, 99, 146; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 772; Bultmann, R., Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen, 4. A. 1976; Biondi, B., Il diritto romano cristiano, 1952ff.; Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 2. A. 1960ff.; Christentum, Säkularisation und modernes Recht, hg. v. Lombardi- Vallauri, L. u. a., 1981; Deschner, K., Kriminal- geschichte des Christentums, 1988ff.; Die Geschichte des Christentums, hg. v. Mayeur, J. u. a., Bd. 8 1992, Bd. 10 1999; Geschichte des Christentums, hg. v. McManners, J., 1993; Andresen, C./Ritter, A., Geschichte des Christentums, Bd. 1ff. 1993ff.; Crossan, J., Der historische Jesus, 1994; Fontes christiani, hg. v. Brox, N. u. a., 1995ff.; Winkelmann, F., Geschichte des frühen Christentums, 1996; Glaser, F., Frühes Christentum im Alpenraum, 1997; Barton, P., Geschichte des Christentums in Österreich und Südostmitteleuropa, 1997; Padberg, L. v., Die Christianisierung Europas, 1998; Lang, B., Heiliges Spiel, 1998; Gnilka, J., Die frühen Orden, 1999; Lexikon der christlichen Antike, hg. v. Bauer, J. u. a., 1999; Metzler Lexikon christlicher Denker, hg. v. Vinzent, M., 2000; Die Geschichte des Christentums, hg. v. Pietri, L., Bd. 3 2000; Lee, A., Pagans and Christians in Late Antiquity, 2000; Mission und Christianisierung am Hoch- und Oberrhein, hg. v. Berschin, W. u. a. 2000; Lüdemann, G., Das Urchristentum, 2002; Jensen, A., Frauen im frühen Christentum, 2002; Die Alemannen und das Christentum, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003; Koch, S., Rechtliche Regelung von Konflikten im frühen 103 Christentum, 2003; Tamcke, M., Das orthodoxe Christentum, 2004; Hasenfratz, H., Die antike Welt und das Christentum, 2004; Moeller, B., Geschichte des Christentums in Grundzügen, 8. A. 2004; Zschoch, H., Die Christenheit im Hoch- und Spätmittelalter, 2004; Drobner, H., Lehrbuch der Patrologie, 2. A. 2004; Hasenfratz, H., Die antike Welt und das Christentum, 2004 Chronik (F.) zeitlich geordnete Aufzeichnung Lit.: Schmidt, H., Die deutschen Städtechroniken, 1958; Schwäbische Chroniken der Stauferzeit, 1978; Die Chroniken Bertholds von Reichenau und Bernolds von Konstanz 1054-1100, hg. v. Robinson, I., 2003; Hessische Chroniken zur Landes- und Stadtgeschichte, hg. v. Menk, G., 2003; Ebendorfer, Thomas, Chronica regum Romaorum, hg. v. Zimmermann, H., 2003 Chronologie (F.) ist das geordnete Wissen um die Zeit (Zeitkunde). In der C. wird die Zeit der Jahre vielfach von einem mythischen Beginn an gezählt (z. B. von der Schöpfung an oder vom angeblichen Gründungsdatum Roms [753 v. Chr.]). Regino von Prüm datiert ab Christi Geburt und wendet damit als erster in der Weltgeschichtsschreibung die durchgehende Zählung nach Inkarnationsjahren an. Lit.: Sonntag, R., Studien zur Bewertung von Zahlenangaben in der Geschichtsschreibung des frühen Mittelalters, 1987; Bäbler, B., Archäologie und Chronologie, 2004 Chur Lit.: Casparis, H., Der Bischof von Chur als Grundherr, 1910; Jecklin, F., Die Churer Waisenpflege, 1920; Deplazes, L., Reichsdienste und Kaiserprivilegien, 1973 Cicero, Marcus Tullius (106-43 v. Chr.), Schüler des Mucius augur und des Mucius Scaevola, ist der bedeutendste Gerichtsredner und politische Schriftsteller der römischen Antike, der vor allem das griechische Rechtsdenken aufgreift und weitergibt. Insbesondere der Schrift De officiis (Von Pflichten) gelingt die Vermittlung der Natur- rechtsidee an die spätere Zeit. Lit.: Söllner §§ 7, 9, 11, 12; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Cicero als Advokat, 1965; Mitchell, T., Cicero, 1991; Fuhrmann, M., Cicero und die römische Republik, 4. A. 1997; Marcus Tullius Cicero, Die Prozessreden, hg. v. Fuhrmann, M., 1997 Cinus (de Sighibuldis) da Pistoia (Pistoia 1270-1336/1337), Sohn eines Notars, wird nach dem Studium des weltlichen Rechts in Bologna Anhänger Heinrichs VII. Nach der Promotion (1314) schließt er sich der päpstlichen Partei an und wird Professor in Siena (1321-1323, 1324- 1326), Perugia (1326-1330, 1332-1333), Neapel (1330-1331) und Bologna (1333-1334). Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. 1834ff., 6, 7; Chiapelli, L., Vita e opere, 1881; Libertini, V., Cino da Pistoia, 1974 Civilian ist im englischen Recht die Bezeichnung für den im römischen Recht (civil law) ausgebildeten Juristen. Lit.: The Civilian Tradition and Scots Law, hg. v. Carey Millar, D. u. a., 1997 civis (lat. [M.]) Bürger Lit.: Kaser; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964 civis (M.) Romanus (lat.) römischer -> Bürger civitas (lat. [F.]) Völkerschaft, Bürgerschaft Lit.: Rietschel, S., Die civitas auf deutschem Boden, 1894, Neudruck 1978; Brühl, C., Palatium und civitas, 1975 civitas [F.] imperii (mlat.) Reichsstadt clam (lat.) heimlich clausula (lat. [F.]) Klausel Clausula (F.) rebus sic stantibus (lat.) ist die Vorbehaltsklausel der unveränderten Sachlage (Augustin von Leyser [1683-1752] omne pactum rebus sic stantibus intelligendum est, jeder Vertrag muss unter gleichbleibenden Voraussetzungen betrachtet werden). Sie geht im 20. Jh. in der Lehre vom Fehlen bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage auf. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Dießelhorst, M., Die Geschäftsgrundlage, in: Rechtswissenschaft und Rechtsentwicklung, 1980, 153; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Köbler, R., Die clausula rebus sic stantibus, 1991 Clementinen sind die von Papst Clemens V. (1305-1314) unter Verzicht auf Ausschließlichkeit gesammelten, meist auch von ihm erlassenen, von Papst Johannes XXII. 1317 herausgegebenen -> Dekretalen, die den letzten Teil des (lat.) -> corpus (N.) iuris canonici bilden (Zitierweise Clem. 2. 11. 2). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 102; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Cluny in Burgund ist die 910 gegründete Benediktinerabtei, die im 10. Jh. zum Mittelpunkt einer kirchlichen Reformbewegung (kluniazensische Kirchenreform) wird. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hallinger, K., Gorze-Kluny, Bd. 1f. 1950, Neudruck 1971; Cluny im 10. und 11. 104 Jahrhundert, hg. v. Wollasch, J., 1970; Kohnle, A., Abt Hugo von Cluny (1049-1100), 1993; Wollasch, J., Cluny, 1996; Poeck, D., Cluniacensis ecclesia, 1998 Coburg Lit.: Das älteste Coburger Stadtbuch 1388-1453, bearb. v. Andrian-Werburg, K. Frhr. v., 1977 Cocceji, Samuel von (Heidelberg 20. 10. 1679- Berlin 4. 10. 1755), Sohn des Völker- rechtsprofessors Heinrich von Cocceji (Bremen 25. 3. 1644-Frankfurt an der Oder 18. 8. 1719), wird nach dem Rechtsstudium in Frankfurt an der Oder dort Professor, tritt aber wenig später in den Justiz- und Verwaltungsdienst Preußens (1. Juni 1738 chef de justice, Justizminister), wo er 1747 Großkanzler wird. Auf ihn geht die 1747/9 erschienene Gerichtsordnung (Projekt des Codicis Fridericiani Marchiani) zurück, während der Versuch einer Neuordnung des materiellen Rechts auf der Grundlage der dem römischen Recht entnommenen naturrecht- lichen Grundsätze (Projekt des Corpus juris Fridericiani 1749) über Anfänge kaum hinausgelangt. Von beachtlichem Erfolg gekrönt ist die praktische Vereinheitlichung der bestehenden Gerichtsverfassung (u. a. feste Richterbesoldung, 1755 Justizprüfungskom- mission). Lit.: Köbler, DRG 140; Springer, M., Die Coccejische Justizreform, 1914; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Weill, H., Frederick the Great and Samuel von Cocceji, 1961 Code civil ist das 1804 geschaffene Bürgerliche Gesetzbuch Frankreichs. Nach ersten vergeblichen Versuchen, das südliche droit écrit (Schriftrecht) mit dem nördlichen droit coutumier (Gewohnheitsrecht) zu verbinden unter Heinrich III. (1574-1589), greift die französische Revolutionsbewegung auch die Forderung nach bürgerlicher Neuordnung des Rechts auf und bestimmt in der Verfassung des Jahres 1791, dass ein Code des lois civiles communes tout le royaume (Buch der dem gesamten Königreich gemeinsamen bürgerlichen Gesetze) geschaffen werden soll. Nach vier erfolglosen Entwürfen wird hierfür am 12. 8. 1799 eine Kommission (Tronchet, Portalis, Bigot de Préameneu, Maleville) eingesetzt, die in vier Monaten einen Entwurf anfertigt. Napoleon selbst nimmt an 59 von 102 Sitzungen des Staatsrats teil, bezieht zu 89 Themenbereichen Stellung und setzt sich in 59 Fragen durch. Die nach Beratung seit 1803 erscheinenden 36 Einzelgesetze fasst ein Gesetz vom 21. 3. 1804 als Code civil des Français zusammen (1807 Code Napoléon, 1816 Code civil, 1852 Code Napoléon, 1870 Code civil). Er umfasst 2281 Artikel, die in (einen Titre préliminaire und) drei Bücher (Personen, Güter und Eigentumsabwandlungen, Eigentumserwerbsgründe) geteilt sind. Die Bestimmungen verwirklichen antifeuda- listische, egalitäre und zentralistische Grund- sätze der Revolution, bewahren aber auch in gewissem Umfang fränkisches bzw. germanisches Gedankengut (Grundwerte Rechtseinheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Laizität). Sie treten auch in den linksrheinischen Annexionsgebieten in Kraft, sowie überwiegend nur kurzzeitig 1810 (13. 12. 1810/29. 5. 1811-1. 10. 1814 [Oldenburg], 27. 5. 1814 [Hamburg], 4. 5. 1814 [Lübeck], 13. 8. 1814 [Bremen]) im Lippe-Departement und im Hansischen Departement, 1808 im Königreich Westphalen (1. 1. 1808-9. 9. 1814), 1810 im Großherzogtum Berg (1. 1. 1810), 1808 in Aremberg (1. 7. 1808-11. 9. 1814), 1810 in Baden (1. 1. 1810), 1811 in Frankfurt am Main (1. 10. 1811-1. 2. 1814) und Anhalt-Köthen (1. 3. 1811-1. 1. 1812), 1812 in Nassau (1. 1. 1812-1. 1. 1814) und 1808 in Danzig (21. 7. 1808-1815). Bis zum 31. 12. 1899 bleibt der C. c. in Geltung (linksrheinisch) in der preußischen Rheinprovinz, in Rheinhessen, Birkenfeld, Rheinbayern, (rechtsrheinisch) in Berg und in Baden (1/6 des Reichsgebietes mit ca. 8 Millionen Einwohnern). Darüber hinaus beeinflusst der C. c. mehr oder weniger stark die gesamte spätere privatrechtliche Gesetzgebung vieler Länder (Luxemburg, Belgien 1830, Niederlande bis 1838, Italien 1865-1940, Schweiz, Spanien, Portugal, Südamerika, Louisiana 1808, Rumänien 1865, Ägypten 1865, Quebec 1886, französische Kolonien in Afrika). Durch Novellen ist der C. c. an geänderte Vorstellungen angepasst (z. B. Familienrecht, Gleichheitsgrundsatz, 1999 pacte civil de solidarité), durch neue Codes (z. B. Code de la propriété intellectuelle, Code de consommation, Code de assurances) in seiner Bedeutng geschwächt. Lit.: Söllner §§ 1, 16; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141, 180, 184, 205; Zachariae von Lingenthal, Handbuch 105 des französischen Civilrechts, 1808, 8. A. 1894; Mitteis, H., Die germanischen Grundlagen des französischen Rechts, ZRG GA 69 (1943), 137; Böhmer, G., Der Einfluss des Code civil auf die Rechtsentwicklung in Deutschland, AcP 151 (1950/1), 289; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wilhelm, W., Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich, Ius commune 1 (1967), 241; Arnaud, A., Les origines doctrinales du Code civil français, 1969; Arnaud, A., Essai d'analyse structurale du Code civil français, 1973; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 1974; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1977; Theewen, E., Napoleons Anteil am Code civil, 1991; Gross, N., Der Code Civil in Baden, 1993; Bürge, A., Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995; Code Napoléon. Badisches Landrecht, bearb. v. Müller-Wirth, C. u. a., 1997; Bürge, A., Zweihundert Jahre Code civil des Français, ZeuP 2004, 5; Le Code civil 1804-2004. Livre du bicentenaire, 2004; Le code civil 1804-2004. Un passé, un présent, un avenir, hg. v. Lequette, Y., 2004 Les Français et leur Code civil. Bicentenaire du Code civil 1804-2004, 2004 ; Code civil (Text imprimé). Les défis d'un nouveau sicle, 2004; Witz, C. u. a., Der französische Code civil, NJW 2004, 3757 ; Richterliche Anwendung des Code civil in seinen europäischen Geltungsbereichen außerhalb Frankreichs, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 2006 Code de procédure civile ist das die ersten den gemeinsamen römisch-kanonischen Prozess seit 1667 durch mündliche Verfahren und integriertes Beweisverfahren reformierenden königlichen Gesetze verstärkende Zivil- prozessgesetzbuch Frankreichs von 1806 (öffentliches, mündliches Verfahren, Verhand- lungsmaxime, unmittelbare Beweisaufnahme, Anwaltszwang), das 1958 tiefgreifend verändert und 1976/1981 durch einen Nouveau Code de procédure civile ersetzt wird. Lit.: Köbler, DRG 141; Endres, P., Die französische Prozessrechtslehre, 1985; Conod, P., Le Code de procedure civile vaudois, Diss. jur. Lausanne 1986 Code Napoléon ist der zu Ehren Napoleons vergebene, kurzzeitig (1807-1811, 1852-1870) gültige Name des -> Code civil. Lit.: Köbler, DRG 141; Andreas, W., Die Einführung des Code Napoléon in Baden, ZRG 31 (1910), 182; Astuti, G., Il ,,Code Napoléon" in Italia, ASD 14-17 (1970-3), 1; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des Code Napoléon in den Rheinbundstaaten, 1973; Cabanis, A./Cabanis, D., Code Napoléon et Code Civil vaudois, in: Mélanges dédiés Marty, G., 1978; Gross, N., Der Code Napoléon in Baden, 1997 Code pénal ist das Strafgesetzbuch Frankreichs von 1810, das seit 1989 erneuert wird. Lit.: Köbler, DRG 141; Brandt, C., Die Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002 Codex (lat. [M.]) ist allgemein das umfassende Gesetzbuch im Gegensatz zum Einzelgesetz. Im Besonderen ist C. das römischrechtliche Gesetzbuch des oströmischen Kaisers -> Justinian (527-565). Dieser lässt 528/529 von einer zehnköpfigen Kommission aus dem Codex Gregorianus, dem Codex Hermoge- nianus und dem Codex Theodosianus die als noch brauchbar angesehenen Konstitutionen (Gesetze) der römischen Kaiser unter Tilgung von Widersprüchen in einem nicht erhaltenen Codex Iustinianus (vetus) zusammenstellen und 534 durch Tribonian, Dorotheus und drei Anwälte überarbeiten (Codex repetitae prae- lectionis, Gesetzbuch der wiederholten Vorlesung). Dieser durch Bruchstücke eines Palimpsestes des 6. oder 7. Jh.s und jüngere Handschriften (Ende 11. Jh.) fast vollständig handschriftlich überlieferte C. enthält, einge- teilt in 12 Bücher (Buch 1 Kirche, Staat, Verfahren, Bücher 2-8 Privatrecht, Buch 9 Strafe, Bücher 10-12 Verwaltung) und (insgesamt 763 bzw. 765) Titel (zitiert als C. nach Buch, Titel und Konstitution, z. B. C. 6, 30, 1) in chronologischer Reihenfolge ungefähr 4600 Konstitutionen hauptsächlich Diokletians (284-305). Im Mittelalter werden als C. nur die ersten neun Bücher gezählt, während das übrige zum -> Volumen (parvum) gerechnet wird. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Söllner § 15; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Codex (M.) Austriacus (lat.) (1704, 1748, 1752, 1777) ist die erste noch private und unvollständige Gesetzessammlung für -> Österreich (unter und ob der Enns). Lit.: Köbler, DRG 145; Baltl/Kocher; Guarient, F. v., Codex Austriacus, Bd. 1f. 1704 Codex (M.) Euricianus (lat.) ist das möglicherweise nach älteren Einzelgesetzen um 475/476 unter dem westgotischen König Eurich entstandene, in einer Palim- psesthandschrift erhaltene Gesetzbuch der Westgoten, das formal wie inhaltlich vom 106 römischen Recht beeinflusst ist. -> Lex Visigothorum Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Gaudenzi, A., Nuovi frammenti, Rivista italiana per le scienze giuridiche 6 (1888); Schiller, F., Das erste Fragment des Codex Euricianus, ZRG GA 30 (1909), 18; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; El codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d', 1960 Codex (M.) Gregorianus (lat.) ist die vermutlich von einem Amtsträger Gregorius (Leiter der Kanzlei a libellis von 284 bis 287 und von 289 bis 290?) privat erstellte, nur bruchstückweise erhaltene, bis zum Jahre 291 reichende Sammlung von Konstitutionen (Gesetzen) der römischen Kaiser von Hadrian (117-138) bis Diokletian (284-305). Der C. ist in späteren Werken (u. a. -> Codex) verwertet. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 22; Köbler, DRG 52, 80 Codex (M.) Hammurapi -> Hammurapi Codex (M.) Hermogenianus (lat.) ist die vermutlich von einem Amtsträger (Leiter der Kanzlei a libellis im Osten von 293 bis 295 und vielleicht auch im Westen 291 und von 295 bis 298) und bekannten Juristen namens -> Hermogenian privat erstellte, nur bruch- stückweise erhaltene, die Jahre 293 und 294 erfassende Sammlung von Konstitutionen (Gesetzen) des römischen Kaisers Diokletian (284-305). Der C. ist in späteren Werken (u. a. -> Codex) verwertet. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 22; Köbler, DRG 52, 80 Codex (M.) iuris Bavarici criminalis (lat.) ist das von -> Kreittmayr geschaffene, am 7. 10. 1751 für -> Bayern veröffentlichte Gesetzbuch des Strafrechts (Teil 1) und Strafprozessrechts (Teil 2). Der C. beseitigt zwar die Rechts- zersplitterung, hält aber an Ketzerei, Zauberei, Hexerei und Aberglauben als Straftaten, an grausamen Strafen und an der Folter fest. Er gilt bis 1813. Lit.: Pfeitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Schütz, S., Die Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988 Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii (lat.) ist das von -> Kreittmayr geschaffene, 1753 in Kraft gesetzte Zivilprozessgesetzbuch -> Bayerns, das sich um eine Abkürzung des gemeinen Zivilprozesses bemüht und bis 1. 7. 1870 gilt. Lit.: Schwartz, J., 400 Jahre deutsche Civilprozessgesetzgebung, 1898, 254; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schöll, W., Der Codex iuris bavarici iudiciarii, Diss. jur. München 1965; Codex iuris Bavarici judiciarii, hg. v. Schubert, W., 1993; Seuffert, J. u. a., Kommentar über die bayerische Gerichtsordnung, Bd. 1ff. 2. A. 1853ff., Neudruck 1993 Codex (M.) iuris canonici (lat.) ist das im 20. Jh. geschaffene Gesetzbuch der katholischen Kirche. Von Papst Pius X. 1904 durch -> Gasparri in die Wege geleitet und von einer Kommission ausgearbeitet, wird es am 27. 5. 1917 zum 19. 5. 1918 in fünf Büchern (all- gemeiner Teil, Personenrecht, Sachenrecht, Prozessrecht, Strafrecht) in Kraft gesetzt. Hieran schließt sich 1983 eine Neufassung an (allgemeine Normen, Kirchenverfassung, Ver- kündigungsdienst der Kirche, Sakramente, Kirchenvermögen, Strafen, Prozess). Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 205, 266; Codex iuris canonici, hg. v. Gasparri, P., 1917; Codicis iuris canonici fontes, cura Gasparri, P., Bd. 1ff. 1923ff.; Codex des kanonischen Rechtes, hg. im Auftrag der deutschen und Berliner Bischofskonferenz, 1983, 2. A. 1984; Zapp, H., Codex iuris canonici, Stichwortverzeichnis, 1986 Codex (M.) Iustinianus -> Codex Codex (M.) Maximilianeus Bavaricus civilis (lat.) ist das von -> Kreittmayr in deutscher Sprache geschaffene, am 2. 1. 1756 ver- öffentlichte, alle zur bürgerlichen Rechts- gelehrsamkeit gehörigen Materien samt Jagdrecht, Fischereirecht, Forstrecht und Gewerberecht nach gemeinrechtlichen und statutarischen Rechtsgrundsätzen zusammen- fassende Gesetzbuch (,,kurbayerisches Land- recht"). Der C. gliedert sich nach Personen, Sachen und Ansprüchen. Er löst das bayerische Landrecht von 1616 ab, lässt das gemeine Recht subsidiär fortgelten und wird zum 31. 12. 1899 durch das -> Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches abgelöst. Lit.: Kroeschell, DRG 3; (Kreittmayr, W. Frhr. v.,) Anmerkungen zum Codex civilis Maximilianeus Bavaricus, Bd. 1ff. 1758ff., Neudruck; Friedl, H., Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, Diss. jur. Erlangen 1934; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Pöppel, P., Quellen und System des Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, 1967 107 Codex (M.) Theodosianus (lat.) ist das 429 in einem umfassenden Plan in Angriff genommene, 435 begonnene, am 15. 2. 438 veröffentlichte und zum 1. 1. 439 in der östlichen Hälfte des römischen Reiches in Kraft gesetzte sowie von Kaiser Valentinian am 25. 12. 439 auch für die westliche Hälfte verkündete Gesetzbuch. Der C. enthält un- gefähr 3400 kaiserliche Konstitutionen (Gesetze) von 313 bis 437. Er gliedert sich in 16 Bücher (1, 6-8,11, 10-15 Verwaltung, 2-5 und 8,12-19 Privatrecht, 9 Strafe, 16 Kirche) sowie Titel und ist innerhalb dieser Einteilung zeitlich geordnet. Die Bücher 1 bis 5 sind mit etwa 400 Konstitutionen hauptsächlich durch das -> Breviarium Alaricianum (506) aus- zugsweise überliefert, die Bücher 6-16 durch zwei frühe Handschriften. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 21, 22; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 52, 80; Theodosiani libri XVI, ed. Mommsen, T., 1905; Dilger, A., Herkunft und Rechtsnatur einer Handschrift aus dem theodosianischen Gesetzbuch, ZRG GA 94 (1977), 184; Archi, G., Theodosio II e il suo tempo, 1978; Dilger, A., Die Stuttgartensis und ihre Bedeutung, ZRG GA 99 (1982), 298; The Theodosian Code, hg. v. Harries, J. u. a., 1993 Codex (M.) Theresianus (lat.) ist der Entwurf eines einheitlichen österreichischen Gesetzbuches unter Maria Theresia. Er beruht auf der Arbeit einer zum 14. 2. 1753 eingesetzten Kompilationskommission, die ein auf natürliche Billigkeit gegründetes volkstümliches Recht schaffen und dabei die einzelnen Provinzialrechte, das gemeine Recht und die Gesetze anderer Staaten heranziehen soll. Das von Josef Azzoni (1712-1760) und Johann Bernhard von Zencker geförderte Unternehmen endet 1776 wegen seiner Dickleibigkeit, erleichtert aber als wertvolle Vorarbeit das -> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811/12. Lit.: Codex Theresianus, hg. v. Harras von Harrasowsky, P., Bd. 1ff. 1883ff.; Höslinger, R., Die gemeinrechtlichen Quellen des Codex Theresianus, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 1 (1950), 72; Wesener, G., Die Rolle des usus modernus pandectarum im Entwurf des Codex Theresianus, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997 Codex Urnammu ist der 1948 entdeckte Rechtstext des Königs Urnammu von Lagusch (Ur) (um 2100 v. Chr.). Lit.: Wesel, U., Geschichte des Rechts, 2. A. 2001 Codice civile -> Italienisches Recht Codicillus (lat. [M.] Büchlein) ist im klassischen römischen Recht die letztwillige Verfügung, die entweder als Bestandteil eines - > Testaments zählt oder nur Fideikommisse und fideikommissarische Freilassungen enthalten darf. Lit.: Kaser § 68; Söllner §§ 15, 17; Köbler, DRG 38 Código (M.) civil (span.) ist das spanische Zivilgesetzbuch von 1888/1889, das maßgeblich von Manuel Alonso Martínez (1827-1891) geprägt wird. Es vereinheitlicht das Privatrecht, belässt aber mit dem Mittel seiner Subsidiarität landschaftliche, auf den Foralrechten (fueros) beruhende Unterschiede im Verhältnis zu -> Kastilien. Código (M.) de comercio (span.) -> Handels- gesetzbuch Código (M.) do processo civil (portug.) ist das portugiesische Zivilprozessgesetzbuch des Jahres 1939, das maßgeblich von José Alberto dos Reis geprägt wird. Coercitio (lat. [F.]) ist im altrömischen Recht die allgemeine, Unrechtstaten verfolgende magistratische Zuchtgewalt. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 6; Köbler, DRG 18, 20 cognati (lat. [M.Pl.]) Blutsverwandte, -> Verwandte cognitio (F.) Erkenntnis -> cognitio (F.) extra ordinem Cognitio (F.) extra ordinem (lat., Erkenntnis außer der Ordnung) ist im klassischen römischen Recht das außerordentliche Verfahren, das durch allmähliche behördliche Verfestigung die altrömische Gerichtsver- fassung ersetzt. -> Kognitionsverfahren Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14, 15, 16; Köbler, DRG 34; Köbler, LAW cognitor (lat. [M.]) Prozessvertreter -> Stellvertreter Coimbra am Mondego beruht auf römischer Grundlage (Conimbriga bzw. Aeminium). 878/1064 wird es den Mauren entzogen und wird im 12./13. Jh. Hauptstadt -> Portugals. Die 1290 in Lissabon gegründete Universität wird 1308 nach C. verlegt (1338-1354, 1377- 1537 nochmals Lissabon). Lit.: Almeida, A./Brandao, M., A Universidade de 108 Coimbra, 1937; Mera, P., Sôbre as origens do concelho de Coimbra, Revista Portuguesa de história 1 (1940), 49 Coing, Helmut (Celle 28. 02. 1912-Kronberg im Taunus 15. 08. 2000) Lit.: Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, hg. v. Wilhelm, W., 1972 Coke, Sir Edward (Mileham/Norfolk 1. 2. 1552-Stoke Poges 3. 9. 1634), Norfolker Land- adligensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Cambridge und der praktischen Ausbildung in Clifford's Inn und Inner Temple in London 1578 Anwalt, 1592 Kronanwalt und 1594 Justizminister (Attorney General). Zunächst entschiedener Anhänger des Königs, behauptet er seit 1606 als Chief Justice of the Common Pleas die Unterordnung des Monarchen unter das common law und wird deswegen schließlich 1616 entlassen. Seit 1620 verstärkt er aus dem Parlament heraus den Widerstand gegen den König. Daneben veröffentlicht er nach einer umfassenden Sammlung von Entscheidungen (Reports, 1600ff.) und einer Sammlung von Einträgen (A Book of Entries, 1614) seit 1628 seine vierbändigen Institutes, die das erste Lehrbuch des neuzeitlichen -> common law bilden. Davon stellt das als Commentary upon Littleton(´s Tenures) gestaltete erste Buch (Coke upon Littleton) eine Rechtsgrundlegung (Enzyklopädie) dar. Die weiteren drei Bücher begründen verfassungsmäßig den Vorrang von Parlament und Recht im Staat. Im Ergebnis verdrängen Cokes Reports und Institutes in kurzer Zeit die in Law French abgefassten älteren Year Books (Jahrbücher) und Rechtsdarstellungen. Lit.: Thorne, S., Sir Edward Coke, 1952 Collatio (F.) bonorum (lat., Vergleich der Güter) ist im klassischen römischen Recht die Verrechnung des Vorausempfanges (Abfin- dung, Mitgift) eines Hauserben mit seinem Erbteil vor dem Prätor. Lit.: Kaser § 65, 73; Köbler, DRG 37, 59 Collatio (F.) legum Mosaicarum et Romanarum (lat.) ist die spätantike, unter dem Titel (lat.) lex (F.) Dei quam praecepit Dominus ad Moysen (Gesetz Gottes, das der Herr Moses gebot,) überlieferte Schrift eines unbekannten Verfassers, die Stellen der Bibel mit Stücken des -> Gaius, der Spätklassiker, des -> Codex Gregorianus und des -> Codex Hermogenianus mit dem Ziel des Nachweises der Übereinstimmung vergleicht. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Söllner §§ 5, 16; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswis- senschaft, 1961, 394 Collegantia Lit.: Condanari-Michler, S., Zur frühvenezianischen collegantia, 1937 Colonus (lat. [M.]) ist im spätantiken römischen Recht der erblich an die Scholle gebundene Landpächter. Lit.: Kaser § 16; Söllner § 19; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 50, 57; Köbler, LAW Comecon (engl. Council for Mutual Economic Assistance) ist die am 25. 1. 1949 in Moskau von der Union der sozialistischen Sowjetrepu- bliken, Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien gegründete, mehrfach erweiterte Organisation zur wirtschaftlichen Vereinigung Osteuropas innerhalb der inter- nationalen sozialistischen Arbeitsteilung (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe). Lit.: Ribi, R., Das Comecon, 1970; Uschakow, A., Integration im RGW, 1983 comenda (lat. [F.]) -> commenda Comes (lat. [M.]) ist in der Spätantike der Begleiter und Amtsträger des Kaisers und im Frühmittelalter der -> Graf. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 84; Köbler, LAW; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Ebling, H., Prosopographie der Amtsträger, 1974; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens, 1986; Scharf, R., Comites, 1994; Comitatus, hg. v. Winterling, A., 1998 Comitia (lat. [N.Pl.]) ist im altrömischen Recht die unterschiedlich gegliederte Volksver- sammlung. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 18 Comitia (N.Pl.) curiata (lat.) ist die nach Kurien gegliederte römische Volksversammlung. Comitatus (lat. [M.]) Begleitung -> comes, (mlat.) Grafschaft Lit.: Wagner, G., Comitate um den Harz, Harzzeitschrift 1 (1948), 1; Wagner, G., Comitate im karolingischen Reich, 1952; Wagner, C., Comitate in Franken, Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 6 (1954), 3; Wagner, G., Comitate im Bistum Paderborn, Westfälische Zeitschrift 103/104 (1954), 221; Wagner, G., Comitate zwischen Rhein, Main und Neckar, ZGO 103 (1955), 1; Mascher, K., Reichsgut und Komitat am Südharz, 1957; Claude, D., Untersuchungen zum 109 frühfränkischen Comitat, ZRG GA 81 (1964), 1; Sprandel, R., Bemerkungen zum frühfränkischen Comitat, ZRG GA 82 (1965), 288; Holzfurtner, L., Die Grafschaft der Andechser, 1994 Commenda (lat. [F.]), comenda, ist eine mittelalterliche Vorform der Kommanditgesell- schaft. Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Silberschmidt, W., Die italienische Commendaforschung der jüngsten Zeit, Studi in memoria di Aldo Ekbertoni 3, 1936; Pryor, J., The Origins of the commenda contract, Speculum 52 (1977), 5 Commendatio (lat. [F.]) ist im Mittelalter die Handlung, mit der sich der Lehnsmann dem Lehnsherrn anvertraut. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 63; Köbler, LAW Commentaries on the Laws of England (1765ff.) ist die auch naturrechtlich beeinflusste Zusammenfassung des -> englischen Rechts durch -> Blackstone (1723- 1780). Commercium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die dem Fremden durch Verleihung zu eröffnende Teilrechtsfähigkeit im Verkehrsrecht. Lit.: Kaser § 3, 68; Söllner § 12; Köbler, DRG 21 Commodatum (lat. [N.]) ist die im jüngeren klassischen römischen Recht anerkannte -> Leihe (Realkontrakt). Lit.: Kaser § 39 II; Köbler, DRG 45, 63 Common law (engl., gemeines Recht) ist in England das für alle einheitlich geltende Recht im Gegensatz zum örtlich oder persönlich unterschiedlichen Recht bzw. das in England seit dem Hochmittelalter entwickelte Recht im Gegensatz zu dem aus dem römischen Recht entwickelten Recht bzw. das von Gerichten in England geschaffene Recht im Gegensatz zum gesetzten Recht. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Plucknett, T., Concise History of Common Law, 5. A. 1956; Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 1973; Simpson, A., Biographical Dictionary of the Common Law, 1984; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; The Reception of Continental Ideas in the Common Law World, hg. v. Reimann, M., 1993; Martinez-Torron, J., Anglo-American Law and Canon Law, 1998; Baker, J., The Common Law Tradition. Lawyers, Books and the Law. 2000 Commonwealth (engl.) gemeinsamer Reichtum, Weltreich Communio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die -> Gemeinschaft (z. B. mehrerer Erben), in der jeder Gemeinschafter einen rechnerischen Anteil hat, über den er verfügen kann. Lit.: Kaser § 23; Kroeschell, DRG 1 communis opinio (lat. [F.]) öffentliche Meinung Como Lit.: Campiche, C., Die Comunalverfassung von Como, 1929 compendium (N.) iuris (lat.) Rechtshandbuch Lit.: Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium juris, 1968 Compensatio (lat. [F.]) ist die im klassischen römischen Recht grundsätzlich nur im Verfahren oder bei Einverständnis wirksame Verrechnung mit einer Gegenforderung. -> Aufrechnung Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 62; Dernburg, H., Geschichte und Theorie der Compensation, Neudruck 1965, 2. A. 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Compilación de Leyes (Ordenanzas reales de Castilla) ist die erste, 1480 von Alonso Díaz de Montalvo (1405-1499) zusammengestellte Sammlung kastilischer Vorschriften in 8 Büchern (ordenamiento von 1484). Ihr folgen Sammlungen von (1485,) 1567 und 1805. - >Libro do Leyes Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,558,674 Compilatio (F.) maior (lat.) ist die nach justinianischem Vorbild in neun Bücher gegliederte Sammlung des aragonesischen Rechts durch Vidal de Canellas ( 1252) in aragonesischer Sprache. Lit.: Pérez Martn, A., Einleitung zu Fori Aragonum, 1979, 1 Compositio (lat. [F.]) ist in den lateinischen Texten des Frühmittelalters die -> Buße. -> Kompositionensystem Lit.: Köbler, DRG 65, 91; Köbler, LAW; Jaekel, H., Weregildus, ZRG GA 28 (1907), 107 Conchyleus -> Coquille Conclusum (N.) imperii (lat., Reichsschluss) ist seit dem Spätmittelalter das vom Kaiser des Heiligen Römischen Reichs angenommene Reichsgutachten der Reichsstände, das noch 110 der Verkündung bedarf, um Gesetz zu werden. Lit.: Rauch, K., Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert, 1905 Concordia (F.) discordantium canonum (lat.) ist der Titel des -> Decretum Gratiani (Dekret Gratians). concussio (lat. [F.]) -> Erpressung Condicio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die -> Bedingung. Lit.: Kaser §10; Willvonseder, R., Die Verwendung der Denkfigur der condicio sine qua non, 1984 Condictio (lat. [F.]) ist im Formularverfahren des klassischen römischen Rechts die Klagformel, die im spätantiken römischen Recht besonders mit dem Fall grundloser Vorenthaltung (z. B. des auf eine Nichtschuld Geleisteten) verbunden wird. -> Kondiktion Lit.: Kaser §§ 32, 33, 38, 39, 40, 48, 83; Söllner § 9; Köbler, DRG 33, 45, 67; Koschembahr-Lyskowsky, I. v., Die condictio als Bereicherungsklage, Bd. 1f. 1903ff.; Schwarz, F., Die Grundlage der condictio, 1952 condictio (F.) causa data causa non secuta (lat.) Bereicherungsanspruch wegen nicht erbrachter Gegenleistung, -> Bereicherung condictio (F.) ex lege (lat.) Berei- cherungsanspruch aus gesetzlicher Obligation, - > Bereicherung condictio (F.) furtiva (lat.) Berei- cherungsanspruch gegen den Dieb, -> Bereicherung condictio (F.) indebiti (lat.) Berei- cherungsanspruch wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld, -> Bereicherung condictio (F.) ob causam datorum (lat.) Be- reicherungsanspruch wegen nicht entstandenen Rechtsgrundes, -> Bereicherung condictio (F.) ob causam finitam (lat.) Be- reicherungsanspruch wegen weggefallenen Rechtsgrundes, -> Bereicherung condictio (F.) ob turpem vel iniustam causam (lat.) Bereicherungsanspruch wegen eines sittenwidrigen oder unzulässigen Rechtsgrundes, -> Bereicherung condictio (F.) sine causa (lat.) Be- reicherungsanspruch wegen rechtsgrundloser Leistung, -> Bereicherung conductio (lat. [F.]) Miet-, Pacht-, Dienst- und Werkvertrag Lit.: Mayer-Maly, T., Locatio conductio, 1956 Confessio est regina probationum (lat.). Das Geständnis ist die Königin der Beweise. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 confin -> Militärgrenze Confoederatio (F.) cum principibus ecclesiasticis ist die im 19. Jh. aufgekommene lateinische Bezeichnung für das 11 Artikel umfassende, wohl nur die bereits eingetretene Rechtswirklichkeit anerkennende Privileg König Friedrichs II. für die geistlichen Reichsfürsten vom 26. 4. 1220 als Gegen- leistung für die Wahl Heinrichs (VII.) zum König (z. B. Verzicht auf den Nachlass, Verzicht auf neue Zollstätten, Testierfreiheit, Verfügungsfreiheit über Kirchenlehen, Verstär- kung des Kirchenbannes durch Reichsacht). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982, 420 Connan, François (Paris 1508-1551), Sohn eines maître des comptes, wird nach dem Studium in Paris und dem Rechtsstudium (1529) in Bourges um 1533 Parlamentsadvokat und danach königlicher Rat. In einer Gesamtdarstellung des geltenden Rechts in zehn Büchern ([lat.] Commentariorum iuris civilis libri [M.Pl.] X, 1553ff. Zehn Bücher Kommentare des weltlichen Rechts) versucht er die tatsächliche Ordnung der Rechtsquellen durch ein wissenschaftliches System (lat. [F.] ars) zu ersetzen. Bei diesem wenig erfolg- reichen Bemühen deutet er die römischrechtliche (lat. [F.]) -> actio als ein rechtserhebliches Verhalten und begründet damit den Gedanken der -> Willenserklärung. Lit.: Bergfeld, C., Franciscus Connanus, 1968 Conring, Hermann (Norden 9. 11. 1606-Helm- stedt 12. 12. 1681), aus gelehrter ostfriesischer Familie, wird nach dem 1620 begonnenen Studium von Medizin und Politik in Helmstedt und Leiden (seit 1625) 1632 Professor für Naturphilosophie (Physik und Rhetorik) bzw. Medizin (1637) und Politik (1650) in Helmstedt. Er hält auch juristische Vorlesungen und erstattet Rechtsgutachten. In seinem im Ergebnis bereits 1635 feststehenden Buch (lat.) De origine iuris Germanici (1643, Vom Ursprung des deutschen Rechts) widerlegt er die Ansicht, dass das römische Recht in Deutschland 1135 durch ein Gesetz Kaiser Lothars III. von Süpplingenburg in Kraft gesetzt worden sei (sog. -> lotharische Legen- de) und begründet damit die deutsche 111 Rechtsgeschichte. Lit.: Köbler, DRG 139, 142, 186; Dahl, F., Zu den Beziehungen Conrings zu Dänemark, ZRG GA 37 (1916), 507; Hermann Conring, hg. v. Stolleis, M., 1983; Conring, H., De origine iuris germanici (deutsche Übersetzung), hg. v. Stolleis, M., 1994; Oestmann, P., Kontinuität oder Zäsur, in: Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 191; Arnswaldt, A. v., De vicariatus controversia, 2004 Consensus (lat. [M.] Zustimmung, Willensübereinstimmung) ist seit dem klassischen römischen Recht Voraussetzung des Konsensualvertrages. Lit.: Kaser §§ 8, 38, 58; Köbler, LAW; Hannig, J., Consensu fidelium, 1982 Consensus (M.) facit nuptias (lat.). Die Willensübereinstimmung bewirkt die Eheschließung. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Julian um 100-um 170 n. Chr.) consilium (lat. [N.]) Rat, Gutachten, span. consejo, it. consiglio Lit.: Kaser § 2; Söllner §§ 6, 9, 12, 15; Köbler, DRG 18, 106; Kisch, G., Consilium, 1970; Consilia im späten Mittelalter, hg. v. Baumgärtner, I., 1995 Consolat del Mar (Llibre del C. d. M.) ist die nach dem Seekonsulat von Barcelona (1282 consules del mar) benannte, mittelalterliche, in Barcelona zwischen 1266 und 1268 begonnene, später andernorts erweiterte und 1348 vom Seekonsulat in Barcelona eingeführte Zusam- menfassung des mittelmeerischen Seege- wohnheitsrechts. -> Seerecht Lit.: Wagner, R., Beiträge zur Geschichte des Seerechts, ZHR 29 (1884), 413; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Valls i Taberner, F., Consolat de Mar, 1930ff.; García, A., Llibre del Consolat, Bd. 1ff. 1981ff.; Hernández Izal, S., Els costums marítims de Barcelona, Bd. 1f. 1986ff. Consortium (lat. [N.] Gemeinschaft) ist im altrömischen Recht der Zusammenschluss von Erben nach der Nachlassteilung zu einer vereinbarten -> Gemeinschaft. Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler, DRG 22, 47 constitutio (lat. [F.]) Beschluss, Gesetz Constitutio (F.) Antoniniana (lat.) ist das in einem stark zerstörten, in Gießen aufbewahrten Papyrus überlieferte Gesetz Kaiser Antoninus Caracallas aus dem Jahre 212, in dem er zur Ausdehnung der Steuerpflicht allen freien Bewohnern des römischen Reiches das römi- sche Bürgerrecht gibt. Lit.: Kaser § 3; Söllner §§ 14, 18; Köbler, DRG 35; Sasse, C., Die Constitutio Antoniniana, 1958; Wolff, H., Die Constitutio Antoniniana und Papyrus Gissensis 40 I, Diss. jur. Köln 1976 Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (lat.) -> Bamberger Halsgerichtsordnung (1507) Constitutio (F.) Criminalis Carolina (lat., Strafgesetz[buch] Karls V.) ist die reichseinheitliche Peinliche Gerichtsordnung Karls V. von 1532. Sie geht auf Beschwerden über die sich häufenden ungerechten Straf- verfahren, die ihrerseits die Antwort auf die im Mittelalter vor allem infolge des Bevöl- kerungswachstums, der Urbanisierung und Emanzipierung von der herkömmlichen Ordnung sowie wohl auch der Verstärkung der Staatlichkeit anschwellende Kriminalität sind, vor dem Reichstag von Lindau (1496/1497) zurück. Dieser setzt zum Zweck der Besserung des Strafverfahrens eine von 1503 bis 1517 untätige, danach vier Entwürfe vorlegende Kommission ein. Sie übernimmt im Wesentlichen den Inhalt der vom Vorsitzenden des Hofgerichts des Bischofs von Bamberg, Johann Freiherr von -> Schwarzenberg, auf Grund seiner Kenntnisse der praktischen Probleme und unter Einarbeitung des aus Oberitalien kommenden römisch-kanonischen Strafprozessrechts geschaffenen (lat.) Consti- tutio (F.) Criminalis Bambergensis (-> Bamberger Halsgerichtsordnung) von 1507 in ihre 219 Artikel. Sie will nur subsidiär gegenüber den alten wohlhergebrachten, rechtmäßigen und billigen Gebräuchen gelten (sog. salvatorische Klausel), kommt aber tatsächlich allgemein zur Anwendung. Sie beherrscht das gesamte Strafverfahrensrecht und Strafrecht (Art. 104-180) des Reiches bis in das von der Aufklärung bestimmte 18. Jh. Besonders bedeutsam sind ihre Lehre von den für die Anwendung der -> Folter von nun an gegenüber einem Tatverdächtigen erfor- derlichen -> Indizien (Anzeichen, z. B. blutige Kleider) und ihre Ansätze zu allgemeinen Lehren. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 136, 156; Güterbock, Die Entstehungsgeschichte der Carolina, 1878; Dargun, L., Die Rezeption der peinlichen 112 Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. in Polen, ZRG GA 10 (1889), 168; Die Carolina und ihre Vorgängerinnen, hg. v. Kohler, J. u. a., W., Bd. 1ff. 1900ff., Neudruck 1968; Schoetensack, A., Der Strafprozess der Carolina, Diss. jur. Heidelberg, 1904; Kantorowicz, H., Goblers Karolinen-Kommentar, 1904; Saueracker, K., Wortschatz der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V., 1929; Schmidt, E., Die Carolina, ZRG GA 53 (1933), 1; Weber, H. v., Die peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288; Schmidt, G., Sinn und Bedeutung der Constitutio Criminalis Carolina, ZRG GA 83 (1966), 239; Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a. 1984 Constitutio (F.) Criminalis Theresiana (lat.) ist das unter Maria Theresia am 31. 12. 1768 erlassene, 1082 Paragraphen umfassende Strafgesetzbuch mit Inquisitionsverbot, freier richterlicher Beweiswürdigung, festen Tatbe- standsbeschreibungen und Folter, das 1787 durch ein Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung ersetzt wird. Die C. C. T. beruht auf einer von der -> Constitutio Criminalis Carolina geprägten Halsgerichtsordnung Josephs I. von 1707. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 142, 157; Baltl/Kocher; Maasburg, M. v., Zur Entstehungsge- schichte der theresianischen Halsgerichtsordnung, 1880; Kwiatkowski, E. v., Constitutio Criminalis Theresiana, 1903; Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002 Constitutio (F.) Joachimica (lat.) ist die verhältnismäßig kurze, auf Erbrecht be- schränkte ,,Constitution, Wilkoer und Ordnung der Erbfelle und anderer Sachen" des Markgrafen Joachim I. von Brandenburg (1499-1535) vom 9. 10. 1527 (Reformation des Landrechts). Lit.: Heydemann, L., Die Elemente der Joachimischen Konstitution von 1527, 1841, Neudruck; Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von 1594, 1973 constitutum (lat. [N.]) -> Beschluss, Fest- setzung constitutum (N.) debiti (lat.) Schuldzusage constitutum (N.) possessorium (lat.) -> Besitzkonstitut Consuetudo (lat. [F.]) ist die Gewohnheit. In der römischen Spätantike wird sie zur Rechtsquelle erklärt. Die gute c. ist auch im späten ius commune Italiens eine beliebte und praktisch-relevante Rechtsquelle. -> Gewohnheitsrecht Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 52; Köbler, LAW; Garré, R., Consuetudo, 2005 Consul (lat. [M.]) ist im altrömischen Recht der Republik der Höchstmagistrat. Zwei gleichzeitige Konsuln (Kollegialität) erlangen die Führung des Gemeinwesens durch eine Wahl auf Vorschlag ihrer Vorgänger hin für jeweils ein Jahr (Annuität), wobei seit 367 v. Chr. (lex Licinia) auch Plebejer c. werden können. Mit dem Ende der Republik (27 v. Chr.) gehen die Aufgaben der Konsuln auf den Prinzeps bzw. Kaiser über, doch werden consules bis 534 im Westen und bis 541 im Osten fortgeführt. Seit dem ausgehenden 11. Jh. (1090) ist c. der städtische Ratsherr. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner §§ 6, 11, 14, 23; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 111; Köbler, LAW; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, in: Die Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81 Consultatio (F.) cuiusdam veteris iuris consulti (lat.) ist die am Ende des 5. Jh.s oder im 6. Jh. vermutlich in Gallien entstandene, durch einen Druck des 16. Jh.s überlieferte Sammlung von Rechtsgutachten mit Zitaten aus den Paulussentenzen, dem -> Codex Gregorianus, dem -> Codex Hermogenianus und dem -> Codex Theodosianus. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 408 Contempt of court (engl., Missachtung des Gerichts) ist im angloamerikanischen Recht die gewohnheitsrechtlich als rechtswidrig (crime bzw. tort) anerkannte Störung der Gerichtstätigkeit. Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 Contius -> Le Conte Contractus (lat. [M.]) ist im klassischen römischen Recht der Vertrag, aus dem eine Obligation (Schuld) entsteht. Er kann Realkontrakt, Verbalkontrakt, Litteralkontrakt oder Konsensualkontrakt sein. Lit.: Kaser §§ 5, 38; Kroeschell, DRG 1; Wunner, S., Contractus, 1964; Wieacker, F., Contractus und obligatio im Naturrecht zwischen Spätscholastik und Aufklärung, in: Scolastica 1973, 223; Feenstra, R./Ahsmann, M., Contract, 1980; Pacte, convention, contrat, hg. v. Dufour, 113 A., 1998 contrarius consensus (lat. [M.]) Aufhebungs- vertrag Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus, 1968 Contumacia (lat. [F.]) ist im klassischrömischen Kognitionsverfahren die Prozessweigerung, die in einem Versäumnisverfahren dazu führen kann, dass der Geladene gemäß dem Klagebegehren verurteilt wird. Lit.: Kaser § 87; Kroeschell, DRG 1, 2 Conubium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die dem Fremden durch Verleihung zu eröffnende Teilrechtsfähigkeit im Eherecht. Lit.: Kaser §§ 3, 58, 60 copy right -> Urheberrecht Coquille (Conchyleus), Guy (Decize 1523- 1603), Sohn eines adligen Salzrichters, wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1539) und Orléans (Du Moulin) Anwalt. In posthum veröffentlichten Schriften stellt er das Gewohn- heitsrecht (franz. droit coutumier) nach dem Vorbild der Institutionen Justinians dar (Institutions au droit des François, 1607). Lit.: Maumigny, J., Étude sur Guy Coquille, 1910, Neudruck 1971 Cork im Südosten Irlands wird im 9. Jahrhundert von Normannen bei einem Kloster des 6. Jahrhunderts gegründet. 1172 wird es unter der Herrschaft Englands Stadt. 1845 erhält es eine Universität. corpore (lat.) durch tatsächliche Sachherrschaft, -> Besitz, -> corpus, -> possessio corpus (lat. [N.]) Körper Corpus (N.) catholicorum (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der katholischen -> Reichsstände. -> corpus evangelicorum Corpus (N.) delicti (lat.) ist der Gegenstand der Straftat, mit dem sich die gemeine Prozessrechtswissenschaft allgemein befasst. Lit.: Hall, A., Die Lehre vom corpus delicti, 1933 Corpus (N.) evangelicorum (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der evangelischen -> Reichsstände. -> corpus ca- tholicorum Lit.: Schauroth, E., Vollständige Sammlung aller conclusorum des corpus evangelicorum, Bd. 1ff. 1751ff.; Belstler, U., Die Stellung des corpus evangelicorum, Diss. jur. Tübingen 1968 Corpus (N.) iuris canonici (lat.) ist die um 1500 von dem Pariser Kirchenrechtler Jean Chappuis erstmals benützte und von Papst Gregor XIII. am 1. 7. 1580 amtlich verwendete Bezeichnung für die anerkannten Rechtsquellen der (katholischen) Kirche. Das c. i. c. besteht aus dem Decretum Gratiani (Dekret Gratians, um 1140), den auf Antrag Papst Gregors IX. von Raymundus de Penyafort von 1230 bis 1234 gesammelten -> Dekretalen (-> Liber extra), den auf Veranlassung Papst Bonifaz' VIII. zusammengestellten Dekretalen (-> Liber sextus) und den -> Clementinen. Es gilt bis zum Inkrafttreten des -> Codex iuris canonici am 19. 5. 1918. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Corpus iuris canonici, ed. Friedberg, E., Bd. 1 1879ff., Neudruck 1955, 1959; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; Dickehof-Borello, E., Ein Liber septimus für das corpus iuris canonici, 2002 Corpus (N.) iuris civilis (lat.) ist die Gesamtheit der von dem oströmischen Kaiser Justinian (527-565) zwischen 527 und 534 in Kraft gesetzten Rechtsquellen einschließlich seiner nachfolgenden Novellen. Er besteht aus dem -> Codex (repetitae praelectionis) von 534, den -> Digesten oder -> Pandekten (533) und den -> Institutionen von 533 sowie den privat gesammelten -> Novellen. Die Bezeichnung entspricht dem Namen (lat.) -> corpus (N.) iuris canonici für die kirchlichen Rechtsquellen. Sie wird seit der Gesamtausgabe der justinianischen Gesetz- gebungswerke durch Dionysius Gothofredus (1583) üblich. Lit.: Kaser § 1; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 137, 142; Corpus iuris civilis, hg. v. Krüger, P. u. a., Bd. 1ff. z. T. 22. A. 1973; Corpus iuris civilis Iustinianei, hg. v. Fehus, J., Bd. 1ff. 1672ff., Neudruck 1966 (mit Glosse); Spangenberg, E., Einleitung in das römisch- justinianische Rechtsbuch, 1817, Neudruck 1970 (mit Bibliographie der älteren Ausgaben); Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953, 562; Ochoa, X./Diez, A., Indices titulorum et legum corporis iuris civilis, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Thilo, R., Drucke des Corpus iuris civilis im deutschen Sprachraum, Gutenberg- Jahrbuch 59 (1984), 52 Corpus (N.) iuris feudalis (lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen des 114 Lehnsrechts im 18. Jh. Lit.: Lünig, J., Corpus iuris feudalis Germanici, Bd. 1ff. 3. A. 1727 Corpus (N.) iuris Fridericiani (lat.), Erstes Buch, ist das 1781 in Preußen in Kraft gesetzte Prozessrechtsgesetzbuch Friedrichs des Großen bzw. seines Großkanzlers -> Carmer, das den Untersuchungsgrundsatz in den Zivilprozess einführt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ebel, F., 200 Jahre preußischer Zivilprozess, 1982 Corpus (N.) iuris militaris (lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen militärrechtlicher Vorschriften zwischen 1632 und 1724. Lit.: Dangelmaier, E., Geschichte des Militärstrafrechts, 1891 Corpus (N.) iuris publici (lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen des öffentlichen Rechtes des Heiligen Römischen Reiches im 18. Jh. Lit.: Schmauss, J., Corpus iuris publici Sancti Romani imperii academium, 1722 Corpus (N.) iuris Saxonici (lat.) ist die Bezeichnung für eine private Sammlung des sächsischen Rechts. Lit.: Lünig, J., Codex Augusteus oder neuvermehrtes corpus iuris Saxonici, Bd. 1f. 1724 Corrigere (lat.) ist ein Ausdruck, der unter Kaiser Trajan (98-117) in das römische Strafverfahren eindringt. Danach geht es dort darum, Unrecht wieder recht zu machen. Diese Vorstellung steckt auch hinter dem germanistischen ,,richten". Lit.: Köbler, DRG 34, 46; Köbler, G., Richten, Richter und Gericht, ZRG GA 87 (1970), 59 Cortes ist die den König beratende Versammlung der Geistlichen, Adligen und Städtevertreter in Kastilien, León, Portugal, Aragón und Navarra seit der 2. Hälfte des 12. Jh.s. Lit.: Gonzáles Antón, L., Las Cortes de Aragón, 1978; Procter, E., Curia and cortes, 1980 Corvey Lit.: Krüger, H., Höxter und Corvey, 1931; Prinz, J., Die Corveyer Annalen, 1982; Hoffmann, H., Bücher und Urkunden aus Helmarshausen und Corvey, 1992 Court of Chancery ist das Gericht des Kanzlers (chancellor) des -> englischen Rechts. Es geht darauf zurück, dass der zunächst geistliche Kanzler schon im 13. Jh. Bitten hilfesuchender Engländer an den König hinsichtlich der Möglichkeit der Bildung neuer Klageformeln begutachtet und im 15. Jh. in Einzelfällen Rechtsschutz gewährt, wenn das - > common law zu unangemessenen Ergeb- nissen führt. Die seit 1529 tätigen weltlichen Kanzler führen das fort und begründen bald ein System anerkannter Sätze des positiven Rechts, das an der Billigkeit (-> equity) ausgerichtet ist. Lit.: Jones, W., The Elizabethan Court of Chancery, 1967; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 Court of Common Pleas ist das seit 1234 sicher belegte, für Zivilsachen zuständige königliche Gericht des -> englischen Rechts in Westminster mit einem Oberrichter und 3 nachgeordneten Richtern. Lit.: Hastings, M., The Court of Common Pleas, 1947 Court of Exchequer ist das für Verwaltungsangelegenheiten und Finanzsachen zuständige königliche Gericht des -> englischen Rechts in Westminster. Court of King`s Bench ist das für Strafsachen und Appellationen zuständige königliche Gericht des -> englischen Rechts in Westminster. Coutume (franz. [F.] Gewohnheit) ist die rechtlich bedeutsame Gewohnheit (lat. [F.] consuetudo). Sie erlangt in Frankreich seit dem 10./11. Jh. Gewicht und wird seit Beginn des 13. Jh.s in Rechtsbüchern (coutumiers) schriftlich aufgezeichnet, wobei Entschei- dungen, Gesetze (Ordonnanzen) und teilweise auch römisches Recht und kirchliches Recht einbezogen werden (Trs ancien coutume de Normandie 1199/1200 bzw. 1220, Grand coutumier de Normandie 1254-1258, Conseil un ami des Pierre de Fontaine für Philipp III. 1253, Livre de justice et de plet 1260, Etablissements de Saint Louis um 1270, Coutumes de Beauvaisis [nördlich von Paris] 1283 des Philippe de Beaumanoir, Ancien coutumier de Champagne des Guillaume du Châtelet 1295-1300, Trs ancienne coutume de Bretagne 1316-1325, Stilus curie Parlamenti des Guillaume du Breuil um 1330, Grand coutumier (de France) des Jaques d'Ableiges um 1388, Somme rural des Jehan Boutillier vor 1395, Vieux coutumier de Poitou 1417). 1454 befiehlt König Karl VII. wegen zahlreicher Streitigkeiten hinsichtlich des Bestehens 115 behaupteter Rechtssätze in der Ordonnance von Montil-les-Tours die amtliche Aufzeichnung aller coutumes jeder bailliage mit an- schließender Inkraftsetzung. Auf der Grundlage der Coutume de Paris (1510 bzw. 1580) entwickelt sich hieraus ein gemeines Gewohnheitsrecht (franz. droit commun coutumier). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Nouveau coutumier général, hg. v. Bourdot de Richebourg, C., Bd. 1ff. 1724ff.; Brunner, H., Die coutumiers der Hamiltonsammlung, ZRG GA 4 (1883), 232; Favey, J., Le coutumier de Moudon de 1577, 1924; Declareuil, J., Histoire générale du droit français, 1925, 851; Filhol, R., Le premier président Christoffe de Thou et la réformation des coutumes, 1937; Olivier-Martin, F., Le roi de France et les mauvaises coutumes au moyen âge, ZRG GA 58 (1938), 108; La rédaction des coutumes, 1962 ; Poudret, J., Enqutes sur la coutume du pays de Vaud, 1967; La coutume de Vaudémont, hg. v. Centre Lorrain, 1970; Le style de Vaudémont, hg. v. Centre Lorrain, 1972 ; Gräfe, R., Das Eherecht in den coutumiers des 13. Jahrhunderts, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,633,2,2,200; Gouron, A./Terrin, O., Bibliographie des coutumes de France, 1975; Les coutumes de l'Agenais, hg. v. Ourliac, P./Gilles, M., 1976; La coutume, hg. v. Gilissen, J., 1982; Walkens, L., La théorie de la coutume chez Jacques de Révigny, 1984 ; Poudret, J., Coutumes et coutumiers, 1998 Coutumes de Beauvaisis sind das bedeutendste Rechtsbuch des mittelalterlichen Frankreich. Die C. d. B. stammen von Philippe de -> Beaumanoir. Er bemüht sich um eine Darstellung des Gewohnheitsrechts in Beauvaisis, verwendet dazu aber auch Sätze der Coutumes von Champagne, Vermandois, Artois, Normandie und Paris, die Rechtsprechung des Parlaments de Paris, königliche Verordnungen, römisches Recht und kirchliches Recht. Die systematisierende, vor eigenen Lösungen nicht zurückschreckende Privatarbeit, die der Rechtswirklichkeit nicht vollständig entspricht, bleibt trotz hohen gedanklichen Wertes von geringem Einfluss auf die Rechtspraxis. Lit.: Coutumes de Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd. 1f. 1899f., Neudruck 1970, Bd. 3; Commentaire historique, hg. v. Hubrecht, G., 1974; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir et les coutumes de Beauvaisis 1283-1293, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983 Coutumier (franz. [M.]) ist die private Aufzeichnung der -> coutume im mittelalterlichen Frankreich. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Le vieux coustumier de Poictou, hg. v. Filhol, R., 1956; Petitjean, M. u. a., Le coutumier bourguignon glosé, 1982; Poudret, J., Coutumes et coutumiers, 1998 Covarubias y Leyva, Diego de (1512-1577) wird nach dem Rechtsstudium 1533 Professor für kirchliches Recht in Salamanca, 1565 Bischof von Segovia und 1574 Präsident des Staatsrates. Auf ihn geht die strafrechtliche Vorstellung des bedingten Vorsatzes (lat. dolus [M.] indirectus) zurück. Lit.: Merzbacher, F., Azpilcueta und Covarruvias, in: Merzbacher, F., Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 275; Peressa, V., Diego de Covarubias, 1957 Cowell, John (1554-1611), nach dem Studium des römischen Rechts in Cambridge 1594 Professor in Cambridge, versucht 1605 eine erfolglose Darstellung des englischen Rechts nach dem Aufbau der Institutionen Justinians ([lat.] Institutiones [F.Pl.] iuris Anglicani, Einrichtungen des englischen Rechts) und muss wegen seiner in seinem erfolgreichen Wörterbuch The Interpreter (1607) vertretenen absolutismusfreundlichen und parlamentsfeind- lichen Haltung 1611 seine Professur aufgeben. Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 1903ff., Bd. 5, 20 creditor (lat. [M.]) -> Gläubiger Crimen (lat. [N.]) ist im römischen Recht das Verbrechen im Gegensatz zu (lat.) delictum (N.). Für die crimina (N.Pl.) entwickelt sich das besondere Strafrecht und Strafprozessrecht. Schon früh wird dabei das c. (publicum) mit der von der Allgemeinheit (mit dem Beil) vollstreckten Todesstrafe geahndet. Zu den lange noch durch den Verletzten mittels Strafe zu vergeltenden crimina zählen Mord (lat. [N.] parricidium), Brandstiftung, handhafter Dieb- stahl, nächtliches Abweiden eines fremden Feldes und falsches Zeugnis. Lit.: Kaser §§ 32, 41, 50; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 12; Köbler, DRG 65; Köbler, LAW Crimen (N.) laesae maiestatis (lat.) ist im älteren römischen Recht die Verletzung des Ansehens zunächst der plebejischen Magistrate. Seit Augustus geht die (lat. [F.]) maiestas vom römischen Volk und seinen Magistraten auf 116 den Prinzeps und damit später den Kaiser über. Seit den Kaisern Arcadius und Honorius kann zum Schutz des Kaisers und seiner Günstlinge jeder politische Vorwurf mit der Todesstrafe und der Vermögensentziehung verfolgt werden. Diese Vorstellung übernimmt das Frühmittel- alter allmählich mit gewissen Abwandlungen. Im weiteren Verlauf findet das c. l. m. Eingang in den -> Mainzer Reichslandfrieden von 1235, die -> Goldene Bulle (1356), die -> Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) und die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532). Erst Carpzov (1635) schränkt differenzierend ein. Danach wird Inhalt des c. l. m. die Beleidigung des Monarchen als Regenten, die 1918 ihren Bezugspunkt verliert. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 20; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967 113; Kellner, O., Das Majestätsverbrechen, Diss. phil. Halle 1911; Tietz, K., Perduellio und maiestas, Diss. jur. Halle 1935; Hageneder, O., Das crimen maiestatis, FS F. Kempf, 1983 Crimen (N.) magiae (lat.) ist in der frühen Neuzeit das Verbrechen der Zauberei. -> Hexerei Lit.: Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902 Criminal Code (1879) ist der an dem 1860 verfassten indischen Strafgesetzbuch (Indian Penal Code) ausgerichtete Entwurf eines englischen Strafgesetzbuches, der vom Parlament nicht angenommen wird. Criminal Law Consolidation Acts (1861) ist die das Strafrecht betreffende Zusammenfassung verstreuter gesetzlicher Vorschriften im -> englischen Recht. Cui bono? (lat.) Wem zum Guten? Wem nützte die Tat? ist ein von Cicero (106-43 v. Chr.) geprägtes lateinisches Rechtssprichwort. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Cuius regio eius religio (lat., wessen Gebiet, dessen Religion) ist die von dem Greifswalder protestantischen Kirchenrechtler J. Stephani (1544-1623) geschaffene Formulierung für die der Sache nach bereits im -> Augsburger Religionsfrieden von 1555 angewandte geistliche Gerichtsbarkeit des reichsun- mittelbaren Landesherrn im Heiligen Römi- schen Reich (deutscher Nation). Der ihr zugrunde liegende Gedanke wird danach von den protestantischen Reichsständen bean- sprucht, in der Gegenreformation auch von den katholischen Reichsständen. Insgesamt fördert und ermöglicht der Satz zu Lasten der Untertanen die Wahrung der Reichseinheit und der monarchisch-aristokratischen Verfassung sowie die Ausbildung des Territorialstaats- kirchenrechts und damit des -> Absolutismus und der -> Souveränität. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Heckel, M., Staat und Kirche nach den Lehren der evangelischen Juristen Deutschlands, ZRG KA 42 (1956), 117, 43 (1957), 202; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005 Cujas, Jacques (1522-1590) wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse zunächst dort Rechtslehrer (1547-1554), danach in Cahors, Bourges (1555-1557, 1559-1566, 1575-1590), Valence (1567-1575) und Turin (1566-1567). Er vertieft die Verwendung humanistischer Methoden im Recht in seinen Textausgaben (J. Pauli receptae sententiae, 1559, Institutiones Justiniani, 1585) und seinen zahlreichen exegetischen Einzelarbeiten. In seinen (lat.) Paratitla (N.Pl.) in libros digestorum (1570) stellt er eine gegliederte Ordnung von Klagen und Rechtsbehelfen dar. Lit.: Spangenberg, E., Jacob Cujas und seine Zeitgenossen, 1822, Neudruck 1967; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Troje, H., Graeca leguntur, 1971, 108 Culpa (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Schuld oder Nachlässigkeit, die vorsätzliches wie fahrlässiges Handeln erfasst. Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15; Köbler, DRG 44, 49, 61, 216; Köbler, LAW Culpa (F.) in contrahendo (lat.) ist das von Rudolf von Ihering (Jhering) als Haftungsgrund herausgearbeitete, vom Bürgerlichen Gesetz- buch des Deutschen Reiches (1900) nicht besonders berücksichtigte Verschulden bei Vertragsschluss (2002 § 311 II BGB). Lit.: Medicus, D., Zur Entdeckungsgeschichte der culpa in contrahendo, FS M. Kaser 1986, 189; Choe, B., Culpa in contrahendo bei Rudolf von Ihering, 1988; Giaro, T., Culpa in contrahendo, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 113 culpa (F.) in eligendo (lat.) Auswahlverschulden culpa (F.) lata (lat.) grobe -> Fahrlässigkeit culpa (F.) levis (lat.) leichte -> Fahrlässigkeit culpa (F.) levissima (lat.) leichteste -> 117 Fahrlässigkeit Lit.: Hoffmann, H., Die Abstufung der Fahrlässigkeit in der Rechtsgeschichte, 1968 Cura (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die bei Geisteskranken, Verschwendern, Tauben, Stummen, Altersschwachen sowie gegebenenfalls Unmündigen und Frauen, auf Antrag auch bei Mündigen, mögliche -> Pflegschaft, bei welcher der Pflegling für eigene Handlungen der Zustimmung des Pflegers (lat. [M.] curator) bedarf. Lit.: Kaser §§ 4, 11, 44, 58, 62, 64, 82; Söllner § 8; Köbler, DRG 36, 57 curator (lat. [M.]) -> cura curia (lat. [F.]) Hof, Herrscherhof, Hofrat Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1965; Lalinde Abadía, J., El curia o cort, Anuario de estudios medievales 4 (1967), 169; Bournazel, E., Le gouvernement capétien, 1975; Loyn, H., The Governance of Anglo-Saxon-England, 1984; Hillen, C., Curia regis, 1999 curtis (lat. [F.]) Hof, Herrenhof Lit.: Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983 curtis (F.) dominica (mlat.) Herrenhof curtis (F.) indominicata (mlat.) Herrenhof curtis (F.) salica (mlat.) Herrenhof Cusanus -> Nikolaus von Kues Custodia (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Aufsicht. Wer eine Sache eines Gläubigers in Händen hat (z. B. Verwahrer), haftet danach für das Abhandenkommen der Sache und solche Schä- den, die gerade bei unzureichender Aufsicht üblicherweise entstehen können. Nur in bestimmten Sonderfällen (höhere Gewalt) wird er von der Haftung frei. Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 45, 63; Köbler, LAW Czernowitz am Pruth wird 1408 als Zollstätte des Fürstentums Moldau erstmals erwähnt. Über die Osmanen gelangt es 1774/1775 an Österreich (Galizien, Bukowina), wo es 1875 eine Universität erhält (u. a. Eugen Ehrlich). 1918 fällt es an Rumänien, 1940 an die Sowjetunion bzw. danach an die Ukraine. Lit.: Jüdisches Städtebild Czernowitz, hg. v. Corbea- Hoisie, A., 1998; Czernowitz, hg. v. Heppner, H., 2000 D Dabelow, Christoph Christian Frhr. v. (Neubuckow bei Wismar 19. 7. 1768­Dorpat 27. 4. 1830), Justizratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Rostock und Jena 1787 Advokat, 1791 außerordentlicher Professor, 1792 ordentlicher Professor in Halle (bis 1806 bzw. 1809), 1811 Staatsrat in Anhalt-Köthen (bis 1813) und 1819 Hofrat und Professor in Dorpat. Lit.: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 4 685 Dacheriana ist die nach ihrem ersten Herausgeber (d'Achery 1685) benannte, um 800 in Lyon entstandene systematische Kirchenrechtssammlung mit etwa 400 canones. Lit.: Mordek, H., Kirchenrecht und Reform, 1975, 259 Dalloz, Désiré (1795-1869) wird nach dem Rechtsstudium Anwalt und 1814 Mitarbeiter am (franz.) Journal des audiences de la cour de cassation et des cours d`appel (1824 Jurisprudence générale du royaume). Danach veröffentlicht er bis 1832 in einem Répertoire de jurisprudence générale (allgemeinen rechtswissenschaftlichen Repertorium) nach Materien geordnet in alphabetischer Reihen- folge wichtige Entscheidungen mit Anmerkungen. Dieses Werk legt er von 1845 bis 1870 in verbesserter und erweiterter Fassung neu auf. Sein Name lebt in dem Verlagshaus fort, das als den ,,Dalloz" eine fortlaufende Sammlung von Entscheidungen, Gesetzen und wissenschaftlichen Stellung- nahmen vertreibt. Lit.: Papillard, F., Désiré Dalloz (1795-1869), 1964 Dalmatien ist das Ostufer der Adria mit den davorliegenden Inseln, das 9. n. Chr. zur römischen Provinz Dalmatia wird. Seit dem Ende des 6. Jh.s dringen Slawen und Awaren ein, seit dem 11. Jh. bemüht sich Venedig um die Herrschaft. Im 16. Jh. fällt ein Teil Dalmatiens an die Türken. Über Venedig (1797) bzw. über den Wiener Kongress (1815) erlangt -> Österreich das 1816 zum Königreich erhobene D. 1920 wird es -> Jugoslawien zugeteilt, aus dem es 1991 vor allem an -> Kroatien fällt. Lit.: Mayer, E., Die dalmatisch-istrische Munizipalverfassung im Mittelalter und ihre römischen Grundlagen, ZRG GA 24 (1903), 211; Stanic, M., Dalmatien, 1984; Steindorf, L., Die dalmatischen Städte, 1984; Clewing, C., Staatlichkeit und nationale Identitätsbildung, 2000 118 Da mihi factum, dabo tibi ius (lat.). Gib mir den Tatbestand, ich werde dir das Recht geben. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Alexander III. 1100-1181, Dekretalen 2, 1, 6) Damme -> Vonnisse von Damme Damnationslegat ist das bereits dem jüngeren altrömischen Recht bekannte Vermächtnis, bei dem vielleicht der treuhänderische Vermö- genskäufer (lat. familiae emptor [M.]) dem oder den Bedachten für eine bestimmte Geldsumme, später auch für andere Leistungen haften soll. Lit.: Kaser §§ 32, 33, 76; Köbler, DRG 23 Damnum (lat. [N.]) ist im klassischen römischen Recht der Schaden, zu dessen Ausgleich bereits 286 v. Chr. die (lat.) lex (F.) Aquilia de damno (aquilisches Gesetz über den Schaden) ergeht. Lit.: Kaser § 51; Köbler, DRG 65 Danelaw ist eine Bezeichnung für das vom späten 9. Jh. bis 1066 vom Recht der Dänen beherrschte Gebiet -> Englands (z. B. Northumbria, Ostanglien). Lit.: Loyn, H., The Vikings in Britain, 1977 Däne -> Dänemark Dänemark ist ein nordeuropäischer Staat zwischen Mitteleuropa und Skandinavien. Die Festigung einer eigenständigen Herrschaft über die Dänen (6. Jh.) durch einen König gelingt in der ersten Hälfte des 10. Jh.s unter Gorm dem Alten. Wenig später setzt sich das Christentum in D. durch. Zeitweise herrschen die Könige Dänemarks über große Teile Englands (Knut der Große 1018-1035), der Ostsee (Waldemar der Große 1157-1182) und -> Norwegen, -> Schweden sowie -> Finnland (Margarete I. 1387/1389-1412). Um 1200 wird erstmals das Recht schriftlich aufgezeichnet. 1536 wird unter dem Hause Oldenburg (1448-1863) die lutherische Reformation durchgeführt. Vom Einfluss der katholischen Kirche befreit beherrscht der König zusammen mit dem Adel das Land. Im Gefolge des Dreißigjährigen Kriegs wird D. von Schweden zurückgedrängt. 1660 erzwingen Bürger und Bauern gegen den Adel die Umwandlung Dänemarks in eine Erbmonarchie, die sich 1665 dem Grundsatz des Absolutismus zuwendet und 1683 unter Christian V. das dänische Recht (Danske Lov 15. 4. 1683, Prozessrecht, Kirchenrecht, Ständerecht, Eherecht, Unmündigenrecht, Seerecht, Schuldrecht, Sachenrecht, Strafrecht, 6 Bücher, ersetzen jütisches, seeländisches und schonisches Recht, im 19. Jh. weitgehend aufgehoben, eine Reihe von Grundnormen aber noch in Kraft) in einem Buch (Gesetzbuch?) zusammenfasst. Im 18. Jh. dringt mit Aufklärung und Naturrecht die Lehre von der Gewaltenteilung ein und wird das Strafrecht gesetzlich geändert. 1788 beginnt die Befreiung der Bauern. 1814 gelangt Norwegen an Schweden. 1849 wird die absolute Monarchie bis 1866 durch eine konstitutionelle Monarchie abgelöst. 1864 gehen Schleswig, Holstein und Lauenburg an den -> Deutschen Bund bzw. Preußen verloren. Ab 1891 wird die Sozialversicherung eingeführt. 1901 setzt sich der Gedanke der parlamentarischen Kontrolle durch. 1920 kehrt nach einer Volksabstimmung Nordschleswig zu D. zurück. 1953 ermöglicht ein Thronfolgegesetz die weibliche Erbfolge in der Erbmonarchie mit demokratisch- parlamentarischer Regierungsform, die sich zum Sozialstaat wandelt. 1960 tritt D. der Europäischen Freihandelszone bei, 1973 der Europäischen Gemeinschaft (bzw. 1993 Europäischen Union). 1979 erhält -> Grönland Autonomie. Lit.: Hasse, P., Die Quellen des Ripener Stadtrechts, 1883; Repertorium diplomaticum regni Danici mediaevalis, hg. v. Christensen, W. u. a., 1894ff.; Haandvrksskik i Danmark, hg. v. Nyrop, C., 1903; Danske vider og vegtgter eller gamle landsbylove, hg. v. Bjerge, P. u. a., 1904ff.; Haff, K., Die Theorie des dänischen Grundregals, ZRG GA 30 (1909), 290; Haff, K., Die dänischen Gemeinderechte, 1909; Haff, K., Beweisjury und Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130; Scriptores minores historiae danicae medii aevi, rec. Gertz, M., 1917ff.; Dahl, F., Juridiske profiler, 1920; Danemarks gamle lanskabslove med kirkelovene, hg. v. Brndum- Nielsen, J., 1920f.; Annales Danici medii aevi, neu hg. v. Jrgensen, E., 1920; Dahl, F., Frederik VI og Anders Sande rsted, 1929; Dahl, F., Hovedpunkter af den danske retsvidenskabs historie, 1937; Dänische Rechte, übers. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1938; Juul, S., Fllig og hovedlod, 1940; Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940; Jrgensen, P., Dansk Retshistorie, 1940, 2. A. 1947; Fussing, H., Herremand og Fstebonde, 1942, Olsen, G., Traehesten, hundehullet og den spanske kappe, 1960; Imhof, A., Grundzüge der nordischen Geschichte, 1970; Fenger, O., Fejde og 119 mandebod, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,991, 2,2,506,1005, 3,4,21; Hoffmann, E., Königserhebung und Thronfolge- ordnung in Dänemark, 1976; Sprandel-Krafft, L., Rechtsverhältnisse in spätmittelalterlichen Städten am Beispiel Viborgs (Dänemark), ZRG GA 93 (1976), 257, 94 (1977), 20; Tamm, D., Fran lovkyndighed til retsvidenskab, 1976; Kroman, E., Dänemarks alte Rechte ­ Ihr Alter und ihre Verwandtschaft, ZRG GA 94 (1977), 1; Riis, T., Les Institutions Politiques Centrales du Danemark 1100-1332, 1977; Dübeck, I., Kbekoner og konkurrence, 1978; Ekbom, C., Ledung och tidig jordtaxering i Danmark, 1979; Danske og Norske Lov i 300 r, hg. v. 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Asche, M. u. a., 2003 Dank Lit.: His, R., Dank, ZRG GA 57 (1937), 474 Danzig an der Weichselmündung in die Ostsee wird am Ende des 10. Jh.s als Burg genannt. Seit dem ausgehenden 12. Jh. bringen deutsche Zuwanderer -> lübisches Recht (1263) mit und erhalten 1342/3 -> Kulmer Recht. 1451 unterstellt sich D. Polen, 1793 kommt es an Preußen, 1920 wird es Freie Stadt. 1945/90 fällt es an Polen zurück. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Simson, P., Geschichte der Danziger Willkür, 1904; Keyser, E., Die Entstehung von Danzig, 1924; Loening, O., Untersuchungen zum ältesten Recht von Danzig, ZRG GA 46 (1926), 206; Keyser, E., Der Streit um ein Danziger Aufwertungsgesetz am Ende des 18. Jahrhunderts, ZRG GA 46 (1926), 383; Keyser, E., Das älteste Danziger Stadtrecht, ZRG GA 48 (1928), 194; Methner, A., Zwei alte Danziger Rechtssymbole, ZRG GA 57 (1937) 456; Hahlweg, W., Das Kriegswesen der Stadt Danzig, 1937; Gierke, J. v., Danzigs deutsches Recht, ZHR 107 (1940), 161; Samsonowicz, H., Untersuchungen über das Danziger Bürgerkapital in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, 1969; Ruhnau, R., Danzig, 1971; Lingenberg, H., Die Anfänge des Klosters Oliva und die Entstehung der deutschen Stadt Danzig, 1982; Ruhnau, R., Die Freie Stadt Danzig, 2. A. 1988; Wittreck, F., Die Anfänge der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle in Deutschland, ZRG GA 121 (2004), 415 dare (lat.) geben Darjes, Joachim Georg (1714-1791), Schüler Christian Wolffs, bemüht sich in Jena und Frankfurt an der Oder um eine systematische Gliederung des Privatrechts und entwickelt auf römischrechtlicher Grundlage systematisch (1740) das erbrechtliche Parentelensystem. -> Parentel Lit.: Köbler, DRG 159, 162 Darlehen ist ein je nach Gestaltung entweder einseitig verpflichtender Vertrag oder ein gegenseitiger Vertrag, in welchem sich der eine Teil (Darlehensnehmer) verpflichtet, Geld oder andere vertretbare Sachen in gleicher Art, Güte und Menge, wie er sie von dem anderen Teil (Darleiher) erhält, zurückzuerstatten. Das D. ist in der Form des (lat. [N.]) -> nexum bereits dem altrömischen Recht bekannt (Selbstver- pfändung für ein D.). Daneben besteht das formfreie (lat. [N.]) -> mutuum als -> Realkontrakt, aus dem der Gläubiger die (lat. [F.]) -> condictio als abstrakte Klage erhält. Im frühmittelalterlichen Recht ist D. nur ein Fall der allgemeineren -> Leihe. Gegen das Nehmen eines Entgeltes für das D. wendet sich schon in karolingischer Zeit die christliche Kirche (Lukas 6,35 [lat.]: mutuum date nihil inde sperantes, gebt D. ohne etwas davon zu erhoffen). Gegen den Widerstand der Kirche setzt sich aber mit der Geldwirtschaft das D. durch. Es wird zunächst für Juden, dann auch für andere insofern bevorrechtigte Personen, 1654 durch den jüngsten Rechtsabschied allgemein erlaubt. Allerdings werden Höchstzinssätze (oft 6%) festgesetzt und wird die Berechnung von Zinseszinsen verboten. Im Gefolge des Liberalismus fallen im 19. Jh. die Zinsschranken, doch bewirkt ein wucher- mäßiges Verhalten Unwirksamkeit einer Vereinbarung. 2002 wird in Deutschland das D. 120 (Gelddarlehen) vom D. anderer vertretbarer Sachen (Sachdarlehen) getrennt. Lit.: Kaser §§ 6, 31, 32, 38, 39; Söllner §§ 9, 16, 18; Hübner 591; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 27, 45, 125, 127, 166, 213, 120, 241; Die Entwicklung des Darlehensbegriffs, 1965; Schulz, H., Darlehen und Leihe, Diss. jur. Göttingen 1922; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Daseinsvorsorge ist die vorausplanende Gestaltung menschlichen Seins. Sie wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s zunehmend Gegenstand der öffentlichen Verwaltung.-> Leistungsverwaltung Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 259; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff. Datenschutz ist der Schutz der Daten einer Person vor Missbrauch durch eine andere Person. Er entwickelt sich in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s als Folge der Verbreitung der elektronischen Datenverarbeitung. Zu seiner Ausführung sind besondere staatliche Daten- schutzbeauftragte bestellt. Lit.: Köbler, DRG 260 Datio (F.) in solutum (lat.) ist die Leistung an Erfüllungs Statt. Bei ihr wird schon im klassischen römischen Recht der Schuldner nur befreit, wenn sie der Gläubiger als Erfüllung anerkennt. Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 62 Dauer Lit.: Krause, H., Dauer und Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht, ZRG GA 75 (1958), 206 DDR (Deutsche Demokratische Republik) Decemviri (lat. [M.Pl.]) ist im altrömischen Recht ein Ausschuss von 10 Männern zur Erledigung allgemeiner Angelegenheiten (z. B. -> Zwölftafelgesetz). Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 17, 19 De Chasseneuz, Bartholomaeus (1480-1541) veröffentlicht nach dem Rechtsstudium in Dôle, Poitiers, Turin (1497) und Pavia (1499- 1502) als Kronanwalt in Autun 1517 (lat.) Commentaria (N.Pl.) in consuetudines ducatus Burgundiae, den ersten großen Kommentar zum partikularen Gewohnheitsrecht (franz. droit coutumier) in Frankreich. Lit.: Pignot, J., Bartholomaeus de Chasseneuz, 1880, Neudruck 1970; Dugas della Boissony, C., Bartholomaeus de Chasseneuz, Diss. jur. Dijon 1977 Deciani, Tiberio (Udine 1509-Padua 1582), Patriziersohn, wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1523-1529) Anwalt in Udine und Venedig (1544). In seinem posthum veröffentlichten (lat.) Tractatus (M.) criminalis (1590, Straftraktat) entwickelt er ansatzweise einen allgemeinen Teil des Strafrechts mit einem allgemeinen Straftatbestand. Lit.: Schaffstein, F., Tiberio Deciani, Dt. Recht 3 (1938), 121 Déclaration (F.) des droits de l`homme et du citoyen (franz.) ist die von der Nationalversammlung in Frankreich 1789 angenommene Erklärung der Menschenrechte bzw. Bürgerrechte, die 1791 der Verfassung vorangestellt wird. Lit.: Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hg. v. Schnur, R., 1964 Declaratio (F.) voluntatis (lat.) ist die in der frühen Neuzeit (seit Connan 1508-1551) allmählich ausgebildete allgemeine Grundfigur der -> Willenserklärung. Lit.: Köbler, DRG 164; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. decreta (lat. [N.Pl.]) Entscheidungen -> Dekret Decretio (F.) Childeberti (lat.) ist ein spätestens am 1. 3. 596 verkündetes Dekret (Kapitular) des fränkischen Königs Childeberts II. für Austrasien (z. B. Eintrittsrecht der Enkel), das überwiegend mit der für Neustrien bezeugten Lex Salica überliefert ist. Lit.: Eckhardt, W., Die Decretio Childeberti und ihre Überlieferung, ZRG GA 83 (1966), 1 Decretum (lat. [N.]) ist im römischen Prinzipat die Entscheidung (Urteil) des Prinzeps, mit der er unmittelbar Recht setzt. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32 Decretum (N.) Burchardi (lat.) ist die wohl zwischen 1008 und 1012 verfasste Kanonessammlung -> Burchards von Worms. Lit.: Kroeschell, DRG 1 Decretum (N.) Gratiani (lat.) ist die zwischen 1125 und 1140 (erste, durch vier bzw. fünf Handschriften überlieferte, eher lehrbuchartige Fassung um 1140 [1139?] mit 1860 canones, zweite, stärker quellensammelnde Fassung um 1144/1145?, erste gesicherte Benutzung 1158, insgesamt mehr als 600 Handschiften, noch ältere Vorstufe möglicherweise in Handschrift Sankt Gallen, Stiftsbibliothek MS 673) in Bologna von dem Mönch -> Gratian auf Grund 121 zahlreicher älterer Sammlungen zusammen- gestellte Concordia discordantium canonum (Übereinstimmung widersprüchlicher Regeln). Das Quellensammlung und Lehrbuch in sich vereinende D. G. stellt ohne strenge Systematik die bis zum dritten lateranischen Konzil (1139) entstandenen kirchlichen Rechtssätze (Konsils- canones, päpstliche Dekretalen, Texte von Kirchenvätern [ca. 25%], insgesamt 3945 canones) zusammen. Sein erster Teil enthält 101 in Kapitel (c.) geteilte Distinktionen (D.) oder allgemeine Bestimmungen und beginnt mit einer allgemeinen Rechtslehre. Der zweite Teil befasst sich mit 36 in Untersuchungen und Kapitel gegliederten Fällen oder (lat.) causae (C.), die beispielsweise das Eherecht (C. 27ff.) oder die Buße (C. 33) betreffen. Der dritte Teil stellt in 5 Distinktionen (und Kapiteln) das Recht der Weihe und anderer Sakramente dar. Eine wichtige Quelle sind die Sammlungen des Ivo von Chartres, ein bedeutsames Vorbild Alger von Lüttichs (lat.) De misericordia et iustitia (Von Barmherzigkeit und Gerech- tigkeit). An das D. G. schließt sich bald (vor 1150) eine wissenschaftliche Behandlung an, deren Glossen -> Johannes Teutonicus zu einer (lat.) glossa (F.) ordinaria zum D. G. zusammenfasst. Später bildet das D. G. den ersten Teil des (lat.) -> corpus (N.) iuris canonici. Vielleicht stammt die Gliederung in Distinktionen von dem auch Zusätze verfassenden Schüler Paucapalea. Zitierweisen sind z. B. D. 20. C. 2 oder C. 9 q. 3 c. 11 oder De poen. D. 5 c. 3. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Studia Gratiana, Bd. 1ff. 1953ff.; Gaudemet, J., Das römische Recht in Gratians Dekret, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 12 (1961), 177; Landau, P., Forschungen zu vorgratianischen Kanonessammlungen und den Quellen des gratianischen Dekrets, Ius commune 11 (1984), 81; Winroth, A., The Two Recensions of Gratian's Decretum, ZRG KA 83 (1997); Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997, 1331; Beyer, A., Lokale Abbreviationen des Decretum Gratiani, 1998; Larrainzar, C., El borrador de la ,,Concordia" de Graciano ­ Sankt Gallen Stiftsbibliothek MS 673, Ius Ecclesiae 11 (1999), 593; Winroth, A., The Making of Gratian's Decretum, 2000 Decretum (N.) Tassilonis (lat.) ist die Bezeichnung für die Beschlüsse der Synoden (Versammlungen) von Aschheim, Dingolfing und Neuching, die unter Herzog Tassilo III. von Bayern (748-788) um 756, um 770 und 771 zur Regelung kirchenrechtlicher Fragen stattfinden. Lit.: Barion, H., Die Verfassung der bayerischen Synoden des 8. Jahrhunderts, Röm. Quartalschrift 38 (1930), 90; Landau, P., Kanonessammlungen in Bayern, in: FS K. Reindel, 1995, 137 Decurio (M.) de gradus (lat.) ist eine spätantike (6./7. Jh.?) systematische Übersicht über das staatliche Ämterwesen (Kommandos, Staatsämter, Monarchen, Hofämter, städtische Ämter, soziale Klassen und grundherrliche Amtsträger), die vielleicht nur Lehrzwecken dient und der Wirklichkeit nicht vollständig entspricht. Lit.: Beyerle, F., Das frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1 Dediticius (lat. [M.]) ist im römischen Recht der gewaltunterworfene Reichsangehörige (str.). Lit.: Kaser §§ 3, 13, 16; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 30; Köbler, DRG 35, 57 Defensor (M.) pacis (lat. Verteidiger des Friedens) (1324) ist die wichtigste staatsrechtliche Schrift des -> Marsilius von Padua, in der er von der Herrschaft des Kaisers über die christliche Kirche ausgeht. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Segall, H., Der ,,Defensor pacis" des Marsilius von Padua, 1959 Definition (F.) ist die Inhaltsbestimmung eines (zu bestimmenden und insofern als ver- hältnismäßig unbekannt angesehenen) Begriffs. Sie erfolgt durch (bestimmende) Angabe des übergeordneten Gattungsbegriffs und des innerhalb der Gattung aussondernden oder kennzeichnenden Einzelmerkmals (z. B. Frau ist der Mensch, der weiblich ist, F = Mw ). Insbesondere seit dem 18. Jh. werden diese Anforderungen präzisiert. Lit.: Schröder, J., Definition und Deskription, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Forgó, N., Omnis definitio in iure civili periculosa est, in: Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 23 Deichrecht ist die Gesamtheit der den Deich betreffenden Rechtssätze, wie sie sich seit dem 11. Jh. vor allem an der Nordsee entwickeln. Dazu bildet sich zunächst teils freiwillig, teils herrschaftlich ein Deichverband als Zwangsgenossenschaft der durch den Deich 122 unmittelbar geschützten Grundstücksbe- rechtigten. Der Deichverband ist Eigentümer des Deiches und verwaltet ihn durch eigene Organe (Deichgraf, Deichschöffe, Deich- gericht), sofern hierfür nicht die Gesamtheit zuständig ist. Der Deich ist in Teile (Kabeln, Pfänder, Lose) zerlegt, für die ein jeweiliges Grundstück (d. h. sein Nutzer oder Eigentümer) zu sorgen hat (Deichlast als Art Reallast). Wer sein Kabel nicht ordnungsgemäß unterhält, muss mit dem Verlust seines Grundeigentums rechnen (Wer nicht kann deichen, muss weichen bzw. wer nicht will deichen, darf weichen). Seit dem 16. Jh. wird der Deichverband zur Staatsanstalt, die Deichbau- pflicht zur öffentlichen Last gegenüber dem Deichregalträger. Das 19. Jh. kehrt zur Selbstverwaltung der Deichverbände zurück (Preußen 1848). Seit dem preußischen Wassergesetz des Jahres 1913 werden die Deichverbände als Wassergenossenschaften behandelt. Lit.: Gierke, J. v., Die Geschichte des deutschen Deichrechts, Teil 1f. 1901ff.; Gierke, J., Chrene cruda und Spatenrecht, ZRG GA 28 (1907), 290; Fockema Andreae, S., Het hoogheemraadschap van Rijnland, 1934; Felkes, E., Die geschichtliche Entwicklung der Deichlast in Nordfriesland, 1937; Albers, E., Das Deichrecht im Amt Ritzebüttel, 1938; Römer, H., Die Rechtsgeschichte der Koogs- und Deichverbände, 1938; Winsemius, J., De historische ontwikkeling van het waterstaatsrecht in Friesland, 1947; Linden, H. van der, De Cope, 1955; Obreen, H., Dijkplicht en Waterschappen aan Frieslands Westkust, (1956); Buijtenen, M. u. a., Westergo's Ysselmeerdijken, 1956; Djuren, H., Das Deichrecht im Lande Wursten, Diss. jur. Göttingen (um 1960); Ostfriesland im Schutze des Deiches, hg. v. Ohling, J., 1969; Blok, D., Wie alt sind die ältesten niederländischen Deiche, in: Probleme der Küstenforschung 15 (1984), 1; Ehrhardt, M., Ein guldten Bandt des Landes, 2003; Fischer, N., Wassersnot und Marschengesellschaft, 2003; Nawotki, K., Die schleswigsche Deichstavengerechtigkeit, 2004 Dei gratia (lat. [F.]) ist eine von Karl dem Großen 768 nach biblischem und auch kirchlichem Vorbild (6. Jh.) aufgegriffene, zunächst nur religiös zu verstehende Formel, mit welcher der irdische Herrscher zum Ausdruck bringen will, dass seine Stellung von Gottes Gnade herrührt. Ob die Vermittlung durch den Papst erfolgen muss, ist zeitweise streitig. Lit.: Köbler, DRG 83; Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980; Schmitz, K., Ursprung und Geschichte der Devotionsformeln, 1913; Körntgen, L., Königsherrschaft und Gottes Gnade, hg. v. Goetz, H. u. a., Bd. 2 2000 Dekalog sind die zehn Gebote, die Moses auf dem Sinai (von Gott) empfängt (2. Moses 20,2- 17, 5. Moses 5,6-21). Der D. enthält klare Regeln für wichtige gesellschaftliche Stö- rungen. Die zugehörigen, den Nichtjuden durch das Christentum vermittelten Lösungen beeinflussen das weltliche Recht großer Teile der gesamten Menschheit bis in die Gegenwart. Lit.: Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS W. Sauer, 1949, 44; Hossfeld, F., Der Dekalog, 1982 Dekan (M.) ist ein kirchlicher wie weltlicher Amtsträger. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Dekret ist allgemein die obrigkeitliche Entscheidung. Im Kirchenrecht ist D. das -> Decretum Gratiani. Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 102; Dekrete der ökumenischen Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff. Dekretale ist die seit dem 4. Jh. n. Chr. (385 n. Chr. Directa ad decessorem) sichtbare, vor allem in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit rund 1100 erhaltenen Zeugnissen zahlenmäßig sehr häufige Entscheidung des Papstes in einem einzelnen Fall sowie später der sie verkündende feierliche Erlass. Sammlungen von Dekretalen sind beispielsweise die Sammlung des Dionysius Exiguus, die pseudoisidorischen Fälschungen, die Collectio Britannica oder die zwischen 1187 und 1226 entstandenen sog. com- pilationes antiquae (lat. [F.Pl.] alte Sammlungen, compilatio prima [=Breviarum extra-vagantium] 1188-1191 Bernardus Balbi von Pavia [vor allem Dekretalen Alexanders III.] in 5 Büchern, compilatio secunda 1210- 1212 [Dekretalen zwischen 1191 und 1198], compilatio tertia 1209/1210 Petrus Bene- ventanus [erste authentische Sammlung], compilatio quarta 1215 Johannes Teutonicus, compilatio quinta 1226 Tancred). Sie werden auf Grund eines von Papst Gregor IX. (1227- 1241) 1230 erteilten Auftrags von dem spanischen Kirchenrechtler -> Raymundus de 123 Penyafort zu einer neuen ergänzten Dekretalensammlung vereinigt, die am 5. 9. 1234 als (lat.) Liber (M.) (decretalium) extra (Decretum Gratiani) veröffentlicht wird. Sie gliedert sich in fünf Bücher (Richter, Gericht, Klerus, Ehe, Verbrechen). Sie ersetzt alle älteren Sammlungen der Dekretalen. Eine zugehörige (lat.) glossa (F.) ordinaria stammt von -> Johannes Andreae ( 1348). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102, 108; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Landau, P., Die Entstehung der systematischen Dekretalensammlungen, ZRG KA 66 (1979), 120; Kuttner, S., Medieval Councils, Decretals and Collections, 1980; Landau, P., Rechtsfortbildung im Dekretalenrecht, ZRG KA 117 (2000), 86 Dekretalist ist der die -> Dekretalen (1234) bearbeitende Kirchenrechtler (z. B. Johannes Andreae, Tancred, Innozenz IV., Hostiensis, Durantis, Baldus, Zabarella, Nikolaus de Tudeschis). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983 Dekretist ist der das -> Dekret Gratians bearbeitende Kirchenrechtler (z. B. Paucapalea, Rufinus, Stephan von Tournai, Huguccio, Johannes Teutonicus). Lit.: Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983 De laudibus legum Angliae (lat., Über die Vorzüge des englischen Rechts) ist eine 1470 vom Richter Sir John -> Fortescue verfasste Darstellung des -> englischen Rechts im Vergleich zum festländischen Recht. Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 Delegation ist die Übertragung einer Aufgabe oder Zuständigkeit auf einen oder mehrere andere. Sie ist bereits der römischen Kaiserzeit bekannt. Im Mittelalter erfolgt die D. weltlicher oder geistlicher Gerichtsbarkeit seit dem 12. Jh. (lat. iurisdictio [F.] delegata). Im Heiligen Römischen Reich wird die D. seit der Er- richtung des Reichskammergerichts einge- schränkt, in der Kirche seit den Konzilen von Konstanz, Basel und Trient, in den deutschen Ländern seit dem 18. Jh. Lit.: Canstein, v., Jurisdictio delegata und mandata im justinianischen und kanonischen Rechte, ZRG 13 (1878), 491; Triepel, H., Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942; Endemann, W., Der Begriff der delegatio, 1959; Müller, H., Päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit in der Normandie, 1997 De legibus et consuetudinibus regni Angliae (lat.) (Treatise on the Laws and Customs of England, Über die Gesetze und Gewohnheiten des Königreichs England) ist eine kurze, in lateinischer Sprache abgefasste Darstellung des englischen Rechtes (common law) des 12. Jh.s (1187-1189?) auf der Grundlage der Recht- sprechung der königlichen Gerichte (aus- genommen das siebente, Erbrecht behandelnde Buch). Als Verfasser gilt Ranulf de -> Glanvill. Ein Einfluss des römischen Rechts ist nur in terminologischer Hinsicht zweifelsfrei. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 Delictum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die den Einzelnen, seine Familie oder sein Vermögen verletzende Tat. Voraussetzung ist Rechtswidrigkeit und regelmäßig Vorsatz. Rechtsfolge ist anfangs die Vergeltung am Täter selbst (z. B. Tötung, Körperverletzung), später die an die Stelle des Racherechts tretende Buße in Geld (lat. [F.] poena), die entweder in einem bestimmten Metallwert oder in einem Vielfachen des Wertes des betroffenen Gegenstandes bestehen kann. In der Spätantike wird im Westen seit dem 4. Jh. zwischen Verbrechen und -> Delikt begrifflich nicht mehr unterschieden und das Ziel des nichtkriminellen Verfahrens mehr und mehr als Schadensersatz verstanden. Justinian hält demgegenüber strenger am klassischen Ge- dankengut fest, setzt aber je nach Nützlichkeit der Angelegenheit für den Handelnden für die Ersatzpflicht meist einen der verschiedenen Grade von Schuld voraus. Lit.: Kaser § 50; Köbler, DRG 26, 48, 65; Köbler, LAW; Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49 Delikt ist die rechtswidrige schuldhafte Tat. Ihr folgt teils -> Strafe, teils Buße. Dabei wird mit der Aufnahme des römischen Rechts auch die Figur des (lat. [N.]) -> delictum übernommen. Im Strafrecht ist D. die mit öffentlicher Strafe bedrohte Handlung, im Privatrecht die unerlaubte, zu Schadensersatz verpflichtende Handlung. Lit.: Köbler, DRG 48, 65, 166, 264; Jentsch, H., Die 124 Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49; Kötz, H., Deliktsrecht, 9. A. 2001; Bar, C. v., Gemein- europäisches Deliktsrecht, 1996; Zimmermann, R./Verse, D., Die Reaktion des Reichsgerichts auf die Kodifikation des deutschen Deliktsrechts, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 319; Mohnhaupt-Wolf, U., Deliktsrecht und Rechtspolitik, 2004 Demagogenverfolgung ist die staatliche Verfolgung ,,revolutionärer Umtriebe und demagogischer Verbindungen" durch den -> Deutschen Bund auf Grund der am 20. 9. 1819 vom Deutschen Bundestag einstimmig angenommenen -> Karlsbader Beschlüsse. Sie besteht beispielsweise in der Aufhebung der Zensurfreiheit von Universitätsprofessoren, in der Beseitigung von Rechtshindernissen für die Entlassung von Geistlichen und in der Schaffung von Rechtsgrundlagen für die Entfernung von Studenten von der Universität. Lit.: Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 30 Demokratie ist die erstmals in -> Athen unter Kleisthenes (508 v. Chr.) verwirklichte Herrschaft des Volkes in einem Gemeinwesen. Nach der Antike gewinnt die D. erst wieder seit der französischen Revolution des Jahres 1789 tatsächliche Bedeutung. Dabei wird teils auf die vollständige Gleichheit und Beteiligung aller an der Herrschaft abgestellt, teils auf Gewaltenteilung, Grundrechte, Rechtsstaat- lichkeit und Repräsentativsystem. Im Einzelnen sind die Formen der verwirklichten D. dementsprechend verschieden. Lit.: Köbler, DRG 256; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 821; Blumer, J., Staats- und Rechts- geschichte der schweizerischen Demokratien, 1850ff.; Schefold, D., Volkssouveränität und repräsentative Demokratie, 1966; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie, HZ 216 (1973), 553; Tormen, W., Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie, 1951; Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie im Weimarer Regierungssystem, 1971; Biographisches Lexikon zur Geschichte der demokratischen und liberalen Bewegungen in Mitteleuropa, hg. v. Reinalter, H. u. a., Bd. 1 1992; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 4. A. 1995; Die athenische Demokratie, hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995; Demokratie in Rom?, hg. v. Jehne, M., 1995; Rudolph, K., Bibliographie zur Geschichte der Demokratiebewegung, 1997; Kirchgässner, G. u. a., Die direkte Demokratie, 1999; Backes, U., Liberalismus und Demokratie, 2000; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2001; Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2002; Fisahn, A., Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, 2002 Demolombe, Jean Charles Florent (1804-1887) verfasst als Zivilrechtslehrer in Caen einen 31bändigen, unvollendeten Kommentar (Cours) zum -> Code civil (1845ff.). Lit.: Jouen, L., Demolombe et ses oeuvres, 1888 Denarius Lit.: Luschin von Ebengreuth, A., Der Denar der Lex Salica, 1910 Denkmalsrecht ist die Gesamtheit der überlieferten Zeugnisse eines Vorgangs oder einer Erscheinung betreffenden Rechtssätze. Vorformen des modernen Denkmalrechts gibt es vereinzelt bereits im Altertum und im Mittelalter. Die eigentliche Denkmalpflege beginnt wohl erst mit der Einsetzung Raffaels (1483-1520) als Leiter der Ausgrabungen Roms durch Papst Leo X. (1513-1521) 1516 und umfassende gesetzliche Regelungen gehören erst der jüngeren Neuzeit an. Lit.: Hammer, F., Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, 1995; Wolf Di Cecca, C., Belege für denkmalpflegeriche Gesetze und Maßnahmen in Antike und Mittelalter, ZRG GA 112 (1995), 440; Denkmalpflege, hg. v. Huse, N., 1996; Speitkamp, W., Die Verwaltung der Geschichte, 1996; Mieth, S., Die Entwicklung des Denkmalrechts in Preußen, 2005 Denuntiatio (F.) evangelica (lat.) ist die lateinische Bezeichnung des auf Matthäus 18,15-17 zurückgehenden kirchlichen Anzeigeverfahrens über ein Fehlverhalten. Dieses setzt seit Innozenz III. (1199/1209) ein Verhalten gegen die Interessen der Kirche voraus, das der Vorgesetzte nach vergeblichen Ermahnungen anzeigen darf. Die Auferlegung einer Buße erfolgt in einem freien Verfahren. Gegen Ende des 17. Jh.s verliert die d. e. als besonderes Verfahren ihre Bedeutung wieder. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 439; Sauerland, K., 30 (Dreißig) Silberlinge, 2000 125 Denunziation Lit.: Denunziation, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 1997 Depositio (lat. [F.]) ist die -> Hinterlegung an einer bestimmten öffentlichen Stelle, die bereits im klassischen römischen Recht bei Gläubigerverzug dem Schuldner bestimmte Erleichterungen verschafft. Lit.: Kaser § 53 I; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Depositum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die -> Hinterlegung einer beweglichen Sache, die der Verwahrer zurückzugeben hat, sobald es der Hinterleger verlangt. Gibt der Verwahrer nicht zurück, so hat nach dem Zwölftafelgesetz der Hinterleger eine Klage wegen Unter- schlagung auf das Doppelte. Später entwickelt sich hieraus eine Klage aus Vertrag auf grundsätzlich nur den einfachen Wert. Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 45 Depot (N.) (Verwahrung, Verwahrungsort) Depotgesetz ist das für Deutschland 1896 geschaffene Gesetz über die Verwahrung von Wertpapieren. Lit.: Buxbaum, C., Anlegerschutz zwischen Bankbedingungen und Rechtsnormen, 2002 Deputat (N.) Zugeschriebenes, Arbeitsentgelt in Sachleistung Derby (ae. Northworthige) am Derwent geht auf das römische Lager Derventio zurück. 1204 erlangt es Stadtrecht. 1841 wird es Sitz einer Universität. Lit.: Wright, S., The Derbyshire Gentry, 1983 Derelictio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Aufgabe von -> Eigentum und -> Besitz durch einen bisherigen Eigentümer ohne Zuwendung an einen neuen Eigentümer. Das Eigentum erlischt nach den Sabinianern mit der Preisgabe, nach den Prokulianern mit der Aneignung durch einen anderen. Lit.: Kaser § 26; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Der Hehler ist nicht besser als der Stehler. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 170 (Graf/Dietherr 1864) derivativ (abgeleitet) derivativer Erwerb, abgeleiteter -> Eigentumserwerb Der König ist gemeiner Richter überall. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 211 (Sachsenspiegel, 1221-1224, Landrecht III 26 § 1) Dernburg, Heinrich (Mainz 3. 3. 1829-Berlin 23. 11. 1907), Sohn eines jüdischen, 1841 getauften Gießener Rechtsprofessors, wird nach dem Studium in Gießen und der Habilitation in Heidelberg (1852) Professor in Zürich, Halle (1862) und Berlin (1872). 1871 veröffentlicht er neben der Tätigkeit im preußischen Herrenhaus ein dreibändiges Lehrbuch des preußischen Privatrechts, 1884 ein dreibändiges Lehrbuch des Pandektenrechts und 1898 ein dreibändiges Lehrbuch des bürgerlichen Rechts des Deutschen Reiches und Preußens. Lit.: Süss, W., Heinrich Dernburg, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 231 Der rechte Weg Lit.: Der rechte Weg. Ein Breslauer Rechtsbuch des 15. Jahrhunderts, hg. v. Ebel, F., 2000 Der Schlüssel des sächsischen Landrechts ist eine (in 17 Handschriften und Fragmenten überlieferte), 1421 vorliegende Gesamtverar- beitung des in Sachsenspiegel, Sachsenspiegel- glosse und Schwabenspiegel enthaltenen Rechtsstoffs in alphabetischer Reihenfolge durch einen unbekannten Verfasser. Lit.: Sinauer, E., Der Schlüssel des sächsischen Landrechts, 1928 Descartes (Cartesius), René (La Haye 31. 3. 1596­Stockholm 11. 2. 1650), wird nach dem Besuch der Jesuitenschule La Flche Mathe- matiker und Philosoph. Als einzige Gewissheit gilt ihm die Selbstgewissheit im Denken (lat. cogito, ergo sum, ich denke, also bin ich). Hieraus entwickelt er durch vernunftbezogene Ableitung (deduktiv) das systematische Gedankengebäude des Rationalismus, der die Aufklärung fördert. Lit.: Röd, W., Die Genese des Cartesianischen Rationalismus, 3. A. 1995; Schütt, H., Die Adoption des Vaters der modernen Philosophie, 1998; Descartes im Diskurs der Neuzeit, hg. v. Niebel, W. u. a., 1999; Schultz, U., Descartes, 2001 Desertion (F.) Fahnenflucht Lit.: Fritsche, M., Entziehungen, 2004 Designation (Bezeichnung) ist die (während einer Amtszeit erfolgende) Berufung eines Menschen in ein Amt oder eine Herrschaft (als Nachfolger). Sie kann dort stattfinden, wo Erblichkeit nicht gilt oder grundsätzlich mehrere Erben nebeneinander berechtigt sind. 126 Bedeutung erlangt die D. in der Form der Einigung des Königs mit den Großen insbesondere für das Königtum im fränkisch- deutschen Reich zwischen dem 9. und 13. Jh. (z. B. Bestimmung Lothars I. zum Mitkaiser Ludwigs des Frommen 817). Lit.: Heinze, O., Designation, Diss. phil. Göttingen 1913; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981, 36; Schreyer, B., Zum Begriff der Designation bei Widukind, ZRG GA 67 (1950), 407; Wolf, G., Designation und desiganare bei Widukind von Corvey, ZRG GA 73 (1956), 372; Wolf, G., Über die Wort- und Rechtsbedeutung von ,,designare", ZRG GA 75 (1958), 367; Giese, W., Zu den Designationen, ZRG GA 92 (1975), 174; Giese, W., Designative Nachfolgeregelungen in germanischen Reichen der Völkerwanderungszeit, ZRG GA 117 (2000), 39 detentio (lat. [F.]) -> Innehabung detentor (lat. [M.]) Inhaber, -> Innehabung Deutsch ist ein zu ahd. diot, F., Volk (bzw. vielleicht schon in der Völkerwanderungszeit zu germ. *theuda, F., Volk, idg. *teuto, F., Volk) gebildetes Adjektiv (diotisk), das zunächst in seinen ältesten Belegen (8. Jh.) den sprachlichen Gegensatz der Volkssprache zum Lateinischen zum Ausdruck zu bringen scheint und erst gegen Ende des Frühmittelalters auf ein neues einheitliches Volk bezogen wird. Lit.: Köbler, DRG 76; Köbler, WAS; Schmidt, E., Geschichte des Deutschtums im Lande Posen unter polnischer Herrschaft, 1904; Kaindl, R., Geschichte der Deutschen in Galizien bis 1772, 1907; Aubin. H., Von Raum und Grenzen des deutschen Volkes, 1938; Thomas, H., Der Ursprung des Wortes theodiscus, HZ 247 (1988), 295; Jarnut, J., Teotischiis homines (a. 816), MIÖG 104 (1996), 26; Jacobs, H., Theodisk im Frankenreich, 1998; Goblirsch, K., Lautverschiebungen in den germanischen Sprachen, 2005 Deutsche Arbeitsfront (DAF) der Unternehmer und Lohnabhängigen ist die 1933 die Gewerkschaft ersetzende national- sozialistische Einrichtung des Arbeitswesens, die 1936 rund 20 000 000 (freiwillige) Mitglieder hat. Lit.: Köbler, DRG 242 Deutsche Bank ist die führende Ak- tiengesellschaft des Bankwesens in Deutsch- land. Lit.: Gall, L. u. a., Die Deutsche Bank 1870-1995, 1995; James, H., Die Deutsche Bank und die Arisierung, 2001; James, H., Die Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003 Deutsche Bundesakte (1815) ist die auf völkerrechtlicher Vereinbarung beruhende Verfassung des -> Deutschen Bundes. Deutsche Demokratische Republik (DDR) ist der am 7. 10. 1949 aus der sowjetisch besetzten Ostzone des Deutschen Reiches als Volksrepublik nach sowjetischem Muster entstandene, von der Sowjetunion gegen einen Volksaufstand vom 17. 6. 1953 gewaltsam gesicherte, nach dem Mauerbau seit 13. 8. 1961 künstlich abgeschlossene, durch Öffnung der Mauer am 9. 11. 1989 wieder frei zugängliche, zum 3. 10. 1990 durch Beitritt in der Bundesrepublik Deutschland aufgegangene deutsche Staat. Die DDR ist von der 1946 aus Kommunistischer Partei und Sozialde- mokratischer Partei hervorgegangenen Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) beherrscht (24. 1. 1950 Beschluss zur Gründung eines eigenen Kabinettsressorts für Staatssicherheit, 1989 91000 Mitarbeiter, 173000 informelle Mitarbeiter, 110000 politische Häftlinge). Die Wirtschaft ist (anfangs noch nicht vollständig) zentralistische Planwirtschaft (1970 noch 15 Prozent mittlere und kleinere Privatunternehmen, 1972 noch 11400 zumindest teilweise private Betriebe), die Gesellschaft egalitär und die Geisteshaltung materialistisch ausgerichtet. Die äußerlich konservative, aber weder Gewaltenteilung noch Opposition kennende Verfassung vom 7. 10. 1949 wird durch eine zweite, die sozialistischen Errungenschaften absichernde, am 7. 10. 1974 die Vorstellung einer deutschen Nation preisgebende Verfassung abgelöst. Wichtigste Staatsorgane sind schließlich Staatsrat (9 Mitglieder), Ministerrat (7 Mitglieder), Volkskammer (sowie Sekretariat des Zen- tralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Politbüro des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheits- partei Deutschlands mit den zusätzlichen Einrichtungen Nationaler Verteidigungsrat, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freund- schaft und Präsidium des Nationalrates der Nationalen Front). Die Verwaltung kennt weder Föderalismus noch kommunale Selbstverwaltung noch Berufsbeamtentum. Die in das Oberste Gericht, Bezirksgerichte und Kreisgerichte gegliederte Gerichtsbarkeit ent- 127 behrt einer Verfassungsgerichtsbarkeit und einer Verwaltungsgerichtsbarkeit, ist aber von besonderen gesellschaftlichen Gerichten er- gänzt. In den ersten zehn Jahren des Bestandes des Staates fliehen 2,7 Millionen Einwohner in den Westen. Das Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 wird von einem eigenen Strafgesetzbuch (12. 1. 1968) abgelöst, das bis 1987 an der Todesstrafe festhält. Das Bürgerliche Gesetzbuch wird zum 1. 1. 1976 durch ein vereinfachendes Zivilgesetzbuch (19. 6. 1975) ersetzt, in dem Vertrag, Eigentum und Erbrecht von geringer Bedeutung sind. Das Familienrecht ist durch ein Familiengesetzbuch vom 20. 12. 1965 geordnet, das Arbeitsrecht durch ein Arbeitsgesetzbuch (12. 4. 1961). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245, 250, 261ff., 271ff.; Geschichte der Rechtspflege der DDR, hg. v. Benjamin, H., Bd. 1f. 1968ff.; Markovits, Sozialismus und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reiland, W., Die gesellschaftlichen Gerichte der DDR, 1971; Suermann, Verwaltungsrechtsschutz in der DDR, Diss. jur. Götttingen 1971; Ortslexikon der Deutschen Demokratischen Republik, 2. A. 1974; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Brunner, G., Einführung in das Recht der DDR, 2. A. 1979; Schuller, W., Geschichte und Struktur des politischen Strafrechts in der DDR bis 1968, 1980; BRD und DDR. Die beiden deutschen Staaten im Vergleich, hg. v. Jesse, E., 1981; Staats- und Rechtsgeschichte der DDR, hg. v. d. Humboldt- Universität, 1983; Schroeder, F., Das Strafrecht des realen Sozialismus, 1983; Staritz, D., Die Gründung der DDR, 1985; Weber, H., Die DDR 1945-1990, 3. A. 2000; Das Oberste Gericht der DDR - Rechtsprechung im Dienste des Volkes, 1989; Fricke, K., Politik und Justiz in der DDR, 2. A. 1990; Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991; Brunner, G., Was bleibt übrig vom DDR-Recht nach der Wiedervereinigung?, JuS 1991, 353; Markovits, Die Abwicklung, 1992; Steuerung der Justiz in der DDR, hg. v. Rottleuthner, H., 1994; Hagemann, F., Der Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen 1949- 1969, 1994; Eine Diktatur vor Gericht, hg. v. Weber, J. u. a., 1995; Das Zivilgesetzbuch der DDR vom 19. Juni 1975, hg. v. Eckert, J. u. a., 1995; Werkentin, F., Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht, 1995; Die Rechtsordnung der DDR, hg. v. Heuer, U., 1995; Beckert, Die erste und letzte Instanz, 1995; Mielke, H., Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR, 1995; Lindner, N., Der Übergang des Rechts der Wirtschaft von der Plan- zur Marktwirtschaft in Ostdeutschland, 1996; Die Vertriebenen in der SBZ/DDR, hg. v. Wille, M., Bd. 1ff. 1996ff.; Rechtswissenschaft in der DDR 1949-1971, hg. v. Dreier, R. u. a., 1996; Amos, H., Justizverwaltung in der SBZ/DDR, 1996; Hauschild, I., Von der Sowjetzone zur DDR, 1996; Mampel, Die sozialistische Verfassung, 3. 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Kleine Geschichte der DDR, 1998; Offenberg, U., Seid vorsichtig gegen die Machthaber, 1998; 50 Jahre DDR, hg. v. Handloik, V./Hauswald, H., 1998; Schroeder, K., Der SED-Staat, 1998; Recht und Rechtswissenschaft im mitteldeutschen Raum, hg. v. Lück, H., 1998; Lorenz, T., Die Rechtsanwaltschaft in der DDR, 1998; Die Strafrechtsjustiz der DDR, hg. v. Drobnig, U., 1998; Hoffmann, H., Die Betriebe mit staatlicher Beteiligung, 1998; Laufs, A., Recht und Unrecht in der DDR, 1998; Lorenz, T., Die Rechtsanwaltschaft in der DDR, 1998; Grote, M., Die DDR-Justiz vor Gericht, Diss. jur. Hannover 1998; 50 Jahre DDR, hg. v. Drommer, G., 1999; Maier, C., Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus, 1999; Zum Stand der Deutschen Einheit: Recht und innere Sicherheit, NJW 1999,1450; Widerstand und Opposition in der DDR, hg. v. Henke, K., 1999; Überwindung der Folgen der SED- Diktatur im Prozess der deutschen Einheit, hg. v. Deutschen Bundestag, Bd. 1ff. 1999; Papier, H./Möller, J., Die rechtsstaatliche Bewältigung von Regime- Unrecht, NJW 1999, 3289; Wagner, H., Hilde Benjamin und die Stalinisierung der DDR-Justiz, 1999; Zivilrechtskultur der DDR, hg. v. Schröder, R., 1999ff.; Schäfer, B., Staat und katholische Kirche in der DDR, 2. A. 1999; Kloth, H., Vom Zettelfalten zum freien Wählen, 128 2000; Raschka, J., Justizpolitik im SED-Staat, 2000; Grün, B., Vom Teilungsunrecht zum Wiederver- einigungsrecht, 2000; Rössler, R., Justizpolitik in der SBZ/DDR, 2000; Lexikon Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur, hg. v. Veen, H., 2000; Strafjustiz und DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1 Wahlfälschung, 2000; Schroeder, F., Zehn Jahre strafrechtliche Aufarbeitung des DDR-Unrechts, NJW 2000, 3017; Rummler, T., Die Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze, 2000; Fahnenschmidt, W., DDR-Funktionäre vor Gericht, 2000; Thiemrodt, I., Strafjustiz und DDR-Spionage, 2000; Hohoff, U., An den Grenzen des Rechtsbeugungstatbestandes, 2000; Mierau, J., Die juristischen Abschluss- und Diplomprüfungen in der SBZ/DDR, 2000; Die DDR ­ Recht und Justiz als politisches Instrument, hg. v. Timmermann, H., 2000; Die DDR und der Westen, hg. v. Pfeil, U., 2001; Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001; Gieseke, J., Mielke-Konzern, 2001; Eine Revolution und ihre Folgen, hg. v. Jesse, E., 2001; Raschka, J., Zwischen Überwachung und Repression, 2001; Wulf, M., Erich Honecker, 2001; Rüthers, B., Geschönte Geschichten, 2001; Wentker, H., Justiz in der SBZ/DDR 1945-1953, 2001; Zehn Jahre deutsche Rechtseinheit, hg. v. Koch, E., 2001; Schönfeldt, H., Vom Schiedsmann zur Schiedskommission, 2002; Ihme-Tuchel, B., Die DDR, 2002; Holzweißig, G., Die schärfste Waffe der Partei ­ Eine Mediengeschichte der DDR, 2002; Armee ohne Zukunft, hg. v. Ehlert, H., 2002, Mahlmann, C., Die Strafrechtswissenschaft der DDR, 2002; Heuer, U., Im Streit, 2002; Blümmel, R., Der Opferaspekt bei der strafrechtlichen Vergangenheitsbewältigung, 2002; Soziale Ungleichheit in der DDR, hg. v. Mertens, L., 2002; Howe, M., Karl Polak, 2002; Horstmann, T., Logik der Willkür. Die zentrale Kommission für staatliche Kontrolle, 2002; Strafjustiz und DDR-Unrecht, Bd. 2 Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze, hg. v. Marxen, K. u. a., 2002; Reichhelm, N., Die marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie Karl Polaks, 2003; Knabe, H., 17. Juni 1953, 2003; Staat und Kirchen in der DDR, hg. v. Dähn, H. u. a., 2003; Bilanz und Perspektiven der DDR-Forschung, hg. v. Eppelmann, R. u. a., 2003; Lindenberger, T., Volkspolizei, 2003; Alltag in der DDR, 2003; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechts- schutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Bauer, T., Blockpartei und Agrarrevolution von oben. Die Demokratische Bauernpartei Deutschlands 1948-1963, 2003; Leupolt, S., Die rechtliche Aufarbeitung des DDR-Unrechts, 2003; Lindenberger, T., Volkspolizei, 2003; Baron, U., Kalter Krieg und heißer Frieden, 2003; Heydemann, G., Die Innenpolitik der DDR, 2003; Scholtysek, J., Die Außenpolitik der DDR, 2003; Glees, A., The Stasi Files, 2003; Kowalczuk, I., Geist im Dienst der Macht, 2003; Rechtsprobleme der Restrukturierung land- wirtschaftlicher Unternehmen in den neuen Bundesländern nach 1989, hg. v. 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Vaters ehemaliger Betrieb, 2005 Deutsche Nationalgesetzgebung -> Kodifikationsstreit, -> Allgemeine Deutsche Wechselordnung, -> Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Deutschenspiegel ist ein durch eine einzige vollständige, aus dem frühen 14. Jh. stammende, aus Neustift bei Brixen kommende Handschrift und einige verstreute Artikel (in 18 Handschriften) überliefertes, mittelbayerisches Rechtsbuch (spiegel aller tiuscher liute). Der D. beruht wahrscheinlich auf einer mittelober- deutschen Übersetzung einer Handschrift der Klasse Ib des -> Sachsenspiegels (und vielleicht einer wohl in Augsburg erfolgten Bearbeitung des Sachsenspiegels), wobei die Artikel 1 bis 109 des Landrechts unter Verwendung der Kaiserchronik, des Buchs der Könige und zweier Gedichte des Strickers, der (römischrechtlichen) Institutionen, der (kirchenrechtlichen) Summa Raymundi (von Penyafort) und des Mainzer Reichsland- friedens, zweier Reichsgesetze vom 19. 2. 1274 sowie vor allem Augsburger Gewohnheitsrecht umgestaltet sind, die Art. 110ff. und das Lehnrecht dagegen im Wesentlichen unbearbeitet ihre Vorlage(n) übernehmen. Vermutlich ist der D. 1275/1276 in Augsburg 129 als Privatarbeit (eines Minoriten) entstanden. -> Schwabenspiegel Lit.: Köbler, DRG 103; Müller, E. Frhr. v., Der Deutschenspiegel, 1908; Pfalz, A., Die Überlieferung des Deutschenspiegels, 1919; Eckhardt, K., Heimat und Alter des Deutschenspiegels, ZRG GA 45 (1925), 13; Eckhardt, K., Der Deutschenspiegel, 1924; Eckhardt, K., Rechtsbücherstudien 1, 1927; Eckhardt, K., Zur Schulausgabe des Deutschenspiegels, ZRG GA 50 (1930), 115; Deutschenspiegel mit Augsburger Sachsenspiegel und ausgewählten Artikeln der oberdeutschen Sachsenspiegelübersetzung, hg. v. Eckhardt, K./Hübner, A., 1930; Schwerin, C. Frhr. v., Zum Problem des Deutschenspiegels, ZRG GA 53 (1932), 260; Hübner, A., Vorstudien zur Ausgabe des Buches der Könige, 1932 (SB Göttingen); Deutschenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1971; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 33 Deutsche Rechtsgeschichte ist allgemein die Geschichte des in Deutschland geltenden Rechtes einschließlich der Geschichte seiner Wurzeln (oder bei engerer Betrachtungsweise die Geschichte des aus germanistischer Wurzel stammenden Rechtes) (in Deutschland). Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992 Deutscher Bund ist der als unauflöslich geplante völkerrechtliche Zusammenschluss (Verein, Staatenbund) von (nach der Deutschen Bundesakte vom 8. 6. 1815 38) souveränen deutschen Einzelstaaten auf der Grundlage der -> Deutschen Bundesakte (8. 6. 1815) und der Wiener Schlussakte (15. 5. 1820). Er folgt auf die Erkenntnis, dass mit der Niederlegung der Krone des -> Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) durch Kaiser Franz II. am 6. 8. 1806 das Reich auch rechtlich untergegangen ist und eine Restauration wegen der egoistischen Interessen der damit souverän gewordenen deutschen Fürsten und der außerdeutschen Staaten Europas (Frankreich, England, Russland) ebensowenig Aussicht auf Erfolg hat wie das Streben der überwiegend bürgerlichen deutschen Nationalbewegung nach einem national-deutschen Einheitsstaat. Deswegen schließen sich 39 (dann 41, 1864 nur noch 34) weltliche Mitgliedstaaten (Österreich und Preußen mit ihren 1803 zum Reich gehörigen Gebieten, Bayern, Sachsen, England wegen Hannover, Württemberg, Baden, Kurhessen, Großherzogtum Hessen, Dänemark wegen Holstein, Niederlande wegen Luxemburg, Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen, Sachsen- Hildburghausen, Braunschweig, Nassau, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Holstein-Oldenburg, Anhalt-Dessau, Anhalt- Bernburg, Anhalt-Köthen, Schwarzburg- Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern- Sigmaringen, Liechtenstein, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und die 4 selbständig gebliebenen Städte (Reichsstädte bzw. freien Städte) Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg) mit 30 Millionen Einwohnern in einer Art Zwischenstufe auf dem Weg zu einem für Europa annehmbaren deutschen Bundesstaat zum Deutschen Bund als einem Staatenbund mit bundesstaatlichen Merkmalen zusammen. Sein Organ ist der selbständige Bundestag (Bundesversammlung, Gesandtenkongress) in Frankfurt am Main (vom 12. 7. 1848 bis September 1850 ohne Befugnisse). In dessen selten zusammentretendem Plenum hat jeder Staat mindestens eine, höchstens aber vier Stimmen, im engeren Rat führen die elf größten Staaten je eine Stimme. Den Vorsitz übt -> Österreich aus. Der Deutsche Bund hat grundsätzlich weder gesetzgebende noch vollziehende noch richterliche Gewalt. Nach den revolutionären Unruhen um 1848 geraten Österreich und Preußen 1851 in verstärkten Gegensatz. An der Verwaltung des 1864 Dänemark abgewonnenen Schleswig-Holsteins entzündet sich dann ein Streit, der damit endet, dass Preußen Holstein besetzt, Österreich ohne förmliche Bundesexekution die Mobilmachung des Bundesheeres gegen Preußen erwirkt, Preußen den Deutschen Bund für erloschen er- klärt, Österreich nach militärischer Niederlage des Deutschen Bundes gegen Preußen am 26. 7. 1866 die Auflösung des Deutschen Bundes anerkennt und die Bundesversammlung am 24. 8. 1866 letztmals tagt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 169, 192, 196; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1ff. 1957ff.; Heßler, R., Das Durchzugsrecht innerhalb des Deutschen Bundes, Diss. jur. Berlin (FU) 1966; Darmstadt, R., Der Deutsche Bund in der zeitgenössischen Publizistik, 1971; 130 Gruner, Der Deutsche Bund, 1982; Deutscher Bund und deutsche Frage, hg. v. Rumpler, H., 1990; Die Dresdner Konferenz und die Wiederherstellung des Deutschen Bundes 1850/1851, bearb. v. Müller, J., 1996; Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes, Bd. 1ff. 1996ff.; Der Deutsche Bund zwischen Reaktion und Reform 1851-1858, bearb. v. Müller, J., 1998; Die Entstehung des Deutschen Bundes 1813-1815, hg. v. Treichel, E., 2000; Kotulla, M., Die Entstehung der Kriegsverfassung des Deutschen Bundes, ZRG GA 117 (2000), 122; Steinmetz, C., Deutscher Bund und europäische Friedensordnung, 2002; Angelow, J., Der Deutsche Bund, 2003; Bieker, E., Die Interventionen Frankreichs und Großbritanniens anlässlich des Frankfurter Wachensturms 1833, 2003; Ham, R., Bundesintervention und Verfassungsrevision, 2004 Deutscher Juristentag ist der 1860 gegründete Verein deutscher Juristen mit dem Zweck, auf wissenschaftlicher Grundlage die Notwen- digkeit von Änderungen und Ergänzungen der deutschen Rechtsordnung zu untersuchen. Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der deutsche Juristentag 1960 bis 1980, 1980; Conrad, H. u. a., Der Deutsche Juristentag 1860- 1994, 1997 Deutscher Orden ist die 1199 aus einer Lübeck-Bremer Spitalsbruderschaft zu einem geistlichen Orden mit Sitz in Montfort bei Akkon umgeformte Vereinigung. Von 1211 bis 1225 wirkt sie auf Anforderung König Andreas' II. von Ungarn in Siebenbürgen. 1225/1226 ruft Herzog Konrad von Masowien den Deutschen Orden gegen die heidnischen Pruzzen zu Hilfe und überlässt ihm dafür 1230 das Kulmer Land. Der 1226 mit reichsfürstlichen Rechten begabte Deutsche Orden, der 1291 seinen Sitz nach Venedig, 1309 nach Marienburg in Westpreußen und 1457 nach Königsberg verlegt, erreicht durch umfangreiche Eroberungen zu Beginn des 15. Jh.s die größte Ausdehnung, muss aber 1466 durch seinen Hochmeister die Schirmherrschaft des Königs von -> Polen anerkennen. 1525/1561 wird das Deutschordensgebiet in Preußen in das Herzogtum Preußen und Kurland umgewandelt, das 1618/1619 mit Brandenburg in Personalunion vereinigt und 1657/1660 vertraglich von der Lehnshoheit Polens befreit wird. 1803 bleibt der Deutsche Orden im Reich, wo er durch zahlreiche einzelne Gaben zu beträchtlichen, vom Deutschmeister (1494 Reichsfürst) verwalteten Gütern gekommen war, bestehen. 1809 wird das 1805 aus dem Deutschen Orden geschaffene Fürstentum Mergentheim beseitigt. 1834 wird in Österreich der Deutsche Orden unter Erzherzögen als Hoch- und Deutschmeistern wiederbelebt. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 93; Köbler, Historisches Lexikon; Müller, G., Die Ursachen der Vertreibung des deutschen Ordens aus dem Burzenlande und Kumanien, Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde 48 (1925), 41; Stengel, E., Hochmeister und Reich, ZRG GA 58 (1938), 178; Milthaler, F., Die Großgebietiger des deutschen Ritterordens bis 1440, 1940; Schmidt, G., Die Handhabung der Strafgewalt gegen Angehörige des deutschen Ordens, 1954; Hofmann, H., Der Staat des Deutschmeisters, 1964; Wunder, H., Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte der Komturei Christburg, 1968, Kisch, G., Forschungen und Quellen zur Rechts- und Sozialgeschichte des Deutschordenslandes, 1973; Boockmann, H., Johannes Falkenberg, 1975; Tumler, M./Arnold, U., Der Deutsche Orden, 4. A. 1986; Boockmann, H., Der Deutsche Orden, 4. A. 1994; Sperling, F., Gerichtsorganisation und Prozesspraxis des Mergentheimer Stadtgerichts unter dem Deutschen Orden von 1780-1801, 1981; Neitmann, K., Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen 1230- 1449, 1986; Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Zimmermann, H., Der Deutsche Orden im Burzenland, 2000; Demel, B., Der Deutsche Orden im Spiegel seiner Besitzungen und Beziehungen in Europa, 2004 Deutscher Richterbund ist eine privatrechtliche Vereinigung der deutschen Richter. Lit.: Wrobel, H., Der Deutsche Richterbund im Jahre 1933, Krit. Justiz 1982, 323 Deutsches Privatrecht ist allgemein das in Deutschland geltende Privatrecht und herkömmlicherweise eingeengt das ältere aus germanistischer Wurzel stammende, vor Schaffung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) auch ohne gesetz- geberischen Akt unmittelbar geltende Privatrecht in Deutschland. In diesem engeren Sinn wird es als wissenschaftlich erfassbare Einheit erst anerkannt, als Hermann -> Conring (1635/1643) den Ursprung des deutschen Rechts (De origine iuris Germanici) erörtert. In 131 Gegenüberstellung zu dem durch gewohnheitsrechtlichen Vorgang aufgenom- menen römischen (Privat-)Recht wird es zuerst durch Johann -> Schilter (1675) und Christian - > Thomasius (1705) behandelt und vorgetragen und 1718 erstmals von Georg -> Beyer in einem Leitfaden (nach der romanistischen Systematik der Institutionen) dargestellt. Danach wird es im 18. Jh. teils antiquarisch, teils praktisch ausgerichtet. Als wis- senschaftliches Prinzip des deutschen Privatrechts gilt dabei zunächst die Übereinstimmung partikulärer Rechtssätze, dann die aus den Rechtsverhältnissen vermöge der natürlichen Vernünftigkeit abstrahierte Regel (Natur der Sache) und danach die gemeinsame Nationaleigentümlichkeit und Volkssitte. Der Ansicht Carl Friedrich -> Gerbers (1846), dass das auf Freiheit und Fehderecht zu gründende deutsche Privatrecht nur eine wissenschaftlich gewonnene, nicht unmittelbar anwendbare Summe von Rechtssätzen sei, widersprechen Georg -> Beseler (Volksrecht) und Otto von -> Gierke (gemeindeutsche Gewohnheiten). Mit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) hat diese Streitfrage ihre praktische Bedeutung verloren. Mehr und mehr wird das geschichtliche Privatrecht sinnvollerweise insgesamt in die allgemeine Rechtsgeschichte eingefügt. Lit.: Köbler, DRG 205; Gerber, C., Das wissenschaftliche Prinzip des gemeinen deutschen Privatrechts, 1846; Gierke, O. v., Deutsches Privatrecht, Bd. 1ff. 1895ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Schlosser, H., Das wissenschaftliche Prinzip der germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Kroeschell, K., Verfassungsgeschichte und Rechtsgeschichte, Der Staat Beiheft 6 1983, 47; Scherner, K., Das deutsche Privatrecht und seine Darstellbarkeit, ZRG GA 118 (2001), 346; Dannhorn, W., Römische Emphyteuse und deutsche Erbleihe, 2003 Deutsches Recht ist allgemein das in Deutschland geltende Recht und in einem engeren Sinn das aus germanistischer Wurzel stammende Recht in Deutschland (vor allem in Gegensatz zu dem aus römischer Wurzel stammenden Recht in Deutschland). Lit.: Deutsches Recht, 1934; Halban, A. v., Zur Geschichte des deutschen Rechtes in den Gebieten von Tschernigow und Poltawa, ZRG GA 19 (1898), 1; Kaindl, R., Zur Geschichte des deutschen Rechtes im Osten, ZRG GA 40 (1919), 275; Merk, W., Vom Werden und Wesen des deutschen Rechts, 3. A. 1935; Jakowliw, A., Das deutsche Recht in der Ukraine, 1942; Kötzschke, R., Die Anfänge des deutschen Rechtes in der Siedlungsgeschichte des Ostens (Ius teutonicum), 1941 (SB Leipzig); Dahm, G., Deutsches Recht, 1951; Ebel, W., Deutsches Recht im Osten, 1952; Geck, Die deutsche Rechtseinheit im 19. Jahrhundert als rechtspolitisches Problem, 1966; Fließ, W., Die Begriffe germanisches Recht und deutsches Recht bei den Rechtshistorikern des 19. und 20. Jahrhunderts, Diss. Freiburg im Breisgau 1968 (masch.schr.); Krause, H., Der deutschrechtliche Anteil an der heutigen Privatrechtsordnung, JuS 1970, 313; Gudian, G., Zur Situation der Germanistik, ZRG GA 89 (1972), 215 Deutsches Reich ist eine Bezeichnung für verschiedene verfassungsrechtliche Organisa- tionsformen der Deutschen. Dabei wird als erstes D. R. das aus dem fränkischen Reich im Laufe des 10. Jh.s erwachsene ostfränkische Königreich verstanden, das gegen die Jahrtausendwende anscheinend von Italien (Chronicon Venetum Brixener Urkunde Heinrichs II. von 1020, Miracula Severi) ausgehend (lat.) regnum (N.) Teutonicum genannt wird. Es wird 1474 als -> Heiliges Römisches Reich (deutscher Nation) bezeichnet und führt diesen Namen 1512 erstmals auch offiziell. Demgegenüber wird die frühere Benennung als D. R. erst gegen Ende (1806) hin allgemein üblich. (Zweites) D. R. heißt danach bereits der 1848/1849 vergeblich angestrebte deutsche Nationalstaat. Für den Namen (zweites) D. R. entscheiden sich dann auch im Dezember 1870 die Staaten des Norddeutschen Bundes bei der Benennung des am 15., 23. und 25. 11. 1870 mit Bayern, Württemberg, Baden und Hessen vereinbarten, am 1. 1. 1871 ins Leben tretenden bzw. erweiterten (str.) Bundesstaates (, dem Österreich, Luxemburg, Limburg und Liechtenstein fernbleiben). Dieses Deutsche Reich (540742 qkm, 56,37 Mill. Einwohner) umfasst Preußen (2/3 des Reichsgebietes, 3/5 der Reichsbevölkerung), Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg- Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Sachsen- Weimar-Eisenach, Oldenburg, Braunschweig, 132 Anhalt, Schaumburg-Lippe, Lippe, Sachsen- Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Co- burg-Gotha, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Bremen, Hamburg, Lübeck sowie Elsass-Lothringen (Reichsland) und seit 1884 als Nebenländer die überseeischen deutschen -> Schutzgebiete (Ko- lonien) Südwestafrika, Togo, Kamerun usw. Nach seiner Verfassung ist der Kaiser (König von Preußen) der (erbliche) Inhaber der Präsidialrechte. Träger der Souveränität ist die Gesamtheit der Fürsten und freien Städte. Der Kaiser regiert durch den Reichskanzler (1871- 1890 Bismarck), der Anordnungen gegen- zeichnen muss und dadurch die Verantwortung übernimmt. Bundesrat und Reichstag beschließen die Gesetze, die dann der Kaiser ausfertigt und verkündet. Höchstes Gericht ist das Reichsgericht in Leipzig. Am 9. 11. 1918 wird am Ende des ersten Weltkriegs ein Verzicht des Kaisers auf dessen Thron bekanntgegeben und von Philipp Scheidemann im Rahmen des bestehenbleibenden Deutschen Reiches die Republik (Weimarer Republik) ausgerufen, die Adolf Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler (30. 1. 1933) rasch in das nationalsozialistische, totalitäre -> Dritte (Deutsche) Reich (zentralistischer Einheitsstaat) umgestaltet. Am 8. 5. 1945 bricht dieses Deutsche Reich mit der vollständigen Kapitulation gegenüber den alliierten Siegermächten des zweiten Weltkrieges zusammen. Nach herrschender Ansicht setzt die Bundesrepublik Deutschland das Deutsche Reich fort, ist also mit ihm rechtlich identisch. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 76, 172, 196, 220, 256; Jahrbücher des deutschen Reiches, Bd. 1ff. 1862ff.; Acta imperii, hg. v. Kern, F., 1911; Herding, O., Das römisch-deutsche Reich in deutscher und italienischer Beurteilung, 1937; Tellenbach, G., Die Entstehung des deutschen Reiches, 1940, 2. A. 1942; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3 1963; Müller-Mertens, E., Regnum Teutonicum, 1970; Brühl, C., Die Anfänge der deutschen Geschichte, 1972; Dokumente zur Geschichte des deutschen Reiches und seiner Verfassung 1349, hg. v. d. Akad. d. Wiss. d. DDR, 1974ff.; Eggert, W., Das ostfränkisch-deutsche Reich, 1975; Töpfer, B./Engel, E., Vom staufischen Imperium zum Hausmachtkönigtum, 1976; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7. A. 1993; Hanisch, W., Als weit das Römische reiche in allen den egenanten Tewtschen landen begriffen ist, ZRG GA 101 (1984), 47; Schilling, Heinz, Höfe und Allianzen. Deutschland 1648-1763, 1989; Duchhardt, H., Altes Reich und europäische Staatenwelt, 1990; Ehlers, J., Die Entstehung des deutschen Reiches, 1994; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994; Das Deutsche Reich im Urteil der großen Mächte, hg. v. Hildebrand, K., 1995; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Reitemeier, A., Außenpolitik im Spätmittelalter, 1999; Berghahn, V., Das Kaiserreich 1871-1914, 2003; Frie, E., Das deutsche Kaiserreich, 2004 Deutschland ist eine wohl im 14. Jh. durch Zusammenziehung aus (mhd.) daz diutsche lant entstandene allgemeine Bezeichnung für das Gebiet des -> Deutschen Reiches bzw. das von Deutschen überwiegend besiedelte Gebiet. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gebhardt, B., Handbuch der deutschen Geschichte, 1891f.,, 3. A. 1906, 4. A. 1910, 5. A. 1913, 6. A. 1922f., 7. A. 1930, 8. A. 1954ff., 9. A., hg. v. Grundmann, H., 1970; Andreas, W., Deutschland vor der Reformation, 1932; Keyser, E., Bevölkerungsgeschichte Deutschlands, 1938; Kienast, W., Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit (900- 1270), 1974f.; Raumer, K. v. u. a., Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 1980; Deutschlands Grenzen, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993; Haverkamp, A., Aufbruch und Gestaltung, Deutschland 1056-1273, 1984; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; Angermeier, H., Deutschland zwischen Reichstradition und Nationalstaat, ZRG GA 107 (1990), 19; Nipperdey, T., Deutsche Geschichte 1866-1918, Bd. 1f. 1990ff.; Brühl, C., Deutschland ­ Frankreich, 1990; Baum, W., Reichs- und Territorialgewalt, 1994; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994; Steininger, R., Deutsche Geschichte seit 1945, 1996ff.; Ritter, G., Über Deutschland, 1998; Schulze, H., Kleine deutsche Geschichte, 1998; Staatliche Vereinigung ­ fördernde und hemmende Elemente in der deutschen Geschichte, hg. v. Brauneder, W., 1998; Reich oder Nation?, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1998; Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Institut für Länderkunde, Bd. 1ff. 1999ff.; Stürmer, M., Das Jahrhundert Deutschlands, 1999; Dirlmeier, U. u. a., Deutsche Geschichte, 1999; Laufs, A., Ein Jahrhundert wird besichtigt, JuS 2000, 1; Winkler, H., Der lange Weg nach Westen, Bd. 1f. 2000; Seibt, F., Das alte böse Lied, 2000; Föderative Nation. Deutschlandkonzepte von der Reformation bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Langewiesche, D. u. a., 2000; Kielmannsegg, P. Graf, Nach der Katastrophe, 2000; Küsters, H., Der Integrationsfriede, 2000; Green, A., 133 Fatherlands ­ State Building and Nationhood in Nineteenth Century Germany, 2001; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2001; Laufs, A., Ein Jahrhundert wird besichtigt ­ Rechtsentwicklungen in Deutschland im 20. Jahrhundert, ZRG GA 118 (2001), 1; Kocka, J., Das lange 19. Jahrhundert, 2001; Köhler, H., Deutschland auf dem Weg zu sich selbst, 2002; Fenske, H., Deutsche Geschichte, 2002; Schabert, T., Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit, 2002; Plato, A. v., Die Vereinigung Deutschlands, 2002; Lexikon der deutschen Geschichte von 1945 bis 1990, hg. v. Behnen, M., 2002; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel, 2002; Deutschland 1949-1989, hg. v. Elvert, J. u. a., 2003; Wolfrum, E., Die Deutschen im 20. Jahrhundert, 2004; Goertz, H., Deutschland 1500- 1648, 2004; Grigoleit, K., Bundesverfassungsgericht und deutsche Frage, 2004; Pagenkopf, O., Die Hauptstadt in der deutschen Rechtsgeschichte, 2004; Ehmer, J., Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1800-2000, 2004; Rexroth, F., Deutsche Geschichte im Mittelalter, 2005; Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, hg. v. Schildt, A., 2005 Deutschlandvertrag ist der das Besatzungsstatut der westlichen alliierten Siegermächte für ihre Besatzungszonen aufhebende Vertrag der Westmächte mit der Bundesrepublik Deutschland vom 26. 5. 1952/5. 5. 1955. Er löst die -> Alliierte Hohe Kommission auf und schreibt der Bundesrepublik Deutschland die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten zu. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Die Rechtsstellung Deutschlands, hg. v. Rauschning, D., 1985; Kohl, H., Ich wollte Deutschlands Einheit, 1996 Deutschösterreich ist die am 30. Oktober 1918 (str., Staatsgründungsbeschluss) entstandene, am 12. 11. 1918 (Beschluss über die republi- kanische Regierungs- und Staatsform)von der provisorischen Nationalversammlung der deutschsprachigen Teile -> Österreichs ausgerufene Republik, die ein Bestandteil der Deutschen Republik sein und nach dem Grundsatz der Selbstbestimmung das geschlossene Siedlungsgebiet der Deutschen innerhalb der bisher im Reichsrat Österreichs vertretenen Königreiche und Länder umfassen soll (einschließlich Deutschsüdmähren, Deutschsüdböhmen, Sudetenland, Brünn, Iglau, Olmütz). Der am 10. 9. 1919 zwischen Österreich und den alliierten Mächten geschlossene Friedensvertrag von Saint Germain-en-Laye schließt dies auf Grund der Interessen der nichtdeutschen Mächte aus. Das Deutsche Reich anerkennt im Friedensvertrag von Versailles vom 28. 6. 1919 notwendigerweise die Unabhängigkeit Öster- reichs. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher; Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919; Brauneder, W., Eine Republik entsteht, 1999; Brauneder, W., Deutsch-Österreich 1918, 2000 Deutschtirol ist im Gegensatz zu Welschtirol der deutschsprachige Teil der ver- schiedensprachige Gebiete unter einer Herrschaft zusammenfassenden Grafschaft Tirol. D. reicht südlich bis zur Salurner Klause. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Stolz, O., Deutschtirol, 1910; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 2. A. 1988 Devestierung ist im kirchlichen Recht die das Gegenstück zur sichtbar gemachten Bekleidung (Investierung oder Investitur) mit einem Amt bei dessen Übertragung bildende, ebenfalls sichtbar gemachte Entkleidung von dem Amt bei dessen Entzug (z. B. bei Hus auf dem Konstanzer Konzil). In der Gegenwart wird die D. nicht mehr durchgeführt. Lit.: Kober, F., Die Deposition und Degradation, 1867 Devolution ist der Übergang eines Rechtes von einer Person auf eine andere, insbesondere in der Kirche der Übergang des Rechtes zur Verleihung eines Amtes auf den nächsthöheren Oberen, wenn der an sich zuständige Berechtigte sein Recht nicht oder nicht rechtmäßig ausübt. Die D. findet sich bereits bei Justinian. Lit.: Ebers, G., Devolutionsrecht, 1906, Neudruck 1965; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 343 Dezemberverfassung ist in -> Österreich eine Gesamtheit von sechs am 21. 12. 1867 erlassenen Gesetzen, die einen Reichsrat mit Herrenhaus und Abgeordnetenhaus, Grundrechte in 19 Artikeln, ein Reichsgericht als Verfassungsgerichtshof, Trennung von Verwaltung und Justiz u. a. vorsehen. Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher Dezision (F.) Entscheidung, Urteil 134 Diakon ist in der Antike ein dem Bischof untergeordneter Diener oder Gehilfe, danach eine Vorbereitungsstufe (Weihegrad) auf dem Weg zur Priesterschaft. In der protestantischen Kirche gewinnt der D. seit dem 19. Jh., in der katholischen Kirche seit dem zweiten Vatikanischen Konzil an Bedeutung. Hier ist der D., der auch verheiratet sein kann, ermächtigt, viele liturgische Handlungen selbständig vorzunehmen (ausgenommen Eucharistie und Bußsakramenterteilung). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Der Diakon, hg. v. Plöger, J. u. a., 1980; Handbuch Geschichte der deutschen evangelischen Diakonie, hg. v. Kaiser, J., 2000 Dialogus (M.) de scaccario (lat.) des Schatzmeisters Richard von Ely (um 1178) ist ein Lehrgespräch (Dialog) zwischen Lehrer und Schüler über die vom Schatzamt (lat. [N.] scaccarium, engl. exchequer) in Finanz- angelegenheiten angewandten Rechtssätze des englischen Rechts. Lit.: Busz, H., Zur Entstehungsgeschichte des Scaccarium, ZRG GA 35 (1914), 437; Richard von Ely, Dialog über das Schatzamt, übers. v. Siegrist, M., 1963; Dialogus de Scaccario, hg. v. Carter, F. u. a., 1983 Diät ist ursprünglich die geregelte Lebensweise oder der Aufenthaltsort. Diäten sind seit dem 20. Jahrhundert die Entschädigung des Ab- geordneten für die von ihm für politische Arbeit aufgewandte Zeit (Gesetz des Deutschen Reiches vom 21. 5. 1906). Lit.: Butzer, H., Diäten und Freifahrt, 1999; Urban, N., Die Diätenfrage, 2003 Dictatus (M.) papae (lat.) sind fünf im ersten und zweiten Buch des Registers der Briefe Papst Gregors VII. als D. p. bezeichnete Stücke bzw. genauer 27 undatierte Sätze Gregors VII. (1073-1085), die zwischen zwei Briefen vom 3. und 4. März in das Register eingetragen sind und ohne erkennbare Ordnung Vorrang und Vorrechte der römischen Kirche und des Papstes betonen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Caspar, E., Das Register Gregors VII., in: Monumenta Germaniae Historica, Epistolae selectae Bd. 2,1 1920, 201; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Dieb ist der Täter des -> Diebstahls. Lit.: Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001 Diebstahl ist die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in der Absicht, sich (oder einem Dritten) dieselbe rechtswidrig zuzu- eignen bzw. ganz allgemein eine Form von Vermögensschädigung. Im altrömischen Recht hat die Sachentziehung (lat. [N.] furtum) grundsätzlich die Leistung des Doppelten des Wertes und die Infamie zur Folge. In der klassisch-römischrechtlichen Zeit wird der D. zunehmend öffentlich verfolgt und mit Strafe geahndet. Justinian betont daneben den Ausgleich mit dem Doppelten. Im Mittelalter wird zunächst der D., dessen Kennzeichen die Heimlichkeit ist, mit einer -> Buße geahndet. Mit der Landfriedensgesetzgebung wird der große D. mit der -> Todesstrafe (Hängen), der kleine D. mit der -> Leibesstrafe (Haut und Haar) bedroht. Die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532) scheidet D., Raub und Unterschlagung, doch setzt sich dies nicht vollständig durch. Erst in der ersten Hälfte des 19. Jh.s wird der D. endgültig eingeengt und die Todesstrafe für D. allmählich beseitigt. 1851 wird in Preußen auch die Trennung von großem D. und kleinem D. aufgegeben. Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 27, 48, 65, 86, 119, 158; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Fischer, H., Der Diebstahl in den Volksrechten, 1942; Janßen, H., Der Diebstahl, Diss. jur. Göttingen 1969; Hagemann, H., Vom Diebstahl im altdeutschen Recht, FS H. Krause 1975, 1 Dienst ist die Tätigkeit einer Person für eine andere. Die Grundlage hierfür ist verschieden, kann aber in einem -> Dienstvertrag bestehen. Lit.: Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Biographisches Handbuch des deutschen auswärtigen Dienstes 1871-1945, hg. v. Auswärtigen Amt, Bd. 1 1999; Concepts and Patterns of Service in the Later Middle Ages, hg. v. Curry, A. u. a., 2000 Dienstadel ist der durch Dienst für einen Herren entstehende Adel z. B. der Dienstmannen im ausgehenden Frühmittelalter. Lit.: Bosl, K., Die Reichsministerialität, 1950/1 Dienstbarkeit ist ein beschränktes dingliches Recht an einer Sache, das den Eigentümer in einzelnen Beziehungen in der Benutzung der Sache oder in der Ausübung seiner Rechte beschränkt. In dieser Beziehung kennt das altrömische Recht bereits (lat. [N.]) iter (Pfad), (M.) actus (Trift), (F.) via (Weg) und (M.) 135 aquaeductus (Wasserleitung), die als handgreifbare Sachen (lat. [F.Pl.] res mancipi) behandelt werden. Nach diesen römischen (F.Pl.) servitutes finden sich solche beschränkte dingliche Nutzungsrechte vor allem an Liegenschaften seit dem Hochmittelalter. Seit dem Spätmittelalter werden die römischen Regeln über Servituten in abgeänderter Form aufgenommen. Danach kann jede Nutzung beliebiger Art Gegenstand einer D. sein, auch ein Tun (sog. deutschrechtliche D.). Sie kann sogar dem Eigentümer der Sache zustehen. Lit.: Kaser § 28; Hübner; Köbler, DRG 26, 125, 163; Naendrup, H., Zur Geschichte deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900; Birzer, B., Altrechtliche Dienstbarkeit in der Oberpfalz, Diss. jur. Regensburg 1998 Dienstmann ist im Mittelalter der durch Dienst allmählich in den Adel aufsteigende Unfreie. Dies ist sowohl im Dienst des Königs (Reichsdienstmann) wie auch im Dienst eines anderen Herrn möglich. Im 19. Jh. ist D. die Bezeichnung eines amtlich angestellten Gepäckträgers. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Loesch, H. v., Das kürzere Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Haendle, O., Die Dienstmannen Heinrichs des Löwen, 1930; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 2. A. 1977; Jendorff, A., Verwandte, Teilhaber und Dienstleute, 2003 Dienstrecht ist das für eine Diensttätigkeit geltende Recht. Im Mittelalter gibt es für die Dienstmannen eines Herrn verschiedentlich ein besonderes, schriftlich niedergelegtes Recht (z. B. Bischof von Bamberg [1057-64], St. Maximin bei Trier, Grafen von Ahr, Erzbischof von Köln, Bischof von Basel, Grafen von Tecklenburg). In der jüngeren Neuzeit ist unter D. vor allem das Recht des öffentlichen d. h. staatlichen Dienstes zu verstehen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Loesch, H. v., Das kürzere Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Stech, L., Die Dienstrechte von Magdeburg und Hildesheim, Diss. jur. Göttingen 1965 Dienstvertrag ist der gegenseitige Vertrag, in welchem sich der eine Teil (Dienstver- pflichteter) zur Leistung von vereinbarten Diensten irgendeiner Art, der andere Teil (Dienstberechtigter) zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Im klassischen römischen Recht gehört dieser Vertrag zu der Gruppe von Verhältnissen, die in dem in seiner Vorgeschichte unklaren Konsensualkontrakt (lat. )-> locatio conductio ([F.] Hinstellung - Mitführung) zusam- mengefasst sind (-> locatio conductio operis). Er hat deswegen nur einen geringen Anwendungsbereich, weil die häufigen Dienste der Sklaven auf Grund des Sklavenstatus erbracht werden und höhere Dienste (lat. artes [F.Pl.] liberales) nicht durch Entgelt entlohnt, sondern durch Ehrengaben (lat. [N.] honorarium) anerkannt werden. Auch im Frühmittelalter werden Dienste am ehesten auf Grund grundherrschaftlicher Abhängigkeit oder lehnsrechtlicher Verbindung geleistet. Diese personenrechtlichen Abhängigkeitsverhältnisse werden erst in der hochmittelalterlichen Stadt durch den D. ersetzt (Gesinde, Gesellen). In der frühen Neuzeit werden auch höhere Dienste entgeltlich. Das 19. Jh. regelt den D. im Wesentlichen römischrechtlich und erhofft sich vom freien Spiel der Kräfte den gerechten Ausgleich. Da dieser wegen der ungleichen Gewichtigkeit von Dienstgeber und Dienst- nehmer ausbleibt, entwickelt sich der besondere -> Arbeitsvertrag für das abhängige, fremdbestimmte Dienstverhältnis, so dass der D. sich auf wenige Anwendungsfälle beschränkt. Lit.: Kaser § 42; Söllner §§ 10, 17; Hübner; Köbler, DRG 45, 127, 166, 215, 240, 271; Gierke, O., Die Wurzeln des Dienstvertrages, FS H. Brunner, 1914, 37 Diepholz Lit.: Moormeyer, W., Die Grafschaft Diepholz, 1938 Dies interpellat pro homine (lat., der Termin mahnt für den Menschen) ist eine Regel des Rechts des Verzugs, die sich für das klassische römische Recht nicht nachweisen lässt. Nach mittelalterlichem deutschem Recht muss der Schuldner eine Verbindlichkeit, deren Fällig- keit durch eine Zeitangabe bestimmt ist, an diesem Zeitpunkt erfüllen. Hieraus bildet der (lat.) -> usus (M.) modernus pandectarum den Satz d. i. p. h. Der Code civil (1804) lehnt ihn ab. Lit.: Kaser § 37 II; Hübner 556ff.; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998(Gregor IX. um 1170-1241, Dekretalen 3, 18, 4, am Ende) Die Tat tötet den Mann (d. h. der äußere Erfolg entscheidet, nicht die innere Ein- stellung). 136 Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schildt, B., Die Tat tötet den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380 Dietrich von Bern -> Theoderich Dietrich von Bocksdorf -> Bocksdorf, Dietrich von Dietrich von Nieheim Lit.: Dietrich von Nieheim, Viridarium imperatorum et regum Romanorum, hg. v. Lhotsky, A. u. a., 1956 Differentienliteratur ist die ansatzweise schon in der Spätantike vorhandene, dann von den Glossatoren verbreitete Vergleichsliteratur zwischen den unterschiedlichen, gleichen Gerechtigkeitsgehalt ermöglichenden Lösungen verschiedener Rechte. Dabei wird insbesondere das römisch-weltliche Recht mit dem kirchlichen Recht oder mit den einheimischen Partikularrechten verglichen (z. B. Berhard Walther 1516-1584, Johann Baptist Suttinger 1662 [Consuetudines Austriacae], Nikolaus Beckmann 1634-1689, Johann Weingärtler 1674, Benedikt Finsterwalder). Lit.: Köbler, DRG 143; Fontana, A., Amphitheatrum legale, 1688, Neudruck 1961, Teil III, 13; Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur, 1867, Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,345 Digesten (Durchgearbeitetes) (oder Pandekten) sind die (9142) Auszüge aus (mehr als 200) Schriften (wahrscheinlich 39) klassischer Juristen des römischen Rechts, die der oströmische Kaiser Justinian 530/533 unter Beseitigung der unmittelbaren Geltung aller nicht erfassten Texte zum Gesetz erhebt. Sie werden von einer Kommission vorbereitet, welcher der Jurist und Justizminister Tribonian vorsitzt und welcher die vier Professoren Dorotheus und Anatolius aus Berytos (Beirut) sowie Theophilus und Cratinus aus Konstantinopel, der magister officiorum und elf Anwälte angehören. Über die erstaunlich rasche Arbeitsweise besteht keine völlige Klarheit, doch wird seit Bluhme (1820) davon ausgegangen, dass die Kommission in Untergruppen einzelne Stoffmassen (Sa- binusmasse aus den Juristenkommentaren zum ius civile, Ediktmasse aus den Ediktskommentaren, Papinianmasse aus den Werken der Spätklassiker, Appendixmasse) vielleicht auf Grund schon vorhandener vergleichender Literatur verwertet und dabei mehr als 2000 Schriften (mit 3000000 versus [Zeilen]) zumindest mittelbar berücksichtigt. Im Vordergrund stehen Juristen der klassischen Zeit (Ulpian [2/5], Paulus [1/5], Papinianus, Gaius und Modestinus [zusammen 1/5]). Vermutlich sind etwa 5-7% dessen aufgenommen, was zur Zeit Justinians von den Schriften der Juristen noch vorhanden ist. Die Reihenfolge schließt sich an das prätorische Edikt an. Das Gesamtwerk ist in 50 Bücher (mit 432 Titeln und 150000 versus) gegliedert, von denen die Bücher 2 bis 46 das Privatrecht und die Bücher 47, 48 das Strafrecht betreffen. Die sachlichen, teilweise allerdings schon vor Justinian erfolgten Eingriffe in die Schriften werden in der Neuzeit als -> Interpolationen bezeichnet, deren Umfang streitig ist. Die wohl wegen ihrer Schwierigkeit zwischen 603 und 1076 im Westen kaum erwähnten D. sind in (zwei) Handschriften des 6. oder frühen 7. Jh.s (907 Blätter umfassende, in zwei Bände 1-29 und 30-50 getrennte, vermutlich in Kon- stantinopel/Byzanz im 6. oder frühen 7. Jahrhundert zweispaltig geschriebene, spätestens im 9. oder 10. Jh. in Italien liegende, im späteren 11. Jh. in Süditalien wieder- entdeckte, wahrscheinlich 1155 von Amalfi nach Pisa ­ littera Pisana ­ , 1406 von Pisa nach Florenz gebrachte und 1553 erstmals gedruckte Handschrift)und 11. Jh.s (verlorene, von der Florentina abhängige, aber nach einer von dieser unabhängigen Vorlage durch- korrigierte, vielleicht in der zweiten Hälfte des 11. Jh.s möglicherweise in Süditalien geschaffene Stammform der in drei Teile geteilten Vulgathandschriften) sowie drei Fragmenten des 7./8. Jh.s und zwei Fragmenten des 9. Jh.s (insgesamt dreigeteilt in Digestum vetus 1-24,2, Digestum infortiatum 24,3-38,2 und Digestum novum 39-50) überliefert. Diese Quellen ermöglichen die Aufnahme (Rezep- tion) der Gedankenwelt der römischen Juristen im Mittelalter. Zitiert werden die D. nach Buch, (meist) Titel, Fragment (oder Gesetz) (lat. [F.] lex) und Anfang (lat. [N.] principium = eigentlich Paragraph 1) bzw. Paragraph (der zweite Abschnitt wird als § 1 gezählt) (z. B. D. 8,3,23,2, früher [als ff.] nach Titelrubrik und Anfangsworten der Fragmente). 137 Lit.: Kaser §§ 1, 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Söllner §§ 22, 23; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 50, 53, 105; Digestorum seu pandectarum libri quinquaginta, hg. v. Haloander, G., 1529, Neudruck 2004; Digestorum seu Pandectarum libri quinquaginta, 1553, Neudruck 2004; Digesta et Institutiones, rec. Gebauer, G./Spangenberg, G., 1776, Neudruck 2004; Bluhme, F., Die Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, ZRG 4 (1818), 257; Krüger, H., Die Herstellung der Digesten Justinians, 1922; Schindler, K., Justinians Haltung zur Klassik, 1966; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970; Honoré, T., Tribonian, 1978; Kaser, M., Ein Jahrhundert Inter- polationenforschung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 1979; Digesten 1-10, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Digesten 11 ­ 20, hg. v. Behrends, O. u. a., 1999 Digestum (N.) infortiatum (lat., gestärktes bzw. geschwächtes bzw. unter Verschluss gehaltenes bzw. in Kraft gesetztes Durchgearbeitetes) sind die Bücher 24,3 bis 38 der Vulgatafassung der -> Digesten, wobei das in D. 38, 2, 82 beginnende Schlussstück tres partes (lat. [F.Pl.] drei Teile) heißt. Lit.: Accursii Glossa in Digestum vetus, in Digestum infortiatum, in Digestum novum, in Codicem, in Volumen, 1487ff.; Wouw, H. van de, Zur Textgeschichte des Infortiatum, Ius commune 11 (1984), 231; Whitman, J., A Note on the medival Division, TRG 59 (1991), 269 Digestum (N.) novum (lat., neues Durchgearbeitetes) sind die Bücher 39-50 der Vulgatafassung der -> Digesten. Digestum (N.) vetus (lat., altes Durchgearbeitetes) sind die Bücher 1-24,2 der Vulgatafassung der -> Digesten. Dijon ist als gallorömisches Divio im 2. Jh. n. Chr. nachweisbar. 1182 erlangt es unter den Herzögen von Burgund Stadtrecht. 1477 gelangt es an Frankreich und erhält 1737 eine Universität. Lit.: Humbert, F., Les finances municipales de Dijon, 1961; Didier, P., Les statuts de métier Dijon aux 14e et 15e sicles, ZRG GA 94 (1977), 63; Histoire de Dijon, hg. v. Gras, P., 1981 Diktatur ist im altrömischen Recht das Amt eines von einem -> Konsul in einer Notlage für eine streng befristete Zeit ernannten außerordentlichen Magistrates. Im Anschluss hieran entwickeln sich verschiedene Formen unbeschränkter Herrschaft eines Einzelnen oder einer Personengruppe. Diese D. zeigt vielfach totalitäre Züge (z. B. unter Adolf -> Hitler). Lit.: Söllner §§ 6, 13; Köbler, DRG 222; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 900; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7. A. 1993; Korporativismus in den südosteuropäischen Diktaturen, hg. v. Mazzacane, A. u. a., 2005 Dilatura (lat. [F.]) ist eine besondere frühmittelalterliche Buße bei Vermögensverletzung (Weigerungsbuße?). Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H./Schwerin, C., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 2. A. 1928, § 138; Goldmann, E., Zum Problem der dilatura, ZRG GA 53 (1932), 43 Diligentia (lat. [F.]) ist im spätrömischen Recht die dem sorgsamen Familienvater angemessene Sorgfalt, deren schuldhafte Verletzung eine Nachlässigkeit bedeutet. Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 63; Köbler, LAW Dillingen an der Donau ist von 1549/1554 bis 1804 Sitz einer Universität. Ding (älter thing) ist im Mittelalter und vielleicht schon vorher die (zu einer bestimmten Zeit stattfindende) Versammlung, in der über verschiedene Angelegenheiten gesprochen und verhandelt werden kann. Dementsprechend ist D. die wichtigste Bezeichnung für das Gericht. Unterschieden werden dabei echtes (ungebotenes) D. und gebotenes D. Das D. wird vom König, Grafen oder von sonstigen Richtern geleitet. Die inhaltlichen Entscheidungen werden vom Umstand (Dinggenossenschaft) oder besonderen Urteilern (Rachinburgen, Schöffen) gefällt. Im 16. Jh. tritt die Verwendung von D. im Sinne von Gericht zurück, hält sich aber in ländlichen Weistümern bis in das 18. Jh. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 116; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Amira, K. v., Die Dingzeiten des Schultheißen zu Magdeburg, ZRG GA 28 (1907), 437, 29 (1908), 337; Buchwald, G., Das thüringische Hegemahl, ZRG GA 28 (1907), 444; Loening, O., Die Gerichtstermine im Magdeburger Stadtrecht, ZRG GA 30 (1909), 37; Amira, K. v., Die Dingzeiten des Schultheißen zu Magdeburg, ZRG GA 30 (1909), 310; Rietschel, S., Nochmals die Dingzeiten des Magdeburger Schultheißen, ZRG GA 30 (1909), 313; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Karg-Gasterstädt, E., Althochdeutsch Thing - neuhochdeutsch Ding, Verh. d. Sächs. Akad. d. Wiss. 104,2, 1958; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985 138 Dingfriede ist der im -> Ding einzuhaltende -> Friede. Dinglicher Vertrag ist der im 19. Jh. von Friedrich Carl von Savigny entwickelte, 1872 im preußischen Eigentumserwerbsgesetz anerkannte, sachenrechtliche Rechtsverän- derungen betreffende Vertrag (Einigung über den Rechtsübergang an einem Gegenstand) im Gegensatz zum schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kauf, Schenkung). Lit.: Köbler, DRG 212; Felgenträger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927 Dingliches Recht ist (seit dem 19. Jh.) das eine Sache (körperlichen Gegenstand) betreffende Recht (z. B. [Besitz,] Eigentum, Pfand, Dienstbarkeit) im Gegensatz zum (persönlichen Sachenrecht bzw. zum) schuldrechtlichen Recht (z. B. Kaufpreisforderung). Lit.: Köbler, DRG 212; Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623 Dingpflicht ist die Anwesenheitspflicht im mittelalterlichen -> Ding. In welchem Umfang sie bestanden hat, lässt sich nicht ganz eindeutig bestimmen. Jedenfalls verringert Karl der Große in seiner zwischen 770 und 780 vorgenommenen Reform ihren Umfang auf jährlich drei Dinge. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985 Dionysius Exiguus (Skythien um 475?-Rom um 545) ist ein skythischer Mönch, der in Rom nach dem 21. 11. 496 als Übersetzer griechische Kultur dem lateinischen Westen vermittelt und eine klar geordnete lateinische Sammlung der griechischen Quellen des Kirchenrechts (lat. [M.Pl.] canones) und der Konzilsakten (lat. [N.Pl.] decreta) herstellt ([lat.] Liber [M.] canonum und Liber decretorum). Seine vielfach abgeänderte Sammlung ist durch zahlreiche Handschriften überliefert. 774 überreicht Papst Hadrian Karl dem Großen die sog. Dionysio-Hadriana. Bei der Übernahme der alexandrinischen Berechnung des Osterdatums führt D. E. erstmals die Jahreszählung von Christi Geburt an (um 5 bzw. 4 Jahre zu spät) ein. Lit.: Köbler, DRG 53, 80; Strewe, A., Die Canones- Sammlung des Dionysius Exiguus, 1931; Wurm, H., Studien und Texte zur Dekretalensammlung des Dionysius Exiguus, 1939; Peitz, W., Dionysius Exiguus als Kanonist, 1945; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Mordek, H., Kirchenrecht und Reform, 1975 Diplom (lat. [N.] diploma) ist zunächst die durch Falten doppelt gelegte Urkunde, danach die vom Senat, einem höheren Magistrat oder vom Kaiser ausgestellte Urkunde. Seit dem 17. Jh. ist D. die Herrscherurkunde, die nach dem Ausstellerwillen dauernde Rechtskraft haben soll. Lit.: Monumenta Germaniae Historiaca, Diplomata; Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunden des Mittelalters, 1907, 181, 238; Classen, W., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Kölzer, D., Merowinger- studien, Bd. 1f. 1998f. Diplomat ist der (durch Diplom ausgewiesene, geschickt handelnde) Vertreter des Staates in politischen Angelegenheiten. Lit.: Le diplomate au travail, hg. v. Babel, R., 2005 Diplomatik (Urkundenlehre) -> Diplom, Urkunde Diplovatacio, Tommaso (Korfu 25. 5. 1468- Pesaro 29. 5. 1541) verfasst nach dem Studium in Salerno, Neapel, Padua (Jason de Mayno), Perugia und Ferrara (1490) bis 1511 einen unvollständig geschriebenen (lat.) Tractatus (M.) de praestantia doctorum (Abhandlung über den Vorrang der Doktoren), in dem er die bedeutendsten Juristen des Altertums und des Mittelalters beschreibt (De claris iuris consultis). Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 172 Dispens ist die Befreiung, insbesondere im katholischen Kirchenrecht die durch die zuständige Autorität erteilte Befreiung von der Geltung eines Rechtssatzes im begründeten Sonderfall. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hove, A. van, De privilegiis et dispensationibus, 1939; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995 Dispensehe ist die auf Grund eines (evtl. weltlichen) Dispenses von einem kirchenrechtlichen Ehehindernis (z. B. bestehende Ehe) geschlossene Ehe (z. B. seit 1919 Dispense einzelner sozialistischer Länderregierungen österreichischer Bundes- länder [z. B. Niederösterreich] vom Ehe- hindernis der bestehenden unauflöslichen Ehe, woraufhin bis 1938 mehr als 50000 Dispensehen entstehen). Lit.: Kroeschell, 20. Jh. 139 Dispositio (lat. [F.]) Anordnung, Verfügung Dispositio (F.) Achillea (lat., achillische Verfügung) ist das Hausgesetz des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg (1414- 1486) vom 24. 2. 1473, das nur noch höchstens drei regierende Linien zulässt und 1791 zum Rückfall der Fürstentümer Ansbach und Bayreuth an die Hauptlinie Preußen der Hohenzollern führt. Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstentümer, Bd. 3 1883 Dispositionsmaxime ist der Grundsatz der Verfügungsfreiheit der Parteien im Zivilprozess. Die D. stammt aus dem kirchlichen Prozessrecht, aus dem sie in den Prozess vor dem Reichskammergericht übergeht. Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975 Disputation (F.) Erörterung Lit.: Die Kunst der Disputation, hg. v. Bellomo, M., 1997; Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 1998 disseisin (mengl.) Besitzentzug -> novel disseisin Dissens ist die fehlende Übereinstimmung zweier Willenserklärungen bei einem Vertragsschluss. Schon im klassischen römischen Recht kommt dabei ein Vertrag dann nicht zustande, wenn der Vertragsinhalt mehrdeutig ist oder wenn er zwar eindeutig ist, aber ein Teil ihn nachweislich einseitig missdeutet hat. Zwischen Irrtum und D. wird dann dabei auch im älteren gemeinen Recht nicht unterschieden. Lit.: Kaser § 8 II; Hübner; Wesenberg, G./Wesener, G., Neue deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985 § 18; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Dissertation ist die wissenschaftliche Erörterung einer Frage, die seit dem Mittelalter Prüfungsverfahren wissenschaftlicher Befä- higung wird. Die Zahl juristischer Dissertationen in Deutschland steigt dabei im 17./18. Jh. auf durchschnittlich mindestens 500 im Jahr (120000 zwischen 1600 und 1800 nachweisbar). Später nimmt sie infolge der Einführung der Staatsprüfung im Verhältnis zur Zahl der Studierenden ab. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 143; Bibliographisches Verzeichnis von Universitäts- und Hochschuldrucken, hg. v. Wickert, K., Bd. 1ff. 1936ff.; Juristische Dissertationen deutscher Universitäten 17.- 18. Jahrhundert, zusammengestellt von Ranieri, F., 1986; Katalog juristischer Dissertationen, hg. v. Tsuno, R., 1988 Distinktion (F.) (Unterscheidung, Aufteilung, Unterschied, Auszeichnung) ist die schon der Antike bekannte, als Ergebnis eines Aneignungsvorgangs antiker Bildung in Nutzung von Kenntnissen des Triviums im 12. Jh. zum Kennzeichen der Wissenschaften, insbesondere der Kanonistik, werdende Untersuchungsweise. Lit.: Söllner §§ 3, 16; Lange H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Meyer, C., Die Distinktionstechnik in der Kanonistik des 12. Jahrhunderts, 2000 Disziplinarverfahren ist das außerstraf- rechtliche Verfahren bei fehlerhaftem Verhalten eines Beamten. Es wird im 19. Jh. vom Strafrecht geschieden (Preußen 1841). Die Disziplinarmaßnahmen reichen vom Verweis bis zur Entfernung aus dem Dienst. Deswegen muss das Verfahren rechtsstaatlichen An- forderungen genügen und darf nicht zur Unterdrückung der Aufdeckung von Missständen missbraucht werden. Das in Frankfurt 1967 errichtete Bundesdisziplinargericht Deutschlands in Frankfurt am Main ist unter Übertragung seiner Aufgaben auf die Verwaltungsgerichte der Länder zum 31. 12. 2003 wieder aufgelöst. Lit.: Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung, 1978 Dithmarschen Lit.: Boie, K., Die mittelalterlichen Geschlechter Dithmarschens, 1937; Carstens, C., Bündnispolitik und Verfassungsentwicklung in Dithmarschen, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinsche Geschichte 66 (1938), 1; Carstens, W., Geschlecht und Beweisrecht in den Dithmarscher Landrechten, ZS. d. Gesellschaft f. schleswig-holstinische Geschichte 60 (19419, 1; Stoob, H., Die dithmarsischen Geschlechterverbände, 1951; Witt, R., Die Privilegien der Landschaft Norderdithmarschen, 1975; Alberts, K., Friede und Friedlosigkeit nach den Dithmarscher Landrechten von 1447 und 1539, 1978 Divortium (lat. [N.]) ist die im altrömischen Recht noch nicht geregelte Scheidung der Ehe, für die der Wille des Mannes oder beider Eheleute (die Ehe zu beenden) und ein dies begründender Anlass (Ehebruch der Frau, 140 Kinderlosigkeit) bestehen muss. -> Ehescheidung Lit.: Kaser § 58; Köbler, DRG 22 Doctor (lat. [M.]) ist seit dem 12. Jh. der auch als (lat. [M.]) magister oder professor bezeichnete Lehrer, insbesondere der wissenschaftlich gebildete Lehrer an der Universität (z. B. quattuor doctores 1158). Im Recht ist der d. dabei meist doctor legum (Lehrer des weltlichen Rechts) oder doctor decretalium (Lehrer des kirchlichen Rechts). Seit dem späten 13. Jh. erscheint in Orléans und Italien der doctor utriusque iuris (Doktor beider Rechte d. h. des -> ius civile und des -> ius canonicum). Der Titel folgt auf das Lizentiat und wird in einer kostspieligen Feier verliehen. Der Grad berechtigt grundsätzlich zum Abhalten von Lehrveranstaltungen und sichert gesellschaftliche Wertschätzung. Am Ende des Mittelalters gerät er in Verfall. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, LAW; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; Fischer, A., Das österreichische Doktorat der Rechtswissenschaften und die Rechtsanwaltschaft, 1974; Horn, N., Bologneser Doctores und Judices, ZHF 3 (1976); Lange, H., Vom Adel des doctor, in: Das Profil des Juristen, 1980, 279; Lemberg, M., ... eines deutschen akademischen Grades unwürdig, 2002 doctor (M.) iuris (lat.) -> Rechtsgelehrter doctor (M.) iuris utriusque (lat.) Doktor beider Rechte doctor (M.) legum (lat.) Doktor des weltlichen Rechts Dogma (N.) Lehrsatz, Lehrmeinung, Grundsatz Lit.: Parent, J., La notion de dogme, 1932; Piano- Mortari, V., Dogmatica e interpretazione, 1976; Herberger, M., Dogmatik, 1981 Doktor -> doctor Doktorgrad -> doctor Doktrin (F.) Lehre, Festlegung Dolo facit, qui petit, quod restiturus est bzw. quod restituere oportet eundem (lat.). Arglistig handelt, wer fordert, was er demnächst zurückgibt bzw. was er selbst zurückerstatten muss. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Paulus, um 160-um 230, Digesten 44, 4, 8, pr.) Dolus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der -> Vorsatz, dolus malus die Arglist. Das durch Arglist herbeigeführte oder beeinflusste Rechtsgeschäft ist zwar an sich gültig. Auf Anregung des Juristen Gaius Aquilius Gallus gibt der Prätor im 1. Jh. v. Chr. aber dem, der durch Arglist beeinträchtigt ist, dann, wenn keine andere Klage gegeben ist, einen Klaganspruch (lat. actio [F.] de dolo) auf den einfachen Schadensbetrag. Gegenüber einer möglichen Verpflichtung kann der Verpflichtete eine Einrede erheben (lat. exceptio [F.] doli). Lit.: Kaser §§ 8 V, 33, 36, 37; Söllner §§ 9, 15; Köbler, DRG 42f., 61, 63, 65; Köbler, LAW Domäne ist in der Spätantike das kaiserliche Grundeigentum. Die D. ist Vermögen des Kaisers und geht auf den jeweiligen Nachfolger über. Sie wird getrennt von den Staatseinkünften (vom comes rerum privatarum) verwaltet. Mit dem Untergang des weströmischen Kaisertums fällt die D. vor allem im Herrschaftsbereich der Franken an den König (->Königsgut). Infolge umfang- reicher Vergabungen gelangt dieses Gut bis zum 13. Jh. in großem Ausmaß an die Landesherren. In Preußen umfassen die Domänen dabei schließlich etwa ein Drittel des Landes. Seit dem 18. Jh. wird im Land das Staatsgut vom fürstlichen Hausgut getrennt, wobei die Domänen überwiegend dem Staatsgut und nur in geringerem Maß dem Hausgut zugeteilt werden, der Landesherr aber die Nutzungen der D. als Einkunft erhält. Der Höhe nach betragen die Einkünfte dabei fast die Hälfte der gesamten Staatseinkünfte. Seit dem Ende der Monarchie (Deutschland 1918) fließen sie dem Staat zu. 1945 werden in der sowjetischen Besatzungszone die Domänen fast ganz aufgeteilt. In der Bundesrepublik umfassen sie nur noch weniger als 0,5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Corsten, S., Das Domanialgut im Amt Heinsberg, 1953; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1962 Domat, Jean (Clermont-Ferrand 30. 11. 1625- Paris 14. 3. 1696), Notarssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges 1645 Anwalt, 1655 Kronanwalt und 1683 Privatgelehrter. Sein 1689 veröffentlichtes, -> Grotius verpflichtetes Hauptwerk ([franz.] Les lois civiles dans leur ordre naturel, Die weltlichen Gesetze in ihrer natürlichen Ordnung) ordnet das römische Recht und das dieses ergänzende französische 141 Recht in der Art eines Lehrbuches des Naturrechts nach den grundlegenden Sätzen. Lit.: Voeltzel, R., Jean Domat (1625-1696), 1936; Baudelot, B., Un grand jurisconsulte du 17e sicle, 1938 Domesdaybook ist eine zweibändige, unvollständige Landesaufnahme Englands (Bd. 1 31 Grafschaften, Bd. 2 Essex, Norfolk, Suffolk) auf der Grundlage von Angaben der Grundstücksberechtigten von 1066 und 1086. Das D. dient dem König als Grundlage seiner Herrschaft. Lit.: Maitland, F., Domesday Book and Beyond, 2. A. 1907; Galbraith, V., The Making of Domesday Book, 1961; Darby, H., Domesday England, 1978; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Domesday names, compiled by Keats-Rohan, K. u. a., 1997; Fleming, R., Domesday Book and the Law, 1998; Keats-Rohan, K., Domesday People, 1999; Roffe, D., Domesday, 2000 Dominat ist (nach Mommsen) die vom Kaiser als absolutem Herrn und Gott (lat. [M.] dominus et deus) bestimmte Herrschaftsform der römischen Spätantike seit Diokletian (284- 313/316). Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 19; Köbler, DRG 55; Bleicken, J., Prinzipat und Dominat, 1978 Dominikaner sind (seit dem 15. Jh.) die Angehörigen des von dem Spanier Dominikus (Caleruega nach 1170-Bologna 1221, aus dem Geschlecht der Guzmán) begründeten, 1216 vom Papst unter seinen Schutz gestellten Ordens der Prediger, dem 1990 677 Klöster mit 6775 Mitgliedern bzw. 226 Dominika- nerinnenklöster mit 4225 Schwestern ange- hören. Lit.: Altaner, B., Der heilige Dominikus, 1922; Hinnebusch, W., The History of the Dominican Order, 1966ff.; Hertz, A., Domenikus und die Dominikaner, 1981; Springer, K., Die deutschen Dominikaner in Widerstand und Anpassung, 1999 Dominium (lat. [N.]) ist im römischen Recht (wie proprietas) das Eigentum, wobei das d. ex iure Quiritium (quiritisches Eigentum) römischen Bürgern vorbehalten und nur an beweglichen Sachen und italischen Grund- stücken möglich ist. Im Mittelalter bezeichnet d. die Herrschaft über ein Gebiet einerseits und die Herrschaft über einzelne Sachen andererseits. Zugleich wird ein d. directum (Obereigentum) von einem d. utile (Untereigentum) geschieden. Mit der Auf- nahme des römischen Rechts dringen römischrechtliche Vorstellungen durch und werden insbesondere gewisse ältere Bindungen des Eigentums aufgegeben. Lit.: Kaser § 22 II; Hübner 241ff.; Köbler, LAW; Schmidt, C., Der prinzipielle Unterschied zwischen dem römischen und germanischen Recht, Bd. 1 1853, 223; Lautz, K., Entwicklungsgeschichte des dominium utile, Diss. jur. Göttingen 1916; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Willoweit, D., Dominium und proprietas, Hist. Jb. 94 (1974), 131; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996 dominium (N.) directum (lat.) Obereigentum - > Eigentum dominium (N.) plurium in solidum (lat.) Gesamteigentum -> Miteigentum dominium (N.) utile (lat.) (vielleicht erstmals bei Johannes Bassianus belegt) Nutzungs- eigentum dominus (M.) terrae (lat.) -> Landesherr Dominus imperator in territorio suo (lat.). Der Landesherr ist Kaiser in seinem Land. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Eyben 1660) Domkapitel ist das seit der zweiten Hälfte des 8. Jh.s aus dem gemeinschaftlichen klösterlichen Leben der Geistlichen einer Domkirche erwachsene, seit der Mitte des 9. Jh.s gegenüber dem Bischof autonom werdende Gremium von Geistlichen, das den Bischof unterstützt und nach seinem Tod das Bistum vorübergehend verwaltet. Es wird im Hochmittelalter Verbandsperson. Es enthält eine Reihe von Ämtern (Dompropst, Domdekan, Domscholaster, Kantor, Kustos). Der Sicherung des Unterhalts dient das in Pfründen geteilte Kapitelsgut. Das D. steht bis in das 19. Jh. grundsätzlich nur Adligen offen. In den Hochstiften erlangen die D. vielfach die Stellung von Landständen. Lit.: Gehring, G., Die katholischen Domkapitel Deutschlands als juristische Personen, 1851; Kisky, W., Die Domkapitel der geistlichen Kurfürsten, 1906; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hersche, P., Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1984 Donatio (lat. [F.] -> Schenkung) ist im römi- schen Recht die unentgeltliche Zuwendung. Sie 142 ist zunächst nur ein Rechtsgrund, der einen Zuwendungsvorgang rechtfertigt. Erst unter Kaiser Konstantin wird die d. zu einem eigenen Geschäft. Besondere Fälle sind die d. mortis causa (Schenkung von Todes wegen), die d. post obitum (Gabe nach dem Tod), die d. propter nuptias (Ehegabe) und die d. reservato usufructu (Gabe unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts). Lit.: Kaser § 47; Köbler, DRG 41, 37; Köbler, LAW; Cappon, C., Eine donatio post obitum mit Treuhändern ­ die Schenkung von Dietrich von Ulft zugunsten des Klosters Camp (um 1138), ZRG GA 112 (1995), 245; Gade, G., Donationes inter virum et uxorem, 2001 Doneau (Donellus), Hugo (Chalons-sur-Saône 1527-1591), aus patrizischer Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse (1544) und Bourges (1546) dort Professor (1551). Als Calvinist flieht er 1572 nach Genf, geht 1572 nach Heidelberg, 1579 nach Leiden und 1588 nach Altdorf. In seinem Hauptwerk (lat. [M.Pl.] Commentarii de iure civili, Kommentare zum weltlichen Recht) ordnet er das überlieferte römische Recht nach einem aus ihm selbst gewonnenen System, um durch die innere Ordnung die verstreuten Einzelsätze besser zu verstehen. Dabei gelingen weiterführende Erkenntnisse (z. B. Ausdehnung des Satzes [lat.] impossibilium nulla est obligatio). Lit.: Eyssell, A., Donellus, 1860; Bergfeld, C., Savigny und Donellus, Ius commune 8 (1980), 24; Cannata, C., Systématique et dogmatique dans le Commentarii iuris civilis des Hugo Doneau, in: Jacques Godefroy, 1991, 217 ; Heise, V., Der calvinistische Einfluss auf das humanistische Rechtsdenken, 2004 Donellus -> Doneau Dorf ist die aus einer nicht ganz geringen Zahl von beieinander liegenden Häusern gebildete, landwirtschaftlich geprägte Siedlung. Das D. setzt die Sesshaftwerdung voraus. Sein zeitliches Verhältnis zu Einzelhaus bzw. kleiner Hausgruppe (Weiler, Drubbel) steht nicht sicher fest. Örtlich findet sich das D. in Deutschland im gesamten Gebiet, ausge- nommen den Nordwesten, den Schwarzwald und das Alpengebiet. Vorherrschend ist das Haufendorf, doch beherrschen auch Marsch- hufendorf und Waldhufendorf kleinere Räume. Das D. kann vor allem Nutzungsverband oder auch Gerichtsverband sein, wobei am Nutzungsverband meist nur die Inhaber vollbäuerlicher Hofstellen berechtigt sind. Der Dorfvorsteher und evtl. neben ihm stehende Gremien sind unterschiedlich strukturiert und bezeichnet, die juristische Persönlichkeit lange Zeit nur undeutlich ausgeprägt. Seit dem 19. Jh. werden D. und Stadt grundsätzlich einheitlich als -> Gemeinde im Sinne eines staatlichen Verwaltungsbezirkes (1935 Deutsche Gemein- deordnung) angesehen, zu dem allerdings Selbstverwaltungszüge hinzutreten. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; Frey, K., Wollmatingen, 1910; Mayer, E., Dorf- Geschlechtsverband, ZRG GA 41 (1920), 375; Bolleter, E., Geschichte eines Dorfes (Fisibach, jetzt Bachs, Kanton Zürich), 1921; Maßberg, K., Die Dörfer der Vogtei Groß-Denkte, 1930; Steinemann, H., Geschichte der Dorfverfassungen im Kanton Zürich, 1932; Dinklage, K., Fünfzehn Jahrhunderte Münnerstädter Geschichte, 1935; Ganhal, K., Langen-Erchingen (Langdorf), ZRG GA 58 (1938), 389; Bader, K., Entstehung und Bedeutung der oberdeutschen Dorfgemeinde, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 1 (1937), 265; Frölich, K., Rechts- denkmäler des deutschen Dorfes, 1947; Zimmermann, F., Die Rechtsnatur der altbayerischen Dorfgemeinde und ihrer Gemeindenutzungsrechte, 1950; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff. (Bd. 2 Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde, 1962, Bd. 3 Rechtsformen und Schichten der Liegenschaftsnutzung im mittelalterlichen Dorf, 1973); Buijtenen, M., Het friese dorp, 1961; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Tütken, H., Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Lippert, W., Geschichte der 110 Bauerndörfer in der nördlichen Uckermark, 1968; Ardelt, R., Das Dorf Edelbruck im Mühlviertel, 1972; Ossfeld, W., Obergrombach und Untergrombach, 1975; Zeller, G., Rechtsgeschichte der ländlichen Siedlung, 1975; Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters, hg. v. Jankuhn, H., 1977; Donat, P., Haus, Hof und Dorf, 1980; Arnold, K., Niklashausen 1476, 1980 Dorfgericht ist das in einem -> Dorf und häufig auch nur für Angelegenheiten des Dorfes meist unter der Linde (Gerichtslinde) tätige Gericht. Es ist in vielen Fällen ein Gericht des Grundherrn und grundsätzlich nur Niedergericht. Spätestens in der Mitte des 19. Jh.s verschwindet es zugunsten des Amtsgerichts oder Bezirksgerichts. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Müller, K., Das Gericht zu 143 Ottendorf, ZRG GA 44 (1924), 168; Mitter, F., Die Grundlagen der Gerichtsverfassung und das Eheding der Zittauer Ratsdörfer, 1928; Frölich, K., Alte Dorfplätze, 1938; Herrmann, W./Schründer, H., Greven an der Ems, 1938; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Fried, P., Grundherrschaft und Dorfgericht im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, in: Vorträge und Forschungen 27 (1983), 277; Kroeschell, K., Dorfgerichtsplätze, FS K. Bader, 1986, 1 Dorfordnung s. Dorfrecht, Weistum Dorfrecht ist das besondere Recht eines -> Dorfes bzw. subjektiv die besondere Mitgliedschaft in einer Dorfgemeinde. Das beispielsweise durch den -> Sachsenspiegel (Landrecht III, 79, 2) bezeugte besondere D. entsteht teils durch Gewohnheit, teils durch An- ordnung oder Satzung mit der Ter- ritorialisierung bzw. Lokalisierung des Rechts im Hochmittelalter und verschwindet mit der staatlichen Vereinheitlichung in der Neuzeit, in der es freilich auch vielfach erst aufgezeichnet wird (zeitlicher Schwerpunkt in Schleswig- Holstein 1675-1774). Überliefert ist es hauptsächlich im -> Weistum. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Alberti, W., Der Rheingauer Landbrauch von 1643, 1913; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1 1917; Schildt, B., Bauer ­ Gemeinde ­ Nachbarschaft, 1996; Rheinheimer, M., Die holsteinischen Dorfordnungen, ZRG 115 (1998), 529; Rheinheimer, M., Die Dorfordnungen im Herzogtum Schleswig, Bd. 1f. 1999 Dorpat Lit.: Luts, M., Eine Universität für unser Reich, ZRG GA 117 (2000), 607 Dortmund Lit.: Meininghaus, A., Die Grafen von Dortmund, 1905; Meininghaus, F., Die Dortmunder Freistühle und ihre Freigrafen, Beiträge zur Geschichte Dortmunds 19 (1910); Stahm, G., Das Strafrecht der Stadt Dortmund, 1910; Rübel, K., Geschichte der Grafschaft und der freien Reichsstadt Dortmund, Bd. 1 1917; Winterfeld, L. v., Reichsleute, Erbsassen und Grundeigentum in Dortmund, 1917; Meininghaus, A., Die Entstehung von Stadt und Grafschaft Dortmund, 1920; Berken, R. von den, Dortmunder Häuserbuch von 1700 bis 1850, 1927; Winterfeld, L. v., Geschichte der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund, 1934 Dos (lat. [F.]) ist bereits im altrömischen Recht die vom Hausvater der Frau dem Ehemann grundsätzlich gegebene, der Unterhalts- sicherung dienende -> Mitgift, die nach dem Tod der Frau oder einer auf ihrer Seite schuldlosen Scheidung aus dem Vermögen des Mannes an den ursprünglichen Geber zurückfällt. Im Jahre 18 v. Chr. verbietet die (lat.) lex (F.) Iulia de dote fundali (julisches Gesetz über Grundstücksmitgift) die Ver- äußerung eines Mitgiftgrundstücks ohne Zustimmung der Frau. In der Spätantike wird die Bestellung einer d. durch den Brautvater zu einer Rechtspflicht. Das Recht der d. wird im Mittelalter und in der Neuzeit teilweise aufgenommen (Kurhessen, Hannover, Braun- schweig, Pommern). Nach dem germanischen Recht gibt der Mann der Frau eine Gabe. Lit.: Kaser § 59; Söllner §§ 8, 12, 15, 18, 24; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Köbler, LAW; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Teil 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Brunner, H., Die fränkisch-romanische dos, SB. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1894, 545; Lorenz, E., Das Dotalstatut in der italienischen Zivilrechtslehre des 13. bis 16. Jahrhunderts, 1965 Dotalitium (lat. [N.]) ist meist die -> Leibzucht oder das -> Wittum. Lit.: Heusler, A., Deutsches Privatrecht, Bd. 1 1885, 370; Bellomo, M., Ricerche sui rapporti patrimoniali, 1961 Dotalsystem ist das auf der römischrechtlichen -> dos aufbauende Ehegüterrecht, das von der Gütertrennung ausgeht, bei der die Lasten der Ehe das Vermögen des Ehemannes treffen, die Ehefrau aber mit ihrer in das Eigentum des Ehemannes übergehenden dos die Ehelasten mittragen soll. Die Rezeption ändert das römische D. ab, soweit es überhaupt aufge- nommen wird. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lehnt das D. ab. Lit.: Söllner §§ 5, 9, 12, 18, 24; Hübner 664, 694 Dotation (F.) Ausstattung, Zuwendung Lit.: Landau, P., Ius patronatus, 1975 Dou de Bassols, Ramón Lltzer de (1742- 1832) verfasst nach dem Rechtsstudium in Cervara (1760-1764) und einer anwaltlichen Tätigkeit als Professor in Cervara die erste systematische Darstellung des spanischen öffentlichen Rechts (Instituciones del derecho público general en Espaa, 1800ff.), die sich in die drei Bücher Person, Sache, Gericht und jeweils einen allgemeinen und besonderen Teil gliedert. Lit.: Elias de Molins, A., Diccionario biográfico, Bd. 1 144 1889, 532 Do ut des (lat.). Ich gebe, damit du gibst. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Paulus, um 160-um 230, Digesten 19, 5, 5, §1) Douai Lit.: Espinas, G., La vie urbaine de Douai, Bd. 1ff. 1913 Drakon ist der athenische Gesetzgeber (Thesmothet), der 624 (bzw. 621/620) v. Chr. (?) das geltende Recht veröffentlicht, in dem die Selbsthilfe (Blutrache) durch strenge Strafen (drakonische Strenge) für Verbrechen ersetzt und die gewollte Tötung von der ungewollten Tötung und der gerechtfertigten Tötung unterschieden ist. Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17; Stroud, Drakon´s Law on Homicide, 1968; Gagarin, Drakon and Early Athenian Homicide Law, 1981; Biscardi, Diritto greco antico, 1982; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 4. A. 1995; Carawan, E., Rhetoric and the Law of Draco, 1998 Draufgabe (lat. [F.] -> arrha) ist eine Leistung bei Eingehung eines Vertrages, die als Zeichen des Abschlusses des Vertrages gilt und im Zweifel auf die geschuldete Leistung anzurechnen oder bei Erfüllung zurückzugeben ist. Sie besteht im gemeinen Recht, ist in der Gegenwart aber nur von geringer Bedeutung. Lit.: Kaser § 41; Hübner 543; Jagemann, E. v., Die Draufgabe (arrha), 1873; Gastreich, F., Die Draufgabe, Diss. jur. Erlangen 1932 Drei ist eine im Recht häufiger verwendete Zahl (z. B. aller guten Dinge [Gerichte] sind drei). Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 285; Usener, H., Die Dreiheit, 2. A. 1922; Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995 Dreifelderwirtschaft ist die vom 8. bis zum 19. Jh. verbreitete Form der Landwirtschaft, bei der jeweils ein Drittel des Ackerlandes mit Winterfrucht oder mit Sommerfrucht bebaut oder als Brache gelassen wird. Lit.: Köbler, DRG 77, 174; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 46; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 1985 Dreiklassenwahlrecht ist das die Wähler in drei Klassen einteilende Wahlrecht. Es widerspricht dem Grundsatz der Stimmengleichheit, indem es z. B. Wählern mit höherem Steueraufkommen mehr politischen Einfluss in einem zu wählenden Gremium gewährt (z. B. wählen in Preußen 1849 bis 1918 etwa 4,7%, 12,6% und 82,6% der Wähler mittelbar je ein Drittel der Abgeordneten). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Kühne, T., Dreiklassenwahlrecht, 1994; Gerhards, J./Rössel, J., Interessen und Ideen im Konflikt um das Wahlrecht, 1999 Dreißigjähriger Krieg ist der von 1618 (Prager Fenstersturz) bis 1648 (Friede von Münster und Osnabrück, -> Westfälischer Friede) unter Beteiligung europäischer Mächte (Dänemark, Schweden, Frankreich) währende Religionskrieg im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Franz, G., Der dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk, 3. A. 1961; Schormann, G., Der Dreißigjährige Krieg, 1985; Burkhardt, J., Der Dreißigjährige Krieg, 1991; Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche Arbeit, 1993; Wedgwood, C., Der 30jährige Krieg, 8. A. 1995; Schmidt, G., Der Dreißigjährige Krieg, 6. A. 2004; Oschmann, A., Der Nürnberger Exekutionstag 1649- 1650, 1991; Englund, P., Die Verwüstung Deutschlands, 1998; Findeisen, J., Der Dreißigjährige Krieg, 1998; Schmidt, G., Der Dreißigjährige Krieg, 4. A. 1999; Zwischen Alltag und Katastrophe, hg. v. Krusenstjern, B. v. u. a., 1999 Dreißigster ist der dreißigste Tag nach dem Tod eines Menschen und die als gesetzliches Vermächtnis daraus grundsätzlich sich ergebende Verpflichtung der -> Erben, bestimmten Familienangehörigen des -> Erblassers während der ersten 30 Tage nach dem Erbfall Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Wohnung und der Haus- haltsgegenstände zu gestatten. Eine dreißig- tägige Beweinung kennt bereits das alte Testament (5. Moses 34,8). Danach erscheint der D. beispielsweise im -> Sachsenspiegel (1221-1224). In der Zeit des Dreißigsten ist der Erbe zwar schon Eigentümer, darf aber nicht im Widerspruch zum Dreißigsten verfügen. Teilweise setzt das gemeine Recht den bis zum Dreißigsten ruhenden Nachlass der römisch- rechtlichen (lat.) hereditas (F.) iacens (ruhenden Erbschaft) gleich. Der D. ist noch geltendes Recht (§ 1969 BGB). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hübner 676f.; Hennecke, G., Das Recht des Dreißigsten, Diss. jur. Heidelberg 1909 Dresden an der Elbe erhält um 1150 eine Burg der wettinischen Markgrafen von Meißen. 1299 wird ihm das Stadtrecht von Magdeburg 145 bestätigt. Seit 1485 wird es Vorort der albertinischen Linie der Herzöge von Sachsen. 1828 wird eine Technische Universität eingerichtet, an der 1991 eine juristische Fakultät entsteht, deren Auflösung 2004 beschlossen wird. Lit.: Butte, H., Geschichte Dresdens, 1967; Streifzüge durch die Dresdener Justiz, 1999; Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, bearb. v. Petschel, D., 2003 Dresdener Entwurf ist der in -> Dresden in Sachsen auf Grund der 1862 beschlossenen Schaffung eines einheitlichen Obliga- tionenrechts (-> Allgemeines Deutsches Gesetz über Schuldverhältnisse) der Staaten des -> Deutschen Bundes beratene Entwurf, der infolge der Auflösung des Deutschen Bundes (1866) nicht Gesetz bzw. allgemeines deutsches Recht wird. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Hedemann, J., Der Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, Dresden 1866, 1984; Benöhr, H., Der Dresdener Entwurf von 1866 und das Schweizerische Obligationenrecht von 1881, in: Hundert Jahre Schweizerisches Obligationen- recht, 1982, 57 Drittes Reich ist die nicht unproblematische Bezeichnung des -> Deutschen Reiches in der vom -> Nationalsozialismus Adolf -> Hitlers beherrschten Zeit zwischen dem 30. 1. 1933 und dem 8. 5. 1945. Sie geht auf Joachim von Fiore (Celico um 1130-Fiore 1202), der Reiche des Vaters, des Sohnes und des Geistes unterscheidet, zurück. 1923 weist A. Moeller van den Bruck auf ein dem Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) und dem Reich Bismarcks folgendes D. R. hin. Dieses entwickelt sich in der Wirklichkeit zu einer totalitären Diktatur, in der das Recht an vielen Stellen zum Instrument der Durchsetzung des Nationalsozialismus wird. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234, 242; Rühle, G., Das Dritte Reich, Bd. 1ff. 1934ff.; Fraenkel, E., The Dual State, 1941; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Diehl-Thiele, P., Partei und Staat im Dritten Reich, 1960, 2. A. 1971; Hansen, Das Ende des Dritten Reiches, 1966; Scheffler, W., Judenverfolgung im Dritten Reich, 1966; Adam, U., Judenpolitik im Dritten Reich, 1972, Neudruck 1979; Scholder, K., Die Kirche und das Dritte Reich, Bd. 1f. 1977ff.; Justiz im Dritten Reich, hg. v. Staff, I., 1979; Schönbaum, D., Die braune Revolution, 1980; Majer, D., Fremdvölkische im Dritten Reich, 1981; Broszat, M./Möller, H., Das Dritte Reich, 1983; Wistrich, R., Wer war wer im Dritten Reich, 1983; Hochschule und Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Tröger, J., 1984; Shirer, W., Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, 1984; Strafjustiz und Polizei im Dritten Reich, hg. v. Reifner, U. u. a., 1984; Das große Lexikon des Dritten Reiches, hg. v. Zentner, C. u. a., 1985; Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Lundgren, 1985; Schumacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Staatsrecht und Staatslehre im Dritten Reich, hg. v. Böckenförde, E., 1985; Gruchmann, L., Justiz im Dritten Reich 1933-1940, 3. A. 2001; Justizalltag im Dritten Reich, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1988; Kropat, W., Kristallnacht in Hessen, 1988; Puppo, R., Die wirtschaftliche Gesetzgebung des Dritten Reiches, 1988; Schröder, R., ... aber im Zivilrecht sind die Richter standhaft geblieben!, 1988; Rüthers, B., Entartetes Recht, 2. A. 1989; Michelberger, H., Berichte aus der Justiz des Dritten Reiches, 1989; Recht und Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u. a., 1989; Werle, G., Justiz - Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, 1989; Rebentisch, D., Führerstaat und Verwaltung im zweiten Weltkrieg, 1989; Hildebrand, K., Das Dritte Reich, 6. A. 2003; Schmoeckel, M., Die Großraumtheorie, 1994; Fürst, M., Politisches Strafrecht im Dritten Reich, 1995; Schindler, F., Paulus van Husen im Kreisauer Kreis, 1996; Trott zu Solz, L. v., Hans Peters und der Kreisauer Kreis, 1997; Die deutsche Herrschaft in den ,,germanischen" Ländern, hg. v. Bohn, R., 1997; Bedürftig, F., Lexikon Drittes Reich, 1997; Kroll, F., Geschichtsdenken und politisches Handeln im Dritten Reich, 1997; Schiller, C., Das Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, 1997; Friedländer, S., Das Dritte Reich und die Juden, 1998; Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, hg. v. Weiß, H., 1998; Michelberger, H. Berichte aus der Justiz des Dritten Reiches, 1998; Hummel, K., Deutsche Geschichte 1933- 1945, 1998; Die juristische Aufarbeitung des Unrechtsstaats, hg. v. d. Redaktion Kritische Justiz, 1998; Klaus, M., Mädchen im Dritten Reich, 1998; Perels, J., Das juristische Erbe des Dritten Reiches, 1999; Wendt, B., Das Dritte Reich, 1999; Schwerin, F. 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Bähr, J./Banken, R., 2005; Finger, T., Die Nürnberger Gesetze, JURA 27 (2005), 161; Hamburg im Dritten Reich, hg. v. d. Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg, 2005; Lindner, S., Hoechst, 2005; Bastian, T., High Tech unterm Hakenkreuz, 2005; Stürickow, R., Kriminalfälle im Dritten Reich. Berlin, 2005 Drittschadensliquidation ist die Ersetzung eines einem Dritten entstandenen Schadens durch den Schuldner eines Schuldverhältnisses. Sie ist dem römischen Recht und dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) an sich fremd, für bestimmte Fallgestaltungen seit einer Entscheidung in Lübeck vom 20. 1. 1855 und einer dogmatischen Erörterung Zimmer- manns (1858) aber gewohnheitsrechtlich anerkannt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 184; Reichard, I., Die Frage des Drittschadensersatzes im klassischen römischen Recht, 1992; Schroeter, H., Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten, 1995; Neuner, J., Die Entwicklung der Haftung für Drittschäden, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 193 Drittschutz Lit.: Hofer, S., Drittschutz und Zeitgeist, ZRG GA 117 (2000), 377 Drittwiderspruchsklage ist die als Inter- ventionsklage entwickelte Klage des angeblichen oder wirklichen Inhabers eines die Veräußerung hindernden Rechts an einem Gegenstand (z. B. Eigentum) gegen die Zwangsvollstreckung in den betreffenden Gegenstand. Lit.: Picker, E., Die Drittwiderspruchsklage, 1981 Drittwirkung ist die Wirkung gegenüber Dritten. Grundsätzlich wirken sich Rechte in einem Schuldverhältnis nur zwischen Gläubiger und Schuldner (relativ) aus, so dass im römischen Recht sogar Stellvertretung, Abtretung und Schuldübernahme Schwierig- keiten bereiten. Dagegen wirken Sachenrechte gegenüber jedermann (absolut). Die D. von Grundrechten wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s erörtert, aber allgemein verneint. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. droit (M.) commun (franz.) gemeines Recht Lit.: Bourjon, F., Le droit commun de la France et la coutume de Paris reduits en principes, 1747; Petot, P., Le droit commun en France selon les coutumiers, RH 38 (1960), 412 Droit (M.) coutumier (franz.) ist das in -> coutumiers aufgezeichnete Gewohnheitsrecht (coutume) (im Norden Frankreichs). droit (M.) écrit (franz.), Schriftrecht, römisches Recht (im Süden Frankreichs) Druckprivileg ist das seit Erfindung des Buchdruckes (1440-1454) auf Grund des vom Kaiser beanspruchten Buchregals in Übung kommende herrscherliche Privileg, ein bestimmtes Buch ausschließlich zu drucken. Das D. wird seit dem 19. Jh. durch das - >Urheberrecht abgelöst. Lit.: Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über den Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970 Dualismus ist grundsätzlich jede Lehre, die von zwei voneinander unabhängigen meist gegensätzlichen Gegebenheiten ausgeht. In diesem Sinne besteht seit dem 14. Jh. ein D. (Otto von Gierke 1868) zwischen Landesherr und Landständen, der im Absolutismus weitgehend verschwindet. Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Thouzellier, C., Livre de deux principes, 1973; Rosenau, K., Hegemonie und Dualismus, 1986 Duaren, François (Bourges 1509-1559), 147 adliger Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges und nach weiteren Studien bei Budé Advokat am Parlament von Paris und 1538 Nachfolger Alciats in Bourges. 1544 setzt er sich in der Schrift (lat.) De ratione docendi discendi iuris (Von der richtigen Art Recht zu lehren und zu lernen) für eine moderne Studiengestaltung (lat. -> mos [M.] Gallicus) mit Einführungsveranstaltungen, guten Sprachkenntnissen und neuer Methodik ein. Sein gleichzeitig erscheinender Kommen- tar über Verträge beeinflusst die Entwicklung des Schuldrechts (u. a. Grundsatz der Beschränkung der Herausgabe des ungerecht- fertigt Erlangtem auf die noch vorhandene Bereicherung). Lit.: Vogt, W., Franciscus Duarenus, 1971 Dublin in Irland erscheint im 3. Jh. 1171 erhält es das Stadtrecht von Bristol. 1591 bzw. 1909 werden Universitäten gegründet. Seit 1922 ist D. Hauptstadt Irlands. Lit.: Stewig, R., Dublin, 1959 Duell ist der geordnete Waffenkampf zweier Streitender. Die Wurzeln des Duells reichen in die Vorzeit zurück. Im Frühmittelalter durchaus allgemein häufig, tritt im Hochmittelalter der ritterliche Zweikampf zu Ross mit Schild und Lanze in den Vordergrund. Vom 17. Jh. an wird das D. unter strenger Strafandrohung verboten. Erst nach Ende der feudalen Gesellschaft (1918) verschwindet aber das ernsthafte D. gänzlich. Lit.: Below, G. v., Das Duell in Deutschland, 1896; Fehr, H., Der Zweikampf, 1908; Dieners, P., Das Duell, 1992; Schmiedel, H., Berüchtigte Duelle, 2000; Schlink, B., Das Duell im 19. Jahrhundert, NJW 2002, 537; Walter, W., Das Duell in Bayern, 2002 Duguit, Léon (1859-Bordeaux 1928), Professor des öffentliches Rechtes in Caen und Bordeaux (1892), sieht den Staat positivistisch-realistisch als bloße Gruppe von an einer Aufgabe arbeitenden, von Regierenden gelenkten und kontrollierten Menschen an. Lit.: Dumas, u. a., A la mémoire de Léon Duguit, 1929; Grimm, D., Solidarität als Rechtsprinzip, 1973 Duisburg an der Mündung der Ruhr in den Rhein ist (883/884) Pfalz (Dispargum) des fränkischen Königs, wird 1129 (?) Stadt (regia villa) und kommt 1290 als Pfand vom König an Kleve und damit 1614 an Brandenburg. Von 1655 bis 1818 ist es Sitz einer Universität. Lit.: Ahrens, Aus der Lehr- und Spruchtätigkeit der alten Duisburger Juristenfakultät, 1962; Roden, G. v., Geschichte der Stadt Duisburg, 1970ff.; Born, G./Kropatschek, F., Die alte Universität Duisburg, 1992; Die Protokolle des Duisburger Notgerichts 1537-1545, hg. v. Mihm, M., 1994; Jägers, R., Duisburg im 18. Jahrhundert, 2001 Du Moulin (Molinaeus), Charles (1500-1566), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Sprachstudium bei Budé und dem Rechtsstudium in Poitiers und Orléans 1522 Advokat in Paris und gelangt nach seiner Vertreibung wegen seiner Zugehörigkeit zum Calvinismus über Basel, Genf und Straßburg 1553-1555 als Rechtslehrer nach Tübingen. 1539 kommentiert er die Coutume von Paris, 1567 zahlreiche französische Gewohnheits- rechte (Le grand coutumier). Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Du Moulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Thireau, J., Charles Du Moulin, 1980 Dundee wird 1200 erwähnt und erlangt 1883/1967 eine Universität. Seit 1889 ist es Stadt. Lit.: Maxwell, A., Old Dundee, 1891 Duoviri (lat. [M.Pl.] Zweimänner) sind im altrömischen Recht ein Organ des Straf- verfahrens, im spätantiken römischen Recht ein gemeindliches Verwaltungsorgan. Lit.: Kaser § 80; Köbler, DRG 20, 55 duplum (lat. [N.]) Doppeltes Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 65 Durantis, Guilelmus der Ältere (Speculator) (Puimoisson 1237-Rom 1. 12. 1296) wird nach dem Rechtsstudium in Lyon und Bologna (1255) Rechtslehrer in Modena und vielfältiger päpstlicher Amtsträger. Sein vierbändiges Hauptwerk (lat. -> Speculum [N.] iudiciale, Gerichtsspiegel, vor 1276 2. A. 1289-1291, Druck 1574, Neudruck 1975) behandelt, dem Ablauf eines Prozesses folgend, in erschöpfender Sammlung und Verwaltung der prozessrechtlichen Literatur das gesamte geistliche Gerichtsrecht unter Berücksichtigung vieler Formulare. Lit.: Köbler, DRG 107; Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 5 1850, 571; Guillaume Durand, hg. v. Gy, P., 1992 Durchgangserwerb ist der nur durchgangsweise erfolgende Erwerb eines Rechts. 148 Lit.: Weyand, S., Der Durchgangserwerb, 1989 Durch zweier Zeugen Mund wird die Wahrheit kund. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 360 (Simrock 1846) dux (lat. [M.]) Feldherr, Führer, Herzog (z. B. im westfränkischen Reich dux Britonum 860, dux Aqitanorum 909, dux Burgundiae 918, dux Francorum 937, dux Normannorum 1006, dux Gasconum 1022, dux Narbonae 1088) Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Kienast, W., Der Herzogstitel in Frankreich und Deutschland, 1968; Ebling, H., Prosopographie der Amtsträger, 1974; Goetz, H., ,,Dux" und ,,ducatus", 1977; Gasparri, S., I duchi longobardi, 1978; Holzfurtner, L., Gloriosus dux, 2003 Dynastie (Herrschergeschlecht) -> Merowin- ger, -> Karolinger, -> Ottonen, -> Salier, -> Staufer, -> Welfen, -> Babenberger, -> Wittels- bacher, -> Wettiner, -> Hohenzollern, -> Habs- burger u. a. Lit.: Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957); Sokop, B., Stammtafeln europäischer Herrscherhäuser, 1976; Thoma, G., Namensänderungen in Herrscherfamilien des mittelalterlichen Europa, 1985; Sokop, B., Stammtafeln europäischer Herrscherhäuser, 1989; Hlawitschka, E., Der Thronwechsel des Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149; Durschmied, E., Der Untergang großer Dynastien, 2000 E Ebenburt -> Ebenbürtigkeit Ebenbürtigkeit (Ebenburt) ist die von der Gleichheit des Geburtsstandes abhängige rechtliche Gleichheit. Ihr ähnelt im römischen Recht das -> conubium. Wann im Mittelalter E. eine Voraussetzung einer Rechtsfolge wird, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Immerhin ist erkennbar, dass seit der karolingischen Zeit der Hochadel nahezu ausnahmslos unter sich heiratet. Später zeigen sich Auswirkungen auch im Verfahrensrecht (E. der Urteiler, der Zeu- gen, des kampflich Ansprechberechtigten). Mit dem Verlust der Vorrangstellung des Adels verschwindet (spätestens 1918) auch die rechtliche Bedeutung der E. Lit.: Köbler, DRG 120; Göhrum, C., Geschichtliche Darstellung der Lehre von der Ebenbürtigkeit, 1846; Dungern, O. v., Das Problem der Ebenbürtigkeit, 1905; Anschütz, G., Das Reichskammergericht und die Ebenbürtigkeit, ZRG GA 27 (1906), 172; Minnigerode, H. v., Ebenburt und Echtheit, 1912 Ebenteuer (N.) Sicherstellung durch gleichen Wert Lit.: Mayer-Maly, T., Ebenteuer, ZRG GA 72 (1955), 216 Ebstorf Lit.: Urkundenbuch des Klosters Ebstorf, hg. v. Jaitner, K., 1985 Ecclesia non sitit sanguinem (lat., die Kirche dürstet nicht nach Blut) ist eine mittelalterliche Rechtsregel, die begründet, weshalb Geistliche nicht an Verfahren teilnehmen dürfen, die zu einer -> Todesstrafe oder Verstümmelungs- strafe führen können. Sie wird im Hochmittelalter sichtbar (Westminster 1173, Rouen 1190, Dublin 1214). Sie hat zur Folge, dass die Kirche in ihren weltlichen Herrschaftsgebieten Gerichtshalter (Vögte) einsetzen muss, die für sie das Blutgericht ausführen. Zumindest inhaltlich nicht an ihre Selbstbeschränkung hält sich die Kirche gegenüber Ketzern, Zauberern und Hexen. Auch bei Kreuzzügen scheut die Kirche vor dem Blutvergießen nicht zurück. Lit.: Stickler, A., Il gladius negli Atti dei concili, Salesianum 13 (1951), 414; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Ecclesia vivit lege Romana (lat., die Kirche lebt nach römischem Recht) ist eine beispielsweise in der (lat.) -> Lex (F.) Ribvaria des 7. Jh.s bezeugte mittelalterliche Rechts- regel, die zum Ausdruck bringt, dass die christliche Kirche grundsätzlich römische Rechtsgedanken angenommen hat und ihre Geltung für ihre Angehörigen einfordert. Lit.: Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, 1952ff.; Feine, H., Vom Fortleben des römischen Rechts in der Kirche, ZRG KA 73 (1956), 1; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Lex Ribvaria 763/4) Echte Not ist die von der mittelalterlichen Rechtsordnung als Ausnahmetatbestand einer Rechtsregel anerkannte besondere Lage (z. B. ist Säumnis im Verfahren bei echter Not [z. B. Krankheit, Haft, Unwetter] entschuldigt). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2 Echtes Ding ist das nicht besonders gebotene, regelmäßig zu einem bestimmten Zeitpunkt 149 stattfindende -> Ding. Eckhardt, Karl August (1901- 29. 1. 1979) Lit.: Festschrift zum 60. Geburtstag von Karl August Eckhardt, hg. v. Perst, O., 1961; Werksverzeichnis Karl August Eckhardt, zusammengestellt v. Eckhardt, A., 1979 Eddach (mnd.) Eidtag Lit.: Ebel, W., Bursprake, echteding, eddach, FS H. Niedermeyer, 1953, 53 Edictum Theoderici ist der nur durch einen frühneuzeitlichen Druck (1579) überlieferte Rechtstext der ausgehenden Spätantike (2. H. 5. Jh.?), der in 155 kurzen Kapiteln unter Ver- wendung des vulgar umgeformten römischen Codex Theodosianus, des Codex Gregorianus und des Codex Hermogenianus sowie der Paulussentenzen verschiedenste Gegenstände behandelt und dabei in 26 Kapiteln die Todesstrafe androht. Streitig ist, ob das E. T. dem Gotenkönig -> Theoderich dem Großen (493-526) zugeschrieben werden kann. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 80; Gaudenzi, A., Die Entstehungszeit ZRG GA 7 (1886), 29; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Vismara, G., Edictum Theoderici, 1967, Ius Romanum Medii Aevi I 2 b aa , dazu Nehlsen, H., ZRG GA 86 (1969), 246; Stelzer, W., Gelehrtes Recht, 1982 Edictum (N.) tralaticium (lat.) ist das überlieferte -> Edikt des römischen Prätors. Lit.: Köbler, DRG 30 Edictus Rothari ist das unter der Herrschaft König Rotharis 643 in 388 Kapiteln lateinisch aufgezeichnete Recht der Langobarden (- >Volksrecht). Es berücksichtigt neben den hergebrachten Gewohnheiten (langobardisch cawarfide) römisches Recht, biblische Ge- danken und vielleicht westgotisches, bayerisches, alemannisches und fränkisches Recht. Die Nachfolger Rotharis fügen Ergänzungen an (-> Leges Langobardorum). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Edictus ceteraeque Langobardorum leges, ed. Bluhme, F., 1869; Njeussychin, A., Der Freiheitsbegriff im Edikt des Rothari, ZRG GA 66 (1948), 64; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Dold, A., Zur ältesten Handschrift des Edictus Rothari, 1955; Cavanna, A., Nuovi problemi intorno alle fonti, Studia et documenta 34 (1968), 269; Cavanna, A., La civilt giuridica longobarda, 1978; Vismara, G., Il diritto in Italia nell' alto medioevo, 1981 Edikt ist allgemein die Bekanntmachung oder der Erlass. In der römischen Rechtsgeschichte ist das Edikt des Gerichtsmagistrats (Prätors) die Bekanntmachung vor allem der Grundsätze, die der Gerichtsmagistrat während der gesamten Dauer seiner Amtszeit beachten will (lat. edictum [N.] perpetuum, dauerhafte Bekanntmachung z. B. einer Prozessformel, einer Rechtsschutzverheißung). Kaiser Hadrian lässt um 130 n. Chr. das Edikt der Prätoren (lat. praetor [M.] urbanus und praetor peregrinus) und der kurulischen Ädilen durch den Juristen Salvius -> Iulianus in eine endgültige, nur mehr durch den Kaiser abänderbare oder ergänzbare Fassung bringen. Lit.: Kaser §§ 2, 80; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22; Söllner §§ 9, 15, 16, 23; Köbler, DRG 31, 161; Lenel, O., Das Edictum perpetuum, 3. A. 1927, Neudruck 1956; Selb, W., Das prätorische Edikt, FS M. Kaser, 1986, 259 Ediktalzitation ist die durch öffentliche Bekanntmachung erfolgende Ladung eines Beklagten, den eine persönliche Ladung nicht oder schwer erreicht (z. B. durch Anschlag an einem öffentlichen Gebäude). Sie stammt aus dem römischen Recht. Sie erscheint im 13. Jh. auch im deutschen Reich (Reichsabschied vom 19. 11. 1274) und wird danach im Kameral- prozess als subsidiäre Einrichtung aufge- nommen. Sie ist in der öffentlichen Zustellung der Gegenwart erhalten. Von der E. zu unterscheiden ist die Feststellung, dass der Beklagte vor Gericht nicht erschienen ist. Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 5 1873, 111; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 339 Edikt von Nantes ist das am 13. 4. 1598 von König Heinrich IV. von Frankreich erlassene Edikt, welches das katholische Bekenntnis als Staatsreligion bestätigt, den Hugenotten (fran- zösische Protestanten) Gewissensfreiheit und ungefähr 100 sichere Orte gewährt. Edinburgh am Firth of Forth entwickelt sich unterhalb einer seit dem 6. Jh. nachgewiesenen Burg, in der seit dem Ende des 11. Jh.s die schottischen Könige sitzen (um 1470-1707 Hauptstadt). 1583 erlangt es eine Universität. Lit.: Arnot, H., The History of Edinburgh, 1779 Eferding Lit.: Die Rechtsquellen der Stadt Eferding, hg. v. Wutzel, O., 1954 Eger Lit.: Siegl, K., Alt-Eger, 1927; Sturm, H., Eger, (1951), 150 ©imek, E., Chebsko (Das Egerland), 1955; Das Egerer Urgichtenbuch, hg. v. Skála, E., 1972; Sturm, H., Districtus Egranus, 1981 Ehaft ist die örtlich verbreitete Bezeichnung für -> Weistum. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Meyer, C., Ehaften des Klosters Heidenheim, ZRG GA 14 (1894), 168 Ehalt ist die örtlich verbreitete Bezeichnung für -> Gesinde. Ehe ist die mit Eheschließungswillen eingegangene anerkannte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau. Bei den Indogermanen gibt vermutlich der Vater die Tochter dem Mann, der sie (in das eigene Haus) führt, aber zu den Eltern der Frau in keine verwandtschaftliche Beziehung tritt. Im altrömischen Recht, in dem die E. ein hauptsächlich sozial geordnetes Verhältnis ist, verspricht der Gewalthaber der Braut diese dem Bräutigam. Daneben kann der Bräutigam seinerseits die Heimführung zusagen. Beides kann durch Geldversprechen gesichert werden und wird regelmäßig danach erfüllt. Die Eheschließung selbst erfordert den überein- stimmenden Willen, die E. einzugehen. Kaiser Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) stellt Eheverbote und Ehegebote auf. Vielleicht schon im klassischen römischen Recht, jedenfalls in der Spätantike wird die E. unter vorwiegend christlichem Einfluss ein stärker rechtlich geprägtes Verhältnis. Für den Eheschluss der mündigen Brautleute genügt der jetzt rechtlich eingeordnete Konsens, der in der Regel nur durch Urkunden über eine Mitgiftbestellung bewiesen wird. Im Frühmittelalter setzen sich die kirchlichen Vorstellungen gegenüber den germanischen Gestaltungen (Vertrag zwischen Brautvater und Bräutigam [Muntehe, daneben Entführungs- ehe], Möglichkeit der Mehrehe) durch. Wohl seit dem 12. Jh. gilt der Satz, dass allein die Vereinbarung die E. begründet. Seit dem 12./13. Jh. soll aus Gründen der Rechts- sicherheit ein vorheriges Aufgebot (1215) und die Erfragung des Ja-Wortes durch den Priester erfolgen. Die E., die im 13. Jh. unter Einengung einer ursprünglich weiteren Bedeutung ihren Namen E. erhält und die vor kirchlichen Gerichten hauptsächlich von Frauen eingeklagt wird, wird christliches Sakrament. Die protestantische Kirche lehnt dies ab und sieht die E. als Vertrag. In der frühen Neuzeit wendet sich die Aufklärung gegen das kirchliche Wesen der E. Es wird die Schließung der E. vor einer staatlichen Stelle zugelassen oder vorgeschrieben (England 1653, Frankreich 1792). Im Kulturkampf wird die obligatorische Zivilehe in der Form gegenseitiger Willens- erklärungen vor dem Standesbeamten festgesetzt (Preußen 1874, 6. 2. 1875 Personenstandsgesetz des Reiches). Daneben besteht die Möglichkeit der (zusätzlichen) kirchenrechtlichen E. fort. Lit.: Kaser § 58; Söllner §§ 5, 6, 7, 8, 12, 14, 18, 23; Hübner 624ff.; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 15, 22, 36, 58, 114, 120, 161, 209, 238, 267; Baltl/Kocher; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung in seiner geschichtlichen Entwicklung, 1865, Neudruck 1965; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Köstler, R., Muntwalt und Ehebewilligung, ZRG GA 29 (1908), 78; Schlatter, A., Der Schutz der ehelichen Gemeinschaft, 1920; Hoyer, E., Die Ehen minderen Rechts, 1926; Vaccari, P., Il matrimonio germanico, 1935; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Goern, H., Das Ehebild im deutschen Mittelalter, 1936; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Erle, M., Die Ehe im Naturrecht, Diss. jur. Göttingen 1952; Ziegler, J., Die Ehelehre der Poenitentialsummen, 1956; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Schulze-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Gräfe, R., Das Eherecht in den Coutumiers des 13. Jahrhunderts, 1972; Dufour, A., Le mariage dans l'Ecole allemande du droit naturel moderne, 1972; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Huber, J., Der Ehekonsens im römischen Recht, 1977; Mikat, P., Dotierte Ehe ­ rechte Ehe, 1978; Raiser, B., Die Rechtsprechung zum deutschen internationalen Eherecht im Dritten Reich, 1980; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W., 1981; Buchholz, S., Recht, Religion und Ehe, 1988; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Marriage, property and succession, ed. by Bonfield, L., 1992; Krüger, J., Die Ehegesetzgebung des Kaisers Augustus, 1994; Seehase, H., Ehesachen vor dem Reichskammergericht, Diss. jur. Münster 1998; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Ehe und Familie, hg. v. Hecker, H., 1999; Göwer, 151 K., Wilde Ehen, 1999; Blümel, K., Die Aufhebung der sog. Rassenmischehe, Diss. jur. Regensburg 1999; Eisenring, G., Die römische Ehe als Rechtsverhältnis, 2000; Das älteste Tübinger Ehebuch (1553-1614), hg. v. Schiek, S. u. a., 2000; Matrimoni in dubbio a cura di Seidel Menchi S. u. a., 2001; Schwab, C., Das Augs- burger Offizialatsregister 1348-1352, 2001; Schnell, R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen Ehe, 2002; Saar, S., Ehe ­ Scheidung - Wiederverheiratung, 2002; Mammeri-Latzel, M., Justizpraxis in Ehesachen im Dritten Reich, 2002; Eisenring, G., Die römische Ehe als Rechtsverhältnis, 2002; Fischer, G., Die Problematik der Ehe, 2003; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Arni, C., Entzweiungen, 2004; Grahn- Hoek, H., Zu Mischehe, Namengebung und Personenidentität im frühen Frankenreich, ZRG GA 121 (2004), 100; Arni, C., Entzweiungen, 2004; Jacobi, K., Der Ehetraktat des Magisters Rolandus von Bologna, 2004; Karl, A., Castitas temporum meorum, 2004; McCarthy, C., Marriage in Medieval England, 2004; Eisfeld, J., Die Scheinehe, 2005 Ehebruch ist der zumindest bedingt vorsätzliche Vollzug des Beischlafs eines Ehegatten mit einer dritten Person anderen Geschlechts. Der wohl zunächst privat geahndete E. (der Frau), dem nach der Bibel die Steinigung folgt (1. Moses 38,24), wird seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) strafbar. Bei den Germanen darf der Mann die Frau nackt und geschoren durch die Siedlung treiben und damit dem Untergang preisgeben oder überhaupt töten. Ihr männlicher Partner darf in handhafter Tat bußlos getötet werden und unterliegt im Übrigen der Rache und später der Buße. Die christliche Kirche verlangt die Gleichbehandlung von Mann und Frau, setzt sie aber erst seit dem 14. Jh. in den Städten durch. Dem folgt im Gegensatz zur Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) die Constitutio Criminalis Carolina (1532), äußert sich aber zur Strafe selbst nicht. Das preußische Allgemeine Landrecht (1794) bestraft die Ehebrecher nur im Fall der Eheschließung auf Antrag des beleidigten Ehegatten mit höchstens einjähriger Gefängnisstrafe. Je nach dem Religionsbekenntnis ist im Josephinischen Gesetzbuch (1787) und im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (1811) der E. Ehescheidungsgrund. 1969 wird in Deutschland die Strafbarkeit beseitigt (Öster- reich 1996, aber schwere Eheverfehlung). Mit dem Übergang zum Zerrüttungsprinzip ist E. als solcher auch kein Grund mehr zur Ehescheidung. Lit.: Söllner §§ 10, 14; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 35, 119, 264; Hälschner, H., Die Lehre vom Ehebruch, Gerichtssaal 22 (1870), 401; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 691; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931, 424; Bullough, V./Brundage, J., Sexual Practices, 1982; Graf, W., Der Ehebruch im fränkischen und deutschen Mittelalter, Diss. jur. Würzburg, 1983; Schmitz, W., Der nomos moicheias, ZRG RA 114 (1997), 233; Kossak, W., Ehebruch, 2000; Melchior-Bonnet, S./Tocqueville, A. de, In flagranti, 2000; Mader, K., Ehebruch als Scheidungstatbestand, 2002; Trasgressioni, hg. v. Seidel Menchi, S., 2004 Ehefrau -> Frau Ehegattenerbrecht ist das Erbrecht eines Ehegatten beim Tode des anderen Ehegatten. In Rom führt die wachsende Häufigkeit der gewaltfreien Ehe schließlich zur Einführung einer (allen Verwandten nachgeordneten) Erb- folge zwischen Ehegatten. Im deutschen Reich erkennen Stadtrechte im Hochmittelalter als Folge der Gütergemeinschaft allmählich ein E. an. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erhält der Ehegatte mindestens ein Viertel des Nachlasses. Dieser Erbteil erhöht sich im Falle der Zugewinngemeinschaft (1957) um ein Viertel. Lit.: Kaser §§ 65, 66; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 123, 210, 269; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Fröschle, T., Die Entwick- lung der gesetzlichen Rechte des überlebenden Ehegatten, 1996; Heyse, G., Mulier non debet abire nuda, 1994 Ehegattenschenkung ist die Schenkung von Gütern unter Hausverbänden von Ehegatten. Sie wird im römischen Recht (vielleicht im 3. Jh. v. Chr. unter dem Einfluss der Stoa ent- wickelt und) unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) verboten. Lit.: Köbler, DRG 37; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Schenkungen unter Ehegatten, in: Familie und Recht, 1995, 177; Kemner, D., Schenkungen unter Ehegatten, 1998; Gade, G., Donationes inter virum et uxorem, 2001 Ehegesetz ist ein die -> Ehe betreffendes Gesetz, insbesondere das am 6. 7. 1938 auf Grund des Anschlusses Österreichs an das 152 Deutsche Reich erlassene Gesetz, welches das Eherecht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch herausführt und u. a. die Ehescheidung erleichtert. 1946 wird das E. von national- sozialistischem Gedankengut gereinigt, 1976 das Ehescheidungsrecht wieder in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239, 254; Baltl/Kocher; Grachl, P., Die geschichtliche Entwicklung des § 48 Ehegesetzes, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1965; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip im Ehescheidungsrecht und die Nationalsozialisten, FamRZ 1988, 1271; Gruchmann, L., Das Ehegesetz, ZNR 11 (1989), 63; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999 Ehegüterrecht ist das die Güter der Ehegatten betreffende Recht. Im altrömischen Recht gibt der Hausvater der Frau dem Ehemann in der Regel eine -> dos, die nach ihrem Tod grundsätzlich aus dem Vermögen des Mannes an den Geber zurückfällt. Bei den später immer häufiger werdenden gewaltfreien Ehen bleibt das Vermögen der Ehegatten rechtlich getrennt, wird aber tatsächlich weiter unter der Verwaltung des Ehemannes gemeinsam genützt. Bei den Germanen wird wohl ein eingebrachtes Gut vom Ehemann verwaltet. Im Frühmittelalter wird neben dieser grund- sätzlichen -> Gütertrennung mit Verwal- tungseinheit bei Franken und Westfalen eine Gemeinschaft an dem in der Ehe gewonnenen Gut sichtbar (-> Errungenschaftsgemeinschaft). Im Hochmittelalter dringt im weltlich bleibenden E. die -> Gütergemeinschaft in verschiedenen Formen weiter vor (allgemeine Gütergemeinschaft, Fahrnisgemeinschaft), wobei die örtlichen Regeln sehr unterschiedlich sind und vertragliche Gestaltungen häufig werden. In der frühen Neuzeit wird das römische -> Dotalsystem abgewandelt in einzelnen Gebieten aufgenommen (Braunschweig, Kurhessen). Die naturrechtlichen Kodifikationen sehen nur gewisse Regelgüterstände vor (§ 1237 ABGB Gütertrennung mit Verwaltungsgemeinschaft). Die fünf noch im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) enthaltenen Güterstände werden später auf Zugewinngemeinschaft (18. 6. 1957), Gütertrennung und Gütergemeinschaft ver- ringert. Lit.: Kaser § 59; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 161, 209; Baltl/Kocher; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Adler, S., Eheliches Güterrecht und Abschichtungsrecht, 1893; Mottloch, T., Traktat über das eheliche Güterrecht in Österreich ob der Enns, ZRG GA 23 (1902), 275; Behre, E., Die Eigentumsverhältnisse im ehelichen Güterrecht, 1904; Arnold, H., Das eheliche Güterrecht von Mülhausen im Elsass, 1906; Hradil, P., Beiträge zur Geschichte des süddeutschen Ehegüterrechts, ZRG GA 30 (1909), 304; Hradil, P., Untersuchungen zur spätmittelalterlichen Ehegüterrechtsbildung nach bayrisch-österreichischen Rechtsquellen, 1908; Steiner, H., Das eheliche Güterrecht des Kantons Schwyz, 1910; Bartsch, R., Das eheliche Güterrecht in der Summa Raymunds von Wiener Neustadt, 1912; Merz, H., Die historische Entwicklung des aargauischen ehelichen Güterrechts, 1923; Willecke, R., Das eheliche Güterrecht im Braunschweiger Stadtrecht, 1929; Schubert, K., Die Hamburger ehelichen Güterrechtsverhältnisse, 1934; Winter, G., Das eheliche Güterrecht im älteren hamburgischen Recht, Diss. jur. Hamburg 1958; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973; Akademie für deutsches Recht 1933- 1945. Protokolle der Ausschüsse 3,2, Familienrechtsausschuss, Unterausschuss für eheliches Güterrecht, hg. v. Schubert, W., 1989; Schmid, K., Die Entstehung der güterrechtlichen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch, 1990; Mehnert, S., Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht, 2002; Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005 Ehehindernis ist der einer Eheschließung entgegenstehende Umstand. Anscheinend können bei den Germanen Kinder von (im gleichen Haus lebenden) Brüdern nicht heiraten. Im altrömischen Recht ist die Ehe ausgeschlossen unter Verwandten bis zum sechsten Grad, mit einem Verheirateten sowie beim Fehlen des -> conubium. Witwen sollen zur Vermeidung von Unklarheiten über die Vaterschaft von Kindern 10 Monate nach dem Tod des Mannes nicht heiraten. Im spätantiken römischen Recht sind christliche Ehehinder- nisse zu beachten. Seit dem 6. Jh. wirkt sich dies auf das fränkische Recht aus, das ursprünglich nur wenige tatsächliche Ehehindernisse kennt. Danach setzt die Kirche ihr Recht der Ehehindernisse durch. Ein staatliches Recht der Ehehindernisse begegnet ansatzweise im Verlauf der frühen Neuzeit 153 (Frankreich 1629 Entwurf, Österreich 1783, Frankreich 1804) und wird danach allgemein aufgegriffen. Lit.: Kaser § 58; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 58, 88, 122, 161, 209, 239 Ehemakler ist der gegen (nicht einklagbares) Entgelt tätige Vermittler von Ehen. Lit.: Jung, K., Der Ehemaklerlohn, 1991 Ehepatent ist die 1783 von Joseph II. für Österreich veröffentlichte Regelung, welche die Ehe als Vertrag ansieht, die Ehescheidung erleichtert und für Ehestreitigkeiten die Zuständigkeit der weltlichen Gerichte anordnet. Lit.: Köbler, DRG 142, 161; Baltl/Kocher; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967 Eherecht ist das Recht der -> Ehe. Es betrifft vor allem die Eheschließung, die Ehehinder- nisse, die Ehescheidung und das Ehegüterrecht. Lit.: Söllner §§ 8, 14; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Fricke, F., Das Eherecht des Sachsenspiegels, 1898; Plöchl, W., Das Eherecht des Magisters Gratianus, 1935; Pappe, H., Methodische Strömungen in der eherechtsgeschicht- lichen Forschung, 1934; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Schönsteiner, F., Grundriss des kirchlichen Eherechts, 2. A. 1937; Schultze, A., Das Eherecht in den älteren angelsächsischen Königsgesetzen, 1941 (SB Leipzig); Emge, C., Das Eherecht Immanuel Kants, Kant-Studien 29, 243ff.; Dieterich, H., Das protestantische Eherecht, 1970; Gräfe, R., Das Eherecht in den Coutumiers des 13. Jahrhunders, 1972; Ramm, T., Eherecht und Nationalsozialismus, FS Fraenkel, 1973; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Schäfer, J., Die Entstehung der Vorschriften über das persönliche Eherecht, 1983; Zur Geschichte des Ehe- und Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Eherecht und Familiengut, hg. v. Simon, D., 1992; Gmür, R., Betrachtungen zur Entwicklung des Eherechts, FS W. Stree/J. Wessels, 1993, 1227; Sibeth, U., Eherecht und Staatsbildung, 1994; Jackman, D., Das Eherecht und der frühdeutsche Adel, ZRG GA 112 (1995), 158; Schwab, D., 20 Jahre ,,Erstes Eherechtsreformgesetz", JuS 1997, 587; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Deutsch, C., Ehegerichtsbarkeit im Bistum Regensburg (1480-1538), 2005; Frassek, R., Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in der Reformationszeit, 2005 Ehering ist der als Zeichen eines Ehe- schließungswillens gegebene Fingerring. Er geht wohl auf den (lat.) anulus (M.) pronubus (Verlobungsring) der Römer zurück, den das Christentum als Symbol der Treue fördert. Er ist im Frühmittelalter zuerst im Volksrecht der Westgoten und Langobarden belegt. Unter kirchlichem Einfluss entwickelt sich die einseitige Gabe des Bräutigams an die Braut bei der Verlobung und dann auch bei der Trauung seit dem Mittelalter allmählich zum gegenseitigen Ringwechsel. Der E. ist bis in das 19. Jh. aber nur in einer dünnen Ober- schicht tatsächlich üblich. Lit.: Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 53 (1933), 1; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W., 1981 Ehescheidung ist die Auflösung der Ehe aus nach der Eheschließung eingetretenen Gründen. Sie ist bei den Römern (lat. [N.] -> divortium) zunächst ebenso möglich wie bei den Germanen, ohne dass sie in der Rechtswirk- lichkeit allzu häufig gewesen sein dürfte. In der Spätantike führen die christlichen Vorstel- lungen zur allmählichen Einschränkung der freien E. Im Frühmittelalter wird die E. von der Kirche auf Grund von 1. Korinther 7,39ff. seit dem 8. Jh., verstärkt seit 829, bekämpft und bald gänzlich ausgeschlossen. Demgegenüber lässt die protestantische Religion seit 1517 allmählich die E. aus bestimmten Gründen (Matthäus 5,31ff., 19,3, 1. Korinther 7,15), die Stadtgericht oder Landpfarrer sowie später die Konsistorien in einem Verfahren überprüfen, zu. Die Aufklärung versucht dies auszudehnen (Preußen 1749, Frankreich 1792, Österreich 1783 für Protestanten). In England wird 1857 erstmals die E. mit gerichtlicher Mitwirkung möglich. In Deutschland lässt das Personen- standsgesetz vom 6. 2. 1875 die E. durch ein staatliches Gericht aus bestimmten Gründen zu. 1976 wird das grundsätzlich erforderliche Verschulden durch die Zerrüttung ersetzt. Bei der E. erfolgt nunmehr auch ein Ausgleich der Versorgungsansprüche. Am Ende des 20. Jh.s wird im Durchschnitt jede dritte Ehe geschieden. Lit.: Kaser § 58 II 2a; Söllner §§ 5, 8, 12, 23; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 58, 72, 88, 122, 161, 219, 239, 267; Baltl/Kocher; Geffcken, H., Zur Geschichte der Ehescheidung vor Gratian, 1894; Damas, P., Les origines du divorce en France, 1897; Wehrli, P. Die Ehescheidung zur Zeit Zwinglis, Zürcher Taschenbuch, 1934, 61; Rost, S., Die Einführung der Ehescheidung in 154 Zürich, 1935; Wolf, E. u. a., Scheidung und Scheidungsrecht, 1959; Escher, K., Die Entwicklung des Ehescheidungsrechts in Kleve und Mark 1532-1874, 1967; Mikat, P., Zur Bedeutung Friedrich Carl von Savignys für die Entwicklung des deutschen Scheidungsrechts, FS W. Bosch, 1976, 671; Schnell, R., Praesumpta mors, ZRG GA 100 (1983), 181; Jensen, H., Die Ehescheidung des Bischofs Hans von Lübeck von Prinzessin Julia Felicitas von Württemberg-Weiltingen, 1984; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik, 1986; Blasius, D., Ehescheidung in Deutschland 1784-1945, 1987; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip, FamRZ 1988, 1271ff.; Wadle, E., Ehescheidung vor dem Standesbeamten, FS H. Herrmann, 1995, 291; Roßdeutscher, G., Privatautonomie im Scheidungsrecht, 1995; Horn, C., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Ehesachen, 1997; Nahmacher, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Hamburger Gerichte, 1999; Hoffmann-Steudtner, V., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zu dem Scheidungsgrund, 1999; Saar, S., Ehe, Scheidung, Wiederverheiratung, 2003; Schubert, W., Die Abkehr vom Verschuldensprinzip im Ehescheidungsrecht, ZRG GA 120 (2003), 280 Eheschließung ist die Eingehung der -> Ehe. Sie erfordert geschichtlich unterschiedliche Voraussetzungen und erfolgt in verschiedenen Formen. Im Mittelalter wird sie allmählich vom kirchlichen Recht bestimmt, in der Neuzeit setzt sich vor allem im 19. Jahrhundert das staatliche Recht wieder durch. Lit.: Kaser §§ 6, 58; Söllner §§ 5, 8, 12, 18; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 122, 161, 209; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in mittelalterlichen Trauungsritualen, 1910; Zallinger, O., Die Eheschließung im Nibelungenlied, 1923; Schwerin, C. Frhr. v., Quellen zur Geschichte der Eheschließung, Bd. 1ff. 1925ff.; Frölich, K., Die Eheschließung des deutschen Mittelalters, Hess. Bll. f. Volkskunde 1928, 144; Meyer, H., Die Eheschließung im Ruodlieb und das Eheschwert, ZRG GA 52 (1932), 276; Melicher, T., Die germanischen Formen der Eheschließung im westgotisch-spanischen Recht, 1940; Ritzer, K., Formen, Riten und religiöses Brauchtum der Eheschließung, 1961; Landau, P., Hadrians IV. Dekretale ,,Dignum est", Studia Gratiana 12 (1967), 511; Schröter, M., Wo zwei zusammenkommen in rechter Ehe, 1990; Fuhrmann, I., Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe, 1998; Fassbender, M., Das Eheschließungsrecht im Herzogtum Berg, 1998 (Diss. jur. Köln 1998); Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004; Scholz Löhnig, C., Bayerisches Eherecht von 1756 bi1 1875, 2004 Ehevertrag ist der zur besonderen Gestaltung der abänderbaren ehelichen Rechtsverhältnisse geschlossene Vertrag zwischen den Eheleuten. Er betrifft hauptsächlich das Ehegüterrecht. Er wird schon in den hochmittelalterlichen Städten häufiger, bleibt aber insgesamt auf vermögende Menschen beschränkt. Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hillenbrand, M., Fürstliche Eheverträge, 1996 Ehre ist der Wert eines Menschen innerhalb der Gesellschaft. Die Verletzung der E. kann schon im altrömischen Recht eine Folge nach sich ziehen (bei [lat.] iniuria [F.] sind 25 Pfund Kupfer zu leisten). Ihr Schutz bleibt weit- gehend der Selbsthilfe und dem Strafrecht überlassen. Bestimmtes Verhalten führt zum rechtlichen Verlust der E. (Ehrlosigkeit, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte). Lit.: Kaser § 13; Köbler, DRG 216; Kisch, G., Ehrenschelte und Schandgemälde, ZRG GA 51 (1931), 514; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1; Binding, K., Die Ehre im Rechtssinn und ihre Verletzbarkeit, 1890; Brauer, G., Die ehrenwörtliche Bekräftigungsform, ZRG GA 54 (1934), 117; Reiner, H., Die Ehre, 1956; Geipel, J., Die Konsiliarpraxis der Eberhard-Karls-Universität, 1965; Brenzina, M., Ehre und Ehrenschutz im nationalsozialistischen Recht, 1987; Müller-Burgherr, T., Die Ehrverletzung, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Polay, E., Der Schutz der Ehre, ZRG RA 106 (1989), 502; Verletzte Ehre, hg. v. Schreiner, K. u. a., 1995; Backmann, S. u. a., Das Konzept der Ehre, 1997; Ehrkonzepte in der frühen Neuzeit, hg. v. Backmann, S. u. a., 1998; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998; Dülmen, R. van, Der ehrlose Mensch, 1999; Beher, K. u. a., Strukturwandel des Ehrenamts, 1999; Bastl, B., Tugend, Liebe, Ehre, 2000; Fama, hg. v. Fenster, T. u. a., 2003; Lentz, M., Konflikt, Ehre, Ordnung ­ Untersuchungen zu den Schmähbriefen und Schandbildern, 2004 Ehrenstrafe ist die die -> Ehre betreffende Strafe. Als solche sind beispielsweise anzusehen das Ausstellen am -> Pranger, das Scheren der Haare oder das Tragen einer Schandmaske. In der frühen Neuzeit versucht man die E. gesetzlich festzulegen. In der 2. Hälfte des 20. Jh.s wird ihre Bedeutung gering. Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafen in der 155 deutschen Rechtspflege, 1901, Neudruck 1970; Künßberg, E. Frhr. v., Über die Strafe des Steintragens, 1907; Rannacher, H., Der Ehrenschutz in der Geschichte des deutschen Strafrechts mit besonderer Berücksichtigung der Ehrenstrafen, 1938; Voigt, E., Die Gesetzgebungsgeschichte der militärischen Ehrenstrafen, 2004 Ehrlich, Eugen (Czernowitz 14. 9. 1862-Wien 2. 5. 1922), Sohn eines Advokaten, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Advokat und 1896 Professor für römisches Recht in Czernowitz. Schon seine frühe Schrift über Lücken im Recht (1888) wendet sich gegen die herrschende Vorstellung von der Unangreif- barkeit des staatlichen Rechts. Der Vortrag Freie Rechtsfindung und freie Rechts- wissenschaft (1903) folgert daraus, dass im Falle einer Lücke eine freie Rechtsfindung erforderlich sei, die sich im Zweifel auf soziologische Überlegungen stützen müsse. 1913 bietet E. mit seinem Hauptwerk Grundlegung der Soziologie des Rechts eine der wichtigsten Grundlagen für die Entwicklung der Rechtssoziologie. Lit.: Köbler, DRG 189, 228; Rehbinder, M., Die Begründung der Rechtssoziologie durch Eugen Ehrlich, 2. A. 1986; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 469; Vogl, S., Soziale Gesetzgebungspolitik, freie Rechtsfindung und soziologische Rechtswissenschaft, 2003 Eichhorn, Karl-Friedrich (Jena 20. 11. 1781- Köln 4. 7. 1854), Theologensohn, wird nach dem Rechtsstudium (seit 1797) in Göttingen (Hugo, Pütter) 1805 Professor in Frankfurt an der Oder, 1811 in Berlin, 1817-1829 in Göttingen sowie seit 1832-1834 in Berlin. 1808 veröffentlicht er ganz aus den Quellen geschrieben die erste Gesamtdarstellung der deutschen Rechtsgeschichte (Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte), seit 1823 die Einleitung in das deutsche Privatrecht, die das geltende deutsche Privatrecht systematisch-dogmatisch gegliedert (als innere Rechtsgeschichte) aus- sondert. Die Einheit des deutschen Rechts wird dabei auf die Gemeinsamkeiten der mittelalterlichen Landrechte, sein System auf die ihnen angeblich zugrunde liegenden gemeinsamen Grundsätze gegründet. 1831- 1835 folgen noch die zweibändigen Grundsätze des Kirchenrechts. Lit.: Köbler, DRG 188; Kerler, Zur Lebensgeschichte Karl Friedrich Eichhorns, ZRG GA 3 (1882), 177; Jelusic, K., Die historische Methode Karl Friedrich Eichhorns, 1936; Erler, A., Eine unbekannte Niederschrift nach Eichhorns Vorlesung ,,Deutsche Geschichte und Rechtsaltertümer", ZRG GA 66 (1948), 537; Conradi, R., Karl Friedrich Eichhorn als Staatsrechtslehrer, 1987 Eichmann, Eduard (Hagenbach 14. 2. 1870- München 26. 4. 1946) wird nach dem Studium der Theologie und der Rechtswissenschaft in Würzburg, Straßburg und München Professor für Kirchenrecht in Prag, Wien und München (1918-1846) und veröffentlicht 1923 das führende Lehrbuch des Kirchenrechts seiner Zeit. Lit.: Festschrift für Eichmann, hg. v. Laforet, W. u. a., 1940 Eichwesen ist die Sicherstellung redlicher Verwendung von Maßen. Diese erfolgt bereits in der hochmittelalterlichen Stadt. Mit verstärkter Genauigkeit wird die Eichung seit dem 19. Jh. vorgeschrieben. Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980 Eid ist die Anrufung einer Macht als Zeugen für die Wahrheit einer Aussage oder die Gültigkeit eines Versprechens. Der E. ist weit verbreitet. Er verbindet meist Worte mit besonderen Formen (z. B. Handerheben, Berühren der Bibel usw.). Er ist ein wichtiges Beweismittel im Verfahren (z. B. Reinigungs- eid des Beschuldigten, Zeugeneid). Strafbar ist der -> Meineid. Lit.: Kaser §§ 84 I, 87; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 114, 116, 155, 202, 216, 235; Köbler, WAS; Strippelmann, F., Der Gerichtseid, 1855ff.; Loening, R., Der Reinigungseid, 1880; Göpfert, F., Der Eid, 1883; Siegel, H., Handschlag und Eid, 1894; His, R., Der Gleichheitseid, ZRG GA 27 (1906), 331; Thudichum, F. v., Geschichte des Eides, 1911; Pedersen, J., Der Eid bei den Semiten, 1914; Gottlob, T., Der kirchliche Amtseid, 1936, Neudruck 1963; David, M., Le serment du sacre, 1951; Koller, F., Der Eid im Münchener Stadtrecht des Mittelalters, 1953; Bauernfeind, O., Eid und Frieden, 1956; Hofmeister, P., Die christlichen Eidesformen, 1957; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Ebel, W., Das Ende der bürgerlichen coniuratio reiterata, ZRG GA 78 (1961), 319; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Giesey, R., If Not, Not, 1968; Lea, H., The Duel and the Oath, 1974; Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der 156 Treueidleistung im merowingischen Frankenreich, 1976; Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage, 1990; Prodi, P., Il sacramento del potere, 1992 (deutsch 1997); Prodi, P., Das Sakrament der Herrschaft: Der politische Eid, 1997; Czeguhn, I., Der Herrschereid am Beispiel des Eides und der Eidesbekräftigung des spanischen Königs, ZRG GA 115 (1998), 589; Eid und Wahrheitssuche, hg. v. Esders, S. u. a., 1999; Esders, S./Mierau, H., Der althochdeutsche Klerikereid, 2000; Lange, S., Der Fahneneid, 2001 Eidgenossenschaft ist allgemein das eidlich bekräftigte genossenschaftliche Bündnis. Die wichtigste besondere E. ist die -> Schweiz. Hier schließen die Länder -> Uri und -> Schwyz zwischen 1240 und 1273 einen ersten Bund, dem 1291 und 1315 weitere folgen und zu dem danach zusätzliche Orte hinzutreten. Von einer Schweizerischen E. wird dabei seit dem späten 18. Jh. gesprochen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hilty, C., Die Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossen- schaft, 1891; Meyer, K., Italienische Einflüsse bei der Entstehung der Eidgenossenschaft, Jahrbuch für schweizerische Geschichte 45 (1920), 1; Fehr, H., Die Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1929; Gasser, A., Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit im Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1930; Quellenwerk zur Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, hg. v. Schieß, T. u. a., Bd. 1ff. 1933ff.; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenossenschaft, ZRG GA 60 (1940), 1; Meyer, K., Der Ursprung der Eidgenossenschaft, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 21 (1941), 285; Pappard, W., Die Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft 1848-1948, 1948; Claussen, H., Der Zusammenschluss der schweizerischen Eidgenossen als Beispiel für die Ausübung des Widerstandsrechts, Diss. jur. Hamburg 1951; Abegg, R., Die alte Eidgenossenschaft, 1964; Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1971; Meyer, B., Die Bildung der Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert, 1972; Braun, B., Die Eidgenossen, 1997 Eidhelfer, Eideshelfer, ist im frühmittelalterlichen deutschen Recht der Mensch, der schwört, dass der Eid eines Eidesleistenden rein und nicht mein (falsch) sei. Häufig soll dabei ein Beschuldigter mit sechs oder 12 Eidhelfern sich durch Eid von einer Beschuldigung reinigen. Der E. ist vom Zeugen grundsätzlich zu trennen. In England wird der Eidhelfereid erst 1833 aufgegeben. Lit.: Cosack, K., Die Eidhelfer des Beklagten, 1885; Schwerin, C. Frhr. v., Zur altschwedischen Eideshilfe, 1919 (SB Heidelberg); Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922, Neudruck 1973 Eidsivathingslög ist das Recht des ostnorwegischen Gebietes um Eid (Eidsvoll), das in seinem weltlichen Teil bruchstückhaft, in seinem kirchenrechtlichen Teil (Christenrecht) in vier Handschriften des frühen 14. Jh.s über- liefert ist (Eidsivathingsbok). Lit.: Meißner, R., Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des Eidsivathings, 1942 Eigen ist im deutschen Mittelalter das einem Menschen (uneingeschränkt) gehörige Gut. Es bildet meist den Gegensatz zum Gemeinland (- > Allmende) und zum -> Lehen als einem geliehenen Gut. Häufig wird neben E. auch das -> Erbe besonders genannt. In den schriftlichen Zeugnissen betrifft das E. überwiegend die Liegenschaft. Seit dem 13. Jh. wird E. durch das vermutlich lateinisch beeinflusste -> Eigentum (lat. [F.] proprietas) abgelöst. Lit.: Hübner 241; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 116, 124; Puntschart, P., Das ,,Inwärts-Eigen" im österreichischen Dienstrecht des Mittelalters, ZRG GA 43 (1922), 66; Buchda, G., Dursal (dursal eigen), ZRG GA 59 (1939), 194; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969; Köbler, G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1 Eigener Herd ist Goldes wert. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 175 (Franck 1541) Eigenhändiges Testament ist das mit der eigenen Hand geschriebene und unterschriebene -> Testament. Eigenkirche (lat. ecclesia [F.] propria) ist die einem Einzelnen gehörende Kirche. Sie hat ihren Ursprung darin, dass in der christlichen Frühzeit der Gottesdienst häufig in einem privaten Haus abgehalten wird, und darin, dass auf dem Land oft der Grundherr am leichtesten in der Lage ist, ein Kirchengebäude zu errichten. In der Folge wählt der Gebäude- eigner vielfach den dort tätigen Geistlichen aus, verlangt die Teilhabe an den Einkünften und kann die Kirche übertragen. Im -> Investiturstreit wird die E. als Form der Simonie bekämpft und danach durch Patronat und Inkorporation ersetzt. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 90; Stutz, U., Die Eigenkirche, 1895, Neudruck 1955; Stutz, U., 157 Ausgewählte Kapitel aus der Geschichte der Eigenkirche, ZRG KA 57 (1937), 1; Landau, P., Ius patronatus, 1975 Eigenleute (lat. homines [M.Pl.] proprii) sind im Mittelalter die einem anderen gehörenden Menschen. Sie bilden keine in sich einheitliche Gruppe. Teils schulden sie Abgaben, teils Dienste. Im Gegensatz zu den -> Sklaven haltenden Gesellschaften lässt das Mittelalter einen lebhaften Handel mit Eigenleuten nicht erkennen. -> Hörige Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wretschko, A., Über Eigenleute und Eigenleuteteilungen in Tirol, ZRG GA 46 (1926); Klein, H., Die bäuerlichen Eigenleute des Erzstifts Salzburg, Mitteilungen d. Ges. f. salzburg. Landeskunde 73 (1933),109, 74 (1934),1 Eigentum ist das Recht, mit einer Sache nach Belieben zu verfahren und andere von einer Einwirkung auf die Sache auszuschließen. In altrömischer Zeit ist E. die Gewalt des Hausvaters über Sachgüter unter Einschluss der Vorläufer der beschränkten dinglichen Rechte (z. B. Servituten) und ohne scharfe Grenze gegenüber dem -> Besitz. Im klassischen römischen Recht entwickelt sich das E. als (lat.) -> dominium (N.) ex iure Quiritium an beweglichen Sachen und italischen Grundstücken, neben dem das E. nach prätorischem Recht (lat. -> in bonis esse) steht. Gleichbedeutend mit dominium ist die Bezeichnung (lat. [F.]) -> proprietas. Im nachklassischen römischen Recht wird die damit geschaffene Trennung von E. und Besitz bzw. beschränkten dinglichen Rechten wieder aufgegeben, doch kehrt Justinian unter Vereinheitlichung des Eigentums für jedermann an allen Sachen zur begrifflichen Schärfe des klassischen römischen Rechts zurück. Im germanischen Bereich bildet das bloße Haben (germ. *aigan, *haben) den Ausgangspunkt des Eigentums. Dement- sprechend ist im Mittelalter Eigen die Bezeichnung der Herrschaft über eine Sache. Diesem Eigen stehen vor allem -> Allmende und -> Lehen gegenüber, während die -> Ge- were die äußere (sichtbare) Erscheinungsform (,,Kleid") aller (wegen ihres gedanklichen Wesens notwendigerweise unsichtbaren) Sachenrechte und damit auch des Eigens ist. Im 13. Jh. erscheinen mhd. eigenschaft und mnd. egendom wohl als Lehnübersetzungen von lat. proprietas. Das E. hat aber keinen eindeutigen Inhalt. Es kann zeitlich und inhaltlich beschränkt sein. Neben einem (lat. dominium [N.] directum) Obereigentum (etwa des Lehnsherrn) kann selbst nach gelehrtem Recht (z. B. Wilhelmus de Cabriano, Pilius [ 1213, Azo [zuerst nur bei der Emphyteuse], Accursius) ein Untereigentum (lat. dominium [N.] utile) (etwa des Lehnsmannes) stehen. Nach Bartolus, der Eigentum im Kern als das umfassende Recht der Verfügung über einen körperlichen Gegenstand erfasst, kann E. (dominium) im weiteren Sinn auch auf unkörperliche Gegenstände bezogen (und zwischen mehreren Berechtigten aufgeteilt) werden. Dies wird mit der Aufnahme des gelehrten Rechts fortgeführt. Erst unter dem Einfluss der Aufklärung und des Liberalismus wird das E. (über Kant) zu einem völlig freien, von Einschränkungen gelösten Recht einer Person an einer körperlichen Sache (Thibaut, Über dominium directum und utile, 1801). Am entschiedensten zeigt sich dies (nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens von 1863) in § 903 BGB (trotz Otto von Gierkes vergeblichen Versuchs der Entwicklung eines besonderen deutschrechtlichen Eigentumsbe- griffs). Die fragwürdigen Folgen schranken- loser Freiheit haben seitdem zur Anerkennung der Sozialbindung des Eigentums geführt. Außerdem hat sich im öffentlichen Recht die Ansicht durchgesetzt, die unter dem von der Verfassung garantierten E. jede schützenswerte Vermögensposition versteht. Lit.: Kaser § 22; Söllner §§ 8, 23; Hübner 241ff., 453ff.; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 40, 124, 163, 174, 211, 269; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 65; Arnold, W., Zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, 1861; Felix, L., Entwicklungsgeschichte des Eigentums, Teil 1ff. 1883ff.; Landsberg, E., Die Glosse des Accursius, 1883; Goldschmidt, H., Eigentum und Eigentumsteilrechte in ihrem Verhältnis zur Sozialisierung, 1920; Hedemann, W., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 2, 1 1930; Dungern, O. Frhr. v., Über die Freiheit des Eigentums im Mittelalter, ZRG GA 53 (1933), 287; Keller, R. v., Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter, 1933, Wieacker, F., Wandlungen in der Eigentumsverfassung, 1935; Wagner, H., Das geteilte Eigentum, 1938; Eichler, H., Wandlungen des 158 Eigentumsbegriffes in der deutschen Rechtsauffassung, 1938; Coing, H., Zur Eigentumslehre des Bartolus, ZRG RA 70 (1953), 348; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2. A. 1956; Schacht, J., An Introduction to Islamic Law, 1964; Feenstra, R., Les origines du dominium utile, in: Flores legum, 1971, 49; Eigentum und Verfassung, hg. v. Vierhaus, R., 1972; Brandt, R., Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, 1974; Landau, P., Ius patronatus, 1975; Rittsteig, H., Eigentum als Verfassungsproblem, 1975; Floßmann, U., Eigentumsbegriff und Bodenordnung im historischen Wandel, 1976; Kroeschell, K., Die Lehre vom germanischen Eigentumsbegriff, FS H. Thieme, 1977, 34; Köbler, G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1; Zenati, M., La nature juridique de la proprieté, 1981; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Klemm, P., Eigentum und Eigentumsbeschränkungen in der Doktrin des usus modernus pandectarum, 1984; Kühl, K., Eigentumsordnung als Freiheitsordnung, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Eigentum, hg. v. Köhn, J., 1987; Kroeschell, K., Die national- sozialistische Eigentumslehre, in: Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, 1989, 43; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Property and Power in the Early Middle Ages, hg. v. Davies, W. u. a., 1995; Penner, J., The idea of property in law, 1997; Eigentum im internationalen Vergleich, hg. v. Siegrist, H. u. a., 1999; Eigentum im internationalen Vergleich 18.-20. Jahrhundert, hg. v. Siegrist, H. u. a., 2000; Bertram, K., Die Gesetzgebung zur Neuregelung des Grundeigentums, 2000; Finkenauer, T., Eigentum und Zeitablauf, 2000; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002; Ulmschneider, C., Eigentum und Naturrecht, 2003; Hoppe, K, Eigentum, Erbrecht und Vertragsrecht, 2003; Gottschalk, K., Eigentum, Geschlecht, Gerechtigkeit, 2003; Lehmann, J., Sachherrschaft und Sozialbindung, 2004; Keiser, T., Eigentumsrecht im Nationalsozialismus und Fascismo, 2005 Eigentumserwerb ist der Erwerb des -> Eigentums. Er erfolgt anfangs originär (ursprünglich) durch Aneignung. Später verdrängt der (abgeleitete) E. durch Rechtsgeschäft (-> Übergabe auf Grund eines Titels, -> Einigung und Übergabe) den ursprünglichen E. Daneben steht der E. durch Hoheitsakt. Lit.: Kaser §§ 24ff.; Köbler, DRG 40, 61, 163; Brandt, H., Eigentumserwerb und Austauschgeschäft, 1940; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Köbler, G., Die rechtliche Regelung des Eigentumserwerbs an Grundstücken in Preußen, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 201; Zimmermann, M., Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001; Klinck, F., Erwerb durch Übergabe an Dritte nach klassischem römischem Recht, 2004 Eigentumsübertragung ist die Übertragung des -> Eigentums von einem bisherigen Eigentümer auf einen neuen Eigentümer. Ihr geht im römischen Recht die Vorstellung voraus, dass dem Untergang eines Rechts eines bisherigen Eigentümers die Entstehung des Eigentums als neues bei einem neuen Berechtigten folgt, doch kennt bereits das klassische römische Recht den Gedanken der Übertragung. Die wichtigsten Wege hierfür sind die (lat. [F.]) -> mancipatio, die (lat.) -> in iure cessio (F.) und die formfreie Übergabe (lat. [F.] -> traditio) bei Vorliegen eines Rechts- grundes. Für die Germanen ist ein einfaches Handgeschäft zu vermuten. Im Frühmittelalter stehen Einigung oder Übergabe (ahd. -> sala, lat. traditio) und Besitzeinräumung oder Bekleidung (ahd. giwerida, lat. -> investitura) in nicht völlig klarer Weise nebeneinander. Mit dem Beginn der Geldwirtschaft wird die E. sehr häufig. Sie erfolgt bei Liegenschaften vielfach vor Gericht und unter Verwendung von Schriftakten ( -> Schreinskarten). Mit der Aufnahme des römischen Rechts setzt sich die Lehre vom vorausgesetzten (lat.) titulus (M.) acquirendi und vom erfüllenden (lat.) modus (M.) acquirendi weitgehend durch. Im 19. Jh. entwickelt Savigny die Rechtsfigur des dinglichen, neben dem schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kaufvertrag) stehenden Vertra- ges (abstrakte -> Einigung). Sie findet Eingang in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900). Danach erfolgt die E. durch Einigung und Übergabe oder Übergabesurrogat sowie bei Grundstücken durch Einigung (Auflassung) und -> Eintragung in das Grundbuch. In den übrigen europäischen Ländern ist die E. ein kausales Geschäft. Lit.: Kaser § 24; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 28; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums, 1909; Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in der Reichsstadt Ulm, 1961; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über 159 Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984 Eigentumsvorbehalt ist der Vorbehalt des Verbleibens des Eigentums bei einem bisherigen Eigentümer trotz einer Verpflichtung zur Eigentumsübertragung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der bereits dem klassischen römischen Recht (Ulpian D. 43, 26, 20 bekannte), im mittelalterlichen Italien durch die Glosse zu C. 4, 54, 3 übernommene, in Deutschland durch die Rente vertretene, aber zu Anfang des 17. Jh.s zunächst in Kursachsen und der Oberlausitz bei Kauf von Grundstücken ausdrücklich erwähnte und verbreitete E. gewinnt mit dem Vordringen des Abzahlungskaufs im ausgehenden 19. Jh. Bedeutung. Der Eigentumsvorbehaltskäufer erlangt eine Anwartschaft, die zum Vollrecht erstarken soll. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, besitzloses Pfandrecht und Eigentum, 1984; Misera, K., Eigentumsvorbehalt im klassischen römischen Recht, FS R. Serick, 1992, 275; Maaß, M., Die Geschichte des Eigentumsvorbehalts, 2000 Eike von Repgow (um 1180?-nach 1233?) ist der Verfasser des (lateinisch-) mittelniederdeutschen Rechtsbuches -> Sachsenspiegel. Er benennt sich nach dem Dorf Reppichau bei Dessau im Anhaltinischen. Er tritt in sechs Urkunden zwischen 1209 und 1233 als Zeuge auf. Er ist schöffenbarfrei und bezeichnet Graf Hoyer von Falkenstein, den Stiftsvogt von Quedlinburg, als seinen Herrn. Da er den Sachsenspiegel zunächst in Latein schreibt und danach übersetzt, gehört er zur dünnen Bildungsschicht der hochmittelalterlichen Gesellschaft. Sonstige Einzelheiten über ihn stehen nicht sicher fest. Lit.: Köbler, DRG 102; Fehr, H., Die Staatsauffassung Eikes von Repgow, ZRG GA 37 (1915), 131; Voltelini, H. v., Der Verfasser der sächsischen Weltchronik, 1924; Möllenberg, W., Eike von Repgow und seine Zeit, 1934; Heck, P., Eike von Repgow, 1939; Lieberwirth, R., Eike von Repchow und der Sachsenspiegel, 1982; Ignor, A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eikes, 1984; Kroeschell, K., Der Sachsenspiegel in neuem Licht, in: Rechtsgeschichte in beiden deutschen Staaten, 1991, 232; Schroeder, K., Eike von Repgow, JuS 1998, 776 Einbenennung ist die Erteilung des Ehenamens der Mutter und ihres Ehemannes oder die Erteilung des Namens des Vaters an das nichteheliche Kind. Lit.: Engler, H., Der Familienname des nichtehelichen Kindes, FamRZ 1971, 76 Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 121 (Gruter 1612) Eingriffsverwaltung ist der Teil der öffentlichen -> Verwaltung, der in die Rechte (z. B. Freiheit, Eigentum) des Untertanen bzw. Staatsbürgers eingreift. Er ist der Kernbestand der Verwaltung, dem seit dem 19. Jh. die -> Leistungsverwaltung gegenübertritt. Einigung ist allgemein die Übereinkunft mehrerer Beteiligter. Im 19. Jh. wird die E. als Vereinbarung (dinglicher Vertrag) über den Eigentumsübergang von -> Savigny entwickelt. Unterstützt von seit der Mitte des 19. Jh.s spürbaren Bestrebungen, die umständlichen Formen des älteren Rechts (z. B. Hypothekenordnung Preußens von 1783) zu vereinfachen, wird diese Vorstellung in Preußen 1872 und im deutschen Reich 1897/1900 gesetzlich anerkannt. Lit.: Köbler, DRG 212; Felgentraeger, C., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966 Einigungsvertrag ist der am 31. 8. 1990 zwischen der Bundesrepublik -> Deutschland und der -> Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossene Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands, auf dessen Grund am 3. 10. 1990 die Deutsche Demokratische Republik der Bundesrepublik Deutschland beitritt. Lit.: Köbler, DRG 247 Einkammersystem ist das politische System, in dem das Gesetzgebungsorgan (-> Parlament) nur aus einer Kammer besteht. Es bildet den Gegensatz zum Zweikammersystem. Einkindschaft ist die vertragliche Gleichstellung von Kindern aus zwei Ehen eines Elternteils. Sie wird wahrscheinlich im Gebiet des fränkischen Rechts entwickelt (Ingelheim [1378,] 1419). Dabei vereinbaren die Ehegatten der zweiten Ehe mit den Kindern der vorangehenden Ehe, dass die Kinder unter 160 Verzicht auf ihr Erbrecht am Vermögen der verstorbenen ersten Ehegatten zugunsten der oder des neuen Ehegatten ein Erbrecht gegen diesen bzw. diese erhalten. Die E. ist noch im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) enthalten, verschwindet danach jedoch. Lit.: Hübner 509f.; Meyer, H., Die Einkindschaft, Diss. jur. Breslau 1900; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Schartl, R., Zur Entstehung der fränkischen Einkindschaft, Ius commune 16 (1989), 264 Einkommensteuer ist die vom Einkommen natürlicher Personen als Steuerobjekt zu entrichtende Steuer. Sie wird in England (income tax) 1799, in Ostpreußen 1808 und in Preußen 1851 eingeführt. 1878 beträgt sie in Sachsen bis 5%. Im 20. Jh. wird sie zu einer der wichtigsten staatlichen Einnahmequellen. Lit.: Köbler, DRG 198, 233, 251; Großfeld, B., Die Einkommensteuer, 1981; Linzbach, P., Der Werdegang der preußischen Einkommensteuer, 1984; Greim- Kuczewski, P., Die preußische Klassen- und Einkommensteuergesetzgebung, 1990; Mathiak, W., Die erste Einkommensteuer in Deutschland, in: Steuer und Wirtschaft, 1995, 352 Einlager ist die seit dem 12. Jh. bekannte Form der Schuldsicherung, bei der sich der -> Bürge oder -> Schuldner verpflichtet, bei Fälligkeit der Schuld einen festgelegten Ort (z. B. ein Gasthaus) aufzusuchen und ohne Einwilligung des Gläubigers nicht wieder zu verlassen. Die Kosten der Unterbringung fallen je nach Vereinbarung dem Hauptschuldner oder dem Bürgen zur Last. 1577 verbietet eine Reichspolizeiordnung das E., doch hat es zumindest örtlich bis in das 19. Jh. tatsächlich Bestand. Im Übrigen wird es durch die -> Schuldhaft abgelöst. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128; Friedlaender, E., Das Einlager, 1868; Rintelen, M., Schuldhaft und Einlager im Vollstreckungsverfahren, 1908; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140 Einlassung ist die Bereitschaftserklärung eines Beklagten, mit dem Kläger über die Klage streiten zu wollen. Sie ist der Sache nach bereits Bestandteil des römischen Formularprozesses. In Deutschland wird die E. mit der Aufnahme des gelehrten Prozesses ein Teil der Streitbefestigung (lat. litis contestatio [F.]). Lit.: Kaser § 82; Wetzell, System des ordentlichen Zivilprozesses, 3. A. 1878 Einmal ist keinmal. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 88 (Hertius 1737, lat. unus actus nullus actus) Ein Mann, ein Wort. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 235 (Sachße 1856) Einmanngesellschaft ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die zunächst bei einer bereits bestehenden Gesellschaft und danach auch für die Entstehung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zugelassene, nur aus einem Gesellschafter bestehende Gesellschaft. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Einrede ist das nicht im bloßen Leugnen bestehende, gegen den Klaganspruch gerichtete Vorbringen des Beklagten. Die E. ist bereits dem römischen Zivilprozessrecht als (lat.) exceptio (F.) bekannt. Dementsprechend erscheint sie bei der Aufnahme des gelehrten Prozessrechts in Deutschland. Bereits im Hochmittelalter werden in Urkunden umfängliche romanistische Verzichtsformeln für Einreden aufgenommen. Lit.: Kaser § 4 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 155; Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln (renuntiationes), 1963; Wesener, G., Nichtediktale Einreden, ZRG GA 112 (1995), 109; Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2000 Einstweilige Anordnung ist die vorläufige Anordnung des Gerichts in einem Rechtsstreit. Sie findet sich sachlich notwendigerweise seit dem Beginn von Verfahren. Lit.: Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der einstweiligen Anordnung im Verwaltungsprozess, Diss. jur. Hamburg 1967 einstweilige Verfügung -> Mandatsprozess Eintragung ist die Aufnahme in ein Register. Sie ist an unterschiedlichen Stellen Voraussetzung für eine Rechtsfolge. Im 19. Jh. wird in Deutschland die E. in das Grundbuch Voraussetzung für das Entstehen eines dinglichen Rechts oder die E. einer Gesellschaft in das Handelsregister Voraussetzung für ihre Entstehung. Lit.: Köbler, DRG 125, 212; Planitz, H., Konstitutivakt und Eintragung in den Kölner Schreinsurkunden, FS A. Schultze, 1934, 175; Grolle, N., Die Eintragungsbewilligung, Diss. jur. Münster 1989 Eintrittsrecht ist das Recht zum Eintritt in eine 161 Rechtslage. Im Erbrecht ist insbesondere das E. von Enkeln an Stelle vorverstorbener Kinder bedeutsam. Es wird bereits 595 vom fränkischen König bestimmt und 942 auf Grund eines Zweikampfes für Sachsen zugunsten von Sohnessöhnen bejaht. Mit der Aufnahme des römischen Rechts findet es allgemeine Anerkennung im Reich. Lit.: Hübner 766ff.; Kroeschell, DRG 1 Einung ist die Vereinbarung unter mehreren Menschen. Sie kann bindende Wirkung für eine Gesamtheit entfalten. Insofern werden etwa hochmittelalterliche Landfriedenseinungen als Gesetze eingeordnet. Lit.: Köbler, WAS; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Vogel, O., Die ländliche Einung, Diss. jur. Zürich 1953; Bader, K., Die städtische Einung, Arch. d. hist. Ver. d. Kantons Bern 44 (1958), 159; Kulenkampff, A., Einungen mindermächtiger Stände, Diss. phil. Frankfurt am Main 1967; Kulenkampff, A., Einungen und Reichsstandschaft fränkischer Grafen und Herren, 1971; Spieß, P., Rüge und Einung, 1988; Einungen und Bruderschaften, hg. v. Johanek, P., 1993; Moraw, P., Die Funktion von Einungen und Bünden, in: Alternativen zur Reichsverfassung, hg. v. Press, V., 1995, 1; Pitz, E., Bürgereinung und Städteeinung, 2001 Einwerfung oder Ausgleichung ist die Berücksichtigung eines Vermögenswerts, der einem von mehreren Erben zu Lebzeiten des Erblassers zugeflossen ist, bei der Auseinandersetzung des Nachlasses. Sie ist dem römischen Recht als (lat.) -> collatio (F.) bonorum bekannt. Sie findet sich im langobardischen und westgotischen Volksrecht sowie im -> Sachsenspiegel und im -> Schwabenspiegel. Ausführlich ist die Aus- gleichung in den neuzeitlichen Gesetzbüchern behandelt. Lit.: Kaser § 73 IV; Hübner 750ff. Eisenach am nordwestlichen Fuß des Thüringer Waldes erhält 1283 Stadtrecht. Eisenacher Rechtsbuch ist ein in verschiedenen Fassungen überliefertes Rechtsbuch der Stadt E. Das bruchstückweise erhaltene ältere Eisenacher Rechtsbuch des Stadtschreibers Johannes -> Rothe (Creuzburg 1350/60- Eisenach 1434) von 1384-1387 verbindet in seinen 10 Büchern Teile des Meißener Rechtsbuches, des glossierten Sachsenspiegels, des Schwabenspiegels und des Decretum Gratiani, der Digesten, der Dekretalen und anderer gelehrter Quellen mit dem Eisenacher Stadtspiegel von 1283 und Eisenacher Gerichtsgewohnheiten des 14. Jh.s. Es wird von einem nicht erhaltenen Eisenacher Kettenbuch verwertet. 1503/1504 überarbeitet der Stadtschreiber Johann -> Purgold das ältere Ei- senacher Rechtsbuch unter Einbeziehung der Institutionen und des Codex in den 8 wenig geordneten Büchern seines jüngeren Eisenacher Rechtsbuches. Lit.: Die Stadtrechte von Eisenach, Gotha und Waltershausen, hg. v. Strenge, K. u. a., 1909; Helmoldt, H., Geschichte der Stadt Eisenach, 1936; Rondi, P., Eisenacher Rechtsbuch, 1950; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 57 ist das im 19. Jh. auf der Grundlage älterer Ansätze entwickelte, auf Schienen laufende, dem öffentlichen oder ihm ähnlichen Verkehr dienende Transportmittel. Die erste Eisenbahnstrecke wird 1830 zwischen Manchester und Liverpool, die erste deutsche Eisenbahnstrecke 1835 zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet. Bereits 1838 sieht Preußen auf Grund eines schriftlichen Votums des Staatsratsmitglieds (1817-1848) Friedrich Carl von Savigny für die E. eine -> Gefährdungshaftung vor. Zu Gunsten der E. werden vielfach Grundstückseigentümer enteignet. Die aus militärischen Gründen überwiegend verstaatlichten Eisenbahnen wirtschaften vor allem nach Erfindung des nicht an Schienen gebundenen Automobils (Kraftfahrzeugs) grundsätzlich mit Verlusten, weshalb seit der Mitte des 20. Jahrhunderts Streckenstilllegungen erforderlich sind. Lit.: Köbler, DRG 176; Anderegg, F., Schweizerische und bernische Eisenbahngesetzgebung, 1978; Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, 1994; Ziegler, D., Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung, 1996; Then, V., Eisenbahnen und Eisenbahnunternehmer, 1997; Bracht, C., Der Bau der ersten Eisenbahnen in Preußen, 1998; Julitz, L., Bestandsaufnahme Deutsche Bahn, 1998; Schubert, W., Das preußische Eisenbahngesetz von 1838, ZRG GA 116 (1999), 152; Die Eisenbahn in Deutschland, hg. v. Gall, L. u. a., 1999; Wachtel, R./Marxmüller, H./Heide, H., Eisenbahnunfälle, 2000; Mitchell, A., The Great Train Race, 2000; Delbanco, H., Ursprünge des europäischen Eisenbahnrechts, in: Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts 5 (2000), 215; Raster, J., Enteignung und Eisenbahnbau, 2003 162 Eisenbahnrecht ist die Gesamtheit der die auf Schienen laufenden, dem öffentlichen oder ihm ähnlichen Verkehr dienenden Transportmittel betreffenden Rechtssätze. Rechtlich wirkt sich die -> Eisenbahn vor allem auf die Bildung von Aktiengesellschaften, die Enteignung von Grundstücken und die Entwicklung der Gefährdungshaftung (Preußen 1838) aus. 1920 übernimmt in Deutschland das Reich (bis 1924 und von 1937 an) die Eisenbahnverwaltung. Nach 1993 wird die verlustreiche Deutsche Bahn teilweise privatisiert. Lit.: Loth, W., Verkehrsentwicklung in Deutschland seit 1800, 1920; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Anderegg, F., Schweizerische und bernische Eisenbahn- gesetzgebung, 1978; Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, 1994; Heyn, F., Die Entwicklung des Eisenbahnfrachtrechts, 1996; Küper, N., Entlastung des Straßengüterverkehrs durch den Schienengüterverkehr, 1997; Schubert, W., Das preußische Eisenbahngesetz von 1838, ZRG 116 (1999), 152 Ekenberger, Blasius Lit.: Elucubratio Blasii Ekenbergers auer dat erste undt ander Koning Waldemari Lohbuch anno 1595, hg. v. Haff, Jk., 1932 Ekloge ([F.] Auswahl) ist vor allem das römische Strafrecht abändernde byzantinische Gesetz Kaiser Leos III. des Jahres 726, das erstmals ausdrücklich auf Generalprävention abzielt. Es ordnet viele verstümmelnde Körperstrafen an und weitet den Bereich der Straftaten gegen die Sittlichkeit aus. Lit.: Sinogowitz, Studien zum Strafrecht der Ekloge, 1956 Elbing Lit.: Brünneck, W. v., Zur Geschichte der Gerichtsverfassung Elbings, ZRG 36 (1915), 24 Elegante Jurisprudenz ist die aus dem französischen (lat.) -> mos (M.) Gallicus entwickelte niederländische Rechtswissen- schaft des 17./18. Jh.s. Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Canoy-Olthoff/Nve, P., Holländische Eleganz, 1990; Van den Bergh, G., Die holländische elegante Schule, 2001 Elektriziät ist das zuerst an der Reibung von Bernstein erkannte Spannungsverhältnis zwischen einem geladenen Teilchen und seiner Umgebung. Im 19. Jh. wird die E. wirt- schaftlich nutzbar gemacht. Seitdem wird sie auch rechtlich erfasst. Lit.: Stier, B., Staat und Strom, 1997; Kehrberg, J., Die Entwicklung des Elektrizitätsrechts in Deutschland, 1997 Elsass ist die Landschaft zwischen Oberrhein und Vogesen, die seit 269 n. Chr. von Alemannen besetzt wird. Das E. kommt 870 zum ostfränkischen Reich. Im Hochmittelalter erringen die Grafen von -> Habsburg wichtige Rechte, verpfänden ihre Güter 1469 aber an Burgund. 1648/1697 gelangt das E. an Frankreich, das es seit 1789/1790 zunehmend integriert. Von 1871 bis 1918 bildet das E. einen Teil des deutschen Reichslandes Elsass- Lothringen. 1940-1945 wird nochmals eine deutsche Zivilverwaltung errichtet. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Stouff, L., Les origines de l'annexion de la Haute-Alsace la Bourgogne en 1469, 1901; Schmidlin, J., Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im Oberelsass, 1902; Becker, J., Geschichte der Reichslandvogtei im Elsass, 1905; Hessel, A., Elsässische Urkunden, 1915; Meyer, O., La régence épiscopale de Saverne, 1935; Thieme, H., Staufische Stadtrechte im Elsass, ZRG GA 58 (1938), 654; Colmarer Stadtrechte, bearb. v. Finsterwalder, P., 1938; Büttner, H., Geschichte des Elsass, Bd. 1 1939; Atlas de villes médiévales d'Alsace, hg. v. Himly, F., 1970; Seidel, K., Das Oberelsass, 1980; Dollinger, P., Histoire d'Alsace, 4. A. 1984; Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, 1982ff. Elsass-Lothringen -> Elsass, -> Lothringen Lit.: Jacob, K., Das Reichsland Elsass-Lothringen, Bd. 1ff. 1898ff.; Hamburger, G., Die staatsrechtlichen Besonderheiten der Stellung des Reichslandes Elsass- Lothringen, 1901 elterliche Gewalt -> Eltern, -> Kind elterliche Sorge -> Eltern, -> Kind Lit.: Schlüter, W., Elterliches Sorgerecht, 1985; Liebler- Fechner, M., Der ideologisch motivierte Entzug des elterlichen Sorgerechts in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001; Andermann, M., Der ideologisch motivierte Entzug des elterlichen Sorgerechts im Dritten Reich und in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003 Eltern sind Vater und Mutter eines Kindes. Von ihnen hat im römischen Recht der Hausvater (lat. [M.] pater familias) bis zu seinem Tode die fast unbeschränkte väterliche Gewalt (lat. patria potestas [F.]) über die Haussöhne und Haustöchter, die nur allmählich 163 gemäßigt wird. In gleicher Weise untersteht bei den Germanen das Kind der Personalgewalt (germ. *mundiz) des Familienvaters. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) stehen die ehelichen Kinder bis zur Volljährigkeit unter elterlicher Gewalt, die in erster Linie dem Vater und nur daneben der Mutter obliegt. Am 18. 7. 1979 wird die elterliche Gewalt in Deutschland durch die elterliche Sorge ersetzt, bei der Kinder in gewissem Umfang an wichtigen Entscheidungen beteiligt und die Eltern stärker auf das Wohl der Kinder verpflichtet sind. Lit.: Kaser § 60; Hübner; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche zwischen Eltern und Kindern, 1982; Zitscher, H., Elterlicher Status in Richterrecht und Gesetzesrecht, 1996; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000 Emancipatio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die rechtsgeschäftliche Entlassung des Hauskindes aus der väterlichen Gewalt. Bei ihr werden Söhne dreimal, Töchter und Enkel einmal, vom Hausvater an einen Vertrauens- mann übertragen. Von diesem werden sie danach jeweils freigelassen, wodurch sie an den Hausvater zurückfallen. Nach der letzten, für die Beendigung der väterlichen Gewalt erforderlichen Übertragung wird das Hauskind vom Vertrauensmann an den leiblichen Vater zurückübertragen, damit es von diesem endgültig freigelassen wird, ohne durch die Freilassung in die Patronatsgewalt des Ver- trauensmannes zu fallen. Lit.: Kaser § 60 IV; Köbler, DRG 21 Emancipatio (lat. [F.]) Saxonica ist die in der frühen Neuzeit im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) geübte Lösung des Haussohns aus der väterlichen Gewalt durch wirtschaftliche Verselbständigung (-> Abschichtung). Lit.: Hübner; Köbler, DRG 160 Emanzipation ist die Befreiung aus einem Zustand der Beschränkung oder Abhängigkeit. Sie nimmt ihren Ausgang bei der römischrechtlichen -> emancipatio. Seit dem 19. Jh. richtet sich die E. hauptsächlich auf die Befreiung der Frau von der Vorherrschaft des Mannes, deren Auswirkungen sich im Familienrecht der zweiten Hälfte des 20. Jh.s erkennen lassen. Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 178, 252; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 153; Theurer, A., Emanzipation, 1996; Jenni, R., Die Emanzipation der mehrjährigen Frauenzimmer, 1997; Grimme, M., Die Entwicklung der Emanzipation der Frau, 2003; Revolution und Emanzipation, hg. v. Rennhak, K. u. a., 2004 Emden Lit.: Fritzschen, G., Die Entwicklung des Emder Stadtrechts, Diss. jur. Göttingen 1958 Emendatio (lat. [F.]) ist die lateinische Bezeichnung für die frühmittelalterliche -> Buße. Lit.: Köbler, DRG 91 Emilia Romagna ist die zwischen Po, Apennin und Adria gelegene, ursprünglich von Etruskern besiedelte, nach der Konsularstraße des M. Aemilius Lepidus (187 v. Chr.) benannte Landschaft. Im Mittelalter steht sie teils unter der Herrschaft der Langobarden, teils Byzanz` bzw. des Kirchenstaats. Die sich danach entwickelnden Herzogtümer Modena und Reggio sowie Parma und Piacenza kommen 1860 zu -> Italien. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon (Modena, Parma); Storia della Emilia Romagna, hg. v. Berselli, A., 1976 Emmingersche Justizreform ist die nach dem seinerzeitigen Reichsjustizminister Erich Emminger (1880-1951) benannte Verein- fachung des Verfahrensrechts. Zwei Verord- nungen vom 4. 1. 1924 und 13. 2. 1924 schränken die Herrschaft der Partei über das Zivilverfahren zugunsten der Leitungsbefugnis des Richters ein und wandeln das im 19. Jh. errichtete -> Schwurgericht unter Beibehaltung des Namens in ein großes -> Schöffengericht (3 Berufsrichter, 6 Geschworene) um. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Vormbaum, T., Die Lex Emminger vom 4. Januar 1924, 1988 Emphytheusis (lat. [F.]) ist die Erbpacht des spätrömischen Rechts, die auch im Wege der Rezeption Auswirkungen hat. Lit.: Kaser § 30; Köbler, DRG 61; Cencetti, G., Il contratto di enfiteusi, 1933; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Theisen, F., Studien zur Emphyteuse, 2003 Empirismus ist die von -> Bacon (1561-1626) in Fortführung des mittelalterlichen Nomina- lismus, dem Allgemeinbegriffe nur Sammelnamen für einzelne wirkliche 164 Erscheinungen sind, begründete, neue, von kirchlicher Dogmatik befreite Erkenntnis- methode (Begriff von Kant eingeführt), die von der vorurteilslosen Beobachtung von Einzelvorgängen als Begreifen der Welt an Hand von messbaren und zählbaren Größen induktiv zu allgemeinen Erkenntnissen führen soll. Die Erkenntnistheorie des E. entwickelt John Locke (1632-1704). Lit.: Köbler, DRG 136; Moody, E., Empiricism and Metaphysics, Philosphical Revue 67 (1958), 145; Engfer, H., Empirismus versus Rationalismus, 1996 Emptio venditio (lat. [F.]) ist im römischen Recht der -> Kauf. Er ist ursprünglich wohl ein Handgeschäft, bei dem Abschluss und Ausführung des Austausches einer Sache gegen einen in Geld bestehenden Preis zeitlich zusammenfallen, unabhängig davon, ob eine (lat. [F.]) -> mancipatio erforderlich ist oder ein formfreies Geschäft (über eine res nec mancipi oder mit einem Nichtrömer) zur Sicherung des Erwerbers vor Diebstahlverdacht ausgeführt wird. Spätestens seit dem 2. Jh. v. Chr. werden Vereinbarung (Konsensualkontrakt) und Erfüllung getrennt, so dass die e. v. den Verkäufer zur möglicherweise später erst erfolgenden Übertragung des Eigentums verpflichtet. In nachklassischer Zeit wird der Vertragsabschluss vielfach beurkundet und geht das Eigentum mit dem Abschluss und der Zahlung des Kaufpreises über. Justinian trennt Kauf und Übereignung wieder, lässt aber die Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung zu. Lit.: Kaser §§ 38, 41; Söllner §§ 9, 15; Köbler, DRG 45 Emser Punktation ist die in Bad Ems im Jahre 1786 getroffene, nicht in Wirksamkeit getretene Vereinbarung der Erzbischöfe von Köln, Mainz, Trier und Salzburg mit dem Ziel, eine größere Selbständigkeit (der deutschen Kirche) vom Papst zu erreichen. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Emunitas (lat. [F.]) ist die Freiheit von der Abgabenpflicht der kirchlichen Güter und der Kleriker seit Kaiser Konstantin (306-337). -> Immunität Lit.: Köbler, DRG 30 Endlicher Rechtstag ist vor allem im von der - > Constitutio Criminalis Carolina (1532) maßgeblich geprägten frühneuzeitlichen Straf- verfahren der der heimlichen -> Inquisition folgende Tag der öffentlichen Verhandlung, der angesichts des durch Folter erreichten Geständnisses für das Urteil weitgehend nur noch förmliche Bedeutung hat. Er entwickelt sich als Folge der Inquisition seit dem 14. Jh. und verschwindet endgültig erst im frühen 19. Jh. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 118, 156; Schild, W., Der entliche Rechtstag, in: Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984 Endlösung ist die vom Nationalsozialismus angestrebte und teilweise verwirklichte Vernichtung des Judentums (Holocaust) in besonderen Vernichtungslagern (z. B. Auschwitz, Bergen-Belsen, Dachau). Lit.: Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel-Rohwer, 1985; Verbrechen erinnern, hg. v. Knigge, V. u. a., 2002 Energiewirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die Energiewirtschaft betreffenden Rechtssätze. Lit.: Kehrberg, J., Die Entwicklung des Elektrizitätsrechts, 1997; Grunwald, J., Das Energierecht der Europäischen Gemeinschaften, 2003 Engadin ist die Tallandschaft in -> Graubünden, die seit dem 10. Jh. an den Bischof von Chur gelangt. Lit.: Jecklin, F., Land und Leute des Unterengadins und Vintschgaus im 14. Jahrhundert, 1922; Stolz, O., Beiträge zur Geschichte des Unterengadis aus Tiroler Archiven, Jahresbericht der hist. ant. Gesellschaft von Graubünden 53 (1924); Valr, P., Die Entwicklung der hohen Gerichtsbarkeit, Diss. jur. Zürich 1927; Stolz, O., Zur Geschichte der Landeshoheit im Unterengadin und in Tirol, ZRG GA 49 (1929), 439; Schwarzenbach, A., Beiträge zur Geschichte des Oberengadins, 1931; Planta, P. v., Die Rechtsgeschichte des Oberengadins, 1931 Engelbert (Poetsch) von Admont (um 1250- 16. 5. 1331) wird nach dem Studium in Prag und Padua (1278-1287 u. a. Recht) Abt in Admont und verfasst, beeinflusst von Aristoteles und Cicero, verschiedene staats- politische Schriften ([lat.] Speculum virtutum, Tugendspiegel, De regimine principum, Über Fürstenherrschaft, De ortu et fine Romani imperii [1312], Vom Anfang und Ende des römischen Reichs). Lit.: Fowler, G., Engelbert of Admont and the Universal Idea, 1958; Hamm, M., Engelbert von Admont als Staatstheoretiker, Diss. phil. Würzburg 1973; Engelbert von Admont, hg. v. Baum, W., 1998; Ubl, K., Engelbert von Admont, 2000 165 Engels, Friedrich (Barmen/Wuppertal 28. 11. 1820-London 5. 8. 1895), Textilfabrikantensohn, wird nach kaufmännischer Lehre und dem Besuch von Philosophievorlesungen Mitbegründer des -> Marxismus (Die Lage der arbeitenden Klasse, 1845). Lit.: Hirsch, H., Friedrich Engels, 1968; Herferth, W., Sachregister zu den Werken Karl Marx, Friedrich Engels, 1983; Marx-Engels Begriffslexikon, hg. v. Lotter, K., 1984 England ist die vereinfachende Bezeichnung für die zunächst von Kelten (Briten, Pikten) besiedelten, um die Zeitenwende (41-54 n. Chr.) zum Teil von Rom in sein Weltreich eingegliederten und gegen 470 n. Chr. von den Angeln, Sachsen und Jüten (-> Angelsachsen) eroberten nordwesteuropäischen Inseln. 1066 geraten die Angelsachsen unter die Herrschaft der -> Normannen, woraus eine ziemlich unterschiedliche anglonormannische Ober- schicht entsteht. Nacheinander regieren Könige aus den Häusern -> Plantagenet (1154-1399), Lancaster (1399-1461), York (1461-1485), Tudor (1485-1603), -> Stuart (1603-1649, 1660-1714), Hannover (1714-1901), Sachsen- Coburg (1901-1910) und Windsor (seit 1910). Bereits 1614 gelingt es dem -> Parlament, seine Stellung dauerhaft so zu stärken, dass es die Einberufung unabhängig vom Willen des Königs, die Zuständigkeit für alle Steuergesetze und die Beseitigung aller Sondergerichte erreicht. 1649 wird König Karl I. hingerichtet, die Monarchie abgeschafft und E. zum Commonwealth erklärt. 1660 wird der Sohn Karls I. als Karl II. zum König berufen, doch gelingt 1689 in der -> Bill of Rights dem Parlament der Ausbau seiner Rechte. 1707 wird durch die Vereinigung des Parlamentes -> Schottlands mit dem englischen Parlament aus der seit dem Beginn der Herrschaft der Stuarts bestehenden Personalunion die Realunion -> Großbritannien. Danach wird das über ein durch seinen hohen Anteil indirekter Steuern ertragreiches Steuersystem verfügende Land allmählich Weltmacht. In ihm beginnt die wohl vom puritanischen Unernehmergeist begüns- tigte sog. industrielle Revolution. Das Unterhaus (-> House of Commons) (Wahl- rechtsänderungen 1832, 1867, 1884, 1918, 1948) setzt sich bis 1911 gegenüber dem Oberhaus (-> House of Lords) durch und gestaltet allmählich die Monarchie zur bloßen äußerlichen Staatsform. Mit dem zweiten Weltkrieg endet die Stellung als Weltmacht. 1973 tritt Großbritannien der Europäischen Gemeinschaft (1993 Europäischen Union) bei. Lit.: Köbler, DRG 175; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts- geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,62,1047, 3,2,2217,3650,3927; A Bibliography of English History, hg. v. Graves, E., 1975; Makower, F., Die Verfassung der Kirche von England, 1894; Vinogradoff, Villainage in England, 1892; Vinogradoff, P., English society in the eleventh cetury, 1908; Hatschek, J., Englische Verfassungsgeschichte, 1913; Cam, H., Studies in the Hundred Rolls, 1921; Jacob, E., Studies in the period of baronial reform and rebellion, 1258-1267, 1925; Stephenson, C., Borough and Town, 1933; Lenz, G., Demokratie und Diktatur in der englischen Revolution 1640-1660, 1933; Tait, J., The medieval English borough, 1936; Weinbaum, M., The incorporation of boroughs, 1937; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Sandberger, D., Studien über das Rittertum in England, 1937; Trautz, F., Literaturbericht über die Geschichte Englands im Mittelalter, HZ Sonderheft 2 (1965), 108; Hill, C., Intellectual origins of the English revolution, 1965; Gerlach, H., Der englische Bauernaufstand von 1381, 1969; Ziegenbein, U., Die Unterscheidung von Real und Personal Actions im Common Law, 1971; Vollrath-Reichelt, H., Königsgedanke und Königtum bei den Angelsachsen, 1971; Crime in England 1550-1800, hg. v. Cockburn, J., 1977; Wellenreuther, H., Repräsentation und Grundbesitz in England, 1979; Hyams, P., Kings, Lords ans Peasants in Medieval England, 1980; Kluxen, K., Geschichte Englands, 5. A. 1998; Kluxen, K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987; Kleinhenz, R., Englische Institutionengeschichte ­ Perspektiven der Kabinetsent- wicklung zwischen dem ausgehenden 17. Jahrhundert und dem Jahre 1783, ZRG GA 105 (1988), 145; Kaeuper, R., War, Justice and Public Order, 1988; Wirsching, A., Parlament und Volkes Stimme, 1990; Cheney, C. u. a., Notai in Inghilterra, 1991; Kleinhenz, R., Königtum und parlamentarische Vertrauensfrage in England 1689-1841, 1991; Loyn, H., Anglo-Saxon England, 2. A. 1992; Mortimer, R., Angevin England, 1994; Chibnall, M., Anglo-Norman England, 1995; Maurer, M., Kleine Geschichte Englands, 1997; Verwaltung und Verwaltungsrecht in Frankreich und England, hg. v. Heyen, E., 1996; Krieger, K., Geschichte Englands, 3. A. 2002; Niedhart, G., Geschichte 166 Englands, 2. 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Vollrath, H. u. a., 2004; English Government in the Thirteenth Century, hg. v. Jobson, A., 2004; McCarthy, C., Marriage in Medieval England, 2004 Englisches Recht ist das in -> England (seit 1830 auch in Wales, nicht dagegen ohne weiteres auch in Schottland und Irland) geltende Recht. Seinen Ausgangspunkt bilden die frühmittelalterlichen -> Volksrechte (Gesetze) der -> Angelsachsen. Mit dem Sieg der -> Normannen (1066) wird das -> angelsächsische Recht auf die örtlichen Gerichte beschränkt, während am Königsgericht (-> Court of King`s Bench, -> Court of Common Pleas, -> Court of Exchequer) eine übergeordnete, französisch (Law French) gehaltene commune ley (lat. communis lex [F.], gemeines Recht) Anwendung findet (-> common law). Besondere Bedeutung erlangt hier der vom Kanzler des Königs dem Kläger ausgestellte, lateinisch abgefasste -> writ (ver- fahrensrechtliche Weisung) an den Sheriff, von dem es bereits 1227 56 verschiedene Arten gibt. Wegen des Gewichts des Königsgerichts und der grundlegenden Bedeutung der vor ihm durch den writ eröffneten Verfahrensarten rückt der praktisch geschulte Richter im Mittelalter in den Mittelpunkt des Rechts. Dieses wird durch Einzelurteile fortgebildet, in denen nur ausnahmsweise von einem Präjudiz abgewichen wird (amtliche Aufzeichnungen in Latein als records, nichtamtliche Aufzeichnungen durch junge Anwälte in Lawfrench von etwa 1290 bis 1536 in reports bzw. year books). Dabei kommt zum könig- lichen Gericht seit dem Spätmittelalter das Gericht des Kanzlers (-> Court of Chancery) hinzu, das nach Billigkeit (-> equity) urteilt. Seit dem 19. Jh. gewinnt demgegenüber das Gesetz ein gewisses, mit dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union steigendes Gewicht. Lit.: Placita Anglo-Normannica, hg. v. Bigelow, M., 1879; Bigelow, M., History of procedure in England, 1880; Gneist, R. v., Englische Verfassungsgeschichte, 1882; Holland, T., The Elements of Jurisprudence, 2. A. 1882; Pollock, F./Maitland, F., The History of English Law, Bd. 1f. 2. A. 1898; Wertheim, P., Wörterbuch des englischen Rechts, 1899; Maitland, F., English Law and the Renaissance, 1901; Year books Bd. 1ff. 1903ff.; Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen, 1909; Frommhold, G., Grundzüge der Entwickung der Einzelerbfolge in Familiengüter, ZRG GA 33 (1912), 86; Hatschek, J., Englische Verfassungsgeschichte, 1913; Essays in Legal History, hg. v. Vinogradoff, P., 1913; Güterbock, C., Studien und Skizzen zum englischen Strafprozess des 13. 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Der Durchzug bewaffneter Kräfte bedarf grundsätzlich einer besonderen Erlaubnis. 1928 bestehen in Deutschland noch mehr als 200 Enklaven. Lit.: Lancizolle, W. v., Übersicht der deutschen Reichsstandschafts- und Territorialverhältnisse, 1830; Ritter, E., Freie Reichsländer, 1927 Enneccerus, Ludwig (Neustadt am Rübenberge 1. 4. 1843-Marburg 31. 5. 1928), Pastorensohn, wird nach dem Studium von Mathematik und Recht 1872 außerordentlicher Professor für römisches Recht in Göttingen und 1873 ordentlicher Professor in Marburg. Er verfasst 1898 ein während der ersten Hälfte des 20. Jh.s bedeutsames Lehrbuch des bürgerlichen Rechts (Allgemeiner Teil, 30.-34. A. bzw. 12. Bearbeitung 1928, Schuldrecht, 28.-30. A. bzw. zweiter Abdruck der 10. Bearbeitung 1928) in Deutschland. Lit.: Köbler, DRG 184; Jacobi, A., Ludwig Enneccerus 1843-1928, 1999 Enteignung ist die Entziehung oder Belastung des Eigentums durch staatlichen Hoheitsakt zur Befriedigung öffentlicher Belange. Die E. wird bereits in der römischen Spätantike bezüglich Grundstücke oder Lebensmittel geübt und als Zwangskauf verstanden. Danach kann in der hochmittelalterlichen Stadt (Oberitalien 12. Jh., Kopenhagen 1254, Schaffhausen 1380) eine bauliche Beschränkung festgelegt oder sogar das -> Eigen gänzlich entzogen werden. Das Naturrecht anerkennt allgemein die E. gegen Entschädigung (-> Grotius, §§ 74, 75 Einleitung zum ALR, § 365 ABGB, Zwangskauf). Seit der französischen Revolution (1789/1810) werden als grund- legende Voraussetzungen der E. (franz. [F.] expropriation) ein öffentliches Bedürfnis, ein rechtmäßiges Verfahren sowie eine ausgleichende Entschädigung angesehen. Im 20. Jh. bildet in Deutschland die Verfassung (Art. 153 WRV, 14 GG) die Rechtsgrundlage für den Eingriff in das Eigentum. Lit.: Kaser § 23 I 3; Hübner 272; Köbler, DRG 40, 124, 163, 212; Baltl/Kocher; Layer, M., Prinzipien des Enteignungsrechts, 1902; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 1 1930, 225; Mann, F., Zur Geschichte des Enteignungsrechts, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. 2 1960, 291; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1770; Grimm, D., Die Entwicklung des Enteignungsrechts, in: Wissenschaft und Kodifi- kation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 121; Pennitz, M., Der Enteignungsfall, 1992; Schubert, W., Zur Entwicklung des Enteignungsrechts 1919-45, ZRG GA 111 (1994), 482; Jung, O., Volksgesetzgebung, Bd. 1f. 2. A. 1996; Raster, J., Enteignung und Eisenbahnbau, 2003; Paffrath, C., Macht und Eigentum, 2004 Enteignungsgleicher Eingriff ist der in Deutschland durch die Rechtsprechung 1952 als entschädigungspflichtig eingeordnete rechtswidrige, einer rechtmäßigen Enteignung in den Wirkungen gleichkommende Eingriff in eine vermögenswerte Rechtsposition. Lit.: Köbler, DRG 259 Enterbung ist die bereits dem klassischen römischen Recht (lat. [F.] exheredatio) bekannte Entziehung einer Erbaussicht eines gesetzlich Erbberechtigten durch -> letztwillige Verfügung. Sie erscheint überall, wo letztwillige Verfügungen unbeschränkt zulässig sind. Lit.: Kaser §§ 65, 67, 69; Hübner; Köbler, DRG 38; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Merkel, J., Die justinianischen Enterbungsgründe, 1908; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Entführung ist die rechtswidrige Fortführung eines Menschen, insbesondere einer (ein- willigenden) Frau zur Erreichung sexueller Ziele. Die E. begründet im Frühmittelalter eine -> Fehde. Im Spätmittelalter wird für E. (ohne Einwilligung) wie für Frauenraub und Notzucht Enthauptung angedroht. Seit der Mitte des 18. Jh.s tritt an die Stelle der Todesstrafe eine zeitliche Freiheitsstrafe. Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 145 Entgeltfortzahlungsgesetz ist das 1995 das Lohnfortzahlungsgesetz ersetzende deutsche Gesetz. Lit.: Köbler, DRG 273 Enthauptung ist die durch Abtrennung des Haupts vom Rumpf mittels Schwert oder später mittels Guillotine vollzogene Tötung bzw. -> Todesstrafe. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur 169 Karolina, 1928, Neudruck 1967 Entmannung (Kastration) ist die Entfernung der Keimdrüsen eines Mannes. Sie führt im Frühmittelalter als Körperverletzung zu einer Buße (Wergeld). Sie kann im Mittelalter auch als Strafe (bei Vergehen gegen die Sittlichkeit) eingesetzt werden. Im Dritten Reich wurden in Umsetzung älterer Überlegungen rund 366000 Menschen zur Verhütung erbkranken Nachwuchses sterilisiert. Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967; Tuchel, S., Kastration im Mittelalter, 1998; Kramer, S., Ein ehrenhafter Verzicht auf Nachkommenschaft, 1999; Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000 Entmündigung ist die Entziehung oder Beschränkung der dem Entmündigten dem Alter nach an sich zustehenden -> Geschäftsfähigkeit. In Rom kann nach dem Zwölftafelgesetz (5, 7c) der Verschwender durch (lat. [F.]) interdictio (Untersagung) (des Prätors) von allen Verpflichtungsgeschäften und Verfügungsgeschäften ausgeschlossen werden, wobei für das Vermögen des Verschwenders eine -> Pflegschaft (lat. [F.] cura) eingesetzt wird. Im Mittelalter wird die Familie tätig, welche die E. vor Gericht kundzugeben hat. Später greift die Obrigkeit ein. Der Entmündigte erhält einen Vormund. In Deutschland wird die E. 1992 (Gesetz vom 12. 9. 1990) durch die -> Betreuung ersetzt. Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Hübner; Schwarz, A., Die Entmündigung des Verschwenders, Diss. jur. Tübingen 1891; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schmidt, T., Die Entmündigung, 1998 Entnazifizierung ist die Reinigung von nationalsozialistischem Gedankengut und die damit verbundene Entfernung von Anhängern des -> Nationalsozialismus aus ihren beruflichen Stellungen. Sie erfasst im Gebiet der alten Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland 3,6 Millionen Fälle. Als Folge werden 486 Menschen hingerichtet, 1667 als Hauptschuldige, 23060 als Belastete, 150425 als Minderbelastete, 1500874 als Mitläufer und 1213873 als Entlastete eingestuft. Andererseits entsteht bald eine überparteiliche Überein- stimmung dahin, Belastete rasch in die demokratische Gesellschaft einzugliedern. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245; Fürstenau, Entnazifizierung, 1969; Niethammer, L., Entnazifizierung in Bayern, 1972; Lange, J., Entnazifizierung in Nordrhein-Westfalen, 1976; Hornhardt, G., Die Stunde der Justiz, ZRG GA 106 (1989), 239; Vollnhals, Entnazifizierung, 1991; Frei, N., Vergangenheitspolitik, 2. A. 1997; Kappelt, O., Die Entnazifizierung in der SBZ, 1997; Borgstedt, A., Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951, 2001; Entnazifizierung im regionalen Vergleich, hg. v. Schuster, W. u. a., 2004; Deissler, D., Die entnazifizierte Sprache, 2004; Bedau, M., Entnazifizierung des Zivilrechts, 2004 Entsippung ist das im Frühmittelalter verschiedentlich erkennbare (freiwillige oder unfreiwillige) Ausscheiden aus einem Verwandtschaftsverband (-> Sippe). Lit.: Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, 129 Entwerung ist der (freiwillige oder unfreiwillige) Verlust der -> Gewere an einer Sache. Der Käufer einer Sache kann sich bereits im römischen Recht erst dann (wegen Nichterlangung des Eigentums) an den Verkäufer halten, wenn ihm die Sache von einem Dritten abgestritten worden ist. Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Meyer, H., Entwerung und Eigentum im deutschen Fahrnisrecht, 1902 Enzyklopädie (F.) -> Rechtsenzyklopädie Lit.: Vulgariser la science: les encyclopédies médiévales, hg. v. Ribémont, B., 1999 ; Die Enzyklopädie im Wandel vom Hochmittelalter bis zur frühen Neuzeit, hg. v. Meier, C., 2002; Kiesow, R., Das Alphabet des Rechts, 2004 Episcopalis audientia (lat. [F.]) ist die in der römischen Spätantike einsetzende besondere Gerichtsbarkeit des -> Bischofs. Lit.: Köbler, DRG 56 Epitome (gr. [F.]) Auszug (aus einem umfangreichen Text) (z. B. E. exactis regibus [Frankreich 12. Jh.], E. legum [Byzanz 920]) Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 eques (lat. [M.]) -> Ritter Lit.: Stemmler, M., Eques Romanus, 1997 Equity (engl.) ist allgemein die -> Billigkeit und im besonderen die Gesamtheit der anerkannten Sätze, nach denen das Gericht des Kanzlers (-> Court of Chancery) des -> englischen Rechtes unter Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles, aber ohne unberechenbare Freiheit des Ermessens, 170 verfährt. -> aequitas Lit.: Kroeschell, DRG 1; Barbour, W., The history of contract in early English Equity, 1914; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Macnair, M., The Law of Proof in Early Modern Equity, 1999 Erbabfindung ist der vermögensmäßige Ausgleich für die Aufgabe einer Erbaussicht. - > Abschichtung, -> Aussteuer Erbach Lit.: Killinger, G., Die ländliche Verfassung der Grafschaft Erbach, 1912; Erbauseinandersetzung ist die Aufteilung eines Erbes (N.) unter mehreren Erben (M.). Bereits im altrömischen Recht kann jeder Miterbe (lat. [M.] -> coheres) die Aufhebung der ohne weiteres eintretenden Gemeinschaft am Erbe (lat. [N.] -> consortium) jederzeit mit dem Erbteilungsklaganspruch (lat. -> actio [F.] familiae erciscundae) fordern. Seit der jüngeren Republik erhält jeder Miterbe schon während bestehender Gemeinschaft ein quotenmäßig begrenztes Recht an den einzelnen Erbschaftsgegenständen, über das er jederzeit verfügen kann. Außerdem kann er uneingeschränkt die Erbteilung begehren. Eine Aufteilung ist wohl auch bei den Germanen möglich. Allerdings erben mehrere Erben vermutlich als Gemeinschaft zur gesamten Hand, so dass der einzelne Beteiligte über seinen Anteil am Nachlass nicht verfügen kann. Jeder kann aber Teilung verlangen. Im Hochmittelalter soll dabei nach einer auch schon bei Plutarch für das 8. Jh. v. Chr. sowie bei dem Kirchenvater Augustin (354-430) bezeugten Regel der (eher zu einer gleichmäßigen Teilung fähige) Ältere teilen und der Jüngere (den ihm günstiger erscheinenden Teil) wählen (-> maior dividat, minor eligat). Die gesamthänderische Gestaltung wird 1900 auch in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen, das allerdings die Verfügung über den gesamten Erbteil zulässt. Lit.: Kaser § 73; Hübner; Kroeschell, DRG 2 Erbbaurecht ist das veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter fremdem Grund und Boden ein Bauwerk zu haben. Ihm entspricht im römischen Recht schon früh die Bürgern vererblich, aber zunächst wohl nicht veräußerlich erteilte Befugnis, auf städtischem Boden gegen Bezahlung eines Bodenzinses (lat. [N.] vectigal) ein Gebäude zu haben. Um die Zeitenwende tritt zu diesem als Pacht verstandenen Verhältnis das Recht hinzu, auf einem privaten Grundstück ein Gebäude (lat. [F.] -> superficies) zu haben. Justinian erfasst dieses veräußerlich, vererblich und belastbar gestaltete Recht teils als Recht eigener Art, teils als Servitut und teils als Emphyteuse. Im Mittelalter entsteht unabhängig hiervon die -> Erbleihe städtischer Grundstücke, die dem Beliehenen gegen jährlichen Zins ein vererbliches, unveräußerliches Recht an einem Grundstück gewährt, das jedoch allmählich zum -> Eigentum erstarkt. Danach wird das römische Recht der superficies aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) und ausführlicher die insofern das Gesetz ersetzende Verordnung über das E. (15. 1. 1919) schaffen ein besonderes veräußerliches und vererbliches, grundsätzlich grundstücks- gleich bestehendes Nutzungsrecht auf Errichtung, Besitz und Benutzung eines Bauwerks am Grundstück, wobei ein Erbbauzins nicht unbedingt erforderlich ist. Der Erbbauberechtigte ist regelmäßig Eigentümer des einen wesentlichen Bestandteil des Erbbaurechts bildenden Gebäudes. Lit.: Kaser § 30 II; Hübner; Köbler, DRG 41, 61, 240; Schiwek, D., Das Erbbaurecht, Diss. jur. Kiel 1969 Erbbaurechtsverordnung -> Erbbaurecht Erbe (M.) ist der Vermögensnachfolger des Erblassers. Erben sind in den ältesten Zeiten die Kinder des Erblassers, die das eigentümerlos gewordene Gut ohne weiteres in ihrer Gewalt haben. Im ältesten römischen Recht treten mit dem Tod des Familienvaters seine Hauskinder und seine gewaltunter- worfene Ehefrau als Rechtsgemeinschaft (lat. [N.] -> consortium) der (lat.) -> sui heredes (M.Pl.) an seine Stelle. Fehlen Hauserben, gelangt das Gut an die Agnaten (z. B. Geschwister des Erblassers, Geschwister des Vaters des Erblassers usw.) oder hilfsweise auch an die Gentilen als sog. Außenerben. Möglich sind aber Abschichtung und Abänderung durch ein Testament. E. (lat. [M.] - > heres) ist dabei nur der E. nach dem Recht der römischen Bürger (lat. ius [N.] civile), dessen Berufung auf Gesetzen, Senatuskonsulten oder auf dem vom Kaiser 171 geschaffenen Recht beruht. Deswegen kann der Prätor auch keinen Erben schaffen, sondern nur den Güterbesitz (lat. bonorum possessio [F.]) bestimmter Menschen wie den eines Erben schützen. Justinian stellt Männer und Frauen sowie Hauskinder und emanzipierte Ab- kömmlinge gleich und schließt die Agnaten 543/548 als solche von der Erbfolge aus. Er bildet vier neue Erbklassen, von denen jede frühere jede spätere verdrängt. Die christliche Kirche fordert vielleicht aus heidnischen Kultbräuchen und philosophischen Gerechtig- keitsvorstellungen heraus allmählich einen Anteil an jedem Erbe (-> Freiteil). Bei den Germanen geht das einem Hausvater (während seines Lebens als Verwalter für die Familie oder den Verwandtschaftsverband) besonders zustehende Gut mit seinem Tod auf seine Kinder über, Grund und Boden vielleicht nur auf die Söhne. Mehreren gehört es bis zu seiner Aufteilung gemeinschaftlich. Fehlen Kinder, so gelangt das Gut, da der Vater des Verstorbenen meist vorverstorben ist, als Erbe an Brüder, sonst Onkel usw. Stirbt die Frau, so fällt das von ihr möglicherweise mitgebrachte wie das ihr gegebenenfalls vom Mann zugewandte Gut an die Kinder, bei deren Fehlen aber an den (ursprünglich) Berechtigten ihrer väterlichen Familie zurück. Auch im Frühmittelalter gibt es noch keine Möglichkeit zur Veränderung dieser Regeln. Erst im Hochmittelalter wird das -> Testament aufgenommen. Seitdem stehen neben den gesetzlichen Erben die gewillkürten Erben. Die Erbfolge ist im Einzelnen von Recht zu Recht unterschiedlich. An vielen Stellen dringt die justinianische Ordnung allmählich ein. Im 18. Jh. wird hieraus das -> Pa- rentelensystem entwickelt (Joachim Georg Darjes 1714-1791). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s verbessert sich die rechtliche Stellung der Ehegatten (Deutschland 1957). Das nichteheliche Kind erhält in Deutschland 1969 ein Erbrecht oder zumindest einen Erb- ersatzanspruch, 1998 wird es gleichgestellt. Lit.: Kaser § 65; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 15, 23, 37, 59, 73, 88, 116, 122, 162, 210, 239, 268; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Ebel, W., Über die Formel ,,für mich und meine Erben", ZRG GA 84 (1967), 236; Signori, G., Vorsorgen ­ Vererben ­ Erinnern. Kinder- und familienlose Erblasser in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters, 2001 Erbe (N.) (lat. [F.] hereditas) ist der Nachlass eines verstorbenen Menschen. Er umfasst anfangs nur Werte (Vermögen), später auch Schulden. Manche Gegenstände können dabei zeitweise einer -> Sondererbfolge unterfallen (z. B. Gerade, Heergewäte, Erbhof, Gesellschaftsanteil). Lit.: Kaser § 65 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2 Erbeinsetzung ist die besondere Bestimmung zum Erben. Vielleicht schon im altrömischen Recht ist die E. (lat. heredis institutio [F.]) das Kernstück jeden Testaments. Jedes Testament muss eine E. enthalten, die (bis zu Kaiser Konstantin [306-337]) am Anfang stehen muss (lat. z. B. Titius heres esto, Titius soll Erbe sein). Die E. schafft entweder einen einzigen Erben oder lautet auf einen Bruchteil der Erbschaft. Im mittelalterlichen Recht gibt es eine besondere E. des Enkels am Grabe oder an der Bahre eines vorverstorbenen Kindes, die ein fehlendes -> Eintrittsrecht ersetzt. Lit.: Kaser § 68; Köbler, DRG 23, 38; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968 Erbengemeinschaft ist die im Falle mehrerer Erben (Miterben) entstandene Gemeinschaft (lat. [N.] -> consortium). Sie ist im klassischen römischen Recht sowie im neuzeitlich aufgenommenen römischen Recht Bruchteilsgemeinschaft, sonst meist Gesamt- handsgemeinschaft. Sie endet durch -> Erbauseinandersetzung. Lit.: Kaser § 73; Söllner § 8; Hübner 749ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 122, 162, 207; Lange, H., Lehrbuch des Erbrechts, 1962, 538 Erbenhaftung ist die Haftung des Erben für Schulden des Erblassers (und der Erbschaft). Wohl schon das römische -> Zwölftafelgesetz (451/450 v. Chr.) lässt die Haftung für Schulden des Erblassers auf den übergehen, der die Rechte des Erblassers erwirbt. Teilbare Schulden zerfallen mit der Erbfolge von selbst nach dem Verhältnis der Erbteile in selb- ständige Schulden. Der Erbe haftet unbeschränkt. Er muss also notfalls auch sein vor dem Erbfall bestehendes Vermögen zur Tilgung der ererbten Schuld verwenden. Er kann sich aber als Hauserbe der Erbschaft enthalten oder als Außenerbe die Erbschaft ausschlagen. Dagegen können sich die Nachlassgläubiger gegen die Nachteile, die ihnen aus der Überschuldung des Erben drohen, 172 durch Verlangen einer Sicherheitsleistung oder durch eine Scheidung vom Nachlass und Erbenvermögen (lat. separatio [F.] bonorum) schützen. Justinian (527-565) gewährt dem Erben die Wohltat des -> Inventars (lat. -> beneficium [N.] inventarii), wonach er durch die Errichtung eines Verzeichnisses der Erbschaftsgegenstände die Haftung für Schul- den des Erblassers auf die Gegenstände der Erbschaft beschränken kann. Im deutschen Recht haftet für Schulden des Erblassers noch im -> Sachsenspiegel nur die Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte Schulden (z. B. aus Raub, Diebstahl, Spiel) überhaupt ausgenommen sind. Später ist für alle Schulden und mit dem ganzen Nachlass einzustehen. In der Neuzeit wird die justinianische Rechtswohltat des Inventars übernommen. Lit.: Kaser § 74; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lewis, W., Die Succession des Erben, 1864; Freytagh-Loringhoven, A. v., Die Schuldenhaftung der Erben nach den livländischen Rechtsbüchern, ZRG GA 27 (1906), 92; Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und Erbenhaftung, ZRG GA 28 (1907), 69; Enneper, C., Die Reform der Erbenhaftung im Erbrechtsausschuss, 1993; Peer, R., Die Vorschläge der Akademie für Deutsches Recht, Diss. jur. Mannheim 1995; Muscheler, K., Die Haftung der Erben im preußischen ALR, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997 Erbenlaub ist im mittelalterlichen deutschen Recht (z. B. -> Sachsenspiegel) die (aus der Gebundenheit des Familienguts erwachsende Notwendigkeit der) Zustimmung (Erlaubnis) des (zur Zeit einer Verfügung) nächsten Erben zu einer Verfügung des (künftigen) Erblassers über ein Grundstück. Damit gibt der Erbe seine Erbaussicht auf. Fehlt das E., ist das Geschäft zwischen Erblasser und Dritten gegenüber dem Erben unwirksam. Dieser kann es angreifen und das veräußerte Gut teils ohne Gegenleistung, teils gegen Erstattung des Kaufpreises (-> Erbenlosung) verlangen. Der unmündige Erbe hat diese Rechte bis zu einer bestimmten Frist nach Erreichen der Mündigkeit. Lit.: Heusler, A., Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1886, 54; Partsch, G., Das Mitwirkungsrecht der Familienge- meinschaft im älteren Walliser Recht, 1955 Erbenlosung ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Befugnis eines Erben, ein ohne seine Zustimmung abgeschlossenes Verfügungsge- schäft über ein Grundstück des Erblassers gegen Erstattung des Kaufpreises an den Erwerber rückgängig zu machen. Lit.: Hübner 428; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853 Erbenwartrecht ist das Anrecht (Wartrecht) des nächsten künftigen Erben (z. B. der Söhne) auf das Vermögen eines künftigen Erblassers. Es ist eine Art Anwartschaft auf die in Aussicht stehende Erbschaft. Es beruht auf der Familiengebundenheit des Hausguts. Es wirkt sich (allmählich nur noch) im -> Erbenlaub und der -> Erbenlosung bzw. dem ausgleichsfreien Herausgabeanspruch (Revokationsrecht) aus. In der frühen Neuzeit wird es durch den Grundsatz der Testierfreiheit verdrängt. Lit.: Hübner 328; Köbler, DRG 124; Schröder, R., Zur Geschichte des Warterechts der Erben, ZRG 9 (1870), 410; Adler, S., Über das Erbenwartrecht nach den ältesten bairischen Rechtsquellen, 1891; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 2 1931, 217 Erbfolge ist der Übergang des Vermögens des Erblassers auf den Erben. Für die E. entwickeln sich bereits früh vor allem in der Hinsicht Regeln, wer der -> Erbe (oder die gemeinschaftlichen Erben) innerhalb der Gesamtheit der Verwandtschaft des Erblassers ist (oder sind). Dabei unterscheidet das römische Recht zunächst zwischen Hauserben (lat. -> sui heredes [M.Pl.) und Außenerben und legt danach eine genauere Reihenfolge fest, die in der justinianischen Novelle 118 zu den vier einander sukzessive ausschließenden Klassen der Abkömmlinge (1), der Eltern und sonstigen Vorfahren sowie der vollbürtigen Geschwister (2), der halbbürtigen Geschwister und ihrer Kinder (3) und der übrigen Seitenverwandten (4) führt. Das germanische Recht trennt zwischen Hausgemeinschaft und der (ansatzweise in Familienschaften geglie- derten übrigen) Verwandtschaft. Der Sachsenspiegel verwendet hierfür das Bild des menschlichen Körpers, bei dem der Erblasser durch den Kopf, die Kinder, Eltern und Geschwister durch den Hals, die Enkel, Großeltern, Elterngeschwister und Ge- schwisterkinder durch die Schulter, die Urenkel, Urgroßeltern, Großelterngeschwister, Elterngeschwisterkinder und Geschwisterenkel durch die Ellenbeuge, die Ururenkel, Ur- urgroßeltern, Urgroßelterngeschwister, Groß- 173 elterngeschwisterkinder, Elterngeschwisteren- kel und Geschwisterurenkel durch das Handgelenk usw. versinnbildlicht werden und ausgenommen die Angehörigen des ersten Glieds die gleich nah Geborenen zu gleichen Teilen erben. Im Übrigen sind die Ordnungen der E. im Einzelnen landschaftlich und örtlich sehr unterschiedlich. Allgemein wird ein -> Eintrittsrecht der Enkel zunehmend bejaht und die Schlechterstellung der Frau verringert. In der Neuzeit dringen verschiedene Gedanken des römischen Rechtes in das deutsche Recht ein. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) geht die gewillkürte E. der gesetzlichen E. vor und werden (jeweils außer dem Ehegatten) fünf Ordnungen von gesetzlichen Erben nach einem -> Parentelensystem unterschieden (Abkömm- linge, Eltern und deren Abkömmlinge, Großeltern und deren Abkömmlinge usw.). Fehlen Verwandte und Ehegatte, so erbt der -> Fiskus als gesetzlicher Erbe. Zusätzliche Besonderheiten gelten für die E. in die Stellung eines Monarchen. Lit.: Kaser § 66; Hübner 752; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Stobbe, O., Die Erbfolgeordnung nach den Magdeburger Schöffensprüchen, 1865; Wassersch- leben, H., Das Prinzip der Erbenfolge, 1870; Gál, A., Der Ausschluss der Aszendenten von der Erbfolge und das Fallrecht, 1904; Freytagh-Loringhoven, A. Frhr. v., Der Sukzessionsmodus des deutschen Erbrechts, 1908; Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preußen, hg. v. Sering, M., Bd. 7 1908; Fritz, M., Die gesetzliche Verwandtenerbfolge des älteren schwedischen Rechts, ZRG GA 36 (1915), 137; Kühn, O., Die kaiserliche Konstitution von 1529 über die Erbfolge der Geschwisterkinder und Ulrich Zasius, ZRG GA 78 (1961), 310; Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970; Diestelkamp, B., Das Verhältnis von Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme 1977, 1; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Buchholz, S., Erbfolge und Wiederverheiratung, 1986; Olzen, D., Vorweggenommene Erbfolge, 1988; Meuten, L., Die Erbfolgeordnung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, 2000; Hartmann, P., Das Recht der vertraglichen Erbfolgeregelung in der neueren Privatrechtsgeschichte, 2005 Erbfolgekrieg ist der aus Anlass eines Streits um die -> Erbfolge in einem Erbfall entstehende Krieg (z. B. bayerischer E., schlesischer E., spanischer E.). Er endet vielfach mit einer einvernehmlichen Güteraufteilung. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon Erbgut ist im deutschen Mittelalter das durch Erbfolge erworbene Gut im Gegensatz zum durch Kauf erlangten Gut. Für das E. gelten bis in die Mitte des 19. Jh.s verschiedentlich besondere Regeln (z. B. -> Erbenwartrecht). Lit.: Hübner 747; Kroeschell, DRG 1f. Erbhof ist allgemein der durch lange -> Erbfolge im Eigentum einer Familie stehende bäuerliche Hof. Im Dritten Reich wird für den Eigentümer des vom -> Reichserbhofgesetz (1933-1947) erfassten Erbhofs die -> Testierfreiheit eingeschränkt. Lit.: Köbler, DRG 239 Erbhuldigung ist in den österreichischen Erbländern der besondere Akt der -> Huldigung (der Landleute gegenüber dem Landesherrn), der in Niederösterreich auf das Jahr 1282, in der Steiermark auf das Jahr 1186 und in Kärnten auf die Herzogseinsetzung auf dem Herzogsstuhl bei Maria Saal zurückgeführt wird. Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899 Erblande sind die (seit alters) ererbten Länder gegenüber neueren Ländern. Zu den österreichischen Erblanden zählt zunächst das Herzogtum Österreich einschließlich vor allem der Steiermark, Kärntens und Tirols. Später kommen Burgund sowie Böhmen hinzu. Schließlich werden unter dem Begriff der E. alle österreichischen Gebiete einschließlich Böhmens von Ungarn, Galizien und den italienischen Ländern geschieden. Der eher privatrechtlichen Vorstellung der E. entspricht dann der öffentlichrechtliche der Kronländer, innerhalb deren zwischen österreichischen (mit Galizien) und ungarischen getrennt wird. Lit.: Baltl/Kocher; Hellbling, E., Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1956, 65, 267, 275 Erblasser ist der Mensch, der bei seinem Tode ein Erbe hinterlässt. Lit.: Immel, G., Die höchstpersönliche Willensentscheidung des Erblassers, 1965; Tschäppeler, H., Die Testierfreiheit, 1983 174 Erbleihe ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht die erbliche, meist entgeltliche -> Leihe von Grundstücken. Sie entspricht in vielen Zügen der spätrö- mischen Emphyteuse (Erbpacht) und der Bittleihe (Prekarie). Sie entwickelt sich sowohl in der mittelalterlichen Stadt wie in der ländlichen Grundherrschaft. In der Stadt wird aus dem erblichen Zins allmählich eine privatrechtliche -> Reallast an Eigentum. Auf dem Land treten zu dem privatrechtlichen Verhältnis die öffentlichrechtlichen Elemente der Herrschaft des Grundherrn über den Hintersassen hinzu. Die E. endet hier mit der Beseitigung der -> Grundherrschaft im 19. Jh. Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Gobbers, J., Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf, ZRG GA 4 (1883), 130; Schwind, E. v., Zur Entstehungsgeschichte der freien Erbleihen, 1891, Neudruck 1973; Rietschel, S., Die Entstehung der freien Erbleihe, ZRG GA 22 (1901), 181; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich, 1906; Schreiber, O., Die Geschichte der Erbleihe in der Stadt Straßburg im Elsass, 1909; Hallermann, H., Die Erbleihe an Grundstücken in den westfälischen Städten bis 1500, 1925; Beer, K., Beiträge zur Geschichte der Erbleihe in elsässischen Städten, 1933; Fischer, K., Die Erbleihe in Köln, 1939 Erbmonarchie ist die durch das Erbrecht einer Dynastie auf die (staatliche) Herrschaft gekennzeichnete Monarchie. Das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) schwankt zwischen Erbrecht und Wahl, wobei der Versuch eines Erbreichsplans Heinrichs VI. im deutschen Reich 1196 scheitert. Tatsächlich kommen aber die Könige und Kaiser des Reiches seit 1438 fast durchweg aus dem Hause -> Habsburg. In den Ländern setzt sich demgegenüber das Prinzip der Erblichkeit der Herrschaft durch, bis es 1918 beseitigt wird. Lit.: Köbler, DRG 95; Perels, E., Der Erbreichsplan Heinrichs VI., 1927; Wallner, M., Zwischen Königsabsetzung und Erbreichsplan, 2004 Erbpacht -> emphyteusis Lit.: Brunner, H., Die Erbpacht der Formelsammlungen, ZRG GA 5 (1884), 69 Erbrecht ist objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die das -> Erbe betreffen, subjektiv die im Erbfall entstehende Berechtigung des Erben am Nachlass. Es ist von den erkennbaren Anfängen des Rechts an ein wichtiger Bestandteil (des Privatrechts). Kennzeichnend ist zunächst die vorgegebene (gesetzliche) -> Erbfolge, die schon im altrömischen Recht und danach erneut im hochmittelalterlichen Recht um die Mög- lichkeit ergänzt wird, die gesetzliche Erbfolge gewillkürt abzuändern (gewillkürte Erbfolge, - > Erbvertrag, -> Testament). Seit dem Ende des 19. Jh.s wird das E. zunehmend durch die -> Erbschaftsteuer beeinflusst. Lit.: Kaser §§ 65ff.; Söllner §§ 8, 12, 18; Hübner 734; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 15, 23, 37, 162, 206, 210; Baltl/Kocher; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Zachariä von Lingenthal, K., Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3. A. 1892, Neudruck 1955, 133; Brunner, H., Der Totenteil in germanischen Rechten, ZRG GA 19 (1898), 107; Brunner, H., Kritische Bemerkungen zur Geschichte des germanischen Weibererbrechts, ZRG GA 21 (1900), 1; Dultzig, E. v., Das deutsche Grunderbrecht, 1899; Escher, A., Der Einfluss des Geschlechtsunterschiedes, 1899; Schultze, A., Der Einfluss der Kirche auf die Entwicklung des germanischen Erbrechts, ZRG GA 35 (1914), 75; Ferrari, G., Ricerche sul diritto ereditario, 1914; Fischel, A. v., Erbrecht und Heimfall auf den Grundherrschaften Böhmens und Mährens, Archiv für österreichische Geschichte 106 (1915); Schultze, A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, 1928; Meyer, H., ,,Ligurisches Erbrecht", ZRG GA 50 (1930), 354; Hegglin, G., Das gesetzliche Erbrecht der Rechtsquellen Unterwaldens, Diss. jur. Bern 1930; Plucknett, T., A Concise History of the Common Law, 5. A. 1956, 516; Bruck, E., Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956; Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich, 1957; Rüdin-Bader, S., Die erbrechtliche Stellung der Stiefkinder und Halbgeschwister nach den zürcherischen Rechtsquellen, 1959; Besta, E., Le successioni, 2. A. 1961; Sheehan, M., The Will in Medieval England, 1963; Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts, 1964; Arnold, J., Das Erbrecht der Reichsstadt Esslingen, 1965; Bart, J., Recherche sur l'histoire des successions, 1966; Hess, R., Familien- und Erbrecht im württembergischen Landrecht von 1555, 1968; Fedynskyj, J., Rechtstatsachen auf dem Gebiete des Erbrechts im Gerichtsbezirk Innsbruck 1937 bis 1941, 1968; Vismara, G., Famiglia e successioni nella storia del diritto, 1970; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1970; Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen des Ingelheimer und Neustadter Oberhofs, Diss. jur. 175 Frankfurt am Main 1977; Schröder, R., Abschaffung oder Reform des Erbrechts, 1981; Müller-Eiselt, K., Divus Pius constituit, Diss. jur. Freiburg 1982; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87; Hattenhauer, H., Zur Dogmengeschichte des Erbrechts, Jura 1983, 9, 68; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Udina Abelló, A., La successió testado, 1984; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., Erbrecht, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Zur Geschichte des Familien- und Erbrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Waibel, T., Erbrecht und Familie, 1988; Kasten, B., Erbrechtliche Verfügungen des 8. und 9. Jahrhunderts, ZRG GA 107 (1990), 236; Baker, H., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Das Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. 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Lit.: Kaser §§ 65 I, 66 IV; Heuser, F., Der Erbschaftserwerb im Spätmittelalter, 2002 Erbschaftsanfall ist der Übergang der Rechte und Pflichten des Erblassers (Erbschaft) auf den Erben (im Wege der Gesamtrechts- nachfolge). Er erfolgt grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers. Dagegen müssen im römischen Recht die Außenerben (Agnaten, Gentilen) einen besonderen Erwerbsakt (Erbschaftsantritt, lat. [F.] aditio hereditatis) vornehmen, so dass zwischen dem Tod des Erblassers und dem Erbschaftsantritt eine sog. ruhende Erbschaft (lat. hereditas [F.] iacens) vorliegt. Dieses Ruhen der Erbschaft wird in der Neuzeit in einigen Rechten (für alle Erben) übernommen. Daneben ist verschiedentlich eine Einweisung in die Erbschaft durch das zuständige Gericht erforderlich. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) und im schweizerischen Zivilgesetzbuch wird die Erbschaft unmittelbar erworben. Lit.: Kaser § 71 II; Hübner 734; Köbler, DRG 210; Huber, E., System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Bd. 4 1893, 541; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Fischer, H., Vonselbsterwerb und Antrittserwerb, 1996; Bielefeld, C., Die Entwicklung des Erbschaftserwerbs nach österreichischem Recht, 1997; Heuser, F., Der Erb- schaftserwerb im Spätmittelalter, 2002 Erbschaftsanspruch ist bereits im klassischen römischen Recht der Anspruch des Erben (nach zivilem Recht) gegen den, der einen Vermögensvorteil aus der Erbschaft erlangt hat, auf Herausgabe (lat. hereditatis petitio [F.]), wobei ein gutgläubiger Besitzer nach dem -> Senatusconsultum Iuventianum (129 n. Chr.) nur herauszugeben hat, worum er bereichert ist. Der Erbe nach prätorischem Recht (lat. bonorum possessor [M.] ) kann die Herausgabe auf Grund eines (lat.) interdictum (N.) quorum bonorum verlangen. Der E. wird in der frühen Neuzeit weitgehend übernommen. Lit.: Köbler, DRG 37 Erbschaftsschuld ist die von einem Erblasser oder aus dem Erbfallsvorgang herrührende Schuld. Für sie haftet der Erbe nach römischem Recht mit der von Justinian gewährten Rechtswohltat des -> Inventars. Im Hoch- mittelalter haftet noch im Sachsenspiegel nur die Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte Schulden (z. B. aus Raub, Diebstahl oder Spiel) überhaupt ausgenommen sind. Später ist für alle Schulden und mit dem ganzen Nachlass einzustehen, doch wird die Rechtswohltat des Inventars aufgenommen. -> Erbenhaftung Lit.: Kaser § 74; Hübner; Köbler, DRG 59, 123 Erbschaftsteuer ist die den Übergang eines Vermögens durch -> Erbfolge erfassende -> Steuer. Ihr gehen bereits im Mittelalter Sterbefallsabgaben etwa an den Grundherrn (-> Besthaupt, Buteil) voraus. Im Deutschen Reich wird 1906/1911 eine E. eingeführt. Ihre Höhe wird gestaffelt und führt bei sehr großen Vermögen zu sehr beachtlichen Steuern. Sie werden im Laufe des 20. Jh.s (z. B. 1997 bis 30%) noch erhöht. Lit.: Köbler, DRG 210 176 Erbschein ist das amtliche, vom Nachlassgericht auf Antrag auszustellende Zeugnis des Erben über sein Erbrecht und bei mehreren Erben auch über die Größe des jeweiligen Erbteils. Ein entsprechendes Zeugnis kennen bereits neuzeitliche Partikularrechte, die es allerdings auf den Fall der gesetzlichen -> Erbfolge beschränken. Aus den Erbbescheinigungen in Mecklenburg und Neuvorpommern sowie seit 1869 das ganze Preußen entwickelt sich der E. des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Lit.: Hübner; Köbler, DRG 211; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Hirsch, M., Von der Erbbescheinigung des preußischen Rechts zum Erbschein des BGB, 2004 Erbschulze ist der erbliche Leiter (Schulze) der bäuerlichen Gemeinde der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung vom 12. bis zum 19. Jh. Der E. hat meist einen besonderen Erbschulzenhof. Lit.: Riedel, L., Über die Dorfschulzen, 1834; Schwineköper, B., Die mittelalterliche Dorfgemeinde in Elbostfalen, in: Vorträge und Forschungen 8, 1964, Bd. 2 115 Erbteilung Lit.: Voltelini, H. v., Der Ältere teilt, der Jüngere wählt, ZRG GA 36 (1915), 478 Erbtochter ist die Tochter (evtl. auch eine weitere weibliche Verwandte) des letzten Mannes einer (adligen) Familie. Über sie werden vielfach bedeutende Güter vererbt (z. B. Maria Theresia in Österreich). Lit.: Hübner; Köbler, Historisches Lexikon; Wolf, A., Prinzipien der Thronfolge in Europa, in: Vorträge und Forschungen, 1986 Erbuntertänigkeit ist im neuzeitlichen deutschen Recht (in Preußen) die in Abschwächung der Leibeigenschaft ent- stehende grundherrschaftliche Abhängigkeit (Unfreiheit). Lit.: Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004 Erbunwürdigkeit ist die im spätrömischen Recht aus Einzelfällen entwickelte Unwür- digkeit, Erbe zu sein. Dem Erbunwürdigen wird das ererbte Gut vom Staat (lat. [N.] aerarium, später [M.] fiscus) entzogen. Die E. wird im neuzeitlichen Recht übernommen. Lit.: Kaser § 71 V; Hempel, I., Erbunwürdigkeit, Diss. jur. Köln 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Erbverbrüderung -> Erbvertrag Lit.: Loening, R., Erbverbrüderungen, 1867 Erbvertrag ist der Vertrag zwischen mindestens zwei Menschen, in dem mindestens einer der Vertragsschließenden (Erblasser) vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen trifft. Der E. ist im römischen Recht (als sittenwidrig) unzulässig (D. 45, 1, 61), den griechischen Rechten dagegen geläufig und deswegen in der oströmischen Rechtswirk- lichkeit im Gegensatz zum gesetzlichen Verbot verbreitet. Das Frühmittelalter kennt mit der fränkischen -> Affatomie und dem langobardischen Speergedinge die Möglichkeit, den Nachlass einem nicht verwandten Menschen durch Rechtsgeschäft zukommen zu lassen. Etwas später gewinnt die Gabe nach dem Tod (lat. donatio [F.] post obitum) an Bedeutung, für die es streitig ist, ob sie schon E. ist. Hierher gehört dann insbesondere die seit dem 14. Jh. vordringende Erbverbrüderung (adliger Familien) zwecks Gestaltung der künftigen Güterzuordnung (z. B. 1373/1457 Braunschweig, Sachsen, Hessen, 1442 Brandenburg, Mecklenburg). In der frühen Neuzeit werden seit der Mitte des 17. Jh.s vom -> usus modernus pandectarum bestimmte Arten von erwerbenden Erbverträgen auf deutschrechtlicher Grundlage bejaht. Eine allgemeine Anerkennung erfolgt bei Leyser (1683-1752), Böhmer (1674-1749) und Heineccius (1681-1741). Die Kodifikationen lassen den E. zu, wobei ihn das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/- 1812) auf Ehegatten beschränkt. Die strenge wissenschaftliche Ausformung des Erbvertrags erfolgt durch Hasse 1828. Lit.: Kaser § 65; Hübner 788; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 38, 123, 162, 211; Hasse, Rhein. Museum für Jurisprudenz 2 (1828), Heft 2; Beseler, G., Die Lehre von den Erbverträgen, Bd. 1ff. 1835ff.; Hartmann, G., Zur Lehre von den Erbverträgen, 1860; Loening, R., Erbverbrüderungen, 1867; Kugelmann, Gemein- rechtliche Begründung des partikulären Erbvertrages, 1875; Vismara, G., I patti successori nella dottrina di Bartolo, in: Bartolo di Sassoferrato, Bd. 2 1962, 755; Wesener, G., Zur Lehre vom Erbvertrag, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 607; Weimar, P., Erbvertrag und gute Sitten, Misc. D. Maffei, Bd. 4 1995, 231; Christiansen, T., Die erbvertragliche Bindungswirkung in der Rechtsprechung des 20. Jahrhunderts, 2004; Hartmann, P., Das Recht der 177 vertraglichen Erbfolgeregelung in der neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, 2005 Ercto non cito (lat.) ist die altrömische Erbengemeinschaft (lat. [N.] consortium). Lit.: Kaser §§ 66 I 2 Erfindung Lit.: Zycha, A., Beitrag zur Frühgeschichte des deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 59 (1939), 208; Zycha, A., Zur älteren Geschichte und vergleichsweisen Bedeutung des niederländischen Erfindungsschutzes, ZRG GA 62 (1942), 294; Kurz, P., Weltgeschichte des Erfindungsschutzes, 2000 Erfolgshaftung ist die beim bloßen Vorliegen eines Erfolgs ohne Rücksicht auf die Vorwerfbarkeit eines Verhaltens eintretende Haftung (wie sie in dem spätmittelalterlichen Rechtssprichwort -> ,,Die Tat tötet den Mann" zum Ausdruck gebracht wird). Im weiteren Sinn wird darunter auch die Strafbarkeit wegen eines bloßen verursachten Erfolges verstanden. E. in diesem Sinn ist für die Frühzeit in weitem Umfang wahrscheinlich, weil ein Anknüpfen am verursachten sichtbaren Erfolg geringere Schwierigkeiten bereitet als die Prüfung eines inneren unsichtbaren Gedankenvorgangs und die Erfahrung zudem zeigt, dass bestimmte äußere Ergebnisse typischerweise bestimmten inneren Zielsetzungen entsprechen. Abwei- chend hiervon unterscheidet bereits das altrömische Recht (-> Zwölftafelgesetz [451/0 v. Chr.] 8, 24a) zwischen gewolltem Erfolg und nicht gewolltem Erfolg. Hieraus entwickelt sich die grundsätzliche Beschränkung auf die Haftung für ein verschuldetes Verhalten. Allerdings ist auch eine Haftung für das Verschulden eines Gehilfen (bei Werkvertrag) oder aus deliktischem Verhalten eines Gewaltunterworfenen (-> Noxalhaftung) aner- kannt. Dieser Entwicklung entspricht es, dass das germanische Recht zwar am äußeren Erfolg anknüpft, darin aber typisierend zugleich den schädigenden Willen erfassen will. Das frühmittelalterliche Recht unterscheidet zwi- schen vorsätzlicher Tat und sog. Ungefährwerk. Demgegenüber bedrohen hochmittelalterliche Strafrechtsquellen des öfteren Fälle von Ungefährwerk (ungewollte Tötung und Körperverletzung) mit peinlichen Strafen. Demnach entwickelt sich ein ausgeprägtes Schuldstrafrecht erst in der Neuzeit. Im Privatrecht setzt sich das Verschuldensprinzip unter dem Einfluss des Liberalismus im 19. Jh. (-> Ihering) durch. Gleichzeitig gewinnt aber gerade in dieser Zeit die -> Gefähr- dungshaftung (Eisenbahn usw.) an Bedeutung. Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 71, 128; Brunner, H., Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechts, 1894, 487; Kaufmann, E., Die Erfolgshaftung, 1958; Mikat, P., Erfolgshaftung und Schuldgedanke im Strafrecht der Angelsachsen, FS H. Weber, 1963, 9; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975 Erfüllung ist das Bewirken der geschuldeten Leistung durch den Schuldner. Die E. ist im römischen Recht als (lat. [F.]) -> solutio bekannt. Mit der E. wird der Schuldner von seiner Verpflichtung frei. Lit.: Kaser § 53 I; Köbler, DRG 215; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 46; Heymann, E., Das Verschulden beim Erfüllungsverzug, 1913; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Harder, M., Die Leistung an Erfüllungs Statt, 1976; Seong, S., Der Begriff der nicht gehörigen Erfüllung, 2004 Erfüllungsgehilfe ist die Person, die mit Wissen und Wollen des Schuldners tatsächlich in dessen Pflichtenkreis tätig wird. Der E. wird als solcher besonders im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erfasst. Nach § 278 BGB haftet der Schuldner für Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen und gesetzlichen Vertreter ohne eigenes Verschul- den. Lit.: Köbler, DRG 214 Erfurt an der Gera, das zu unbekannter Zeit vom König an den Erzbischof von Mainz gelangt, ist von (1389/)1392 bis 1816 Sitz einer Universität. 1850 berät in E. ein Deutsches Parlament erfolglos über einen Bundesstaat ,,Deutsches Reich".-> Johannes von E. Lit.: Reuleaux, C., Das Erfurter Parlament, Diss. jur. Mainz 1953; Schubert, W., Die für das Reichsgericht der Erfurter Union bestimmten Organisations- und Verfahrensgesetze von 1849/50, ZRG GA 101 (1984), 169; Lorenz, S., Studium generale Erfordense, 1989; Märker, A., Geschichte der Universität Erfurt, 1993; Moraw, P., Die ältere Universität Erfurt, in: Erfurt. Geschichte und Gegenwart, hg. v. Weiß, U., 1995, 189; Die Erfurter Union und das Erfurter Unionsparlament 1850, hg. v. Mai, G., 2000; Lengemann, J., Das Deutsche Parlament (Erfurter Unionsparlament) von 1850, 2000; Große Denker Erfurts und der Erfurter Universität, hg. v. 178 Pfordten, D. v. d., 2002; Wolf, S., Erfurt im 13. Jahrhundert, 2005 Erholung ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Rücknahme einer von einem -> Fürsprecher durchgeführten fehlerhaften Rechtshandlung durch die Partei (-> Sachsenspiegel Landrecht I 60 § 1). Sie ist vielleicht um 1200 gegen die Formenstrenge des Verfahrensrechts entwickelt und ver- schwindet im Spätmittelalter. Lit.: Siegel, H., Die Erholung und Wandelung, 1863 Erkenntnisverfahren ist das mit einer Entscheidung über einen Rechtsstreit endende Verfahren. Ihm kann ein Vorverfahren vorangehen und ein Vollstreckungsverfahren folgen. Es bildet seit den Anfängen des Verfahrensrechts dessen Kern. Lit.: Köbler, DRG 19, 202 Erlangen an der Regnitz wird 1743 Sitz einer der Aufklärung verpflichteten Universität, die am Ende des 20. Jh.s mit einer Wirt- schaftshochschule in Nürnberg verschmolzen wird. Lit.: Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät, 1951, 2. A. 1962; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen, Jb. f. fränk. Landesforschung 27 (1967), 241; Beyer, A., Die Verfassungsentwicklung der Universität Erlangen, 1992; Wendehorst, A., Geschichte der Universität Erlangen- Nürnberg 1743-1993, 1993; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001; Schieber, M., Erlangen, 2002 Erlass ist im Verwaltungsrecht eine innerdienstliche allgemeine Anweisung und im Schuldrecht ein Schuldaufhebungsvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner. Der privatrechtliche E. ist bereits dem klassischen römischen Recht geläufig (lat. -> solutio [F.] per aes et libram nummo uno, acceptilatio). Über die Aufnahme des römischen Rechtes findet er in das moderne Privatrecht Eingang. Lit.: Kaser §§ 52, 52; Köbler, DRG 43, 215; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Erlaubnis ist im Verwaltungsrecht die Erklärung einer Behörde, dass sie ein bestimmtes Verhalten zulässt. Sie entsteht im Sinne von Regel und Ausnahme mit der Entwicklung obrigkeitlicher Verbote. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Becker, K., Die behördliche Erlaubnis, Diss. jur. Marburg 1970 Ermächtigungsgesetz ist das Gesetz, das ein Verfassungsorgan zu einem bislang nicht zulässigen Verhalten ermächtigt. Beispiels- weise erlaubt es das deutsche E. vom 4. 8. 1914 dem Bundesrat des Deutschen Reiches, (rund 1000) Notverordnungen zu erlassen. Zwischen 1919 und 1923 werden wegen der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Lage 7 Ermächtigungsgesetze verabschiedet. Am 23. 3. 1933 bzw. 24. 3. 1933 wird das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich erlassen bzw. verkündet, durch das der Reichstag seine Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung überträgt und diese damit zur Gesetzgebung ermächtigt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 170, 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933; Schneider, H., Das Ermächtigungsgesetz vom 24. 3. 1933, 2. A. 1961, Neudruck 1968; Das ,,Ermächtigungsgesetz" vom 24. März 1933, hg. v. Morsey, R., 1968; Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz, 1985; Das Ermächtigungsgesetz, eingel. v. Laufs, A., 2003 Ermessen ist der an der Vernünftigkeit des Ergebnisses ausgerichteter Maßstab für ein Verwaltungshandeln. Die dabei bestehende Entscheidungsfreiheit wird im Laufe des (19. und) 20. Jh.s zunehmend verrechtlicht. Lit.: Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Held-Daab, U., Das freie Ermessen, 1996 Ermittlungsverfahren ist das Verfahren zur Ermittlung eines Täters einer Straftat. Es entwickelt sich seit dem Hochmittelalter. Seit dem 19. Jh. wird es verrechtlicht. Lit.: Roth, A., Kriminalitätsbekämpfung in deutschen Großstädten 1850-1914, 1996 Ermland Lit.: Perk, H., Verfassungs- und Rechtsgeschichte des Fürstbistums Ermland, 1931; Thimm, W., Die Ordnungen der ermländischen Kapitelsburgen, Zs. f. d. Gesch. und Altertumshunde Ermlands 33 (1969), 53 Ernestiner -> Wettiner Erpressung ist die Beschädigung des Vermögens eines anderen durch Nötigung dieser oder einer anderen Person in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern. Dem entspricht im klassischen römischen Recht die (lat. [F.]) -> concussio. In der Neuzeit erscheint die E. im 18. Jh. Lit.: Köbler, DRG 35; Rüping, H., Grundriss der 179 Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002 Error (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Irrtum. Er wird zunächst bei den Konsensualkontrakten (z. B. Kauf) dann berücksichtigt, wenn er einen Konsens verhindert. Dies kann sich auf den Gegenstand (lat. [N.] corpus), den Preis, den Geschäftstyp oder (str.) eine wesentliche Eigenschaft (lat. [F.] substantia) beziehen, nicht dagegen auf die bloße Bezeichnung (lat. [N.] nomen). Lit.: Kaser § 8 II; Köbler, DRG 43; Error iudicis. Juristische Wahrheit und justizieller Irrtum, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998 Errungenschaftsgemeinschaft ist die Gütergemeinschaft zweier Ehegatten an den während der Ehe erworbenen Gütern (Gesamtgut im Gegensatz zum Sondergut jedes Ehegatten). Die E. erscheint im Frühmittelalter bei Franken und westfälischen Sachsen. Danach verbreitet sie sich besonders in Süddeutschland und bildet um 1900 für rund 10 Millionen Deutsche den Regelgüterstand. Beim Tod eines Ehegatten erwirbt der überlebende Ehegatte in beerbter Ehe das Sondergut des Verstorbenen, während bei unbeerbter Ehe das Sondergut des Verstorbenen an die Herkunftsseite zurückfällt und das Gesamtgut zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Erben des verstorbenen Ehegatten meist hälftig geteilt wird. Die noch im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) beibehaltene E. wird 1957 beseitigt. In Frankreich gilt die E. in Form der Fahrnisgemeinschaft. Lit.: Hübner 667; Köbler, DRG 88, 210; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1f. 1863ff.; Hradil, P., Über eheliche Errungenschaftsgemeinschaft, ZRG GA 36 (1915), 459 Ersatzerbe ist der vom Erblasser für den Fall des Wegfalls des Erben vor oder nach Eintritt des Erbfalls eingesetzte Erbe. Die Einsetzung eines Ersatzerben (lat. [F.] substitutio) im Testament ist bereits im klassischen römischen Recht möglich und wird von dort mit der Aufnahme des römischen Rechts übernommen. Lit.: Kaser § 68 II, V; Söllner § 11; Köbler, DRG 38; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985ff. Ersitzung ist der Erwerb des Eigentums durch Zeitablauf. Bereits im altrömischen Recht kann der Gewaltinhaber über eine Sache seine Berechtigung auf Gebrauchnahme (lat. [F.] usucapio) stützen, womit die Berufung auf einen Vormann (im Recht an der Sache) überflüssig wird. Damit ist jeder, der ein Grundstück 2 Jahre oder eine andere Sache 1 Jahr unangefochten gebraucht hat, gegen jedermann geschützt, sofern es sich nicht um eine gestohlene, geraubte oder von Unmün- digen und Frauen ohne Mitwirkung des Vormunds veräußerte handgreifbare Sache handelt. Später muss der Eigenbesitz einen rechtsgültigen Erwerbsgrund haben und der Eigenbesitzer im Augenblick der Besitzerlangung gutgläubig sein. Im deutschen Recht hat die -> Verschweigung eine vergleichbare Wirkung. Mit der Aufnahme des römischen Rechts wird die E. in der Form übernommen, wie sie sie unter Justinian durch Verbindung von (lat. [F.]) usucapio mit (lat.) longi temporis praescriptio (F.) gefunden hat. Danach muss eine ersitzbare bewegliche Sache 3 Jahre, ein ersitzbares Grundstück 10 bzw. 20 Jahre gutgläubig auf Grund eines rechtsgültigen Erwerbsgrundes oder wenigstens 30 Jahre gutgläubig besessen worden sein. Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erfordert die E. bei beweglichen Sachen 10 Jahre gutgläubigen Eigenbesitz, bei Grund- stücken 30 Jahre Besitz und Eintragung im Grundbuch. Lit.: Kaser § 25; Söllner §§ 8, 9; Hübner 271, 468; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 25, 40, 61, 163; Immerwahr, W., Die Verschweigung im deutschen Recht, 1895; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen Recht, 1988 Erskine of Carnock, John (1695-1768), nach dem Studium in den Niederlanden 1719 Anwalt am Obergericht Schottlands und 1737 Professor für schottisches Recht in Edinburgh, veröffentlicht 1754 mit den systematisierenden (engl.) Principles of the Law of Scotland (Grundsätze des Rechts Schottlands) das bis in das 20. Jh. führende Lehrbuch des schottischen Rechts. Lit.: Walker, D., The Scottish Legal System, 3. A. 1969, 171; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985, 202 Erstbittrecht (lat. ius [N.] primariarum precum) ist das wohl nach dem Investiturstreit entstandene, seit 1437 allmählich an die Zustimmung des Papstes gebundene Recht des deutschen Königs auf einen verbindlichen Besetzungsvorschlag für die erste nach seiner 180 Krönung freigewordene Pfründe jedes Stiftes oder Klosters. Lit.: Bauer, H., Das Recht der ersten Bitte, KRA 94 (1919); Feine, H., Papst, Erste Bitten und Regierungsantritt des Kaisers, ZRG KA 51 (1931), 1 Erstgeburt -> Primogenitur Ertränken ist die im gewaltsamen Untertauchen im Wasser bis zum Eintritt des Todes bestehende, vom Altertum bis in das 18. Jh. verbreitete Form der Todesstrafe (ertränkt werden einerseits vor allem Frauen, andererseits die Täter von Diebstahl, Unterschlagung, Notzucht, Doppelehe, Gottes- lästerung usw.). Lit.: Baltl/Kocher 127; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922 Erwählter römischer Kaiser (lat. electus Romanorum imperator [M.]) ist seit 1508 der die Unabhängigkeit von der Krönung durch den Papst ausdrückende Titel des -> Kaisers des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation). Lit.: Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 24 III 1 Erzamt ist die aus dem frühmittelalterlichen Hofamt der Stammesherzöge im Laufe des Mittelalters (Erzkanzler 10. Jh.) entwickelte, 1356 den sieben Kurfürsten für die Kurländer zugeteilte und später zahlenmäßig noch erweiterte oberste Reichswürde (Erzkanzler für das Reich [Mainz], Italien [Köln], Burgund [Trier], Erztruchsess [Pfalzgraf bei Rhein, dann Bayern, dann Hannover], Erzmarschall [Sach- sen], Erzkämmerer [Brandenburg], Erz[mund]schenk [Böhmen]). Lit.: Buchner, M., Die Entstehung der Erzämter, 1911; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970 Erzbischof (lat. [M.] archiepiscopus) ist in der katholischen (seit dem 3. Jh. n. Chr.) (sowie in der anglikanischen, schwedischen und fin- nischen) Kirche der Titel des Leiters einer Kirchenprovinz (Erzbistum). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Erzherzog ist die durch das gefälschte lat. -> privilegium (N.) maius entwickelte, 1442 von Friedrich III. bestätigte und 1453 von den Kurfürsten gebilligte Titulatur des Herzogs von -> Österreich. Lit.: Baltl/Kocher; Lhotsky, A., Privilegium maius, 1957 Erzkanzler ist der Inhaber der obersten, auf das Schreibwesen bezogenen Würde im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Dies ist seit dem 9./10. Jh. (für das Reich) der Erzbischof von Mainz (, für Italien seit 1031 der Erzbischof von Köln und für Burgund bzw. lat. [F.] Gallia seit 1308 der Erzbischof von Trier). Lit.: Seeliger, G., Erzkanzler und Reichskanzler, 1889; Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer Erzkanzleramtes, ZRG GA 75 (1958), 1; Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, hg. v. Hartmann, P., 1997 Eschwege Lit.: Eckhardt, A., Eschweger Zunftverfassung und hessische Zunftpolitik, 1964; Eckhardt, K., Eschwege, 1964; Heinemeyer, K., Der Königshof Eschwege in der Germar-Mark, 1970 Eselreiten ist die für die Neuzeit bezeugte, teils (für Frauen) auf einem lebenden Esel, teils (für Soldaten) auf einem hölzernen Gestell mit scharfer Oberkante ausgeführte -> Ehrenstrafe. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 2, 318 Esmein, Adhémar (Touvérac 1. 2. 1848-Paris 22. 7. 1913) wird nach dem Rechtsstudium in Paris und Lehrtätigkeiten in Douai und Paris 1890 Professor für Rechtsgeschichte Frankreichs (1892 Cours élémentaire d'histoire du droit français, daneben weitere Grundrisse und Einzelarbeiten). Lit.: Weiss, A., Notice sur la vie et les travaux de Adhémar Esmein, in: Séances et travaux de l'Académie des sciences morales 87, 1917, 437 Essen Lit.: Ribbeck, K., Geschichte der Stadt Essen, 1915; Vries, R. de, Die Landtage des Stiftes Essen, 1934; Stift Essen, die große Vogteirolle des Grafen Friedrich von Isenberg-Altena um 1220, hg. v. Bentheim-Tecklenburg- Rheda, M. Graf zu, 1955; Brand, J., Geschichte der ehemaligen Stifter Essen und Werden während der Übergangszeit, Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 86 (1971) Esslingen Lit.: Maier, K., Das Strafrecht der Reichsstadt Esslingen, Diss. jur. Tübingen 1960; Kirchgässner, B., Wirtschaft und Bevölkerung der Reichsstdt Esslingen im Spätmittelalter, 1964; Arold, J., Das Erbrecht der Reichsstadt Esslingen, 1965; Kittelberger G., Der Adelberger Freihof in Esslingen, 1970; Jerouschek, G., Die Hexen und ihr Prozess, 1992 181 Estland ist der südlich Finnlands gelegene nordosteuropäische Staat. E. geht auf ein von den finno-ugrischen Esten besiedeltes Gebiet am Finnischen und Rigaischen Meerbusen zurück, das 1207/1227 vom Schwertbrüder- orden und Dänemark erobert wird und bis 1346 an den -> Deutschen Orden gelangt. 1315 entsteht unter dem Einfluss niederdeutscher Siedler das waldemar-erichsche Lehnrecht und das älteste livländische Ritterrecht. 1721 kommt das seit 1561/1580 schwedische Land (mit rund 430 Rittergütern etwa 160er landtagsfähiger Familien) an -> Russland und wird dort im 19. Jh. verstärkt russifiziert. 1864 wird das liv-, est- und kurländische Privatrecht in einem von -> Bunge erarbeiteten Gesetzbuch (Provinzialrecht des Ostseegouvernements) niedergelegt, das dem Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) nahesteht und in E. bis 1945 gilt. Die am 24. 2. 1918 ausgerufene baltische Republik E. wird am 6. 8. 1940 der Sowjetunion eingegliedert, am 6. 9. 1991 aber von der Sowjetunion wieder als unabhängig anerkannt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F. v., Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Schmidt, O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Kraus, H., Grundriss der Geschichte des estnischen Volkes, 1935; Wedel, H. v., Die estländische Ritterschaft, 1935; Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,545, 3,2,2076; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte, Nordeuropäische Studien Bd. 11, 1997; Ludwig, K., Estland, 1999; Deutsch-estnische Rechtsfragen, hg. v. Recker, N. v., 2003 Estoppel (Verschweigung) ist im englischen Verfahrensrecht die Unzulässigkeit der Rechtsausübung (aus einem übergeordneten Grund). Die älteste Erscheinungsform der von frz. étouffer (vertuschen, niederschlagen) abgeleiteten Einrichtung zeigt sich in den Leges des englischen Königs Heinrich I. (um 1118), nach denen der Inhalt von Eintragungen in die Urkundenrolle (ne. record) des Königsgerichts nicht bestritten werden kann. Um die Mitte des 15. Jh.s ist dann anerkannt, dass Urteile zuständiger Gerichte in ihren rechtserheblichen Feststellungen von den Parteien und ihren Rechtsnachfolgern nicht angegriffen werden können (e. by record). Daneben erscheint seit dem Ende des 13. Jh.s der Satz, dass eine Erklärung, die in einer unter Handsiegel abgegebenen Urkunde (ne. deed) enthalten ist, von dem nicht bestritten werden kann, dessen Handschrift und Siegel die Urkunde trägt, sofern die Urkunde rechtlich wirksam ist (e. by deed). Seit dem 15. Jh. ist die vielleicht hieraus abgeleitete Regel bezeugt, dass eine Partei, die eine im Lande (mengl. pays) weithin bekannt gewordene Rechtshandlung vorgenommen hat, eine ihr notwendig als Voraussetzung dienende Tatsache (z. B. Mietvertrag für Mietzahlung) nicht bestreiten darf (e. by in pais, daraus entwickelt e. by conduct, e. by representation). In der Folge wird das Prinzip des e. erheblich verfeinert und wirkt über das englische Recht hinaus. E. wird nicht vom Richter von Amts wegen berücksichtigt, sondern nur auf Vortrag der Partei. Lit.: Riezler, E., Venire contra factum proprium, 1912, 55; Holdsworth, W., History of English Law, 9 1926; Cohn, E., Die materielle Rechtskraft im englischen Recht, FS H. Nipperdey 1965, Bd. 1, 875 états généraux (franz.) Generalstände (1468) Ethik (F.) Sittenlehre Lit.: Lexikon der Ethik, hg. v. Höffe, O., 5. A. 1997; Hauskeller, M., Geschichte der Ethik, 1999 Ethnologie (F.) Völkerkunde (völkerkundliche Berichte antiker Autoren seit Hekataios von Milet 500 v. Chr., wissenschaftliche Ethnologie 19. Jh.) Lit.: Kohl, K., Ethnologie, 1993; Streck, B., Vom Wissen der Ethnologie, 1997; Panoff, M./Perrin, M., Taschenwörterbuch der Ethnologie, 3. A. 1999; Wörterbuch der Ethnologie, hg. v. Streck, B., 2. A. 2000; Kaschuba, W., Einführung in die europäische Ethnologie, 2. A. 2003; Gingrich, A./Schweitzer, P., Geschichte der deutschsprachigen Ethnologie, 2004; Petermann, W., Die Geschichte der Ethnologie, 2004 Etrusker Lit.: Pfiffig, A., Einführung in die Etruskologie, 4. A. 1991; Torelli, M., Die Etrusker, 1988; Heurgon, J., Die Etrusker, 1993; Cristofani, M., Die Etrusker, 1995; Aigner-Foresti, L., Die Integration der Etrusker, 1998; Briquel, E., La civilisation étrusque 1999; Falchetti, F. u. a., Die Etrusker, 2001; Aigner-Foresti, L., Die Etrusker und das frühe Rom, 2003 Etter ist der (geflochtene) Zaun, der im 182 Mittelalter die dörfliche Wohnsiedlung vom Umland trennt. Lit.: Köbler, WAS; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 74 Etymologie ([F.] Wahrheitslehre) ist die seit dem 5. Jh. v. Chr. bei den Griechen erkennbare Lehre vom Ursprung eines Wortes, die bei der Aufklärung der Entwicklungsgeschichte der sprachlichen Einheiten hilfreich ist. Lit.: Klinck, R., Die lateinische Etymologie des Mittelalters, 1970; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995 Eugenik (F.) Erbgesundheitslehre Lit.: Roth, A./Schlatmann, B., Eugenik im Recht, in: Themen juristischer Zeitgeschichte (1) Schwer- punktthema: Recht und Nationalsozialismus, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998, 152; Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000 Eurich (um 440?-484) ist der westgotische König (466) mit königlichem Vater (Theoderich I.), der große Gebiete erobert und dem der -> Codex Euricianus zugeschrieben wird. -> Gote Lit.: Köbler, DRG 80; Stroheker, K., Eurich, 1937; El Codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d', 1960 Euro ist die seit 1. 1. 2002 in der seinerzeitigen Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltende Währungseinheit. Lit.: Grosjean, R., Was passiert mit unserem Geld?, 2003 Europa ist (die von Zeus in der Gestalt eines Stieres entführte Frau der griechischen Mythologie und namensgleich) die tief gegliederte westliche Halbinsel Asiens zwischen Atlantik und Ural (str., 10,5 Mill. qkm). In vielen Beziehungen entwickelt sich E. seit dem Altertum verhältnismäßig über- einstimmend. Insbesondere wird in zahlreichen Gebieten seit dem Mittelalter das römische Recht des Altertums wieder aufgegriffen (-> Rezeption). Zu einer festeren Ausbildung einheitlichen Rechts kommt es jedoch erst seit den Europäischen Gemeinschaften der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (1951/1952, Europäische Union 1993, Verfassung 2003/2004/2007). Lit.: Ritter, G., Europa und die deutsche Frage, 1948; Ritter, G., Die Neugestaltung Europas im 16. Jahrhundert, 1950; Foerster, R., Die Idee Europas 1300­ 1946, 1963; Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 4. A. 1966; Bosl, K., Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, 1964; Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe occidentale, 1967; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Bosl, K., Europa im Mittelalter, 1970; Wagner, W., Europa zwischen Aufbruch und Restauration, 2. A. 1972; Luig, K., Zur Verbreitung des Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; La formazione storica del diritto moderno in Europa, Bd. 1ff. 1977; Craig, G., Geschichte Europas im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1f. 1978; Schoenberger, Der gelbe Stern, 1978; Diritto Comune e diritti locali nella storia dell'Europa, 1980; Bleckmann, A., Europarecht, 6. A. 1997; Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft in Europa, hg. v. Heyen, E., 1982; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ambrosius, G./Hubbard, W., Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas im 20. Jahrhundert, 1986; Lansky, R., Bibliographisches Handbuch der Rechts- und Verwaltungswissenschaften, Bd. 1 Allgemeines und Europa, 1987; Republiken und Republikanismus im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Königsberger, H., 1988; Verosta, S., Kollektivaktionen der Mächte des europäischen Konzerts (1866-1914), 1988; Willoweit, D., Aufgaben und Probleme einer europäischen Verfassungsgeschichtsschreibung, 1990; Towards the United States of Europe, ed. by Ransome, P., 1991; Schulze, R., Die europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1991; Propyläen Geschichte Europas, Bd. 1ff. 1992f.; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Le Goff, J., Das alte Europa, 1994; Europaideen im 18. und 19. Jahrhundert in Frankreich und Zentraleuropa, hg. v. Reinalter, H., 1994; Fontana, J., Europa im Spiegel, 1995; Europa im Blick der Historiker, hg. v. Hudemann, R., 1995; Craig, G., Geschichte Europas, 1995; Europa im Umbruch 1750-1850, hg. v. Albrecht, D. u. a. 1995; Brown, P., Die Entstehung des christlichen Europa, 1996; Brandstetter, G., Chronologisches Lexikon der europäischen Integration, 1996; Bartett, R., Die Geburt Europas, 1996; Davies, N., Europe, 1996; Europäische Geschichte als historisches Problem, hg. v. Duchardt, H. u. a., 1997; Das europäische Geschichtsbuch, hg. v. Delouche, F., 1998; Siedler, Geschichte Europas, Bd. 1ff. 1998ff.; Mieck, I., Europäische Rechtsgeschichte der frühen Neuzeit, 1998; Möller, H., Europa zwischen den Weltkriegen, 1998; Neumann, T., Die europäischen Integrationsbestrebungen in der Zwischenkriegszeit, 1999; Die Entstehung des modernen Europa, hg. v. Mörke, O. u. a., 1998; Schneider, R., Europas Einigung und das Problem Deutschland, 1999; Salewski, M., Geschichte Europas, 2000; Schümer, D., Das Gesicht 183 Europas, 2000; Demel, W., Europäische Geschichte des 18. Jahrhunderts, 2000; Prinz, F., Von Konstantin zu Karl dem Großen, 2000; Schmale, W., Geschichte Europas, 2000; Bade, K., Europa in Bewegung, 2000; Schulz, G., Europa und der Globus - Staaten und Imperien seit dem Altertum, 2001; Vom Mittelmeer zum Atlantik, hg. v. Feldbauer, P. u. a., 2001; Seibt, F., Die Begründung Europas, 2002; Borgolte, M., Europa entdeckt seine Vielfalt, 2002; Fisch, J., Europa zwischen Wachstum und Gleichheit 1850-1914; Bernecker, W., Europa zwischen den Weltkriegen 1914-1945, 2002; Seibt, F., Die Begründung Europas, 2002; Caenegem, R. van, European law, 2002; Mitterauer, M., Warum Europa? 2003; Vogler, G., Europas Aufbruch in die Neuzeit 1500-1650, 2003; Duchhardt, H., Europa am Vorabend der Moderne 1650-1800, 2003; Reinhard, W., Lebensformen Europas, 2004; Le Goff, J., Die Geburt Europas im Mittelalter, 2004; James, H., Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, 2004; Kleines Europa- Lexikon, hg. v. Gruner, W. u. a., 2004; Grabmayer, J., Europa im späten Mittelalter 1250-1500, 2004; Europa und seine Regionen. 2000 Jahre europäische Rechtsgeschichte, hg. v. Bauer, A. u. a., 2004; Gruner, W./Woyke, W., Europa-Lexikon, 2004; Postel, V., Die Ursprünge Europas, 2004; Reale, G., Kulturelle und geistige Wurzeln Europas, 2004; Landwehr, A./Stockhorst, S., Einführung in die europäische Kulturgeschichte, 2004; Etappen auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung, hg. v. Hummer, W., 2004; Der europäische Konvent und sein Ergebnis. Eine europäische Verfassung, hg. v. Busek, E. u. a., 2004; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Beckmann, K. u. a., 2004; Der Konvent zur Zukunft der Europäischen Union, hg. v. Mantl, W. u. a., 2004; Ehlers, J., Das westliche Europa, 2004; Weiler, J., Ein christliches Europa, 2004; Schuller, W., Das erste Europa, 2004; Langewiesche, D., Europa zwischen Restauration und Revolution 1815- 1849, 4. A. 2005 Europäische Atomgemeinschaft ist die am 25. 3. 1957 zwecks gegenseitiger Kontrolle geschaffene Gemeinschaft europäischer Staaten (Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien, Luxemburg usw.) in Angelegenheiten der Kernspaltung. -> Europäische Gemein- schaft Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996; Blockmans, W., Geschichte der Macht in Europa, 1998 Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) (oder Europäische Freihandelszone) ist der am 4. 1. 1960 in Stockholm gegründete Zusam- menschluss mehrerer europäischer Staaten (Großbritannien, Irland, Dänemark [alle bis 1973], Portugal [bis 1985], Finnland, Schweden, Österreich [alle bis 1994], Schweiz, Island, Norwegen). Die Bedeutung der Euro- päischen Freihandelsassoziation ist infolge des Eintritts der wichtigsten Mitglieder in die -> Europäische(n) Gemeinschaft(en) bzw. Europäische Union gering. Europäische Gemeinschaft ist die am 7. 2. 1992 (Vertrag von Maastricht) vereinbarte Ge- meinschaft der Europäischen Atomge- meinschaft, der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Aus ihr entwickelt sich zum 1. 11. 1993 die -> Europäische Union. Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Geiger, R., EG-Vertrag, 2. A. 1995 Europäische Gemeinschaften sind die Europäische Atomgemeinschaft (25. 3. 1957), die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (18. 4. 1951) und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (25. 3. 1957), die zum 7. 2. 1992 zur -> Europäischen Gemeinschaft zusammengeschlossen werden. Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996 Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist die am 18. 4. 1951 zwecks Kontrolle der deutschen Rüstungsindustrie zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg für die Montanindustrie (Kohle, Eisenerz) ver- einbarte und später um zusätzliche Mitglieder erweiterte internationale Gemeinschaft (Montanunion). Der am 23. Juli 2002 auslaufende Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl wird nicht erneuert und der Kohle- und Stahlsektor dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft unterstellt. Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996 Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist der vom -> Europarat 1950 ausgearbeitete, 1952 von der Bundesrepublik Deutschland als Gesetz angenommene völkerrechtliche Vertrag, der in allen der Herrschaft der angeschlossenen Staaten unterstehenden Ländern die grundl- egenden menschlichen Freiheiten sichern will. 184 Dazu sind eine Europäische Kommission für Menschenrechte und ein Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte gebildet. Lit.: Seidel, P., Der Rang der Europäischen Men- schenrechtskonvention in den Mitgliedstaaten, DVBll. 1975, 747; Frowein, J./Peukert, W., Europäische Menschenrechtskonvention, 2. A. 1997 Europäischer Gerichtshof in Luxemburg ist der gemeinsame Gerichtshof der -> Europäischen Union, der die einheitliche Anwendung, Auslegung und Fortbildung des Europäischen Unionsrechts sichern soll. Lit.: Kenke, U., Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, 1989; Drewes, E., Entstehung und Entwicklung des Rechtsschutzes vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, 2000 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte ist das gemäß der -> Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte in Straßburg errichtete Gericht, das über die Einhaltung der in der Konvention gewährleisteten Menschenrechte wacht und von den Mitgliedstaaten oder der Europäischen Kommission für Menschenrechte (, an die sich Bürger wenden müssen,) mit einem Fall befasst werden kann. 1998 wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als ständiger Gerichtshof neu geordnet. Lit.: Polakiewicz, Die Verpflichtungen der Staaten aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 1994 Europäischer Rat ist das aus den Ministerpräsidenten der Mitgliedstaaten der -> Europäischen Union gebildete, die Richtlinien der Politik der Europäischen Union bestimmende Organ. Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) ist der in Verhandlungen zwischen der -> Europäischen Gemeinschaft und den Staaten der Europäischen Freihandelszone vereinbarte, 1994 mit Österreich, Schweden, Finnland (bis 31. 12. 1994), Norwegen und Island in Kraft getretene einheitliche europäische Wirtschaftsraum. Lit.: Streit, A., Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, NJW 1994, 555 Europäisches Gemeinschaftsrecht ist das besondere, zwischen Völkerrecht und staatlichem Recht angesiedelte Recht der Europäischen Gemeinschaft(en) bzw. der Europäischen Union. Es setzt sich zusammen aus dem zur Bildung der Europäischen Gemeinschaften geschaffenen Vertragsrecht (primäres E. G.) und dem von den Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Recht (sekundäres E. G.). Das Europäische Gemein- schaftsrecht gilt zum Teil unmittelbar in den einzelnen Mitgliedstaaten und hat dann Vorrang vor dem Recht des einzelnen Staates. Nicht E. G. ist das nationale, auf Grund gemeinsamen Beschlusses der Mitgliedstaaten geschaffene Recht. Lit.: Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1979; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996 Europäisches Parlament (Versammlung) in Straßburg ist das gemeinsame parlamentarische Hauptorgan der -> Europäischen Gemein- schaften bzw. Europäischen Union. Lit.: Thöne-Wille, Die Parlamente der EG, 1984 Europäisches Recht ist das in -> Europa geltende Recht. Ein in ganz Europa einheitlich geltendes Recht gibt es bis zur Gegenwart nicht. Vielmehr gilt im Altertum selbst das römische Recht nur innerhalb des römischen Weltreiches. Im Frühmittelalter stehen zahlreiche Rechte einzelner Völker, im Hochmittelalter und im Spätmittelalter viele territoriale Landrechte und Stadtrechte nebeneinander. Mit der Aufnahme des römischen Rechts in andere Rechte kommt es zwar ebenso zu einer gewissen Europäisierung wie mit der Anwendung des einheitlichen kirchlichen Rechts im christianisierten Europa, doch gelten beide gelehrten Rechte grundsätzlich nur subsidiär zu partikularen Rechten. Deren Geltungsgebiet erweitert sich mit der Bildung der europäischen Nationalstaaten. In sie finden zunehmend allgemeine Reformgedanken Eingang. Daneben wird e. R. erst im Rahmen der -> Europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union in größerem Ausmaß (für große Gebiete Europas einheitlich) geschaffen. -> Europa- recht, Europäisches Gemeinschaftsrecht Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Kropholler, J., Europäisches Zivilprozessrecht, 1985, 7. A. 2002; Schwarze, J., Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1 1988; Vers un droit privé commun? ­ Skizzen zum gemeineuropäischen Privatrecht, 1994; Europas universale rechtsordnungspolitische Aufgabe im Recht des dritten Jahrtausends, hg. v. Köbler, G.- u. a., 2000; 185 Jansen, N., Binnenmarkt, Privatrecht und europäische Identität, 2003 Europäisches Währungssystem ist das auf einer Entschließung des Rates der -> Europäischen Gemeinschaften beruhende Währungssystem mit dem Ziel, bis zum Jahre 1999/2002 zu einer stabilen Währungszone in Europa zu gelangen (Währungseinheit Euro). Lit.: Scharrer/Wessels, Das Europäische Währungssystem, 1983 Europäische Union ist die zum 1. 11. 1993 aus der Europäischen Gemeinschaft entwickelte Vereinigung der europäischen Staaten Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Großbritannien, Irland, Dänemark, Griechenland, Spanien und Portugal, zu denen zum 1. 1. 1995 Österreich, Schweden und Finnland gestoßen sind. Ihre (in der Form der Organleihe wirkenden [str.]) Organe sind Rat, Kommission, Versammlung und europäischer Gerichtshof. Zum 1. Mai 2004 wird die E. U. um Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei,Tschechische Republik, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern (Südzypern) erweitert. Außerdem äußern die Türkei, Russland, Rumänien, Bulgarien und andere Staateneinen Wunsch nach Mitgliedschaft. Lit.: Sachwörterbuch zur Europäischen Union, hg. v. Monar, J. u. a., 1993; Kommentar zur Europäischen Union, hg. v. Grabitz, E. u. a., 2. A. 1994; Brandstetter, G., Chronologisches Lexikon der europäischen Integration, 1996; Dedman, M., The origins and development, 1996; Pfeil, W., Historische Vorbilder und Entwicklung des Rechtsbegriffs der ,,Vier Grundfreiheiten", 1998; Die Europäische Union als Prozess, hg. v Hrbek, R. u. a., 1998; Die Europäische Union als Akteur der Weltpolitik, hg. v. Schubert, K. u. a., 2000; Der Europäische Konvent und sein Ergebnis, hg. v. Busek, E. u. a., 2004 Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung ist die durch Verordnung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 7. 1985 zur Verfügung gestellte Unternehmensform. Sie beruht auf dem in Frankreich am 23. 9. 1967 als neue Gesellschaftsform geschaffenen Groupement d'Intért Economique. Lit.: Bott, R./Rosener, W., Das Groupement dÍntért Economique, NJW 1970, 364; Hatzig, C., Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung, 1990 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist die am 25. 3. 1957 zwischen Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg vereinbarte und später auf weitere Mitglieder ausgedehnte europäische Gemein- schaft in Wirtschaftsangelegenheiten. Sie ist eine der -> Europäischen Gemeinschaften. Lit.: Kommentar zum EWG-Vertrag, hg. v. Grabitz, E., 1989; Thiemeyer, G., Vom ,,Pool Vert" zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1999 Europarat in Straßburg ist der am 5. 5. 1949 in London von 10 Staaten (Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden, Vereinig- tes Königreich von Großbritannien) errichtete völkerrechtliche Zusammenschluss zunächst westeuropäischer, seit 1990 zunehmend auch osteuropäischer Länder (1999 41 Mitglieder, als erste Kaukasusrepublik wird Georgien am 27. 4. 1999 41. Mitgliedsland des Europarates) mit dem Ziel, eine engere allgemeine und wirtschaftliche Verbindung der Mitgliedstaaten herzustellen. Die Organe sind das Ministerkomitee (der Außenminister), die beratende Versammlung (von Vertretern der Parlamente der Mitgliedstaaten) und das Ständige Sekretariat. Sie wirken hauptsächlich durch Empfehlungen und Konventionen. Auf den E. gehen die -> Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der -> Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zurück. Lit.: Carstens, K., Das Recht des Europarates, 1956; Österreich im Europarat 1956-1986, hg. v. Hummer, W. u. a., 1988; Council of Europe, hg. v. Streinz, R., 2000; Winkler, G., Der Europarat und die Verfassungsautonomie seiner Mitgliedstaaten, 2005 Europarecht ist das gesamte, eine europäische Organisation betreffende Recht. Dement- sprechend wird zum E. im weiteren Sinn insbesondere das Recht des Nordatlantikpaktes (NATO), der Westeuropäischen Union (WEU), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), des -> Europarates, der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und das -> europäische Gemeinschaftsrecht gezählt. Im engeren Sinn ist E. nur das europäische Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht). Lit.: Bleckmann, A., Europarecht, 6. A. 1997; Streinz, R., Europarecht, 1994; Arndt, U., Europarecht, 1994; 186 Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996 Euthanasie ist die bereits dem griechisch- römischen Altertum bekannte Sterbehilfe durch Arzneimittel. Sie wird insbesondere im Dritten Reich planmäßig für gesellschaftspolitische Ziele verwendet. Lit.: Nowak, K., Euthanasie und Sterilisierung im Dritten Reich, 2. A. 1980; Klee, ,,Euthanasie" im NS-Staat, 1983; Schmuhl, H., Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rainer, J., Zur Euthanasie, in: Ethik und Recht, 1993, 19; NS-,,Euthanasie" vor Gericht, hg. v. Loewy, H. u. a., 1996; Bieber, E., Der Euthanasiebefehl Hitlers, 1996; Brass, C., Zwangssterilisation und ,,Euthanasie" im Saarland 1935- 1945, 2004 Evangelisches Kirchenrecht ist das Recht der seit 1517 entstandenen protestantischen Kirchen. Es baut auf dem -> kanonischen Recht auf. Es unterscheidet sich aber von diesem durch zahlreiche eigenständige Entwicklungen. Lit.: Hinschius, P., Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck 1959; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Eventualmaxime ist der Verfahrensgrundsatz, wonach eine Partei eines Zivilprozesses zur Vermeidung des Ausschlusses ihres gesamten Vortrages diesen einschließlich aller (denkbaren) Möglichkeiten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Prozess einzubringen hat. Durch die Notwendigkeit des gleichzeitigen Vorbringens aller Klagetat- sachen soll das Verfahren beschleunigt werden. Die E. gehört dem frühneuzeitlichen sächsischen Prozess an, wird aber vom französischen Prozess des beginnenden 19. Jh.s abgelehnt. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155, 201; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Schulte, J., Die Entwicklung der Eventualmaxime, 1980 Evers, Johann Gustav (1781-1830), Professor für Rechtsgeschichte in Dorpat, stellt unter dem Einfluss Hegels 1826 in dem Werk ,,Das älteste Recht der Russen" die Entwicklung des Rechts in Russland vom patriarchalischen Zustand der bürgerlichen Gesellschaft bis zum Territorialstaat der Neuzeit dar. Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule Russlands, 1961 Eviktion (-> Entwerung) ist die Wiederer- langung des Besitzes einer verkauften Sache durch den Berechtigten. Sie ist bereits im klassischen römischen Recht Voraussetzung dafür, dass der Käufer einer dem Verkäufer nicht gehörigen (beweglichen) Sache gegen den Verkäufer Schadensersatz wegen Nichter- füllung verlangen kann. Diese Gestaltung ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 46; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 452 Evokationsrecht (lat. ius [N.] evocandi, zu lat. evocatio [F.] Amtsladung) ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht die Befugnis des Königs, jeden noch nicht entschiedenen Rechtsstreit vor sein Hofgericht zu ziehen. Seit dem 13. Jh. streben die Landesherren nach einem (lat.) privilegium (N.) de non evocando. Dieses wird 1356 den Kurfürsten allgemein erteilt. In der Folge verlagert sich die Gerichtsbarkeit auf die Länder, 1487 wird das E. des Königs beseitigt. Lit.: Kaser § 87; Köbler, DRG 114; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkung der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 97 Ewa (F.) ist die althochdeutsche Bezeichnung für das (objektive) Recht. Die Etymologie des nur westgermanisch (ahd., mhd., as., afries., ae.) verbreiteten Wortes ist streitig (zu aind. éva, Lauf, Gang, Gewohnheit, zu lat. aevum, Ewigkeit, zu lat. aequum, Billigkeit, zu lat. ius?). Der Bezug zum religiösen Kult könnte unter dem Einfluss des Christentums entstanden sein (altiu ewa, lat. testamentum vetus). Im 13. Jh. engt e. seine Bedeutung auf (rechtmäßige) -> Ehe ein. Lit.: Köbler, DRG 80; Köbler, WAS; Weisweiler, J., Bedeutungsgeschichte, Linguistik und Philologie, in: Stand und Aufgaben der Sprachwissenschaft, 1924, 419; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Seebold, E., Etymologie, 1981, 89; Schmidt-Wiegand, R., Recht und ewa, in: Althochdeutsch, hg. v. Bergmann, R. u. a., 1987, 937 Ewa Chamavorum ist das Volksrecht des fränkischen Teilstammes der an der Zuidersee siedelnden Chamaven (Ewa quae se ad Amorem habet). Es ist in zwei Handschriften überliefert und in 48 knappe Kapitel gegliedert. Vielleicht wird es 802/3 in Aachen durch einen 187 Königsboten erfragt. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953 Ewiger Landfriede ist der am 7. 8. 1495 in Worms von König Maximilian mit Rat der Reichstände erlassene, dauerhafte Geltung beanspruchende und bis 1806 geltende -> Landfriede. Er hebt das Fehderecht zugunsten der gerichtlichen Entscheidung jedes Rechts- streits auf. Zugleich drängen damit die Stände den König in der Friedenswahrung zurück. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Angermeier, H., Königtum und Landfriede im deutschen Spätmittelalter, 1966; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 15 II 4 Ewigrente ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf Dauer vereinbarte -> Rente. Lit.: Hübner Ewigsatzung ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf Dauer gedachte -> Satzung eines -> Pfandes. Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981 exactio (lat. [F.]) Eintreiben (von Forderungen) Exceptio (lat. [F.] Ausnahme) ist die Einrede. Sie ist im römischen Recht ursprünglich die dem Beklagten günstige Ausnahme von den Bedingungen, unter denen er dem Klag- anspruch (lat. [F.] -> actio) zufolge zu verurteilen wäre. Aus dieser verteidigenden Einrichtung des Verfahrensrechts, die auf Antrag des Beklagten in die Klagformel eingefügt wird, entwickelt sich allmählich ein selbständiges Recht des Beklagten, das Begehren des Klägers zu verweigern. Mit der Aufnahme des römischen Rechts wird die e. aufgenommen. Lit.: Kaser §§ 4, 80; Söllner § 9; Köbler, DRG 33f.; Köbler, LAW Exceptio (F.) doli (lat.) ist die Einrede der Arglist. Sie gilt im römischen Recht grundsätzlich nur bei Aufnahme in die Klagformel, bei den sog. -> bonae-fidei-iudicia aber auch ohne diese. Lit.: Kaser §§ 4, 8, 9, 22, 26, 27, 33, 36, 37, 40, 53, 62, 65, 83; Söllner § 9; Köbler, DRG 42, 43, 45; Haferkamp, H., Die exceptio doli generalis in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 1 Exceptio (F.) non adimpleti contractus (lat.) ist im römischen Recht (bei Kauf, Miete und Gesellschaft) die Einrede der Nichterfüllung. Lit.: Kaser § 38 Exceptio (F.) non numeratae pecuniae (lat.) ist im römischen Recht die Einrede des nichtgezahlten Entgeltes. Lit.: Kaser §§ 40, 53; Litewski, W., Non numerata pecunia, SDHI 60 (1994) Exceptio (F.) rei venditae et traditae (lat.) ist im römischen Recht die dem Käufer seit Einführung des Formularverfahrens vom Prätor gegenüber dem herausverlangenden Verkäufer gewährte Einrede der verkauften und übergebenen Kaufsache. Lit.: Kaser §§ 22, 27 Exegese (F.) ist die Auslegung eines Textes (z. B. Digestenexegese, Sachsenspiegelexegese, Bibelexegese). Sie ist notwendiger Bestandteil jeder wissenschaftlichen juristischen Tätigkeit. Als eigene Lehrveranstaltung tritt die E. im ausgehenden 20. Jh. zurück. Lit.: Köbler, DRG 11; Lubac, H. de, Exégse médievale, 1959ff.; Schlosser, H./Sturm, F./Weber, H., Die rechtsgeschichtliche Exegese, 2. A. 1993; Hattenhauer, H., Die deutschrechtliche Exegese, 1975; Waßmer, M./Wittemann, F., Die verfassungsgeschichtliche Exegese, 1999 Exercitalis Lit.: Jarnut, J., Beobachtungen zu den langobardischen arimanni und exercitales, ZRG GA 88 (1971), 1 Exekution (F.) -> Vollstreckung, -> Zwangsvollstreckung Lit.: Mally, A., Der österreichische Kreis in der Exekutionsordnung des römisch-deutschen Reiches, 1967 Exekutive ist die ausführende Gewalt. Sie wird als solche von den Vertretern der Lehre von der -> Gewaltentrennung (-> Locke 1680, -> Montesquieu 1748) von der Legislative (und der Judikative) getrennt. Lit.: Köbler, DRG 190, 191 Exkommunikation ist im (katholischen) Kirchenrecht ursprünglich der strafweise Ausschluss eines Mitglieds aus der Gemeinschaft der Gläubigen. Seit der Wende zum 5. Jh. wird die E. auf den Entzug der mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte einge- schränkt. Die Dekretisten entwickeln im Hochmittelalter ein differenziertes Regelwerk für die E. Wegen der starken Ausweitung verliert die E., abgesehen vom klerikalen 188 Bereich, später ihre Bedeutung. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56; Morel, M., L'Excommunication, 1926; Hyland, F., Excommunicatio, 1928; Elsener, F., Die Exkom- munikation als prozessuales Vollstreckungsmittel, FS E. Kern, 1968, 69; Weigand, R., Zur Exkommunikation bei den Glossatoren, ZRG KA 56 (1970), 396; Pauler, R., Dum esset catholicus ­ Zur Frage der Gültigkeit von Regierungshandlungen exkommunizierter und abge- setzter Kaiser, ZRG GA 112 (1995), 344 Exlibris ist das seit Erfindung des Buchdrucks in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s zur Bezeichnung des Eigentümers auf die Innenseite des vorderen Buchdeckels geklebte Blatt. Lit.: Kretz, H., Exlibris für Juristen, 2003 Ex nihilo nihil (lat.). Aus nichts wird nichts. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Anaxagoras, um 500-428 v. Chr.) Extranei heredes (lat. [M.Pl.], Sg. extraneus heres) sind im römischen Recht die im Gegensatz zu den (lat. [M.Pl.]) -> sui heredes (Hauserben) stehenden Außenerben (Agnaten, Gentilen). Lit.: Kaser §§ 66, 71 Extraordinaria cognitio (lat. [F.]) ist im römischen Recht das seit Augustus (63 v. Chr.- 14 n. Chr.) das ältere zweigeteilte Verfahren vor Magistrat und ehrenamtlichem Richter ablösende einheitliche -> Kognitionsverfahren eines einzigen öffentlichen Amtsträgers. Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14, 15, 16, 18 Extravagantes ist die Bezeichnung für die 20 Dekretalen Papst Johannes' XXII. (1314ff.) und die 70 Dekretalen der Päpste Bonifaz' VIII. (1294-1303) bis Sixtus' IV. (1471-1484), die der Pariser Kirchenrechtler Jean Chappuis in seine Ausgabe des -> corpus iuris canonici (1499ff.) ohne amtlichen Auftrag aufnimmt. Lit.: Bickell, J., Über die Entstehung und den heutigen Gebrauch der beiden Extravagantensammlungen, 1825; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 276 Eyre (engl. [N.]) ist die von lat. (N.) iter (Reise, Weg) abgeleitete Bezeichnung für die Reise bzw. Sitzung der königlichen englischen Reiserichter zwischen 1086 bzw. 1166 und 1294. Lit.: Harding, A., Rolls of the Shropshire Eyre of 1256, 1981 F Faber -> Favre Fabrik ist das Gebäude, in dem industriemäßig aus Rohstoffen Erzeugnisse hergestellt werden. Die F. entwickelt sich seit dem 18. Jh. aus dem Verlagssystem. Kennzeichnend ist die Tätigkeit der Bediensteten außerhalb des eigenen Hauses. Im 19. Jh. wird die F. Gegenstand besonderer rechtlicher Regelungen. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 175; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 229; Pfeiffer, H. v., Die Manufakturen und Fabriken Deutschlands, Teil 1f. 1781; Anton, G., Geschichte der preußischen Fabrikgesetzgebung, 1891, Neudruck, 1953; Mises, L., Zur Geschichte der österreichischen Fabrikgesetzgebung, Z. f. Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung 14 (1905), 230; Gellbach, H., Arbeitsvertragsrecht der Fabrikarbeiter im 18. Jahrhundert, 1939; Worring, H., Das fürstenbergische Eisenwerk Hammereisenbach, 1954; Dällenbach, H., Kantone, Bund und Fabrikgesetzgebung, Diss. jur. Bern 1961; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, 1983; Österreichische Fabriksprivilegien vom 16. bis ins 18. Jh., hg. v. Otruba, G., 1981, 84; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht in der Schweiz, ZNR 8 (1986), 157; Ruppert, W., Die Fabrik, 2. A. 1993 Fabrikengericht ist das im späten 18. Jh. in Preußen für einige Zeit aus der Polizeijurisdiktion entwickelte und danach im Rheinland geschaffene besondere Gericht für Rechtsstreitigkeiten in einer Fabrik zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern. Lit.: Willoweit, D., Die Entstehung der preußischen Fabrikengerichtsbarkeit, ZNR 4 (1982), 1; Schloßstein, K., Die westfälischen Fabrikengerichtsdeputationen, 1982; Schöttler, P., Die rheinischen Fabrikengerichte, ZNR 7 (1985), 160 facere (lat.) handeln facultas (F.) alternativa (lat.) Ersetzungsbefugnis Fahndung Lit.: Blauert, A. u. a. Gauner- und Diebslisten, 2001 Fahne ist das vielfach als Rechtssymbol verwendete Tuch. -> Fahnenflucht, -> Fahnenlehen, -> Reichsfahne Lit.: Meyer, H., Die rote Fahne, ZRG GA 50 (1930), 310; Meyer, H., Sturmfahne und Standarte, ZRG GA 51 (1931), 204; Meyer, H., Kaiserfahne und Blutfahne, ZRG GA 53 (1933), 291; Neubecker, O., Fahnen und Flaggen, (um 1940) 189 Fahnenflucht ist das eigenmächtige Verlassen des Heeres, das schon im Altertum gewichtige Folgen nach sich zieht. Das langobardische Volksrecht sieht die Tötung, das alemannische Volksrecht die Buße von 80 Schillingen vor. Auch später wird zumindest für schwere Fälle die Todesstrafe angedroht, während einfachere Fälle mit Gefängnis und Ehrenminderung bestraft werden. Die F. in der Unrechts- herrschaft (berechtigte Fahnenflucht in verbrecherischen Regimen) kann gerecht- fertigter Widerstand sein. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 561; Sargmeister, M., Das Delikt der Fahnenflucht, Diss. jur. Erlangen 1908; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff., Neudruck 1964; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Armeen und ihre Deserteure, hg. v. Bröckling, U. u. a., 1998 Fahnenlehen, Fahnlehn, ist das mit einer Fahne als Symbol (einer besonderen Herrschaftsgewalt?) verliehene -> Lehen. Nach verbreiteter hochmittelalterlicher Ansicht ist die königliche Belehnung mit einem F. Voraussetzung der Zugehörigkeit zum Fürs- tenstand. Das F. darf weder geteilt noch vom König länger als Jahr und Tag einbehalten werden. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Bruckauf, J., Vom Fahnlehn, 1906; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979, 36 Fähre ist das dem Übersetzen über einen Strom oder See dienende Fahrzeug. Seit dem Hochmittelalter wird das Recht zum Betrieb einer F. auf öffentlichem Gewässer als -> Regal verstanden. Von ihm leitet sich das einzelne Fährenrecht ab. In Deutschland gelten die früheren landesrechtlichen Vorschriften, sofern in den Landeswassergesetzen keine andere Regelung enthalten ist. Lit.: Künßberg, E. v., Fährenrecht und Fährenfreiung, ZRG GA 45 (1925), 144; Riegler, B., Fährgerechtigkeiten, Diss. jur. Würzburg 1933; Elben, J., Die Deutz-Kölner Rheinfähre als Kurkölner Regal, 1933; Hahn, C., Das Fährenrecht am Niederrehin, 1949 Fahrende Habe -> Fahrnis Fahrende Leute Lit.: Enklaar, D., Varende Luyden, 1957 Fahrhabe -> Fahrnis Fahrlässigkeit ist im Privatrecht die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, im Strafrecht für die wenigen fahrlässig begehbaren Straftaten der Vorwurf, dass der Täter eine objektive Sorgfaltspflicht nicht erkannt oder die daraus folgende Sorgfaltsanforderung nicht erfüllt hat, obwohl er dazu nach seinen persönlichen Fähigkeiten und dem Maß seines individuellen Könnens imstande gewesen wäre. Im römi- schen Recht wird erst zu Beginn der klassischen Zeit an die an ein Handeln gebundene F. (lat. [F.] -> culpa) die zunächst auf den Vorsatz beschränkte Folge angeknüpft. Dies gilt allmählich auch für Verträge. Bei Justinian hat der Schuldner eine allgemeine Pflicht zur Sorgfalt (lat. [F.] -> diligentia), mit deren schuldhafter Verletzung er eine Nach- lässigkeit (lat. [F.] -> neglegentia) begeht. Innerhalb der (lat. [F.]) culpa wird die grobe F. dem Vorsatz gleichgehalten. Im Frühmittelalter kennen die Quellen eine Reihe von Tätigkeit- Erfolgs-Beziehungen, bei denen kein Vorsatz angenommen wird (Ungefährwerk). Die Folgen sind allerdings durchaus unterschiedlich, wobei am Ende des Mittelalters eine Tendenz zur schwächeren Folge für den nicht gewollten Erfolg überwiegt. Ziemlich klar unterscheidet die Constitutio Criminalis Carolina (1532) vorsätzliche Tötung, fahrlässige Tötung und zufällige Tötung. Daran knüpft die weitere Entwicklung an, in der seit dem 19. Jh. eine Legaldefinition der strafrechtlichen F. vermieden wird. Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 158, 204; Bruck, F., Zur Lehre von der Fahrlässigkeit, 1885; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Exner, F., Das Wesen der Fahrlässigkeit, 1910, 12; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 90, Neudruck 1964; Nörr, D., Die Fahrlässigkeit im byzantinischen Vertragsrecht, 1960; Hoffmann, H., Die Abstufung der Fahrlässigkeit in der Rechtsgeschichte, 1968; Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 1969, 404; Holl, T., Entwicklungen der Fahrlässigkeitsdogmatik im Strafrecht von Feuerbach bis Welzel, 1992 Fahrnis ist die bewegliche (mobile) Sache. Auf die Beweglichkeit einer Sache stellt das römische Recht nur in wenigen Einzelheiten (z. B. Ersitzung, Besitzschutz, später besondere Form des Kaufs unbeweglicher Sachen) ab. Im mittelalterlichen deutschen Recht kann über F. 190 schon früh frei verfügt werden, unterliegt F. in der Ehe vielfach anderen Regeln hinsichtlich der Nutzung, Verwaltung und Verfügung und gibt es an F. keine mehrfache und keine ideelle Gewere. Möglich sind Entliegenschaftung und Verliegenschaftung. In der Neuzeit verblassen die Unterschiede unter dem Einfluss des römischen Rechts, doch regelt beispielsweise noch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) den Erwerb von Rechten an beweglichen Sachen (z. B. Einigung und Übergabe) anders als den Erwerb von Rechten an unbeweglichen Sachen (z. B. Auflassung und Eintragung). Lit.: Kaser § 15 I; Hübner 182, 430; Kroeschell, DRG 2; Estlander, E., Bidrag till en undersökning om klander, 1900; Meyer, H., Entwerung und Eigentum, 1902; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Hübner, H., Der Rechtsverlust im Mobiliarsachenrecht, 1955 Fahrnisgemeinschaft ist im Ehegüterrecht die -> Errungenschaftsgemeinschaft, in der auch die voreheliche -> Fahrnis den Eheleuten gemeinschaftlich zusteht. Sie ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Seit 1. 7. 1958 kann die F. in Deutschland nicht mehr vereinbart werden. Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 18 faida -> Fehde Lit.: Kroeschell, DRG 1 Fakultät ist die Fachabteilung der Universität. Im Mittelalter ist die Universität meist in die vier Fakultäten der Artisten, Theologen, Juristen und Mediziner gegliedert. Ihre Geschäfte leitet der Dekan. Seit dem 19. Jh. hat sich die Zahl der Fakultäten vermehrt. Seit 1970 sind in Deutschland die Fakultäten an vielen Orten in Fachbereiche umbenannt und teilweise aufgegliedert. Lit.: Köbler, DRG 99, 143; Baltl/Kocher; Wretschko, A. v., Die Geschichte der juristischen Fakultät an der Universität Innsbruck, FS zum 27. Deutschen Juristentag 1904, 101; Wohlhaupter, E., Die Spruchtätigkeit der Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938); Dickel, G., Die Heidelberger juristische Fakultät, 1961; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel, 1962; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Schikora, A., Die Spruchpraxis der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Cobban, A., The medieval University, 1975; Festschrift der juristischen Fakultät Heidelberg, 1986; Artisten und Philosophen ­ Wissenschafts- und Wirkungsgeschichte einer Fakultät, hg. v. Schwinges, R., 1999 Falkenstein Lit.: Codex Falkensteinensis, bearb. v. Noichl, E., 1978 Fallrecht ist die auf richterlichen Entscheidungen beruhende Rechtsordnung. F. sind das klassische -> römische Recht und das - > englische Recht (case-law). Ansätze zu einem F. finden sich auch in Deutschland (mit- telalterliche Schöffensprüche, Entscheidungen des Reichskammergerichts), können sich jedoch wegen der Aufnahme des römisch- justinianischen Gesetzesrechts und des Fehlens einer durchsetzungsfähigen Höchstgerichts- barkeit nicht ausreichend entwickeln. Daneben ist F. auch das Rückfallrecht von Gütern bei Fehlen von Abkömmlingen an die Familie, aus der sie gekommen sind. Lit.: Kaser § 2; Köbler, DRG 31; Gál, A., Der Ausschluss der Aszendenten von der Erbfolge und das Fallrecht, 1904; Rüdin-Bader, S., Die erbrechtliche Stellung der Stiefkinder und Halbgeschwister nach den zürcherischen Rechtsquellen, 1959; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 298ff., 468ff.; Case-Law in the Making, hg. v. Wijffels, A., 1997 Falsa demonstratio non nocet (lat.). Eine falsche Bezeichnung schadet nicht. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Gaius, um 120-um 180, Digesten 35, 1, 17, pr.) Falschaussage -> Meineid Lit.: Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage, 1990 Falsche Verdächtigung ist der 1871 in das Strafgesetzbuch Deutschlands eingefügte, die wahrheitswidrige Verdächtigung eines anderen betreffende Tatbestand des § 164 StGB. Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003 Fälschung ist die zu betrügerischem Zweck vorgenommene Veränderung oder Nachbildung eines Gegenstandes (z. B. Münze, Bild). Einzelne Fälschungshandlungen erwähnt be- reits das altrömische Zwölftafelgesetz (Falschaussage 8,23, Richterbestechung 9,3). Seit dem 1. Jh. v. Chr. bilden sich Fälschungsdelikte (lat. crimina [N.Pl.] falsi) als besondere Gruppe aus (Testament, Urkunde, Grenze, Münze, Maß, Gewicht usw.), neben die 191 der Betrug (lat. [M.] stellionatus) tritt. Im Frühmittelalter verschmelzen die Tatbestände des römischen Rechts zu Deliktsfiguren, die nur noch wenig Ähnlichkeiten mit ihren Vorbildern haben. Dagegen fasst das spätmit- telalterliche gelehrte Recht die Fäl- schungsdelikte zu einem einheitlichen (lat. [N.]) crimen falsi zusammen, zu dem (lat. [M.]) -> stellionatus ein qualifizierter Sonderfall ist. Im 19. Jh. werden -> Betrug und Fälschung voneinander getrennt. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Binding, K., Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, Teil 2, 2, 1901; Beyerle, K., Die Urkundenfälschungen des Kölner Burggrafen Heinrich III., 1913; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Fuhr, L., Zur Entstehung und rechtlichen Bedeutung der mittelalterlichen Formel ane argliste unde geverde, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Fuhrmann, H., Die Fälschungen im Mittelalter, HZ 197 (1963), 529; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg 1968; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1987ff.; Fuld, W., Das Lexikon der Fälschungen, 1999; Topper, U., Fälschungen der Geschichte, 2001; Fortschritt durch Fälschungen? hg. v. Hartmann, W. u. a., 2002; Fezzi, L., Falsificazione di documenti pubblci nella Roma tardorepubblicana, 2003 Falsum (lat. [N.]) ist die im klassischen römischen Recht als Straftat erfasste -> Fälschung, für die Sulla an der Wende vom 2. zum 1. Jh. eine eigene Untersuchungsbehörde einrichtet. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens, 1962 Familia (lat. [F.]) ist im frühen Mittelalter nach antikem Vorbild vor allem der zu einer Grundherrschaft gehörige Personenverband. Lit.: Kaser § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Baltl/Kocher; Weizsäcker, W., Die familia des Klosters St. Emmeram in Regensburg, Verhandl. d. histor. Vereins v. Oberpfalz und Regensburg 92 (1951), 1; Bosl, K., Die ,,familia", Z. f. bay. LG. 38 (1975), 403; Kuchenbach, L., Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Scherner, K., Ut proprian familiam nutriat, ZRG 111 (1994), 330; Paludan, H., Familia og Familie, 1995; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993 familiae emptor (lat. [M.]) Erbschaftskäufer Familie ist der Kreis der durch Ehe, Verwandtschaft und Schwägerschaft verbundenen Menschen, insbesondere die Ehegatten und ihre Kinder. Im Altertum wird die F. als von der Natur des Menschen gegeben eingestuft. Vermutlich sind sich bereits die Indogermanen der F. bewusst. Vielleicht mit der Sesshaftwerdung bildet sich in Rom die auf dem Einzelhof lebende, aus Familienvater, Ehefrau und Kindern (sowie Gesinde) bestehende F. Dem dürfte auch die F. der Germanen entsprochen haben. Die durch- schnittliche Zahl der Geburten einer Frau dürfte fünf nicht überschritten haben. Die F. steht meist unter der Personalgewalt des Hausvaters, die mit Emanzipation, Abschichtung oder Verheiratung endet. Mit der Christianisierung verbessert sich die Stellung der Frau in der F. Mit dem 19. Jh. lockern sich die fa- milienrechtlichen Bindungen, so dass das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) die F. eher als Summe rechtlicher Einzelbeziehungen versteht. 1957 tritt in Deutschland an die Stelle der väterlichen Gewalt die gemeinschaftliche Leitung der F. durch Mann und Frau. 1979 wird die gemeinsame -> elterliche Gewalt durch die elterliche Sorge ersetzt. Lit.: Kaser § 12; Söllner §§ 4, 5, 8, 12, 18; Hübner 615; Köbler, DRG 129, 209, 238, 252, 267; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 253; Bartsch, R., Die Rechtsstellung der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, 1907; Schulz, W., Die germanische Familie der Vorzeit, 1925; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 1; Möller, H., Die kleinbürgerliche Familie im 18. Jahrhundert, 1969; Vismara, G., Famiglia e successioni nella storia del diritto, 1970; Scheffler, E., Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im Wandel der Rechtsordnung seit 1918, 1970; Montanos, E., La familia en la Alta Edad Media espaola, 1980; Gaunt, D., Familjelivi i Norden, 1983; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Burguire, A. u. a., Histoire de la famille, 1986; Weibel, T., Erbrecht und Familie, 1988; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990; Rosenbaum, H., Formen der Familie, 5. A. 1990; Haushalt und Familie, hg. v. Ehlert, T., 1991; Dixon, S., The Roman Family, 1992; Rachel, C., Die Diskussion um dem französischen Familienrat in Deutschland im 19. 192 Jahrhundert, 1994; Geschichte der Familie, hg. v. Burguire, A. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Historische Familienforschung, hg. v. Ehmer, J. u. a., 1997; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1997; The Roman Family, hg. v. Rawson, B. u. a., 1997; Gestrich, A., Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert, 1998; Schumann, E., Die nichteheliche Familie, 1998; Gestrich, A., Geschichte der Familie, 1999; Ehe und Familie, hg. v. Hecker, H., 1999; Die jüdische Familie, hg. v. Keil, M. u. a., 1999; Peters, U., Dynastiegeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Gestrich, A. u. a., Geschichte der Familie, 2003; Heinemann, R., Familie zwischen Tradition und Emanzipation, 2004; Kuller, C., Familienpolitik im föderativen Sozialstaat, 2004 Familienfideikommiss ist die auf rechtsgeschäftlicher Stiftung beruhende Bindung des Vermögens einer Familie im Mannesstamm. Solche Stiftungen des niederen Adels, die dieselben Wirkungen wie die Hausgesetze der späteren Landesherren anstreben, sind in England seit dem 8. Jh., in Deutschland seit dem 11. Jh. bezeugt. Sie nehmen in der Neuzeit zu. Philipp Knipschild formuliert 1654 (De fideicommissis familiarum nobilium, Über die Fideikommisse der adligen Familien) die dafür aus dem römischrechtlichen (lat. [N.]) fideicommissum der justinianischen Novelle 159 und dem lehnrechtlichen Gedanken einer (lat.) successio (F.) ex pacto et providentia maiorum (Nachfolge aus Vertrag und Voraussicht der Vorfahren) entwickelte Theorie vorbildlich. Danach ist Eigentümer des durch schriftliche Willenserklärung errichteten Familienfideikommisses (evtl. Eintragung und staatliche Genehmigung notwendig) der oder gesamthänderisch die jeweiligen Inhaber. Veräußerungen und Belastungen sind nichtig. Meist folgt der älteste Sohn nach. Schon Montesquieu (1748) bekämpft den F. aus wirtschaftlichem Grund. 1804 wird der F. im Gebiet des französischen Rechts aufgehoben. In Preußen wird die 1850 verfügte Aufhebung später wieder beseitigt. Art. 155 II der Weimarer Reichsverfassung setzt die Auflösung fest, ein Reichsgesetz vom 6. 7. 1938 beschleunigt sie (erloschen zum 1. 1. 1939, vgl. das Bundesgesetz vom 28. 12. 1950/ 3. 8. 1967). Vielfach ist der F. in eine Stiftung überführt. Lit.: Kaser § 77; Söllner § 17; Hübner 337; Köbler, DRG 123, 162, 210, 231; Kunsemüller, Zur Entstehung der westfälischen Fideikommisse, 1909; Sautier, A., Die Familienfideikommisse der Stadt und Republik Luzern, 1909; Meyer, H., Die Anfänge des Familienfideikommisses in Deutschland, FG R. Sohm 1914, 225; Seelmann/Klässel, Das Recht der Familienfideikommisse, 1920; Hausgeschichte und Diplomatarium der Reichs-Semperfreien und Grafen Schaffgotsch, hg. v. Kaufmann, J., 2, 2, 1925; Klässel/Köhler, Die Zwangsauflösung der Familienfideikommisse, Bd. 1 1932; Söllner, A., Zur Rechtsgeschichte des Familienfideikommisses, FS M. Kaser, 1976, 657; Bar, C. v./Striewe, P., Die Auflösung der Familienfideikommisse, ZNR 3 (1981), 184; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse, 1992; Eckert, J., Use, Trust, strict Settlement, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bayer, B., Sukzession und Freiheit, 1999 Familiengericht ist die am 1. 7. 1977 geschaffene Gerichtsbarkeit in Familiensachen am -> Amtsgericht. Das F. entwickelt sich am Beginn des 20. Jh.s aus dem Jugendgericht in den Vereinigten Staaten. Nach 1920 wird es in Japan aufgenommen. Lit.: Röhl, Das Familiengericht in Japan, NJW 1957, 12; Erdsiek, G., Der Family Court in USA, NJW 1961, 1066; Peschel-Gutzeit, L., 25 Jahre Familiengerichte in Deutschland, NJW 2002, 2737 Familiengesetzbuch ist das am 20. 12. 1965 zur Neuordnung des Familienrechts in der -> Deutschen Demokratischen Republik geschaf- fene Gesetzbuch (Egalisierung im Namens- recht, erleichterte Scheidung ohne Unterhalts- ansprüche, Errungenschaftsgemeinschaft, Er- ziehung der Kinder zu Erbauern des Sozialismus). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Douma, E., Die Entwicklung des Familiengesetzbuches der DDR, ZRG GA 111 (1994), 592 Familienrecht ist die Gesamtheit der die -> Familie betreffenden Rechtssätze. Sachlich erfasst sind davon in erster Linie das Verhältnis von Mann und -> Frau in der Ehe, die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern sowie die -> Vormundschaft, -> Pflegschaft und -> Betreuung. Die Erfassung der gesellschaftlichen Gegebenheiten durch das Recht ist erst allmählich erfolgt. Einen bedeutsamen Anteil hieran hat die christliche Kirche mit ihrer sakramentalen Ehevorstellung. Als besonderes Rechtsgebiet erscheint das F. 193 erst im späten 18. Jh. Seitdem wird es zunehmend geprägt von der Emanzipation der Frau. Tatsächlich bedeutsam wird seit etwa 1970 die medizinische Entdeckung der medikamentösen Empfängnisverhütung. Lit.: Kaser §§ 12, 58; Schulze, H., Erb- und Familienrecht der deutschen Dynastien des Mittelalters, 1871; Dargun, L., Studien zum ältesten Familienrecht, 1892; Boehmer, G., Die Teilreform des Familienrechts, 1962; Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts, 1964; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1970; Bextermöller, C., Das Familienrecht in den Systemen der Pandektistik, 1970; Dörner, H., Industrialisierung und Familienrecht, 1974; Buchholz, S., Savignys Stellungnahme zum Ehe- und Familienrecht, Ius commune 8 (1979), 148; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., Familienrecht 3 Teile, 1983; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen Stadt, in: Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Ramm, T., Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984; Zur Geschichte des Ehe- und Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Das Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W., 1993; Ramm, T., Familienrecht ­ Verfassung, Geschichte, Reform, 1996; Vaupel, H., Die Familienrechtsreform, 1999; Frank, R., 100 Jahre BGB, Familienrecht zwischen Rechtspolitik, Verfassung und Dogmatik, AcP 200 (2000), 400; Franzius, C., Bonner Grundgesetz und Familienrecht, 2005 Fara ist ein langobardisch(-burgundisch)es Wort des 6./7. Jh.s für die Fahrtgenossenschaft. Lit.: Köbler, WAS; Fasoli, G., I Langobardi in Italia, 1965, 50; Cavanna, A., Fara, 1967; Jarnut, J., Geschichte der Langobarden, 1982, 47 Faschismus ist die politische Bewegung mit nationalistischer totalitärer Zielsetzung, die ihren historischen Ausgang von Benito Mussolini (Italien 23. 3. 1919 fasci di com- battimento) genommen hat. Ihr verbunden fühlt sich rasch Adolf -> Hitler. Nach dem zweiten Weltkrieg (1939-1945) wird der F. weltweit geächtet. Lit.: Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 329; Nolte, E., Der Faschismus, 9. A. 1984; Turner, H., Faschismus und Kapitalismus in Deutschland, 1972; Wippermann, W., Faschismustheorien, 6. A. 1995; Payne, S., The History of Facism, 1995; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 40 I; Faschismus und Gesellschaft in Italien, hg. v. Petersen, J. u. a., 1998; Sternhell, Z. u. a., Die Entstehung der faschistischen Ideologie, 1999; Kühnl, R., Der deutsche Faschismus, 7. A. 2000; Nolte, E., Der Faschismus in seiner Epoche, 5. A. 2000; Payne, S., Geschichte des Faschismus, 2001; Reichardt, S., Faschistische Kampfbünde, 2002; Nietzsche, Godfather of Facism?, hg. v. Golomb, J. u. a., 2002; Classen, C., Faschismus und Antifaschismus, 2004; Breuer, S., Nationalismus und Faschismus, 2005 Faustpfand ist das dem Pfandgläubiger zu unmittelbarem Besitz übergebene -> Pfand, dessen Name sich von der unrichtigen Verbindung von (lat. [N.]) pignus, Pfand mit (lat. [M.]) pugnus, Faust ableitet. Im römischen Recht ist das Pfand teils Besitzpfand, teils besitzloses Pfand. Im deutschen Pfandrecht ist das Pfand zunächst F., doch entwickelt sich im Hochmittelalter an einigen für den Schuldner schwer entbehrlichen Sachen auch ein besitzloses Pfand (neuere Satzung an Fahrnis). Trotz der Aufnahme des römischen Rechts bleibt das (dadurch zurückgedrängte) F. bestehen und wird in die Hypothec- und Concursordnung Preußens (1722), das Allgemeine Landrecht Preußens (1794), das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) und in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Die Rechtswirklichkeit zieht die -> Sicherungsübereignung vor. Lit.: Kaser § 31 III; Köbler, DRG 126, 164, 213; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 39 Faustrecht ist die Bezeichnung für den Zustand der menschlichen Gesellschaft, in dem sich jeder sein Recht mit eigener Faust (Selbsthilfe) zu erkämpfen versucht. Insofern ist ein rechtsfreier Urzustand ein Zustand des Faustrechts, dem als Gegensatz der moderne Rechtsstaat gegenübersteht, in dem alle Verhältnisse rechtlich geordnet sind und alle einzelnen Interessen im Streit der Durchsetzung durch den gewaltmonopolistischen Staat bedürfen. favor (M.) iuris (lat.) Rechtswohltat Favor (M.) libertatis (lat.) ist im spätrömischen Recht die im Zweifel im 194 Rechtsstreit um die Freiheit gewährte Begünstigung der Freiheit. Lit.: Kaser §§ 13, 15; Söllner § 12; Köbler, DRG 57 Favor (M.) testamenti (lat.) ist im römischen Recht die bei mehreren Auslegungsmöglich- keiten im Zweifel gewährte Begünstigung des nur unentgeltliche Verfügungen enthaltenden Testamentes gegenüber Geschäften unter Lebenden. Lit.: Kaser § 68 I; Köbler, DRG 60 Favre (Faber), Antoine (1557-1624) wird nach dem Rechtsstudium in Paris und Turin 1585 Mitglied und 1610 Präsident des Gerichtshofes von Savoyen, dessen Entscheidungen er in dem nach dem justinianischen Codex syste- matisierten Codex Fabrianus definitionum forensium (Faberschen Buch der gerichtlichen Erklärungen) 1609 veröffentlicht. Lit.: Chevalier, L., Le président Favre, TRG 20 (1952), 263, 456 FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund [in der Deutschen Demokratischen Republik]) Februarpatent ist in -> Österreich das dem -> Oktoberdiplom folgende Patent vom 26. 2. 1861, das als Verfassung des österreichischen Reichs einen Inbegriff von Grundgesetzen (Pragmatische Sanktion, Oktoberdiplom, die anerkannten Teile der ungarischen Verfassung, Grundgesetz über die Reichsvertretung, neue Landesordnungen für die cisleithanischen Länder) versteht und für den Reichsrat zwei Kammern (Herrenhaus, Abgeordnetenhaus) vorsieht und damit den -> Neoabsolutismus formal beendet. Das F. schafft ein zentrales System und bildet die erste Grundlage für den mit der 1867 begründeten Konstitutionalismus. -> Dezemberverfassung Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; Rottenbacher, B., Das Februarpatent in der Praxis, 2001 Fehde ist im mittelalterlichen deutschen Recht der Zustand der rechtmäßigen, Verletzungen fremder Menschen und Sachen erlaubenden Feindschaft zwischen dem Verletzten (und seiner Verwandtschaft) und dem Rechtsbrecher (und seiner Verwandtschaft) zwecks Durchsetzung eines bestehenden oder behaupteten Rechts. Die F. lässt die Selbsthilfe zu und zwar auch in der Form der Blutrache. Neben ihr steht wohl schon früh die Möglichkeit des Erfolgsausgleichs durch Meinungsbildung oder Entscheidung Dritter. Im Frühmittelalter beginnen König und Kirche die F. wegen ihrer unbefriedigenden, in der Nähe des Unrechts stehenden Folgen zurückzudrängen. Deswegen enthalten die Volksrechte umfangreiche Bußkataloge (-> Kompositionensystem). Im Hochmittelalter wird in den Landfriedensbestimmungen das Mittel der peinlichen -> Strafe gegen die F. eingesetzt. Die F. wird auf den Adel beschränkt. Der ewige Landfriede von 1495 verbietet die F. umfassend. Gleichzeitig wird das Reichskammergericht als Streitentschei- dungsorgan verfügbar. Danach geht die wohl noch gewohnheitsrechtlich legitimierte oder zumindest gewohnheitsmäßig geübte F., wie sie beispielsweise auch der Berliner Kaufmann Hans Kohlhase von 1534 bis 1538/1540 führt, tatsächlich allmählich zurück. -> Duell und -> Selbsthilfe bleiben Überreste auch in der Neuzeit. Lit.: Köbler, LAW; Halban-Blumenstok, A., Königsschutz und Fehde, ZRG GA 17 (1896), 63; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 263, Neudruck 1964; Blockmans, F., Een patricische veete te Gent, Bulletijn der koninkl. commissie van geschiedenis 99 (1935), 573; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Genzmer, F., Rache, Wergeld und Klage, 1941; Asmus, H., Rechtsprobleme des mittelalterlichen Fehdewesens, 1951; Fenger, O., Fejde og mandebod, 1971; Orth, E., Die Fehden der Reichsstadt Frankfurt am Main im Spätmittelalter, 1973; Sendler, H., Über Michael Kohlhaas, 1985; Terharn, C., Die Herforder Fehden, 1994; Müller-Tragin, C., Die Fehde des Hans Kohlhase, 1997; Vogel, T., Fehderecht und Fehdepraxis im Spätmittelalter, 1998; Dießelhorst, M./Duncker, A., Hans Kohlhase, 1999; Reinle, C., Bauernfehden, 2003; Bechstein, E., Die Tierberger Fehde, 2004 Fehmarn Lit.: Thon, H., Untersuchungen zur Rechtsgeschichte der Insel Fehmarn, Zs. der Gesellschaft für schleswig- holsteinische Geschichte 70/71 (1943), 117; Kramer, K., Fehmarner Volksleben, 1982, Fehr, Hans (Sankt Gallen 9. 11. 1874-Muri 21. 11. 1961) wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg, Berlin, Bern (Eugen Huber) und Leipzig (Rudolf Sohm) Professor für deutsche Rechtsgeschichte in Jena (1907), Halle (1912), Heidelberg (1917) und Bern (1924-1944). 195 Seine Hauptwerke betreffen das Recht im Bilde (1923), das Recht in der Dichtung (1933) und die Dichtung im Recht (1937). Lit.: Kunst und Recht, hg. v. Beyerle, F./Bader, K., 1948; Bader, K., Hans Fehr, ZRG GA 80 (1963), XV Feiertag ist der kraft Rechts arbeitsfreie Arbeitstag. Die Arbeitsfreiheit des siebenten Wochentages und der Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten geht auf die jüdisch- christliche Tradition zurück. 1642 schränkt Papst Urban VIII. die zu groß gewordene Zahl der katholischen Feiertage auf 34 jährlich ein. Seit dem 19. Jh. wird die staatliche Ge- setzgebung entscheidend, auf die auch die an bezahlter Arbeitsfreiheit interessierten Gewerk- schaften Einfluss nehmen. Im ausgehenden 20. Jh. verringern wirtschaftliche Überlegungen die Bedeutung des Feiertags. Lit.: Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 1953ff.; Krämer, J., Industrialisierung und Feiertage, 1999; Grube, A., Der Sonntag, 2003; Bürkle, M., Die Entwicklung des Sonn- und Feiertagsschutzes in Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 2003 Felonie ist der Treuebruch (im mittelalterlichen Lehnswesen). Die F. des Lehnsmannes berechtigt den Lehnsherrn zur Einziehung des Lehens, doch wird diese Folge in der Neuzeit abgemildert. Bei F. des Lehnsherrn kann der Lehnsmann eine -> Fehde beginnen oder eine Klage erheben. Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 542, 679; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von Katzenelnbogen, 1969; Bellamy, J., The Law of Treason, 1970; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983, 104; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979, 400 Feme (Bund?, Strafe?), Veme, ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf die Verbesserung der Rechtspflege durch geheime Verfahren abzielende Bewegung innerhalb der Gerichtsbarkeit. Zu diesem Zweck entstehen seit dem 14. Jh. aus den westfälischen Freigerichten besondere Femegerichte, die mit einem Freigrafen und 7 Freischöffen besetzt sind. Die Angehörigen des Femegerichts sind in feierlicher Form in die Geheimnisse der F. eingeweiht. Jeder Frei- schöffe ist verpflichtet, todeswürdiges Unrecht zu rügen. Bei Bedarf können die Freischöffen überall ein Notgericht durchführen und nach Überführung den Täter sofort mit dem Strang richten. Missachtet ein Beschuldigter eine Ladung, so wird das Verfahren in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt. Ohne dass er das Urteil kennt, muss er jederzeit mit der Vollstreckung rechnen. Die allmählich mit teilweiser königlicher Unterstützung über das gesamte Reich (rund 15000-30000 Frei- schöffen) verbreitete F. wird wegen der auftretenden Missbräuche seit der Mitte des 15. Jh.s zurückgedrängt. Sie endet im 18. Jh. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Duncker, H., Kritische Besprechung der wichtigsten Quellen, ZRG GA 5 (1884), 116; Lindner, T., Die Veme, 2. A. 1896, Neudruck 1989; Schnettler, O., Die Veme, 2. A. 1933; Scherer, C., Die westfälischen Femegerichte und die Eidgenossenschaft, 1941; Veit, L., Nürnberg und die Feme, 1955; Harnisch, W., Anmerkungen zu neueren Ansichten über die Feme, ZRG GA 102 (1985), 247; Gimbel, R., Die Reichsstadt Frankfurt am Main, 1990; Fricke, E., Die westfälische Veme, 2002 Femegericht -> Feme Fenus (N.) nauticum (lat.) ist im klassischen römischen Recht das aus dem griechischen Recht kommende, ohne weiteres in unbeschränkter Höhe verzinsliche -> Darlehen im Seerecht. Gehen die auf dem Schiff verladenen Sachen unter, so wird der Darlehensnehmer frei. Lit.: Kaser §§ 34 IV 2, 39 I 3; Mathiass, B., Das foenus nauticum und die geschichtliche Entstehung der Bodmerei, 1881; Schuster, S., Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005 Fertigung Lit.: Müller, W., Fertigung und Gelöbnis mit dem Gerichtsstab, 1976 Fertigungsrecht Lit.: Escher, A., Zur Geschichte des zürcherischen Fertigungsrechtes, Jb. f. schweiz. Geschichte 32 (1907), 89 Fest ist die gemeinschaftliche Feier eines Ereignisses. Verschiedentlich werden auch rechtliche bedeutsame Ereignisse durch ein F. hervorgehoben (z. B. Friedensschluss, Heirat). Lit.: Das Fest, hg. v. Schultz, U., 1988; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Fest und Festhistorik, hg. v. Kopperschmidt, J. u. a., 1999; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und Feste, 2000; Das Fest, hg. v. Maurer, M., 2004 196 Festschrift Lit.: Bibliographie juristischer Festschriften, bearb. v. Dau, H., Bd. 1ff. (1945-1961)ff., 1962ff. Feststellungsklage ist die auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klage. Lit.: Weismann, J., Die Feststellungsklage, 1879 Festuca ist der seit dem Frühmittelalter (-> Lex Salica, -> Lex Ribvaria) als Rechtssymbol verwendete Halm oder Stab. Eine f. wird etwa geworfen, wenn jemand einseitig eine Bindung aufsagt (Exfestukation). Eine f. wird überreicht, wenn ein Recht einverständlich übertragen werden soll. In der frühen Neuzeit verschwindet die f. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 23; Köbler, LAW; Michelsen, A., Über die festuca, 1856; Thévenin, M., Wadium et festuca, Nouvelle Revue historique du droit, 1880, 69; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, 1909, 145; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1 Festung ist der zum Zweck der Verteidigung durch Bauwerke besonders gesicherte Ort in der frühen Neuzeit. Die F. entsteht im 14./15. Jh. in Italien, als die schweren Geschütze die bisherigen Befestigungen von Burg und Stadt entwerten. Führend im Festungsbau wird danach Frankreich (Vauban 1633-1707). 1820 gibt es in Preußen noch 24 Festungen. Spätestens die Erfindung der Luftwaffe lässt die nur horizontal gesicherten Festungen wertlos werden. Lit.: Menne, P., Die Festung des norddeutschen Raumes, 1942; Huber, R./Rieth, R., Festungen, 1979 Festungsbaustrafe ist die in der zwangsweisen Mitwirkung im Bau einer -> Festung bestehende Strafe der frühen Neuzeit. Lit.: Kleinschrod, G., Über die Strafe der öffentlichen Arbeiten, 1789 Festungshaft ist die in einer -> Festung vollzogene Freiheitsstrafe der mittleren Neuzeit. Sie zieht keine Ehrenminderung nach sich. Lit.: Wächter, C., Lehrbuch des römisch-deutschen Strafrechts, Bd. 1 1825 Feudalismus ist im Sinne eines idealtypischen Ordnungsbegriffes die soziale, wirtschaftliche und politische Ordnung einer Gesellschaft, in der eine (adlige) Oberschicht mit Rechten an Land und anderen Gegenständen als Ausgleich für Kriegsdienste und andere Dienste ausgestattet wird. In Europa entsteht der F. spätestens im Frühmittelalter. Er bleibt bis in das 19. Jh. bestimmend. -> Lehen Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 174; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 337; Beaudoin, E., Étude sur les origines du régime féodal, 1889; Bloch, M., La société féodale, Bd. 1f. 1939f.; Brunner, O., Feudalismus, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz, 1958, 10; Graus, F., Die Gewalt bei den Anfängen des Feudalismus, Jb. f. Wirtschaftsgeschichte 1 (1961), 61; Feudalismus, hg. v. Wunder, H., 1974; Guerreau, A., Le féodalisme, 1980; Zum Problem des Feudalismus in Europa, 1981; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 1985; Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989; Kroeschell, K., Lehnrecht und Verfassung, 1997; Bloch, M., Die Feudalgesellschaft, 1999; Die Gegenwart des Feudalismus, hg. v. Fryde, N. u. a., 2002; Fiefs et féodalité, hg. v. Bonnassie, P., 2002 feudum (mlat. [N.]) Lehen, wahrscheinlich zu ahd. fihu (N.) Vieh Lit.: Köbler, LAW; Prausnitz, O., Feuda extra curtem, 1929; Prausnitz, O., Feuda extra curtem, 1929; Krawinkel, H., Feudum, 1938 Feuerbach, Paul Johann Anselm von (Hainichen 14. 11. 1775-Frankfurt am Main 29. 3. 1833) wird nach dem Studium von Philo- sophie und Recht in Jena außerordentlicher Professor, 1801 ordentlicher Professor, 1802 in Kiel und 1804 in Landshut sowie nach Aufgabe seiner Lehrtätigkeit 1805 Verwaltungsbeamter in München, 1814 Appellationsvizege- richtspräsident in Bamberg und 1817 Appellationsgerichtspräsident in Ansbach. Auf Grund des 1801 erschienenen Lehrbuchs des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts wird ihm (1804) die Erarbeitung eines modernen -> Strafgesetzbuchs (1813) in -> Bayern übertragen. Wegen seiner von der Aufklärung geprägten Theorie des psy- chologischen Zwangs will er mit genauen Tatbeständen ([lat.] -> nullum crimen sine lege) jedermann von Verletzungen der Rechte anderer abschrecken (-> Generalprävention durch Furcht vor Strafe) und dadurch die wechselseitige Freiheit des Bürgers schützen. Im Verfahren setzt sich F. für Öffentlichkeit und Mündlichkeit ein. Daneben entwickelt er auch kriminalsoziologische Vorstellungen. Lit.: Köbler, DRG 181, 204; Döring, Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958; Radbruch, G., Paul Johann Anselm Feuerbach, 1934, 3. A. 1969 (auch in 197 Radbruch-Gesamtausgabe); Blau, G., P. J. A. Feuerbach, 1948; Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 543; Naucke, W., Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962; Gallas, W., P. J. A. Feuerbachs ,,Kritik des natürlichen Rechts" 1964 (SB Heidelberg); Kipper, E., Johann Paul Anselm Feuerbach, 1969; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch, 1978; Feuerbach, Paul Johann Anselm ­ Savigny, Friedrich Carl von, 12 Stücke aus dem Briefwechsel, hg. v. Kadel, H., 1990; Neh, S., Die posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Küper, W., Das Verbrechen am Seelenleben, 1991; Feuerbach, P., Reflexionen, hg. v. Küper, W., 1993 Feuerschau ist die im Spätmittelalter in den Städten und danach auch in den Dörfern entwickelte regelmäßige amtliche Überprüfung aller Gebäude auf ihre Feuersicherheit. Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff., 2, 367ff. Feuerstrafe ist das Verbrennen eines Täters. Die F. ist im Altertum bekannt. Sie ist im Frühmittelalter selten. Mit dem peinlichen Strafrecht wird sie für Brandstiftung, Ketzerei und Unzucht mit Tieren üblich. Bald werden insbesondere zahlreiche Hexen verbrannt. Die Aufklärung lässt die F. seit dem 18. Jh. verschwinden. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 639; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 502, Neudruck 1964 Feuerversicherung Lit.: Helmer, G., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, Bd. 1f. 1925f.; Ebel, W., Die Hamburger Feuerkontrakte und die Anfänge des deutschen Feuerversicherungsrechts, 1936 Feuerwehr ist die Abwehr von Gefahren des Feuers meist durch gemeinsame Anstrengung. Sie beginnt als staatliche Leistung im Grunde mit der Schaffung von Wächtern (vigiles) in Rom unter Kaiser Augustus (27. v. Chr.-14 n. Chr.). Im 19. Jh. treten freiwillige Feuerwehr in kleinen Gemeinden und berufsmäßige Feuerwehr in Großstädten einander gegenüber. Lit.: Wallat, K., Sequitur clades ­ Die Vigiles im antiken Rom, 2004 Fiat iustitia et pereat mundus (lat.). Es muss Gerechtigkeit geübt werden und der Hochmut zu Fall kommen (bzw. es muss Gerechtigkeit geschehen, selbst wenn die Welt darüber zugrunde gehen sollte). Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Anfang 16. Jh.) Fichard, Johann (Frankfurt am Main 1512- 1580) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Freiburg (Zasius) und Basel Advokat am Reichkammergericht und dann Syndikus in Frankfurt am Main und nach dem Studium in Padua 1537 Anwalt und Berater in Frankfurt am Main. Seine wichtigsten Leistungen sind neben den 1539 veröffentlichten (lat.) Vitae (F.Pl.) iu- risconsultorum recentiorum (Lebensbeschrei- bungen neuerer Rechtsgelehrter) (stark romanisiert) die Gerichts- und Landesordnung der Grafschaften -> Solms (1571) und die revidierte Reformation der Stadt -> Frankfurt am Main (1578). Lit.: Köbler, DRG 143; Jung, R., Dr. Johann Fichard, 1889 Ficker, Julius (Paderborn 30. 4. 1826- Innsbruck 10. 7. 1902) wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Münster, Berlin und Bonn 1852 (bis 1879) Professor für Geschichte und zeitweise Rechtsgeschichte in Innsbruck, wo er zahlreiche unterschiedliche Fragen an Hand vorwiegend urkundlicher Quellen und später auch vergleichender Zielsetzungen untersucht. Lit.: Puntschart, P., Julius Ficker, ZRG GA 23 (1902), XIV Fideicommissum (lat. [N.]) ist im römischen Recht zunächst die formlose, nur sittlich verpflichtende Anordnung, die der Erblasser dem in einem Testament eingesetzten Erben erteilt. Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) wird das aus solchen Briefen entstehende Kodizill zusammen mit dem darin enthaltenen f. zu einer Rechtseinrichtung. Lit.: Kaser § 68 V Fideikommiss -> fideicommissum, Familien- fideikommiss Lit.: Kunsemüller, Zur Entstehung der westfälischen Fideikommisse, 1909; Heß, K., Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990 Fideiussio (lat. [F.]) ist im römischen Recht eine in der späten Republik für jede Schuld zulässige Form der -> Bürgschaft. Lit.: Kaser § 57 II 2 Fidelis Lit.: Gladiß, D. v., Fidelis regis, ZRG GA 57 (1937), 442; Hannig, J., Consensus fidelium, ZRG GA 102 198 (1985), 351 Fidepromissio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Nachbildung der nur unter römischen Bürgern und neben einer Stipulation möglichen (lat. [F.]) sponsio (-> Bürgschaft) für Nichtbürger. Lit.: Kaser § 57 II 2; Köbler, DRG 44, 63 Fides (lat. [F.]) ist im römischen Recht die anfangs nur sittliche, dann aber auch rechtliche Verpflichtung, zu einem gegebenen Wort zu stehen. Bona f. ist die gute Treue, mala f. die schlechte Treue, durch die sich beispielsweise redlicher Besitzer und unredlicher Besitzer voneinander unterscheiden. Auf die f. stützt das römische Recht vor allem die Fälle des -> bonae-fidei-iudicium (Klage aus den wichtigsten formfrei begründeten Schuldverhältnissen). Lit.: Kaser §§ 3 III 3, 13 I 2, 63 I 3; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 45; Köbler, LAW; Lombardi, L., Della fides alla bona fides, 1961; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Honsell, H., Quod interest im bonae fidei iudicium, 1969; Nörr, D., Die fides im römischen Völkerrecht, 1991; Schneider, N., Uberrima fides, 2004 Fiducia (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Sicherungsübereignung, bei der das Eigentum unter der Treuabrede (f.) verschafft wird, dass die Sache nach Erreichung des Sicherungszwecks zurückzuübereignen sei. Im spätantiken römischen Recht stirbt die F. ab. Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 24 II 2, 39 IV 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 41, 62; Noordraven, B., Von der fiducia zur Treuhandschaft, Österreich. Notariatszeitung 1995, 256; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998 Fiktion ist der Rechtssatz, der eine in Wahrheit nicht bestehende Tatsache als bestehend behandelt. Die F. ist bereits dem römischen Recht an einzelnen Stellen bekannt (z. B. bei vereitelter Bedingung). Lit.: Kaser § 10 I 1; Söllner § 9 Fiktionstheorie ist im 19. Jh. die von Savigny vertretene Ansicht, dass die -> juristische Person nur eine -> Fiktion sei. Lit.: Kroeschell, DRG 3 Finale Handlungslehre ist die von Hans Welzel in der Mitte des 20. Jh.s entwickelte Lehre vom zweckgerichteten Handeln des Straftäters, nach welcher der -> Vorsatz als subjektiver Teil des Tatbestandes zu verstehen ist. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Finanz Lit.: Brunner, O., Die Finanzen der Stadt Wien, 1929; Schulz, H., Das System und die Prinzipien der Einkünfte im werdenden Staat der Neuzeit, 1982; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983; Witzleben, A. v., Staatsfinanznot und sozialer Wandel, 1985; Buchholz, W., Öffentliche Finanzen und Finazverwaltung, 1992; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat. Eine Geschichte der öffentlichen Finanzen, 2005 Finanzausgleich ist der finanzielle Ausgleich zwischen verschiedenen Personen, insbesondere zwischen Hoheitsträgern. Lit.: Hidien, J., Der bundesstaatliche Finanzausgleich, 1998 Finanzgerichtsbarkeit ist der in Deutschland 1918 aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit gelöste (RGBl 1918, 959 Reichsfinanzhof, 13. 12. 1919 Finanzgericht, 28. 8. 1939 außer Tätigkeit gesetzt) vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s hauptsächlich für Steuerstreitigkeiten eingerichtete Zweig der -> Gerichtsbarkeit. Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Kumpf, J., Die Finanzgerichtsbarkeit, in: Justizalltag im Dritten Reich, 1988, 81 Finanzverwaltung ist der die Einnahmen des Staates (und anderer öffentlichrechtlicher Körperschaften) betreffende Teil der Verwaltung. Die F. erfolgt in Rom durch Verpachtung der Staatseinkünfte an meistbietende private Unternehmer (Steuer- pächter). Im Mittelalter gelangen trotz des besonderen Hofamtes des -> Kämmerers erst die Landesherren allmählich zu einer geordneten F. (z. B. Raitkammer König Maximilians in Tirol, im Reich 1495 Versuch des Gemeinen Pfennigs). Diese gewinnt mit dem Ausbau der gesamten Staatstätigkeit in der Neuzeit immer größere Bedeutung, wobei in Preußen seit 1713 ein genauer und regelmäßiger Haushaltsvoranschlag aufgestellt und 1714 zur Prüfung eine Oberrech- nungskammer geschaffen wird. Im 19. Jh. wird das Finanzwesen weitgehend verrechtlicht. In Deutschland ist die F. in der Gegenwart in Finanzministerium, Oberfinanzdirektion und Finanzamt gegliedert. Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Schmoller, G., Preußische Verfassungs-, Verwaltungs- und Finanzgeschichte, 1921; 199 Bamberger, E., Die Finanzverwaltung in den deutschen Territorien des Mittelalters 1200-1500, Z. f. d. ges. Staatswiss. 77 (1923), 168; Handbuch der Finanzwissenschaft, hg. v. Gerloff, W. u. a., Bd. 1 2. A. 1952; Kummer, J., Der Einfluss des Parlaments auf das Finanzwesen, 1964; Engelhardt, H., Landstände und Finanzwesen in Bayern im 15. und 16. Jahrhundert, 1967; Wolfe, M., The Fiscal System of Renaissance France, 1972; Küchler, W., Die Finanzen der Krone Aragón, 1983; Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989; Die Verwaltung und ihre Ressourcen, hg. v. Dilcher, G., 1991; Finanzen und Staatsräson in Italien und Deutschland, hg. v. Maddalena, A. de u. a., 1992; 75 Jahre Reichsfinanzhof - Bundesfinanzhof, 1993; Kanther, M., Finanzverwaltung zwischen Staat und Gesellschaft, 1993; Schremmer, E., Steuern und Staatsfinanzen, 1994; The Rise of the Fiscal State in Europe, Hg. v. Bonney, R., 1999 Finch, Heneage (1611-1682) wird nach dem Studium am Christ Church College 1638 Mitglied der Inn of Court Inner Temple in London und 1673 als Lord Chancellor Vorsitzender des -> Court of Chancery, wo er eine zusammenfassende Gestaltung der -> equity (des englischen Rechts) bewirkt. Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 1903ff., 6, 539 Findebuch, Findbuch, ist das archivalische Hilfsmittel zum Auffinden von Daten. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Eberling, H., Findbuch zu den Reichskammergerichtsakten 1551-1806, 1985; Stein- Stegemann, H., Findbuch der Reichskammergerichts- akten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 1987 Findelkind Lit.: Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995 Finnland ist der zwischen Schweden, Russland und Estlang gelegene nordosteuropäische, hauptsächlich von schon im 4. oder 3. Jt. v. Chr. aus Asien kommenden Finnen besiedelte Staat. Im Hochmittelalter (1150-1323) wird das von Schweden aus christianisierte Gebiet zu einem Teil -> Schwedens erklärt. Im frühen 16. Jh. wird die Reformation eingeführt. 1809 muss Schweden zugunsten -> Russlands auf F. verzichten, doch bleibt das von Schweden geprägte Recht bestehen. 1812 wird Helsinki statt des westlicheren Turku Hauptstadt. 1889/1894 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. Am 15. 11. 1917 erklärt sich F. als selbständig. 1920 erkennt Russland das am 21. 6. 1919 mit einer republikanischen Verfassung begabte F. an. Im zweiten Weltkrieg verliert das bis 1944 auf Seiten des Deutschen Reiches kämpfende Land Gebiete an die Sowjetunion und steht lange unter sowjetischem Einfluss. 1961 verbindet es sich mit der Europäischen Freihandelszone. Zum 1. 1. 1995 tritt es der -> Europäischen Union bei. Lit.: Jutikkala, E./Pirinen, K., Geschichte Finnlands, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,542,1027, 3,4,485; Klinge, M., A brief history of Finland, 1984; Vahtola, J., Keskiaika. Suomen historia pikkujättiläinen, 1987; Albrecht, W./Kantola, M., Finnland, 1992; Finlands Historia, hg. v. Edgren, T. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Finnland und Deutschland, hg. v. Menger, M. u. a., 1996; Finnisch-deutsche Kulturbeziehungen, hg. v. Jäntti, A. u. a., 1998; Endemann, H., Das Regierungssystem Finnlands, 1999; Ettmayer, W., Finnland, 1999; Pesonen, P./Riihinen, O., Dynamic Finland, 2002; Kohler, M., Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozessrechts, 2002; Nesemann, F., Ein Staat, kein Gouvernement, 2003 Firma ist der -> Name des Kaufmanns, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt, im weiteren Sinn auch das -> Unternehmen. Lit.: Erlanger, H., Über Ursprung und Wesen der Firma, Diss. jur. Tübingen 1891; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Bokelmann, G., Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, 5. A. 2000 Fischereirecht ist das Recht, in einem Binnengewässer Fische, Krebse und andere nutzbare Wassertiere, die nicht Gegenstand des Jagdrechts sind, zu hegen und sich anzueignen. Die ursprünglich freie Fischerei wird schon im Frühmittelalter an kleinen Gewässern vom Anwohner als Eigentümer und an größeren Gewässern vom König als Regal beansprucht. Vom König geht das Regal seit dem Hochmittelalter auf den Landesherrn und damit später grundsätzlich auf den neuzeitlichen Staat als Eigentümer des Gewässers über. Der Inhaber des Fischereirechts kann das Fischereiausübungsrecht verpachten. Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Stoffel, F., Die Fischereiverhältnisse des Bodensees, 1906; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des altpreußischen Jagd- und Fischereirechts, ZRG GA 39 (1918), 88; Zumbach, E., 200 Die Fischereirechte des Aegerisees, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1922; Kisch, G., Das Fischereirecht im Deutschordensgebiete, 1932, 2. A. 1978; Münch, W., Das Fischereirecht des Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz 1943; Cahn, E.., Das Recht der Binnenfischerei, hg. v. Kaufmann, E., 1956; Kunz, R., Fischereirechte im Untersee und Seerhein, 1984; Jahnke, C., Das Silber des Meeres, 2000; Lampen, A., Fischerei und Fischhandel im Mittelalter, 2000; Schütt, E., Geschichte des Fischereirechts und der Fischerei im deutschen Ostseeraum, 2001; Sahrhage, D., Die Schätze Neptuns, 2002 Fiscus (lat. [M.] Korb) (Caesaris) ist im römischen Recht die Bezeichnung für die Kasse (des Kaisers), in welche die Einnahmen der Kaiserprovinz aus Steuern, Zöllen, Gebühren und Domänen fließen. Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) fasst die verschiedenen fisci zu einem einzigen f. zusammen. Zumindest später herrscht die Vorstellung, dass der f. gleichsam Eigentum des Kaisers ist. Am Beginn des 4. Jh.s geht die Staatskasse im f. auf. Dieser wird eine Art die Vermögensrechte des Staates im Privatrechts- verkehr wahrnehmender, vielfach privilegierter -> juristischer Person. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 II B; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 36, 40, 57; Köbler, LAW; Alpers, M., Das nachrepublikanische Finanzsystem, 1995 Fiskal ist im neuzeitlichen Verwaltungsrecht der Interessenvertreter des Staates. -> Fiskalat Fiskalat ist die spätmittelalterlich-neuzeitliche, vielleicht an den römischen (lat.) advocatus (M.) fisci angelehnte Behörde, die von Amts wegen die Rechte des Herrschers wahrnimmt. Das F. entwickelt sich um 1225 unter Kaiser Friedrich II. in Sizilien und gelangt von dort noch im 13. Jh. nach Frankreich (ministre public) und Spanien sowie im frühen 15. Jh. in das Heilige Römische Reich (1421 Dr. Bartholus aus Pisa). Unabhängig hiervon wird im 19. Jh. die Staatsanwaltschaft aus Frankreich übernommen. Lit.: Schmidt, E., Fiskalat und Strafprozess, 1921; Knolle, U., Studien zum Ursprung und zur Geschichte des Reichsfiskalats, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1964 Fiskus ist der Träger öffentlicher Verwaltung, soweit er in privatrechtlichen Formen tätig wird. Der F. geht auf den römischen -> fiscus zurück. Das lateinische Wort fiscus bezeichnet im Frühmittelalter (vereinzelt das herzogliche und) meist das königliche Vermögen. Bis zum 13. Jh. werden Hausgut und Reichsgut und damit Person des Königs und F. getrennt. In den Ländern entsteht ein F. des Landes. Dort wird als F. zunächst die landesherrliche Kasse als solche verstanden, danach das Finanzvermögen des Staates. Der F. wird zum Träger der staatlichen Vermögensrechte. Bis zum frühen 19. Jh. wird der Staat in die juristische Person des öffentlichen Rechtes ,,Staat" und die juristische Person des privaten Rechtes ,,Fiskus" aufgeteilt. Seit der Ein- führung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im späteren 19. Jh. wird der Staat als einheitliche juristische Person des öffentlichen Rechtes verstanden, die Bereiche, in denen diese Person sich aber privatrechtlicher Formen bedient, weiterhin als F. bezeichnet. Lit.: Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Machleidt, M., Stellung und Funktion des Fiskus im deutschrechtlichen Bereich, Diss. jur. Hamburg 1965; Schaller-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt, 1969; Römermann, Der Rechtsschutz bei streitigen Polizei-, Kameral- und Fiskalsachen in Kurköln, Diss. jur. Bonn 1969; Metz, W., Zur Erforschung des karolingischen Reichsgutes, 1971; Fiskus, Kirche und Staat, hg. v. Kellenbenz, H. u. a., 1994 Flächenstaat ist der durch sein ausgedehntes Gebiet gekennzeichnete und vom Stadtstaat wie dem Personenverbandsstaat zu unterschei- dende, seit dem Mittelalter entstehende -> Staat. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111 Flame Lit.: Goerlitz, T., Das flämische und das fränkische Recht in Schlesien und ihr Widerstand gegen das sächsische Recht, ZRG GA 57 (1937), 138 Flandern ist das im frühen 8. Jh. erstmals unter diesem Namen bezeugte Flachland an der Schelde. 843 kommt es zum westfränkischen Reichsteil, 1384/1385 an das Herzogtum Burgund, 1477 mit Burgund an Habsburg und 1556 an die spanische Linie Habsburgs. Verkleinert gelangt F. 1714 an -> Österreich, 1794 an Frankreich, 1814 an die -> Niederlande und 1830 überwiegend an -> Belgien. Dementsprechend ist sein Recht anfangs fränkisch und später französisch geprägt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Nowé, H., Les baillis comtaux de Flandre, 1929; Ganshof, F., Recherches sur 201 les tribunaux de châtellenie en Flandre, 1932; Sproemberg, H., Die Entstehung der Grafschaft Flandern, 1935, Neudruck 1965; Ganshof, F., Die Rechtsprechung des gräflichen Hofgerichtes in Flandern vor der Mitte des 13. Jahrhunderts, ZRG GA 58 (1938), 163; Caenegem, R. van, Geschiedenis van het strafrecht in Vlaanderen, 1954, Caenegem, R. van, Geschiedenis van het strafprocesrecht in Vlaanderen, 1956; Ganshof, F., Einwohnergenossenschaft und Graf, ZRG GA 74 (1957), 98; Koch, A., Die flandrischen Burggrafschaften, ZRG GA 76 (1959), 153; Roosbroeck, R. van, Geschichte Flanderns, 1968; Grotte, W. v., Praecones und Magnus Praeco in Flandern, ZRG GA 90 (1973), 165; Van Peteghem, P., De raad van Vlaanderen, 1990; Nicolas, D., Medieval Flanders, 1992; Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333; Heirbaut, D., Over lenen en families, 2000 Flavius, Gnaeus, ist der Schreiber des römischen Zensors Appius Claudius Caecus, der 304 v. Chr. die zuvor nur den Priestern (lat. [M.Pl.] pontifices) vertrauten Prozessformeln (Legisaktionen) veröffentlicht (sog. ius [N.] civile Flavianum, flavisches römisches Recht der Bürger). Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Wolf, J., Die literarische Überlieferung der Publikation der Fasten und Legisaktionen durch Gnaeus Flavius, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen 1980, Nr. 2 Flensburg ist die schleswig-holsteinische Stadt, die 1436 ihr -> Grundbuch nach dem Realfoliensystem gestaltet. Lit.: Aubert, L., Beiträge zur Geschichte der deutschen Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1, 49 Fleta ist das in lateinischer Sprache verfasste, bald nach 1290 vollendete, in einer mittelalterlichen Handschrift überlieferte englische Rechtsbuch eines unbekannten Ver- fassers, das den (lat.) Tractatus (M.) de legibus (Abhandlung von Gesetzen) -> Bractons kommentierend fortführt. Lit.: Plucknett, T., A Concise History of the Common Law, 5. A. 1956, 265 Florentina (Codex Florentinus) ist die in zwei Bände (1-29, 30-50) getrennte, im 6. oder frühen 7. Jh. vermutlich in Konstanti- nopel/Byzanz zweispaltig geschriebene, spätestens im 9. oder 10. Jh. in Italien liegende, in Süditalien im späteren 11. Jh. wie- derentdeckte, wahrscheinlich 1155 von Amalfi nach Pisa (littera Pisana) und 1406 von Pisa nach Florenz gebrachte, 1553 erstmals gedruckte Handschrift der -> Digesten Justinians mit insgesamt 907 Blättern. Lit.: Söllner § 22; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Florenz am Arno wird vermutlich im 2. Jh. v. Chr. von den Römern auf älteren Grundlagen als Florentina neu gegründet. 1138 weist F. eigene (lat. [M.Pl.]) consules auf und wird mit bedeutender Tuchherstellung im 13. und 14. Jh. führende Macht im mittleren Italien (Währung Florentiner bzw. Gulden). 1348 erlangt es erstmals eine Universität (1472 Pisa). 1737 fällt das von der Familie Medici gehaltene Herzogtum F. (1531) an Österreich, 1859 an Italien (1865-1871 Hauptstadt). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Doren, A., Studien aus der Florentiner Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2 1908; Grote, A., Florenz, 2. A. 1968; Hale, J., Die Medici und Florenz, 1979; Panella, A., Storia di Firenze, 1984; Zorzi, A., L'amministrazione della giustizia penale nella republica fiorentina, 1988; Brucker, G., Florenz in der Renaissance, 1990; Turner, A., Renaissance in Florenz, 1997; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001; Statuti della repubblica Fiorentina, hg. v. Pinto, G. u. a., Bd. 1f. 1999 Floß Lit.: Herold, H., Trift und Flößerei in Graubünden, 1982 Flüchtling ist der Mensch, der aus seiner jeweiligen Umgebung flieht. Er ist grundsätzlich Feind, kann aber als Gast aufgenommen werden. Im 20. Jh. entwickeln sich allgemeine Regeln über die rechtliche Behandlung der immer größer werdenden Zahl von Flüchtlingen. Lit.: Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, hg. v. Bundesministerium für Vertriebene usw., Bd. 1ff. 1958 Flumet Lit.: Diestelkamp, B., Die Gründungsurkunde der Stadt Flumet (1228), ZRG GA 94 (1977), 204 Flur Lit.: Kirbis, W., Siedlungs- und Flurformen germanischer Länder, 1952 Flurbereinigung ist die Zusammenlegung und Umgestaltung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke in einem öffentlichrechtlichen Verfahren zum Zweck ertragreicherer Bewirt- schaftung. Sie entwickelt sich in England und danach in Deutschland (19. Jh., Baden 1856, Hessen 1857, Bayern 1861) als Folge der 202 Auflösung des Gemeinlandes (-> Allmende). Am 16. 6. 1937 wird sie in Deutschland durch eine Reichsumlegungsordnung und am 14. 7. 1953 durch ein Flurbereinigungsgesetz geordnet. Ihre Ergebnisse sind wegen der sich am Ende des 20. Jh.s rasch ändernden Betriebsstruktur der Landwirtschaft von bescheidener Bedeutung. Lit.: Köbler, DRG 175, 250; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1962; Berkenbusch, F., Die Rechtsgeschichte der Flurbereinigung, Diss. jur. Göttingen 1972; Tayama, T., Die Entwick- lungsgeschichte der Landeskultur, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 524; Vergleichende Studien über die japanische und mitteleuropäische Flurbereinigung, hg. v. Tayama, T., 1998; Quellen zur Entstehungsgeschichte des Flurbereinigungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland von 1959, hg. v. Weiß, E., 2000 Flurzwang ist die durch Zwang erreichte einheitliche Bewirtschaftung der Flur. Der F. dürfte mit der mittelalterlichen -> Dreifelderwirtschaft entstanden sein. Er verschwindet mit der Bauernbefreiung des 19. Jh.s. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 42 Föderalismus ist die auf dem Bündnisgedanken (lat. [N.] foedus, Bund) beruhende gesellschaftliche Strömung, die sich besonders in der Gestaltung eines Staates auswirkt (Bundesstaat im Gegensatz zum Einheitsstaat). Als älteste geschichtliche Form des F. gilt der Stammesföderalismus (z. B. der 12 Stämme Israels). Eine völkerrechtliche Form des F. ist der Staatenbund, der verschiedentlich einem Bundesstaat voraus- geht. Lit.: Baltl/Kocher; Hintze, H., Staatseinheit und Föderalismus im alten Frankreich, 1928, Neudruck 1989; Der österreichische Föderalismus, 1969; Rauch, H., Föderalismus und Parlamentarismus im Wilhelminischen Reich, 1972; Föderalismus, hg. v. Kisch, G., 1977; Héraud, G., Prinzipien des Föderalismus und die Europäische Föderation, 1979; Föderalismus in Deutschland, 1992; Föderalismus, hg. v. Kinsky, F., 1995; Konsens und Konsoziation, hg. v. Duso, G., 1997; Föderative nation, hg. v. Langewiesche, G. u. a., 2000; German federalism, hg. v. Umbach, M., 2002 Fodrum (lat. [N.]) ist die frühmittelalterliche Abgabe (792) (für Futter) an den Grafen bzw. König. In norditalienischen Städten entwickelt sich das f. im 12. und 13. Jh. zum Namen der direkten -> Steuer. Lit.: Köbler, LAW; Post, B., Über das Fodrum, Diss. phil. Straßburg 1880; Brühl, C., Das fränkische fodrum, ZRG GA 76 (1959), 53; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968 Foederati (lat. [M.Pl.], Sg. foederatus) sind im spätrömischen Recht die besoldeten Verbündeten (z. B. Goten). Lit.: Köbler, DRG 67; Horn, H., Foederati, 1930 foenus (N.) nauticum (lat.) Seedarlehen -> fenus (N.) nauticum folkland (ae. [858]) Allod?, verliehenes Königsland? Folter ist die Zufügung oder Ausnutzung vermeidbarer, nicht ganz unerheblicher Schmerzen oder Leiden, die von einem Staat oder einem entsprechenden Machtorgan selbst bzw. mit dessen Bewilligung oder Duldung eingesetzt wird, um den Gefolterten oder einen Dritten zu einer Aussage zu zwingen oder einzuschüchtern. Sie wird bereits seit Kaiser Tiberius (14-42 n. Chr.) gegenüber Freien angewendet, um ein Geständnis zu erreichen. Vielleicht wird sie im Frühmittelalter gegenüber Unfreien gebraucht. Im Hochmittelalter (Verona 1228, Recht der Wiener Neustadt [1221/1230 str.], kirchliche Inquisition 1215/1231/1252, Augsburg 1321) darf der verdächtigte Beschuldigte der F. (zu spätlat. [5. Jh.] poledrus [M.] ,,Fohlen") auf einem Holzbock bzw. durch Gefängnis, Schläge, Hunger, Kälte, Daumenschrauben, Strecken, Feuer u. a. ausgesetzt werden (str. ob Rezeptionsvorgang). Im 15. Jh. wird die F. auch ohne besondere Verdachtsgründe angewandt. Dagegen setzt die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532) besondere Indizien voraus. Die Aufklärung wendet sich erfolgreich gegen die F. (Juan Luis Vives 1522, Michel de Montaigne, Pierre Bayle, Schweden 1734, Preußen 1740, Österreich 1776, Polen, Litauen 1776, Schweiz 1798, Bayern 1806, Baden 1831). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s kämpft insbesondere die private Organisation Amnesty International gegen die nach wie vor (versteckt) gebrauchte F. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 34, 118, 156; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 203 1961; Quanter, R., Die Folter in der deutschen Rechtspflege, 1900, Neudruck 1970; Heijnsbergen, P. van, De pijnbank in de Nederlanden, 1925; Fehr, H., Gottesurteil und Folter, FS R. Stammler, 1926; Helbing- Bauer, Die Tortur, 1926; Morschel, M., Der Kampf um die Abschaffung der Folter, Diss. jur. Gießen 1926; Fehr, H., Zur Lehre vom Folterprozess, ZRG 53 (1933), 317; Schünke, W., Die Folter im deutschen Strafverfahren, Diss. jur. Münster 1952; Fiorelli, P., La tortura giudiziaria nel diritto commune, Bd. 1f. 1953f.; Thomasius, C., Über die Folter (1705), hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1977; Ruthven, M., Torture, 1978; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Das Quälen des Körpers, hg. v. Burschel, P. u. a. 2000; Kramer, S., Die Folter in der Literatur, 2003; Baldauf, D., Die Folter, 2004; Hermann, H., Die Folter, 2004; Waltos, S., Die Abschaffung der Folter im Jahre 1776 in Polen und Litauen, 2004 Forderung ist das Recht des Gläubigers gegen den Schuldner auf eine Leistung. Die ältesten Forderungen entstehen vermutlich bei den Unrechtserfolgen. Später tritt die rechtsgeschäftliche F. hinzu. Streitig ist, ob die F. bereits von Anfang an durch ein Einstehenmüssen (-> Haftung) des Schuldners gesichert ist. Die F. erlischt grundsätzlich mit der Erfüllung. Lit.: Kaser § 32; Hübner; Buch, G., Die Übertragbarkeit von Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Strohal, E., Schuldpflicht und Haftung, 1914; Fecht, W. v. d., Die Forderungspfändung im römischen Recht, 1999 Forensium institutionum summa (lat. [F.] Gesamtheit der gerichtlichen Einrichtungen) ist ein von König Alfons VIII. (1158-1214) veranlasstes höfisches Werk über den -> Fuero viejo de Castilla. Form ist die sinnlich wahrnehmbare Gestalt eines Gegenstandes oder einer Vorstellung. Nach einem geflügelten Wort ist die F. die älteste Norm. Es ist aber fraglich, ob strenge Anforderungen an eine F. in die Anfänge einer Rechtseinrichtung oder erst in eine fortgeschrittenere Entwicklungsstufe gehören. Die Schriftform ist jedenfalls noch im ausgehenden 20. Jh. im Vordringen. Lit.: Kaser § 6ff.; Hübner; Köbler, DRG 42, 126; Stutz, U., Das Stadtrecht gegen die Formstrenge im Strafverfahren, ZRG GA 38 (1917), 367; Henssler, O., Formen des Asylrechts, 1954; Ritzer, K., Formen, Riten und religiöses Brauchtum der Eheschließung, 1961; Ebel, W., Recht und Form, 1975; Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueleistung, 1976 Formalismus ist das Betonen einer Form. Nach überwiegender, aber nicht wirklich belegter Ansicht ist das ältere Recht durch F. gekennzeichnet (z. B. lat. mancipatio [F.] im römischen Recht) und setzt sich die -> Formfreiheit erst allmählich durch. Im Gegensatz hierzu hält aber auch das Recht der Gegenwart in vielen Fällen an einer vorgeschriebenen Form fest. Ein Kennzeichen des modernen Totalitarismus ist es, uner- wünschte Form als bloßen F. abzustufen. Lit.: Kaser §§ 6, 7, 8, 68; Söllner §§ 9, 11; Kroeschell, DRG 1; Zallinger, O. v., Wesen und Ursprung des Formalismus, 1898; Kaufmann, E., Formalismus, HRG Bd. 1 1968, 1166; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986 Formalvertrag ist der in seiner Entstehung von der Einhaltung einer vorgesehenen -> Form abhängige Vertrag. Nach herkömmlicher Lehre ist im germanistischen Bereich der älteste Vertrag der F. (str.). Hier sind Eid, Wortformel und Gebärde die Vertragsform. Im Mittelalter sollen sich die Formen vereinfacht haben. Allmählich soll die Tendenz zur formlosen Beredung durchgedrungen sein. Lit.: Köbler, DRG 74, 91, 126, 164; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981 Kap. 45; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875 Formel ist die förmlich festgelegte häufig wiederkehrende Aussage. Im altrömischen Recht beispielsweise bringen die Beteiligten eines Verfahrens vor dem Magistrat in einem ersten Verfahrensabschnitt regelmäßig in der jeweils erforderlichen Verfahrensform (lat. [F.] -> legisactio), zu der genau vorgeschriebene Spruchformeln gehören, ihr Vorhaben vor. Das spätere Formularverfahren kennt statt der wenigen Legisaktionen viele, auf das jeweilige Rechtsverhältnis bezogene Klageformeln. Die Verbalkontrakte des klassischen römischen Rechts erfordern für die Entstehung der Obligation bestimmte Worte. Außerdem entwickeln sich etwa für Eide, Gelöbnisse, Einsetzungen usw. häufig gewisse Formeln. Umfangreichere (lat. [F.] -> formulae) werden in -> Formelsammlungen gesammelt. 204 Lit.: Köbler, DRG 5, 33, 81, 116; Dilcher, G., Paarformeln in der Rechtssprache des frühen Mittelalters, 1961; Selb, W., Formeln mit unbestimmter intentio, 1974; Wiegand, W., Zur Herkunft und Ausbreitung der Formel ,,Habere fundatam intentionem", FS H. Krause, 1976, 126 Formelles Recht ist das das Verfahren betreffende Recht im Gegensatz zum materiellen Recht. Lit.: Kollmann, Begriffs- und Problemgeschichte, 1996 Formelsammlung ist die bereits im Altertum bekannte, besonders für das quellenarme Frühmittelalter bedeutsame Sammlung von allgemeinen Formularen für Urkunden, wie sie auch in der Gegenwart kautelarjuristisch gepflegt wird. Die bekanntesten frühmittelalterlichen Formelsammlungen sind die westgotischen (lat. [F.Pl.]) formulae (Cordoba 616-20), die formulae Andecavenses (Angers um 600), die formulae Marculfi (um 650?, 721-35?), die formulae Bituricenses (Bourges 8. Jh.) und die formulae imperiales (vor 832). Danach finden sich seit dem 11. Jh. Formelsammlungen innerhalb der (lat.) ars (F.) dictandi (z. B. Breviarium de dictamine des Alberich von Montecassino) oder der (lat.) ars (F.) notariae (Rainerius Perusius vor 1234, Rolandinus Passageri Summa artis notariae, 1255). Für das spätmittelalterlich-frühneu- zeitliche Deutschland haben besonderes Gewicht der (lat.) Formularius (M.) de modo prosandi (Baumgartenberg A. 14. Jh.) und Perneder, Andreas, Summa Rolandina (vor 1540). Lit.: Rockinger, L., Über Formelbücher, 1855; Schröder, R., Über die fränkischen Formelsammlungen, ZRG GA 4 (1883), 75; Collectarius perpetuarum formarum Iohannis de Geylnhusen, hg. v. Kaiser, H., 1900; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Uddholm, A., Marculfi formularum libri duo, 1962 Formfreiheit ist die Freiheit einer rechtlich bedeutsamen Handlung von einer besonderen - > Form. Es ist streitig, inwieweit am Beginn rechtlicher Entwicklung F. besteht. Jedenfalls werden schon in den frühesten Quellen auch feste Formen sichtbar (z. B. lat. [F.] mancipatio). Im Spätmittelalter setzt sich die Kirche für die F. der Verträge ein. Auch der Liberalismus bejaht grundsätzlich die F. Dessenungeachtet entwickeln sich im 20. Jh. neue Formen (z. B. allgemeine Geschäfts- bedingungen, Verbraucherkreditverträge, Ar- beitsverträge). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Baltl/Kocher formulae -> Formelsammlung Formularverfahren oder Formularprozess ist das dem älteren Legisaktionenverfahren (-> legisactio) im klassischen römischen Recht nachfolgende, dem späteren -> Kognitions- verfahren vorausgehende Verfahren. Es ist vielleicht anfangs nur dem Fremden zugänglich und kennt viele, auf das jeweilige Rechtsverhältnis bezogene Klageformeln. Sie werden auf den formlosen Vortrag der Parteien vor dem Prätor hin meist schriftlich niedergelegt. 17 v. Chr. wird das Legisaktionenverfahren bis auf geringe Reste abgeschafft. Lit.: Kaser §§ 80, 82ff.; Söllner § 9; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002 Foro ist die portugiesische Bezeichnung für -> Fuero. 1111 wird ein F. an Coimbra verliehen, 1166 an Evora, um 1160 an Trancoso, 1179 an Lissabon (F. von Santarém). Seit dem 14. Jh. wird ein F. nur noch selten gewährt. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 666 Forsman, Jaakko (1839-1899), aus einer schwedischen Theologenfamilie, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Helsinki 1879 Professor für Strafrecht und Rechtsgeschichte und verfasst 1896 eine Geschichte der finnischen Gesetzgebung (Suomen laindsäädännön historia). Forst ist seit dem Frühmittelalter der vielleicht dem römischen (lat. [M.]) saltus nachgebildete, durch -> Bann abgesonderte herrschaftliche Wald (meist des Königs). Im Hochmittelalter gehen die Forsten des Königs auf die Landesherren über. Örtlich unterschiedlich greift der absolutistische Fürst entschiedener auf die damit verbundenen Rechte zu. Der Liberalismus verlangt die Aufhebung der staatlichen Forsthoheit, doch verfahren die Forstgesetze des 19. Jh.s unterschiedlich. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, WAS; Roth, K., Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Völker, A., Die Forsten der Stadt Goslar bis 1552, 1922; Goller, F., Die älteren Rechtsverhältnisse am Wald in Altbaiern, Diss. jur. München 1938; Kaspers, H., Comitatus nemoris, 1957; Mager, F., Der Wald in 205 Altpreußen als Wirtschaftsraum, 1960; Rubner, H., Untersuchungen zur Forstverfassung des mittelalterlichen Frankreichs, 1965; Bothmer, H. v., Mirica, Forst und Gesellschaft, 1965; Rubner, H., Forstgeschichte im Zeitalter der industriellen Revolution, 1967; Young, C., The Royal Forests of Medieval England, 1979; Mantel, K., Forstgeschichte des 16. Jahrhunderts, 1980; Hasel, K., Forstgeschichte, 1986; Knöppel, V., Forstnutzungsrechte, Diss. jur. Marburg 1988; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001 Forsthoff, Ernst (Laar 13. 8. 1902-Heidelberg 13. 8. 1974) wird nach der Promotion bei Carl - > Schmitt 1933 Professor für öffentliches Recht in Frankfurt am Main, Hamburg (1935), Königsberg (1936), Wien (1941) und Heidelberg (1943-1946, 1952-1967). Er setzt sich für den starken Staat ein, der allein die mit dem technischen Fortschritt eintretenden Probleme bewältigen könne, und steht einem Wertesystem, der Verfassungsgerichtsbarkeit, der umfassenden Verwaltungsgerichtsbarkeit und dem Sozialstaat zurückhaltend gegenüber. Sein Lehrbuch des Verwaltungsrechts (1950) ist längere Zeit in Deutschland führend. Lit.: Doehring, K., Ernst Forsthoff, in: Juristen im Portrait, 1988, 341 Fortescue, Sir John (um 1385-um 1479), nach Ausbildung in Lincoln's Inn 1442 oberster Richter am königlichen Gericht (King's Bench), von 1463 bis 1471 im Exil in Frankreich, vergleicht in seinem in der Form eines Lehrgespräches an Prinz Eduard von Lancaster gerichteten Hauptwerk ([lat.] De laudibus legum Angliae, 1470, Über die Vorzüge des englischen Rechts) das englische Recht mit dem festländischen (französischen) Recht in einer für Laien verständlichen Weise. In (engl.) On the Governance of the Kingdom of England (Über die Beherrschung des Königreichs England) (1471/1473) stellt er den politischen Gesamtzustand seines Landes dar. Lit.: The Works of Sir John Fortescue, hg. v. Clermont, T., 1869; Heymann, E., Fortescues Laudes legum Angliae, ZRG GA 58 (1938), 615; Kluxen K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987 Forum (lat. [N.]) ist im römischen Recht der Marktplatz und das dort öffentlich abgehaltene Gericht. Das mittelalterliche Kirchenrecht bildet von daher die Vorstellung eines (lat.) f. externum und eines f. internum. Daneben bezeichnet f. auch den Markt. Lit.: Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 19; Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungs- geschichte des Mittelalters, Bd. 1 1961, 275; Trusen, W., Forum internum und gelehrtes Recht im Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971), 83; Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980 Forum (N.) externum (lat.) ist seit Thomas von Aquin (1225-1274) (forum exterius) im mittelalterlichen Kirchenrecht der Bereich des menschlichen Bußwesens und Gerichtswesens im Gegensatz zum Gott einsehbaren inneren Gericht des Gewissens, das in der frühen Neuzeit (nach 1563) als (lat.) forum (N.) internum bezeichnet wird. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963 Forum (N.) internum (lat.) ist seit der frühen Neuzeit (nach 1563) das Gewissen im Gegensatz zum (lat.) -> forum (N.) externum. Lit.: Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963; Trusen, W., Forum internum und gelehrtes Recht im Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971), 83 Fracht ist der Lohn für die Beförderung eines Gutes und das gegen Lohn beförderte Gut. Der die F. betreffende Vertrag entsteht im Hochmittelalter und ist Werkvertrag. Der Frachtführer ist Kaufmann. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Ohler, N., Reisen im Mittelalter, 1986; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine, 1996 Fragmenta (N.Pl.) Gaudenziana (lat.) (Gaudenzische Fragmente) sind die von dem Bologneser Professor Augusto Gaudenzi (1858-1916) in einer (um 900 geschriebenen) Handschrift der Bibliothek von Lord Leicester (Codex Holkhamensis Nr. 210) entdeckten, bis dahin unbekannten 14 Kapitel des gotischen Rechtskreises des 6. Jh.s (?). Lit.: Gaudenzi, A., Un' antica compilazione di diritto romano e visigoto, 1886; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Vismara, G., Fragmenta Gaudenziana, in: Ius Romanum medi aevi I 2 b aa, 1967; Kaiser, W., Die Epitome Iuliani, 2004 Fraktion ist das Bruchstück oder die Vereinigung von Mitgliedern einer Partei im Parlament. Lit.: Kramer, H., Fraktionsbindungen in den deutschen Volksvertretungen 1819-1849, 1968 Franche-Comté (Freigrafschaft) -> Burgund Lit.: Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79 206 (1962), 106 Francia (lat. [F.]) fränkisches Gebiet, -> Franken Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia, 1960 Franckensteinsche Klausel ist die im Streit um die Verteilung der Finanzen zwischen Deutschem Reich und seinen Bundesstaaten am 12. 7. 1879 verabschiedete, nach dem Abgeordneten der Zentrumspartei im Reichstag des Deutschen Reiches, Georg Arbogast Freiherr von und zu Franckenstein (2. 7. 1825- 22. 1. 1890), bezeichnete Klausel, dass der Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer (des Reiches), der die Summe von 130 Millionen Mark in einem Jahr übersteigt, den Bun- desstaaten zu überweisen ist. Am 14. 5. 1904 wird sie im Kern aufgehoben. Lit.: Kittel, J., Franckensteinsche Klausel und die deutsche Finanzreform, 1894 Franeker in den Niederlanden ist von 1585 bis 1815 Sitz einer juristischen Fakultät. Lit.: Ahsmann, M., De juridische faculteit te Franeker, TRG 54 (1986), 39 Franke (,,Kühner") ist der Angehörige einer 258 n. Chr. am Niederrhein erstmals sichtbaren germanischen Völkerschaft, die im 5. Jh. in das südlich gelegene, römische Gallien eindringt. Die Franken besiegen unter ihrem sie gewaltsam einenden König Chlodwig ([* um 466,] 481-511) den römischen Statthalter in Nordgallien (486), die am oberen Rhein und an der oberen Donau sitzenden Alemannen (496) und die in Südgallien siedelnden Westgoten (507). Danach bringen ihre Könige aus dem Hause der -> Merowinger die Thüringer (531), Burgunder (532/4) und Bayern in eine gewisse Abhängigkeit. Das Recht der Franken wird im (lat.) -> Pactus (M.) legis Salicae (507/11?) und in der (lat.) -> Lex (F.) Ribvaria sowie der -> Ewa Chamavorum aufgezeichnet. 751 löst die Familie der Karolinger die Merowinger gewaltsam im Königtum ab. Unter Karl dem Großen, der Weihnachten 800 vom Papst zum (west)römischen Kaiser gekrönt wird, gewinnt das Reich der Franken seine größte Ausdehnung (Sachsen, Italien). 843 wird es in Westreich, Lotharingien und (deutsch- sprachiges) Ostreich geteilt, woraus sich 887 eine Zweiteilung entwickelt, die im deutschen Reich einerseits und in Frankreich andererseits endet. In Frankreich gehen die Franken bald in der unterworfenen gallorömischen Bevölkerung auf. Im deutschen Reich verlagert sich die Herrschaftsgewalt 919 auf die Herzöge von Sachsen. Das Herzogtum der Franken (ebenso wie ein Territorialherzogtum Franken [1168]) verschwindet infolge seiner späteren Königs- nähe bald in vollständiger Zersplitterung und hinterlässt nur in den bayerischen Regie- rungsbezirken Mittelfranken (Ansbach), Oberfranken (Bayreuth) und Unterfranken (Würzburg) eine blasse Erinnerung. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1, 3; Rübel, K., Die Franken, 1904; Petri, F., Germanisches Volkserbe in Wallonien und Nordfrankreich, 1937; Zöllner, E. Die politische Stellung der Völker im Frankenreich, 1950; Petri, F., Zum Stand der Diskussion über die fränkische Landnahme, 1954; Balon, J., Études franques 1, 1963; Zöllner, E., Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts, 1970; Bosl, K., Franken um 800, 2. A. 1980; Siedlung, Sprache und Bevölkerungsstruktur im Frankenreich, hg. v. Petri, F., 1973; Schneider R., Das Frankenreich 1982; Faußner, H., Die staatarechtliche Grundlage des rex Francorum, ZRG GA 103 (1986), 42, Schulze, H., Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen, 1987; Périn, P./Feffer, C., Les Francs, 1987; James, E., The Francs, 1988; Franken, Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 9 1995, 373; Die Franken ­ Wegbereiter Europas, 1996; Clovis, hg. v. Rouche, M., 1997; Franks and Alamanni, hg. v. 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Jahn, W. u. a., 2004 Frankenberg ist die 1243 erstmals erwähnte Stadt an der oberen Eder, für die1493 der in Erfurt (1454) und Leipzig (1457-9) immatrikulierte Bürgermeisterssohn und Schöf- fe Johannes Emmerich ein Stadtrechtsbuch vollendet, das in seinem ersten Teil (Von den burgern) überwiegend auf Gewohnheitsrecht und Privilegien und in seinem zweiten Teil (Von dem gericht) vor allem auf dem Schwabenspiegel und dem Kleinen Kaiserrecht (Frankenspiegel) beruht und wohl aus dem Gedächtnis auch die Dekretalen Gregors IX. und die Institutionen Justinians einbezieht. Es wird 1556 abgeändert nach Alsfeld übernommen. Lit.: Spieß, W., Verfassungsgeschichte der Stadt Frankenberg, Diss. jur. Marburg 1922; Anhalt, E., Der Kreis Frankenberg, 1928; Spieß, W., Verfassungsgeschichte der Stadt Frankenberg, 1930; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 82 Frankenspiegel ist die an Sachsenspiegel, Deutschenspiegel und Schwabenspiegel ausgerichtete Bezeichnung des zwischen 1344 und 1350 bei Frankfurt verfassten, eng an den sog. Schwabenspiegel angelehnten -> Kleinen Kaiserrechts. Lit.: Köbler, DRG 103; Eckhardt. K., Frankenspiegel- Studien, 1923; Stutz, U., Frankenspiegel-Studien, ZRG GA 44 (1924), 316; Hatzfeld, L., Frankenspiegel oder Kaiserrecht, TRG 26 (1958), 15; Ochsenbein, P. u. a., Neue Bruchstücke einer alemannischen Frankenspiegelhandschrift, ZRG GA 95 (1978), 237; Munzel-Everling, D., Des keisers recht, 2003 Frankfurt am Main ist die 794 als Pfalz erstmals erwähnte Stadt am unteren Main. Seit 856 bzw. 1152 ist F. Ort der Königswahl, wie dies die Goldene Bulle (1356) ausdrücklich festlegt, und seit 1562 auch Ort der Krönung. Bis 1372 wird F., dessen Recht erstmals in einem Weistum für Weilburg über Pfahlbürger (1297) aufgezeichnet wird, tatsächlich reichsunmittelbar. 1509 reformiert die Stadt ihr Recht und erweitert diese Reformation 1578 durch Johann -> Fichard noch. Die Zahl der danach in F. arbeitenden, häufig in Gießen ausgebildeten Rechtsanwälte ist überdurch- schnittlich groß. Von 1815 bis 1866 ist F. Sitz der Bundesversammlung des Deutschen Bundes (und 1848/1849 Sitz der deutschen Nationalversammlung mit 812 Abgeordneten, davon 491 Juristen, viele mit Studien in Göttingen, Heidelberg oder Berlin). 1866 wird es von Preußen annektiert. 1912 wird es auf der Grundlage einer Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften Sitz einer Universität. 1945 gelangt es zu Hessen. Lit.: Köbler, DRG 171; Köbler, Historisches Lexikon; Thomas, J., Der Oberhof zu Frankfurt a. 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Lit.:Kliesch, G., Der Einfluss der Universität Frankfurt (Oder) auf die schlesische Bildungsgeschichte, 1961; Bardong, O., Die Breslauer an der Universität Frankfurt/Oder, 1970; Huth, E., Die Entstehung und Entwicklung der Stadt Frankfurt, 1975; Jajesniak-Quast, D./Stoklosa, K., Geteilte Städte an Oder und Neiße, 2000; Höhle, M., Universität und Reformation, 2002 Frankfurter Nationalversammlung -> Frankfurt am Main Lit.: Kroeschell, DRG 3; Siemann, W., Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, 1976; Die Protokolle des volkswirtschaftlichen Ausschusses der deutschen Nationalversammlung, hg. v. Konze, W. u. a., 1992 Fränkisches Recht ist das für -> Franken geltende Recht. Dem fränkischen Recht untersteht der deutsche König. Als besondere Einheit ist es trotz gelegentlicher hochmittel- alterlicher Bezugnahmen kaum fassbar. -> Pactus legis Salicae, Lex Ribvaria, Ewa Chamavorum Lit.: Sohm, R., Fränkisches Recht und römisches Recht, ZRG GA 1 (1880), 1; Beaudoin, E., La participation des hommes liberes au jugement dans le droit franc, 1888; Frommhold, G., Zur Geschichte des fränkischen Rechts in Schlesien, ZRG GA 13 (1892), 220; Schröder, R., Die Franken und ihr Recht, ZRG GA 2 (1881), 1; Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Gál, A., Der Zweikampf im fränkischen Prozess, ZRG GA 28 (1907), 236; Holtzmann, R., Französische Verfassungsgeschichte, 1910; Goldmann, E., Beiträge zur Geschichte des fränkischen Rechts 1, 1924; Goldmann, E., Neue Beiträge zur Geschichte des fränkischen Rechts, 1928; Claude, D., Zu Fragen frühfränkischer Verfassungsgeschichte, ZRG GA 83 (1966), 273; Sizaret, L., Essai sur l'histoire de la dévolution successorale ab intestat, 1975 Frankreich ist der aus dem westlichen Teil des Reiches der -> Franken seit 843 allmählich entstandene westeuropäische Staat, in dem sprachlich die zahlenmäßig unterlegenen Franken in der romanischen Mehrheit allmählich aufgehen. In ihm entwickeln sich unter den Karolingern zahlreiche ziemlich selbständige Herrschaften (Aquitanien, Normandie, Burgund, Blois-Tours, Anjou, Flandern, Toulouse). Seit 888 ist das Königtum zwischen Karolingern und Robertinern umstritten. Als nach dem Aussterben der west- fränkischen -> Karolinger 987 der Robertiner Hugo Capet, Graf von Paris, zum König gewählt wird, setzt er die Erblichkeit des Königtums durch. Etwa zu dieser Zeit tritt an die Stelle des westfränkischen Reiches F., das rasch kulturell führend wird. Der König ist zunächst auf die um 1180 nur ein Zehntel des Reichs ausmachende Krondomäne beschränkt und beherrscht neun Zehntel des Reichs nicht mehr selbst, drängt aber später die großen Lehnsträger (rund ein Dutzend Prinzipate) zurück. Der seit 1154 aus dem Haus Anjou- Plantagenet stammende König von England muss bis 1214 große Teile Frankreichs an den französischen König überlassen. König Ludwig IX. (1226-1270) gelingt die Schaffung wichtiger Verwaltungseinrichtungen (Staatsrat, Hofgericht, Rechenkammer). 1303 kann der König von F. den Papst gefangennehmen und 1309 nach Avignon verbringen. Beim Aussterben der -> Kapetinger kommt es 1337 zum hundertjährigen Krieg mit England. Erst durch das Eingreifen der Bauerntochter Jeanne d'Arc gelingt der Sieg über England. 1477 fallen die Lehen des Herzogs von Burgund zurück. 1481 umfasst die Krondomäne des Königs drei Viertel Frankreichs. 1492 wird nach Italien (Neapel) ausgegriffen. Die religiöse Bewegung des Kalvinismus wird durch die Hugenottenkriege bis 1598 zurückgedrängt. Unter dem zum Katholizismus zurückgekehrten König Heinrich IV. beginnt der Aufbau einer absolutistischen Herrschaft, in der die Generalstände seit 1614 nicht mehr einberufen werden. 1648 erlangt Frankreich 209 von Habsburg Gebiete im -> Elsass, 1659 Roussillon und Artois. König Ludwig XIV. (1643-1715) wird als Sonnenkönig absolutistisches Vorbild in Europa, muss aber am Ende des spanischen Erbfolgekrieges (1714) ein Gleichgewicht der Mächte anerkennen. Während des 18. Jh.s wendet sich die bürgerliche Aufklärung gegen die absolute Herrschaft und stürzt nach außenpolitischen Misserfolgen und innenpolitischen Wirtschafts- krisen am 14. 7. 1789 den König unter den Schlagworten Freiheit, Gleichheit, Brüder- lichkeit (3. 9. 1791 Verfassung, 1792 Repu- blik). Nach langjährigen revolutionären Wirren erreicht am 9. 11. 1799 Napoléon Bonaparte die Macht und bringt als Kaiser (1804) in kurzer Zeit große Teile Europas unter den Einfluss Frankreichs. Nach militärischen Niederlagen (1813, 1814) Napoléons wird F. konstitutionelle Monarchie, wechselt aber mehrfach zwischen Republik (1848-1851, 1871ff.) und Monarchie (1852-1870). 1871 verliert F. den wegen der Thronfolge in Spanien gegen Preußen und seine deutschen Verbündeten geführten Krieg. Das dabei verlorene Elsass-Lothringen gewinnt es am Ende des ersten Weltkrieges (1918) zurück. Danach verliert es in blutigen Kämpfen allmählich die in der Neuzeit eroberten Kolonien. Seit 1952 schließt es sich mit Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg zwecks gegenseitiger Kontrolle (Frankreichs über Deutschland) zu Gemein- schaften der Montanindustrie, der Atomwirtschaft und der Wirtschaft (1957) zusammen, aus denen 1993 insgesamt die -> Europäische Union erwächst. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 76, 131, 141, 149, 186, 191, 223, 246, 256; Flach, J., Les origines de l'ancienne France, 1886ff.; Pouffin, H., Essay sur l'organisation et la juridiction municipales au moyen age, 1886; Beauchet, L., Histoire de l'organisation judiciaire en France, 1886; Viollet, P., Histoire des institutions politiques et administratives de la France, 1890ff.; Epinas, G., Les finances de la communauté de Douai, 1902; Viollet, P., Histoire du droit civil français, 1905, Neudruck 1966; Viollet, P., Le roi et ses ministres pendant les trois derniers sicles de la monarchie, 1912; Dillay, M., Les chartes de franchises de Poitou, 1927; Französisches etymologisches Wörterbuch; Dictionnaire de biographie française, Bd. 1ff. 1933ff.; Thomas, P., Textes historiques sur Lille et le Nord de la France, 1936; Gallet, L., Les traités de pariage dans la France féodale, 1935; Puttkammer, E. v., Frankreich, Russland und der polnische Thron 1733, 1937; Schramm, P., Der König von Frankreich, Bd. 1f. 1939; Malmezat, J., Le bailli des montagnes d'Auvergne, 1941; Lot, F., La France, 4. 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Als die zum 1. 5. 1789 nach fast 175 Jahren erstmals wieder zusammengerufenen Generalstände nach ergebnislosen Beratungen sich am 17. 6. 1789 zur Nationalversammlung erklären, versucht der König erfolglos, sie aufzulösen. Nach dem Sturm des politischen Gefängnisses (Bastille) am 14. 7. 1789 muss er sie als verfassung- gebende Nationalversammlung bestätigen. Die feudalen Rechte des ancien régime werden aufgehoben (4./5. 8. 1789). Am 26. 8. 1789 werden Menschenrechte und Bürgerrechte verkündet. Am 2. 11. 1789 wird die Kirche enteignet. Am 3. 9. 1791 wird eine erste -> Verfassung geschaffen. Am 21. 1. 1793 wird der König hingerichtet. Am 10. 3. 1793 entsteht ein Revolutionstribunal. Die darauf folgende Schreckensherrschaft eines Sicherheits- und Wohlfahrtsausschusses wird mit dem Sturz Robespierres am 27. 7. 1794 beendet. Am 22. 8. 1795 wird eine liberale Verfassung geschaffen. Am 9. 11. 1799 stürzt Napoléon Bonaparte das diktatorisch herrschende Direktorium. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Redslob, R., Völkerrechtliche Ideen der französischen Revolution, FS Otto Mayer, 1916, 773; Stern, Der Einfluss der französischen Revolution auf das deutsche Geistesleben, 1928; Göhring, M., Geschichte der großen Revolution, Bd. 1f. 1950f.; Garaud, M., La révolution et la propriété fonciere, 1959; Schmitt., E., Einführung in die Geschichte der französischen Revolution, 1976; Vovelle, M., Die französische Revolution, 1982; Die französische Revolution, hg. v. Günther, H., 1985; Vom alten Reich zu neuer Staatlichkeit, hg. v. Gerlich, A., 1982; Furet, F./Richet, D., Die französische Revolution, 1987; Schulin, E., Die französische Revolution, 4. A. 2004; Die französische Revolution als Bruch des gesellschaftlichen Bewusstseins, hg. v. Koselleck, R. u. a., 1988; Soboll, A., Die große französische Revolution, 1988; Berteau, J., Alltagsleben während der französischen Revolution, 1989; Die französische Revolution, hg. v. 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Sie werden seit dem 13. Jh. nichtamtlich aufgezeichnet. Am bekanntesten sind die -> coutumes de Beauvaisis des Philippe de -> Beaumanoir (1283). 1454 wird die amtliche Aufzeichnung vom König geboten. Im 16. Jh. entsteht eine glanzvolle französische Rechtswissenschaft (lat. -> mos [M.] Gallicus) mit dem Mittelpunkt in Bourges. Gewicht gewinnen einzelne königliche ordonnances (1566, 1667, 1673, 1681, 1731, 1735, 1745). Die Aufklärung erweckt ein Streben nach allgemeinen Rechtsregeln. Am 3. 9. 1791 kündigt die Verfassung ein einheitliches bürgerliches Gesetzbuch (frz. Code [M.] des lois civiles communes) an, doch werden drei Entwürfe nicht verabschiedet und nur Einzelgesetze gegen Kirche und Adel erlassen (sog. droit [M.] intermédiaire). Nach der Machtergreifung Napoléons entstehen binnen weniger Jahre ein -> Code civil des Français (Bürgerliches Gesetzbuch 1804), ein - > Code de procédure civile (Zivilverfahrens- gesetzbuch 1807), ein Code de commerce (Handelsgesetzbuch 1807), ein Code de l'instruction criminelle (Strafverfahrensgesetz- buch 1808) und ein -> Code pénal (Strafgesetzbuch 1810). Sie beeinflussen das Recht vieler Staaten (u. a. des linksrheinischen Deutschland) und gelten teilweise noch in der Gegenwart. 1958 wird ein neuer Code de procédure pénale (Strafprozessgesetzbuch) geschaffen, 1976/81 ein Nouveau code de procédure civile (Neues Zivilprozessgesetz- buch), seit 1989 ein neues Strafgesetzbuch. Das Handelsgesetzbuch erfährt schon seit 1867 erhebliche Veränderungen. Lit.: Boucher D'Argis, A., Lettres d'un magistrat de Paris un magistrat de province sur le droit Romain, 1782, hg. v. 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[F.] manus, Hand) des Ehemannes, im Frühmittelalter in der Hausgewalt (ahd. munt) des Ehemannes. Auch das Christentum unterstellt die F. dem Mann. Im Alemannien des Frühmittelalters können Töchter Grundstücke erben, doch scheint ihr Erbrecht gesellschaftlich weniger fest verankert zu sein, und können verheiratete Frauen teils mit und teils ohne Ehemann über Erbgut verfügen. Die Stellung der F. bessert sich mit ihrem Eintritt in die Marktwirtschaft (Kauffrau). Im 16. Jh. bricht, wenn auch noch ohne bestimmte rechtliche Folgen, die Erörterung über die Gleichrangigkeit der Geschlechter auf. Im Zuge der Aufklärung verlangen zuerst einzelne Frauen die grundsätzliche Gleichstellung. Vereinzelt treten in Deutschland Frauen auch im Umkreis der politischen Unruhen des Jahres 1848 hervor. 1865 wird ein Allgemeiner Deutscher Frauenverein gegründet. Danach werden 1869 in Preußen die Schranken der Handlungsfähigkeit aufgehoben und wird 1877 im Deutschen Reich Prozessfähigkeit gewährt. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erhält die F. Anteil an der elterlichen Gewalt. Sie wird 1900 zum Studium (Baden, Preußen 1908, Mecklenburg 1909, in Deutschland 1911 43 Rechtsstudentinnen, 1917 117, erste habilitierte deutsche Juristin Magdalene Schoch, erste Dr. h. c. der Rechte Marianne Weber, 1919 gleich- berechtigte Zulassung zu allen öffentlichen Ämtern), 1918 zu Wahlen (Australien 1902, Finnland 1906, Norwegen 1913, Island 1915, Dänemark 1915, Sowjetunion 1917, Kanada 1918, Österreich 1919, Vereinigte Staaten von Amerika 1920, Großbritannien 1928, Spanien 1931, Frankreich 1944, Italien 1945, Ungarn 1945, Japan 1945, China 1949, Schweiz 1971, Südafrika 1994) und 1922 zu den Ämtern der Rechtspflege (1924 erste Gerichtsassessorin) zugelassen. Zum 31. 3. 1953 erklärt das Bundesverfassungsgericht alles dem Gleich- berechtigungsgrundsatz des Grundgesetzes entgegenstehende Recht als außer Kraft. 1979 wird weltweit eine Vereinbarung zur Ab- schaffung aller Formen der Diskriminierung von Frauen beschlossen. 1995 erklärt der Europäische Gerichtshof eine Bevorzugung einer F. nur wegen ihrer Eigenschaft als F. für rechtswidrig. Lit.: Kaser § 12; Hübner; Köbler, WAS; Weinhold, K., Die deutschen Frauen im Mittelalter, 3. 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Frei-Stolba, R., 2003; Malamud, S., Die Ächtung des Bösen, 2003; Godineau, D., Les femmes dans la société française 16e-18e sicle, 2003; Barth, R., Frauen die Geschichte machten, 2004; Schötz, S., Handelsfrauen in Leipzig, 2004; Frauen in der frühen Neuzeit, hg. v. Bonnet, A., u. a., 2004; Frauenrechtsgeschichte, hg. v. Floßmann, U., 2004; Bock, G., Frauen in der europäischen Geschichte, 2005; Schüller, E., Marie Stritt, 2005; In eigener Sache, hg. v. Westphal, S., 2005; Kinnebrock, S., Anita Augspurg (1857-1943), 2005; Juristinnen, hg. v. Deutscher Juristinnenbund, 2005 Frauenarbeit ist die -> Arbeit der -> Frau außerhalb des Haushaltes und der Familie. Sie gewinnt seit dem ausgehenden 19. Jh. an Bedeutung. Politisches Ziel ist seitdem die Gleichheit der Arbeit von Frau und Mann. Lit.: Baltl/Kocher; Müller, W./Willms, A./Handl, J., Strukturwandel der Frauenarbeit 1880-1980, 1983; Werkstetter, C., Frauen im Augsburger Zunfthandwerk, 2001 Frauenhaus ist das in deutschen Städten seit dem Spätmittelalter als stadteigene Einrichtung erkennbare Bordell. In der Gegenwart ist F. die Zufluchtsstätte misshandelter Frauen. Lit.: Schuster, P., Das Frauenhaus, 1992 Frauenraub ist die gewaltsame Entführung einer Frau (zwecks Eheschließung). Der F. führt in der Frühzeit zur Fehde und begründet keine Ehe (str.). Im Frühmittelalter ist Buße zu leisten. Die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532) übernimmt die Todesstrafe des 214 römischen Rechts (C. 9, 13). Die Aufklärung sieht den F. als Freiheitsdelikt an. Lit.: Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883; Gössler, Die Entführung, Diss. jur. Rostock, 1903; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Boes, W., Frauenraub und Raubehe bei den westgermanischen Stämmen des Merowingerreiches, Diss. jur. Bonn 1956 Frauenstimmrecht-> Frau, Wahlrecht fraus (lat. [F.]) Tücke Lit.: Behrends, O., Die fraus legis, 1982 Fredus (lat. [M.]) ist das im -> Kompositionensystem des Frühmittelalters bei einem Unrechtserfolg (nicht an den Verletzten, sondern) an den König zu entrichtende Friedensgeld (1/3 der Buße). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 91; Köbler, LAW Freher, Marquard (Augsburg 26. 7. 1565- Heidelberg 13. 5. 1614), Sohn des Kanzlers der Kurpfalz, wird nach dem Rechtsstudium in Altdorf und Bourges (Cujas) Rat in der Pfalz und von 1596 bis 1598 Professor in Heidelberg, danach Hofgerichtsvizepräsident. Er ver- öffentlicht eine Reihe deutscher Geschichts- quellen und verfasst daneben eigene Abhandlungen. Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 680 Freiberg ist die in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s gegründete sächsische Stadt, deren zwischen 1210 und 1218 verliehenes, ziemlich selbständiges Stadtrecht in einer 1296-1307 entstandenen Prachthandschrift und 4 weiteren Handschriften überliefert ist. 1572 wird es von den kursächsischen Konstitutionen verdrängt. Lit.: Ermisch, H., Freiberger Stadtrecht, 1889; Retzlaff, H., Die Entwicklung des Rechtsgangs nach dem Freiberger Stadtrechtsbuch, 1929; Unger, M., Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs, Diss. phil. Leipzig 1957; Unger, M., Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs im Mittelalter, 1963; Geschichte der Bergstadt Freiberg, hg. v. Kasper, H. u. a., 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 81 Freiburg im Breisgau ist der möglicherweise 1091 durch Herzog Berthold II. von Zähringen neben einem bereits römerzeitlich besiedelten Burgberg (Schloßberg) gegründete, vielleicht 1120 durch Herzog Konrad von Zähringen um (oder auf) einen Markt (lat. [N.] forum) oder eine Stadt (lat. [F.] civitas) erweiterte, (Gewerbetätigkeit bezeugende?,) wohl um 1150 ummauerte Ort am Ausfluss der Dreisam aus dem Schwarzwald, dem der Herzog von Zähringen als Ortsherr bei Gelegenheit der Erweiterung ein berühmtes Stadtrechtsprivileg für die (lat.) mercatores (M.Pl.) personati (namhaften Kaufleute) erteilt (str.). 1368 unterstellt sich F. (1385 rund 9000 Einwohner, 1500 rund 7000 Einwohner) Habsburg. 1457 wird eine Universität eingerichtet. 1520 tritt ein von Ulricus Zasius verfasstes reformiertes Stadtrecht in Kraft, das bis 1784/1810 gilt. 1806 fällt F. an Baden. Lit.: Schreiber, H., Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, 1857; Flamm, H., Geschichtliche Ortsbeschreibung der Stadt Freiburg im Breisgau, Häuserstand 1400-1806, 1903; Flamm, H., Der wirtschaftliche Niedergang Freiburgs, 1905; Joachim, H., Gilde und Stadtgemeinde in Freiburg im Breisgau, FG Anton Hagedorn, 1906, 25; Rietschel, S., Neue Studien über die älteren Stadtrechte von Freiburg im Breisgau, 1907; Beyerle, F., Untersuchungen zur Geschichte des älteren Stadtrechtes von Freiburg i. Br. und Villingen a. Schw., 1910; Rietschel, S., Das Freiburger Stadtrecht, ZRG GA 33 (1912), 471; Albert, P., Achthundert Jahre Freiburg im Breisgau, 1920; Below, G. v., Deutsche Städtegründung, 1920; Below, G. v., Zur Deutung des ältesten Freiburger Stadtrechts, Zeitschrift der Gesellschaft für Geschichte zu Freiburg 36 (1920); Müller, K., Geschichte der Getreidehandelspolitik, 1926; Bastian, J., Der Freiburger Oberhof, 1934; Freiburger Urkundenbuch, bearb. v. Hefele, F., Bd. 1ff. 1938ff.; Schindler, G., Verbrechen und Strafen im Recht der Stadt Freiburg, 1937; Gerber, H., Der Wandel der Rechtsgestalt der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau, (1957); Aus der Geschichte der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät zu Freiburg im Breisgau, hg. v. Wolff, H., 1957; Knoche, H., Ulrich Zasius und das Freiburger Stadtrecht von 1520, 1957; Freiburg im Breisgau, hg. v. statistischen Landesamt Baden-Württemberg, 1965; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Schlesinger, W., Das älteste Freiburger Stadtrecht, ZRG GA 83 (1966), 63; Heinemeyer, W., Der Freiburger Stadtrodel, ZRG GA 83 (1966), 116; Nehlsen, H., Die Freiburger Familie Snewlin, 1967; Sauter, H., Studien zum mittelalterlichen Privatrecht der Stadt Freiburg, 1969; Brandl, H., Der Stadtwald von Freiburg, 1970; Diestelkamp, B., Gibt es eine Freiburger- Gründungsurkunde aus dem Jahr 1120?, 1973; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg, hg. 215 v. Köbler, G., 1986; Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; Nasall, W., Das Freiburger Stadtrecht von 1520, 1989; Die Freiburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. John, E. u. a., 1991; Blattmann, M., Die Freiburger Stadtrechte zur Zeit der Zähringer, 1991; Freiburg 1091-1120. Neue Forschungen zu den Anfängen der Stadt, hg. v. Schadek, H. u. a., 1995; Geschichte der Stadt Freiburg, hg. v. Haumann, H. u. a., Bd. 1ff. 1996; Kälble, M., Zwischen Herrschaft und bürgerlicher Freiheit, 2001; Bubach, B., Richten, Strafen, Vertragen, 2005 Freiburg im Üchtland wird 1157 von Herzog Berthold IV. von Zähringen gegründet. Am 28. 6. 1249 erhält es von den Grafen von Kyburg eine (erneuerte) Stadtrechtsurkunde. 1481/1502 tritt es der Eidgenossenschaft der Schweiz bei. 1487 gewinnt es die Reichsfreiheit. 1889 wird es Sitz einer Universität. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Welti, F., Beiträge zur Geschichte des älteren Stadtrechtes von Freiburg im Üchtland, 1908; Vevey, B. de, Les sources du droit du canton de Fribourg, 1932; Vevey, B. de, Le droit de Bulle, 1935; Das Notariatsformularbuch des Ulrich Manot, hg. v. Bruckner, A., 1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,449, 3,2,1898; Geschichte des Kantons Freiburg, 1981; Carlen, L. u. a. Hundert Jahre Rechts- und Wirtschaftsgeschichte, 1982; Die Freiburger Handfeste von 1249, hg. v. Foerster, H., 2003 Freier ist der nicht von einem anderen unmittelbar abhängige Mensch. Im römischen Recht ist insbesondere der römische Bürger (lat. civis [M.] Romanus) frei. Für die Germanen ist es streitig, ob den Kern des Volkes eine Vielzahl von Freien bildet. Im Frühmittelalter stehen sich Adel, Freie, Halbfreie und Unfreie in den Volksrechten vielfach gegenüber, doch ist unklar, wie groß die Zahl der Freien in der zunehmend von der - > Grundherrschaft gekennzeichneten Gesell- schaft ist. Die Lehre von den Königsfreien sieht in diesen geradezu Abhängige des Königs. Im Hochmittelalter erwächst für den Bürger der Stadt und vielfach auch den Rodungssiedler eine neue Freiheit (-> Stadtluft macht frei). Im frühen 19. Jh. verschafft die Bauernbefreiung (Preußen Edikt vom 9. 10. 1807 die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner betreffend) allgemeine Freiheit. Damit ist der Begriff des Freien entbehrlich. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 71, 87, 98; Köbler, WAS; Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905; Molitor, E., Die Stände der Freien in Westfalen und der Sachsenspiegel, 1910; Schweikert, E., Die deutschen edelfreien Geschlechter des Berner Oberlandes, 1911; Ernst, V., Mittelfreie, ZRG GA 41 (1920), 410; Diehl, A., Die Freien der Weibelhube und das Gericht der Siebzehner, Zs. f. württembergische Landesgeschichte 7 (1943), 209; Bosl, K., Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, 1964; Wittmann, R., Die Körperverletzung an Freien im klassischen römischen Recht, 1972; Köbler, G., Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972), 171; Müller, W., Freie Gotteshausleute, ZRG GA 92 (1975), 89; Köbler, G., Die Freien im alemannischen Recht, in: Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978, 38; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983 Freie Rechtsschule (Freirechtsschule) ist die Schule der Rechtswissenschaft (Ernst Fuchs [1859-1929], Die Gemeinschädlichkeit der konstruktiven Jurisprudenz, 1907, H. U. Kantorowicz [1877-1940], Eugen -> Ehrlich [1862-1922], Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft, 1903), die davon ausgeht, dass die einzelne Fallentscheidung des Richters nicht auf logisch-verstandesmäßiger Unterord- nung (Subsumtion) des Sachverhaltes unter den Tatbestand der Norm, sondern in Wahrheit auf dem Rechtsgefühl beruhe. Deshalb dürfe und müsse der Richter vom Gesetz abweichen, sobald dieses bei bloßer Subsumtion zu ungerechten Ergebnissen führen würde. Seine Aufgabe bestehe mehr in der am allgemeinen Wohl ausgerichteten Gesellschaftsgestaltung als in der strengen Normanwendung. Diese Ansichten setzen sich nicht durch. Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Riebschläger, K., Die Freirechtsbewegung, 1968; Moench, D., Die methodo- logischen Bestrebungen der Freirechtsbewegung, 1971; Fuchs, E., Gesammelte Schriften, Bd. 1ff. 1970ff.; Muscheler, K., Relativismus und Freirecht, 1984; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001; Bartels-Ishikawa, A., Theodor Sternberg, 1998 Freie Stadt ist die von der ursprünglich bestehenden Herrschaft des Bischofs frei (und damit reichsunmittelbar) gewordene Stadt (Regensburg 1255-1800, Straßburg 1263-1681, Speyer 1294-1801, Worms 1247/73-1801, 216 Mainz 1244/1331-1462, Köln 1288/1475-1801, Bremen 1541/1646, Hamburg 1510-1768, Bescançon 1290/1364-1648, Metz 1180/1210- 1552, Toul 1271/1278-1552, Verdun 1156- 1552, Cambrai 12. Jh.-1552) des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation). Die Benennung als f. S. wird seit der Mitte des 14. Jh.s, die Benennung als (freie) Reichsstadt am Ende des Mittelalters üblich. Lit.: Arnold, W., Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte, 1854; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1967 Freigelassener (lat. libertus) ist der von seinem Herrn durch Rechtsgeschäft mit der Freiheit begabte Unfreie. Der Freigelassene ist im römischen Recht rechtsfähig, verbleibt aber unter einer Schutzgewalt (Patronat) des bisherigen Herrn. Auch im mittelalterlichen Recht steht der Freigelassene dem Freigeborenen nicht in jeder Hinsicht gleich. Lit.: Kaser §§ 16 II, 58, 62, 66, 69; Söllner §§ 8, 12, 14; Hübner; Köbler, DRG 21, 35, 68, 78, 88, 98; Sohm, R., Die liberti der altgermanischen Zeit, ZRG GA 21 (1900), 20 Freigericht ist die Bezeichnung für ein im Heiligen Römischen Reich vom Reich abgeleitetes Gericht (bzw. Gebiet eines solchen Gerichts). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Thudichum, F., Geschichte des freien Gerichts Kaichen, 1858; Müller, W., Das Freigericht Thurlinden, Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte 103 (1966); Hardt- Friederichs, Das königliche Freigericht Kaichen, 1975 (mit etwa 1 Dutzend Dörfern, 1293 erstmals erwähnt) Freigrafschaft ist eine in verschiedenen Teilen des Heiligen Römischen Reiches seit dem 12. Jh. auftretende Art der Grafschaft, deren Herkunft ungeklärt ist. Sie ist vielfach mit der Hochgerichtsbarkeit verknüpft. In Westfalen entsteht aus der F. die -> Feme. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Herold, F., Gogerichte und Freigerichte in Westfalen, 1908; Waas, A., Zur Frage der Freigrafschaften, vornehmlich in der Wetterau, ZRG GA 38 (1917), 146; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft und Gografschaft, 1949; Metz, W., Studien zur Grafschaftsverfassung Althessens, ZRG GA 71 (19545), 167; Hömberg, A., Die Entstehung der westfälischen Freigrafschaften, 1953 Freiheit ist die Möglichkeit der uneingeschränkten Entfaltung. Für viele Menschen besteht bis in das 19. Jh. keine F., weil sie nicht dem Stand der -> Freien (oder des Adels) angehören. Andere erlangen durch Privileg einzelne besondere Freiheiten. Erst in der französischen Revolution des Jahres 1789 setzt sich unter dem Einfluss der Aufklärung der politische Gedanke einer allgemeinen F. (frz. liberté) des Menschen durch (, die vermutlich in einem vorgeschichtlichen Urzustand ohne weiteres bestand). Umstritten ist die Erklärung der F. als eines Zustandes des von einem Herrn Geschütztseins. Die Privatrechtswissenschaft des 19. Jh.s geht von einer F. in Grenzen aus. Lit.: Kaser § 16; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 425; Köbler, WAS; Hölzle, E., Die Idee einer altgermanischen Freiheit vor Montesquieu, 1925; Keller, R. v., Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter, 1933; Tellenbach, G., Libertas, 1936, Neudruck 1996; Voltelini, H. v., Der Gedanke der allgemeinen Freiheit in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 57 (1937), 182; Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Waas, A., Die alte deutsche Freiheit, 1939; Njeussychin, A., Der Freiheitsbegriff im Edikt des Rothari, ZRG GA 66 (1948), 66; Mayer-Maly, T., Zur Rechtsgeschichte der Freiheitsidee in Antike und Mittelalter, Z. f. öff. Recht 6 (1954), 425; Das Problem der Freiheit in der deutschen und schweizerischen Geschichte, hg. v. Mayer, T., 1955, 4. unv. A. 1981; Reibstein, E., Volkssouveränität und Freiheitsrechte, Bd. 1f. 1972; Hunke, H., Germanische Freiheit im Verständnis der deutschen Rechts- und Verfassungsgeschichtsschreibung, Diss. jur. Göttingen 1972; Immink, P., La liberté et la peine, 1973; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Iherings, 1982; Schott, C., Freiheit und libertas, ZRG GA 104 (1987), 84; Chaimowicz, T., Freiheit und Gleichheit im Denken Montesquieus und Burkes, 1985; Battisti, S., Freiheit und Bindung, 1987; Lübtow, U. v., Die Freiheit, 1988; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991; Fairén-Guillen, V., Die rechtlichen Mittel gegen Angriffe und Eingriffe in die persönliche Freiheit, ZRG GA 109 (1992), 335; Maier, H., Das Freiheitsproblem in der deutschen Geschichte, 1992; Birtsch, G. u. a., Grundfreiheiten, Menschenrechte 1500-1850, Bd. 1ff. 1991f.; Klementowski, M., Studia nad ksza³towaniem siê gwarancji ochrony wolno¶ci osobistej w pañstwie niemieckim (10-14 wiek) (Studien zur Entstehung der Freiheitsgarantien für die Person im deutschen Staat 217 (10.-14. Jahrhundert), 1994; Roche, J., Libertés publiques, 12. A. 1997; Gesellschaftliche Freiheit und vertragliche Bindung, hg. v. Kervégan, J. u. a., 1998; Cafagna, E., La libert, 1998; Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, 2000; Hofer, S., Freiheit ohne Grenzen? 2001; Schneider, R., Appetitus libertatis ­ Mittelalterliches Freiheitsstreben ZRG 119 (2002), 27; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten, 2003 Freiheitsrechte ist die Gesamtheit der Rechte des Menschen auf Freiheit in der Entfaltung seiner Persönlichkeit in bestimmter Hinsicht. Die F. werden auf Grund der gegen den Absolutismus gerichteten Aufklärung seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s als Schutzrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat verstärkt an- erkannt. Seit etwa 1780 werden Freiheits- kataloge erstellt. Sie betreffen beispielsweise die Meinung, die Presse, die Lehre, das Gewissen, die Religion oder die Versammlung. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Neumann, F., Freiheitsrechte in Deutschland, 1957; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Weitzel, J., Das Reichskammergericht und der Schutz von Freiheitsrechten, in: Die politische Funktion des Reichskammergerichts, 1993, 157; Krug, G., Die Entwicklung ökonomischer Freiheitsrechte, 1995 Freiheitsstrafe ist die im Entzug der körperlichen Bewegungsfreiheit durch Zuwei- sung von Zwangsaufenthalt in Haftanstalten bestehende Strafe. Sie ist im römischen Altertum nur als Begleitfolge anderer Strafen bedeutsam und begegnet auch im Frühmittelalter kaum. Erst im 14. Jh. gewinnt sie in den Städten an Bedeutung. In der Constitutio Criminalis Carolina (1532) wird sie ersatzweise bei kleinem Diebstahl angedroht. Seit dem 16. Jh. werden in England (Bridewell 1555) und dann in den Niederlanden (Amsterdam 1595) aus religiöser Fürsorge Häuser errichtet, in denen zunächst Bettler und Arbeitsflüchtlinge und später auch Straftäter durch Zwangserziehung zur Arbeit angehalten werden können. Im ausgehenden 17. Jh. wird die F. allgemein als sinnvoll anerkannt. Vielleicht erst im ersten Drittel des 19. Jh.s wird die Freiheitsentziehung voll als eigenständige Strafengruppe dem Strafensystem eingeordnet. Danach wird die F. (unter Zurücktreten der Todesstrafe und Leibesstrafe) bis in das 20. Jh. zur vorherrschenden Strafe. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119, 158, 205, 236, 265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Schmidt, E., Entwicklung und Vollzug der Freiheitsstrafe in Brandenburg-Preußen, 1915; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Doleich von Dolsberg, F., Die Entstehung der Freiheitsstrafe, 1928, Neudruck 1970; Hippel, R. v., Die Entstehung der modernen Freiheitsstrafe, 1932; Krebs, A., Freiheitsentzug, hg. v. Müller-Dietz, H., 1978; Kröner, W., Freiheitsstrafe und Strafvollzug, 1988; Kleinheyer, G., Freiheitsstrafen, ZRG GA 107 (1990), 102; Stapenhorst, H., Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu Freiheitsstrafe seit 1882, 1993; Schidorowitz, M., H. B. Wagnitz und die Reform des Vollzugs, 2000 Freiherr ist der unter dem Grafen stehende niedere Adelige, der dem Baron entspricht. Freilassung ist in der ständischen Gesellschaft das Rechtsgeschäft, durch das der Unfreie aus der Unfreiheit entlassen wird, daneben auch die Beendigung eines Freiheitsentzuges. Das römische wie das mittelalterliche Recht kennen verschiedene Formen der F. (-> mancipatio, Schatzwurf, Speergedinge, Freilassungsbrief). Lit.: Kaser § 16 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 21, 57, 71, 88; Fournier, M., Essai sur les formes et les effets de l'affranchissement, 1885; Goldmann, E., Beiträge zur Geschichte der germanischen Freilassung durch Wehrhaftmachung, 1904; Fabbrini, F., La manumissio in ecclesia, 1965; Nitschke, A., Die Freilassung, ZRG GA 99 (1982), 220 Freimaurer Lit.: Aufklärung und Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989 Freirechtsbewegung -> freie Rechtsschule Freischöffe ist der Schöffe am Freigericht. -> Feme Lit.: Kroeschell, DRG 2 Freising ist der Sitz eines um 738 von Bonifatius in Bayern eingerichteten Bistums, das als Hochstift 1220 reichsunmittelbar wird. Nach F. benannt ist das zum eigenen Gebrauch des 1319 in einer Münchener Urkunde erwähnten Fürsprech Rupprecht (von Freising) 1328 geschaffene, in 13 Handschriften überlieferte, auf Schwabenspiegel (um 1275), Augsburger Stadtrecht (1276/1281) und 218 bayerischem Landfrieden von 1300 aufbauende (Freisinger) -> Rechtsbuch, das vorwiegend Strafrecht und Pflichten des Fürsprechers behandelt. Lit.: Freisinger Rechtsbuch, bearb. v. Claußen, H., 1941; Stahleder, H., Hochstift Freising, 1974; Mass, J., Das Bistum Freising, 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58 Freistaat ist eine Lehnschöpfung für lat. (F.) res publica. Als F. in Deutschland benennen sich (seit 1918) Bayern und Sachsen. Freistuhl -> Freigericht Freiteil (Seelteil) ist der seit dem Altertum von der christlichen Kirche (z. B. Augustinus) vielleicht aus heidnischen Kultbräuchen und philosophischen Gerechtigkeitsvorstellungen allmählich als Kindesteil oder fester Bruchteil (1/5, 1/3) geforderte Anteil an jedem Erbe. Er wird im Frühmittelalter (außer bei Sachsen und Thüringern) übernommen (lat. donatio [F.] reservato usufructu, donatio post obitum) und bildet einen wichtigen Ansatzpunkt für die Zurückdrängung des Anrechts der nächsten Verwandten auf das Erbe. Am Ende des Mittelalters besteht Testierfreiheit. Lit.: Köbler, DRG 89; Gál, A., Totenteil und Seelteil nach süddeutschen Rechten, ZRG GA 29 (1908), 225; Schultze, A., Der Einfluss der Kirche auf die Entwicklung des germanischen Erbrechts, ZRG GA 35 (1914), 75; Schultze, A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, ZRG GA 50 (1930), 1928; Bruck, E., Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956 Freiwillige Gerichtsbarkeit ist (als Teil der -> Gerichtsbarkeit) eine staatliche Organisation und ein staatliches Verfahren zur amtlichen Hilfe in privatrechtlichen Angelegenheiten. Die f. G. schließt an den Ausdruck (lat. iurisdictio [F.] voluntaria) der justinianischen Digesten (D. 1, 16, 2 principium) an. Sie erwächst aus dem Gedanken herrschaftlicher Fürsorge seit dem Hochmittelalter vor allem in Nach- lasssachen, Vormundschaftssachen, Beur- kundungssachen, Liegenschaftsrechtsüber- tragungen und Aufgeboten. Zuständig werden in Anlehnung an streitige Verfahren die Gerichtsbarkeit, verschiedene Verwaltungsbe- hörden und die Notare. Allgemeine Vorschriften bringen die preußische All- gemeine Gerichtsordnung (1783) und das deutsche Reichsgesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (17. 5. 1898). Lit.: Köbler, DRG 184, 292; Claproth, J., Primae lineae jurisprudentiae extrajudicialis, 1759; Oesterley, F., Versuche aus dem Gebiete der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1830; Puchta, W., Handbuch des gerichtlichen Verfahrens in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. A. 1831f.; Ott, E., Geschichte und Grundlehren des österreichischen Rechtsfürsorge- verfahrens, 1906; Hofmann, K., Die freiwillige Gerichtsbarkeit (jurisdictio voluntaria) im kanonischen Recht, 1929; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 173; Brehm, N., Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2. A. 1993; Außerstreitverfahren, 1996 Freizügigkeit ist das Recht der freien Ortsveränderung. F. besteht nicht für Unfreie und bei fehlendem Zuzugsrecht. Der -> Augsburger Religionsfriede von 1555 gewährt Abzugsfreiheit (für Andersgläubige) gegen Zahlung von Abzugsabgaben, das preußische Allgemeine Landrecht (1794) das Recht zu freier Auswanderung, die Deutsche Bundesakte (1815) F. innerhalb des Bundesgebietes, die Verfassung von 1849 Niederlassungsfreiheit innerhalb des Reichsgebietes und Auswande- rungsfreiheit. In den Europäischen Gemeinschaften bzw. in der Europäischen Union gilt die F. der Arbeitnehmer bzw. die Niederlassungsfreiheit für die Angehörigen der Mitgliedstaaten. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma 1950, 199 Fremder im Verhältnis zu einer Personengemeinschaft ist der Mensch, der nicht der Personengemeinschaft angehört. Er ist rechtlos (Feind), kann aber als Gast in das Recht aufgenommen werden. In Rom entwickelt sich für die freien Nichtbürger das besondere (lat.) -> ius (N.) gentium (Fremdenrecht). Im Frühmittelalter verbietet Karl der Große 802, dem Fremden das Gastrecht vorzuenthalten. Die territoriale Rechtspartikularisierung des Hochmittelalters ist dem Fremden nicht günstig. Dagegen verlangt das frühneuzeitliche Naturrecht die völlige Gleichstellung des Fremden mit dem Einheimischen. Der Nationalstaat des 19. Jh.s lehnt Fremde grundsätzlich ab. 1871 werden alle Deutschen im Deutschen Reich zu Inländern. Wegen des starken Zustroms von Fremden infolge internationaler Mobilisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden detaillierte Ausländergesetze nötig. 219 Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Hübner 83, 460; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 88, 120; Köbler, WAS; Bar, L. v., Das Fremdenrecht und seine volkswirtschaftliche Bedeutung, 1892; Weizsäcker, W., Die Fremden im böhmischen Landrechte, ZRG GA 45 (1925), 206; L'Étranger, 1958; Scholla, P., Untersuchungen zur Rechtsstellung der Fremden in der Schweiz des 19. Jahrhunderts, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Die Begegnung mit dem Fremden, hg. v. Schuster, M., 1996; Seiring, C., Fremde in der Stadt (1300-1800), 1999; Keechang, K., Aliens in Medieval Law, 2000; Lübke, C., Fremde im östlichen Europa, 2001; Cavallar, G., The rights of strangers, 2002; Der Fremde, hg. v. Dummer, J. u. a., 2004 Frevel ist im mittelalterlichen Recht die Waghalsigkeit, die eine Untat bedeuten kann und die sich daraus ergebende Rechtsfolge (Geldstrafe). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 48, Neudruck 1964; Ruoff, W., Die Züricher Räte als Strafgericht, Diss. jur. Zürich 1941 Friedberg, Emil (Konitz 22. 12. 1837-Leipzig 7. 9. 1910), Sohn eines 1824 zur evangelischen Kirche übergetretenen Richters, wirkt als Professor für Kirchenrecht, Staatsrecht und Handelsrecht in Halle (1865), Freiburg im Breisgau (1868) und Leipzig (1873). Politisch tritt er für die Trennung von Staat und Kirche und die Aufsicht des Staates über die Kirche ein. Bedeutsam sind seine kirchenrechts- geschichtlichen Editionen (-> Corpus iuris canonici, 1879ff., Neudruck 1955, Quinque compilationes antiquae, 1882, Neudruck 1956, Canonessammlungen zwischen Gratian und Bernhard von Pavia, 1897, Neudruck 1958). Lit.: Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 283 Friedberg-Scheer -> Thurn und Taxis Friede ist der Zustand ungestörter Ordnung, in dem sich niemand der Gewalt bedient, um seine besonderen Interessen zu verwirklichen. Der F. innerhalb des Volkes ist zunächst die Aufgabe aller Einzelnen, erst im Laufe des Mittelalters drängt der Staat mit Unterstützung der Kirche (-> Gottesfriede) die -> Fehde durch die Durchsetzung des Gewaltmonopols (-> Strafrecht, -> Polizeirecht) zurück. Außerhalb des Volkes bildet der -> Krieg zweier oder mehrerer Völker den Gegensatz zum Frieden. Zur Beendigung des Krieges bedarf es grundsätzlich eines (völkerrechtlichen) Frie- densvertrages (z. B. Friede von Münster und Osnabrück 1648). Lit.: Köbler, DRG 84; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 543; Köbler, WAS; Osenbrüggen, E., Der Hausfrieden, 1863, Neudruck 1968; Rosenstock, E., Herzogsgewalt und Friedensschutz, 1910; Wilke, K., Das Friedegebot, 1911, His, R., Gelobter und gebotener Friede im deutschen Mittelalter, ZRG GA 33 (1912), 139; Schneider, B., Friedewirkung und Grundbesitz, 1913; Prutz, H., Die Friedensidee im Mittelalter, SB. d. Akad. d. Wiss. München, 1920; Nestle, W., Der Friedensgedanke in der antiken Welt, 1938; Wiesenthal, F., Die Wandlung des Friedensbegriffs, Diss. phil. München 1949; Achter, V., Über den Ursprung des Gottesfriedens, 1955; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden für die Gesetzgebung in Deutschland, Diss. jur. Marburg, 1958; La Paix, 1961, (Recueils de la Société Jean Bodin 15); Dickmann, F., Der Westfälische Frieden und die Reichsverfassung, 1965; Weimann, K., Der Friede im Altenglischen, 1966; qvist, G., Frieden und Eidschwur, 1968; Justus, W., Die frühe Entwicklung des säkularen Friedensbegriffs, 1975; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfriede 1550- 1600, 1976; Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977; Duchhardt, H., Studien zur Friedensvermittlung in der frühen Neuzeit, 1979; Fisch, J., Krieg und Frieden im Friedensvertrag, 1979; Renna, T., The Idea of Peace, Journal of Medieval History 6 (1980) 143; Ermacora, F., Der unbewältigte Friede. St. Germain und die Folgen, 1989; Schildt, B., Der Friedensgedanke im frühneuzeitlichen Dorfrecht ­ Das Beispiel Thüringen, ZRG GA 107 (1990), 188; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Erkens, M., Die französische Friedensgerichtsbarkeit, 1994; Träger und Instrumentarien des Friedens, hg. v. Fried, J., 1996; Tuck, R., The rights of war and peace, 1999; Suche nach Frieden, hg. v. Brieskorn, N. u. a., Bd. 1ff. 2000ff.; Kamp, H., Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, 2001; Schmidt, K., Friede durch Vertrag, 2002; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003 Friedelehe ist (nach umstrittener Ansicht) die durch bloße Vereinbarung der Brautleute (und Aufnahme einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft) geschlossene Ehe (des mittelalterlichen Rechts), bei welcher der Mann im Gegensatz zur Eheschließung unter Mitwirkung des Vaters der Braut keine Personengewalt (munt) über seine Friedel (Geliebte) gewinnt. Ihre tatsächliche Bedeutung 220 ist ganz unsicher. Möglicherweise geht die morganatische Ehe des Adels auf die F. zurück. Lit.: Hübner 642; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA 47 (1927), 198; Haff, K., Das ,,Werven der echtinge" des Friedelkindes, ZRG GA 53 (1933), 316; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA 47 (1927), 198; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993; Esmyol, A., Geliebte oder Ehefrau?, 2002 Friedensgeld -> fredus Friedensgericht Lit.: Erkens, M., Die französische Friedensgerichts- barkeit in den Rheinlanden, 1994; Erkens, M., Die französische Friedensgerichtsbarkeit 1789-1814 unter besonderer Berücksichtigung der vier rheinischen Departements, 1994 Friedensgesetzgebung -> Landfriede Friedensrichter s. Friedensgericht, Richter Friedensvertrag ist der den Kriegszustand zwischen mehreren Staaten beendende völkerrechtliche Vertrag (z. B. F. zwischen Ägyptern und Hethitern 1270 v. Chr., F. zwischen Rom und Karthago 201 v. Chr., F. von Troyes 1420, F. von Münster und Osnabrück 1648, F. von Nimwegen 1678/9, F. von Rijswijk 1697, F. von Lunéville 1801, F. von Versailles 1919, F. von St. Germain 1919). Lit.: Fisch, J., Krieg und Frieden im Friedensvertrag, 1979; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Peace treaties and international law, hg. v. Lesaffer, R., 2004 Friedhof ist der Ort, an dem die Toten bestattet werden. Die Totenbestattung geschieht anfangs nach unterschiedlichem Brauchtum (Hügel- gräber, Reihengräberfelder). Mit der Christianisierung entwickelt sich der F. um die Kirche, auf dem Verbrechern, Selbstmördern, Ketzern oder Fremden die Bestattung verweigert wird. Mit der neuzeitlichen Bevölkerungszunahme wird der F. an den jeweiligen Ortsrand verlegt. Es werden besondere Satzungen oder Ordnungen zur rechtlichen Regelung des Friedhofswesens geschaffen. Lit.: Cohen, G., Der jüdische Friedhof, 1930; Derwein, H., Geschichte des christlichen Friedhofs, 1931; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957; Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 6. A. 1992; Fischer, N., Vom Gottesacker zum Krematorium, 1996 Friedlosigkeit ist im mittelalterlichen Recht vermutlich der Zustand des Ausgestoßenseins aus der Rechtsgemeinschaft. Wer friedlos ist, darf bußlos getötet werden. Das tatsächliche Vorkommen der F. ist nicht gut bezeugt. -> Acht, -> Gottesfriede, -> Landfriede Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 87; Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842; Brunner, H., Abspaltungen der Friedlosigkeit, ZRG GA 11 (1890), 62; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A. 1906ff.; Haff, K., Zur Friedlosigkeit nach holsteinischem Recht, ZRG GA 62 (1942), 375; Kaufmann, E., Zur Lehre von der Friedlosigkeit im germanischen Recht, Gedächtnisschrift H. Conrad 1980, 32 Friedrich I. -> Friedrich I. Barbarossa Friedrich II. (Iesi bei Ancona 26. 12. 1194- Castel Fiorentino bei Lucera 13. 12. 1250), Sohn des Staufers Heinrich VI. und Konstanzes von Sizilien sowie Enkel -> Friedrich Barbarossas, wird 1196/1212 deutscher König. Er errichtet in Sizilien mit Hilfe rechtlicher Regelungen (Assisen von Capua 1220, Konstitutionen von Melfi 1231) eine fortschrittliche Verwaltung. Im Reich verbrieft er die von den Fürsten errungenen Rechte (-> Confoederatio cum principibus ecclesiasticis, 1220, -> Statutum in favorem principum, 1231). Seine Mitwelt versetzt er als (lat.) stupor (M.) mundi in vieler Hinsicht in Erstaunen. Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106, 108; Blondel, G., Étude sur la politique de l'empereur Frédéric II, 1892; Kantorowicz, E., Kaiser Friedrich II. 1929 (Materialband 1931), 6. unv. A. 1985 (Ergänzungsband 2. A. 1980).; Schrader, E., Ursprünge und Wirkungen der Reichsgesetze Friedrichs II. von 1220, 1231/32 und 1235, ZRG GA 68 (1951), 354; Zinsmaier, P., Zur Diplomatik der Reichsgesetze Friedrichs II. (1216, 1220, 1231/(12)32, 1235, ZRG GA 80 (1963), 82; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 1966, 2. A. 1982; Kaiser Friedrich II. in Briefen und Berichten seiner Zeit, hg. v. Heinisch, J., 1968, 6. A. 1978; Die Konstitutionen Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein Königreich Sizilien, hg. v. Conrad, H. u. a., 1973; Probleme um Friedrich II., hg. v. Fleckenstein, J., 1974; Ipser, K., Kaiser Friedrich der Zweite, 1977; Federico II, 1980; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Wolf, G., Kaiser Friedrich II. und das Recht, ZRG RA 102 (1985), 327; Zinsmaier, P., Beiträge zur Diplomatik der Urkunden Friedrichs II., DA 41 (1985), 101; Bibliographie zur Geschichte Kaiser Friedrichs II. und der letzten Staufer, 1986 (212 Quellentitel, 2014 Monographien und Aufsätze); Martino, F., Federico II, 221 1988; Lammers, W., Friedrich II. (1212-1250), in: Kaisergestalten des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 3. A. 1991, 199; Stürner, W., Friedrich II., 1992; Federico II., hg. v. Toubert, P., 1994; Rösch, E./Rösch, G., Kaiser Friedrich II., 1995; Friedrich II., hg. v. Esch, A. u. a., 1996; Die Konstitutionen Friedrichs II. für das Königreich Sizilien, hg. v. Stürner, W., 1996; Sommerlechner, A., Stupor mundi?, 1999; Kaiser Friedrich II., hg. v. Eickels, K. van u. a., 2000; Rotter, E., Friedrich II. von Hohenstaufen, 2000; Stürner, W., Friedrich II., 2. A. 2003; Die Urkunden Friedrichs II. 1198-1212, bearb. v. Koch, W., Teil 12002 Friedrich I. Barbarossa (Rotbart) (nach 1122- Kleinasien 10. 6. 1190) aus der Familie der -> Staufer ist der zwischen 1152 und 1190 im deutschen Reich herrschende König. Er führt 1156 im sog. (lat.) -> privilegium minus einen Ausgleich zwischen Staufern und -> Welfen herbei, indem er den Welfen das 1138 vom König entzogene Herzogtum -> Bayern, vermindert um das verselbständigte Herzogtum -> Österreich, zurückgibt. 1158 lässt er auf dem Reichstag von Roncaglia die -> Regalien durch Juristen feststellen. Durch Landfriedensgesetze geht er gegen Rechtsbruch vor. Eine konstante römisch-rechtliche, Rechtsdenken oder Rechts- praxis prägende Komponente lassen seine Urkunden noch nicht erkennen. Unter ihm beginnt die Zerschlagung der dem König zu mächtigen Herzogtümer (1156 Bayer, 1180 Sachsen) in die das Reich letztlich auflösenden -> Länder. Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106; Rassow, P., Honor imperii, 1940; Heimpel, H., Kaiser Friedrich Barbarossa, 1942; Hess-Gotthold, J., Hausmacht und Politik Friedrich Barbarossas im Raume des heutigen Pfälzer Waldes, 1962; Die Urkunden Friedrichs I., hg. v. Appelt, H., Bd. 1ff 1975ff.; Opll, F., Das Itinerar Kaiser Friedrich Barbarossas, 1978; Georgi, W., Friedrich Barbarossa und die auswärtigen Mächte, 1990; Friedrich Barbarossa, hg. v. Haverkamp, A., 1992; Kaiser Friedrich Barbarossa, hg. v. Engel, E./Töpfer, B., 1994; Petrus de Ebulo, Liber ad honorem Augusti, 1994; Opll, F., Friedrich Barbarossa, 3. A. 1998; Plassmann, A. Die Struktur des Hofes, 1998; Richter, K., Friedrich Barbarossa hält Gericht, 1999; Görich, K., Die Ehre Friedrich Barbarossas, 2001; Dick, S., Die Königserhebung Friedrich Barbarossas, ZRG GA 121 (2004), 200 Friedrich II. der Große (Berlin 24. 1. 1712- Potsdam 17. 8. 1786) ist der bedeutendste König in Preußen (1740-1786). Seine militärischen Erfolge (Eroberung Schlesiens von Österreich) begründen Preußens Stellung als Großmacht in Europa. Die Schaffung des preußischen Allgemeinen Landrechts (1794) geht maßgeblich auf den dem aufgeklärten Absolutismus (1740/1754 Abschaffung der Folter, planvolle Kriminalpolitik, Bauern- schutz) verpflichteten Monarchen zurück. Lit.: Heymann, E., Über die Bedeutung der Philosophie Friedrichs des Großen für seine Rechtspolitik, 1934 (SB Berlin); Ritter, G., Friedrich der Große, 1936; Jacobs, H., Friedrich der Große und die Idee der Vaterlandsliebe, 1939; Jessen, H., Friedrich der Große und Maria Theresia, 1965; Merten, D., Der Katte-Prozess, 1980; Hubatsch, W., Friedrich der Große und die preußische Verwaltung, 2. A. 1982; Schieder, T., Friedrich der Große, 1983; Dießelhorst, M., Die Prozesse des Müllers Arnold und das Eingreifen Friedrichs des Großen, 1984; Aretin, K. Frhr. v., Friedrich der Große, 1985; Panorama der fridericianischen Zeit, hg. v. Ziechmann, J., 1985; Ausstellung des geheimen Staatsarchivs, 2. A. 1986; Analecta Fridericiana, hg. v. Kunisch, J., 1987; Friedrich der Große und seine Zeit, hg. v. Hauser, O., 1987; Fridericianische Miniaturen 2, hg. v. Ziechmann, J.,1 991; Duffy, C., Friedrich der Große, 1994; Tagebuch oder Geschichtskalender aus Friedrichs des Großen Regentenleben, Bd. 1ff. 2003ff.; Kunisch, J., Friedrich der Große, 2004; Wehinger, B., Geist und Macht, 2004 Friese ist der Angehörige eines an der Nordsee siedelnden, im 1. Jh. n. Chr. durch Plinius erwähnten germanischen Volkes. 734/785 werden die Friesen von den -> Franken unterworfen. Um 802 wird in der -> Lex Frisionum ihr Recht aufgezeichnet. Dem folgen im Hochmittelalter zahlreiche weitere Quellen des -> friesischen Rechts. 1464 wird Ostfries- land zu einer Reichsgrafschaft erhoben. Im ausgehenden 20. Jh. sprechen noch rund 300000 Menschen in Deutschland und den Niederlanden die friesische Sprache. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76; Köbler, Historisches Lexikon; Heck, F., Die altfriesische Gerichtsverfassung, 1894; Jaekel, H., Abba, Âsega und Redjva, ZRG GA 27 (1906), 114; Jaekel, H., theling, Frîmon, Frîling und Szremon, ZRG GA 27 (1906), 275; His, R., Friesisches, ZRG GA 28 (1907), 439; Jaekel, H., Die münzmetrologischen Anhaltspunkte für die Erkenntnis der altfriesischen Ständeverfassung, ZRG GA 30 (1909), 49; Jaekel, H., Chumas und twalepti, ZRG GA 30 (1909), 251; Mayer, E., Friesische 222 Ständeverhältnisse, FS Hugo von Burkard, 1910; Die Friesen, hg. v. Borchling, C. u. a., 1931; Siebs, B., Grundlagen und Aufbau der altfriesischen Verfassung, 1933; Gosses, J., De friesche hoofdeling, 1933; Buijtenen, M., Het friese dorp, 1961; Schmidt, H., Politische Geschichte Ostfrieslands, 1975; Handbuch des Friesischen, hg. v. Munske, H., 2001; Die friesische Freiheit des Mittelalters, hg. v. Lengen, H. van, 2003; Van der Velden, B., Waar gaan wij heen met het Fries?, 2004 Friesisches Recht ist das Recht der Friesen. Es begegnet zuerst in der -> Lex Frisionum (um 802). Vielleicht seit dem 11. Jh. entwickeln die Friesen 17 Küren, 24 Landrechte, 7 Überküren und die Wundtaxen, die in 16 nach 1276 einsetzenden Handschriften und einem Druck von 1485 (?) teils amtlich, teils nichtamtlich in meist friesischer Sprache für das gemein- friesische Gebiet aufgezeichnet werden. Da- neben stehen für einzelne Landschaften etwa die Westerlauwerschen Schulzenrechte (Westfriesland 12. Jh.), die Hunsigoer Küren (Hunsigo, nördlich von Groningen, 1252), das Rüstringer Recht (Rüstringen, westlich der Wesermündung 12./13. Jh.), das Brokmer Recht (Brokmerbrief, um Aurich 1300-1345), das Emsiger Pfennigschuldbuch (1300) und verschiedene Beliebungen (-> Siebenhar- denbeliebung 1426) (altostfriesisch Rüstringer Recht, Brokmer Recht, Emsinger Recht). In der ersten Hälfte des 13. Jh.s verfasst ein Geistlicher ein auf Rudolf von Schwaben bezogenes Rechtsbuch (Rudolfsbuch). Im 14. und 15. Jh. entstehen unter Einfluss der gelehrten Rechte Processus iudicii, Jurisprudentia Frisica und die Excerpta Legum. Ergänzt werden die allgemeinen Bestimmungen durch rund 1300 Urkunden der Jahre 1329 bis 1573. Seit dem 16. Jahrhundert wird das friesische Recht allmählich zurückgedrängt und 1744/1794 durch Preußen in Ostfriesland beseitigt. Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840, Neudruck 1960; Telting, A., Het oud-friesche Stadrecht, 1882; De friesche Stadrechten, hg. v. Telting, A., 1883; His, R., Die Überlieferung der friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA 20 (1899), 39; His, R., Das Strafrecht der Friesen im Mittelalter, 1901; Jaekel, H., Hmthoga, Liudamon, Ked, Koninges-orkene und Tolevabôth, ZRG GA 28 (1907), 164; Jaekel, H., Foged, Skelta, Frâna und Bon, ZRG GA 28 (1907), 205; Die niederdeutschen Rechtsquellen Ostfrieslands, hg. v. Borchling, C., Bd. 1 1908; Steller, W., Das altwestfriesische Schulzenrecht, 1926; His, R., Untersuchungen zu den älteren Rechtsquellen Ostfrieslands, ZRG GA 57 (1937), 58; Trägert, H., Familienerbe in Friesland, 1937; Oosten, M. van, De ambtshalve vervolging naar oudfriesch recht, 1938; Fairbanks, S., The old west Frisian skeltana riucht, 1939; Oudfriese Taal- en Rechtsbronnen, hg. v. Sipma, P. u. a., Bd. 1ff. 1943ff.; Krogmann, W., Zu den Emsgauer Bußen, ZRG GA 69 (1952), 345; Krogmann, W., Eine lateinische Vorstufe ostfriesischer Bußregister, ZRG GA 75 (1958), 352; Gerbenzon, P., Excerpta Legum, 1956; Snitser Recesboken 1490-1517, hg. v. Osterhout, M., 1960; Ebel, W., Das Ende des friesischen Rechts in Ostfriesland, 1961; Das Rüstringer Recht, hg. v. Buma, W./Ebel, W., 1963; Das Brokmer Recht, hg. v. Buma, W./Ebel, W., 1965; Ostfriesische Bauerrechte, hg. v. Ebel, Wilhelm 1964; Krogmann, W., Volksetymologische Umdeutungen einer friesischen Bußtaxe, ZRG GA 82 (1965), 298; Krogmann, W., Die friesische Sage von der Findung des Rechts, ZRG GA 84 (1967), 72; Krogmann, W., Die friesische Vorstufe des ,,Vetus Ius Frisicum" (17 Küren, 24 Landrechte, allgemeine Bußtaxen), ZRG GA 89 (1972), 33, 90 (1973) 31; Meijering, H., De Willekeuren van de Opstallsbom (1323), 1974; Westerlauwerssches Recht 1 Jus municipale Frisonum, hg. v. Buma, W. u. a., 1977; Köbler, G., Verzeichnis der Übersetzungsgleichungen früher friesischer Quellen, 1974; Gerbenzon, P., Apparaat voor de Studie van oudfries Recht, 1981; Köbler, G., Altfriesisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altfriesisches Wörterbuch, 1983; Codex Aysma, hg. und übersetzt v. Buma, W. u. a., 1993; Lokin, J. u. a., Het Rooms-Friese recht, 1999; Lokin, J. u. a., Roman-Frisian Law of the 17th and 18th Century, 2003; Hempenius-van Dijk, B., Hof van Friesland, 2004 Friesland Lit.: Iterson, W. van, Feudalisierungsversuche im westerlauwerschen Friesland, ZRG GA 97 (1962), 72; Agena, G., Eine Studie über die verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Verhältnisse des Norderlandes, 1962 Frist ist der bestimmte oder bestimmbare Zeitraum. Die F. spielt in jeder Gesellschaft, in der die Zeit berechnet werden kann, eine Rolle. Für die Germanen wird in diesem Zusammenhang davon berichtet, dass sie nach Nächten zählen und den Zeitpunkt der Versammlung nach Vollmond und Neumond bestimmen. Mit der Verrechtlichung aller 223 Lebensverhältnisse gewinnt die genaue Bestimmung von Fristen (z. B. für Leistungen, Prozesshandlungen, Verjährung usw.) ein immer größeres Gewicht. Lit.: Köbler, DRG 235; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 505; Ziegeltrum, A., Grundfälle zur Berechnung von Fristen, JuS 1986, 705; Schmitz, M., Die Fristberechnung nach römischem Recht, 2002 Fristenlösung -> Abtreibung Fritzlar Lit.: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Fritzlar, hg. v. Demandt, K., 1939; Fritzlar im Mittelater, 1974 Fron ist (als Ableitung zu ahd. fro [M.] Herr) im mittelalterlichen deutschen Recht der (Dienst in) Bezug auf einen Herren. -> Fronbote, Frondienst Fronbote ist im mittelalterlichen deutschen Recht der Gehilfe eines Richters für tat- sächliche Aufgaben (Botendienste, Wachdienste, Vollstreckungen). Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) steht er nach Wahl durch den Richter auf Lebenszeit im Dienst des Königs und ist durch doppelte Buße geschützt. Ihm entsprechen Büttel, Scherge oder Weibel. Lit.: Eggert, C., Der Fronbote im Mittelalter, 1897; Peters, W., Bezeichnungen und Funktionen des Fronboten, 1991 Frondienst ist im Mittelalter und in der frühen Neuzeit vor allem der einem Grundherrn oder Gerichtsherrn zu erbringende Dienst (z. B. Pflügen, Säen, Eggen, Ernten, Mahlen, Backen, Brauen, Spinnen, Weben, Fahren, Reiten, Bauen usw.). Der sog. gemessene F. umfasst selten mehr als die Hälfte der jährlichen Arbeitszeit. Seit dem Frühmittelalter geht der tatsächlich geleistete F. zurück und wird bis zur Mitte des 19. Jh.s beseitigt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Siebeck, O., Der Frondienst als Arbeitssystem, 1904; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer in der deutschen Kaiserzeit, 1939, 46ff.; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1962, 93ff., 126ff.; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft, 1978, 124; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 3. A. 1987, 25ff. Fronhof ist der Haupthof des Grundherrn in der mittelalterlichen -> Grundherrschaft. Er wird vom Grundherrn selbst oder durch Verwalter bewirtschaftet. Zu ihm gehört das umgebende Salland (Herrenland). Seit dem Hochmittelalter verliert der F. mit dem Übergang zur -> Rentengrundherrschaft einer- seits und zur -> Gutsherrschaft andererseits seine Bedeutung und verschwindet mit der Beseitigung der Grundherrschaft im 19. Jh. gänzlich. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 77, 96; Maurer, G. v., Geschichte der Fronhöfe, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof, 1953 Fronung ist im mittelalterlichen deutschen Recht die öffentliche -> Beschlagnahme von Gegenständen im Zuge der Zwangsvollstreckung (zugunsten des Königs). In der (lat. [F.]) Capitulatio de partibus Saxoniae (782/5) wird die F. angeordnet, falls ein Verurteilter ein Urteilserfüllungsgelöbnis mangels eines Bürgen nicht ablegen kann, in einem weiteren Kapitular (803), falls der Beklagte auf viermalige Ladung nicht vor Gericht erscheint. Im Hochmittelalter ist die F. nur in Ostfalen (Sachsenspiegel, Stadtrechte) gebräuchlich. Im 16. Jh. ist sie allgemein geschwunden. Lit.: Planitz, H., Die Fronung, ZRG GA 78 (1961), 39ff. Frostathingslög ist das in 16 Teile gegliederte Rechtsbuch des um den Drontheimfjord gelegenen norwegischen Gebiets, dessen erhaltener Text durch eine zwischen 1260 und 1269 entstandene, 1728 verbrannte Handschrift überliefert ist (Frostothingsbok). Der F. geht die -> Gragas voraus. Ihrerseits ist sie Vorbild für -> Jarnsida und für das Reichsrecht König Magnus Hakonarsons (1274). Lit.: Meissner, R., Germanenrechte, 1939; Sveaas Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977 Frucht (lat. [M.] fructus) ist das Erzeugnis (z. B. Kalb) einer Sache (z. B. Kuh) und die sonstige ihrer Bestimmung gemäß aus ihr gewonnene Ausbeute (z. B. Sand) sowie der seiner Bestimmung gemäß aus einem Recht gewonnene Ertrag (z. B. Dividende). Im klassisch-römischen Recht wird die F., zu der nicht das Kind der Sklavin und auch nicht der Zins für ein Kapital zählen, (erst) mit der Trennung von der Muttersache rechtlich selbständig. Sie wird Eigentum des Eigentümers der Muttersache, sofern diesem nicht ein anderer Berechtigter (z. B. Erbpächter) vorgeht. Im mittelalterlichen deutschen Recht fällt die natürliche F. grundsätzlich dem zu, der die zu ihrer Ge- 224 winnung erforderlichen Aufwendungen erbracht hat. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter dringen die romanistischen Regeln ein. Lit.: Kaser § 18 III; Hübner 463; Köbler, DRG 39; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 55 fructus (lat. [M.]) -> Frucht Frühkapitalismus ist die Anfangsstufe des -> Kapitalismus am Beginn der frühen Neuzeit (z. B. Fugger, Welser). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 134; Baltl/Kocher 109, 145; Strieder, J., Zur Genesis des modernen Kapitalismus, 1904; Sombart, W., Der moderne Kapitalismus, Bd. 2 1916; Trusen, H., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961 Frühkonstitutionalismus ist die eine Verfassung (Konstitution) erstrebende politische Bewegung des beginnenden 19. Jh.s (nach französischem Vorbild Bayern 1818, Baden 1818, Württemberg 1819, Hessen- Darmstadt 1820). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Brandt, H., Der deutsche Frühkonstitutionalismus, in: Hessen, 1997, 39 Frühmittelalter ist der etwa zwischen dem Untergang des weströmischen Reiches (476 n. Chr.) und dem (Aussterben der ostfränkischen Karolinger [911] bzw. dem) -> Investiturstreit (1076) liegende Abschnitt des Mittelalters. Lit.: Köbler, DRG 75; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Bund, K., Thronsturz und Herrscherabsetzung im Frühmittelalter, 1979; Prinz, F., Von Konstantin zu Karl dem Großen, 2000; Buc, P., The Dangers of Ritual, 2001; The Early Middle Ages, hg. v. McKitterick, R., 2001; Grant, M., Die Welt des frühen Mittelalters, 2003 Frühneuhochdeutsch ist die zwischen 1350 (Mittelhochdeutsch) und 1650 (Neuhoch- deutsch) gesprochene, frühe Stufe der neuhochdeutschen Sprache. Lit.: Götze, A., Frühneuhochdeutsches Glossar, 7. A. 1967; Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hg. v. Anderson, R. u. a., Bd. 1ff. 1986ff.;Baufeld, C., Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch, 1996 Frührezeption (des römischen Rechts) ist der erste zeitliche Abschnitt der Aufnahme (-> Rezeption) des römischen Rechts in mittelalterliche Rechtsordnungen. Angesichts der Übernahme römischrechtlicher Vorstel- lungen bereits in frühmittelalterliche Volksrechte lässt sich von F. schon für das Frühmittelalter sprechen. In einem engeren Sinn schließt F. aber erst an die Wiederaufnahme der Beschäftigung mit dem justinianischen Rechtstexten seit dem ausgehenden 11. Jh. an. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hageneder, O., Zur Frührezeption des römisch-kanonischen Prozessverfahrens im Lande ob der Enns, FS K. Pivec, 1966, 131; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo, Hist. Jb. 89 (1969), 337 Frühsozialismus ist der erste zeitliche Abschnitt des Sozialismus. Er lässt sich in seinem Beginn in die Mitte des 16. Jh.s setzen. Er endet um 1848. Seine Zielsetzungen sind zumindest anfangs noch sehr allgemein und unterschiedlich. Lit.: Der Frühsozialismus, hg. v. Ramm, T., 2. A. 1968; Heis, R., Das Recht im frühen Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995 Fuero (zu lat. [N.] forum, Markt, Gericht) bzw. foro oder fur ist in -> Spanien (bzw. Portugal) das teilweise bis in das 20. Jh. geltende landschaftliche Recht des Hochmittelalters (im engeren Sinn das aufgezeichnete Stadtrecht). Besonders in Aragón und Valencia steht der besondere F. im Gegensatz zum allgemeinen Recht. Der Name F. erwächst erst allmählich. Die ersten überlieferten Fueros sind nicht umfangreich. Von besonderer Bedeutung ist die Bewahrung von aus dem westgotischen Volksrecht (-> Lex Visigothorum) rührendem germanistischem Rechtsgut. Unterscheiden lassen sich vor allem Privilegien, Urkunden über Abgaben und Stadtrechte. Lit.: Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragons und ihre Verbreitung, FS E. Heymann, 1940, 108; Hierneis, O., Das besondere Erbrecht der sog. Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 681; Suárez Bilbao, F., El fuero judiego en la Espana cristiana, 2000 Zragón ist die Sammlung von Gesetzen oder Verordnungen, die besonders Aragón betreffen. Den Auftrag hierzu erteilt König Jakob I. an den Bischof von Huesca und ehemaligen Bologneser Scholasten Vidal de Canellas. Von dessen zwei Kompilationen billigen die Cortes von Huesca 1247 die kleinere, weniger romanistische. 1283 wird sie in das vom Adel 225 König Peter III. abgerungene (span.) Privilegio general (allgemeine Privileg) aufgenommen. Im 14. und frühen 15. Jh. wird sie um je ein Buch der vier in dieser Zeit herrschenden Könige erweitert. Lit.: Tilander, G., Los fueros de Aragón, 1937; Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragóns, FS E. Heymann, 1940, 108; Wohlhaupter, E., Das Privatrecht der fueros de Aragón, TRG GA 62 (1942), 89, 63 (1943), 214, 64 (1944), 173; Lalinde Abadía, J., Los Fueros de Aragón, 1976 Fuero de Burgos ist ein die Hauptstadt der Grafschaft -> Kastilien betreffender Text des spanischen Rechts. Lit.: Martínez Díez, G., Fueros en el territorio de la provincia de Burgos, 1982 Fuero de Castiella ist das älteste Rechtsbuch Kastiliens, in dem durch einen unbekannten Verfasser in Burgos nicht lange nach 1248 das kastilische Recht des 13. Jahrhunderts aufgezeichnet wird. Lit.: Libro de los Fueros de Castiella, hg. v. Sanchesz, S., 1924 Fuero de Cuenca ist der ziemlich ausführliche, in 43 Kapitel gegliederte Fuero des spanischen Rechts im Königreich Leon und Navarra, den König Alfons VIII. (1189/1190 bzw. zwischen November 1189 und März 1193 oder in der ersten Hälfte des 13. Jh.s) der 1177 zurückeroberten Stadt Cuenca gewährt. Lit.: The Code of Cuenca, übers. v. Powers, J., 2000 Fuero de Francos ist der 1095 von König Alfons VI. von Kastilien dem Dorf Logroo bei der Erhebung zur Stadt verliehene Fuero des spanischen Rechts, der später auch anderen Städten gewährt wird (Miranda 1099, Toledo). Fuero de Jaca ist das 1063 von Sancho Ramírez bei der Erhebung des Ortes von einer villa zu einer Stadt verliehene Recht von -> Jaca. Lit.: Ramos y Loscertales, J., Fuero de Jaca, 1927; Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964 Fuero de la Novenera ist die Sammlung des aragonesisch-navarrischen Gewohnheitsrechts, in die auch bäuerliches Gewohnheitsrecht Eingang findet. Fuero de León ist ein von 1017(-1020) stammender, sich selbst als (lat. [N.]) Decretum bezeichnender Text des spanischen Rechts aus dem Königreich -> Leon. Er geht auf Alfons V. zurück. Seine ersten 20 Artikel betreffen das ganze Land, die übrigen 28 nur einzelne Orte. Lit.: García-Gallo, A., El fuero de Léon, AHDE 39 (1969), 5 Fuero del trabajo ist das 1938 erlassene, 1967 abgeänderte Arbeitsgesetzbuch -> Spaniens. Fuero de Madrid ist das Recht von -> Madrid. Lit.: Sánchez, G., El Fuero de Madrid, in: El Fuero de Madrid, 2. A. 1963 Fuero de Sepulveda ist der in einem Privileg König Alfons VI. von Kastilien (1072-1109) enthaltene Fuero des spanischen Rechts der südlichen Grenzgebiete des Königreichs Kastilien, den die Könige Alfons I. und Alfons II. von Aragón auch in Teilen Aragoniens einführen. Fuero de Soria ist das Recht von Soria in Kastilien. Lit.: Sánchez, G., Historia del Fuero de Soria, in: Fueros castellanos de Soria de Léon y Castilla, 1919, 227 Fuero de Teruel ist der ausführliche Fuero des spanischen Rechts der 1171 von Alfons II. von Aragón zurückeroberten Stadt Teruel. Fuero de Toledo ist der die städtischen Privilegien Toledos zusammenfassende Fuero des spanischen Rechts, die allen Bewohnern gemeinsam sind. Er folgt dem nach der Eroberung 1085 gewährten Fuero de Juzgo (der [westgotischen] Mozaraber) bzw. Fuero der Kastilier bzw. Fuero de Francos nach. Lit.: García-Gallo, G., Los Fueros de Toledo, AHDE 45 (1975), 341 Fuero de Zaragoza ist der Fuero des spanischen Rechts, der die Interessen der sog. Infanzones (ritterlichen Adligen) stärker berücksichtigt als die der Bürger. fuero ecclesiastico (span.) kirchliche Gerichts- barkeit in Spanien Fuero general ist die umfassende private Sammlung des spanischen Gewohnheitsrechts des Adels und seiner Bauern in Aragón und Navarra aus dem 13. Jh. Fuero Juzgo ist die in verschiedenen Fassungen in das Kastilische übertragene (lat.) -> Lex (F.) Visigothorum, die auch nach der Zerstörung des Westgotenreiches in Spanien durch die Araber für die unterworfenen Westgoten (Mozaraber) gilt. Der F. J. ist auch das von der königlichen Rechtsprechung des vereinigten Königreiches von Leon und Navarra in Leon - nicht in Kastilien - angewendete Recht. Nach 1240 verleiht König 226 Ferdinand III. den zwölfteiligen F. J. an eroberte Städte in Andalusien und Levante (Córdoba, Sevilla, Jaén, Murcia, Alicante, Jerez). 1263 wird der F. J. von König Alfons X. in den -> Fuero real (bzw. den Libro de las Leyes) modernisiert. fuero militar (span.) Militärgerichtsbarkeit in Spanien fuero municipal (span.) Stadtrecht in Spanien Fuero real (bzw. Libro de las Leyes) ist der 1255 oder 1263 von König Alfons X. dem Weisen von Leon und Navarra aus dem -> Fuero Juzgo modernisierte -> Fuero des spanischen Rechts. Er passt den aus der frühmittelalterlichen (lat.) Lex (F.) Visigothorum entwickelten Fuero Juzgo den hochmittelalterlichen Bedürfnissen an und nimmt verschiedene römischrechtliche und kirchenrechtliche Sätze auf. Er ist in vier Bücher gegliedert (Verfassung, Verfahren, Familie, Erbe und Schulden sowie Strafe). Er wird bestimmten Städten in Leon und Kastilien (Valladolid 1255, Madrid 1262) sowie Burgos und Soria verliehen, doch muss der König 1272 die Fortgeltung der alten städtischen Fueros anerkennen. Von ihnen werden viele bis 1340 neu aufgezeichnet. Lit.: Martínez Díez, G., Leyes de Alfonso X.: Fuero Real, 1988 Fuero viejo de Castilla ist die umfassende private Zusammenstellung des kastilischen Gewohnheitsrechts. Eine um 1248 entstandene Fassung ist unsystematisch. Der F. v. d. C. erhält seine endgültige systematische und in fünf Bücher gegliederte Gestalt um 1356. Seine wichtigste Quelle ist der Libro de los Fueros. Lit.: García González, F., El fuero viejo assistemático, AHDE 41 (1971), 767 Fugger ist der Angehörige einer 1367 in Augsburg als Weber genannten Familie, die in der Linie von der Lilie durch die Fuggersche Handelsgesellschaft, das Kupfermonopol und den Ablasshandel Weltgeltung erreichen. Als Bankiers der Päpste und der Habsburger erlangen sie 1504 den Adel und 1511 den Grafenrang und finanzieren die Wahl Karls V. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation). Sie bilden ein anschau- liches Beispiel des -> Frühkapitalismus. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pölnitz, G. Frhr. v., Jakob Fugger, Bd. 1f. 1949ff.; Pölnitz, G. Frhr. v., Fugger und Hanse, 1953; Simnacher, G., Die Fuggertestamente, 1960; Pölnitz, G. Frhr. v., Die Fugger, 6. A. 1999; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Nebinger, G./Rieber, A., Genealogie des Hauses Fugger, 1978; Tietz-Strödel, M., Die Fuggerei, 1982; Mandrou, R., Die Fugger, 1997 Führer ist der von Adolf -> Hitler im Nationalsozialismus beanspruchte Rang. Er steht außerhalb der Verfassung. Er vereinigt nacheinander unterschiedliche Verfassungs- stellungen (Reichskanzler, Reichspräsident). Sein Wille wird als Gesetz angesehen. Nach dem Prinzip des Führers wird das -> Dritte Reich organisiert. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222, 226, 229; Das deutsche Führerlexikon, 1934; Fauser, M., Das Gesetz im Führerstaat, Arch. f. öff. Recht 1965, 129; Majer, D., Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems, 1987; ,,Führer ­ Erlasse ­ 1939-1945", hg. v. Moll, M., 1997 Führerschein ist die Urkunde über die Berechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Führerscheine werden kurz nach Erfindung der Kraftfahrzeuge (1876 N. A. Otto stationärer Viertaktverbrennungsmotor, 1885 C. F. Benz verkehrsfähiges Kraftfahr- zeug, 1886 G. Daimler) eingeführt. Die vorläufigen und regional unterschiedlichen Berechtigungen löst 1910 auf Grund des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (3. 5. 1909) der F. in Preußen ab (1910 in Deutschland 36077 Führerscheine, 1924 121431 neue Führerscheine, 1957 1081000, 1991 2122706). Seit 1. 1. 1999 ist der F. in der Europäischen Union vereinheitlicht. Führungsschicht ist die politische oder geistig führende Gruppe von Menschen einer bestimmten Gesellschaft. Im Mittelalter stellt der Adel die F. In der Aufklärung tritt der Bürger hinzu. In der Gegenwart wird die allgemeine Meinung in erheblichem Maß durch die Medien Zeitung und Fernsehen bestimmt, deren Träger die Führung mitgestalten. Lit.: Preradovich, N. v., Die Führungsschichten in Österreich und Preußen 1804-1918, 1955; Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit, hg. v. Hofmann, H. u. a., 1980; Wildenmann, R. u. a., Führungsschicht in der Bundesrepublik Deutschland, 1981, 1982; Rösch, G., Der venezianische Adel, 1989 Führungszeugnis 227 Lit.: Burchardi, K., Strafregister und polizeiliches Führungszeugnis, 2. A. 1944 Fulda ist die am 12. 3. 744 von dem Schüler Sturmi des Bonifatius in Hessen gegründete, 765 reichsunmittelbar (Reichsabtei) werdende Abtei mit sehr großer Grundherrschaft und bedeutender Schriftkultur. Die dort 1723/1734 gegründete Universität wird nach der Säkularisation (1802) aufgehoben. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch des Klosters Fulda, Bd. 1 1913; Werner-Hasselbach, T., Die älteren Güterverzeichnisse der Reichsabtei Fulda, 1942; Lübeck, K., Die Hofämter der Fuldaer Äbte im frühen Mittelalter, ZRG GA 65 (1947), 177; Lübeck, K., Die Fuldaer Bürgeraufstände, ZRG GA 68 (1951), 410; Mauersberg, H., Die Wirtschaft und Gesellschaft Fuldas, 1969; Jäger, B., Das geistliche Fürstentum Fulda in der frühen Neuzeit, 1986; Theisen, F., Mittelalterliches Stiftungsrecht, 2002 Fund ist das Entdecken und Ansichnehmen einer verlorenen beweglichen Sache eines anderen. Der Eigentümer muss dem Finder nach einzelnen mittelalterlichen Rechtsquellen einen Lohn zahlen. Meldet sich der Eigentümer innerhalb einer Frist (nach Aufgebot) nicht, so fällt die Sache teils an den Finder, teils an den König, Kirche, Gemeinde oder Grundherrn, seit der Neuzeit an den Finder. Lit.: Hübner 457; Hübner, J., Der Fund, 1914 Fur (lat. [M.]) ist im römischen Recht der -> Dieb. Der auf frischer Tat ertappte freie Dieb (lat. [M.] f. manifestus) darf im altrömischen Recht getötet werden und wird später als Sklave zugesprochen, der unfreie f. manifestus darf vom tarpeischen Felsen gestürzt werden. Jeder andere f. hat das Doppelte des Wertes zu leisten und wird infam. Lit.: Kaser §§ 32 II, 51 I Furiosus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der -> Geisteskranke, der ohne weiteres geschäftsunfähig und deliktsunfähig ist und einen (lat. [M.]) curator (Pfleger) hat. Lit.: Kaser § 14 IV; Boari, M., Qui venit contra iura. Il furiosus, 1983 Fürkauf ist im 13. bis 16. Jh. der Vorkauf (zwecks künstlicher Verknappung und Verteuerung). Lit.: Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983 Furs de Valencia sind die nach 1240 abgefassten -> Fueros (Gesetze bzw. Verordnungen) des Königreichs von Valencia des spanischen Rechts, die in einer 1330 entstandenen, völlig romanisierten Fassung Alfons' IV. bekannt sind. 1482 wird eine erweiterte, chronologisch geordnete Sammlung von Gabriel de Riucech unter dem Titel Furs e ordinacions de Valncia veröffentlicht, 1707 wird der F. d. V. von König Philipp V. abgeschafft. 1708 werden die Fueros alfonsinos in Valencia für weitergeltend erklärt. Lit.: MA Barrero, A., El Derecho romano en los Furs de Valencia de Jaime I, AHDE 41 (1971), 639 fur (M.) manifestus (lat.) -> handhafter -> Dieb, -> Diebstahl Fur semper in mora (lat.). Der Dieb ist immer in Verzug. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Tryphonius um 160-um 220, Digesten 13, 1, 20) Fürsorge ist insbesondere die Unterstützung einzelner aus allgemeinen Mitteln in Notlagen. F. tätigt anfangs die Familie, dann die Kirche und die Grundherrschaft, seit der frühen Neu- zeit auch der Wohlfahrtsstaat. In Deutschland wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus der F. die -> Sozialhilfe. Lit.: Moeller, E. v., Die Elendenbrüderschaften, 1906; Dilger, A., Die Grundlagen des Fürsorgerechts, Diss. jur. Tübingen 1945 masch.schr.; Jutte, R., Obrigkeitliche Armenfürsorge, 1984; Hauser, S., Geschichte der Fürsorgegesetzgebung in Bayern, Diss. jur. München 1986; Peukert, D., Grenzen der Sozialdisziplinierung, 1986; Willing, M., Das Bewahrungsgesetz (1918-1967), 2003 Fürsprech, Fürsprecher, Vorsprecher, ist im hoch- und spätmittelalterlichen deutschen Recht der Vertreter eines Menschen im Wort vor Gericht. Er wird entwickelt, um die Gefahr zu vermeiden, durch einen bloßen Fehler im Wort (z. B. Husten, Räuspern, Versprechen) einen Rechtsstreit zu verlieren. Seine Rede kann die im Wort vertretene Partei billigen oder verwerfen und selbst richtig ausführen. Der F. ist erst im 12. Jh. in deutschen, französischen und englischen Quellen sicher belegt und könnte eine Antwort auf das Vordringen gelehrter Genauigkeit in das Verfahren sein. Ein Zwang, einen F. zu nehmen, erscheint erst im 15. Jh. Im Übrigen bittet die Partei den Richter um einen F. Wirkung hat sein Vortrag nur nach Billigung durch die Partei. Seit dem 15. Jh. wird der F. zum frei handelnden Beistand, seit dem 16. Jh. verschmilzt er mit 228 dem Anwalt zum Vertreter in der Sache. In der Schweiz ist der Fürsprecher der Rechtsanwalt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Siegel, H., Die Erholung und Wandelung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 42 1853; Laß, L., Die Anwaltschaft im Zeitalter der Volksrechte und Kapitularien, 1891; Bauhofer, A., Fürsprechertum und Advokatur im Kanton Zürich, Zürcher Taschenbuch 1926; Bader, K., Vorsprecher und Anwalt in den fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Schudel, H., Fürsprecher und Anwälte im schaffhauserischen Recht, Diss. jur. Zürich 1940; Müller, L., Die Freiheit der Advokatur, 1972 Fürsprecher -> Fürsprech Fürst ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht der Adlige, dessen Stellung ursprünglich durch die unmittelbare Belehnung durch den König gekennzeichnet ist. Er ist also Erster oder bei mehreren Ersten einer von diesen. Dazu zählen im Frühmittelalter die Großen des Reiches und des Königs (Herzöge, Grafen, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte). Kenn- zeichen sind Teilhabe am Reich und Herrschaft über einen Teil (z. B. eine Grafschaft), doch ist die Abgrenzung nach unten nicht eindeutig. Das wichtigste Recht der Fürsten ist die Wahl des Königs, die sich aber bald auf die -> Kurfürsten beschränkt. Etwa gleichzeitig wird die Stellung als Reichsfürst genauer festgelegt auf die meisten Herzöge, einen Teil der Markgrafen, Pfalzgrafen und Landgrafen und einzelne Grafen (herzogsgleiche Landes- herrschaft und reichsunmittelbares Lehen) sowie die geistlichen Reichsfürsten (Erz- bischöfe, viele Bischöfe, viele Äbte und Äbtissinnen, einzelne Pröpste). 1184/88 wird der Graf von Hennegau als erster förmlich zum Reichsfürsten erhoben. Demgegenüber wird in Frankreich die Zahl der Fürsten verringert und in England auf den Prinzen von Wales beschränkt. Als Landesherr gerät der F. im Laufe der Zeit in einen Interessengegensatz zum König. Seit 14. 8. 1919 darf der Titel F. in Deutschland nicht mehr verliehen werden und gilt der überkommene Titel F. als Teil des Namens. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 111, 130, 149, 154, 167, 195; Köbler, WAS; Seckendorff, V. v., Teutscher Fürstenstaat, 1656, Neudruck 1976; Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt in den deutschen Fürstenhäusern, 1851; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel, SB. d. sächs. Ges. d. Wiss. 58, 1906; Schulte, A., Fürstentum und Einheitsstaat in der deutschen Geschichte, 1921; Schröder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Kraemer, H., Der deutsche Kleinstaat des 17. Jahrhunderts im Spiegel von Seckendorffs Fürstenstaat, 1922, Neudruck 1974; Schroeder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Kienast, W., Die deutschen Fürsten im Dienste der Westmächte, Bd. 1f. 1924ff.; Mayer, T., Fürsten und Staat, 1950; Petersohn, J., Fürstenmacht und Ständetum in Preußen, 1963; Goetz, H., ,,Dux" und ,,ducatus", 1977; Lanzinner, M., Fürst, Räte und Landstände, 1980; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/56, 1983; Klein, T., Die Erhebungen in den deutschen Fürstenstand 1550-1806, Bll. f. dt. LG. 122 (1986), 137; Ay, K., Land und Fürst im alten Bayern, 1988; Der Fürst, hg. v. Weber, W., 1998; Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Schlick, J., König, Fürsten und Reich 1056-1159, 2001 Fürstenberg Lit.: Barth, F., Die Verwaltungsorganisation der gräflich fürstenbergischen Territorien, Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar 16 (1926), 48; Link, R., Verwaltung und Rechtspflege im Fürstentum Fürstenberg, 1944; Bieberstein-Krasicki, D. Graf v., Das Prozessrecht der Gerichts- und Landesordnungen der fürstenbergischen Territorien, 1948; Bader, K./Platen, A. v., Das große Palatinat des Hauses Fürstenberg, 1954; Eltz, E., Die Modernisierung einer Standesherrschaft, 1980; Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986 Fürstenberg Fürstenbergische Geschichte, Bd. 1ff. bearb. v. Klocke, F. v. 1971; Die Tagebücher Kaspars von Fürstenberg, hg. v. Bruns, A., 1985, 2. A. 1987 Fürstenspiegel ist die literarische Darstellung der Pflichten eines Fürsten. Die älteren Quellen des Fürstenspiegels sind hauptsächlich Xenophons (430-354 v. Chr.) Beschreibung der Erziehung des Kuros, die aus Plutarch (46-125) erstellte (lat.) Institutio (F.) Traiani, die Selbstbetrachtungen Marc Aurels (121-180) und Augustinus' Bild vom glücklichen Herrscher im Gottesstaat (413-426). Zunächst christlich, später humanistisch betont bauen auf ihnen F. vom 9. Jh. bis in die Neuzeit (Fürstenlehre) auf (z. B. Johann von Salisbury, Polycratius, 1195, Thomas von Aquin, De regimine principum, 1265/1266, Fortescue J., De laudibus legum Angliae, um 1470, Machiavelli, N., Il principe, 1532, Fénelon, Les aventures de Télémaque, 1699). 229 Lit.: Kleineke, W., Englische Fürstenspiegel, 1937; Berges, W., Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, 1938; Singer, B., Die Fürstenspiegel, 1981; Politische Tugendlehre und Regierungskunst, hg. v. Mühleisen, H. u. a., 1990; Fürstenspiegel der frühen Neuzeit, hg. v. Mühleisen, H. u. a., 1996; Graßnick, U., Ratgeber des Königs, 2004 Fürstentum ist das Herrschaftsgebiet und die Stellung eines -> Fürsten. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schotte, W., Fürstentum und Stände in der Mark Brandenburg, 1911; Dunkhase, H., Das Fürstentum Krautheim, 1968; Werner, K., Die Entstehung des Fürstentums, Bd. 1f. 1970; Thomas, H., Zwischen regnum und imperium, 1973; Geistliche Staaten in Oberdeutschland, hg. v. Wüst, W., 2002 Fürstprimas ist der in der Rheinbundakte von 1806 für den bisherigen Reichserzkanzler Karl Theodor von Dalberg vergebene geistlich- weltliche Titel. Das Fürstentum des F. (Regensburg mit Aschaffenburg und Wetzlar) wird durch Napoleon (1808) in ein weltliches Großherzogtum umgewandelt, das 1813 endet. Lit.: Färber, K., Der Übergang des dalbergischen Fürstentums Regensburg an das Königreich Bayern, 1985 Fürth Lit.: Hofmann, M., Die mittelalterliche Entwicklung der Gerichtsverhältnisse im alten Amt Fürth, 1932; Mauersberg, H., Wirtschaft und Gesellschaft Fürths, 1974 Furtum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Sachentziehung bzw. der Diebstahl. -> fur Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 48; Köbler, LAW Fuß als der unterste Teil des stehenden menschlichen Körpers wird bis in die Gegenwart als Maßeinheit verwendet (z. B. engl. foot). Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 141, 196, 213 Füssen Lit.: Das Füssener Bürgerbuch, hg. v. Weitnauer, S., 1940; Das Füssener hochstiftische Urbar von 1398, bearb. v. Dertsch, R., 1940; Rump, H., Füssen, 1977 Futhark ist die der herkömmlichen Zeichenfolge (f, u, th, a, r, k usw.) ent- sprechende Benennung der germanischen Runenschrift. Lit.: Krause, W., Die Runeninschriften im älteren Futhark, 1966 G Gabe ist der Vorgang und der Gegenstand der Übergabe einer Sache oder eines Menschen an einen Menschen. Nach einem jüngeren Rechtssprichwort soll in der älteren Zeit gegolten haben: G. schielt nach Entgelt. Demgegenüber kennt das römische Recht die unentgeltliche G. (-> Schenkung). Lit.: Kaser; Hübner 575; Köbler, DRG 74; Heusler, A., Institutionen, Bd. 2 1885f., 370ff.; Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der altgermanischen Schenkung, ZRG GA 53 (1933), 35 Gabella (F.) emigrationis (lat.) ist die im 11./12. Jh. erscheinende, vor allem in der frühen Neuzeit verbreitete Auswan- derungsabgabe (Abfahrtsgeld, vgl. ALR II 17 §§ 141ff.) in Höhe von rund 10% des inländischen Vermögens. Gabella (F.) hereditaria (lat.) ist im Mittelalter die Erbschaftsabgabe beim Erbfall Fremder an König, Landesherrn oder Stadt. Ein Gesetz Kaiser Friedrichs II. von 1220 hebt sie auf, wird aber nicht beachtet. Lit.: Meynal, E., Études sur la gabelle, TRG 3 (1922), 119 gafol (ae.) Abgabe, Zins Gagern, Wilhelm August Heinrich Freiherr von (Bayreuth 20. 8. 1799-Darmstadt 22. 5. 1888), nach dem Rechtsstudium Regierungsrat und am 5. 3. 1848 Leiter des Staats- ministeriums Hessen-Darmstadts, wird am 19. 5. 1848 Präsident der deutschen Nationalversammlung. Lit.: Wentzcke, P., Zur Geschichte Heinrich von Gagerns, 1910 Gaill, Andreas (Köln 12. 11. 1526-11. 12. 1587), Patrizierssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Köln, Orléans, Löwen und Bologna (1555) Anwalt in Köln, 1558 Beisitzer am Reichskammergericht in Speyer, 1569 Reichshofrat in Wien und 1583 Kanzler in Köln. In seinen (lat.) Practicarum obser- vationum libri (M.Pl.) duo (Zwei Bücher praktischer Beobachtungen) (1578) bemüht er sich wie schon zuvor -> Mynsinger um eine systematische Darstellung der Entscheidungen des -> Reichskammergerichts. Lit.: Köbler, DRG 143; Kempis, K. v., Andreas Gaill, 1988 230 Gairethinx (N.) Speergedinge -> Launegild Lit.: Schröder, R., Gairethinx, ZRG GA 7 (1886), 53 Gaius ist der in der Mitte des 2. Jh.s n. Chr. lebende, hauptsächlich in der Provinz tätige, nicht mit dem (lat.) ius (N.) respondendi (Antwortrecht) begabte Verfasser (eines Kommentars zu dem in den Provinzen üblichen Rechtsschutzregister des Privatrechtes und) des Lehrbuches -> Institutionen (159?, 161?). Er gehört der Rechtsschule der Sabinianer (-> Julian) an. Sein auf (lat.) -> ius (N.) civile (römisches Recht) und (lat.) -> ius (N.) gentium (Fremdenrecht) als Rechtsquellen beschränktes, in einer späteren Fassung vor allem durch eine wohl dem 5. Jh. entstammende, 1816 in Verona aufgefundene Palimpsesthandschrift und zwei in Ägypten gefundene Handschriftenbruchstücke unmittel- bar überliefertes System der Einrichtungen des Rechts (lat. institutiones) wird von dem oströmischen Kaiser Justinian in dessen Institutionen (533) übernommen. Lit.: Kaser § 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 34; Söllner §§ 5, 7, 16, 19, 20, 22, 23; Köbler, DRG 30, 52, 54; Honoré, A., Gaius, 1962; Nelson, H./David, M., Überlieferung, Aufbau und Stil von Gai Institutiones, 1981; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 131; Nelson, H./Manthe, U., Gai Institutiones III 1-87, 1992; Vano, C., Il nostro autentico Gaio, 2000; Gaius, Institutiones. Lateinisch und deutsch, hg. v. Manthe, U., 2004 Gaius von Autun (lat. Gaius [M.] Augustodunensis) ist der in größeren Fragmenten einer Palimpsesthandschrift aus Autun erhaltene klassizistisch-spätnach- klassische Kommentar wohl des 5. Jh.s zu -> Gaius. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2; Köbler, DRG 52 Galater -> Kelte Galeerenstrafe ist die seit dem 15. Jh. im Mittelmeerraum (Rom 1471, Spanien 1502, Kirchenstaat 1511, 1516) verhängte Strafe, auf einer Galeere angeschmiedet als Ruderer zu sühnen. In den österreichischen Erblanden und Böhmen wird die G. von 1556 bis 1768 verwendet. In Frankreich endet sie sachlich mit der Aufgabe der Galeeren (1748), wird aber rechtlich erst am 27. 3. 1852 abgeschafft. In der Türkei wird sie bis zum 20. Jh. gebraucht. Lit.: Frauenstädt, P., Zur Geschichte der Galeerenstrafe in Deutschland, Z. f. ges. StrafRWiss. 16 (1896), 518; Carlen, L., Die Galeerenstrafe im Militärstrafrecht, ZRG GA 92 (1975), 210; Carlen, L., Die Galeerenstrafe in der Schweiz, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 88 (1976), 557; Schlosser, H., Die Strafe der Galeere, ZNR 10 (1988), 19 Galgen ist die meist aus zwei Pfosten und einem Querholz bestehende künstliche Vorrichtung zur Tötung von Menschen durch Aufhängen an einem Strick. Bereits die Germanen hängen den Volksverräter. Seit wann dazu der G. verwendet wird, ist unklar. Im Hochmittelalter ist Erhängen am G. eine ehrenmindernde Strafe. Seit 1871 ist die -> Todesstrafe in Deutschland durch Enthaupten zu vollziehen. Die Alliierten bestrafen die nationalsozialistischen Kriegsverbrecher 1946 durch Erhängen. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 257f.; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Wohlhaupter, E., Haargalgen, Müllergalgen, ZRG GA 63 (1943), 324; Frank, H., Im Angesicht des Galgens, 1953 Galicien ist die im Nordwesten der iberischen Halbinsel gelegene Landschaft, die zunächst von Kelten besiedelt ist. Nach dem Ende der römischen Herrschaft dringen im 5. und 6. Jh. Sweben (Sueben) und Westgoten, 711/718 Araber ein. Mit der Lösung von den Arabern fällt G. meist an -> Leon und mit diesem an -> Kastilien. 1979 erhält G. in Spanien Autonomie. Lit.: Tranoy, A., La Galice Romaine, 1981; García Oro, J., Galicia, 1987 Galizien (Halic-Volhynien, -> Wolhynien) ist die nördlich der Karpaten gelegene Hü- gellandschaft, die nach dem Abzug der Germanen im 6. Jh. von Slawen (Polen im Westen, Ukrainer im Osten) besetzt wird. Im 11. bzw. 12. Jh. entsteht ein Fürstentum G. (Galitsch). G. gelangt im Spätmittelalter (1349/1387) an -> Polen. 1772 wird das östliche G. dem österreichischen Königreich G. und Lodomerien zugeteilt, 1795 kommen weitere Gebiete hinzu (-> Westgalizien). 1918 annektiert das wiedergebildete Polen G. Ostgalizien wird 1939 von der Sowjetunion in Besitz genommen. Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Stupnicki, H., Das Königreich Galizien und Lodomerien, 1853; Pohl, D., Nationalsozialistische 231 Judenverfolgung in Ostgalizien, 1996; Röskau-Reidel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; Bachmann, K., Ein Herd der Feindschaft gegen Russland, 2001; Fellerer, J., Mehrsprachigkeit im galizischen Verwaltungswesen, 2004 Gallicus -> mos Gallicus Gallien (lat. [F.] Gallia) ist das Gebiet zwischen Apennin und Alpen (Gallia citerior) und seit Caesar (58-51 v. Chr.) das Land der Gallier zwischen Rhein, Alpen, Mittelmeer, Pyrenäen und Atlantik (Gallia ulterior). Nach der Eroberung Galliens durch die Römer (225- 51 v. Chr.) wird G. romanisiert. Um 500 ist es fast vollständig im Besitz der rasch romanisierten -> Franken. -> Frankreich Lit.: Stroheker, K., Der senatorische Adel im spätantiken Gallien, 1948 (5 bzw. 8 Namen von insgesamt 411 Personen); Lugge, M., Gallia und Francia, 1960; Lerat, L., La Gaule romaine, 1977; Gallien in der Spätantike, hg. v. Römisch-germanischen Zentralmuseum, 1980; Wightman, E., Gallia Belgica, 1985; King, A., Roman Gaul, 1990; Recht im frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H. u. a., 1995; Woolf, G., Becoming Roman, 1998; Freyberger, B., Südgallien, 1999; Botermann, H., Wie aus Galliern Römer wurden, 2005 Galway an einer irischen Atlantikbucht erscheint 1124 erstmals. Im 14. Jh. wird es Stadt. 1845 erlangt es eine Universität. Gandinus (de Gandino), Albertus (Crema um 1245-1311) wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1265-1275) Richter in Lucca, Bologna, Siena, Florenz und Bologna, 1305 Herr (Podest) in Fermo und 1310 Höchstrichter in Florenz. 1286/1287 veröffentlicht er eine in erster Fassung in Perugia verfasste Sammlung berühmter Rechtsfragen (vor allem des Odofredus und des Guido de Suzaria), die erweitert und erstmals systematisiert (5 Verfahrensarten [lat. accusatio, denunciatio, inquisitio, exceptio, notorium], gemeinsame Fragen dieser Verfahrensarten [Ladung, Stellvertretung, Bann usw.], Strafrecht) 1299 in Siena und 1300 in Perugia erscheint, als (lat.) Tractatus (M.) de maleficiis (Abhandlung von Verbrechen) bekannt ist und in Deutschland im 15. Jh. (-> Klagspiegel, -> Constitutio Criminalis Bambergensis 1507) aufgenommen wird. Daneben stellt er (lat.) Quaestiones (F.Pl.) statutorum (Fragen der Statuten) zusammen (Bologna 1289). Lit.: Kantorowicz, H., Geschichte des Gandinus-Textes, ZRG RA 42 (1921), 1, 43 (1922), 1; Kantorowicz, H., Leben und Werk des Albertus Gandinus, ZRG RA 44 (1924), 224 Ganerbe ist der Angehörige einer rechtlich ungeteilten Erbengemeinschaft, insbesondere in der Ritterschaft. Eine Ganerbschaft kann auch durch Vertrag begründet werden. Ziel ist dabei die Erhaltung des Familiengutes. Ihm dient auch die Begründung eines -> Fami- lienfideikommisses. Trotz dessen Vordringens bestehen ritterliche Ganerbschaften bis zum 19. Jh. Lit.: Hübner 157f., 251, 429; Köbler, WAS; Wippermann, E., Über Ganerbschaften 1873; Zimmermann, J., Ritterschaftliche Ganerbschaften in Rheinhessen, Diss. phil. Mainz, 1957; Alsdorf, F., Untersuchungen zur Rechtsgestalt und Teilung der Ganerbenburgen, 1980 Gans, Eduard (Berlin 23. 3. 1797-5. 5. 1839), aus norddeutscher jüdischer Hoffaktoren- familie, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Göttingen und Heidelberg und nach der Taufe (1825) 1826 in Berlin außerordentlicher, 1828 ordentlicher Professor für römisches und bürgerliches Recht in Berlin. Im Streit mit -> Savigny tritt er gegen die Erforschung von geschichtlichen Einzelheiten und für der Aufklärung verpflichtete philosophisch- universalgeschichtliche Studien (Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung, Bd. 1ff. 1824ff., Neudruck 1963) ein. Lit.: Reissner, H., Eduard Gans, 1965; Braun, J., Die ,,Lex Gans" ­ ein Kapitel aus der Geschichte der Judenemanzipation in Preußen, ZRG GA 102 (1985), 60; Eduard Gans, hg. v. Waszek, N., 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 45; Braun, J., Judentum, 1997; Eduard Gans 1797-1839, hg. v. Blänkner, R. u. a., 2002 Gant ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Versteigerung im Wege der Zwangs- vollstreckung. Sie entsteht in der Stadt. Sie will die Selbsthilfe eindämmen und den Schuldner vor übermäßigem Wertverlust sichern. Zu diesem Zweck werden besondere Gantordnungen (z. B. Augsburg 1447) erlassen. Danach muss das vom Büttel oder Fronboten verwahrte (bewegliche) Pfand öffentlich zum Kauf angeboten und an den Meistbietenden gegen Barzahlung ausgehändigt werden. Lit.: Köbler, DRG 116; Planitz, H., Die Vermögens- vollstreckung, Bd. 1 1912, 680 232 Garantie ist die einem anderen gegenüber abgegebene Beteuerung der Richtigkeit einer Erklärung. Sachlich wirkt sich der Gedanke der G. bereits in der (lat. [F.]) custodia des römischen Rechts aus. Als eigener Vertrag erscheint der Garantievertrag wohl erst im 20. Jh. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mager, U., Einrichtungs- garantien, 2003 García Goyena, Florencio (1783-1835) wird nach dem Rechtsstudium in Madrid und Salamanca Verwaltungsbeamter, Richter und Justizminister (1847). 1851 legt er einen an Frankreich, Preußen und Österreich orientierten, das partikulare Recht Spaniens missachtenden Entwurf eines (span.) Codigo civil (Zivilgesetzbuches) vor. Erst 1888/9 gelingt ein spanisches Zivilgesetzbuch. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,497 Gareis, Karl (24. 4. 1844-München 15. 1. 1923) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Bern, Gießen und München (Das deutsche Handelsrecht, 9. A. 1909, Enzyklopädie und Methodologie der Rechtswissenschaft, 5. A. 1920). Lit.: Schwab, D., Geschichtliches Recht und moderne Zeiten, FS H. Hübner, 1984, 215 Garten ist das durch Hecke oder Zaun abgegrenzte, intensiv durch Pflanzenanbau bewirtschaftete Grundstück. Da der G. die Allgemeinheit von der Mitbenutzung auss- chließt, bedarf seine Einrichtung zeitweise der Zustimmung der Grundherrschaft oder Gemeinde. Lit.: Bader, K., Gartenrecht, ZRG GA 75 (1958), 252 Gascogne im Südwesten des Frankenreichs ist ein nach den mit den Basken verwandten Wasconen benanntes, seit 768 selbständiges Herzogtum, das 1052 an Aquitanien fällt. Lit.: Histoire de la Gascogne, hg. v. Bordes, M., 1978 Gasparri, Pietro (Ussita 5. 5. 1852-Rom 18. 11. 1934) wird nach der Ausbildung in Rom Doktor der Philosophie, Theologie und Kanonistik, 1880 Professor für kanonisches Recht und 1901 Sekretär einer Kurienkongregation. Auf seine Anregung, ein neues kirchliches Gesetzbuch zu schaffen, ernennt ihn Papst Pius X. 1904 zum Sekretär der für die Gesetzgebung eingerichteten Kardinalskommission. 1917 wird der von ihr erarbeitete -> Codex iuris canonici veröf- fentlicht. Lit.: Stickler, A., Historia iuris canonici latini, Bd. 1 1950, 376; Müller, A./Elsener, F./Huizing, P., Vom Kirchenrecht zur Kirchenordnung?, 1968, 29 Gast ist der in den Schutz eines Gastgebers aufgenommene Mensch, insbesondere der Fremde. Für ihn entwickeln sich schon früh einige besondere Rechtssätze. Lit.: Kaser § 13 I 2b; Köbler, DRG 15; Rudorff, H., Zur Rechtsstellung der Gäste im mittelalterlichen städtischen Prozess, 1907; Schultze, A., Über Gästerecht und Gastgerichte, HZ 101 (1908), 473; Hellmuth, L., Gastfreundschaft und Gastrecht bei den Germanen, 1984 Gastalde ist im frühmittelalterlichen Italien der vielleicht um 590 geschaffene langobardische Amtsträger teils des Königs, teils der Herzöge. Er bleibt in Oberitalien trotz der teilweisen Umwandlung in den Grafen bis in das Hochmittelalter bedeutsam. Lit.: Mor, C., Lo stato longobardo nel VII secolo, Sett. di Spoleto V 1969, Bd. 1, 271 Gaster Lit.: Gmür, E., Rechtsgeschichte der Landschaft Gaster, 1905 Gastung ist die einem -> Gast meist auf Grund einer Verpflichtung zu erbringende Leistung. Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, Bd. 1f. 1968 Gattungskauf ist der -> Kauf einer nur der Gattung nach bestimmten Sache. Er ist dem römischen Recht erst in der Form des Kaufes einer zu einem Vorrat gehörigen Sache bekannt. Lit.: Kaser § 41 II 2; Ernst, W., Gattungskauf und Lieferungskauf, ZRG RA 114 (1997), 272, Ernst, W., Kurze Rechtsgeschichte des Gattungskaufs, ZEuP 1999 Gattungsschuld ist die bereits dem römischen Recht bekannte, auf die Leistung eines nur der Gattung (lat. [N.] genus) nach bestimmten Gegenstandes gerichtete -> Schuld. Bei ihr trägt die Gefahr des zufälligen Unterganges der Schuldner, der so lange leisten muss, wie die Gattung nicht erschöpft ist. Lit.: Kaser § 34 III 2 Gau ist die als besondere Einheit angesehene kleinere (, wasserreiche, siedlungsgünstige) Landschaft. Sie hat insbesondere im Frühmittelalter Bedeutung, in dem der G. nach umstrittener Ansicht den örtlichen Tätig- 233 keitsbereich eines -> Grafen (lat. comes, -> comitatus) bezeichnet, ohne dass auch in nur einem einzigen Fall die Deckungsgleichheit der Gauangaben der Quellen und der jeweils gegebenen Bezirke der Grafen erwiesen und ohne dass von einem lückenlosen unveränderlichen Netz von Gauen ausgegangen werden kann. Im Dritten Reich wird - vorbereitet durch die Romantik des 19. Jh.s - der G. künstlich wiederbelebt. Lit.: Köbler, WAS; Baumann, F., Die Gaugrafschaften im Wirtembergischen Schwaben, 1879; Curs, O., Deutschlands Gaue im 10. Jahrhundert, Diss. phil. Göttingen 1908; Werneburg, R., Gau, Grafschaft und Herrschaft in Sachsen, 1910; Bauer, A., Gau und Grafschaft in Schwaben, 1927; Prinz, J., Pagus und comitatus in den Urkunden der Karolinger, AUF 17 (1941); Hamm, E., Herzogs- und Königsgut, Gau und Grafschaft im frühmittelalterlichen Bayern, Diss. phil. München 1949 (masch.schr.); Metz, W., Bemerkungen über Provinz und Gau, ZRG GA 73 (1956), 361; Hessler, W., Mitteldeutsche Gaue, 1957; Polenz, P. v., Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen Deutschland, 1961; Wagner, G., Die Verwaltungsgliederung im karolingischen Reich, 1963; Heinemeyer, W., Der pagus des frühen Mittelalters in Hessen, 1968; Hüttenberger, P., Die Gauleiter, 1969; Nonn, U., Pagus und comitatus in Niederlothringen, 1983; Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften Alemanniens, 1984; Puhl, R., Die Gaue und Grafschaften des frühen Mittelalters im Saar-Mosel-Raum, 1999; Rumschöttel, H./Ziegler, W., Staat und Gaue in der NS- Zeit in Bayern, 2003 Gaudenzi -> Fragmenta Gaudenziana Gauner ist die vielleicht auf Ionier (Griechen) anspielende, aus dem Westjiddischen kommende Bezeichnung für Spieler oder Ver- brecher, die zeitweise eine aus unterschiedlichen Gegebenheiten erwachsende Schicht von nichtsesshaften Rechtsbrechern bilden, die im 18. und 19. Jh. eine gewisse Dichte erreicht. Lit.: Ave-Lallemant, F., Das deutsche Gaunertum, Bd. 1ff. 1858ff.; Frauenstädt, P., Das Gaunertum des deutschen Mittelalters, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 18 (1898), 331; Günther, L., Die deutsche Gaunersprache, 1919; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951, 291; Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Danker, U., Die Geschichte der Räuber und Gauner, 2001 Gebärde ist die eine innerliche Einstellung ausdrückende äußerliche Haltung eines Men- schen, insbesondere des Gesichtes und der Hände. Bestimmte Gebärden können in bestimmter Umgebung eine rechtliche Bedeutung haben (z. B. Erheben der Schwurhand bei einem Eid). Der Untersuchung rechtsgeschichtlicher Gebärden widmet sich die Rechtsarchäologie. Lit.: Sittl, C., Die Gebärden, 1890; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899ff., Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1905; Panzer, M., Tanz und Recht, 1938; Künßberg, E. Frhr. v., Schwurgebärde und Schwurfingerdeutung, 1941; Schwerin, C. Frhr. v., Einführung in die Rechtsarchäologie, 1943; Garnier, F., Le langage de l'image, 1981; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Kresse, D./Feldmann, G., Handbuch der Gesten, 1999 Gebäude ist das von Menschen geschaffene Bauwerk. Es ist im älteren deutschen Recht Fahrnis und kann daher einen anderen Eigentümer haben als das Grundstück, auf dem es errichtet ist. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird es mehr und mehr als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks angesehen. Seit dem 17. Jh. wirkt sich das -> Baurecht immer stärker auf die Errichtung von Gebäuden aus. Lit.: Hübner 188f. Geblütsrecht ist das auf Grund der Verwandtschaft bestehende Recht oder Anrecht auf einen Gegenstand. In Bezug auf das deutsche Königtum kann sich ein G. gegenüber dem Wahlgrundsatz nicht entscheidend durchsetzen. Dagegen steigert sich in den Ländern das G. sogar zum Erbrecht (Erbmonarchie). Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981, 28; Rörig, F., Geblütsrecht und freie Wahl, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin, 1948 Gebot ist die hoheitliche Anordnung eines bestimmten Verhaltens (, im Zivilver- fahrensrecht im Rahmen der Zwangsvoll- streckung das Angebot zu einem öffentlichrechtlichen Vertrag). Das G. findet sich, wo immer Hoheitsgewalt besteht. Seine besondere Bedeutung zeigt sich bei der Entstehung des -> Staates. Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot 234 im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94 Gebotenes Ding ist das durch einzelnes -> Gebot besonders festgesetzte -> Ding. Gebrauchsmuster ist die Gestaltung einer Arbeitsgerätschaft oder eines Gebrauchsgegenstandes oder eines Teiles davon, die dem Arbeitszweck oder Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen soll. In Deutschland wird 1891 das erste Gebrauchs- mustergesetz erlassen. Lit.: Müller, E., Die Entwicklung des Erfindungsschutzes, 1898 Gebühr ist die Geldleistung, die als Gegenleistung für eine besondere, vom Einzelnen veranlasste Inanspruchnahme der Verwaltung verlangt wird. Sie ist als (lat. [F.]) sportula bereits dem römischen Recht bekannt. Im Mittelalter entwickeln die Landesherren aus den auf sie übergegangenen Regalien Einnahmequellen. Auch die Kirche verlangt für bestimmte Handlungen Gegenleistungen, selbst für den besonderen Sündenerlass. Eine eindeutige Trennung zwischen G. und Steuer vollzieht erst das späte 19. Jh. (Preußen Landgemeindeordnung vom 3. 7. 1891, Kommunalabgabengesetz vom 14. 7. 1893). Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 36 II 4; Moll, W., Über Gebühren, 1916; Domschke, M., Der Gebührenbegriff, 1928; Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939 Geburt ist der Vorgang, durch den die Leibesfrucht des Menschen (oder eines höheren Tieres) aus dem mütterlichen Körper an die Außenwelt gelangt. Nach dem römischen Recht wird zwar das noch ungeborene Kind (lat. -> nasciturus) für die Erbfolge nach seinem Vater als bereits geboren fingiert, doch beginnt im Übrigen erst mit der G. die -> Rechtsfähigkeit. Nach mittelalterlichem und vermutlich germanischem Recht muss das Kind nach der G. vom Vater bzw. der Familie besonders aufgenommen werden. Verschiedentlich wird auch eine gewisse Lebenskraft als Voraus- setzung für einen Rechtserwerb verlangt. Für die christliche Kirche wird der Mensch erst durch die Taufe zur Person. Lit.: Kaser § 13 II; Hübner § 6; Köbler, DRG 75, 120, 129; Brunner, H., Die Geburt eines lebenden Kindes und das eheliche Vermögensrecht, ZRG GA 16 (1895), 63; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 248, 253; Labouvie, E., Andere Umstände, 2. A. 2000; Uebe, A., Die rechtliche Situation der Hebammen in der Geburtshilfe, 2000; Drescher, T., Beginn des Menschseins, 2004 Geburtenregister ist das durch das Konzil von Trient (1545-63) in der Kirche vorgesehene, die -> Geburten festhaltende Verzeichnis. Es geht am Ende des 19. Jh.s auf den Staat über (-> Personenstandsgesetz). Geburtsstand ist im römischen und mittelalterlichen Recht der durch die -> Geburt erworbene Stand (z. B. Adliger, Freier, Unfreier, Sklave). Gedanken sind frei. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 123 (Franck 1541) Gedinge ist im mittelalterlichen Recht die Vereinbarung oder auch die Verhandlung. In Frankreich und England wird im 12. Jh. der Vereinbarung der Vorrang vor dem allgemeinen Recht gewährt, in Deutschland anscheinend im 14. Jh. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Stölzel, A., Geding, Appellation, Hof, Hofgericht und Räte, Abschied und Urteil, 1912; Hagemann, H., Gedinge bricht Landrecht, ZRG 87 (1970), 114 Gefahr ist die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes eines Schadens. Grundsätzlich muss jeder Mensch sich selbst vor Schäden schützen, weshalb im römischen Recht der Grundsatz gilt (lat.) casum sentit dominus (den Fall spürt der Herr). Vor der G. des Verfahrensverlustes durch Verfahrensfehler soll im hochmittelalterlichen Recht der -> Fürsprech schützen. Beim Kauf teilt das römische Recht die G. (lat. [N.] periculum) des zufälligen Untergangs der Kaufsache vor Vertrags- erfüllung dem Käufer zu, der den Kaufpreis zahlen muss, obwohl er die Kaufsache nicht erhält. Lit.: Kaser §§ 34, 41, 42, 62; Siegel, H., Die Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 51, 1866; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim Kaufvertrag, 1913; Wolfgang, E., Das klassische römische Recht der Gefahrtragung, Diss. jur. Bonn 1981; Bauer, M., Periculum emptoris, 1998; Müller, C., Gefahrtragung bei der locatio conductio, 2002 Gefährdungshaftung ist das einseitig verpflichtende gesetzliche Schuldverhältnis, in dessen Rahmen der Schaden zu ersetzen ist, der durch eine erlaubte, abstrakt gefährliche 235 Betätigung oder Anlage entsteht. Die G. ist eine Art der Erfolgshaftung. Sie entsteht als G. in der Zeit, in der sich auf der Grundlage des Liberalismus der Verschuldensgrundsatz des Schadensersatzrechts durchsetzt. Beispielhaft verwirklicht wird die G. durch den von Friedrich Carl von Savigny mittels eines schriftlichen Votums beeinflussten § 25 des preußischen Eisenbahngesetzes von 1838. Mit der sozialversicherungsrechtlichen Lösung der Haftung bei Arbeitsunfall durch pauschale Versicherungsbeiträge des Arbeitgebers schwindet das Bedürfnis nach einer allgemeinen Regelung der G. Diese wird Einzelgesetzen überlassen (1871 Reichshaftpflichtgesetz, 1900 Wildschaden, Tierhaltung [im BGB, 30. 5. 1908 gemildert], 1909 Automobilgesetz, 1. 8. 1922 Luft- fahrzeuge, 29. 4. 1940 Sachschäden durch Eisenbahn und Straßenbahn, 15. 8. 1943 Energieanlagen, 1957 Wasserhaushaltsgesetz, 1959 Stromgesetz, 1990 Produkthaftungs- gesetz, 1991 Umwelthaftungsgesetz). In der Regel ist der Umfang der Haftung summenmäßig beschränkt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216, 242; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Baums, T., Die Einführung der Gefährdungshaftung durch F. C. von Savigny, ZRG GA 104 (1987), 277; Gadow, O. v., Die Zähmung des Automobils, 2002 Gefahrenabwehr -> Gefahr, -> Polizei Gefahrgeneigte Tätigkeit ist im 20. Jh. in Deutschland die Tätigkeit eines Arbeitnehmers, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden des Arbeitnehmers, Arbeitge- bers oder eines Dritten führt, für die der Schädigende aus sozialen Gründen nicht nach den allgemeinen Haftungsgrundsätzen ein- stehen soll, so dass der Arbeitgeber ohne Verschulden einstehen muss. 1995 dehnt das Bundesarbeitsgericht diese Risikoverteilung auf alle Arbeitsverhältnisse aus, so dass die g. T. als solche überflüssig wird. Lit.: Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 1969, 404; Ehrenberg, S., Die rechtshistorischen Wurzeln des Begriffs der gefahrgeneigten Arbeit, Diss. jur. Frankfurt am Main 1998; Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung, 1998 Gefahrtragung -> Gefahr Gefälle sind im mittelalterlichen deutschen Recht Abgaben und Einkünfte. Lit.: Kroeschell, DRG 2 Gefangenenbefreiung Lit.: Hofmann, H., Die Gefangenenbefreiung, 1903 Gefängnis ist das für einen meist hoheitlich angeordneten Freiheitsentzug eines Menschen verwendete Gebäude. Im Gegensatz zu dem deutlich älteren Freiheitsentzug durch Kriegsgefangenschaft oder zur Untersuchung wird der auch in Rom unbekannte Freiheitsentzug als Strafe erst seit dem 15. Jh. bedeutsamer. Das G. dieser Zeit ist einfach und unmenschlich, wogegen sich erstmals John Howard ([engl.] State of prisons in England and Wales, 1777, Der Zustand der Gefängnisse in England und Wales) wendet. Mit dem Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) wird die Freiheitsstrafe wichtigste Strafe. Am 7. 6. 1923 vereinbaren die Länder des Deutschen Reiches Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen. 1969 wird das G. verbal beseitigt (Justizvollzugsanstalt). Lit.: Köbler, DRG 205; Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Bohne, G., Die Freiheitsstrafe, Bd. 1f. 1922ff.; Hippel, R. v., Deutsches Strafrecht, Bd. 1 1925; Appenzeller, G., Strafvollzug und Gefängniswesen im Kanton Solothurn, 1957; Blesken, H., Ältere deutsche Gefängnisnamen, ZRG GA 80 (1963), 357; Foucault, M., Überwachen und Strafen, 1976; Lawn, E., Gefangenschaft, 1977; Zwicky, J., Das Gefängniswesen zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982; The Oxford History of the Prison, ed. by Morris, N., 1996; Schildt, B., Tumult und Aufruhr in Bernburg, in: Rechtsgeschichte in Halle, hg. v. Lieberwirth, R., 1998, 53; Krause, J., Gefängnisse im römischen Reich, 1996; Nutz, T., Strafanstalt als Besserungsmaschine, 2001; Dunbabin, J. Captivity and Imprisonment in Medieval Europe 1000-1300, 2002; Gefängnis und Gesellschaft, hg. v. Ammerer, G., 2003 Gefolgschaft ist im germanischen Recht möglicherweise die Gruppe (lat. [M.] comitatus, Begleitung) um einen Adligen gescharter junger Krieger. Die Verbindung zu jüngeren Erscheinungen (z. B. Vasallität) ist ungesichert. Lit.: Brunner, H., Zur Geschichte des fränkischen Gefolgswesens, ZRG GA 9 (1888), 210; Seeck, O., Das deutsche Gefolgswesen auf römischem Boden, ZRG GA 17 (1896), 97; Bretschneider, G., Die altnordische Gefolgschaft, Diss. jur. Bonn 1950; Schlesinger, W., 236 Herrschaft und Gefolgschaft in der deutschen Verfassungsgeschichte, HZ 176 (1953), 225; Kuhn, H., Die Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 77 (1960), 1; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft im frühen deutschen Recht, 1968; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Kristensen, A., Tacitus' germanische Gefolgschaft, 1983; Kroeschell, K., Studien zum frühen und mittelalterlichen deutschen Recht, 1995, 183 Gegen den Lügner gibt es keine Redlichkeit. -> Lüge Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 231 (Graf/Dietherr 1864) Gegenreformation ist die mit Hilfe staatlicher Gewalt ausgeführte Gegenbewegung der katholischen Kirche gegen die kirchliche Reformation Martin -> Luthers (1517) zwischen 1555 und 1648 bzw. die gewaltsame Rekatholisierung protestantisch gewordener Gebiete. Sie beruht gedanklich auf dem im Augsburger Religionsfrieden gesicherten Grundsatz (lat.) -> cuius regio, eius religio. Sie wirkt sich deutlich in Bayern, Fulda, Würzburg, Österreich (Böhmen), Oberpfalz und Kurpfalz aus, bis der Friede von Münster und Osnabrück 1648 den Untertanen den Bekenntnisstand des Jahres 1624 gewährt. In Spanien, Italien und Frankreich, Ungarn, Polen und dem Baltikum ist die G. ebenfalls erfolgreich, in England, den Niederlanden und Skandinavien scheitert sie. Lit.: Köbler, DRG 130; Brandi, K., Gegenreformation und Religionskriege, 2. A. 1941; Zeeden, E., Das Zeitalter der Gegenreformation, 1967; Lutz, H., Reformation und Gegenreformation, 4. A. 1997; Herzig, A., Der Zwang zum rechten Glauben, 2000; Pörtner, R., The Counter-Reformation in Central Europe, 2001; Lotterer, J., Gegenreformation als Kampf um die Landesherrschaft, 2003; Weiß, D., Katholische Reform und Gegenreformation, 2005 Gegenzeichnung ist die Unterschrift eines zweiten Menschen nach der Unterschrift eines zu einer Handlung in erster Linie zuständigen Menschen. Sie wird seit dem 19. Jh. als G. eines Ministers (Preußen 1808) zur Einschränkung der Rechte des Monarchen verwendet. Lit.: Köbler, DRG 193, 194; Schulz, A., Die Gegenzeichnung, 1978; Weber, C., Das Gegenzeich- nungsrecht, 1997 Gehalt ist die alimentierende Vergütung des -> Beamten. gehegtes Ding -> Hegung, Ding Geheimer Rat ist die Gesamtheit der den Fürsten nichtöffentlich beratenden Personen. Der geheime Rat entsteht zu Beginn der frühen Neuzeit in Frankreich und Burgund (1604). Er berät oder entscheidet in den wichtigsten Angelegenheiten (mit anderen Behörden). Er wird im 19. Jh. durch das Ministerium verdrängt. Der Titel Geheimer Rat wird 1919 beseitigt. Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992, §§ 35, 41; Hess, U., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Matthias, E., Zwischen Räten und Geheimräten, 1970 geheimer Vorbehalt -> Mentalreservation geheime Staatspolizei -> Gestapo Lit.: Heuer, H., Geheime Staatspolizei, 1995 Gehilfenhaftung ist die Haftung eines Herrn für einen Gehilfen. Sie findet sich schon im römischen Recht ([lat.] -> noxae datio [F.]). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird zwischen -> Erfüllungsgehilfen des rechtsgeschäftlichen Bereiches und -> Verrichtungsgehilfen des außerrechtsgeschäft- lichen Bereiches unterschieden. Lit.: Köbler, DRG 27, 214; Seiler, Die deliktische Gehilfenhaftung, JZ 1967, 525; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen, 2000 Geisel ist der in Gewahrsam genommene Mensch, der mit Freiheit oder Leben für die Erfüllung bestimmter Pflichten (oder das Erreichen eines sonstigen Zieles) haftet. Das vereinbarte Stellen und das einseitige Nehmen einer G. sind sehr alt. Sie finden sich sowohl unter Völkern wie auch unter Einzelnen. Der bzw. die G. darf anfangs bei Nichterfüllung getötet oder verknechtet werden. Im Privatrecht endet das Tötungsrecht bereits früh und wird das Stellen oder Nehmen von Geiseln schon im frühen Mittelalter durch andere Sicherungs- mittel ersetzt. Lit.: Hübner; Köbler, DRG 74, 128; Köbler, WAS; Lechner, A., Das Obstagium oder die Geiselschaft nach schweizerischen Quellen, 1906; Gierke, O., Schuld und Haftung im älteren deutschen Recht, 1910, 50, 127; Lutteroth, A., Der Geisel im Rechtsleben, 1922; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140 Geisteskranker ist der an einer erheblichen 237 Störung der Geistestätigkeit leidende Mensch. Er ist als (lat. [M.]) -> furiosus im römischen Recht ohne weiteres geschäftsunfähig und deliktsunfähig. Auch das mittelalterliche deutsche Recht schließt den Geisteskranken vom Handeln im Rechtsverkehr aus. Am Ende des Spätmittelalters wird das römische Recht aufgenommen. Der Geisteskranke kann durch - > Entmündigung unter Vormundschaft gestellt werden. Zum 1. 1. 1992 wird in Deutschland die Entmündigung durch die -> Betreuung ersetzt. Lit.: Kaser § 14 IV; Hübner; Köbler, DRG 36; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. III 6; Selesnick, S., Geschichte der Psychiatrie, 1969; Jetter, D., Grundzüge der Geschichte des Irrenhauses, 1981; Kuban, S., Das Recht der Verwahrung und Unter- bringung, 1997; Platen-Hallermund, A., Die Tötung Geisteskranker, 3. unv. A. 1998 geistiges Eigentum -> Urheberrecht Lit.: Wadle, E., Das geistige Eigentum in der Reichsverfassung, in: Verfassungsrecht und Völkerrecht, 1989, 929; Wadle, E., Geistiges Eigentum, Bd. 1f. 1996ff. Geistliche Bank ist die Gesamtheit der geistlichen Fürsten eines Verfassungsgremiums (insbesondere des Reichstages des Heiligen Römischen Reiches [deutscher Nation]). 1792 umfasst die g. B. dort 35 Virilstimmen und 2 Kuriatstimmen der schwäbischen und rheinischen Prälatenbank mit zusammen zuletzt etwa 40 Mitgliedern. Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat von 1495-1654, 1882; Conrad, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 1966, 97 Geistlicher ist der Inhaber eines höheren kirchlichen Amtes der anerkannten öffent- lichrechtlichen Religionsgemeinschaften (z. B. Priester). Er wird schon im Altertum vom Laien durch besonderes Recht geschieden. Infolge seiner Schriftkundigkeit ist er seinen Mitmenschen auch im Mittelalter überlegen. Zahlreiche Rechtsvorschriften gewähren ihm besonderen Schutz. Lit.: Köbler, DRG 99; Prochnow, F., Das Spolienrecht und die Testierfreiheit der Geistlichen, 1919, Neudruck 1965; Reinhard, U., Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Geistlicher Fürst ist der Landesherr (-> Fürst) des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation), dem seine Landesherrschaft auf Grund seines geistlichen Amtes zusteht (z. B. Erzbischof von Mainz). Am Beginn des 19. Jh.s umfassen die weltlichen Herrschaftsgebiete der (66) geistlichen Fürsten des Heiligen Römischen Reichs rund 95000 Quadratkilo- meter mit mehr als drei Millionen Einwohnern. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Geistliche Staaten in Oberdeutschland im Rahmen der Reichsverfassung, hg. v. Wüst, W., 2003 Geistlicher Vorbehalt (lat. reservatum [N.] ecclesiasticum) ist der für den Fall eines Übertrittes eines Inhabers eines geistlichen Amtes vom katholischen Glauben zum protestantischen Glauben im Augsburger Religionsfrieden (1555) festgelegte Vorbehalt gegenüber dem Grundsatz (lat.) cuius regio, eius religio, dass der Inhaber des geistlichen Amtes zwar seine persönliche Rechtsstellung behält, aber sein geistliches Amt und die damit verbundenen Rechte aufgeben muss und das für die Besetzung der Stelle zuständige Gremium einen katholischen Nachfolger wählen kann. 1648 wird eine Garantie des Besitzstandes vom 1. 1. 1624 vereinbart. Lit.: Brandi, K., Reformation und Gegenreformation, 1927 Geistliches Recht (lat. ius [N.] canonicum) ist das die christliche(n) Kirche(n) betreffende, im Gegensatz zum weltlichen Recht (lat. ius [N.] civile) stehende Recht. -> Kirchenrecht Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Geld ist das (von einem Staat oder einer durch ihn ermächtigten Stelle beglaubigte,) zum Umlauf in der Öffentlichkeit bestimmte Zahlungsmittel. Im altrömischen Recht ist Tauschmittel anfangs das Vieh (lat. [N.] pecus - > lat. pecunia [F.] G.). Dann wird Rohkupfer zuerst gewichtsmäßig gehandelt und im 4. Jh. v. Chr. nach kleinasiatischem Vorbild (7. Jh., Griechenland 6. Jh. v. Chr.) in feste Größen mit zugehörigen Gewichtsangaben gebracht. Um 300 v. Chr. werden Münzen von 330 g (lat. libra [F.] Pfund) geschaffen, denen später Silbermünzen (187 v. Chr. Silberdenar mit 10 As von 4,55 g Gewicht), seit Caesar ( 44 v. Chr.) Goldmünzen (lat. [M.Pl.] aurei) folgen. Die Germanen kennen zwar römische Münzen, verwenden sie aber nicht als G. Im Frühmittelalter sind Pfennig, Schilling und 238 Pfund hauptsächlich Rechnungseinheiten, wenn auch in karolingischer Zeit ein königlicher Silberdenar geprägt wird. Als Grabbeigaben aufgefundene Feinwaagen deuten darauf hin, dass auch bei Münzen das Gewicht des Metalls noch entscheidend ist. Im Hochmittelalter bewirkt das als einfachstes Tauschmittel anerkannte und damit als Zahlungsmittel wieder vorherrschende G. die Umwandlung der Naturalwirtschaft in die Geldwirtschaft. Seit der frühen Neuzeit (18. Jh.) tritt zum Metallgeld (Münze) das Papiergeld hinzu, seit der Mitte des 19. Jh.s zum Hartgeld und Zeichengeld das durch Guthaben bei einer Kontostelle gebildete unkörperliche Buchgeld (Giralgeld), seit dem Ende des 20. Jh.s das elektronisch gespeicherte Guthaben (Plastik- geld, Netzgeld). Für Münzen und Geldscheine gilt im Wesentlichen das Recht der Sachen. Ungelöst ist die Problematik der Geldentwertung (Inflation), die aus dem Ungleichgewicht zwischen Geldmenge und Gütermenge erwächst. Lit.: Kaser §§ 26 III, 32 II; Hübner; Köbler, DRG 96, 97, 119; Köbler, WAS; Taeubner, W., Geld und Kredit im Mittelalter, 1933; Mickwitz, G., Die Systeme des römischen Silbergeldes im 4. Jahrhundert nach Christus, 1933; Laurent, H., La loi de Gresham au moyen âge, 1933; Gaettens, R., Das Geld- und Münzwesen der Abtei Fulda, 1957; Völlmy, H., Zur Geschichte des schweizerischen Papiergeldes, Diss. staatswiss. Basel 1966; Nau, E., Epochen der Geldgeschichte, 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der Privatrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 5 1980, 27; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986 ;La repubblica internazionale del denaro tra 15 e 16 secolo, hg. v. Maddalena, A. de u. a., 1986; Spufford, P., Money, 2. A. 1989; North, M., Das Geld, 1994; Duncan-Jones, R., Money and Government, 1994; Howgego, C., Geld in der antiken Welt, 2000; Sprenger, B., Das Geld der Deutschen, 3. A. 2001; Ott, K., Geld und Geldwerttheorien, 1998; Weatherford, J., Eine kurze Geschichte des Geldes, 1999; Geldgeschichte vs. Numismatik, hg. v. Kaenel, H. u. a., 2004; Geld im Mittelalter, hg. v. Grubmüller, K. u. a., 2005 Geldern Lit.: Jappe Alberts, W., De Staten van Gelre en Zutphen, 1950; Geldersche Wyssenissen van het Hoofdgerecht te Roermond, hg. v. Janssen de Limpens, K., 1953; Reichsarchiv der Provinz Gelderland in Arnheim, bearb. v. Vollmer, B., 1957; Nikolay, W., Die Ausbildung der ständischen Verfassung in Geldern und Brabant während des 13. und 14. Jahrhunderts, 1985 Geldkondemnation (lat. condemnatio [F.] pecuniaria) ist im klassischen römischen Recht die (notwendige) Verurteilung des Schuldners auf den Schätzwert (lat. quanti ea res erit, was die Sache wert ist) einer streitigen bestimmten Sache im -> Formularverfahren. Sie soll es auch einem Dritten gestatten, den Beklagten auszulösen. Sie tritt im -> Kognitionsverfahren zurück. Lit.: Kaser § 35 I 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 33, 34, 42 Geldschuld ist die in Geld zu erfüllende Schuld. Die G. wird schon im römischen Recht als Gattungsschuld angesehen. Mit Ausweitung der Geldwirtschaft wird sie immer häufiger. Lit.: Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der Privatrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts, in: Wissen- schaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H., Bd. 2 1977, 74ff.; Ahrens, M., Der mittellose Geldschuldner, 1994 Geldstrafe ist die auf Geldleistung an den Staat lautende -> Strafe. Vielleicht aus dem plebejischen Bereich stammend, ist sie bereits dem späteren altrömischen Recht bekannt. Im Frühmittelalter herrscht die davon zu unterscheidende, in Geld nur berechnete Buße des -> Kompositionensystems vor, von der nur ein Teil (lat. [M.]-> fredus) an die Allgemeinheit fällt. Die hochmittelalterlichen und spätmittelalterlichen peinlichen Strafen sind in Geld nur ablösbar. In der frühen Neuzeit schließt zwar die Constitutio Criminalis Carolina (1532) die G. aus, doch sehen die Reichspolizeiordnung von 1530, Landes- ordnungen und Stadtrechte in vielen Fällen G. vor. Das preußische Allgemeine Landrecht (1794) droht G. bei Münzdelikten, Bestechung, Wucher, Fälschung und Betrügerei an. Das preußische Strafgesetzbuch (1851) und das Reichsstrafgesetzbuch (1871) dehnen die G. aus. Die Strafrechtsreformen (9. 4. 1923, 1969, 1975) des 20. Jh.s verstärken diese Entwicklung. Dabei wird nach skandina- vischem Vorbild die Höhe der G. von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters abhängig (sog. Tagessätze). Lit.:Köbler, DRG 20, 119, 158, 205, 236; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Gudian, G., Geldstrafrecht und 239 peinliche Strafe im späten Mittelalter, FS A. Erler 1977, 273; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Stapenhorst, H., Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu Freiheitsstrafe seit 1882, 1993 Geldwäsche ist der Umtausch des aus rechtswidrigem Verhalten erlangten Geldes ist nicht erkennbar rechtswidrig erlangtes Geld (in Deutschland seit 1992 strafbar). Lit.: Remmers, B., Die Entwicklung der Gesetzgebung zur Geldwäsche, 1998 Geldwirtschaft ist die auf den Gebrauch von - > Geld als Zahlungsmittel aufbauende Wirtschaft (z. B. seit dem Hochmittelalter). Die G. verdrängt die Naturalwirtschaft. Lit.: Köbler, DRG 29, 96, 97; Dopsch, A., Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft, 1930 Gelegenheit macht Diebe. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 71 (Pistorius 1716) Gelehrter Richter ist der durch universitäre Ausbildung gekennzeichnete Richter. Der gelehrte Richter erscheint im 13. Jh. im kirchlichen Gericht (als -> Offizial). Im könig- lichen Kammergericht des Reiches begegnen Doktoren der Rechte seit dem Beginn des 15. Jh.s. Im Reichskammergericht muss 1495 die Hälfte der Beisitzer gelehrt sein. Erst später wird es üblich, dass der Richter als der Vorsitzende gelehrt ist. Im Übrigen sind die Mitglieder der Gerichte bis in das 18. Jh. vielfach Laien. Im 18. Jh. werden die Assessorstellen der Obergerichte mit nach besonderen Vorschriften geprüften Juristen besetzt. Lit.: Stölzel, A., Die Entwicklung des gelehrten Richtertums in deutschen Territorien, Bd. 1f. 1872; Lenel, P., Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 53; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Gelehrte im Reich, hg. v. Schwinges, R., 1996; Verger, J., Le gens de savoir, 1997 Gelehrtes Recht ist das an der Universität durch Lehre vermittelte Recht. G. R. ist demnach das römische (weltliche) Recht und das kirchliche (geistliche) Recht. Dem gelehrten Recht steht das einheimische Recht der einzelnen Rechtsgebiete gegenüber. In den Rechtsquellen der Neuzeit werden g. R. und einheimisches Recht in vielfältiger Weise zu neuen Einheiten verknüpft (-> Reformation, -> Kodifikation). Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte, 1974; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Nörr, K., Zum institutionellen Rahmen der gelehrten Rechte im 12. Jahrhundert, FS H. Coing 1982, 233; Gouron, A., Zu den Ursprüngen des gelehrten Strafrechts, FS H. Thieme 1986, 43 Geleit ist die Begleitung und meist auch sichere Führung eines Reisenden (oder einer Sache durch Bewaffnete gegen Entgelt). Das G. zu gewähren ist im Mittelalter ein bedeutsames, Einkünfte und Gewalt vermittelndes Recht, das vom König auf den Landesherrn übergeht (Regal, Westfalen 1180). Freies G. ist das Recht auf ungehinderte Hinreise und Rückreise. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Fiesel, L., Zum früh- und hochmittelalterlichen Geleitsrecht, ZRG GA 41 (1920), 1; Wilhelm, R., Das Zollgeleit in der Grafschaft und im Herzogtum Württemberg, Diss. jur. Tübingen 1957; Wiederkehr, G., Das freie Geleit, 1976; Müller, U., Das Geleit, 1991 Gelnhausen ist der 1133 erstmals bezeugte Ort im unteren Kinzigtal, in dessen Pfalz 1180 das Verfahren gegen Herzog -> Heinrich den Löwen stattfindet, in dem er nach Landrecht in Acht getan und nach Lehnrecht seiner Herzog- tümer -> Sachsen und -> Bayern verlustig erklärt wird, so dass die Herzogtümer in -> Länder aufgeteilt werden können. -> Konrad von G. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Güterbock, F., Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920; Der Reichstag von Gelnhausen, hg. v. Patze, H., 1981; Zunft- und Handwerksurkunden der freien Reichsstadt Gelnhausen, hg. v. Weyrauch, T., 1996 Gelöbnis ist die Erklärung, mit der jemand zustimmt (z. B. -> Erbenlaub) oder verspricht. Das G. erscheint bereits im Frühmittelalter (z. B. Urteilserfüllungsgelöbnis). Die Folgen des Bruches des Gelöbnisses hängen von verschiedenen Umständen ab und reichen von der Leistungsklage über die Schadensersatzklage, die Buße und die Geldstrafe bis zur -> Strafe an Leib und Leben. Lit.: Hübner 521, 632, 677; Köbler, DRG 15; Puntschart, 240 P., Schuldvertrag und Treugelöbnis, 1896; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910; Reincke, H., Die Bedeutung der Gelöbnisgebärde, ZRG GA 40 (1919), 280; His, R., Schlichtes Gelöbnis und Gelöbnis auf Treue, ZRG GA 41 (1920), 386; Strätz, H., Treu und Glauben, 1974 Geltung ist die Anwendbarkeit und die Anwendung. Ein Rechtssatz gilt rechtsdogmatisch, wenn eine entsprechende Sollensanforderung besteht. Er gilt rechtsso- ziologisch, wenn er tatsächlich angewendet wird. Lit.: Vienken, T., Die Geltungsdauer rechtlicher Dokumente im früh- und hochmittelalterlichen Reich, 1942; Luig, K., Der Geltungsgrund des römischen Rechts im 18. Jahrhundert, in: Formazione storica, Bd. 2 1977, 819; Nehlsen, H., Aktualität und Effektivität der ältesten germanischen Rechtsaufzeichnungen, in: Vorträge und Forschungen 23 1977, 449; Wagner, W., Geltungsbereiche ausländischer Kodifikationen im Deutschen Reich, Ius commune 14 (1987), 203; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch- gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern, 1989 Gemara (F.) -> Mischna Gemeinde ist die einfache unmittelbare kommunale Gebietskörperschaft mit (vom Staat abgeleiteter) Gebietshoheit zur Selbst- verwaltung universal überlassener örtlicher Aufgaben und zur Fremdverwaltung zugewiesener Aufgaben. Als solche Gemeinden sind im Altertum außer Rom (und anderen Stadtstaaten) die Provinzstädte anzusehen, für welche die Kaiser Gemeindeordnungen erlassen (z. B. Salpensa, Malaca, Irni[um]). Im deutschen Reich erscheint die G. (Stadt, Dorf) seit dem Hochmittelalter (12./13. Jh.). In der frühen Neuzeit verliert sie ihre älteren Rechte durch (vereinheitlichende) Maßnahmen des absoluten Staates (und der Grundherrschaft). Im 19. Jh. erhält die G. -> Selbstverwaltung (Preußen 19. 11. 1808 Städteordnung, 17. 3. 1831 revidiert, Bayern 1818/1839, Württem- berg 1822, Baden 1831 Gemeindegesetz, Sachsen 1832, Kurhessen 1834, Braunschweig 1834, Hannover 1851, Westfalen 1841 Landgemeindeordnung, Rheinprovinz 1845 Gemeindeordnung, Preußen 30. 9. 1853 Städteordnung, Bayern 1869 Gemeindeord- nung, Preußen 1872 Kreisordnung, 1875 Provinzialordnung, 3. 7. 1891 Landgemeinde- ordnung [, Österreich 1849 provisorisches Gemeindegesetz, 1862 Reichsgemeinde- gesetz]). Vorübergehend beseitigen Drittes Reich und Deutsche Demokratische Republik die in Art. 127, 17 II WRV (und 28 GG) verfassungsmäßig garantierte Selbstverwaltung. Insgesamt bleibt die G. aber in durch Verwaltungsreformen vergrößertem Umfang bestehen. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32 I 4; Köbler, DRG 197; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 726; Köbler, WAS; Schrötter, R., Die rechtliche Natur der sogenannten Gemeindenutzungen in Bayern, 1934; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Heider, J., Von der Gemain zur politischen Gemeinde, Schwäbische Blätter für Heimatkunde 9 (1958), 70; Siegrist, J., Die Gemeinde Unterkulm, 1957; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v. Volkert, W., 1983; Steiner, P., Die Gemeinden, Räte und Gerichte im Nidwalden des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Basel 1986; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Wunder, H., Die bäuerlichen Gemeinden in Deutschland, 2. A. 1986; Ennen, E., Die europäische Stadt des Mittelalters, 4. A. 1987; Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG GA 105 (1988), 122; Landgemeinde und Stadtgemeinde, hg. v. Blickle, P., 1991; Schachner-Blazizek, A., Gemeinderecht und Gemeindeverwaltung, 1995, Gemeinde und Staat im alten Europa, hg. v. Blickle, P., 1997; Information, Kommunikation und Selbstdarstellung in mittelalterlichen Gemeinden, hg. v. Haverkamp, A., 1998; Gemeindeleben, hg. v. Rudert, T. u. a. 2001 Gemeinderecht ist die Gesamtheit der die -> Gemeinde betreffenden Rechtssätze. Im römischen Altertum erhalten die einzelnen Gemeinden in Italien zunächst eine ziemlich verschiedene Stellung als (lat.) oppidum (N.), colonia (F.) oder municipium (N.) mit teils eigener, teils römischer Verwaltung, bis vermutlich unter Caesar eine in Magistrate, Senat (lat. ordo [M.] decurionum, Gemeinderat) und Volksversammlung gegliederte, einheitliche Kommunalverfassung eingerichtet wird ([lat.] lex [F.] Iulia munici- palis, julisches Stadtgesetz). Im deutschen Reich ist das G. unterschiedlich. Umfassende staatliche Regelungen werden erst im 19. Jh. geschaffen. 1935 wird eine einheitliche 241 Deutsche Gemeindeordnung erlassen. Nach 1945 ist das G. wieder Landesrecht, so dass es sich von Land zu Land unterscheidet. Lit.: Köbler, DRG 197, 198, 234, 259; Haase, C., Die oldenburgische Gemeindeordnung von 1855, Oldenburger Jahrbuch 55 (1955), 1; Oberndorfer, P., Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, 1971; Engeli, C./Haus, W., Quellen zum modernen Gemeindever- fassungsrecht in Deutschland, 1975; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Low, P., Kommunalgesetzgebung im NS-Staat, 1992; Die bayerischen Gemeindeordnungen, hg. v. Knemeyer, F., 1994 Gemeinderschaft ist die aus der (von Brüdern gebildeten) Erbengemeinschaft der bäuerlichen Miterben entwickelte gesamthänderische Personenvereinigung des deutschen mittelalter- lichen und frühneuzeitlichen Rechts. Sie wird später weitgehend durch den Teilungsgrundsatz einerseits und durch das Anerbenrecht andererseits verdrängt. Lit.: Hübner 154ff.; Huber, M., Die Gemeinderschaft der Schweiz, 1897 Gemeiner Pfennig ist die am 7. 8. 1495 im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) (im Rückstand gegenüber der weiter fortgeschrittenen Steuergesetzgebung der Nachbarländer, besonders Frankreichs) für vier Jahre eingeführte Abgabe (versuchte Kopfsteuer für die gesamte Bevölkerung). Der gemeine Pfennig ist je nach Vermögen auf 1/24 Gulden, Gulden und 1 Gulden festgesetzt. Er wird nur teilweise eingesammelt und nur teilweise an die sieben dazu bestimmten Schatzmeister abgeliefert. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Gothein, E., Der gemeine Pfennig auf dem Reichstage von Worms, 1877; Schmidt, P., Der gemeine Pfennig von 1495, 1989 Gemeines deutsches Privatrecht ist das dem gemeinen (römischen Privat-)Recht seit dem 17. Jh. (Conring, Thomasius, Beyer) gegenü- bergestellte Privatrecht deutschrechtlicher Herkunft (-> deutsches Privatrecht). Mit der Schaffung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1896/1900) verliert es seine un- mittelbare Geltung. Lit.: Köbler, DRG 186, 205; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967 Gemeines Recht ist das allgemeine Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht. Schon im römischen Recht ist eine derartige Gegenüberstellung eines (lat.) ius (N.) commune und mehrerer besonderer Rechte etwa der römischen Bürger oder eines räumlich bzw. ständisch bzw. personal abgegrenzten Bereiches bekannt. Sie findet sich vereinzelt auch im frühen Mittelalter, häufiger seit dem Hochmittelalter. Als g. R. kann dabei das römische Recht, das kirchliche Recht, das römische und kirchliche Recht oder auch ein sonstiges allgemeines Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht (einschließlich eines Privileges) bezeichnet werden. Im Verhältnis beider entwickeln die Juristen der oberitalienischen Städte im Hochmittelalter den Vorrang des eigenen besonderen Stadtrechts (Statutes) vor dem gemeinen Recht. Dem folgt § 3 der Reichskammergerichtsordnung von 1495, der wohl die redlichen ehrbaren und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohn- heiten der Fürstentümer, Herrschaften und Gerichte dem gemeinen Recht vorgehen lässt. Allerdings müssen sie redlich, ehrbar und leidlich sein und besonders vorgebracht, d. h. nachgewiesen werden. Weil die Anforderungen an diese Voraussetzungen verschärft werden, hat im 17. Jh. das gemeine Recht in der Form des römischen Rechts die Vermutung der Anwendbarkeit für sich. Im 18. Jh. wird das gemeine Recht durch die von ihm mitgeprägten Kodifikationen (ALR, ABGB) zurückgedrängt. Mit dem Inkrafttreten des -> deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1. 1. 1900) endet für 16,5 Millionen Menschen in Hessen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Olden- burg, Mecklenburg, Neuvorpommern, Rügen, Schleswig-Holstein usw. (insgesamt in 93 verschiedenen Gebieten) die unmittelbare Geltung des gemeinen Rechts in Deutschland. - > Allgemeines deutsches Recht, -> common law Lit.: Söllner §§ 2, 3, 25; Köbler, DRG 107, 137, 184; Linck, H., De dubia ac difficili iuris communis definitione, 1680; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Bellomo, M., L'Europa del diritto comune, 1988; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in der Neuzeit, 1989; Gemeines Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, hg. v. Müller-Graf, 1993; Schlosser, H., Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001; Nve, P., (Europäisches) ius commune und (nationales) gemeines 242 Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Watson, A., Legal history and a common law for Europe, 2001; Daniel, A., Gemeines Recht, 2003 Gemeines Sachsenrecht ist das auf der Grundlage des -> Sachsenspiegels (1221- 1224), der Glosse zum Sachsenspiegel und der sog. Richtsteige (sowie des sächsischen Weichbildrechts [str.]) entwickelte, in Sachsen mehr oder weniger allgemein anerkannte Recht, dessen Durchsetzung vor allem die Schöffenstühle von Magdeburg, Leipzig und Halle, die juristischen Fakultäten in Leipzig, Wittenberg und Jena sowie die verschiedenen Hofgerichte fördern. Die Gesetze einzelner Länder engen zwar den Geltungsbereich des gemeinen Sachsenrechts ein, entwickeln dieses aber auch durch ihre Grundgedanken fort. Die Geltung des gemeinen Sachsenrechts betrifft das Kurfürstentum Sachsen (bis 1863/1865), Schlesien, Brandenburg, die sachsen-ernes- tinischen Teilfürstentümer (z. B. Sachsen- Weimar-Eisenach, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg: ,,Thüringen" bis 1900), Schwarzburg, Reuß, Anhalt (bis 1900), Hannover, Lüneburg, Lauenburg, Holstein, Braunschweig (bis 16. Jh.) und dazwischenliegende kleinere Länder. Mit dem sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuch (1863/5) und dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1. 1. 1900) wird die Geltung des gemeinen Sachsenrechts beendet. Lit.: Weiske, J., Die Quellen des gemeinen sächsischen Rechts, 1846; Haubold, C., Lehrbuch des königlich- sächsischen Privatrechts, 3. A. 1847; Emminghaus, G., Pandekten des gemeinen sächsischen Rechts, 1848; Schultze von Lasaulx, H., Die Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann, 1938, 51 Gemeines Strafrecht ist das auf der Grundlage der -> Constitutio Criminalis Carolina (1532), die den örtlichen Gewohnheiten und Satzungen nachgehen will, gebildete deutsche Strafrecht des 16. bis 18. Jh.s. Lit.: Kroeschell, DRG 2 Gemeinfreier ist der allgemeine -> Freie der germanischen Zeit und des frühen Mittelalters. Im Gegensatz zur klassischen Lehre der deutschen Rechtsgeschichte ist es in der Gegenwart streitig geworden, ob es in der fraglichen Zeit eine breite, ,,den Staat tragende" Schicht freier Leute unter einem Adel mit schwach ausgeprägten Vorrechten gegeben hat. In jedem Fall nimmt die Zahl der Freien im Frühmittelalter infolge der Ausbreitung der -> Grundherrschaft ab. Lit.: Köbler, DRG 71; Brunner, H., Nobiles und Gemeinfreie, ZRG GA 19 (1898), 76; Mayer, T., Königtum und Gemeinfreiheit im frühen Mittelalter, DA 6 (1943), 239; Das Problem der Freiheit, hg. v. Mayer, T., 4. unv. A. 1981 Gemeinschaft ist die durch eine Gemeinsamkeit verbundene Mehrheit von Personen, insbesondere im Schuldrecht die gemeinschaftliche Inhaberschaft eines einzelnen Rechtes durch mehrere. G. ist im klassischen römischen Recht die vielleicht in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten aus wirtschaftlichen Gründen entwickelte (lat.) -> communio (F.) pro indiviso, bei der über die ganze Sache alle Gemeinschafter zusammen verfügen können und jeder Gemeinschafter unabhängig von den anderen über seinen (rechnerischen) Anteil. Aufgelöst wird diese G. mit Hilfe der jederzeit möglichen allgemeinen Teilungsklage (lat. actio [F.] communi dividundo). Seit dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche, dem Gesamthandsgrundsatz widersprechende G. in Deutschland übernommen. Lit.: Kaser § 23 IV; Köbler, DRG 25; Schultze, A., Zur Rechtsgeschichte der germanischen Brüdergemeinschaft, ZRG GA 56 (1936), 264; Conrad, H., Individuum und Gemeinschaft in der Privatrechtsordnung des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, 1956; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 293, 549; Person und Gemeinschaft im Mittelalter, hg. v. Althoff, G. u. a., 1988; Schnorr, R., Die Gemeinschaft nach Bruchteilen, 2004 Gemeinschaftsrecht -> Europäische Gemein- schaft Lit.: Emmerich, W., Gemeinschaftsrecht und nationale Rechte, 1971; Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1979 Gemeinwerk ist die vielleicht aus der mittelalterlichen Grundherrschaft entwickelte Pflicht der Mitglieder einer örtlichen Gemeinschaft zur tatsächlichen Leistung persönlicher Dienste zu Gunsten der Gemeinschaft. Seit dem 18. Jh. wird sie durch Abgaben bzw. Steuern ersetzt. Lit.: Gremler, F., Die Naturaldienste im preußischen Gemeinderecht, Diss. jur. Bonn 1912; Durgiai, E., Das Gemeinwerk, Diss. jur. Bern 1943 243 Gemeinwohl (lat. salus [F.] publica) ist das allgemeine Wohl einer Gesellschaft. Das G. ist vielfach Ziel eines Staates (Wohlfahrtsstaat). Es kann dabei missbraucht werden. Lit.: Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS Alfred Schultze 1940, 2. A. 1968; Stolleis, M., Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, 1974; Honsell, T., Gemeinwohl und öffentliches Interesse, ZRG RA 95 (1978), 93; Hibst, P., Utilitas publica, 1991; Gemeinwohl, Freiheit, Vernunft, Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische Semantiken politischer Leitbegriffe, hg. v. Münkler, H. u. a., 2001 Genannter Lit.: Schall, K., Die Genannten in Nürnberg, 1971 Genealogie (F.) Familienkunde Lit.: Köbler, DRG 2; Forst de Battaglia, O., Wissenschaftliche Genealogie, 1948; Melville, G., Vorfahren und Vorgänger, in: Die Familie als sozialer und historischer Verband, 1987, 203; Europäische Stammtafeln, hg. v. Schwennicke, D., 1998, 2. A. 2005 Genehmigung ist die Erklärung des Einverständnisses mit dem Verhalten eines anderen. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Sie entwickelt sich im Verwal- tungsrecht zu einer Erlaubnis oder zu einer nachträglichen Billigung, im Privatrecht zur nachträglichen Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft. Lit.: Kaser §§ 11 IV, 49 II, 53 I; Kroeschell, DRG 2 Generalauditeur ist im 17. Jh. nach schwedischem Vorbild im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der Leiter der Rechtspflege des Heeres. 1898 wird der G. durch die Militärstrafgerichtsordnung beseitigt. Lit.: Meyer, O., Die Stellung des preußischen Generalauditeurs, Arch. Mil.R. 3 (1911/2), 138, 4 (1912/3), 349 Generaldirektorium (Generaloberfinanz- kriegs- und -domänendirektorium) ist die aus einer zentralen Fachbehörde der Domänen- verwaltung und aus dem Generalkriegs- kommissariat erwachsene oberste Behörde in - > Preußen im 18. Jh. Lit.: Hartung, F., Die Entwicklung des Generaldirektoriums in Preußen 1723-1876, FuF 18 (1942), 110 Generalhypothek ist die im römischen Recht mögliche -> Hypothek am ganzen Vermögen eines Pfandschuldners. Sie wird teilweise in der Neuzeit in Deutschland aufgenommen. Sie verunsichert durch fehlende Offenkundigkeit das Kreditwesen, weshalb sie später beseitigt wird. Lit.: Kaser § 31; Köbler, DRG 41; Wagner, H., Voraussetzungen, Vorstufen und Anfänge der römischen Generalverpfändung, 1967; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Generalklausel ist der nur einen allgemeinen Grundsatz aufstellende, die konkrete Bestimmung im Einzelfall den Gerichten überlassende Rechtssatz. Die G. hat den Vorzug der Offenheit für nichtvorhersehbare Umstände für sich und den Nachteil der Rechtsunsicherheit gegen sich. Im 20. Jh. wird dem Gesetzgeber die Flucht in die Generalklauseln vorgehalten. Lit.: Köbler, DRG 229; Hedemann, J., Die Flucht in die Generalklauseln, 1933; Börner, F., Die Bedeutung der Generalklauseln, 1989 Generalprävention ist der -> Strafzweck, der auf allgemeine Vorbeugung gegenüber Straftaten durch Abschreckung auch unbe- kannter Dritter gerichtet ist (Feuerbach 1813). Lit.: Köbler, DRG 204; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002 Generalstaatsanwalt ist der oberste Leiter einer gesamten Staatsanwaltschaft (z. B. DDR). Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Generalstände (M.Pl.) allgemeine -> Stände Lit.: Soule, C., Les États généraux de France (1302- 1798), 1968; Bulst, L., Die französischen Generalstände, 1992 Genf am Ausfluss der Rhone aus dem Genfer See wird um 400 Sitz eines Bischofs und 1365 Sitz einer Universität Seit 1536 wirkt in G. Calvin reformatorisch. 1815 wird G. Mitglied der Eidgenossenschaft der -> Schweiz. Im frühen 19. Jh. werden Privatrecht und Prozessrecht gesetzlich geregelt (-> Bellot). 1873 erlangt G. eine Universität. Lit.: Köbler, Cramer, J., Précis de l'histoire du droit genevois, 1761; Rivoire, É. u. a., Les sources du droit du canton du Genve, Bd. 1f. 1927ff.; Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,450, 3,2,1866; Histoire de Genve, hg. v. Guichonnet, P., 3. A. 1986 Genfer Konvention ist die (seit dem 22. 8. 1864) in Genf abgeschlossene völkerrechtliche Vereinbarung (z. B. zur Humanisierung des Kriegsrechts). 244 Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994 Genosse -> Genossenschaft Genossenschaft ist die Personenvereinigung zur Erfüllung der von ihren Mitgliedern (Genossen) angestrebten Zwecke, insbesondere der Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs. Ihre ältesten Formen betreffen die vielleicht von Verwandtschaften ausgehende gemeinsame Nutzung von Land. Bedeutsam ist die mög- licherweise noch ins Frühmittelalter reichende - > Markgenossenschaft. Besondere Erwähnung verdient auch die durch eidlich bestärkte Vereinbarung entstehende -> Eidgenossen- schaft. Eine stärkere Verfestigung zeigt die im 12. Jh. sichtbare (als G. erklärbare) Stadtgemeinde. Genossenschaftlich organisiert sind im Hochmittelalter auch -> Gemeinderschaft, -> Zunft, Bruderschaft, -> Universität, bergrechtliche -> Gewerkschaft, Waldgenossenschaft und Deichgenossenschaft. In der frühen Neuzeit drängt der Einfluss der gelehrten Rechte die G. zugunsten der römischrechtlichen (lat. [F.]) -> societas bzw. (lat. [F.]) -> universitas zurück. Die hierauf gegründete Theorie des 19. Jh.s, dass die -> juristische Person eine Fiktion sei, wird von Georg von -> Beseler und Otto von -> Gierke (Theorie der realen Verbandspersönlichkeit) bekämpft. In Preußen bzw. dem Norddeutschen Bund wird 1867/1868, in Österreich am 9. 4. 1873 ein Gesetz betreffend die G. (Gesellschaft mit offener Mitgliederzahl, bei Eintragung in das Genossenschaftsregister juristische Person) geschaffen (Konsumgenossenschaft, Raiffei- sengenossenschaft, Wohnungsbaugenossen- schaft). Lit.: Hübner 123ff.; Köbler, DRG 96, 121, 174, 177, 207, 218; Köbler, WAS; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Solmi, A., Le associazioni in Italia, 1898; Haff, K., Zur Rechtsge- schichte der mittelalterlichen Transportgenossenschaften, ZRG GA 31 (1910), 253; Weimann, K., Die Mark- und Walderbengenossenschaften des Niederrheins, 1911; Bader, K., Das mittelalterliche Dorf, Bd. 1ff. 1957ff.; Schlosser, M., Genossenschaften in der Grafschaft Ysenburg, 1956; Faust, H., Geschichte der Genossenschaftsbewegung, 1965; Bludau, K., Nationalsozialismus und Genossenschaften, 1968; Laufs, A., Genossenschaftsdoktrin und Genossenschaftsgesetz- gebung vor 100 Jahren, JuS 1968, 311; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgemeinschaft, 1982; Schröder, J., Zur älteren Genossenschaftstheorie, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 399; Gericht, Genossenschaft und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Schubert, W., Zur Entstehung der Genossenschaftsgesetze Preußens und des Norddeutschen Bundes (1863-1868), ZRG GA 105 (1988), 97; Hundert Jahre Genossenschaftsgesetz, hg. v. Institut für Genossenschaftswesen u. a., 1989; Akademie für deutsches Recht 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse 4, Ausschuss für Genossenschaftsrecht, hg. v. Schubert, Werner, 1989; Hettrich, E./Pöhlmann, P., Genossenschaftsgesetz, 1995; Hardtwig, W., Genos- senschaft, Sekte, Verein, 1997; Helin, I., Vom Brodverein zur co op, 1998; Zinke, J., Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Genossenschaften in der Weimarer Republik, 1999; Kattinger, D., Die gotländische Genossenschaft, 1999; Wilcken, C., Die Reformbestrebungen zum Genossenschaftsgesetz in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2000; Peters, M., Die Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes, 2002; Schnei- der, R., Altrechtliche Personenzusammenschlüsse, 2003 Genossenschaftsgesetz -> Genossenschaft Genozid (N., M.,) -> Völkermord Lit.: Grenke, A., Der Genozid in der Weltgeschichte, 2001; Genesis des Genozids, hg. v. Mallmann, K. u. a., 2004 Gent an der Leie (7./8. Jh. [lat.] pagus [M.] Gandao) erscheint im 10. Jh. als Handelsort. Im 12. Jh. erlangen die Kaufleute wichtige Rechte. 1879 wird G. Sitz einer Universität. Lit.: Oppermann, O., Die älteren Urkunden des Klosters Blandinium und die Anfänge der Stadt Gent, 1928; Werveke, H. van, Kritische studiën betreffende de oudste geschiedenis van de stad Gent, 1933; Werveke, H. van, De gentsche stadsfinanciën, 1934; Verhulst, A., De Sint- Baafsabdij te Genbt en haar grondbezit, 1958; Koch, A., Gentse keuren van vóór 1240, 1960; Verhulst, A., Die Frühgeschichte der Stadt Gent, FS Edith Ennen, 1972, 108; Gent, red. Decavele, J., 1989 Gentechnologie ist die auf die Gene der Lebewesen bezogene, in Deutschland seit 20. 6. 1990 gesetzlich geregelte Technologie. Gentile ist der Angehörige eines Sippenver- bandes (lat. [F.] gens) im römischen Recht. Er ist nachrangig Erbe. Lit.: Kaser § 12 I 1; Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 21 Gentili, Alberico (1552-1608) wird nach dem Rechtsstudium in Perugia Richter in Ascoli. Auf der Flucht der Familie vor der Inquisition gelangt er 1581 nach Oxford (1587 Professor 245 für civil law) und veröffentlicht vor allem bedeutende völkerrechtliche (kriegsrechtliche) Werke (De iure belli commentationes [F.Pl.] tres, 1588f., Drei Abhandlungen zum Kriegsrecht). Nach 1590 wird er als Anwalt tätig. Lit.: Hugo Grotius and International Relations, hg. v. Bull, H. u. a., 1990, 133 gentry (engl.) Landadel (seit 15. bzw. 16. Jh.) Lit.: Gentry, hg. v. Jones, M., 1986 Genua am südlichen Steilabfall der Alpen zum Mittelmeer kommt über Römer, Ostgoten, Byzantiner und Langobarden an die Franken. Seit dem 10. Jh. erlangt es eine eigene Verwaltung. Vielfach unter fremder Herrschaft, wird es 1815 mit dem Königreich Sardinien- Piemont (1861 Italien) vereinigt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Chiaudano, M., Contratti commerciali Genovesi, 1925; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,162; Airaldi, G., Genova, 1986; Schweppenstette, F., Die Politik der Erinnerung, 2003 Genus perire non censetur (lat.). Von einer Gattung wird nicht angenommen, dass sie untergeht. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Gény, François (1861-1959) kommt über Algier (1887) und Dijon (1892) nach Nancy (1901, 1905 ordentlicher Professor für bürgerliches Recht) und verfasst bedeutsame Studien über Natur und Methode des Privatrechts (Méthode d'interprétation et sources en droit privé positif, 1899, Science et technique en droit privé positif, 1913ff.). Lit.: Dabin, J. u. a., Le centenaire du doyen François Geny, 1963 geometricus -> mos geometricus Georgenberger Handfeste ist die umfangreichere (von mehreren) Urkunde(n) über den am 17. 8. 1186 auf dem im Bereich der Stadt Enns liegenden St. Georgsberg (Georgenberg) (mündlich) abgeschlossenen Erbvertrag zwischen Herzog Otakar IV. von -> Steiermark und Herzog Leopold V. von -> Österreich, auf Grund dessen mit dem Tod Otakars IV. 1192 die Steiermark an Österreich fällt. Lit.: Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher; Spreitzhofer, K., Die Georgenberger Handfeste, 1986 Gerade ist vielleicht schon im germanischen Recht die Ausrüstung der Braut für die Verheiratung (vgl. rhedo in der [lat.] Lex [F.] Thuringorum [802] und mahalareda in der [lat.] Lex [F.] Burgundionum [um 500]). Im Hochmittelalter umfasst sie im Verbreitungs- gebiet des Sachsenspiegels Schmuck, Kleider, Gefäße und Hausrat (Bett, Kiste, Gebetbuch, vielleicht Gänse, Enten, Schafe). Beim Tod des Hausvaters fällt sie (vor allem in der Stadt) als Voraus an die Ehefrau, beim Tod der Frau (vor allem auf dem Land) an eine bestimmte nichtverheiratete weibliche Verwandte (oder einen Geistlichen). Lit.: Hübner 664, 739; Köbler, DRG 89, 123, 162; Hradil, P., Zur Theorie der Gerade, ZRG GA 31 (1910), 67; Frommhold, E., Das Recht der Gerade, Diss. jur. Leipzig 1934; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade, Diss. jur. Göttingen 1966; Ottenjohann, H., Das Sondervermögen ,,Gerade", in: Aus dem Leben gegriffen, 1995, 379; Gottschalk, K., Streit um Frauenbesitz, ZRG GA 114 (1997), 182 Gerber, Karl Friedrich Wilhelm (Ebeleben 11. 4. 1823-Dresden 23. 9. 1891) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg (Hänel, Albrecht, Puchta, Mittermaier, Vangerov) 1844 außerordentlicher Professor in Jena, 1847 ordentlicher Professor in Erlangen, 1851 Tübingen und 1863 Leipzig. 1871 wird er Kultusminister Sachsens. 1846 legt er eine Untersuchung über das wissenschaftliche Prinzip des ->gemeinen deutschen Privatrechts vor, in der er das deutsche Recht statt als Rechtsquelle als bloßes System von Rechts- gedanken (Geist des deutschen Rechts) versteht. Hierauf gründet er sein erfolgreiches romanistisch beeinflusstes Lehrbuch System des deutschen Privatrechts (1848/9), in dem er den Geist des deutschen Rechts in konkrete juristische Sätze fasst. 1852 lässt er die auf den Willensäußerungen der Einzelnen als Glieder der Volksverbindung beruhende Untersuchung über öffentliche Rechte folgen, die 1865 zu Grundzügen eines Systems des deutschen Staatsrechts (mit den vier Abteilungen Staatsgewalt [Willensmacht des Staates], Organe des Staates, [Formen der] Willens- äußerungen des Staates, Rechtsschutz) werden, die den -> Staat als -> juristische Person verstehen und die moderne deutsche Staatsrechtswissenschaft begründen. Lit.: Köbler, DRG 205; Wilhelm, W., Zur juristischen 246 Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Schmidt-Radefeldt, S., Carl Friedrich von Gerber (1823-1891), 2003 Gerechter Krieg (lat. bellum [N.] iustum) ist der gerechtfertigte Fall einer gewaltsamen Auseinandersetzung von Völkern oder Staaten. Nach Cicero (106-43 v. Chr.) begründen Rache und Vertreibung von Feinden allein den gerechten Krieg. In gleicher Weise anerkennt das Christentum (Augustinus 354-430) Verteidigung und Strafe als Grund eines gerechten Krieges, zu dem noch die rechte Gesinnung des Kriegführenden hinzukommen muss. Thomas von Aquin (um 1270) fordert die (lat. [F.]) auctoritas des Herrschers, den gerechten Grund und die rechte Einstellung. Francisco de Vitoria begründet die Lehre vom beiderseits gerechten Krieg. Nach Alberico Gentili (1588) schränkt Grotius (1583-1643) demgegenüber dahin ein, dass zwar nur einer der Kriegsführenden im Recht sein könne, beide aber in gutem Glauben streiten könnten. Im 18. Jh. wird auf eine Untersuchung von ungerechten Kriegen und gerechten Kriegen verzichtet. Im 19. Jh. herrscht die Lehre vom freien Kriegsführungsrecht der souveränen Staaten. Dagegen erfolgt nach dem ersten Weltkrieg (1914-1918) eine Rückkehr zur Lehre vom gerechten Krieg, so dass der Angriffskrieg verboten wird. Lit.: La Paix, 1961, Recueils de la Société Jean Bodin 15; Tooke, J., The Just War in Aquinas and Grotius, 1965; Russel, F., The Just War, 1975; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994 gerechter Preis -> Preis Gerechtigkeit ist das zeitlos gültige Maß richtigen Verhaltens. Bereits Aristoteles (384- 322 v. Chr.) unterscheidet die ausgleichende G. (lat. iustitia [F.] commutativa) zwischen den Einzelnen und die austeilende G. (lat. iustitia [F.] distributiva) zwischen Allgemeinheit und Einzelnen. Ulpian (170-223) erklärt die G. (lat. [F.] iustitia) als den ständigen Willen, jedem sein Recht dadurch zu gewähren, dass man ehrbar lebt, den anderen nicht verletzt und jedem das Seine gibt. Das Christentum bestimmt die G. durch die in der Natur sich zeigende göttliche Ordnung. Seit der Neuzeit versucht der Mensch die G. mit Hilfe der (der Natur des Menschen entsprechenden) Vernunft zu ermitteln. Die G. vollkommen zu verwirk- lichen, muss dabei wohl als wünschenswertes Ideal angesehen werden, das tatsächlich nicht oft genug erreicht wird. Lit.: Köbler, DRG 2, 254; Frommhold, G., Die Idee der Gerechtigkeit in der bildenden Kunst, 1925; Simon, K., Abendländische Gerechtigkeitsbilder, 1948; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231; Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Kissel, O., Die Iustitia, 2. A. 1997; Schimmler, B., Recht ohne Gerechtigkeit, 1984; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986; Recht und Gerechtigkeit im Spiegel der europäischen Kunst, hg. v. Pleister, W. u. a., 1988; Manthe, U., Beiträge zur Entwicklung des antiken Gerechtigkeitsbegriffes, ZRG RA 114 (1997), 1; Gerechtigkeit, hg. v. Assmann, J. u. a., 1998; Justiz und Gerechtigkeit, hg. v. Griesebner, A., 2002; Prodi, P., Eine Geschichte der Gerechtigkeit, 2003; Hayek, F. v., Recht, Gesetz und Freiheit, 2003; Brüschweiler, A., Gerechtigkeit durch Ironisierung, 2003; Duvanel, L., La justice contractuelle, 2004; Schröder, J., Verzichtet unser Rechtssystem auf Gerechtigkeit?, 2005 Gerhabe ist eine mittelalterliche Bezeichnung für den -> Vormund. Lit.: Haff, K., Gerhaben-Stellen aus unveröffentlicheten Urkunden des Allgäus, ZRG GA 51 (1931), 512 Gericht ist die (staatliche) Einrichtung, welche die Entscheidung in Streitigkeiten durch Rechtsanwendung ausüben soll. Das altrömische Recht unterscheidet dabei (im Zivilverfahren) zwischen dem G. (lat. [N.] ius) und dem Richter (lat. [M.] iudex). Das G. findet auf dem Markt (lat. [N.] forum) vor dem zuständigen Magistrat (seit 367 v. Chr. lat. [M.] praetor) statt, der darüber entscheidet, ob die Rechtsordnung für das Begehren des Verfolgers einen Schutz (lat. [F.] actio) enthält und danach gegebenfalls unter Auswahl oder Auslosung seitens der Parteien den Richter ermittelt. Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) tritt an die Stelle von Magistrat und Richter der einheitliche öffentliche Amtsträger des -> Kognitionsverfahrens, der untersucht und entscheidet. Bei den Germanen finden demge- genüber die Entscheidungen in Streitigkeiten anfangs vermutlich in der vom König oder mehreren Großen geleiteten -> Volksver- sammlung unter freiem Himmel statt, wobei ein Entscheidungsvorschlag aus dem -> Umstand vorgebracht wird. Im Frühmittelalter leitet 247 zunächst der König oder der (fränkische) (lat.- ad. [M.]) -> thunginus (Dingmann) die Versammlung auf dem -> Malberg, und -> Rachinburgen schlagen ein Urteil vor. Später verdrängt der -> Graf den thunginus. Zwischen 770 und 780 ersetzt Karl der Große die Rachinburgen durch -> Schöffen als Urteiler. Im geistlichen Gericht (Lüs. aus lat. [F.] correctio?) des fränkischen Reiches entsprechen dem Grafen und den Schöffen der Bischof bzw. Archidiakon bzw. Archipresbyter und die Sendschöffen, bis seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allgemeiner seit 1246 der gelehrte -> Offizial des Bischofs als ständiger, ordentlicher (berufsmäßiger) Einzelrichter, der selbst entscheidet, erscheint. Noch im Reichskammergericht (1495) ist der Richter grundsätzlich nur Verhandlungsleiter und ist die Hälfte der Beisitzer (Assessoren) nur adlig und (zunächst) nicht rechtsgelehrt. Im Laufe der frühen Neuzeit wird das mehr und mehr in festen Gebäuden tagende G. aber zu Lasten der Laien zunehmend mit rechtsgelehrten Berufs- juristen besetzt und entscheidet (auch) der Richter. Demgegenüber belebt der Libe- ralismus des 19. Jh.s das Laienelement wieder (-> Schwurgericht). In der Gegenwart ist in Deutschland die -> Gerichtsbarkeit in unterschiedliche Zweige von Gerichten (or- dentliches Gericht, Arbeitsgericht, Finanz- gericht, Sozialgericht, Verfassungsgericht, Verwaltungsgericht) gegliedert. Diese sind in mehrere Instanzen gestuft (z. B. Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Bayerisches Oberstes Landesgericht [bis 2004], Bundesgerichtshof). Die meisten der sehr vielen Rechtsstreitigkeiten werden durch Berufsrichter entschieden. Lit.: Kaser §§ 80ff.; Köbler, DRG 111, 116, 150; Köbler, WAS; Luschin von Ebengreuth, A., Geschichte des älteren Gerichtswesens in Österreich, 1879; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1 1889, Neudruck 1968, 1984; Das älteste Gerichtsbuch der Stadt Wiesbaden, hg. v. Otto, F., 1900; Funk, M., Die lübischen Gerichte, ZRG GA 26 (1905), 53; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der Gerichtsverfassung der Stadt Frauenburg (im Ermlande), ZRG GA 37 (1916), 313; Jecklin, C., Das Chorherrengericht zu Schiers, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft Graubündens 49 (1919); Pöhlmann, C., Gerichtssäule, ZRG GA 41 (1920), 387; Hillmann, H., Das Gericht als Ausdruck deutscher Kulturentwicklung im Mittelalter, 1930; Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, 1938; Grosse, W., Land- und Godingstätten in den Schwabengaugrafschaften, Festschrift für Walter Möllenberg, 1939, 53; Grosse, W., Die mittelalterlichen Gerichte und Dingstätten im Harzgau, Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde 72 (1939), 1; Braun, E., Die Entwicklung der Gerichtsstätten in Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1944; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, ZRG 75 (1958), 108; Köbler, G., Richten, Richter, Gericht, ZRG GA 87 (1970), 57; Müller- Volbehr, J., Die geistlichen Gerichte in den Braunschweig-Wolfenbüttelschen Landen, 1972; Krause, H., Mittelalterliche Anschauungen vom Gericht, 1974 (SB München); Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G. Schmelzeisen, 1980, 166; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung 1869-1877, 1981; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Keller, O., Die Gerichtsorganisation des Raumes Marburg im 19. und 20. Jahrhundert, 1982; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte, hg. v. Volkert, W., 1983; Schumacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Turner, R., The English Justiciary, 1985; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Dülmen, R. van, Theater des Schreckens, 1985; Recht, Gericht, Genossenschaft und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Prozessflut?, hg. v. Blankenburg, E., 1989; Franz, E./Hofmann, H./Schaab, M., Gerichtsorganisation in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im 19. und 20. Jahrhundert, 1989; Das Oberste Gericht der DDR, 1989; Ackermann, R., Mittelalterliche Kirchen als Gerichtsorte, ZRG GA 110 (1993), 530; Rose, M., Das Gerichtswesen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken im 18. Jahrhundert, 1994; Klemmer, K./Wassermann, R./Wessel, T., Deutsche Gerichtsgebäude, 1993; Justizgebäude in Sach- sen, 1995; Ishikawa, T. Das Gericht im Sachsenspiegel, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997; Zehetmayer, R., Kloster und Gericht, 2001 Gerichtliche Medizin ist die rechtlich bzw. verfahrensrechtlich bedeutsame Medizin. Im Mittelalter werden allmählich ärztliche 248 Sachverständige in das Verfahren vor Gericht eingeführt. Die erste bekannte richterliche Leichenöffnung findet in Bologna 1302 statt. Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) behandelt die Bedeutung verständiger Frauen und verständiger Ärzte für das Strafverfahren allgemein. Im 18. Jh. erscheint die (lat.) medicina (F.) forensis als Vorlesung an den Universitäten. Eigene Lehrstühle folgen etwas später nach (Wien 1804, Prag 1807). 1901 wird im Deutschen Reich g. M. Pflichtfach des Studiums. Lit.: Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 1970; Bader, K., Ärztliche Sachverständige im Mittelalter, 1976 Gerichtsakte ist die (seit dem 14. Jh. einsetzende) -> Akte eines Gerichts. Lit.: Kroeschell, DRG 2 Gerichtsbarkeit ist die auf Verwirklichung der bestehenden Rechtsordnung gerichtete Tätigkeit (des Staates bzw. der Allgemeinheit) (Judikative). -> Gericht Lit.: Kaser §§ 80, 87; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102; Goldhardt, O., Die Gerichtsbarkeit in den Dörfern des mittelalterlichen Hennegaues, 1909; Brand, E., Eidgenössische Gerichtsbarkeit, Bd. 1ff. 1952ff.; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 1922, 2. A. 1958; Lieberich, H., Zur Feudalisierung der Gerichtsbarkeit in Baiern, ZRG GA 71 (1954), 242; Tomaschek, Die höchste Gerichtsbarkeit des deutschen Königs und Reiches im 15. Jahrhundert, 1965; Hageneder, O., Die geistliche Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich, 1967; Laufs, A., Die Anfänge einheitlicher höchster Gerichtsbarkeit in Deutschland, JuS 1969, 256; Nordhoff-Behne, H., Gerichtsbarkeit und Strafrechtspflege in der Reichsstadt Schwäbisch-Hall, 1971; Modéer, K., Gerichtsbarkeiten der schwedischen Krone im deutschen Reichsterritorium, Bd. 1 1975; Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund 1806-1866, 1975; Rödel, U., Königliche Gerichtsbarkeit, 1979; Globig, G., Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer Befriedung, 1985; Schild, W., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1987; Deter, G., Handwerksgerichtsbarkeit zwischen Absolutismus und Liberalismus, 1987; Schild, W., Geschichte der Gerichtsbarkeit, 1995; Oberste Gerichtsbarkeit und zentrale Gewalt im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Diestelkamp, B., 1996; Harendil, H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997; Royer, J., Histoire de la justice en France, 1997; Albert, D., Der gemeine Mann vor dem geistlichen Richter, 1998; Drecktrah, V., Die Gerichtsbarkeit in den Herzogtümern Bremen und Verden, 2002; Shirley, K., The Secular Jurisdiction of Monasteries, 2004 Gerichtsbuch ist das bei einem -> Gericht geführte Buch über gerichtliche Handlungen der streitigen oder freiwilligen Tätigkeit (z. B. Urteile, Rügen, Klagen, Protokolle, Vergleiche, Rechtsgeschäfte). Gerichtsbücher sind bei- spielsweise überliefert aus den Städten Worms, Bamberg, Bingen, Stralsund, Luckau und aus vielen Dörfern (z. B. Niederingelheim, Eppelsheim, Hamm, Erpolzheim, vor allem in Bayern, Pfalz, Schlesien und Brandenburg). Lit.: Rehme, P., Über Stadtbücher als Geschichtsquelle, 1913; Frommhold, G., Das Gerichtsbuch von Pfalzfeld, ZRG GA 47 (1927), 664; Schultheiß, W., Über spätmittelalterliche Gerichtsbücher aus Bayern und Franken, FS H. Liermann, 1964, 264 Gerichtsgebrauch ist die an einem oder mehreren Gerichten geübte besondere Art der Rechtsanwendung. Lit.: Schumacher, D., Das rheinische Recht, 1970 Gerichtsgefälle sind die an ein -> Gericht zu erbringenden Leistungen (Gefälle). Sie dienen der Unterhaltung der mit der Gerichtsbarkeit betrauten Menschen. Zu ihnen gehört z. B. das Friedensgeld. Seit dem Mittelalter begegnen sich Geldleistungen für einzelne Gerichts- handlungen, wie beispielsweise auch für die Tätigkeit des -> Gerichtsschreibers. Hieraus entwickeln sich bis zum Beginn der Neuzeit an vielen Stellen besondere Ordnungen für im voraus zu erhebende -> Gebühren, die der im Verfahren Unterliegende zu erstatten hat. Später finden die G. über den allgemeinen Staatshaushalt Verwendung zur Besoldung des Gerichtspersonals mit festen Gehältern. Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 75ff. Gerichtshof ist das mit mehreren Richtern besetzte (obere) Gericht bzw. ein Hof, an dem Gericht gehalten wird. Lit.: Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische Zone (1948-1950), ZNR 3 (1981), 158 Gerichtsmedizin ist die für gerichtliche Zwecke notwendige medizinische Betrachtung. Lit.: Lorenz, M., Kriminelle Körper ­ Gestörte Gemüter, 1999; Herber, F., Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz, 2002 Gerichtsordnung ist die Gesamtheit der für 249 ein -> Gericht unmittelbar geltenden Rechtssätze. Sie entwickelt sich aus dem von der Kirche geförderten Gedanken, dass ein rechtliches Verfahren in klarer Weise geordnet sein soll (lat. ordo [M.] iudiciarius). In der Neuzeit wird hieraus die -> Prozessordnung. Lit.: Fischel, A., Die Olmützer Gerichtsordnung, 1903; Meier, A., Die Geltung der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. im Gebiete der heutigen Schweiz, 1910; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen 1972; Kleinheyer, G., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause 1975, 110; Dank, E., Die Appellationsvorschriften der bayerischen Gerichtsordnung von 1520, 1977; Loschelder, M., Die österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978; Bader, K., Landes- und Gerichtsordnungen im Gebiet des Fürstentums Fürstenberg, FS G. Schmelzeisen, 1980, 9 Gerichtsschreiber ist der wohl seit dem 14. Jh. an einzelnen -> Gerichten zur Aufzeichnung von Rechtshandlungen bestellte besondere -> Schreiber. Seine Rechtskenntnisse sind vielfach denen des ungelehrten Richters und der ungelehrten Schöffen überlegen. 1923/1927 wird im Deutschen Reich die Amtsbezeichnung G. durch Urkundsbeamter ersetzt. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichts 1235-1491, 1974; Dumke, D., Vom Gerichtsschreiber zum Rechtspfleger, 1993 Gerichtsstab -> Richterstab Lit.: Rintelen, M., Der Gerichtsstab in den österreichischen Weistümern, FS H. Brunner, 1910, 631; Kocher, G., Richter und Stabübergabe, 1971 Gerichtsstand ist die örtliche, teilweise auch sachliche Zuständigkeit eines Gerichts. Nach dem G. entscheidet sich, ob eine an einem Gericht erhobene Klage zulässig ist. Der G. ist spätestens seit dem Hochmittelalter sehr bedeutsam. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Battenberg, F., Die Gerichtsstandsprivilegien der deutschen Kaiser und Könige, 1983; Hubig, S., Die historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002 Gerichtsverfahren ist das vor und von -> Gerichten durchgeführte Verfahren. Dabei wird bereits im altrömischen Recht zwischen Zivilverfahren und Strafverfahren und zwischen Erkenntnisverfahren und Voll- streckungsverfahren unterschieden. Allerdings setzt sich das G. nur langsam gegenüber der -> Selbsthilfe des Verletzten durch. Mit der Entwicklung Roms zum Weltreich wird dabei die gerichtliche Tätigkeit des Staates immer umfassender. Umgekehrt ist auch in den germanischen Anfängen das G. gegenüber der - > Selbsthilfe (-> Fehde) selten. König und Kirche fördern das G. seit dem Frühmittelalter. Auf die Klage des Verletzten und die Klagantwort des Beklagten entscheiden die unter der Leitung des -> Richters versammelten -> Schöffen den Streit durch ein meist zweizüngiges -> Urteil. Entlastet sich der Beklagte nicht (durch Eid), so siegt der Kläger. Die Vollstreckung führt der Kläger selbst durch. Eine Überprüfung des Urteils steht nur dem König zu. Wohl erst im Hochmittelalter (str.) treten Zivilverfahren und Strafverfahren auseinander. Im Strafverfahren gewinnt die amtliche Untersuchung an Bedeutung. Das Zivilverfahren wandelt sich unter ober- italienisch-kanonistischem Einfluss (Schrift- lichkeit). Die Berufung (Appellation) an ein Obergericht wird möglich. In England ändert sich das G. am stärksten zwischen 1154 und 1272. In der Neuzeit erlangt eine Sonderstellung auch das Gebiet des sächsischen Rechts. Im 19. Jh. beeinflusst das freiere Verfahren der französischen Gesetze Zivil- prozess und Strafprozess in den deutschen Staaten. Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 3. unv. A. 1978; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der Münsterischen Landgerichtsordnung von 1571, 1908; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Markov, J., Das landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis zum 17. Jahrhundert, ZRG GA 83 (1966), 145; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen 1972; Fowler-Magerl, I., Ordo iudiciorum vel ordo iudicicarius, 1984; Green, F., Verdict According to Conscience, 1985 Gerichtsverfassung ist die organisatorische 250 Gestaltung der Rechtspflege. Sie ist anfangs ziemlich einfach, entwickelt sich aber seit dem hohen Mittelalter mit dem Übergang wesentlicher Teile der Gerichtsbarkeit vom König auf die Landesherren zu vielfältigen Gestaltungen. 1877/1879 wird im Deutschen Reich die partikuläre G. durch das Gerichts- verfassungsgesetz vereinheitlicht (Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Reichsgericht, in Österreich Jurisdiktionsnorm von 1895 mit Bezirksgerichten, Landesgerichten, Oberlan- deserichten und Oberstem Gerichtshof). -> Gericht Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 9, 17; Köbler, DRG 183, 200; Kühns, F., Geschichte der Gerichtsverfassung und des Prozesses der Mark Brandenburg, Bd. 1f. 1865ff., Neudruck 1969; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871; Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG GA 5 (1884), 1; Probst, K., Die Entwicklung der Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911; Meister, E., Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, 1912; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Knapp, H., Alt- Regensburgs Gerichtsverfassung, Strafverfahren und Strafrecht, 1914, Neudruck 1978; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der mittelalterlichen Gerichtsverfassung Bayerns, 1929; Blankenhorn, R., Die Gerichtsverfassung der Carolina, Diss. jur. Tübingen 1939; Baltl, H., Die ländliche Gerichtsverfassung Steiermarks, Archiv f. österreich. Gesch. 118 (1951); Schlesinger, W., Zur Gerichtsverfassung des Markengebietes östlich der Saale, Jb. f. d. Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands 2 (1953); Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig, 1954; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Lohmann, U., Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1966; Weinkauff, H./Wagner, A., Die Umgestaltung der Gerichtsverfassung und des Verfahrens- und Richterrechts im nationalsozialistischen Staat, 1968; Weiss, U., Die Gerichtsverfassung in Oberhessen, 1978; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung (1869-1877), 1981; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu moderner und rechtsstaatlicher Gerichtsverfassung, 1997; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997; Grilli, A., Die französische Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998; Forster, M., Die Gerichtsverfassung und Zivilgerichtsbarkeit in Straubing, Diss. jur. Regensburg 1999 Gerichtsverfassungsgesetz -> Gerichtsverfassung Gerichtsvollzieher ist seit dem 19. Jh. der mit den Zustellungen, Ladungen und Voll- streckungen zu betrauende Beamte. Zuvor werden seine Aufgaben vom Büttel, Fronboten oder Gerichtsdiener wahrgenommen. Lit.: Köbler, DRG 202; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Ziegler, H., Die Stellung des Gerichtsvollziehers in der Zwangs- vollstreckung nach dem Entwurf einer ZPO von 1931, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1936 Gerichtszeugnis ist vor allem die Aussage des -> Gerichts (Richter und Schöffen) über Handlungen und Ereignisse vor Gericht. Das G. wird im Hochmittelalter häufig. Es erbringt vollständigen Beweis einer Behauptung und kann nicht gescholten werden. Sachlich kann ein G. auch in einer Gerichtsurkunde enthalten sein. Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 2 1897, 157; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, 1985; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite, 1986 Germane ist der Angehörige der Völker, die sich von den Indogermanen abgespaltet haben und die besondere gemeinsame Sprache Germanisch sprechen. Die Germanen werden vielleicht in der ersten Hälfte des 2. Jt.s v. Chr. in Norddeutschland (und Südskandinavien) sichtbar. Sie lassen sich in mehrere Großgruppen (z. B. Nordgermanen, Ostger- manen, Westgermanen, im Einzelnen str.) und viele kleinere, seit 325 v. Chr. im griechisch- römischen Schrifttum genannte Völker gliedern. Ihr nicht sicher deutbarer Name ist um 90 v. Chr. bei dem antiken Schriftsteller Poseidonios erstmals bezeugt. Seit dem 1. Jh. v. Chr. dringen sie nach Süden (Teutonen 102 v. Chr. bei Aix, Kimbern 101 v. Chr. bei Vercellae von den Römern geschlagen). Im 4. Jh. überwinden sie den ab 84 n. Chr. von den Römern gegen sie errichteten Grenzwall (lat. [M.] -> limes) und brechen ab 375 in der -> Völkerwanderung in das weströmische Reich ein. 476 setzt der Söldnerführer -> Odowakar den weströmischen Kaiser Romulus Augustulus ab. Es entstehen im Zuge einer Umgestaltung der römischen Welt verschiedene Reiche einzelner, aus den G. hervorgegangener Stämme (Franken, Goten, 251 Burgunder, Alemannen, Langobarden, Vandalen, Angelsachsen). Das Wissen über die G. entstammt im Wesentlichen den römischen Schriftstellern (Caesar, Tacitus). Lit.: Köbler, DRG 66; Dahn, F., Die Könige der Germanen, Bd. 1ff. 1861ff.; Ross, D., The early history of landholding among the Germans, 1883; Dahn, F., Die Könige der Germanen, Bd. 1ff. 1861ff.; Rhamm, K., Die Großhufen der Nordgermanen, 1905; Kossinna, G., Die Herkunft der Germanen, 1911; Roessingh, D., Het gebruik en bezit van den grond, 1915; Mayer, E., Germanische Geschlechtsverbände und das Problem der Feldgemeinschaft, ZRG GA 44 (1924), 30; Frahm, F., Cäsar und Tacitus als Quellen für die altgermanische Verfassung, Historische Vierteljahrsschrift 24 (1928), 145; Koehne, C., Die Streitfragen über den Agrarkommunismus der germanischen Urzeit, 1928; Voltelini, H. v., Nordgermanische Grabfunde, ZRG GA 51 (1931), 111; Neckel, G., Liebe und Ehe, 1932; Schmidt, L., Geschichte der deutschen Stämme. Die Ostgermanen, 2. A. 1934; Höfler, O., Kultische Geheimbünde der Germanen, 1934; Gdeken, P., Retsbrudet, 1934; Wührer, K., Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des germanischen Nordens, 1935; Eckhardt, K., Irdische Unsterblichkeit, 1937; Schultz, W., Altgermanische Kultur, 4. A. 1937; Grönbech, W., Kultur und Religion der Germanen, Bd. 1f. 1937ff.; Germanische Altertumskunde, hg. v. Schneider, H., 1938; Schulz, W., Indogermanen und Germanen, 2. A. 1938; Meyer, H., Das Wesen des Führertums in der germanischen Verfassungsgeschichte, 1938; Schmidt, L., Geschichte der deutschen Stämme. Die Westgermanen, 1938; Eckhardt, K., Ingwi und die Ingweonen, ZRG GA 59 (1939), 1; Haller, J., Der Eintritt der GFermanen in die Geschichte, 1939; Paulsen, P., Axt und Kreuz bei den Nordgermanen, 1939; Kienle, R., Germanische Gemeinschaftsformen, 1939; Thaerigen, G., Die Nordharzgruppe der Elbgermanen, 1939; Eckhardt, K., Ingwi und die Ingweonen, 2. A. 1940; Kramer, K., Die Dingbeseelung in der germanischen Überlieferung, 1940; Rehfeldt, B., Recht, Religion und Moral bei den frühen Germanen, ZRG GA 71 (1954), 1; Scovazzi, M., Le origini del diritto germanico, 1957; Germanen, hg. v. Krüger, P., 5. A. 1988; Mildenberger, G., Sozial- und Kulturgeschichte der Germanen, 2. A. 1977; Uslar, R. v., Die Germanen, 1980; Germanenprobleme aus heutiger Sicht, hg. v. Beck, H., 1986; Jacoby, M., Germanisches Recht und Rechtssprache zwischen Mittelalter und Neuzeit, 1986; Picard, E., Germanisches Sakralkönigtum?, 1991; Price, A., The Germanic Warrior Clubs, 2. A. 1996; Wolfram, H., Die Germanen, 7. A. 2002; Günnewig, B., Das Bild der Germanen und Britannier, 1998; Todd, M., Die Germanen, 2000; Pohl, W., Die Germanen, 2000; Ernst, P./Fischer, G., Die germanischen Sprachen, 2001; Krause, A., Die Geschichte der Germanen, 2002; Hermand, J./Niedermeier, M., Revolutio germanica. Die Sehnsucht nach der alten Freiheit der Germanen 1750-1820, 2002; Bemmann, K., Arminius und die Deutschen, 2002; Maier, B., Die Religion der Germanen, 2003; Simek, R., Religion und Mythologie der Germanen, 2003; Arminius und die Varusschlacht, hg. v. Wiegels, R. u. a., 3. A. 2003; Simek, R., Götter und Kulte der Germanen, 2004; Maier, G., Ämter und Aufträge in der Romaania Gothica, 2004; Fruscione, D., Zur Frage eines germanischen Rechtswortschatzes, ZRG GA 122 (2005), 1 Germania (bzw. De origine et situ Germaniae) ist ein 98 n. Chr. (?) verfasstes Werk des römischen Schriftstellers Publius Cornelius Tacitus (um 55-nach 115, 97 Konsul). Die G. schildert das Naturvolk der Germanen als ein gegen den Sittenverfall in Rom nachzuahmendes Vorbild. Deshalb bedürfen die Aussagen dieser für die germanische Zeit wichtigsten Geschichtsquelle sorgfältiger Prüfung. Überliefert ist die G. durch eine Hersfelder bzw. Fuldaer, 1455 nach Italien gebrachte und dort in ihrem die G. betreffenden Teil verschollene Sammelhandschrift des 9. oder 10. Jh.s. Lit.: Müllenhoff, K., Die Germania des Tacitus, 1900, neuer Abdruck 1920; Norden, E., Die germanische Urgeschichte in Tacitus' Germania. Teubner, Leipzig 1920; Lintzel, M., Germanische Monarchien und Republiken in der Germania des Tacitus, ZRG GA 54 (1934), 227; Melander, K., Tacitus Germania als Quelle der deutschen Frühgeschichte, 1940; Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 3. A. 1967; Krapf, L., Germanenmythos und Rechtsideologie, 1979; Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, Teil 1f., hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1989ff.; Wolfram, H., Die Germanen, 7. A. 2002; Germania inferior, hg. v. Grünewald, T., 2001; Busch, J., Das Germanenbild der deutschen Rechtsgeschichte, 2004 Germanisches Recht ist die Gesamtheit der bei den verschiedenen Stämmen der -> Germanen geltenden Rechtssätze. Das germanische Recht ist infolge der bescheidenen Überlieferung nur teilweise bekannt oder erschließbar. Es ist vermutlich größtenteils als Gewohnheitsrecht entstanden, wenngleich auch einzelne Rechtssetzungsakte wahrscheinlich 252 sind. Ein mythischer Gesetzgeber ist ebenso- wenig anzunehmen wie ein germanischer Rechtsgott. Die Einzelne, in Raum und Zeit individuelle germanische Völkerschaft behandelt ihre allgemeinen Angelegenheiten in der von einem König oder mehreren Vornehmen geleiteten -> Volksversammlung. Dort ergehen auch Urteile in Streitigkeiten. Eine allgemeine Verfolgung findet nur bei wenigen Verhaltensweisen (Volksverrat, Unzucht) statt. In der Familie steht der Haus- vater an der Spitze. Die Ehe ist grundsätzlich Einehe und wird vom Gewalthaber über die Frau mit dem Mann abgeschlossen. Sie kann durch Einverständnis der Eheleute oder durch Erklärung des Mannes aufgelöst werden. Beim Tod fallen die Güter an die Kinder oder weiteren Verwandten. Ein Testament gibt es nicht. Streitig ist, ob neben Haus und Hof auch Acker und Wiese einzeln zugeordnet sind und der Berechtigte über sie verfügen kann. Die wohl seltenen Tauschgeschäfte und Verga- bungen erfolgen als Handgeschäfte. Unrechtserfolge ziehen die -> Fehde nach sich, doch ist ein Ausgleich durch Leistungen, die teils an den Verletzten, teils an die Allgemeinheit gehen, möglich. Lit.: Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Grundriss der germanischen Philologie, hg. v. Paul, H., 1890 (Recht v. Amira, K. v.); Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958; Schreuer, H., Altgermanisches Sakralrecht, ZRG GA 34 (1913), 313; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Amira, K., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Wiebrock, I., Die Sippe bei den Germanen der Frühzeit, 1979; Murray, Germanic Kinship Structure, 1983; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Kroeschell, K., Germanisches Recht als Forschungsproblem, FS H. Thieme, 1986; Landau, P., Prinzipien germanischen Rechts als Grundlage nationalistischer und völkischer Ideologie, in: Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth, F., 1999 Germanist ist der sich mit den (Germanen und) Deutschen befassende Rechtswis- senschaftler oder Sprachwissenschaftler. Er steht in Gegensatz zum Romanisten. Die Unterscheidung entwickelt sich seit dem (17. Jh. [Conring, H.], De origine iuris Germanici, 1643, Hauschild 1741, Cg. [!] 1780 bzw.) 19. Jh. (Eichhorn, Grimm, Brunner). Sie verliert mit der Internationalisierung des Rechtes an Bedeutung. Lit.: Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Gierke, O. v., Die historische Rechtsschule und die Germanisten, 1903; Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 101 (1984), 1; Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth, F. u. a., 1999, 327; Internationales Germanistenlexikon 1800 bis 1950, hg. v. König, C., 2003 Gerüfte (Gerüft) ist im mittelalterlichen deutschen Recht die durch Geschrei erfolgende Verlautbarung eines (rechtswidrigen) Ge- schehens (z. B. einer Vergewaltigung) oder einer drohenden Gefahr. Dem G. ist zwecks Hilfestellung Folge zu leisten. Es befreit den Rufenden von dem Verdacht der Verheimlichung. Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 70; Köbler, WAS; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 190, 517; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff., Neudruck 1964 Gesamtgläubigerschaft ist die Gläubigerschaft, bei der jeder Gläubiger die gesamte Schuld verlangen kann, der Schuldner aber nur einmal zu leisten verpflichtet ist. Lit.: Riedler, A. Gesamt- und Teilgläubigerschaft, 1998 Gesamthand ist die Mehrheit von Menschen, denen ein Sondervermögen in besonderer Art und Weise (gesamthänderisch) zusteht. Vielleicht fällt in einfachen Gesellschaften der Nachlass eines Menschen an mehrere Erben allgemein in der Art und Weise an, dass der einzelne Beteiligte über seinen Anteil am Nachlass (und einzelnen Nachlassgegen- ständen) nicht (allein) verfügen kann. Jedenfalls deuten die mittelalterlichen Rechtsquellen auf eine derartige Gestaltung (zu gesamter Hand) in Deutschland (-> Gan- erbschaft, -> Gemeinderschaft, -> Handels- gesellschaft). In der frühen Neuzeit behandelt die Rechtswissenschaft diese Verbindungen meist als (lat. [F.]) -> societas oder -> communio. Im 19. Jh. versteht Georg -> Beseler (1809-1888) unter der G. eine Gemeinschaft, die für bestimmte Beziehungen 253 die Grenzen der Persönlichkeit ihrer Glieder aufhebt und dieselbe gleichmäßig über die den Gliedern gemeinsam gewordene Rechtssphäre erweitert, ohne dass jedoch ein neues selbständiges Rechtssubjekt in der Vereinigung begründet wird. Nach dem Protest Otto von -> Gierkes (1888/1889), dass ein Bürgerliches Gesetzbuch, das deutsch sein wolle, den deutschen, sozialen Gemeinschaftsgedanken nicht aus dem Recht weisen dürfe, wird die G. als Prinzip, als dessen Kennzeichen die gemeinsame Verfügung der mehreren Beteiligten über den Gegenstand und die Anwachsung der Berechtigung beim Wegfall eines Beteiligten (an die Berechtigungen der Verbleibenden) angesehen werden, an einzelnen Stellen noch in die in Kraft gesetzte Fassung des deutschen -> Bürgerlichen Gesetz- buches (1. 1. 1900) aufgenommen (Gesell- schaft, eheliche Gütergemeinschaft, Erbenge- meinschaft). Die G. ist nicht juristische Person. Ihre rechtliche Gestaltung ist streitig. Lit.: Hübner 154, 250, 570, 680; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 122, 207; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2 1873, 923; Frommhold, G., Zur Geschichte der gesamten Hand, ZRG GA 37 (1916), 504; Buchda, G., Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandlehre, 1936; Seif, U., Die Gesamthand als Konstruktion der Germanistik, ZRG GA 118 (2001), 302; Wächter, T., Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch, 2002 Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) ist die Nachfolge in einen Inbegriff von Vermögensgegenständen ohne einzelne Übertragungsakte. Sie ist schon dem römischen Recht bei der -> Erbfolge bekannt. An tatsächlicher Bedeutung wird sie aber von der im Übrigen vorgesehenen Einzelrechts- nachfolge übertroffen. Lit.: Kaser § 65 II; Köbler, DRG 37, 59, 210; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004 Gesamtschuld ist die Schuld, die mehrere in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung insgesamt nur einmal zu fordern berechtigt ist. Sie ist bereits dem klassischen römischen Recht (lat. [N.] [debitum] in solidum) bekannt. Wegen ihrer Brauchbarkeit für den Gläubiger mehrerer Schuldner hat sie sich bis zur Gegenwart behauptet. Lit.: Kaser § 56 II 1; Köbler, DRG 44; Ehmann, H., Die Gesamtschuld, 1972; Winter, H., Teilschuld, Gesamtschuld und unechte Gesamtschuld, 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 51 (Solidarität) Gesandter ist der diplomatische Vertreter eines Staates bei einem anderen Staat oder einer internationalen Organisation. Bereits im römischen Recht ist der fremde Gesandte unverletzlich. Im 15. Jh. wird in Italien der ständige Gesandte geschaffen. Im 19. Jh. wird das diesbezügliche Völkerrecht genauer ausgestaltet (Wiener Reglement vom 19. 3. 1815, Aachener Protokoll vom 21. 11. 1818, danach Wiener Übereinkommen vom 18. 4. 1961). Lit.: Krauske, O., Zur Entwicklung der ständigen Diplomatie, 1885; Menzel, V., Deutsches Gesandtschaftswesen im Mittelalter, 1892; Borgolte, M., Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden, 1976; Cuttino, G., English Medieval Diplomacy, 1985; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa, hg. v. Schwinges, R. u. a., 2003 Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, mit rechtlicher Wirkung durch eigene Handlung Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Sie wird bereits vom römischen Recht dem Kind (lat. [M.] infans) (unter 7) abgesprochen. Der etwas ältere Unmündige (lat. [M.] impubes infantia maior) kann rechtlich unvorteilhafte Geschäfte nur mit Einverständnis des Vormundes vornehmen. Um 200 v. Chr. sieht eine (lat.) lex (F.) Laetoria vor, dass die noch nicht 25jährigen geschützt werden, woraus die Möglichkeit entwickelt wird, durch Wiederherstellung des früheren Zustandes (lat. in integrum restitutio [F.]) die Leistungen und sonstigen benachteiligenden Maßnahmen wieder rückgängig zu machen. Im germa- nischen Recht steht das Kind bis zu seiner Verselbständigung unter der Hausgewalt des Hausvaters oder bis zur Wehrhaftmachung bzw. Geschlechtsreife unter der Hausgewalt des Vormundes. Zwar sind die Geschäfte von Unmündigen wohl an sich wirksam, aber die Unmündigen können die von ihnen oder vom Inhaber der Personalgewalt getätigten Ge- schäfte nach Erreichen der Mündigkeit 254 widerrufen und umgekehrt Geschäfte, durch die sie verpflichtet werden, nicht erfüllen, solange ihr Vermögen von einem Gewalthaber verwaltet wird. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter werden dessen Regeln (abgeändert) übernommen. Geschäfte der Geschäftsun- fähigen sind nichtig (Kinder unter 7, Entmündigte, Geisteskranke), Geschäfte der beschränkt Geschäftsfähigen bedürfen der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters, soweit sie nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind. Der Ausdruck G. wird am 12. 7. 1875 in Preußen verwendet. Lit.: Kaser § 14 I; Hübner 55; Köbler, DRG 160, 207; Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen, 1983; Wolter, U., Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, 1991; Benöhr, H., Über Udo Wolters Buch zu Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, ZRG GA 112 (1995), 413; Minzenmay, S., Die Wurzeln des Instituts der Geschäftsfähigkeit im Naturrecht des 17. Jahrhunderts, 2003 Geschäftsführung ohne Auftrag ist das gesetzliche, unvollkommen zweiseitige Schuldverhältnis, das dadurch entsteht, dass ein Geschäftsführer (ohne Auftrag) für einen anderen (Geschäftsherrn) ein Geschäft besorgt, obwohl zwischen ihnen noch kein Rechtsverhältnis (Auftrag) besteht. Die G. o. A. (lat. negotia [N.Pl.] gesta, geführte Geschäfte) ist im römischen Recht entsprechend ihrer Stellung im Edikt des Prätors vermutlich von der Vertretung im Rechtsstreit ausgegangen. Die Verpflichtungen aus der Tätigkeit (Herausgabe des vom Geschäftsführer Erlang- ten, Ersatz der Aufwendungen des Geschäfts- führers) werden wie beim Auftrag auf die Treue (lat. [F.] fides) begründet. Justinian ordnet die G. o. A. als Quasikontrakt ein. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes wird die G. o. A. als gesetzliches Schuldverhältnis in Deutschland übernommen. Lit.: Kaser § 44 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 47; Wollschläger, C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 98; Sippel, H., Geschäftsführung ohne Auftrag, 2005 Geschäftsgrundlage -> clausula rebus sic stantibus Lit.: Zirker, M., Vertrag und Geschäftsgrundlage, 1996; Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im deutschen und italienischen Recht, 2002 Geschäftsordnung ist die einer Geschäftsführung einer Gruppe von Menschen zugrundegelegte Ordnung. Lit.: Hayungs, C., Die Geschäftsordnung des hannover- schen Landtages, 1999 Geschäftsunfähigkeit -> Geschäftsfähigkeit Geschäftszeuge ist der zu einem Geschäft als - > Zeuge zugezogene Mensch. Er findet sich bereits im frühen römischen und im germanischen Recht. Mit Vordringen der Schriftlichkeit verliert er seit dem Hochmittel- alter an Bedeutung. Lit.: Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922 Geschichte ist das in der Dimension Zeit Geschehene und die damit befasste Wissenschaft (Anfänge bei [Eunapios, ]Herodot und Thukydides in der griechischen Antike). Besondere Gebiete der G. sind beispielsweise das Recht, die Gesellschaft oder die Wirtschaft. Methode der G. ist das Verstehen des Vergangenen durch den gegenwärtigen Betrachter. Lit.: Wattenbach, W., Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, 1858; Below, G. v., Die deutsche Geschichtsschreibung, 1916; Rothenbücher, K., Über das Wesen des Geschichtlichen, 1926; Wattenbach, W., Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 1ff. 1938ff.; Brandenburg, E., Der Begriff der Entwicklung, 1941 (SB Leipzig); Weis, E., Geschichtsschreibung und Staatsauffassung in der französischen Enzyklopädie, 1956; Dahlmann/Waitz, Quellenkunde der deutschen Geschichte, 10. A. Bd. 1f. 1969ff.; Fuchs, K./Raab, H., Wörterbuch Geschichte, 11. A. 1998; Baumgart, W., Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte, 15. A. 2003; Brandt, A., Werkzeug des Historikers, 16. A. 2003; Postel, R., Johann Martin Lappenberg, 1972; Meister, K., Die griechische Geschichtsschreibung, 1990; Simon, C., Historiographie, 1996; Demandt, A., Geschichte der Geschichte, 1997; Burkardt, J., Die historischen Hilfswissenschaften in Marburg, 1997; Iggers, G., Deutsche Geschichtswissenschaft, 4. A. 1997; Hauptwerke der Geschichtschreibung, hg. v. Reinhardt, V., 1997; Flach, D., Römische Geschichtsschreibung, 3. A. 1998; Das europäische Geschichtsbuch, 1998; Kirste, S., Die Zeitlichkeit des positiven Rechts, 1998; Goetz, H., Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein, 1999; Das Jahrtausend im Spiegel der Jahrhunderte, hg. v. Gall, L., 1999; Chun, J., Das Bild der Moderne in der Nachkriegszeit, 2000; Geschichtskultur, hg. v. Mütter, B. u. a., 2000; Mehl, A., Römische Geschichtsschreibung, 2001; Kompass der Geschichtswissenschaft, hg. v. 255 Lottes, G. u. a., 2001; Internet-Handbuch Geschichte, hg. v. Jenks, S. u. a., 2001; Wolfrum, E., Geschichte als Waffe, 2001; Die Nation schreiben, hg. v. Conrad, C. u. a., 2002; Geschichtswissenschaft um 1950, hg. v. Duchhardt, H., 2002; Lexikon Geschichtswissenschaft, hg. v. Jordan, S., 2002; Geschichte(n) der Wirklichkeit, hg. v. Landwehr, A., 2002; Kompass der Geschichtswissenschaft, hg. v. Eibach, J. u. a., 2002; Fellner, F., Geschichtsschreibung und nationale Identität, 2002; Formen römischer Geschichtsschreibung von den Anfängen bis Livius, hg. v. Eigler, U., 2003; Howell, M./Prevenier, W., Werkstatt des Historikers, 2004; Fried, J., Der Schleier der Erinnerung, 2004; Freytag, N./Piereth, W., Kursbuch Geschichte, 2004; Griff nach der Deutungsmacht, hg. v. Winkler, A., 2004; Geschichtspolitik, hg. v. Fröhlich, C. u. a., 2004; Wozu Geschichte(n)?, hg. v. Sommer, A. u. a., 2004; Fried, J., Der Schleier der Erinnerung, 2004; Herbst, L., Komplexität und Chaos, 2004; Schramm, G., Fünf Wegscheiden der Weltgeschichte, 2004; Fasolt, C., The Limits of History, 2004; Henning, E., Auxilia historica, 2. A. 2004; Clemens, G., Sanctus amor patriae, 2004; Zwenger, T., Einführung in die Geschichtsphilosophie, 2005; Tschopp, S., Das Unsichtbare begreifen, HZ 280 (2005), 39; Geschichtsdarstellung, hg. v. Bors, V. u. a., 2005; Baberowski, J., Der Sinn der Geschichte, 2005 Geschlecht Lit.: Stoob, H., Die dithmarsischen Geschlechterverbände, 1951 Geschlechtsvormundschaft -> Vormund- schaft, Frau Lit.: Signori, G., Geschlechtsvormundschaft und Gesellschaft, ZRG GA 116 (1999), 119 Geschmacksmuster ist das ästhetisch wirkende gewerbliche Muster oder Modell, das durch Gesetz zugunsten des Urhebers besonders geschützt ist. Seine Anfänge gehen auf Zunftordnungen in Florenz (1418), Genf (1432), Flandern und Burgund zurück. Staatliche Regelungen werden im 18. Jh. in Frankreich (1711, 1744) und England (1787) erlassen. Eine Unterscheidung zwischen Kunstwerk und G. findet Frankreich (1787, 1806). In Deutschland wird am 11. 1. 1876 das Geschmacksmustergesetz geschaffen. Lit.: Schmid, P., Die Entwicklung des Geschmacks- musterschutzes, 1896; Werner, H., Die Geschichte des deutschen Geschmacksmusterrechtes, Diss. jur. Erlangen 1954 Geschworener (lat. [M.] iuratus) ist der Mensch, der einen Schwur (-> Eid) abgelegt hat (, eine Handlung rechtmäßig auszuführen). Geschworene treten im römischen Recht und auch im Frühmittelalter im deutschen Recht auf. Insbesondere Inhaber eines Amtes müssen einen Eid leisten, ihr Amt rechtmäßig auszuüben (z. B. Richter, Schöffe, Bürger- meister, Ratmann). Im 19. Jh. wird das -> Schwurgericht mit besonderen Geschworenen besetzt. Lit.: Söllner §§ 8, 9, 11; Köbler, DRG 263; Biener, F., Beitrag zur Geschichte des Inquisitionsprozesses und der Geschworenengerichte, 1827, Neudruck 1965; Gneist, R. v., Die Bildung der Geschworenengerichte in Deutschland, 1849, Neudruck 1967; Mayer, E., Geschworenengericht und Inquisitionsprozess, 1916; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Behrends, O., Die römische Geschworenenverfassung, 1970; Kleinz, A., Individuum und Gemeinschaft in der juristischen Germanistik, 2001 Geselle ist ursprünglich der Mensch, der im selben Raum lebt. Im 18. Jh. wird G. zur Bezeichnung des Handwerkers, der nach einer Lehrzeit eine Prüfung bestanden hat und noch nicht Meister ist. Lit.: Köbler, WAS; Schanz, G., Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände, 1877; Wissel, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, Bd. 1ff. 2. A. 1981; Reininghaus, W., Die Entstehung der Gesellengilden im Spätmittelalter, 1981; Historische und rechtshistorische Beiträge und Untersuchungen zur Frühgeschichte der Gilde, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Wesoly, K., Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein, 1985 Gesellschaft ist die Gesamtheit von Menschen, insbesondere im Privatrecht die Vereinigung mehrerer Menschen (ausnahmsweise auch nach neuerer Entwicklung die Tätigkeit eines einzigen Menschen) durch Rechtsgeschäft zur Erreichung eines (gemeinsamen) Zweckes. Im altrömischen Recht schließt sich die G. an die Hauserbengemeinschaft (lat. [N.] -> consortium, ohne persönliche Haftung der Gesellschafter) an. Daneben entwickelt sich in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten ein formfreier Zusammenschluss zu gemeinschaftlichen Handelsunternehmungen. Aus beiden entsteht die G. (lat. [F.] -> societas). Wohl auch im Anschluss an die Miterbengemeinschaft bilden sich im Hochmittelalter vertragliche Zusammen- 256 schlüsse zu Handelszwecken unterschiedlicher Ausgestaltung (stille G., offene G., beschränkte Haftung, unbeschränkte Haftung, Mitarbeit, Kapitaleinsatz, wahrscheinlich persönliche Haftung des Gesellschafters, erstmals jedenfalls angeordnet in Stadtrechtsreformationen). Hieraus werden allmählich die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesell- schaft und die stille G. Nach Entdeckung der neuen Welt bewirken hoher Kapitalbedarf und großes Risiko die Ausbildung der -> Aktien- gesellschaft (Anfang 17. Jh.). In den Kodifikationen zwischen 1794 und 1811 wird das Gesellschaftsvermögen zum eigenen Haftungsvermögen. Im 19. Jh. wird das Recht der G. genauer geregelt. 1892 wird durch Gesetz eine besondere -> G. mit beschränkter Haftung geschaffen. Die Grundform der nichtrechtsfähigen G. wird im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) als -> Gesamthand ausgestaltet. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird zunächst bei der G. mit beschränkter Haftung die -> Einmann- gesellschaft zugelassen. Lit.: Kaser § 43; Hübner § 41; Köbler, DRG 14, 17, 29, 45, 46, 51, 64, 67, 98, 121, 135, 146, 167, 176, 207, 225, 252; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 801; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Lehmann, K., Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts, 1895, Neudruck 1968; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften, 1898; Silberschmidt, W., Beteiligung und Teilhaberschaft, 1915; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique des Sociétés de Commerce en France, 1938; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Servos, R., Die Personenhandelsgesellschaften und die stille Gesellschaft, Diss. jur. Köln 1984; Weißen-Micus, M., Tatbestandsmerkmale des Gesellschaftsvertrags im 19. Jahrhundert, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 107; Misera, K., Klagen manente societate, FS R. Nirk, 1992, 697; Reiter, H., Die Handelsgesellschaft Villeroy & Boch, 1992; Cordes, A., Stuben und Stubengesellschaften, 1993; Gall, L., Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, 1993; Friedeburg, R. v., Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit, 1997; Cordes, A., Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel im Hanseraum, 1998; Hartung, W., Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, Diss. jur. Bonn 2000; Hofmeister, J., Die Entwicklung des Gesellschafterwechsels, 2002; Thomas, F., Die persönliche Haftung von Personenge- sellschaftern, 2003; Weiss, M., Rechtsfähigkeit, Parteifähigkeit und Haftungsordnung der BGB- Gesellschaft, 2005 Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist die rechtsfähige Kapitalgesellschaft, die 1892 im Deutschen Reich durch besonderes Gesetz geschaffen wird und die im 20. Jh. beachtliche Verbreitung erfährt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 218, 272; Schubert, W., Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 589; Entwurf des Reichsjustizministeriums zu einem Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1939, hg. v. Schubert, W., 1985; Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Ausschuss für GmbH-Recht, 1986; Stroth, R., Das Recht der GmbH, Diss. jur. Tübingen 1991; Koberg, P., Die Entstehung der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992; Stupp, M., GmbH-Recht im Nationalsozialismus, 2002; Kalss, S./Eckert, G., Zentrale Fragen des GmbH-Rechts, 2005 Gesellschafter ist das Mitglied einer (wirtschaftlichen) ->Gesellschaft. Gesellschaftsrecht ist die Gesamtheit der (handelsrechtliche) -> Gesellschaften betref- fenden Rechtssätze. Das G. verselbständigt sich als besonderes Rechtsgebiet seit dem 19. Jh. Lit.: Adler, K., Zur Entwicklungslehre und Dogmatik des Gesellschaftsrechts, 1895; Löber, B., Das spanische Gesellschaftsrecht im 16. Jahrhundert, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2969; Neuere Tendenzen im Gesellschaftsrecht, hg. v. Crone, H. v. d., 2003 Gesellschaftsvertrag ist politisch der von den Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft zur Beseitigung des Kampfes aller gegen alle (idealtypisch) geschlossene Vertrag (Jean Jacques -> Rousseau, [frz.] contrat [M.] social), privatrechtlich der zwischen den Gesellschaftern einer -> Gesellschaft abgeschlossene Vertrag. Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 191; Crezelius, G., Neu- zeitliche Gesellschaftsverträge, 1987 Gesetz ist die abstrakte und allgemeine, in einem festgelegten Verfahren durch Fest- setzung geschaffene rechtliche Regelung. Sein Kern ist die bewusste Festsetzung eines Inhaltes durch besondere Handlung. Als G. erscheint - (nach dem Codex Urnammu des Königs Urnammu von Lagusch [Ur, um 2100 257 v. Chr.] und dem Codex des babylonischen Königs -> Hammurapi [1728-1686 v. Chr. ],) nach den Festsetzungen -> Lykurgs, -> Solons und -> Drakons in griechischen Stadtstaaten sowie nach sagenhaften römischen Königs- gesetzen - in Rom 451/450 v. Chr. in das -> Zwölftafelgesetz (lat. lex [F.] duodecim tabularum). In der Folge gibt es zahlreiche römische, jeweils nach ihrem Urheber benannte Einzelgesetze (-> lex). Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) greift der Herrscher (Prinzeps, Kaiser) vielfach zur Festsetzung (lat. [F.] constitutio), um das Recht zu gestalten. Dabei werden am Ende des Altertums umfassende, älteres Recht aber nur kompilierende Gesetzbücher (lat. [M.Pl.] codices) in Kraft gesetzt (-> Codex Theodosianus, -> Codex). Demgegenüber ist bei den Germanen die Setzung von Recht wohl selten. Die fränkischen Herrscher schließen deshalb in Konstitutionen und Kapitularien eher an römische Vorbilder an. Im 12. Jh. tritt der Setzungsgedanke wieder hervor (-> Land- friede). Er bleibt im Heiligen Römischen Reich aber wegen der Schwerfälligkeit des Gesetzgebungsverfahrens eher Ausnahme. Dagegen wird der absolutistische Landesherr vielfach gesetzgeberisch tätig. Die gewich- tigsten Zeugnisse dieses Wirkens sind die -> Polizeiordnungen, -> Reformationen und vor allem die naturrechtlichen Gesetzbücher (-> Kodifikationen) der Wende vom 18. zum 19. Jh. (preußisches Allgemeines Landrecht 1794, französischer Code civil 1804, österreichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch 1811/- 1812). Mit dem 19. Jh. beginnt eine noch immer steigende, vom Rechtsstaatsgedanken und der beachtlichen Vergütung der gesetzgeberischen Tätigkeit der Abgeordneten und ihrer Gehilfen nicht unwesentlich beeinflusste Gesetzesflut. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 4, 6, 31, 50, 52, 78, 101, 138, 181, 189, 199, 254; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 863; Schubert, A., Augustins Lex-aeterna-Lehre, 1924; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958; Kopp, H., Inhalt und Form der Gesetze, 1958; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Kirschenmann, D., ,,Gesetz" im Staatsrecht und in der Staatsrechtslehre des Nationalsozialismus, 1970; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Schott, C., Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur, 1975; Genicot, L., La Loi, 1977; Willoweit, D., Gesetzespublikationen und verwaltungsinterne Gesetzgebung, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 601; Berman, H., Law and Revolution, 1983; Lübbe-Wolff, G., Das wohlerworbene Recht als Grenze der Gesetzgebung im neunzehnten Jahrhundert, ZRG GA 103 (1986), 104; Zum römischen und neuzeitlichen Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O. u. a., 1987; Karpen, U., Entwicklung des Gesetzesbegriffes in Deutschland, Gedächtnisschrift W. Martens, 1987; Hattenhauer, H., Richter und Gesetz (1919-79), ZRG GA 106 (1989), 46; Das Gesetz in Spätantike und Frühmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1992; Flach, D., Die Gesetze der frühen römischen Republik, 1994; Nomos und Gesetz, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995; Klemmer, M., Gesetzesbindung und Richterfreiheit, 1996; Schilling, L., Gesetzgebung im Frankreichs Ludwigs XIII., Ius commune 24 (1997), 91; Simon, T., Krise oder Wachstum?, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Gesetz und Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998; Weber, R., Das Gesetz bei Philon von Alexandria und Flavius Josephus, 2001; Igwecks, T., Die drei Lesungen von Gesetzen im deutschen Bundestag, 2002; Elster, M., Die Gesetze der mittleren römischen Republik, 2003; Holzborn, T., Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003; Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch, 2003; Stolleis, M., Das Auge des Gesetzes, 2004; Schröder, J., Gesetz und Naturgesetz in der frühen Neuzeit, 2004; Gesetz und Vertrag, hg. v. Behrends, O. u. a., 2004; Alexandrino Fernandes, J., Die Theorie der Interpretation des Gesetzes, 2005 Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005 Gesetzblatt ist das amtliche Druckwerk, in dem Gesetze (und Rechtsverordnungen) zu veröffentlichen sind (z. B. Frankreich 4. 12. 1793 Bulletin des lois de la république, Bayern 1799 Kurbayrisches Regierungs- und Intelligenzblatt, Baden 1803 Kurfürstliches Regierungsblatt, Württemberg 1807 Königlich württembergisches Staats- und Regierungsblatt, Westphalen 1807, Großherzogtum Hessen 1808 Großherzoglich Hessische Zeitung, Preußen 1810 Gesetzessammlung, Mecklenburg-Schwe- rin 1812, Oldenburg 1814, Hannover 1818, Sachsen 1818, Österreich 1849 Reichsgesetz- 258 blatt, Schleswig-Holstein 1849). Lit.: Silvestri, G., Die deutschsprachigen Gesetzblätter Österreichs, 1967; Willoweit, D., Gesetzespublikationen und verwaltungsinterne Gesetzgebung in Preußen vor der Kodifikation, Gedächtnisschrift H. Conrad 1979, 601; Holzborn, T., Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003 Gesetzbuch ist das umfassende Gesetz. Es findet sich bereits im Altertum (Codex Theodosianus, Codex Justinianus). Danach erscheint es wieder in der frühen Neuzeit (ALR, Code civil, ABGB usw.). Lit.: Caroni, P., Gesetz und Gesetzgebung, 2003 Gesetzesauslegung -> Auslegung, -> Interpretation, -> Gesetz Lit.: Wesel, U., Rhetorische Statuslehre und Gesetzesauslegung der römischen Juristen, 1967; Pauly, S., Organisation, Geschichte und Praxis der Gesetzesauslegung des königlich preußischen Oberverwaltungsgerichts 1875-1933, 1987 Gesetzespositivismus ist die Form des Positivismus im Recht, die im letzten Drittel des 19. Jh.s das Recht allein auf das den Volkswillen verkörpernde -> Gesetz gründet. Der G. geht davon aus, dass das ordnungs- mäßige Zustandekommen des Gesetzes Willkür ausschließt und Gerechtigkeit gewährleistet. Deshalb bindet er den Richter fest an das Gesetz. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 189 Gesetzessammlung, Gesetzsammlung, ist die Zusammenstellung von einzelnen Gesetzen zwecks Vermehrung der Rechtssicherheit. Sie erfolgt im Altertum zunächst privat (-> Codex Gregorianus 294, -> Codex Hermogenianus) und danach im besonderen Gesetzbuch (-> Codex Theodosianus, -> Codex). Auch in der Neuzeit erweisen sich teils amtliche, teils private Gesetzessammlungen als notwendig oder sinnvoll. Lit.: Köbler, DRG 181; Codex Austriacus, 1704, 1748, 1752, 1777; Justizgesetzsammlung (Österreichs), 1780- 1848; Politische Gesetzsammlung (Österreichs) 1793- 1848; Quellensammlung zum deutschen Reichs- staatsrecht, hg. v. Triepel, H., 5. A. 1931 Gesetzessprecher ist der für Island (930- 1262/1271) gesicherte bzw. abgeändert auch für Norwegen (um 1100) und Schweden wahrscheinliche, auf Zeit oder Lebenszeit gewählte Rechtskundige, der in der Volksversammlung (-> Ding) das Recht mündlich vorträgt. Die Herkunft des Gesetzessprechers ist unbekannt. In Island verschwindet der G. im 13. Jh. wieder. Lit.: Köbler, DRG 70; Maurer, K., Das Alter des Gesetzessprecheramtes in Norwegen, FG L. Arndt, 1875, 1; Schröder, R., Gesetzsprecheramt und Priestertum bei den Germanen, ZRG GA 4 (1883), 215; Lehmann, K., Zur Frage nach dem Ursprunge des Gesetzsprecheramtes, ZRG GA 6 (1885), 193; Haff, K., Der germanische Rechtssprecher als Träger der Kontinuität, ZRG GA 66 (1948), 364; Rehfeldt, B., Saga und Lagsaga, ZRG GA 72 (1955), 34; See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964, 44, 82, 107, 195 Gesetzesumgehung -> Umgehungsgeschäft Lit.: Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985; Benecke, M., Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 2004 Gesetzgeber ist der Urheber eines -> Gesetzes. In monarchisch geprägten Zeiten ist dies der -> Monarch (z. B. Augustus, Diokletian, Justinian), in demokratisch strukturierten Gesellschaften das -> Parlament als die Vertretung des Volkes. Lit.: Kleeberger, W., Die Aufgaben der bayerischen Gesetzgebung in der Vorstellungswelt des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. München 1958; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959), 173; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970; Hesse, H., Gesetzgeber und Gesetzgebung in Bayern 1848-1870, 1984; Kipper, E., Johann Paul Anselm Feuerbach, 2. A. 1989; Kummerer, C., Der Fürst als Gesetzgeber in den lateinischen Übersetzungen von Averroes, 1989; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung im antiken Griechenland, 1999; Miersch, M., Der sogenannte réferé législatif. Eine Untersuchung zum Verhältnis Gesetzgeber, Gesetz und Richtermat, 2000 Gesetzgebung ist die Schaffung eines (formellen) -> Gesetzes. Sie ist im Altertum in erheblichem Umfang üblich. Im Frühmittelalter ist sie möglich. Im Hochmittelalter wird sie verstärkt aufgegriffen. Dabei entsteht im Umkreis der oberitalienischen Städte auf der Grundlage der von der Scholastik aufgenommenen Politik des Aristoteles die erste Gesetzgebungslehre, welche die Gesetz- gebung in die Mitte der Regierungstätigkeit des Fürsten stellt, aber nördlich der Alpen erst am Ausgang des Mittelalters wirksam wird. Die größte Bedeutung erlangt die G. seit dem Absolutismus und der Aufteilung der Gewalten 259 sowie der Anerkennung des Rechtsstaats. Lit.: Köbler, DRG 191; Niese, H., Die Gesetzgebung der normannischen Dynastie im regnum Siciliae, 1910; Hartz, W., Die Gesetzgebung des Reichs und der weltlichen Territorien in der Zeit von 1495-1555, Diss. phil. Marburg, 1931; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Gagnér, S., Studien zur Geschichte der Gesetzgebung, 1960; Mühl, M., Untersuchungen zur altorientalischen und althellenischen Gesetzgebung, 1963; Wolf, A., Typen der Gesetzgebung im Mittelalter, Ius commune 1 (1967); Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe occidentale, 1967; Birtsch, G., Gesetzgebung und Repräsentation im späten Absolutismus, HZ 208 (1969), 265; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Ziller, G., 30 Jahre Bundesgesetz- gebung, in: Bulletin der Bundesregierung 11. September 1979, Nr. 103, 960; Kussmaul, P., Pragmaticum und lex, 1981; Schulze, R., Geschichte der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 157; Kocher, G., Zur Funktion der Gesetzgebung im 18. Jahrhundert, in: Das achtzehnte Jahrhundert, Bd. 1 1983, 44; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983; Stolleis, M., Condere leges et interpretari. Gesetzgebungsmacht und Staatsbildung im 17. Jahrhundert, ZRG GA 101 (1984), 89; Gesetzgebung als Faktor der Staatsentwicklung, 1984; Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz als Grundlage der Gesetzgebung im nationalsozialistischen Staat, 1985; Renaissance du pouvoir législatif et génse de l´État, hg. v. Gouron, A. u. a., 1988; Gesetzgebung und Dogmatik, hg. v. Behrends, O. u. a., 1989; Wolf, A., Gesetzgebung in Europa 1100-1500, 2. A. 1996; Simon, T., Krise oder Wachstum? FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Ullrich, N., Gesetzgebungsverfahren und Reichstag, 1996; Gesetz und Gesetzgebung in der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998; Legislation und Justice, hg. v. Padoa Schioppa, A. u. a., 1995; Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der Gesetzgebung des Spätmittelalters in Deutschland, 2001; Prudentia legislatoria, hg. v. Maier, H. u. a., 2003; Mester, G., Die Volksinitiative in Sachsen, 2003; Mertens, B., Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, 2004; Schwieger, C., Volksgesetzgebung in Deutschland, 2005 Gesetzlicher Richter ist der vom Gesetz durch allgemeine Regeln festgelegte zuständige Richter. Mit dieser Einrichtung soll im Rechtsstaat unlauterer persönlicher Einfluss- nahme vorgebeugt werden. Nach älteren, bis ins Mittelalter (Kirchenrecht C. 2. q. 1. c. 7) zurückreichenden Ansätzen wird sie im Deutschen Bund in den Verfassungen des 19. Jh.s verwirklicht (Baden 1818 ordentlicher Richter, Hessen 1820 g. R.). Lit.: Köbler, DRG 200; Kern, E., Der gesetzliche Richter, 1927; Scupin, H., Der gesetzliche Richter im Bonner Grundgesetz, Diss. jur. Tübingen 1963; 2003; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003 Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist die Bindung der Tätigkeit der staatlichen Verwaltungsbehörden an rechtliche Vorschriften. Die G. d. V. wird erstmals 1810 von W. J. Behr zur Verhinderung übermäßiger Einschränkungen der menschlichen Handlungs- freiheit eingefordert (System der allgemeinen angewandten Staatslehre). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199 Gesinde ist die Gesamtheit der in einem Hauswesen beschäftigten und der Personalgewalt des Hausvaters unterstehenden Dienstboten (um 1800 10% der Bevölkerung). Zu unterscheiden ist dabei zwischen unfreiem und freiem G. Für das unfreie G. gelten zunächst die allgemeinen Regeln der -> Grundherrschaft. Für das freie G. entwickeln sich in den Städten im Spätmittelalter besondere Gesindevorschriften (z. B. Freiberg um 1300). Im 18. Jh. werden zahlreiche Gesindeordnungen erlassen und werden dann auch in Kodifikationen allgemeine Regeln festgelegt. Lit.: Köbler, DRG 127; Köbler, WAS; Hertz, G., Die Rechtsverhältnisse des freien Gesindes, 1881, 2. A. 1935; Kähler, W., Gesindewesen und Gesinderecht in Deutschland, 1896; Lennhoff, E., Das ländliche Gesindewesen in der Kurmark Brandenburg, 1906; Könnecke, O., Rechtsgeschichte des Gesindes in West- und Süddeutschland, 1912, Neudruck 1970; Götsch, S., Beiträge zum Gesindewesen in Schleswig-Holstein zwischen 1740 und 1840, 1978; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht im 19. Jahrhundert, 1981; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Schröder, R., Das Gesinde war immer frech und unverschämt, 1992; Dürr, R., Gesinde in der Stadt, 1995; Gesinde im 18. Jahrhundert, 1995 Gesta (N.Pl.) municipalia (lat.) sind im ausgehenden Altertum gemeindliche Verzeichnisse oder öffentliche Akten. 260 Lit.: Hirschfeld, B., Die gesta municipalia, Diss. Marburg 1904; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977 Gestaltungsrecht ist das Recht auf Gestaltung bzw. Änderung einer Rechtslage in einem fremden Rechtsbereich durch eigene Handlung (z. B. einseitiges Rechtsgeschäft). Es geht in seiner Entwicklung auf Savigny (anfechtbares Rechtsgeschäft), Windscheid (1856), Brinz und Zitelmann zurück. Den Begriff Gestaltungsrecht prägt Emil Seckel (1903). Lit.: Steiner, R., Das Gestaltungsrecht, 1984 Geständnis (lat. [F.] confessio) ist das Eingestehen der Wahrheit einer von einem anderen behaupteten Tatsache durch einen Verfahrensbeteiligten. Das G. gehört, weil es weiteren Streit entbehrlich macht, schon in die Anfänge des Verfahrensrechts. Dort wird es später als Königin der Beweismittel angesehen. Seiner Erzielung dient vor allem vom 13. Jh. bis zum 18. Jh. die -> Folter. Lit.: Kaser § 84 I 2; Köbler, DRG 117; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1914, 400; Kleinheyer, G., Zur Rolle des Geständnisses im Strafverfahren, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1980, 367ff. Gestapo (geheime Staatspolizei) ist die aus meist fähigen und harten, dem Staat aus Überzeugung dienenden, selbst vor brutalsten Maßnahmen nicht zurückschreckenden Polizis- ten zusammengesetzte politische Polizei (z. B. im nationalsozialistischen Deutschen Reich). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weyrauch, W., Gestapo V- Leute, 1989; Gellately, R., Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft, 2. A. 1994; Heuer, H., Geheime Staats- polizei, 1995; Die Gestapo, hg. v. Paul, G. u. a., 1995; Johnson, E., Nazi Terror, 1999; Stolle, M., Die Geheime Staatspolizei in Baden, 2001; Schmidt, S., Gestapo, Strafjustiz und ,,Kanzelmissbrauch" in Südbayern 1933 bis 1939, 2002; Bornschein, J., Gestapochef Heinrich Müller, 2004 gestio (lat. [F.]) Betragen, Führung Gesundes Volksempfinden ist im Dritten Reich (1933-45) die der Ideologie entsprechende allgemeine Anschauung, die als Korrektiv eines formaljuristisch gefundenen, dem -> Nationalsozialismus unannehmbar erscheinenden richterlichen Ergebnisses verwendet wird. Lit.: Rückert, J., Das ,,gesunde Volksempfinden" - eine Erbschaft Savignys, ZHF 10 (1983), 199 Gesundheit Lit.: Möller, C., Medizinalpolizei, 2005 Geteiltes Eigentum ist das (seit dem Hochmittelalter anerkannte,) an mindestens zwei in unterschiedlicher Stärke berechtigte Personen aufgeteilte ,,Eigentum" (z. B. Obereigentum, Untereigentum). Es wird von Naturrecht, Liberalismus, Kant und vor allem von -> Thibaut (1801) abgelehnt und zwar noch nicht vom Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und dem Allgemeinen Gesetzbuch Österreichs (1811/1812), aber doch bereits vom Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) und vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ausgeschlossen. Es soll in veränderter Form im Vorbehaltseigentum, im Sicherungseigentum oder in der Wohnraum- miete fortleben (str.). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Krauss, F., Das geteilte Eigentum im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Lehmann, J., Sachherrschaft, 2004 Geverde (F.) Gefahr, Gefährdung Lit.: Gudian, G., Zur rechtlichen Bedeutung der Formel ,,ane geverde" im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 333 Gewährleistung ist das Einstehen für die Mangelfreiheit einer Sache oder eines Werkes. Sie findet sich bereits im römischen Kaufrecht (-> Wandelung, -> Minderung). Mit der Aufnahme des römischen Rechts wird sie den einheimischen Grundsatz ,,Augen auf, Kauf ist Kauf" zurückdrängend übernommen. Lit.: Kaser § 41; Hübner; Köbler, DRG 46, 214; Lautner, J., Grundsätze des Gewährleistungsrechts, 1937 Gewährschaft ist das Einstehen des Veräußerers einer Sache für den Fall, dass ein Dritter von dem Erwerber die Sache herausverlangt. Im römischen Recht erhält der Erwerber aus der (lat. [F.]) mancipatio das Recht, in einem solchen Fall den Veräußerer als seinen (lat. [M.]) auctor zu prozessualer Beistandschaft zu veranlassen, um die Sache gegen den Dritten zu verteidigen. Verweigert der Veräußerer die Unterstützung oder erteilt er sie erfolglos, so dass der Dritte die Sache erhält, so haftet der Veräußerer dem Erwerber auf den doppelten Kaufpreis. Außerhalb der (lat. [F.]) mancipatio wird dieses Ergebnis durch eine vertragliche Abrede auf Leistung des doppelten Kaufpreises erreicht. Im deutschen Recht entwickelt sich im Frühmittel- 261 alter (str.) eine Gewährschaftsbürgschaft und daraus eine allgemeine G. Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577f.; Rabel, E., Die Haftung des Verkäufers wegen Mangels im Recht, 1902; Gillis, F., Gewährschaftszug und laudatio auctoris, 1911; Ullrich, G., Eine Urkunde über Gewährschaft nach fränkischem Recht, ZRG GA 59 (1939), 269; Eckhardt, K., Gewährschaft und Übereignung, Beiträge zur Geschichte der Werralandschaft 4, 1937; Partsch, G., Zur Entwicklung der Rechtsmangelhaftung des Veräußerers, ZRG GA (1960), 87 Gewalt ist der Einsatz von Kraft zur Erreichung eines Zieles sowie die Möglichkeit hierzu. Der moderne Staat strebt das Gewaltmonopol an. Deswegen versucht er die G. des Einzelnen möglichst auszuschließen. -> väterliche Gewalt Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 817; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. A. 1981; Buisson, L., Potestas und caritas, 2. A. 1982; Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982; Richardi, H., Schule der Gewalt, 1983; Willoweit, D., Die Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols, in: Konsens und Konflikt, hg. v. Randelzhofer, A. u. a., 1986, 313; Roth, A., Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Die Gewalt in der Geschichte, hg. v. Sieferle, R., 1998; Lacour, E., Schlägereien und Unglücksfälle, 2000; Violence in Medieval Society, hg. v. Kaeuper, R., 2000; Ruff, J., Violence in early modern Europe 1500-1800, 2001; Töngi, C., Geschlechterbeziehungen und Gewalt, 2002; Gewalt, hg. v. Bulst, N. u. a., 2004; Töngi, C., Um Leib und Leben, 2004; Hahn, J., Gewalt und religiöser Konflikt, 2004; A Great Effusion of Blood?, hg. v. Meyerson, M. u. a., 2004; Gewalt im Mittelalter, hg. v. Braun, M. u. a., 2005 Gewaltenteilung ist die Aufteilung der staatlichen Hoheitsgewalt in mehrere sich gegenseitig kontrollierende und beschränkende, von unterschiedlichen Menschen innegehabte Gewalten. Die Vorstellung von der Notwendig- keit der G. entsteht unabhängig von älteren Gedankengängen (z. B. Herodot, Plato, Aristoteles, Cicero) und Wirklichkeitsansätzen (römische Republik) in der frühen Neuzeit als Folge der gegen den -> Absolutismus eines Monarchen gerichteten Aufklärung. Vielleicht schon vor 1690 entwickelt John -> Locke (1632-1704) in England zur Sicherung der Freiheit des Einzelnen die Trennung von ausführender Gewalt (executive power) und gesetzgebender Gewalt (legislative power) (1690 Two Treatises of Government, Zwei Abhandlungen über die Regierung). 1748 gestaltet dies Charles de Secondat Baron de la Brde et de -> Montesquieu (1689-1755) in die Dreiteilung Exekutive, Legislative und Judikative um (De l'ésprit des lois, Vom Geist der Gesetze). In Frankreich greifen dies 1789 die Déclaration des droits de l'homme et du citoyen (Erklärung der Menschenrechte und Bürgerrechte) und 1791, 1795 und 1848 die Verfassungen auf. In Deutschland nehmen die meisten Verfassungen der deutschen Einzel- staaten in ihren Text (nur) die Bestimmung auf, dass alle Gesetze der Zustimmung des Landtages bedürftig seien, welche die Freiheit oder das Eigentum der Staatsangehörigen betreffen. Später wird das Gewaltenteilungsschema leitendes Ordnungs- prinzip. Lit.: Köbler, DRG 190, 197, 200; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 923; Klimowski, E., Die englische Gewaltenteilungslehre bis zu Montesquieu, 1927; Kägi, O., Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzips, 1937; Imboden, M., Montesquieu und die Lehre von der Gewaltentrennung, 1959; Gewaltentrennung im Rechtsstaat, hg. v. Merten, D., 1989; Executive and Legislative Powers in the Constitutions of 1848-1849, hg. v. Dippel, H., 1999; Pahlow, L., Justiz und Verwaltung, 2000; Máthé, G., Die Problematik der Gewaltentrennung, 2004; Racky, M., Die Diskussion über Gewaltenteilung und Gewaltentrennung im Vormärz, 2005 Gewaltverhältnis Lit.: Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982 Gewann ist die vielleicht in der Grundherrschaft ausgebildete Unterteilung der Ackerflur des mittelalterlichen Dorfes in Gruppen gleichförmiger und einheitlich zu bewirtschaftender Streifen. Die Gewanne werden wegen ihrer gegenwärtigen Unwirtschaftlichkeit durch die Flurbereinigung beseitigt. Lit.: Haff, K., Gewann ­ Aas, ZRG GA 42 (1921), 465; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 42 Gewedde Lit.: Ebel, F., Der Traktat ,,Von gewedde, ZRG GA 99 (1982), 276 262 Gewerbe ist die erlaubte, auf Dauer und Gewinnerzielung (str.) gerichtete selbständige Tätigkeit. In Rom finden sich neben der Plan- tagenwirtschaft von Großgrundherren auch mit Hilfe von Sklaven betriebene Manufakturen für Textilien, Metallwaren und Keramik, die noch keinen Maschineneinsatz kennen. In den Wirren des 3. Jh.s n. Chr. verfällt die gewerb- liche Produktion. Sie beginnt neu in der frühmittelalterlichen Grundherrschaft (z. B. Schmied, Töpfer, Weber), gelangt aber erst in der hochmittelalterlichen Stadt zu größerer Bedeutung. Dort wird das G. in der -> Zunft organisiert und reglementiert. Im 19. Jh. löst der Liberalismus die Zwangsordnung auf und schafft die -> Gewerbefreiheit, aber auch die staatliche Gewerbeaufsicht. Lit.: Köbler, DRG 67, 78, 97, 134, 175, 225, 250; Eberstadt, R., Das französische Gewerberecht, 1899.; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Peterka, O., Das Gewerberecht Böhmens im 14. Jahrhundert, 1909; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Fecht, O., Die Gewerbe der Stadt Zürich, 1909; Koehne, C., Gewerberechtliches in deutschen Rechtssprichwörtern, 1915; Heimpel, H., Das Gewerbe der Stadt Regensburg, 1926; Mannert, L., Die öffentliche Förderung der gewerblichen Produktionsmethoden, 1930; Huber, H., Die Arbeitsverfassung im Süderländer und Siegener Eisengewerbe, Diss. jur. Göttingen 1956; Kreutzberger, E., Das Gewerberecht der Reichsstadt Goslar, 1959; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973f.; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1982; Weyrauch, T., Städtische Amts- und Gewerbeordnungen, 1987; Reininghaus, W., Gewerbe in der frühen Neuzeit, 1990; Ziekow, J., Freiheit und Bindung des Gewerbes, 1992; Karl, M., Fabrikinspektoren in Preußen, 1993; Kraushaar, M., Die Gewerbegerichte, in: Arbeit und Recht, 1995, 313; Rohde, J., Das Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht von 1810, 2000 Gewerbefreiheit ist die Freiheit der gewerblichen Betätigung (Frankreich 1791, Preußen 1807/1810/1811/1845, England 1814, Dänemark 1849/1857, Österreich 1859). Sie ist im Einzelnen im Deutschen Reich durch die -> Gewerbeordnung von 1869 näher ausgestaltet. Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3527; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefreiheit, 1983 Gewerbeordnung ist die rechtliche Regelung des Rechts der -> Gewerbe, insbesondere im Norddeutschen Bund das am 21. 6. 1869 geschaffene Gesetz. Gewerbesteuer ist die vom Gewerbeertrag zu leistende Steuer. Lit.: Köbler, DRG 55; Heni, G., Historische Analyse und Entwicklungen der Gewerbesteuer, 1991; Schnädter, H., Die Geschichte des Gewerbesteuerrechts, Diss. jur. Köln 1993 Gewerblicher Rechtsschutz ist der gewerbliche Rechte betreffende Schutz durch die Rechtsordnung. Er umfasst das Recht der Patente (Venedig 1474, England 1623/4, Frankreich 1791), der Gebrauchsmuster (Deutschland 1871), der Geschmacksmuster (Frankreich 1711, Deutschland 1876), der Zei- chen (Deutschland 30. 11. 1874, 12. 5. 1894, 5. 5. 1936) und des unlauteren Wettbewerbs (Deutschland 12. 5. 1894, 7. 6. 1909). Lit.: Zimmermann, P., Frühe Beispiele aus der Welt der gewerblichen Eigentumsrechte, GRUR 69 (1969), 173; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,4205; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine gewerblichen Erscheinungsformen, 1981; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, hg. v. Beier, F., Bd. 1f. 1991; Ausschüsse für den gewerblichen Rechtsschutz, hg. v. Schubert, W., 1999 Gewere ist im mittelalterlichen deutschen Recht (der sachenrechtliche Vorgang [Einkleidung eines Menschen mit einer Sache oder einem Amt, lat. investitura] und) das (aus diesem Vorgang erwachsende) Verhältnis eines Menschen zu einer Sache oder einem Amt, kraft dessen der Träger vor allem rechtswidrige Zugriffe auf den Gegenstand abwehren und den Gegenstand nach Wegnahme herausverlangen darf. Die G. gilt der herrschenden Meinung als urtümliche Grundfigur des germanischen Sachenrechts. Wahrscheinlich wird sie aber im spätantiken Kirchenrecht zur Sicherung gegenüber sich wandelnden Sachenrechts- verhältnissen entwickelt. Sie wird formelhaft als Kleid (d. h. äußere Erscheinungsform) des (als gedanklichen Gebildes unsichtbaren) Sachenrechtes (z. B. Eigentum an einem Grundstück) beschrieben. Sie zeigt sich augenscheinlich beispielsweise im Innehaben 263 und Benutzen des Gegenstandes. Der Aufteilung des Sachenrechtes auf mehrere Berechtigte (z. B. Obereigentümer, Unter- eigentümer) entspricht die Aufteilung in eine ideelle (unkörperliche) und eine leibliche (körperliche) G. Der G. werden eine Offensiv- funktion, eine Defensivfunktion und eine Translativfunktion zugeschrieben. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem späten Mittelalter wird das Wort G. durch das zu (lat. [F.]) possessio gebildete Wort Besitz abgelöst, innerhalb dessen zwischen mittelbarem und unmittelbarem Besitz unterschieden wird. Lit.: Hübner 198, 430; Köbler, DRG 74, 90, 123, 162; Köbler, WAS; Albrecht, W., Die Gewere, 1828; Heusler, A., Die Gewere, 1872; Huber, E., Die Bedeutung der Gewere im deutschen Sachenrecht, 1894; Kiesel, K., Die Bedeutung der Gewere des Mannes am Frauengute für das Ehegüterrecht des Sachsenspiegels, 1906; Bückling, G., Die Wechselwirkung gewererechtlicher und fronungsrechtlicher Elemente im Liegenschaftsrecht des deutschen Mittelalters, 1911; Iterson, W. van, Der Ausdruck ,,mit allerschlachter Nut" und sein Zusammenhang mit der Gewere, ZRG GA 84 (1967), 310; Levy, E., The Law of Property, 1975; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 43 (1975), 195; Laske, W., Die Bedeutung des ,,Gewereanschreibens" gemäß dem Tractatus de iuribus incorporalibus von 1679, ZRG GA 93 (1976), 344; Ishikawa, T., Die Gewere im Sachsenspiegel, FS H. Thieme, 1986, 59 Gewerkschaft ist der Zusammenschluss von Menschen zu einem gewerblichen Zweck, insbesondere im Arbeitsbereich der freiwillige Zusammenschluss von Arbeitnehmern zur Si- cherung und Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen. Im Bergrecht ist die G. eine wohl im 13. Jh. aus älteren Arbeitsgenossenschaften gebildete Gesell- schaftsform ohne festes Grundkapital. Die vor dem Allgemeinen Berggesetz für die preußischen Staaten vom 24. 6. 1865 gebildete ältere bergrechtliche G. ist -> Gesamthand (mit herkömmlich 128 Wertanteilen [Kuxen] am Gesellschaftsvermögen), die G. neueren Rechts ist juristische Person mit zwischen 100 und 10000 Kuxen. Im Arbeitsrecht bildet sich aus älteren Gesellenvereinen die G. (engl. trade union) zuerst in England, wo sie durch Gesetz (Combination Laws von 1799 bzw. 1800) bis 1824 verboten wird. In Deutschland entwickelt sich die G. nach unbedeutenden Anfängen in der Mitte des 19. Jh.s als arbeitsrechtliche G. nach der Aufhebung gesetzlicher Ver- einigungsverbote (Sachsen 1861, Preußen 1867, Norddeutscher Bund 21. 6. 1869 [§ 152 I Gewerbeordnung]). Sie ist regelmäßig nichtrechtsfähiger -> Verein. 1868 entsteht ein allgemeiner deutscher Arbeiterschaftsverband (von 12 sog. freien Gewerkschaften), 1869 ein Verband der deutschen Gewerkenvereine. 1890 gründen die freien Gewerkschaften die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands (1919 Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund). 1894 entwickeln sich christliche Gewerkschaften. Nach Auflösung der freien Gewerkschaften und Einbeziehung der übrigen Gewerkschaften in die Deutsche Arbeitsfront im Dritten Reich (1933-1945) wird 1949 in der Bundesrepublik der Deutsche Gewerkschaftsbund mit (16) Einzelgewerk- schaften gegründet, dem die Deutsche Angestelltengewerkschaft und der Deutsche Beamtenbund zur Seite stehen. Seit dem ausgehenden 20. Jh. verlieren die (zumindest mittelbar Herstellungskosten steigernden und damit Arbeitslosigkeit verursachenden) Gewerkschaften Mitglieder und Einfluss. Lit.: Hübner 312; Köbler, DRG 167, 177, 218, 24; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1 1868, Neudruck 1954, 971; Deutsch, J., Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung, Bd. 1f. 1908ff.; Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Jühe, R./Niedenhoff, H./Pege, W., Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland, 2. A. 1982; Hägermann, D./Ludwig, K., Europäisches Montanwesen, 1986; Schulte Beerbrühl, M., Vom Gesellenverein zur Gewerkschaft, 1991; Schneider, M., Kleine Geschichte der Gewerkschaften, 2. A. 2000; Stadtland, H., Herrschaft nach Plan und Macht der Gewohnheit, 2001; Zwickel, K., Geben und Nehmen, 2005 Gewette ist in Ostfalen im Hochmittelalter die vom Täter an den Richter zu erbringende Leistung, die neben der Leistung an den verletzten Kläger steht. -> fredus, Bann Lit.: Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, 196 Gewicht -> Maß Lit.: Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910 Gewissensfreiheit ist die Freiheit der 264 Gewissensbildung wie der Gewissensbe- tätigung. Sie wird in Frankreich um 1600 erkannt. Sie wird fester Bestandteil der -> Grundrechte. Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004 Gewohnheit Lit.: Buchda, G., ,,Gewohnheiten" in der Pößnecker Schöffenspruchsammlung, ZRG GA 78 (1961), 64 Gewohnheitsrecht ist das durch langdauernde Übung in der Überzeugung, damit recht zu handeln, von dem Beteiligten geschaffene Recht. Vermutlich erwachsen die ersten Rechtssätze allgemein aus Gewohnheiten und entsteht erst zusätzlich hierzu die bewusste Setzung von Recht durch -> Gesetz. In Rom wird in der Spätantike neben der kaiserlichen Konstitution auch die von Kaiser Konstantin (319) noch bekämpfte Gewohnheit (lat. [M.] mos, [F.] consuetudo) als Quelle neuen Rechtes anerkannt. Im Mittelalter wird das partikuläre G. zusammen mit einzelnen Gesetzen in -> Volksrechten und Rechtsbüchern (-> Land- rechten) aufgezeichnet. In der Neuzeit ist das G. als ausschließliches Erzeugnis des Volkes dem Gesetz zunächst noch gleichwertig, wird aber ab etwa 1650 dem Gesetzgeber unterstellt, so dass zu seiner Entstehung die (vermutetete) Zustimmung des Gesetzgebers erforderlich ist. Im 18. Jh. verlegt man zwar den Ent- stehungsgrund des Gewohnheitsrechts wieder allein in das Volk zurück, indem man den gesetzlichen Vorschriften ein allgemeines Einverständnis des Gesetzgebers entnimmt, doch wendet sich der absolute Staat mit seiner Gesetzgebung (Kodifikation) gegen das G. (vgl. Einl. § 60 zum ALR, § 10 ABGB). Auch der liberale Rechtsstaat des 19. Jh.s bevorzugt trotz der abweichenden Einschätzung durch die (eigentlich auf das wissenschaftliche Recht zielende) -> historische Rechtsschule das Gesetz. Dennoch gibt es noch in der Gegenwart gewohnheitsrechtliche Rechtsbildung. Lit.: Köbler, DRG 4, 52, 101, 142, 185, 227, 254; Puchta, G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Brie, S., Die Lehre vom Gewohnheitsrecht, 1899; Kaser, M., Mores maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA 59 (1939), 52; Smidt, J. de, Rechtsgewoonten, 1954; Schmiedel, B., Consuetudo im klassischen und nachklassischen römischen Recht, 1966; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo in Deutschland, Hist. Jb. 89 (1969), 337; Fürst, C., Zur Rechtslehre Gratians, ZRG KA 57 (1971), 276; Bühler, T., Gewohnheitsrecht, Enqute, Kodifikation, 1977; Diestelkamp, B., Das Verhältnis vom Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme, 1977, 1; Gilissen, J., La coutume, 1982; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohn- heiten im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1992; Overdijk, D., De gewoonte, 1999; Geyer, P., Das Verhältnis von Gesetzes- und Gewohnheitsrecht in den privatrechlichen Kodifikationen, Diss. jur. Göttingen 1998; Garré, R., Consuetudo, 2005 Gewohnheitsverbrechergesetz Lit.: Müller, C., Das Gewohnheitsverbrechergesetz, 1997 Gibraltar ist die an der Südspitze Spaniens gelegene Kronkolonie Großbritanniens (6,5 Quadratkilometer, 27100 Einwohner). G. hat seinen Namen (Felsen des Tarik) von dem 711 n. Chr. hier eine Befestigung anlegenden arabischen Feldherrn Tarik. 1462 wird G. von Spanien zurückerobert und 1704 von England besetzt. Dementsprechend ist sein Recht nacheinander islamisch, spanisch und englisch beeinflusst. Gierke, Otto von (Stettin 11. 1. 1841-Berlin 10. 10. 1921), Sohn des Stadtsyndikus von Stettin, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin und Heidelberg und nach der Promotion (1860, Homeyer) und Habilitation in Berlin (1867, Beseler) Professor in Breslau (1871), Heidelberg (1884) und Berlin (1887). In seiner mehrbändigen Untersuchung Das deutsche Genossenschaftsrecht (Bd. 1ff. 1868ff.) unternimmt er den Versuch der Ermittlung der großen Entwicklungslinien der Geschichte der menschlichen Verbände, in seinem deutschen Privatrecht (Bd. 1ff. 1895ff.) den Versuch der umfassenden Darstellung der deutschen Privat- rechtsentwicklung aus deutschrechtlicher Sicht. Rechtspolitisch beeinflusst er die Gestaltung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) und des deutschen Rechtes in sozialrechtlicher Richtung (Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, 1888/1889, -> Gesamthand). Lit.: Köbler, DRG 207; Festschrift Otto Gierke, 1911; Stutz, U., Zur Erinnerung an Otto von Gierke, ZRG GA 43 (1922), VII (mit Schriftenverzeichnis); Mogi, S., Otto von Gierke, 1932; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 543; Jobs, F., Otto von Gierke und das moderne Arbeitsrecht, Diss. jur. Frankfurt am Main, 1968; Janssen, A., Otto von Gierkes 265 Methode der geschichtlichen Rechtswissenschaft, 1974; Mundt, H., Sozialpolitische Wertungen als methodischer Ansatz in Gierkes privatrechtlichen Schriften, 1976; Otto Gierke, Associations and Law, hg. v. Heiman, G., 1977; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgemeinschaft, 1982; Pfeiffer-Munz, S., Soziales Recht ist deutsches Recht, 1979; Haack, T., Otto von Gierkes Kritik, 1997; Pfennig, C., Die Kritik Otto von Gierkes, 1997; Peters, M., Die Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes, 2002; Janssen, A., Die bleibende Bedeutung des Genossenschaftsrechts Otto von Gierkes, ZRG GA 122 (2005), 353 Gießen an der Lahn ist seit 1607 Sitz einer (lutherischen) juristischen Fakultät. Lit.: Hall, Die juristische Fakultät der Universität Gießen im 17. Jahrhundert, Ludwigs-Universität, 1957, 1-16; Köbler, G., Gießener juristische Vorlesungen 1607-1982, 1982; Köbler, G., Zur Herkunft der Gießener Rechtslehrer des 19. Jahrhunderts, FS W. Mallmann, 1978, 117; Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988; Chroust, P., Gießener Universität und Faschismus, 1994 Gilde ist die Vereinigung mehrerer Menschen im mittelalterlichen nördlichen Europa. Eine G. wird erstmals 688-726 in England als Empfänger von -> Wergeld erwähnt. In Skandinavien erscheint die G. im 12. Jh. Im Hochmittelalter bilden die Gewerbetreibenden Gilden. -> Zunft Lit.: Köbler, DRG 121; Köbler, WAS; Wilda, W., Das Gildenwesen im Mittelalter, 1831, Neudruck 1964; Pappenheim, M., Die altdänischen Schutzgilden, 1885; Nitzsch, K., Die niederdeutsche Kaufgilde, ZRG GA 13 (1892), 1; Nitzsch, K., Die niederdeutschen Verkehrsein- richtungen neben der alten Kaufgilde, ZRG GA 15 (1894), 1; Joachim, H., Gilde und Stadtgemeinde in Freiburg im Breisgau, FG Anton Hagedorn, 1906, 25; Silberschmidt, W., Die Bedeutung der Gilde, ZRG GA 51 (1931), 132; Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden im Mittelalter, 1931; Engemann, H., Die Gilden der Stadt Goslar, 1957; Black, A., Guilds, 1984; Gilden und Korporationen, hg. v. Friedland, K., 1984; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985; Anz, C., Gilden im mittelalterlichen Skandinavien, 1998 Giphanius (van Giffen), Hubert (Buren 1533/4-Prag 1604) wird nach dem Studium in (Löwen,) Orléans, Bourges, Paris und Orléans teils gefeierter, teils umstrittener Professor in Straßburg (1570), Altdorf (1583) und Ingol- stadt (1590) und 1599 Reichshofrat. Lit.: Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter Juristenfakultät, 1973, 134 Gladbach Lit.: Gödde, K., Landesherrschaft und Stadtrechte in Gladbach bis 1609, Diss. jur. Bonn 1959 Gladiator Lit.: Meijer, F., Gladiatoren, 2004 Glanvill, Ranulf de (Suffolk um 1140?-Akkon 1190), aus normannischer (?), begüterter Familie, wird 1163 als Sheriff von Yorkshire (bis 1170) und 1173 als Sheriff von Lancashire genannt und 1180 zum ersten Rechtsberater (lat. [M.] capitalis iustitiarius) König Heinrichs II. von England erhoben. Seit dem 13. Jh. wird ihm der durch mehr als 30 Handschriften überlieferte (lat.) Tractatus (M.) de legibus et consuetudinibus regni Angliae (Treatise on the Laws and Customs of England, Abhandlung von den Gesetzen und Gewohnheiten Englands) zugeschrieben, eine kurze, klare, in einfachem Latein vielleicht zwischen 1187 und 1189 verfasste Darstellung des englischen, von den Gerichten geformten Rechtes (Buch 1-13 Zivilklagen mit 76 Formularen eines königlichen writ [Buch 7 Erbrecht], Buch 14 Strafklagen), in dem die römischrechtlichen und kirchenrechtlichen Einflüsse den Kern des einheimischen Rechtes nicht berühren. Der Tractatus ist das älteste book of authority des - > common law. Es wird von Henry de -> Bracton benutzt. Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2 4. A. 1936, 188; Peter, H., Actio und writ, 1957, 20, 105; The Treatise on the Laws, hg. v. Hall, G., 1965; Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 2. A. 1988 Glarus ist das seit 1352 zur Eidgenossenschaft der Schweiz gehörige, 1803 als Kanton anerkannte Gebiet an der Linth, das sich am 22. 5. 1887 eine Verfassung gibt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stucki, F., Beiträge zur Geschichte des Landes Glarus, 1936; Liebeskind, W., Stab und Stabgelübd im Glarner Landrecht, 1936; Zweifel, E., Johann Jakob Blumer und das glarnerische bürgerliche Gesetzbuch (Diss. jur. Zürich 1965), 1966; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Rechtsquellen des Kantons Glarus, hg. v. Stucki, F., Bd. 1ff. 1983ff.; Schießer, F., Entstehung und Inhalt der Verfassung des Kantons Glarus, Jb. d. hist. Ver. d. Kantons Glarus 71 (1986) Glaser, Julius (bzw. Josua) (Postelberg 19. 3. 1831-Wien 26. 12. 1885), Kaufmannssohn, wird 1856/60 Strafrechtsprofessor in Wien und 266 erarbeitet als liberaler Justizminister (1871- 1879) die österreichische Strafprozessordnung des Jahres 1873. Lit.: Unger, J., Julius Glaser, 1885; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, (1938) 1953, 127; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 184 Glasgow in Schottland erhält um 548 eine erste Kirche. 1136 wird es Sitz eines Bischofs. Sein Marktrecht von 1189 wird 1689 in Stadtrecht umgewandelt. 1451 bzw. 1796 entstehen zwei Universitäten. Lit.: Durkan, J./Kirk, J., The University of Glasgow, 1977 Glatz Lit.: Schubert, F., Das älteste Glatzer Stadtbuch (1316- 1412), ZRG GA 45 (1925), 250 Glaubensfreiheit ist die Freiheit, einen eigenen religiösen Glauben zu bilden und dafür zu werben. -> Religionsfreiheit Gläubiger (lat. [M.] -> creditor) ist der aus einem Schuldverhältnis zu einer Leistung Berechtigte. Er ist bereits dem römischen Recht allgemein bekannt. Wird er benachteiligt, so gewährt der Prätor während des Voll- streckungsverfahrens die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes (lat. -> in integrum restitutio [F.]) und nach dem Voll- streckungsverfahren ein wiederherstellendes Edikt, woraus sich bei Justinian die (lat.) -> actio (F.) Pauliana (Gläubigeranfechtungsrecht) entwickelt, die in Deutschland seit dem Spätmittelalter aufgenommen und mit ähnlichen Gestaltungen des mittelalterlichen Stadtrechts verbunden wird. Lit.: Kaser § 32 I; Hübner; Oertel, R., Entwicklung und Bedeutung des Grundsatzes anteiliger Gläubigerbefriedigung im älteren deutschen Recht, 1901; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners, ZRG GA 41 (1920), 210 Gläubigeranfechtung Lit.: Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210 Gläubigerbenachteiligung ist die bereits dem römischen Recht bekannte, durch Verschiebung von Vermögensteilen des Schuldners erfolgende Benachteiligung von Gläubigern. Ihr sollen besondere gesetzliche Regeln (Anfechtungsgesetz) entgegenwirken. Lit.: Kaser § 9 III Gläubigerverzug ist die bereits dem römischen Recht bekannte Verzögerung der Erfüllung durch Fehlen eines zum Eintritt der Erfüllung notwendigen Verhaltens (z. B. Annahme) des Gläubigers. Lit.: Kaser § 37 III; Köbler, DRG 44; Heuer, P., Der Annahmeverzug im älteren deutschen Privatrecht, 1911; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. glebae adscriptus (lat. [M.]) Schollengebundener (Kolone bzw. Bauer) Gleichberechtigung ist die Gleichstellung bezüglich der Rechte (für Frauen und Männer). Der Grundsatz der G. wird in Abkehr von der älteren patriarchalischen Familienstruktur im Gefolge der Aufklärung seit der Mitte des 19. Jh.s (1848) verlangt, nachdem zuvor die Ausnahme von der Gleichheit als angesichts der Schwachheit der Frau und ihrer mangelnden Begabung zu vernünftiger Er- kenntnis notwendige Schutzmaßnahme erklärt worden war. Danach werden 1869 in Preußen wichtige Einschränkungen der Handlungs- fähigkeit der Frau aufgehoben und wird 1877 die Prozessunfähigkeit der Ehefrau beseitigt. Nach 1900 wird die Frau zum Uni- versitätsstudium zugelassen, 1919 erhält sie das aktive und passive Wahlrecht, seit 1922 kann sie die Befähigung zum Richteramt erwerben. Am 29. 7. 1959 entscheidet das deutsche Bundesverfassungsgericht gegen den Vorrang des Mannes bei der gesetzlichen Vertretung der Kinder (Gleichberechtigungsgesetz). Lit.: Hübner 71, 656; Köbler, DRG 238; Hippel, T. v., Über die bürgerliche Verfassung der Weiber, 1792; Wollstonecraft, M., Vindication of the rights of Women, 1793; Boehmer, G., Die Teilreform des Familienrechts durch das Gleichberechtigungsgesetz, 1962; Ramm, T., Gleichberechtigung und Hausfrauenehe, JZ 23 (1968), 41, 90; Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Leicht-Scholten, C., Die Gleichberechtigung im Grundgesetz, 2000; Wendrich, J., Die Entwicklung der familienrechtlichen Entscheidungsbefugnisse der Ehefrau, 2002; Franzius, C., Bonner Grundgesetz und Familienrecht, 2005 Gleichheit -> Gleichberechtigung, -> Gleichheitsgrundsatz Gleichheitsgrundsatz ist der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Die Gleichheit der Menschen bejahen theoretisch 267 schon die antiken Philosophen (Stoa, Cicero) und das Christentum. Dennoch sind antike und mittelalterliche Gesellschaft durch die Un- gleichheit oder die nur stufenförmige Gleichheit gekennzeichnet. Erst in der Aufklärung des 18. Jh.s wird die Beseitigung der ständischen Ungleichheit zur politischen Forderung (-> Montesquieu, -> Voltaire, -> Rousseau). Seit 1776 nehmen die Verfassungen den G. auf (Frankreich [égalité] 1791, Bayern 1818, Preußen 1850, Weimarer Reichsverfassung 1919). Lit.: Köbler, DRG 206, 252; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 997; Adams, W., Das Gleichheitspostulat in der amerikanischen Revolution, HZ 212 (1977), 59; Erler, A., Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, 1967; Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Von der ständischen Gesellschaft zur bürgerlichen Gleichheit, 1980; Kleinheyer, G., Aspekte der Gleichheit, Der Staat Beiheft 4, 1980, 7; Chaimowicz, T., Freiheit und Gleichheit im Denken Montesquieus und Burkes, 1985; Böttger, B., Das Recht auf Gleichheit und Differenz, 1990; Maldeghem, C. v., Die Evolution des Gleichheitssatzes, 1997; Frenz, B., Gleichheitsdenken in deutschen Städten, 2000; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003 Gleve (F.) Einheit im Ritterheer Lit.: Schulze, W., Die Gleve, 1940 Glocke Lit.: Lippert, E., Glockenläuten als Rechtsbrauch, 1939 Glogau Lit.: Goerlitz, T., Die Gubener Handschrift des Glogauer Rechtsbuches, ZRG GA 64 (1944), 319 Glorious Revolution ist die Bezeichnung für den 1688 durch Eingreifen des Parlamentes unblutigen Wechsel vom 1672 katholisch gewordenen König Jakob II. aus dem Hause Stuart zu Maria II. Stuart und ihrem protestantischen Ehemann Wilhelm III. von Oranien. Obwohl die G. R. keine wirkliche Revolution ist, sondern die aristokratische Ordnung vordergründig eher festigt, legt die in der -> Bill of Rights (1689) errungene Sicherung der Rechte des -> Parlaments die Grundlage für die weitere verfassungsmäßige Entwicklung zum Parlamentarismus. Lit.: Kroeschell, DRG 2 glossa -> Glosse Glossa (F.) ordinaria (lat., ordentliche Glosse) ist die Zusammenfassung aller einzelnen -> Glossen zum römischen bzw. kirchlichen Recht zu einer kettenförmig um den Text gelegten Einheit durch Accursius (1182/1185- 1260/1263, 96940 Einzelglossen, 22365 zum Digestum vetus, 17969 zum Digestum infortiatum, 22243 zum Digestum novum, 17814 zum Codex [1-9], 4737 zu den Institutionen, 7013 zum Authenticum, 680 zu den Libri feudorum in insgesamt 5 Bänden, durch etwa 1200 Handschriften belegt) bzw. Johannes Teutonicus (1216). Die bereits 1258 in Florenz wenig später in Frankreich (Toulouse 1275-1300), Spanien und Portugal sowie gegen Ende des 13. Jh.s in Deutschland (Johannes von Erfurt 1285, Brügge 1291) verwendete g. o. des Accursius enthält u. a. etwa 10400 als von früheren Verfassern (z. B. Irnerius 330, Martinus 590, Bulgarus 315) stammend gekennzeichnete Glossen. Lit.: Accursii Glossa, 1487ff., Neudruck 1968ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Glossator -> Glosse Glosse ist das ungewöhnliche und deshalb erklärungsbedürftige Wort, dessen Erklärung und die Gesamtheit aller Erklärungen erklärungsbedürftiger Wörter eines Textes (z. B. der Bibel). Im Recht beginnt die Glossierung mit dem Ziel der analysierenden Aufschließung des Textes, dann der Erleichterung des Verständnisses und schließlich der syn- thetizierenden Entwicklung einer wider- spruchsfreien Einheit der justinianischen Texte wohl mit Irnerius (1060?-1125?) in Bologna. Ihm folgen vor allem die vier Doktoren Bulgarus, Hugo, Jacobus und Martinus. Seit etwa 1160 werden die Glossen durch Namenssiglen gekennzeichnet. Nach 1215 wird die Tätigkeit der Glossatoren durch Begutachtung (Konsilien der Konsiliatoren) und Kommentierung (Kommentare der Kommentatoren) ersetzt. -> Malbergische Glosse, Sachsenspiegelglosse Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 106, 107; Köbler, LAW; Savigny, C., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 3ff. 2. A. 1834ff.; Schulte, J. v., Die Glosse zum Dekret Gratians, 1872; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Calasso, F., I glossatori e la teoria della sovranit, 2. A. 1951; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen bei 268 Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960), 182; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Villata di Renzo, G., La tutela, 1975; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Otte, G., Logische Einteilungstechniken bei den Glossatoren, in: Dialektik und Rhetorik, hg. v. Fried, J., 1997, 157; Mittelalterliche volkssprachige Glossen, hg. v. Bergmann, R. u. a., 2001; Wallinga, T., The Casus Codicis of Wilhelmus de Cabriano, 2005 Glück, Christian Friedrich von; geb. Halle 01. 07. 1755; gest. 20. 01. 1831, 1770 Studium Rechtswissenschaft Universität Halle, 1776 Referendar Magdeburg, 1777 Promotion Universität Halle, 1784 Professor Universität Erlangen, 1820 geheimer Hofrat, 1827 Nobilitierung ist der Verfasser der (unvollendeten) ausführlichen Erläuterung der Pandekten in 34 Bänden (1790ff.). Lit.: Wendehorst, A., Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg 1743-1993, 1993 GmbH -> Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gnade -> Begnadigung Lit.: Beyerle, K., Von der Gnade im deutschen Recht, 1910; Butz, H., Gnadengewalt und Gnadensachen, 1975; Laske, W., Die rechtliche Unzulässigkeit der Mönchung als Gnadenakt im fränkischen Hofgericht, ZRG GA 95 (1978), 239; Mickisch, C., Die Gnade im Rechtsstaat, 1996; Vrolijk, M., Recht door gratie, 2004 Gnadenjahr Lit.: Brünneck, W., v. Die gesetzliche Leibzucht und das Gnadenjahr, ZRG GA 27 (1906), 1 Gneist, Heinrich Rudolf Hermann Friedrich von (Berlin 13. 8. 1816-22. 7. 1895), Justizkommissarssohn, wird nach dem Rechts- studium in Berlin (Savigny) 1845 außerordentlicher Professor und 1858 ordentlicher Professor (1857/1860 Das heutige englische Verfassungs- und Verwaltungsrecht). Er wirkt als Politiker zunächst gegen Bismarck und später Bismarck unterstützend gegen Sozialisten und Klerikale und fördert maßgeblich das Zustandekommen der Reichsjustizgesetze (1877/1879) und die Einführung des richterlichen Prüfungsrechts, der freien Rechtsanwaltschaft und der gerichtlichen Überprüfung der Verwaltungs- tätigkeit. Lit.: Schiffer, E., Rudolf von Gneist, 1929; Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Luig, K., Soziale Monarchie oder soziale Demokratie, ZRG GA 111 (1994), 464; Hahn, E., Rudolf von Gneist, 1995; Eßer, D., Gneist als Zivilrechtslehrer, 2003 Go ist der hochmittelalterliche Dorfschafts- verband (Landgemeinde) in Sachsen. Meist zweimal jährlich findet eine Versammlung der Gobewohner statt (Goding). Das Alter des G. ist ebenso streitig wie die Herkunft. Im 16./17. Jh. beseitigt der Landesherr den G. zugunsten des Amtes. Lit.: Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905, 118, 137; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, FS K. Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische Gogerichts- barkeit, Diss. phil. Münster 1961; Landwehr, G., Gogericht und Rügegericht, ZRG GA 83 (1966), 127 Gobler, Justin (St. Goar um 1503-Frankfurt am Main 21. 5. 1567) wird nach dem Rechtsstudium (u. a. Bourges [Alciat]) Rat, Richter und Publizist. Er übersetzt und kommentiert als erster (vor 1543) die -> Constitutio Criminalis Carolina Karls V. von 1532 ins Lateinische. Durch sein umfangreiches, vielfach angefeindetes Gesamt- werk fördert er sowohl die Aufnahme des römischen Rechtes in Deutschland wie auch die Kenntnis deutschen Rechtes im europäischen Umfeld. Lit.: Stintzing, R., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 582; Kantorowicz, H., Goblers Karolinenkommentar, 1904 Goch Lit.: Liesegang, E., Einige Rechtsaufzeichnungen aus dem Privilegienbuch der Stadt Goch, ZRG GA 33 (1912), 224 Gode (M.) altisländischer Priester(häuptling) (um 1000) Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964, 107; Karlsson, G., Godar og baendur, 1972 Godefroy (Gothofredus), Denis (Dionysius) (Paris 17. 10. 1549-Straßburg 7. 9. 1622), adliger Parlamentsratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Paris (Baudoin), Löwen, Köln, Heidelberg und Orléans (1579) als hugenottischer Glaubensflüchtling Professor in Genf, Straßburg (1591), Heidelberg (1600), Straßburg (1601) und Heidelberg (1604-1621). 269 Er veröffentlicht 1583 eine humanistisch gebesserte kritische Ausgabe der justinianischen Gesetzbücher (lat. [N.] -> cor- pus iuris civilis), die bis 1776 die allgemein anerkannte Edition bleibt. Lit.: Söllner §§ 22, 23; Köbler, DRG 143; Godefroy- Ménilglaise, D., Les savants Godefroys, 1873, Neudruck 1971; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967 Godefroy (Gothofredus), Jacques (Jacobus) (Genf 1587-1652), Sohn des Denis Godefroy (Dionysius Gothofredus [1549-1622]), wird nach dem Rechtsstudium in Bourges (1611) und weiteren Studien in Paris 1619 Professor des Rechts in Genf, Ratsmitglied, Syndikus und Diplomat. Er veröffentlicht 1665 eine kommentierte, kritische Ausgabe des -> Codex Theodosianus in sechs Bänden, die bis zur Gegenwart nicht ersetzt ist. Neben kleineren Quelleneditionen verfasst er ein sehr erfolgreiches Handbuch der (römischen) Rechtsgeschichte (lat. Manuale [N.] iuris, 1632). Lit.: Jacques Godefroy (1587-1652), hg. v. Schmidlin, B. u. a., 1991 Goding Lit.: Laur, W., Goding und Gogericht in Holstein und Niedersachen, ZRG GA 111 (1994), 536 Goethe, Johann Wolfgang (Frankfurt am Main 28. 8. 1749-Weimar 22. 3. 1832), Sohn des Juristen und kaiserlichen Rates Johann Kaspar Goethe und einer Stadtschultheißentochter, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (1765-1768) und Straßburg (1770, Lizentiat, nicht zum Doktor promoviert) Advokat in Frankfurt am Main und Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar und 1775 bzw. 1776 Rat des Herzogs von Sachsen- Weimar, für den er vor allem in den ersten zehn Jahren für mehr als 20000 Verwaltungs- angelegenheiten vielleicht ein Drittel seiner Zeit aufwendet. In sein berühmtes dichterisches Werk fließen auch seine rechtlichen Erfahrungen ein. Lit.: Meisner, J., Goethe als Jurist, 1885; Fischler, M., Der Ordnungsgedanke in Goethes Rechtsdenken, (um 1940); Schubart-Fikentscher, G., Goethes Straßburger Thesen vom 6. 8. 1771, 1949; Goethes amtliche Schriften, Goethes Tätigkeit im geheimen Consilium, Bd. 1ff. 1950ff.; Schubart-Fikentscher, G., Goethes amtliche Schriften, 1977; Goethe-Zitate für Juristen, hg. v. Pausch, A. u. a., 4. A. 2000; Pausch, A./Pausch, J., Goethes Juristenlaufbahn, 1996; Unwandelbar G., hg. v. Schünemann, P., 1998; Boyle, N., Goethe, Bd. 1ff. 1999ff.; Heinze, M., Der Advokat Goethe, NJW 1999, 1897; Goethes Amtliche Schriften, Band 5 Kalendarium über Goethes amtliche Tätigkeit 1776-1819, hg. v. Wahl, V., 2000; Wadle, E., Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes, ZRG GA 122 (2005), 301 Gogericht (Goding) ist das Gericht des Gografen über die Gogemeinde in Sachsen im Mittelalter. Seine Zuständigkeit ist im Sachsenspiegel (1221-1224) hauptsächlich auf Fälle niederer Strafgerichte eingeschränkt, umfasst aber nach den Zeugnissen der Wirklichkeit weitere Bereiche. Alter und Herkunft des Gogerichts sind streitig. Lit.: Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG GA (1884), 1; Sauer, H., Die ravensbergischen Gogerichte, Diss. phil. Münster 1909; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft, Gografschaft, 1949; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, FS K. Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische Gogerichtsbarkeit, Diss. phil. Münster, 1961; Landwehr, G., Gogericht und Rügegericht, ZRG GA 83 (1966), 127; Bemmann, K., Neue Aspekte zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, ZRG GA 109 (1992), 95; Laur, W., Goding und Gogericht in Holstein und Niedersachsen, ZRG GA 111 (1994), 536; Hachenberg, W., Die Gogerichte, Diss. jur. Münster 1997; Weinreich, O., Der Zivilprozess nach der münsterischen Landgerichtsordnung von 1571 sowie der vechtischen Gerichtsordnung von 1578, 2004 Gografschaft Lit.: Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft, Gografschaft, 1949 Gold Lit.: Striedinger, I., Der Goldsucher Marco Bragdino, 1928; Hardt, M., Gold und Herrschaft, 2004 Goldast von Haiminsfeld, Melchior (Bischofszell 6. 1. 1578-Gießen 11. 8. 1635) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Ingolstadt und Altdorf und der Promotion in Heidelberg (1603) Herausgeber einheimischer Quellen (z. B. Imperatorum ... statuta, 1607) und Rat (Weimar 1613, Bückeburg 1615, Kaiser 1627). Lit.: Schecker, H., Melchior Goldast von Haiminsfeld, 1930 Goldene Bulle ist das vor allem die Rechte der -> Kurfürsten regelnde, seit 1400 nach dem 270 seinen sieben erhaltenen Ausfertigungen (5 für Kurfürsten, je eine für Frankfurt am Main und Nürnberg) anhängenden, nach byzantinischem Vorbild im 9. Jh. im Westen eingeführten goldenen Siegel benannte, lateinisch gefasste, vielleicht weitgehend vom Hofkanzler Johann von Neumarkt formulierte Reichsgesetz Kaiser Karls IV. vom 10. 1. 1356 (Kapitel 1-23) bzw. 25. 12. 1356 (Kapitel 24-31, Name erstmals 1400 bezeugt). Obwohl die G. B. sich als Privileg darstellt, fasst sie eigentlich nur bereits weitgehend anerkannte Sätze zusammen. Dabei festigt sie das Wahlrecht der sieben Kurfürsten, erkennt die unbeschränkte Gerichtshoheit, das Bergregal, Judenregal und Zollregal, das Münzrecht und die Landerwerbsberechtigung der Kurfürsten an und regelt das kurfürstliche Erbfolgerecht (Kapitel 7 Primogeniturerbfolge im unteilbaren Fürstentum). Lit.: Köbler, DRG 95, 101; Lindner, T., Die Goldene Bulle und ihre Originalausfertigungen, MIÖG 5 (1884), 96; Altmann, W., Die alte Frankfurter deutsche Übersetzung, ZRG GA 18 (1897), 107; Zeumer, K., Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV., 1908, Neudruck 1972; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung, hg. v. Zeumer, K., 2. A. 1913, 192ff.; Werminghoff, A., Zum fünften Kapitel der Goldenen Bulle von 1356, ZRG GA 36 (1915), 275; Stutz, U., Die Abstimmungsordnung der Goldenen Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217; Petersen, E., Studien zur Goldenen Bulle von 1356, DA 22 (1966), 227; Die güldin bulle, hg. v. Wolf, A., 1968; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75; Die Goldene Bulle, König Wenzels Handschrift, hg. v. Wolf, A., 1977; Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. von 1356. Faksimile der Ausfertigung für den Kurfürsten von Köln, 1982; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/6, 1983; Die Goldene Bulle vom 10. Januar und 25. Dezember 1356, bearb. v. Fritz, W., 1988 (MGH, Constitutiones 11, 537-641); Die Goldene Bulle. König Wenzels Handschrift, Kommentar von Wolf, A., 2002 Goldene Regel ist vielleicht seit 1724 der Name für die schon dem Alten Testament bekannte, lateinisch quod ab alio odis fieri tibi, vide ne alteri tu aliquando facias und deutsch was du nicht willst, dass man dir tu, das füg´ auch keinem andern zu. Lit.: Mayer-Maly, T., Der Weg der goldenen Regel, FS A. Söllner, 2000 Goldschmidt, Levin (Danzig 30. 5. 1829- Berlin 16. 7. 1897), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Bonn, Heidelberg und Berlin (Dissertation De societate en commandite) 1855 in Heidelberg habilitiert, 1860 außerordentlicher Professor, 1866 ordentlicher Professor sowie 1875 in Berlin Inhaber der ersten deutschen Handelsrechtsprofessur. In seinen handels- rechtlichen und handelsrechtsgeschichtlichen Arbeiten (Handbuch des Handelsrechts, 1864ff., Universalgeschichte des Handels- rechts, [Bd. 1 3. A.] 1891, Neudruck 1957) bemüht er sich auch um die Verbindung von römischrechtlichen und nichtrömischrecht- lichen Sätzen, um Einbeziehung wirtschafts- wissenschaftlicher Erkenntnisse und um Berücksichtigung der praktischen Rechts- anwendung mit dem Ziel einer möglichst vielseitigen Sehweise. 1874 ist er Mitglied einer Kommission zur Vorbereitung des Bürgerlichen Gesetzbuches. Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938, 2. A. 1952; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993; Weyhe, L., Levin Goldschmidt, 1996 Gönner, Nikolaus Thaddäus von (Bamberg 18. 12. 1764-München 18. 4. 1827) wird zunächst in Bamberg, seit 1799 in Ingolstadt bzw. 1800 in Landshut Professor und wechselt 1811 in den Justizdienst Bayerns. Vom Reichsstaats- recht (Teutsches Staatsrecht, 1804) kommend wendet er sich der politischen Entwicklung folgend der einzelstaatlichen Gesetzgebung zu (Hypothekengesetz 1822). Bedeutsam sind auch seine öffentlichrechtliche Erfassung der Rechtsgrundlagen des Berufsbeamtentums (Der Staatsdienst, 1808) und sein auf die Natur der Sache ausgerichtetes Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses (Bd. 1ff. 1801ff.). Lit.: Koch, J., Nikolaus Thaddäus von Gönners Staatslehre, 1902; Schaffner, L., Nikolaus Thaddäus von Gönner, Diss. jur. Würzburg 1955 (masch.schr.); Stolleis, M., Das Bayerische Hypothekenbankgesetz von 1822, in: Wissenschaft und Kodifikation im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976 Görlitz an der Neiße wird 1071 erstmals erwähnt und hat um 1500 rund 10000 Einwohner. Das Görlitzer Rechtsbuch ist ein in einer in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (um 1300?) geschriebenen Abschrift (101 Blätter) 271 erhaltenes Stadtrechtsbuch für G., das eine wortgetreue ungereimte Übersetzung des (lat.) - > Auctor (M.) vetus de beneficiis ins Mittel- (mittel)deutsche (Artikel 1-30 von insgesamt 47) mit Auszügen aus dem Landrecht des Sachsenspiegels, dem Weichbildrecht, vermutlich auch dem sächsischen Landfrieden (1221) und der Magdeburg-Görlitzer Rechts- weisung (1304) verbindet und dabei in seinem zweiten Teil vielleicht auf dem (verlorenen) lateinischen Auctor vetus (Sachsenspiegel Landrecht) beruht. Lit.: Köbler, DRG 103; Buhr, J., Das Görlitzer Rechtsbuch, Diss. jur. Bonn 1941 (verloren); Auctor vetus, hg. v. Eckhardt, K., 1966; Lemper, E., Görlitz, 4. A. 1980; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 30; Anders, I./Wolfrum, P., Görlitz, 1996 Görres, Josef (1776-1848) Lit.: Raab, H., Josef Görres, 1978; Görres, hg. v. Raab, H. 1985 Goslar am Harz ist Ort einer bedeutenden Königspfalz, neben der eine Stadt entsteht, welcherder Staufer Friedrich II. am 13. 7. 1219 einen großen Freiheitsbrief gibt. Zu Beginn des 14. Jh.s erringt sie die Reichsunmittelbarkeit und zeichnet vermutlich zwischen 1348 und 1360 ihr Recht in den Goslarischen Statuten auf. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Frölich, K., Die Gerichtsverfassung von Goslar im Mittelalter, 1910; Feine, H., Der goslarische Rat, 1913; Frölich, K., Verfassung und Verwaltung der Stadt Goslar im späteren Mittelalter, 1921; Völker, A., Die Forsten der Stadt Goslar bis 1552, 1922; Wiederhold, W., Goslar als Königsstadt und Bergstadt, 1922; Brinkmann, H., Das Brauwesen der kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, 1925; Frölich, K., Die Verfassungsentwicklung von Goslar im Mittelalter, ZRG GA 47 (1927), 287; Meier, P., Die Stadt Goslar, 1926; Flachsbarth, O., Geschichte der Goslarer Wasserwirtschaft, 1928; Steinberg, S., Die Goslarer Stadtschreiber, 1933; Cordes, G., Schriftwesen und Schriftsprache in Goslar, 1934; Frölich, K., Die Goslarer Straßennamen, 1949; Frölich, K., Das Stadtbild von Goslar im Mittelalter, 1949; Frölich, K., Das älteste Archivregister der Stadt Goslar, 1951; Engemann, H., Die Gilden der Stadt Goslar, 1957; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961; Kreutzberger, E., Das Gewerberecht der Reichsstadt Goslar im 18. Jahrhundert, 1959; Ebel, W., Das Stadtrecht von Goslar, 1968; Kelichhaus, S., Goslar um 1600, 2003 Gote ist der Angehörige eines in der Völkerwanderungszeit von der Ostsee (Gotland) über den Südosten (Krim) 375 n. Chr. in das Römische Reich eindringenden germanischen Volkes, das sich in -> Ostgoten (Italien) und -> Westgoten (Gallien, Spanien) aufteilt. Zwischen 25 und 50% der als Goten bezeichneten Menschen dürften nach ihrer volksmäßigen Herkunft Goten gewesen sein. Ihr Ursprung in Skandinavien wird bezweifelt. Lit.: I Goti in occidente, 1956 (Spoleto); Burn, T., A History of the Ostrogoths, 1984; Teillet, S., Des Goths la nation gothique, 1984; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; Heather, P., Goths and Romans, 1991; Köbler, G., Neuhochdeutsch-gotisches Wörterbuch, 1993; Heather, P., The Goths, 1996; Sonderegger, S., Tradition und Erneuerung der germanischen Rechtssprache aus der Sicht des Gotischen, FS K. Kroeschell, 1997; Mussot- Goulard, R., Les Goths, 1999; Petit, C., Iustitita Gothica, 2001; Christensen, A., Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths, 2002; Giese, W., Die Goten, 2004; Wolfram, H., Gotische Studien, 2005; Bronisch, A., Die Judengesetzgebung im katholischen Westgotenreich von Toledo, 2005 Göteborg am Kattegat wird 1619 angelegt und 1621 mit Stadtrecht begabt. 1891 erhält es eine Universität. Gothofredus -> Godefroy Gotland Lit.: Kattinger, D., Die gotländische Genossenschaft, 1999 Gott ist nach jüdischer und christlicher Lehre der Schöpfer des Himmels und der Erde. Er ist der Herr über das Recht, das er als Gebot und Verbot den Menschen gegeben hat (-> Dekalog). Im jüngsten Gericht zieht er den Menschen zur Rechenschaft. Lit.: Köbler, DRG 108; Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, 1915; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994; Lang, B., Jahwe der biblische Gott, 2002; Eckart, O., Gottes Recht als Menschenrecht, 2002 Gottesfriede (lat. [F.] pax Dei) ist das im späten Frühmittelalter ([Le Puy um 975,] Charroux 989, Narbonne um 990, Limoges 994, Le Puy 994, Poitiers 1000) von der Kirche in Wiederholung merowingischer und karo- lingischer Kapitularien und Bußbücher ausgehende Friedensgebot, dessen Verletzung kirchliche Folgen nach sich zieht. Der G. 272 erreicht von Südfrankreich aus gegen Ende des 11. Jh.s das deutsche Reich (Lüttich 1082, Köln 1083, Bamberg 1085). Inhaltlich sehen beschworene Beschlüsse geistlicher und welt- licher Herren Exkommunikation, Verfluchung, Bußen für Mord, Diebstahl, Raub usw. vor. Besonders geschützt werden Mönche, Kauf- leute, Bauern, Frauen, Kirchen oder Vieh. Besondere Zeiten des Friedens sind die hohen Feste und die Tage von Donnerstag bis Sonntag. Seit dem ausgehenden 11. Jh. weicht der G. dem -> Landfrieden. Lit.: Köbler, DRG 118; Wasserschleben, H., Zur Geschichte der Gottesfrieden, ZRG GA 12 (1891), 112; Huberti, L., Der Gottesfriede in der Kaiserchronik, ZRG GA 13 (1892), 133; Huberti, L., Studien rzu Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden, 1892; Winterfeld, L. v., Nochmals Gottesfrieden und deutsche Stadtverfassung, ZRG GA 54 (1934), 238; Wohlhaupter, E., Studien zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden in Spanien, 1933; Conrad, H., Gottesfrieden und Heeresverfassung, ZRG GA 61 (1941), 71; Achter, V., Über den Ursprung der Gottesfrieden, 1955 (29 S.); Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Hoffmann, H., Gottesfriede und Treuga Dei, 1964; Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977; Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG GA 105 (1988), 122; Wadle, E., Gottesfrieden und Landfrieden, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 63; Barthélemy, D., L'an mil et la paix de Dieu, 1999; Gergen, T., Pratique juridique de la paix et trve de Dieu, 2004 Gotteslästerung (vgl. Leviticus 24,11-16) ist die im römischen Recht (Todesstrafe) und seit dem Spätmittelalter (1495) strafbare, besonders verletzende öffentliche Kundgabe der Miss- achtung des christlichen Gottes, die seit dem 18. Jh. problematisiert wird (von 1813 bis 1827 in Bayern straflos) und 1969 in Deutschland straflos wird. Lit.: Köbler, DRG 19; Ettinger, J., Zur Lehre von den Religionsregeln, 1919, 29; Forrer, D., Der Einfluss von Naturrecht und Aufklärung auf die Bestrafung der Gotteslästerung, 1973; Leutenbauer, S., Das Delikt der Gotteslästerung, 1984; Pahud de Mortanges, R., Die Archetypik der Gotteslästerung, 1987 Gottesstaat ist die Vorstellung von der Herrschaft des christlichen Gottes auf der Erde. Sie wird maßgeblich von Augustinus (354-430) geprägt, der in seinem Werk (lat.) De civitate Dei (413-426) einen Gegensatz von (lat.) civitas (F.) Dei (Staat Gottes) und (lat.) civitas (F.) terrena (irdischer Staat) bildet. Lit.: Köbler, DRG 82; Loewenich, W. v., Augustin, 1965 Gottesurteil ist das Urteil (eines?) Gottes in einer menschlichen Streitfrage. Im mittelalter- lichen, wohl insofern von der christlichen Kirche beeinflussten Recht ist das G. die Entscheidung über die Schuld oder die Unschuld eines Beschuldigten durch ein auf (den christlichen) -> Gott zurückgeführtes äußeres Zeichen (z. B. [folgenloses] Tragen eines glühenden Eisens, [folgenloses] Schreiten über glühende Pflugscharen, [folgenloses] Eintauchen des Armes in siedendes Wasser, [folgenloses] Treten vor die Leichenbahre eines Toten usw.). Streitig ist, ob Zweikampf und Los Gottesurteile sind. Die Stellung der Kirche zum G. ist lange Zeit uneinheitlich. 1219/1222 wendet sie sich deutlicher gegen das G. Dennoch erhält sich das G. bis in das 17. Jh., bis es vielleicht durch die Aufnahme des römischen Rechts oder die zunehmende Vernünftigkeit verschwindet. Lit.: Köbler, DRG 86; Karasconyi, J. u. a., Registrum Varadinense examinum ferri candentis, 1903; Pappenheim, M., Über die Anfänge des germanischen Gottesurteils, ZRG GA 48 (1928), 136; Schwerin, C. Frhr. v., Rituale für Gottesurteile, 1933 (SB Heidelberg); De ordaliis, collegit Browe, P., 1932/1933; Schwerin, C. Frhr. v., Das Gottesurteil des Poppo, ZRG GA 58 (1938), 69; Erler, A., Der Ursprung der Gottesurteile, Paideuma 2, 1941, 44; Nottarp, H., Gottesurteile, 1949; Thoma, H., Ein Gottesgericht an Tieren, ZRG GA 70 (1953), 325; Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956; Hexeter, R., Equivocal Oaths and Ordeals, 1975; Bürge, A., Realität und Rationalität der Feuerprobe, ZRG GA 100 (1983) 257; Bartlett, R., Trial by fire and water, 1986; Köbler, G., Welchen Gottes Urteil ist das Gottesurteil des Mittelalters?, FS W. Trusen, hg. v. Brieskorn, N., 1994, 89 Göttingen an der Leine (953 Gutingi) wird (1736/)1737 Sitz einer aufgeklärten, im 18. Jh. in Deutschland führenden Universität (-> Pütter, -> Hugo), von deren 172000 Studenten der ersten 225 Jahre rund 70000 Rechtswissenschaft studieren. Am 18. 11. 1837 protestieren sieben Göttinger Professoren (u. a. Jacob Grimm und Wilhelm Grimm) gegen die Aufhebung der 1833 gewährten Verfassung seitens des Königs von Hannover und verlieren 273 dadurch ihr Amt. Lit.: Köbler, DRG 136, 170; Cornberg, H. v., Beiträge vornehmlich zum Privatrecht der Stadt Göttingen, 1910; Arnim, M., Corpus academicum Gottingense 1737-1928, 1930; Smend, R., Die Göttinger Sieben, 1951; Klugkist, E., Die Göttinger Juristenfakultät als Spruchkollegium, 1952; Gundelach, E., Die Verfassung der Göttinger Universität, 1955; Ebel, W., Zur Geschichte der Juristenfakultät und des Rechtsstudiums an der Universität Göttingen, 1961; Catalogus professorum Gottingensium 1734-1962, hg. v. Ebel, W., 1962; Die Privilegien und ältesten Statuten der Georg-August- Universität zu Göttingen, hg. v. Ebel, W., 1961; Mohnhaupt, H., Die Göttinger Ratsverfassung vom 16. bis 19. Jahrhundert, 1965; Wittram, G., Die Gerichtsverfassung der Stadt Göttingen 1966; Tütken, H., Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Eysel, H., Die Steuerverfassung Göttingens, Diss. jur. Göttingen 1968; Ebel, W., Memorabilia Gottingensia, 1969; Kallmann, R., Das bürgerliche Recht, 1972; Boockmann, A., Urfehde und ewige Gefangenschaft, 1980; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Göttingen, hg. v. Denecke, D., 1987; Die Universität Göttingen unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Becker, H. u. a., 1987; Dilcher, G., Der Protest der Göttinger Sieben, 1988; Zur geistigen Situation der Zeit der Göttinger Universitätsgründung 1737, hg. v. Stackelberg, J. v., 1988; 250 Jahre Georgia Augusta, 1988; Neitzert, D., Die Stadt Göttingen führt eine Fehde, 1992; Die Geschichte der Verfassung und der Fachbereiche der Georg-August-Universität, hg. v. Schlotter, H., 1994 (Aufsätze); See, K. v., Die Göttinger Sieben, 1997; Boockmann, H., Göttingen, 1997; See, K. v., Die Göttinger Sieben ­ Kritik einer Legende, 3. A. 2000; Jeske, R., Bürgertum in der Universitätsstadt Göttingen, 1999; Szabó, A., Vertreibung, Rückkehr, Wiedergutmachung, 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u. a., 2001; Göttingen, hg. v. Böhme, E. u. a., Bd. 2 2002; Streidl, P., Naturrecht, 2003 Goudelin -> Gudelinus Grab Lit.: Paret, O., Die frühschwäbischen Gräberfelder von Groß-Stuttgart, 1937 Graf (lat. [M.] comes) ist im Frankenreich im Mittelalter der ursprünglich königliche Amtsträger. Der Titel comes (Gefährte, Be- gleiter) findet sich im römischen Altertum seit Kaiser Diokletian (284-313/316) für hohe Höflinge und danach für örtliche Amtsträger (u. a. auch [lat.] comes civitatis). Der frühmittel- alterliche fränkische comes soll den Frieden wahren, Übeltäter verfolgen und Schutzbedürftige sichern. Daneben kennt die fränkische (lat. [F.]) Lex Salica einen vielleicht zu got. gagrefts, Befehl, zu stellenden afrk. grafio, der auf Verlangen eines Rechtsu- chenden Sachen wegnehmen oder unerwünschte Siedler vertreiben soll und der möglicherweise ein örtlicher königlicher Befehlshaber ist. In der Mitte des 8. Jh.s verschmilzt dieser grafio anscheinend mit lat. comes, dessen Aufgaben in karolingischer Zeit in der Erhaltung des Königsgutes, der Auf- bietung der Heerfolgepflichtigen, der Erhebung von Zöllen, der Einziehung von verfallenem Gut und der Leitung des Rechtsstreits um Freiheit und Grund bestehen. Zwar ist der G. absetzbar, doch wird seine Stellung in vor- nehmen Familien bald erblich. Die richterlichen Aufgaben treten in den Vor- dergrund. Seit dem 11. Jh. gerät die gräfliche Gewalt unter den Einfluss nichtköniglicher Mächte. Der Grafentitel wird zu einer Standesbezeichnung. Ein Teil der Grafen wird mittelbarer landsässiger Adel, die reichsständischen Grafen treten im Reichsfürstenrat zusammen (schwäbische, wetterauische, fränkische und westfälisch- niedersächsische Grafenkurie). Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) verliert auch der reichsunmittelbare G. seine selbständige Bedeutung. G. wird zum (verliehenen) höheren Adelstitel. Lit.: Köbler, DRG 84, 86; Köbler, WAS; Ficker, F., Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 72, 95; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel, 1906; Hausgeschichte und Diplomatarium des Reichs-Semperfreien und Grafen Schaffgotsch, hg. v. Kaufmann, J., 2, 2, 1925; Schlesinger, W., Die Entstehung der Landesherrschaft, 1941, Neudruck 1964;., Studien zur sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Guttenberg, E. v., Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel 1952, 93; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Schöllkopf, R., Die sächsischen Grafen, 1957; Mitterauer, M., Die Grafenfamilien der bayrischen Marken in der Karolingerzeit, Diss. phil. Wien 1960 (masch.schr.); Bosl, K., Franken um 800, 2. A. 1980; Forwick, F., Die staatsrechtliche Stellung der ehemaligen Grafen von Schwalenberg, 1963; Schulze, H., Grundprobleme der Grafschaftsverfassung, Z. f. württemberg. LG. 44 (1985), 274 265; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens, 1986; Zotz, T., Grafschaftsverfassung und Personengeschichte, ZGO 136 (1988), 1; Schmidt, G., Der Wetterauer Grafenverein, 1989 Grafenbann ist der vom König im Frühmittelalter dem -> Grafen verliehene -> Bann von 15 Schillingen. Lit.: Kroeschell, DRG 1 grafio -> Graf Grafschaft ist der Amtsbezirk des -> Grafen (lat. comes, -> lat. comitatus). Im Gegensatz zu älteren Forschungen werden trotz etwa der erheblichen Anstrengungen von Herrschern wie Pippin des Jüngeren oder Ludwig des Frommen in der Gegenwart die Vorstellung einer Deckungsgleichheit von Gauangaben der Quellen und jeweils gegebenen Bezirken von Grafen und die Vorstellung eines lückenlosen Systems von Grafschaften für das Frühmittelalter abgelehnt (Amtsgrafschaften neben auf verstreuten Königsgut gegründeten Streugrafschaften). Zu einer stärkeren Geschlossenheit von Amtsbezirken scheint es mit der Festigung der Landesherrschaft zu kommen. Lit.: Köbler, WAS; Hömberg, A., Grafschaft, 1949; Krüger, S., Studien zur sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Metz, W., Studien zur Grafschaftsverfassung Althessens, ZRG GA 71 (1954), 167; Schulze, H., Die Grafschaftsverfassung der Karolingerzeit in den Gebieten östlich des Rheins, 1973; Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften Alemanniens, 1984; Schulze, H., Grundprobleme der Grafschaftsverfassung, Z. f. württemberg. LG. 44 (1985), 265; Hoffmann, H., Grafschaften in Bischofshand, DA 46 (1990), 375; Holzfurtner, L., Die Grafschaft der Andechser, 1994 Gragas (Graugans) ist die auf einem Irrtum beruhende, 1548 nachweisbare, seit dem 17. Jh. übliche Bezeichnung für das aus Gesetzen, Gutachten, privaten Aufzeichnungen und Formelsammlungen zusammengesetzte, zwi- schen 1258 und 1271 aufgezeichnete und durch das Königsbuch (Konungsbok, [lat.] Codex [M.] regius) und das Stadarholsbuch (Sta- darholsbok, [lat.] Codex [M.] Arnamagaeanus) der zweiten Hälfte des 13. Jh.s überlieferte, altisländische Recht ([930-1264] Christenrecht, Strafrecht, Eherecht, Erbrecht, Grundgüterrecht und Vertragsrecht). Die Geltung der G. auf Island wird nach der Unterwerfung -> Islands unter Norwegen (1262/4) 1271/81 durch das Gesetzbuch König Magnus Hakonarsons (- >Jarnsida, -> Jonsbok) aufgehoben. Lit.: Bechert, R., Eine dunkle Stelle der Graugans, ZRG GA 48 (1928), 442; Isländisches Recht. Die Graugans, hg. v. Heusler, A., 1937; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 120; Foote, P., Some Lines in Logréttutháttr, FS P. Foote, 1984, 155; Beck, H., Wortschatz der altisländischen Grágás, 1993 Granada an der Sierra Nevada geht auf eine keltische Gründung zurück. Im Mittelalter ist es Mittelpunkt eines maurischen Königreichs (1030-1050, 1238-1492). 1526/1531 erhält es eine Universität. Lit.: Ladero Quesada, M., Granada, 1988 Grande ordonnance de réformation du royaume ist das französische Gesetz von 1302, durch das der König den Schutz der Kirche auch in den Gebieten der Landesherren (Herzöge, Grafen, Barone) übernimmt. Grangie ist der hochmittelalterliche klösterliche Wirtschaftshof vor allem der Zisterzienser. Lit.: Wiswe, H., Grangien niedersächsischer Zisterzienserklöster, Braunschweig. Jb. 34 (1953), 5; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittel- alterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 175f.; Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983 Gratian (Carraria um 1100-Bologna? nach 1143 [um 1150?]), (kamaldulensischer Mönch? und) Magister der Theologie in Bologna, verfasst zwischen 1125 und 1140 die -> concordia discordantium canonum (-> Decretum Gratiani). Er begründet mit diesem vielleicht 3800 Kapitel kirchenrechtlicher Quellen zusammenfassenden, die Wider- sprüche kommentierend auflösenden Werk die kirchenrechtliche Wissenschaft. Lit.: Köbler, DRG 102, 105; Plöchl, W., Das Eherecht des Magisters Gratianus, 1935; Kuttner, S., Graziano, 1953, 20; Weigand, R., Die Naturrechtslehre der Legisten und Dekretisten, 1967, 132; Kuttner, S., Research on Gratian, in: Seventh International Congress of medieval Canon Law, 1984; Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997, 1331; Winroth, A., The Making of Gratian's Decretum, 2000 Graubünden ist der aus antihabsburgischen Bündnissen (1367 Gotteshausbund, 1395 Oberer oder Grauer Bund) entstandene, seit 1497ff. zur -> Eidgenossenschaft in Beziehung 275 tretende Kanton (1803/1815) der -> Schweiz. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Jecklin, F., Materialien zur Standes- und Landesgeschichte gemeiner III Bünde, Teil 1f. 1907ff.; Caliezi, B., Der Übergang der Herrschaft Räzüns an den Kanton Graubünden, 1920; Pieth, F., Die Umbildung des Freistaates der drei Bünde in den Kanton Graubünden, Jahresbericht der historisch- antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 57 (1928); Liver, P., Vom Feudalismus zur Demokratie, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 1930; Lalive-Acatos, K., Das gesetzliche Erbrecht Graubündens, 1931; Gillardon, P., Geschichte des Zehngerichtenbundes, 1936; Zur Fünfjahrhundertfeier des Zehngerichtenbundes, 1936; Müller, I., Die Entstehung des grauen Bundes 1367- 1424, Zs. f. schweiz. Gesch. 21 (1941), 137; Maron, C., Das Zivilgericht nach den bündnerischen Statutarrechten, 1942; Bündner Urkundenbuch, Bd. 1ff. bearb. v. Meyer- Marthaler, E. u. a., 1947ff.; Die lex Romana Curiensis, hg. v. Meyer-Marthaler, E., 1959; Staatsarchiv Graubünden, Einbürgerungen 1801-1960, hg. v. Jenny, R., 1965; Padrutt, C., Staat und Krieg im alten Bünden, 1965; Caroni. P., Einflüsse des deutschen Rechts Graubündens südlich der Alpen, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,451; Der Gotteshausbund, hg. v. Schorta, A., Bd. 1f. 1980f.; Bundi, M., Zur Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte Graubündens, 1982; Geschichte und Kultur Churrätiens, 1986; Cavigelli, M., Entstehung und Bedeutung des Bündner Zivilgesetzbuches von 1861, 1994; Rathgeb, C., Die Verfassungsentwicklung Graubündens im 19. Jahrhundert, 2003 gravamen (lat. [N.]) Last, Beschwerde (im Gegensatz zu Vorteil, Gewinn) Gravina, Gian Vincenzo (1664-1718), nach dem Studium in Scaela (Caloprese) und Neapel (Biscardi) seit 1689 in Rom, wird Professor zunächst für Zivilrecht, 1703 für kirchliches Recht. Sein Hauptwerk sind die 1701 veröffentlichten (lat.) Origines (F.Pl.) iuris civilis (Ursprünge des weltlichen Rechts). Lit.: Ghisalberti, C., Gian Vincenzo Gravina, 1962 Graz (zu slaw. gradec, Bürglein) an der Mur wird 1164 als Markt neben einer Burg genannt. Seit 1379 ist es Residenz. 1584/1586 erhält es zum Zweck der Gegenreformation eine Universität, an der auch juristischer Unterricht stattfindet. Lit.: Popelka, F., Geschichte der Stadt Graz, 1928; Popelka, F., Die Bürgerschaft der Stadt Graz, 1941; Ebert, K., Die Grazer Juristenfakultät im Vormärz, 1969; Ebert, K., Die Pflege der Rechtsgeschichte an der Universität Graz, ZRG GA 87 (1970), 239; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978; 850 Jahre Graz, hg. v. Steinböck, W., 1978; Reformen des Rechts. Festschrift zur 200-Jahr-Feier der rechtswissenschaft- lichen Fakultät der Universität Graz, hg. v. Sutter, N., 1979; Gebhardt, H., Die Grazer Polizei 1786-1850, 1992; Wesener, G., Österreichisches Privatrecht an der Universität Graz, 2002 Gregorius ist der Verfasser des -> Codex Gregorianus. Gregor von Tours (Clermont 30. 11. 538/539- Tours 17. 11. 594), seit 573 Bischof von Tours, überliefert in seinen zehn Büchern Geschichte (lat. Decem libri [M.Pl.] historiarum) wichtige Gegebenheiten der merowingischen Franken- zeit. Lit.: Gregorii episcopi Turonensis historiarum libri X, 2. A. hg. v. Krusch, B., 1937ff.; Weidemann, M., Kulturgeschichte der Merowingerzeit, 1982; Goffart, W., The Narrators of Barbarian History, 1988; Heinzelmann, M., Gregor von Tours, 1994; The World of Gregory of Tours, hg. v. Mitchell, K. u. a., 2002 Greife ist der Angehörige eines vor 1124 christianisierten Herzogsgeschlechts der Pomoranen (Pommern), das seit 1215 einen Greifen im Wappen führt und 1631 ausstirbt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wehrmann, M., Genealogie des pommerschen Herzoghauses, 1937 Greifswald nahe der Ostsee mit -> lübischem Stadtrecht erhält 1456 eine Universität (1456- 1524 3317 Immatrikulationen, Matrikel von 1456 bis 1700 von Ernst Friedländer 1893f. veröffentlicht). Lit.: Molitor, E., Die Greifswalder Juristenfakultät, FS zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald, Bd. 2 1956; Seth, I., Die Universität Greifswald und ihre Stellung in der schwedischen Kulturpolitik 1637-1815, 1956; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Feltkamp, K./Biederstedt, R., Greifswald, 1983; Vorholz, I., Die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät, 2000; Das älteste Greifswalder Stadtbuch (1291-1332), bearb. v. Poeck, D., 2000; Matthiesen, H., Greifswald in Vorpommern, 2000; Link, A., Auf dem Weg zur Landesuniversität, 2000; Greifswald, hg. v. Wernicke, H., 2000; Fietz, J., Nordische Studenten an der Universität Greifswald, 2003; Die Matrikel der Universität Greifswald, hg. v. Schmidt, R. u. a., Teil 1ff. 2004ff. Grenze ist die Trennungslinie zwischen zwei 276 Bereichen, insbesondere zwei Staaten. Ursprünglich nur wenig genau bestimmt, wird die G. mit wachsender Bevölkerungsdichte und zunehmender Territorialisierung immer eindeutiger gekennzeichnet und gesichert. Für die Grenzfestlegung entwickeln sich besondere technische Verfahren, deren Einhaltung strafrechtlich bewehrt wird. Lit.: Hübner; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 69; Erben, W., Deutsche Grenzaltertümer aus den Ostalpen, ZRG GA 43 (1922), 1; Bader, K., Der schwäbische Untergang, 1933, Grenzrecht und Grenzzeichen (, hg. v. Bader, K.), 1940; Karp, H., Grenzen in Ostmitteleuropa, 1972; Deutschlands Grenzen in der Geschichte, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993; Simmerding, F., Grenzzeichen, 1997; Grenze und Differenz im frühen Mittelalter, hg. v. Pohl, W. u. a., 2000 Greyerz (Gruyres) Lit.: Vevey, B. de, Le droit de Gruyres, 1939, Rennefahrt, H., Der Geltstag des letzten Grafen von Greyerz, Zs. f. schweiz. Gesch. 22 (1942), 321 Grieche ist der Angehörige des die griechische Sprache sprechenden, von den Indogermanen abstammenden Volkes, das im 2. Jt. v. Chr. in den Südosten Europas eindringt. Nach dunklen, erst mit den 27803 Versen von Ilias und Odysee sich lichtenden Jahrhunderten (1200- 800 v. Chr.) bilden die Griechen in der Mitte des 1. Jt.s v. Chr. den Stadtstaat (polis) aus (Sparta, Athen und viele andere). Sie führen die Wissenschaften auf einen hohen Stand (Thales, Anaximander, Anaximenes, Xenophanes, Hera- klit, Demokrit, Pythagoras, Sokrates, Plato, Aristoteles). Ihr Recht ist durch schon im 7. Jh. einsetzende Gesetzgebung (Lykurg, Solon, Drakon) und die rechtsphilosophische Unter- scheidung von natürlichem Recht (-> Naturrecht) und gesetztem Recht gekennzeichnet. Lit.: Köbler, DRG 15, 16, 29; Zachariae von Lingenthal, K., Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3. A. 1892, Neudruck 1955; Mühl, M., Untersuchungen zur altorientalischen und althellenischen Gesetzgebung, 1963; Mummenthey, H., Zur Einführung: Griechisches Recht, JuS 1969, 307; Wolff, H., Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, 1978; Biscardi, Diritto greco antico, 1982; Triantaphyllopoulos, Das Rechtsdenken der Griechen, 1985; Lendle, O., Einführung in die griechische Geschichtsschreibung, 1992; Greek Law, hg. v. Foxhall, L. u. a., 1996; Burkert, W., Die Griechen und der Orient, 2003; Cerchiai, L. u. a., Die Griechen in Süditalien, 2004 Griechenland ist der südosteuropäische, zwischen Italien und der Türkei gelegene, seit 1. 1. 1981 der -> Europäischen Gemeinschaft (1993 -> Europäischen Union) angehörende Staat. Sein anfangs durch viele Stadtstaaten (z. B. -> Athen) gekennzeichnetes Gebiet wird seit 336 v. Chr. unter Makedonien vereinigt, gelangt 146 v. Chr. unter die Herrschaft der Römer, wird 330 n. Chr. Ostrom bzw. -> Byzanz zugeteilt und fällt 1453 an die Osmanen (Türken). Seit dem 4. 3. 1821 erheben sich die Griechen gegen die osmanische Herrschaft. Nach Erringung der Unabhängigkeit wird 1828 der -> Hexabiblos als vorläufiges Zivilgesetzbuch bestimmt. Am 3. 2. 1830 wird G. als unabhängige Erb- monarchie anerkannt, zu dessen König 1832 der bayerische Prinz Otto von Wittelsbach bestimmt wird. Das danach geschaffene Recht ist vom deutschen Recht geprägt (1832-1834 Georg Ludwig von Maurer Strafgesetz, Strafprozessordnung, Gerichts- und Notariats- ordnung, Zivilprozessordnung, Vorbereitung eines Zivilgesetzbuches). 1940 wird das vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch beein- flusste Zivilgesetzbuch geschaffen, dessen Inkrafttreten am 23. 2. 1946 die Geltung des gemeinen Rechts (-> Hexabiblos) beendet. Am 21. 4. 1967 putscht die Armee gegen den König, am 1. 6. 1973 wird die Republik ausgerufen. Lit.: Lipsius, Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff., Neudruck 1984; Jones, The Law and Legal Theory of the Greeks, 1956; Mantzoufas, G., Über griechisches Prvatrecht, 1955; Sontis, J., Das griechische Zivilge- setzbuch, ZRG RA 78 (1961), 355; Woodhouse, C., The story of modern Greece, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat- rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,473; Bengtson, H., Griechische Geschichte, 8. A. 1994; Schuller, Griechische Geschichte, 4. A. 1995; Inschriftliche Gesetzestexte der frühen griechischen Polis, hg. v. Hallof, K., 1993; Selb, W., Antike Rechte im Mittelmeerraum, 1993; Passow, F., Handwörterbuch der griechischen Sprache, 5. A. 1993; Inschriftliche Gesetzestexte, hg. v. Hallof, K., 1993; Argyriades, C., Staatsbilder und Rechtspraktiken, 1994; Christ, C., Griechische Geschichte, 1996; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 2. A. 2001; Rhodes, P./Lewis, D., The Decrees 277 of the Greek States, 1997; Einleitung in die griechische Philologie, hg. v. Nesselrath, H., 1997; Große Gestalten der griechischen Antike, hg. v. Brodersen, K., 1999; Price, S., Religions of the Ancient Greeks, 1999; Thomas, C./Conant, C., Citadel to City-State, 1999; Botsiou, K., Griechenlands Weg nach Europa, 1999; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung im antiken Griechenland, 1999; Rosen, K., Griechische Geschichte erzählt, 2000; Riemer, P./Weißenberger, M./Zimmermann, B., Einführung in das Studium der Gräzistik, 2000; Verfassungsgeschichte und Staatsrechtslehre. Griechisch-deutsche Wechsel- wirkungen, hg. v. Kassimatis, G. u. a., 2000; Encyclopedia of Greece and the Hellenic Tradition, hg. v. Speake; G., 2000; Lotze, D., Griechische Geschichte, 5. A. 2003; Rose, H., Griechische Mythologie, (10. A.) 2003; Buckler, J., Aegean Greece in the Fourth Century BC, 2003; Barceló, P., Kleine griechische Geschichte, 2004; Köbler, G., Rechtsgriechisch, 2004; Barta, H., Zur juristischen Professionalisierung im alten Griechenland, FS Rudolf Welser, 2004, 27; Linke, B., Religion und Herrschaft im archaischen Griechenland, HZ 280 (2005), 1; The Cambridge Companion to Ancient Greek Law, hg. v. Gagarin, M., 2005 Grimm, Jakob (Hanau 4. 1. 1785-Berlin 20. 9. 1863), Amtmannssohn, wird nach dem nicht abgeschlossenen Rechtsstudium in Marburg (Savigny) Bibliothekar in Kassel und 1829/1830 Professor der Germanistik in Göttingen. 1837 wird er als einer der Göttinger Sieben (-> Göttingen) des Amtes enthoben, 1840 nach Berlin an die Akademie der Wissenschaft geholt. 1828 erscheinen nach den Kinder- und Hausmärchen (1812ff., zusammen mit Wilhelm Grimm [24. 2. 1786-16. 12. 1859]), den deutschen Sagen (1816ff.) und der deutschen Grammatik (1819) seine deutschen Rechtsaltertümer, über die er in Berlin auch Vorlesungen hält, seit 1840 seine deutschen Weistümer sowie 1854ff. sein deutsches Wör- terbuch, durch die Jakob G. den germa- nistischen Teil der historischen Rechtsschule nicht unmaßgeblich beeinflusst. Lit.: Köbler, DRG 188; Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Z. f. gesch. Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Grimm, J./Grimm, W., Deutsches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1854ff.; Briefe der Brüder Grimm, hg. v. Leitzmann, A., 1923; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Karl Lachmann, hg. v. Leitzmann, A., 1927; Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 144; Ebel, W., Jakob Grimm und die deutsche Rechtswissenschaft, 1963; Schuler, T., Jacob Grimm und Savigny, ZRG GA 80 (1963), 197; Grimm, J., De desiderio patriae, hg. v. Ebel, W., 1967; Jacob Grimms deutsche Altertumskunde, hg. v. Ebel, E., 1974; Seitz, G., Die Brüder Grimm, 1984; Dilcher, G., Jakob Grimm als Jurist, JuS 1985, 931; Der Nachlass der Brüder Grimm, bearb. v. Breslau, R., 1997; Hussong, U., Jacob Grimm und der Wiener Kongress, 2002; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Gustav Hugo, hg. v. Bialas, S., 2004; Die Brüder Grimm in Berlin, red. v. Kaindl, K. u. a., 2004 Grolman, Karl Ludwig Wilhelm von (Gießen 23. 6. 1775-Darmstadt 14. 2. 1829) wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Erlangen Professor in Gießen und 1819 Staatsminister in Hessen-Darmstadt. Er setzt sich für die Auffassung ein, dass es Sinn der Strafe sei, durch Einwirkung auf Straftäter künftigen Verbrechen vorzubeugen (-> Spezialpräven- tion). Lit.: Esselborn, K., Grolman, in: Hessische Biographien, Bd. 3 1934, 157; Röger, M., Karl Ludwig Wilhelm von Grolman, Diss. jur. Gießen 1995; Cattaneo, M., Karl Grolmans strafrechtlicher Humanismus, 1998 Groningen wird im Jahre 1000 erstmals erwähnt. 1559 wird es Sitz eines Bischofs. 1614 erhält es eine Universität. Lit.: Peters, C., Oud Groningen, 1907; Iterson, W. van, Die Stadt Groningen und ihre Beziehungen zum Reich, ZRG GA 85 (1965), 99 Grönland ist die verwaltungsmäßig zu -> Dänemark gehörende größte Insel der Erde. G. wird wohl schon 900 von -> Wikingern entdeckt. Die 982 anschließende Besiedlung geht im Spätmittelalter unter. 1721 beginnt eine Neubesiedlung unter Dänemark. Unter dem dänischen Recht erhält G. 1979 Selbstver- waltung. Lit.: Dúason, J., Grnlands retsstilling i middelalderen, 1934; Dúason, J., Die koloniale Srtellung Grönlands, 1955; Gad, F., The History of Greenland, 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,525 Großbritannien ist der nordwesteuropäische, zwischen Irland und Frankreich gelegene, seit 1. 1. 1973 der -> Europäischen Gemeinschaft bzw. -> Europäischen Union angehörender Staat. Er entsteht 1707 durch die Überführung der 1603 gebildeten Personalunion zwischen England und Schottland in eine -> Realunion 278 (Vereinigung des englischen und schottischen Parlamentes). Sein amtlicher Name lautet United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland (Selbstverwaltung 1999, zeitweise aufgehoben). Seine ungeschriebene Verfassung nähert sich unter dem Einfluss des Europarechts den kontinentaleuropäischen Verfassungen an (1998 Human Rights Act zur Aufnahme der Europäischen Menschenrechts- konvention). -> England, -> Schottland, -> Irland Lit.: Jennings, I., The British Constitution, 4. A. 1961; Hrebek, R./Keutsch, W., Gesellschaft und Staat in Großbritannien, 1971; Ritter, G., Parlament und Demokratie in Großbritannien, 1972; Wellenreuther, H., Der Aufstieg des ersten britischen Weltreichs, 1987; Metz, K., Industrialisierung und soziale Sicherheit, 1988; British Biographical Index, hg. v. Bank, D., 1990; Speck, W., A Concise History of Britain, 1993; Rubin, G., Private Property, 1994; Händel, H./Gossel, D., Großbritannien, 3. A. 1994; Oxford Dictionary of National Biography, Bd. 1ff. 1992ff.; Hübner, E./Münch, U., Das politische System Großbritanniens, 1998; Brodersen, K., Das römische Britannien, 1998; The Oxford History of the British Empire, hg. v. Marshall, P., Bd. 1f., 1998ff.; Ottow, R., Eine kommentierte Bibliographie zum britischen Verfassungsdenken der frühen Neuzeit, 1999; Todd, M., Romain Britain, 3. A. 1999; A Handbook of Dates, for Students of British History, ed. by Cheney, C. R., revised by Jones, M., 2000; Tompson, R., Islands of law, 2000; Schnurmann, C., Vom Inselreich zur Weltmacht, 2001; Wende, P., Großbritannien 1500 bis 2000, 2001; Schieren, S., Die stille Revolution ­ Der Wandel der britischen Demokratie unter dem Einfluss der europäischen Integration, 2001; Moeder, R., Inzidente Gesetzesprüfung im Vereinigten Königreich, 2002; Fröhlich, M., Geschichte Großbritanniens von 1500 bis heute, 2004 Großherzog ist der den Fürstentitel Herzog erhöhende Fürstentitel (Toskana 1569, Berg, Hessen-Darmstadt 1806, Luxemburg 1815). Grotius (de Groot), Hugo (Huig) (Delft 10. 4. 1583-Rostock 28. 8. 1645), Patrizierssohn, wird nach dem 1594 begonnenen Studium in Leiden und der Promotion in Orléans (1598) 1599 Anwalt und danach Syndikus. 1606-1608 erarbeitet er das Werk (lat.) De iure praedae (Vom Recht der Beute), wobei er den Grundsatz der Freiheit der Meere vertritt. 1619 wird er aus politischen Gründen zu lebenslanger Haft verurteilt, aus der er 1621 nach Frankreich flieht. In der Gefangenschaft verfasst er die 1621 veröffentlichte nieder- ländische, der Systematik der Institutionen Justinians folgende Inleydinge tot de Hollandsche Rechts-Geleertheyd, in der Verbannung sein Hauptwerk (lat.) De iure belli ac pacis libri tres (, 1625, Drei Bücher Kriegs- und Friedensrecht [einschließlich etwa von Eigentum, Vertrag, unerlaubter Handlung oder Strafe]). Dabei überführt er die aus der Moral- theologie stammenden Naturrechtslehren in die Rechtswissenschaft. Lit.: Köbler, DRG 144, 146; Lee, R., The Jurisprudence of Holland by Hugo Grotius, 1926; Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid, beschreven bij Hugo de Groot, hg. v. Fockema Andreae, S./Apeldoorn, L. van, 1926; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Wellschmied, K., Zur Entstehung und Bedeutung der Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid von Hugo Grotius, ZRG GA 69 (1952), 155; Groot, Hugo de, Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid, hg. v. Dovring, F. u. a., 1952; Wehberg, H., Hugo Grotius, 1956; Dießelhorst, M., Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, 1959; ter Meulen, J./Diermanse, P., Bibliographie des écrits sur Hugo Grotius imprimés au 17e sicle, 1961; Hugonis Grotii Instiutiones juris Hollandici e Belgico in Latinum sermonem translatae, hg. v. Fischer, H., 1962; De Pauw, F., Grotius and the Law of Sea, 1965; Brandt, R., Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, 1974; Link, C., Hugo Grotius als Staatsdenker, 1983; The World of Hugo Grotius, 1984; Hugo Grotius and International Relations, hg. v. Bull, H. u. a., 1990, 133; Schnepf, R., Naturrecht und Geschichte bei Hugo Grotius, ZNR 1998, 1; Grunert, F., Von der Morgenröte zum hellen Tag, ZNR 2003, 204 Grundbuch ist das vom Grundbuchamt geführte, alle die Rechtsverhältnisse an Grundstücken betreffenden Beurkundungen aufnehmende öffentliche Register. Seine Ursprünge liegen im Mittelalter (-> Köln um 1130 -> Schreinskarten, Metz [1197], Ander- nach [12. Jh.], Lübeck [1284], österreichische Städte [14. Jh.]). Die Ordnung erfolgt zunächst nach Geschehniszeitpunkten oder nach Personen, in Anklam (1401) und Hannover (1428) bereits nach einzelnen Grundstücken (Realfoliensystem). Die Aufzeichnung dient anfangs der Gedächtnisstützung, gewinnt später aber selbständigen (konstitutiven) Rechtswert. Die Aufnahme des römischen Rechts drängt 279 das G. zurück. Zunächst nur in Sachsen, seit dem 19. Jh. allgemein (Sachsen 1843, Österreich 1871, Preußen 1872, Deutsches Reich 24. 3. 1897), setzt es sich aus Verkehrsbedürfnissen durch (Dreiteilung in Eigentümer, Reallasten usw., Hypotheken usw.). 1995 beschließt Griechenland als (bislang) letzter Mitgliedstaat der Europäischen Union, (bis 2009) ein G. einzurichten. Lit.: Hübner 235; Köbler, DRG 125, 163, 212; Mascher, H., Das deutsche Grundbuch- und Hypothekenwesen, 1869; Randa, A., Die geschichtliche Entwicklung des Institutes der öffentlichen Bücher in Österreich, Z. f. d. Privat- und öffentl. Recht 6 (1879), 81; Aubert, L., Beiträge zur Geschichte der deutschen Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1; Rehme, P., Geschichte des Münchener Grundbuchs, FS Hermann Fitting, 1903; Rehme, P., Über das älteste bremische Grundbuch (1438-1558), 1908; His, E., Geschichte des Basler Grundbuchs, 1915; Kovats, F., Pressburger Grundbuchführung, ZRG GA 39 (1918), 45; Grundbuch des Kölner Judenviertels 1135-1425, bearb. v. Kober, A., 1920, Neudruck 2000; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, II, 2, 1935; Conrad, H., Liegenschaftsübertragung und Grundbucheintragung, 1935; Demelius, H., Österreichisches Grundbuchsrecht, 1948; Abendroth, K., Die Klauseleintragungen der hamburgischen Grundbücher, Diss. jur. Hamburg 1950; Wandel, R., Der Beitrag der Steuer- und Güterbücher zur Entwicklung des Grundbuches in Württemberg, Diss. jur Tübingen (um 1958); Hammer, E., Die Geschichte des Grundbuchs in Bayern, 1960; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Geschichtsbll. N.F. (1971), 1; Brauneder, W., Grundbuch und Miteigentum im ,,Tractatus de iuribus incorporalibus", ZRG GA 94 (1977), 218; Böhringer, W., Historie und Vergleich, Rechtspfleger-Studienhefte 1997, 33 Grunddienstbarkeit ist die -> Dienstbarkeit (lat. [F.] servitus), bei der ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet wird, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf, dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist. Dem älteren deutschen Recht ist die G. fremd. Mit der Zunahme der Siedlungsdichte ent- wickeln sich Nutzungsrechte an fremden Grundstücken. Mit der Aufnahme des römi- schen Rechts im ausgehenden Mittelalter dringt die Unterscheidung von bloß bestimmten Personen zustehenden Dienstbarkeiten und den dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks zustehenden Dienstbarkeiten ein. Lit.: Köbler, DRG 41; Naendrup, H., Zur Geschichte deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900; Vleuten, M. van, Die Grunddienstbarkeiten nach altwestnordischem Rechte, 1902; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Grundeigentum ist das -> Eigentum an einem -> Grundstück. Im Mittelalter ist das Grundstück vielfach lehnsrechtlich oder grundherrschaftlich gebunden. Im 19. Jh. werden diese Bindungen aufgehoben. Lit.: Judeich, Die Grundentlastung in Deutschland, 1863; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen, 1891, 1895, 1896; Hausmann, S., Die Grundentlastung in Bayern, 1892; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums und die Entwicklung der gerichtlichen Eigentumsübertragung an Grundstücken in der Reichsstadt Dortmund, 1909; Ernst, V., Die Entstehung des deutschen Grundeigentums, 1926; Haff, K., Zur Geschichte des germanischen Grundeigentums, ZRG GA 49 (1929), 433; Schabinger Freiherr von Schowingen, K., Das sankt gallische Freilehen, 1938; Habermann, N., Die preußische Gesetzgebung zur Herstellung eines frei verfügbaren Grundeigentums, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 3; Goeke, U., Das Grundeigentum im Luftraum und im Erdreich, 1999 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist die Verfassung(surkunde) der Bundesre- publik Deutschland vom 23. 5. 1949. Das G. entsteht auf Veranlassung der westlichen Besatzungsmächte des Deutschen Reiches. Ein von den 11 Ministerpräsidenten berufener Verfassungskonvent arbeitet vom 10. bis 23. 8. 1948 auf Herrenchiemsee einen Entwurf eines vorläufigen Organisationsstatuts aus. Dieser wird von einem -> Parlamentarischen Rat in Bonn überarbeitet, von den drei westlichen Militärgouverneuren genehmigt und von den Vertretungen von 10 der 11 damaligen Länder angenommen. Er gliedert sich in einen Grundrechtsteil und einen Organisationsteil (Bundesstaat, Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundesver- fassungsgericht und [5] Bundesgerichte). 280 Lit.: Köbler, DRG 256; Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Becker, J., 1979; Buchner, P., Der Verfassungskonvent auf Herren- chiemsee, 1981; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Das Grundgesetz und die Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Benz, W. u. a., 1989; Robbers, G., Die Änderungen des Grundgesetzes, NJW 1989, 1125; Das Grundgesetz. Dokumentation seiner Entstehung, hg. v. Schneider, H., 1990ff.; Wehner, G., Die Westalliierten und das Grundgesetz, 1994; Kahl, W., Die Entstehung des Grundgesetzes, JuS 1997, 1083; Bauer, A./Jaestedt, M., Das Grundgesetz im Wortlaut, 1997; Niclauß, K., Der Weg zum Grundgesetz, 1998; Niclauß, K., Der Weg zum Grundgesetz, 1998; Wilms, H., Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgesetzes, 1999; Wilms, H., Die Entstehung des Grundgesetzes, 1999; Schneider, H., 50 Jahre Grundgesetz, NJW 1999, 1497; Die Entstehung des Grundgesetzes, hg., v. Feldkamp, M., 1999; Auf dem Weg zum Grundgesetz, hg. v. Brakelmann, G., 1999; Wilms, H., Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgesetzes, 1999; Spevack, E., Allied Control and German Freedom, 2002; Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgeseszes ­ Dokumente - , hg. v. Wilms, H., 2003 Grundherr -> Grundherrschaft Grundherrschaft ist die von einem (weltlichen oder geistlichen) Grundherrn (z. B. König, Bischof) beherrschte Gesamtheit von Gütern, die dieser von einem Haupthof (-> Fronhof, Salhof) aus mit Hilfe abhängiger Bauern (Grundholden, Hintersassen) bewirtschaftet. Bereits im Altertum finden sich Verbindungen von umfangreichem Eigentum an Grund- stücken und Herrschaftsrechten über Menschen. Wie weit die Germanen Vorformen der G. kennen, ist trotz der Hinweise Tacitus' nicht sicher. Jedenfalls ist bereits im Frühmittelalter die G. (mit bis zu 5000 Höfen) weit verbreitet. In sie treten Bauern durch Vergebung ihres Hofes ein. Die meist unfreien Hintersassen haben für die Nutzung des ihnen überlassenen Grundstücks -> Abgaben und -> Dienste zu leisten. Die G. ist ein wichtiger Ausgangspunkt für die Bildung von Landesherrschaft. Mit dem Eindringen der Geldwirtschaft im Hochmittelalter wird die G. zur ->Rentengrundherrschaft. Im Nordosten des Reiches entwickelt sie sich seit dem Spätmittelalter zur -> Gutsherrschaft. Der Grundherr erlangt vielfach Patrimonialgerichts- barkeit und Polizeigewalt. Seit dem ausgehenden 18. Jh. wird die G. bis zur Mitte des 19. Jhs. allgemein beseitigt (-> Bauernbefreiung, Ablösungsgesetzgebung). Grundsätzlich ist die (bäuerliche) G. vom (adligen) -> Lehen streng zu trennen. Lit.: Köbler, DRG 16, 28, 32, 51, 77, 96, 111, 133, 174; Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwest- deutschland, 1896; Knapp, T., Die Grundherrschaft im südwestlichen Deutschland, ZRG GA 22 (1901), 48; Kötzschke, R., Studien zur Verwaltungsgeschichte der Großgrundherrschaft Werden, 1901; Stengel, E., Grundherrschaft und Immunität, ZRG GA 25 (1904), 286; Fehr, H., Die Grundherrschaft im Sachsenspiegel, ZRG GA 30 (1909), 264; Grosch, G., Markgenossenschaft und Großgrundherrschaft im früheren Mittelalter, 1911; Hofbauer, S., Die Ausbildung der großen Grundherrschaften im Reiche der Merowinger, 1927; Klein, H., Die bäuerlichen Eigenleute des Erzstifts Salzburg im Mittelalter, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 73 (1933), 74 (1934); Perrin, C., Recherches sur la seigneurie rurale, 1935; Lütge, F., Die mitteldeutsche Grundherrschaft, 1934, 2. A. 1957; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer in der deutschen Kaiserzeit, 1939; Klebel, E., Die Grundherrschaften um die Stadt Villach, Archiv für vaterländische Geschichte 27 (1942); Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof im älteren deutschen Agrawresen, 1953; Schreiber, A., Rudolfingen, 1954; Kirchner, G., Probleme der spätmittelalterlichen Klostergrundherrschaft in Bayern, Z. f. bay. LG. 19 (1956), 1; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Sprandel, R., Das Kloster St. Gallen, 1958; Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Lennard, R., Rural England, 1959; Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherrschaft, 1964; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Lindkvist, T., Landborna i Norden, 1979; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983; Vassberg, D., Land and Society in Golden Age Castile, 1984; Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989; Braasch- Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Grundherrschaft und Stadtentstehung am Niederrhein, hg. v. Fink, K. u. a., 1989; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991; Kuchenbuch, L., Grundherrschaft, 1991; Scherner, K., Ut propriam familiam nutriat - Zur Frage der sozialen Sicherung in 281 der karolingischen Grundherrschaft, ZRG GA 111 (1994), 330; Èechura, J., Die Struktur der Grundherrschaften im mittelalterlichen Böhmen, 1994; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995; Grundherrschaft und bürgerliche Gesellschaft im Hochmittelalter, hg. v. Rösener, W., 1995; Strutture e trasformazioni della signoria rurale, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1996; Grundherrschaft ­ Kirche ­ Stadt zwischen Maas und Rhein während des hohen Mittelalters, hg. v. Haverkamp, A. u. a., 1997; Otto, G., Die Arbeitsverfassung der bayerischen Grundherrschaft, 1998; Kuchenbuch, L., Abschied von der ,,Grundherrschaft", ZRG GA 121 (2004), 1 Grundholde -> Grundherrschaft Grundlagenvertrag ist der am 21. 12. 1972/6. 6. 1973 zwischen Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik abgeschlossene Vertrag. Lit.: Nakath, D., Die Verhandlungen zum deutsch- deutschen Grundlagenvertrag 1972, 1993 Grundpfandrecht ist das in der Verpfändung eines Grundstücks bestehende beschränkte dingliche Recht. -> Hypothek, -> Grundschuld Lit.: Köbler, DRG 212; Meibom, V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867; Mutzner, P., Geschichte des Grundpfandrechts in Graubünden, 1909; Planitz, H., Das Grundpfandrecht in den Kölner Schreinskarten, ZRG GA 54 (1934), 1; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936, Neudruck 1983; Schulin, H., Zur Entwicklung des Grundpfandrechts in der Schweiz, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976 Grundrecht ist das dem Einzelnen zustehende, verfassungsmäßig verbürgte elementare Recht. Eine Vorform des Grundrechts wird in den Rechten sichtbar, die der englische König Johann Ohneland am 15. 6. 1215 den Baronen in der (lat.) -> Magna Charta (F.) libertatum (große Urkunde der Freiheiten) verbriefen muss (z. B. Steuerbewilligung, Pairsgericht). Zur gleichen Zeit sehen einzelne naturrechtliche Theoretiker (Thomas von Aquin 1225-1274) Leben, Freiheit und Eigentum als dem Zugriff des Staates entzogene allgemeine Rechte des Menschen an. In der Neuzeit betonen die Erklärung vom Dordrecht (15./16. 7. 1572) in den Niederlanden sowie Petition of Rights (1628), Habeas-Corpus-Act (1679) und Declaration of Rights (1689) besondere Rechte des Einzelnen. In den Einzelstaaten Amerikas finden zu Beginn des Unabhängigkeitskrieges gegen England auch fundamentale Rechte ([engl.] inherent rights, unalienable rights, [franz.] 1770 droits fundamentaux) des Einzelnen in die formellen Verfassungen Eingang. Dem folgen deutsche Verfassungen im 19. und 20. Jh. (Preußen 1850, nicht die Verfassung von 1871, Österreich 21. 12. 1867), wobei sich viele Grundrechte bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom politischen Programmsatz zum einlösbaren Rechtsanspruch wandeln. Inhaltlich bilden die verschiedenen Formen der -> Freiheit und der - > Gleichheit (-> Gleichheitsgrundsatz) den Kern der in erster Linie gegen den Staat gerichteten Grundrechte. -> Menschenrecht Lit.: Köbler, DRG 191, 194, 195, 231, 232, 257; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1047; Mommsen, T., Die Grundrechte des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Fürstenau, H., Das Grundrecht der Religionsfreiheit, 1891; Eckhardt, E., Die Grundrechte vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart, 1913; Jellinek, G., Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 4. A. 1927; Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, hg. v. Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Bohatec, J., England un die Geschichte der Menschen- und Bürgerrechte, 1956; Genzmer, H., Die Grundrechte in der Hamburger Konstitutamte, Diss. jur. Hamburg 1957; Oestreich, G., Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriss, 1968; Die Grundrechtsdiskussion in der Paulskirche, hg. v. Scholler, H., 1973; Rimscha, W. v., Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus, 1973; Huber, E., Grundrechte im Bismarkschen Reichssystem, FS U. Scheuner, 1973, 163; Oestreich, G., Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 2. A. 1978; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Grundrechte im 19. Jahrhundert, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1982; Starck, C., Entwicklung der Grundrechte, 1982; Sutter, B., Die Entwicklung der Grundrechte, 1982; Loew, W., Die Grundrechte, 2. A. 1982; Köck, H., Der Beitrag der Schule von Salamanca zur Entwicklung der Lehre von den Grundrechten, 1987; Eisenhardt, U., Die gerichtliche Überprüfung, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, 1987, 75; Grund- und Freiheitsrechte von der ständischen zur spätbürgerlichen Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G., 1987; Brauneder, W., Geschichte der Grundrechte in Österreich, 1992; Dreier, H., Dimensionen der Grundrechte, 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Oechsle, K., Die steuerlichen Grundrechte, 1993; 282 Schmale, W., Archäologie der Grund- und Menschenrechte, 1997; Kröger, K., Grundrechtsentwicklung, 1998; Mohnhaupt, H., Von den leges fundamentales, Ius commune 25 (1998), 121; Hufen, E., Entstehung und Entwicklung der Grundrechte, NJW 1999, 1504; Lamprecht, R., Vom Untertan zum Bürger, 1999; Müller, J., Grundrechte in der Schweiz, 1999; Eisenhardt, U., Zur Entwicklung des Grundrechtsverständnisses, FS A. Söllner, 2000; Die Grundrechte im Spiegel des Plakats, hg. v. Artinger, K., 2000; Austermühle, G., Zur Entstehung und Entwicklung eines persönlichen Geheimsphärenschutzes, 2002; Das Menschenbild der Grundrechte, hg. v. Schünemann, B. u. a., 2002; Schäfer, H., Die ungeschriebenen Freiheits- rechte in der schweizerischen Bundesverfassung, 2002; Quellen zur Entstehung der Grundrechte in Deutschland, hg. v. Fikentscher, W. u. a., 2002; Köster, F., Entstehungsgeschichte der Grundrechtsbestimmungen des zweiten Hauptteils der Weimarer Reichsverfassung, 2003; Handbuch der Grundrechte, hg. v. Merten, D. u. a., Bd. 1ff. 2004ff.; Goller, P./Oberkofler, G., Grundrechtskatalog für Österreich?, 2004; Pauly, W., Grundrechtlaboratorium Weimar, 2004; Suppé, R., Die Grund- und Menschenrechte in der Staatslehre des 19. Jahrhunderts, 2004; Das Lüth-Urteil, hg. v. Henne, T. u. a., 2005; Hilker, J., Grundrechte im deutschen Frühkonstitutionalismus, 2005 Grundrente ist der Ertrag, den der Grund (Grundstück) ohne Arbeitsaufwand und Kapitalaufwand des Eigentümers abwirft. Die G. ist eine vermögensrechtliche -> Reallast. Sie hat sich vermutlich aus der -> Erbleihe entwickelt. Später wird die G. durch -> Rentenkauf geschaffen. Seit dem 14. Jh. überwiegt die Geldrente die Rente in Naturalleistungen. In der Neuzeit wird die G. durch das verzinsliche hypothekarisch ge- sicherte -> Darlehen ersetzt. Lit.: Hübner 397 Grundruhr ist die Berührung des Grundes durch ein Schiff (beim Schiffbruch). Die anfängliche Folge der G. ist, dass das Gut dem zufällt, der es in Besitz nimmt. Seit dem 12. Jh. wird dies von Kirche und Kaiser bekämpft und durch das Strandregal zu ersetzen versucht. Das Völkerrecht der Gegenwart gesteht ein Strandrecht bzw. Bergerecht dem Küstenstaat zu. Lit.: Nittemaa, V., Das Strandrecht in Nordeuropa im Mittelalter, 1955 Grundschuld ist eine Belastung eines Grundstücks in der Weise, dass an den, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist. Die in Mecklenburg ausgebildete G. wird 1900 in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 213; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978 Grundsteuer ist die von -> Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten zu entrichtende - > Steuer. Sie wird bereits von dem römischen Kaiser Diokletian (284-313/316) erhoben. Der frühneuzeitliche Staat greift dies wieder auf. Wegen der bisher eher geringen Höhe ist künftig mit verstärkter Abschöpfung zu rechnen. Lit.: Köbler, DRG 55, 152; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. unv. A. 1992 Grundstück ist der abgegrenzte Teil der Erdoberfläche (, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblattes unter einer besonderen Nummer gebucht ist). Im römischen Recht sind die italischen Grundstücke (lat.) -> res (F.Pl.) mancipi. Im deutschen Recht wird das G. vielfach anders behandelt als die bewegliche Sache. Im 20. Jh. ist der Erwerb landwirt- schaftlich genutzter Grundstücke durch das Erfordernis staatlicher Genehmigung eingeschränkt (Grundstücksverkehrsbekannt- machung vom 15. 3. 1918, Grundstücksverkehrsgesetz vom 28. 7. 1961, österreichische Grundverkehrsordnung vom 9. 8. 1915, Grundverkehrsgesetz 1919). Lit.: Kaser §§ 18, 28; Hübner 181; Köbler, DRG 90; Böckel, F., Die Grundstücksübereignung in Sachsen- Weimar-Eisenach, 1911; Hallermann, H., Die Erbleihe an Grundstücken in den westfälischen Städten, 1925; Richter, G., Die Grundstücksübertragung im ostfälischen Sachsen, 1934; Merk, W., Die Grundstücksübertragung in Meersburg am Bodensee, ZRG GA 55 (1935), 169, 56 (1936), 1; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen, 1934; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der Liegenschaftsübereignung in Freiburg, 1937; Köbler, G., Die rechtliche Regelung des Eigentumserwerbs an Grundstücken in Preußen, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1967, 201; Müller, W., Fertigung und Gelöbnis mit dem Gerichtsstab, 1976; Hofmeister, H., Zur Entwicklung des Eigentumserwerbs an Grundstücken und des Grundkredits in Österreich unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses der preußischen 283 Gesetzgebung von 1872, Wissenschaft und Kodifikation 3, 1976, 346; Hofmeister, Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbs in der österreichischen Privatrechtsentwicklung seit dem 18. Jahrhundert, 1977; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984 Gründungsstadt ist die durch bewusste Gründungshandlung geschaffene -> Stadt (z. B. Freiburg im Breisgau 1120?). Lit.: Kroeschell, DRG 2 Grundvertrag -> Grundlagenvertrag Grupen, Christian Ulrich (1692-1767) Lit.: Hoppenstedt, Dietrich, Christian Ulrich Grupen als Jurist und Rechtshistoriker, Hannoversche Geschichtsblätter, neue Folge 25 (1971) Gudelinus (Goudelin), Petrus (Ath 1550- Löwen 1619) wird nach dem Rechtsstudium (1567) in Löwen und einer Tätigkeit als Advokat 1582 Professor in Löwen. In seinen posthum veröffentlichten Werken verbindet er römisches Recht mit den Gewohnheitsrechten der Niederlande und Frankreichs. Lit.: Leuven. 550 jaar universiteit, 1976, 301 Gulathingsbok ist das in einer Handschrift der Mitte des 13. Jh.s (um 1250) und in weiteren Fragmenten überlieferte, vielleicht in verschiedenen Redaktionen (Olavstext, Magnustext) des späten 11. bis 13. Jh.s gefasste Recht des Things von Gula (Gulen) nahe dem Sognefjord, das die älteste norwegische Rechtsaufzeichnung darstellt. 1267 setzt König -> Magnus Hakonarson eine neue, nur in ihrem Christenrecht erhaltene G. in Kraft. Zahlreiche Bestimmungen werden 1274 in das norwegische Reichsrecht (Landslag) übernom- men. Lit.: Norwegisches Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings, hg. v. Meißner, R., 1935; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 112; Sveaas Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977, 247 Gülte, Gült, ist eine Bezeichnung für die mittelalterliche -> Grundrente. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Adler, S., Das Gültbuch von Nieder- und Oberösterreich, 1898; Maidhof, A., Das Passauer Gültenwesen, Die ostbairischen Grenzmarken 16 (1927), 313, 358 Gundling, Nicolaus Hieronymus (Kirchensittenbach 25. 2. 1671-Halle 9. 12. 1729), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium der Theologie in Altdorf, Jena, Leipzig und Altdorf Hofmeister in Halle. Als Schüler Thomasius' wird er Professor für Beredsamkeit und Naturrecht in Halle (Abriss zu einer rechten Reichshistorie, 1708). Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 302 Gutachten ist die Beurteilung einer Frage durch einen Fachmann. Bereits die klassische römische Jurisprudenz ist dadurch gekennzeichnet, dass seit Augustinus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) einzelnen Juristen (Re- spondierjuristen) das Recht verliehen wird, auf eine Anfrage im Namen des Staatsoberhauptes (lat. [M.] princeps) eine gutachtliche Antwort (lat. [N.] responsum) zu erteilen, welcher der (lat. [M.] iudex) Richter zu folgen hat. Seit dem 13. Jh. erteilen die oberitalienischen Juristen (- > Konsiliatoren, z. B. Johannes Bassianus als Schüler des -> Bulgarus, Azo [1150?-1220]) G. Mit der -> Aktenversendung beginnt eine reiche gutachterliche Tätigkeit der juristischen Fakultäten (bis 1877/1879). Die Technik des Gutachtens geht von der Frage aus und folgert von Voraussetzungen auf ein Ergebnis hin. Lit.: Söllner §§ 9, 10, 14, 15, 17; Köbler, DRG 107; Seeger, H., Die strafrechtlichen Consilia Tubingensia, 1877; Kohler, J./Liesegang, E., Das römische Recht am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Klugkist, E., Die Göttinger Juristenfakultät als Spruchkollegium, Diss. jur. Göttingen 1951 masch.schr.; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät, Diss. jur. Erlangen 1952; Mayer, H., Die Bedeutung der Rechtsgutachten in der Rezeptionszeit, Diss. jur. Basel (um 1962); Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Schikora, A., Die Spruchpraxis an der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Kempter, F., Die Gutachten- und Urteilstätigkeit der Juristenfakultät Ingolstadt-Landshut-München, Diss. jur. Mannheim 1976 Gutalagh ist das wohl nach 1285 (str.) in der Volksversammlung nach norwegischem Vorbild entstandene, in zwei Handschriften (um 1350, [1470 bzw.] 1587) und zwei Übersetzungen überlieferte Recht der Insel Gotland, das um 1400 auch in die deutsche Sprache übersetzt wird. Lit.: Wessén, E., Lex Gotlandiae, 1945; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 108; Sjöholm, E., Gesetze als Quellen mittelalterlicher 284 Geschichte, 1976 Gütergemeinschaft ist der (vertragliche) Güterstand, bei dem grundsätzlich das gesamte Vermögen der Ehegatten, das sie bei Eingehung der -> Ehe haben oder später erwerben, kraft Gesetzes gemeinschaftliches Vermögen (Gesamtgut) wird. Die G. findet sich bereits im Frühmittelalter bei Franken und Westfalen in der Form der -> Errun- genschaftsgemeinschaft. Im Hochmittelalter dringt sie in örtlich recht verschiedener Form weiter vor, wobei die Verwaltung der Güter grundsätzlich dem Mann zusteht. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird die für rund 11 Millionen Menschen bestehende allge- meine Gütergemeinschaft zu einem vertraglich festlegbaren Ehegüterstand (Wahlgüterstand), für den der Grundsatz der -> Gesamthand gilt. Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 207, 210, 267; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Possel- Dölken, P., Das westfälische eheliche Güterrecht im 19. Jahrhundert, 1978 Guter Glaube ist das Vertrauen auf die Richtigkeit eines Anscheins. Im römischen Recht (D. 50, 17, 54) gilt der Grundsatz (lat.) - > nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet (niemand kann mehr Rechte übertragen als er hat), so dass nur der wahre Berechtigte ein Recht übertragen kann, doch schützt bei freiwillig aus der Hand gegebenen Sachen (also nicht bei gestohlenen, verlorenen oder [in klassischer Zeit auch] unterschlagenenen Sachen) ein rechtmäßiger Erwerbsgrund (z. B. Kauf) nach Ablauf der einjährigen Er- sitzungsfrist den Erwerber vor dem Herausgabeanspruch des Berechtigten. Demgegenüber sichern hochmittelalterliche Quellen den Erwerber von Sachen, die der Berechtigte freiwillig aus der Hand gegeben hat, ohne dass Unkenntnis des Rechtsmangels vom Dritten verlangt wird. Das lübische Recht führt 1586 im Interesse des Verkehrsschutzes den gutgläubigen Erwerb an beweglichen Sachen (Fahrnis) ein. Der (lat.) Codex (M.) Theresianus (1766) lässt den sofortigen Erwerb durch den gutgläubigen Erwerber zu. Gedanklich beeinflusst könnte dabei die Formulierung g. G. von der lateinischen bona fides (F.) (guten Treue) sein. Nach Kant entspricht der gutgläubige Erwerb distributiver Gerechtigkeit. Art. 306 ADHGB (1861) teilt bei nicht gestohlenen oder verlorenen beweglichen Sachen dem redlichen Erwerber in einem Handelsbetrieb das Eigentum zu. Dem folgt das Bürgerliche Gesetzbuch 1900, während das Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten für nicht erforderlich hält. Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 212; Bruns, C., Das Wesen der bona fides bei der Ersitzung, 1872; Hübner, H., Der Rechtsverlust im Mobiliarsachenrecht, 1955; Kofferath, G., Stand der Forschung über die geschichtlichen Grundlagen des Gutglaubensschutzes (§§ 932ff. BGB), Diss. jur. Bonn 1962; Kaiser, M., Der gute Glaube im Codex iuris canonici, 1965; Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in romanistischer Sicht, FS H. Coing, 1982, 389; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, 1991; Good Faith in European Contract Law, ed. by Zimmermann, R. u. a., 2000; Kiehnle, A., Der Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in der württembergischen Pfandgesetzgebung, 2004 Güterrecht -> Ehegüterrecht Gütertrennung ist der Ehegüterstand, bei dem jeder Ehegatte alleiniger Berechtigter der ihm bei der Eheschließung gehörigen Güter bleibt und alleiniger Berechtigter der von ihm in der Ehe erworbenen Güter wird. Bei den Germanen wird, sofern die Frau Gut (Aussteuer, Unterhaltssicherung) in die Ehe einbringt, dieses Gut wohl vom Mann (nur) verwaltet. Dieser Güterstand der grundsätzlichen Gütertrennung mit Verwaltungseinheit auf der Seite des Mannes, besteht anscheinend im Frühmittelalter bei den deutschen Stämmen mit Ausnahme der Franken und Westfalen. Später wird die G. von der -> Gütergemeinschaft zurückgedrängt. Die neuzeitlichen Kodifika- tionen behandeln die G. als einen Regelgüterstand. In Österreich sieht § 1237 ABGB (1811/2) Gütertrennung vor, die aber infolge verschiedener unklarer Vermutungen inhaltlich als ,,vermutete" Verwaltungsge- meinschaft verstanden wird. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die G. ein Wahlgüterstand. Die mit dem Gleichbe- rechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 als Regelgüterstand festgelegte -> Zugewinnge- meinschaft ist inhaltlich G. mit Wertausgleich der Zugewinne beider Ehegatten nach 285 Auflösung der Ehe. Daneben ist die einfache G. zulässig. Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 210, 267; Schröder R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Martitz, F., Das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels, 1867; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973 Gutes altes Recht ist das Schlagwort für die von Fritz Kern verbreitete Ansicht, dass das germanische Recht deswegen gegolten habe, weil es alt und gut gewesen sei, so dass im Mittelalter Recht nicht geschaffen, sondern nur nach Beseitigung der von den Menschen bewirkten Verdunkelung wiederentdeckt habe werden können. Diese Ansicht widerspricht der germanischen und mittelalterlichen Wirklich- keit, in der sich Recht unablässig entsprechend den menschlichen Bedürfnissen ausformt. Sie deckt sich allerdings mit der christlichen Trias von Paradies, Sündenfall und Erlösung, der im Recht der göttliche Dekalog, die menschliche Verirrung (Rechtsverdunkelung) und die (Möglichkeit der) Rückkehr zum von Gott gegebenen (und deswegen notwendigerweise guten, alten) Recht entspricht, wie sie die christliche Kirche auch im Mittelalter verkündet. Lit.: Kern, F., Über die mittelalterliche Anschauung vom Recht, HZ 115 (1916), 496; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte im Wandel der Forschung, ZRG GA 111 (1994), 272; Köbler, G., Recht, Gesetz und Ordnung im Mittelalter, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93; Willoweit, D., Vom guten alten Recht, Jb. d. historischen Kollegs, 1997, 23 Gute Sitten (lat. -> boni mores [M.Pl.], Sg. bonus mos) sind die vom Recht für anerkennenswert gehaltenen Verhaltensweisen. Im römischen Recht werden Geschäfte, die das (gute) Herkommen der Vorfahren (lat. [boni] mores [M.Pl.] maiorum) verletzen, wie beispielsweise die Schenkung einer erwarteten Erbschaft eines noch lebenden Dritten, von den Juristen und den Kaisern als rechtswidrig bekämpft. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter werden die guten Sitten als Bewertungsmaßstab über- nommen. Lit.: Kaser § 9 II; Köbler, DRG 43; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 414 Güteverfahren Lit.: Peters, B., Der Gütegedanke im deutschen Zivilprozessrecht, 2004 Gutglaubensschutz -> guter Glaube Gutgläubiger Erwerb ist der Erwerb einer nicht dem Veräußerer gehörigen Sache zu Lasten des Berechtigten durch einen Erwerber, der -> guten Glauben in Bezug auf das Recht des Veräußerers haben muss (z. B. gutgläubiger Erwerb von Grundstückseigentum Württemberg 1828, Sachsen 1843, Preußen 1872). Der vom mittelalterlichen deutschen Recht geschützte, vom römischen Recht abgelehnte, von den naturrechtlichen Gesetzbüchern aber in bestimmten Grenzen anerkannte gutgläubige Erwerb dient dem Verkehrsinteresse. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Anners, E., Hand wahre hand, 1952; Anners, E., Äganderätt och handelsinteresse, 1960; Dünkel, H., Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, 1970; Anners, E., Frn lagtolkning till lagstiftning. Högsta domstolen och godtrosförvärven, 1989; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, 1991; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, ZEuP 1995, 398; Engstfeld, J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002; Lang, N., Erwerberschutz in Europa, 2004; Kiehnle, A., Der Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in der württembergischen Pfandgesetzgebung von 1825/1828 und im Bürgerlichen Gesetzbuch, 2004 Gutsherrschaft ist das geschlossene, in Eigenwirtschaft durch Tagelöhner bewirtschaf- tete Großgrundeigentum (-> Grundherrschaft), in dem der Eigentümer meist auch die unteren hoheitlichen Befugnisse (Gerichtsbarkeit, Polizei) ausübt. Sie entsteht als Folge der mittelalterlichen Ostsiedlung, in welcher der oft ritterliche Siedlungsunternehmer Vorrechte erlangt. Seit dem Spätmittelalter sieht sich der adlige, im Kriegswesen entbehrlich werdende Ritter darauf verwiesen, seine Eigenwirtschaft auszuweiten. Unter Verwendung der ihm vom Landesherrn überlassenen Herrschaftsrechte verdrängt er seit der Mitte des 16. Jh.s die Bauern von ihren Höfen (Bauernlegen). Seit dem Ende des 18. Jh.s wird die G. von der Aufklärung bekämpft. Im 19. Jh. werden viele Güter aufgeteilt, 1945 findet eine sozialistische Enteignung der (ostdeutschen) Gutsherren statt. Lit.: Köbler, DRG 134; Fuchs, C., Zur Geschichte des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in der Mark Brandenburg, ZRG GA 12 (1891), 17; Maybaum, H., 286 Die Entstehung der Gutsherrschaft im nordwestlichen Mecklenburg, 1926; Spies, K., Gutsherr und Untertan in der Mittelmark Brandenburg zu Beginn der Bauernbefreiung, 1972; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983; Konflikt und Kontrolle, in: Haak, H., Die Gutsherrschaft, 1991; Gutsherrschaftsgesellschaften, hg. v. Peters, J., 1997; Schleinert, D., Die Gutswirtschaft im Herzogtum Pommern-Wolgast, 2001; Maur, E., Gutsherrschaft und zweite Leibeigenschaft in Böhmen, 2001 H Haager Landkriegsordnung ist das auf den Friedenskonferenzen in Den Haag (Niederlande) 1899/1907 geschlossene Abkommen über die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges. Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994 Haarscheren ist eine Form der Körperstrafe oder sonstigen kennzeichnenden Behandlung. Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964 Habeas-corpus-Akte ist das 1679 zum Schutz der Freiheit erlassene englische Gesetz, nach dem niemand ohne richterlichen Haftbefehl verhaftet oder ohne richterliche Überprüfung in -> Haft gehalten werden darf. Lit.: Kluxen, K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987 Habilitation ist der Nachweis vertiefter wissenschaftlicher Befähigung zu Lehre und Forschung in Deutschland (lat. disputatio pro loco) seit dem frühen 19. Jahrhundert (Berlin 1810/1816, um 1870 in Tübingen erst 58 Prozent der ordentlichen Professoren habilitiert). Lit.: Kundert, W., Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, 1984; Bruch, R. vom, Forschung und Lehre, 2000, 69 Habsburg (Habichtsburg) ist die um 1020 von Bischof Werner von Straßburg an der oberen Aare (in der heutigen Nordostschweiz) errichtete Burg, nach der sich seit 1090 eine südwestdeutsche, bis in das 10. Jh. zurück- zuverfolgende Adelsfamilie benennt, die 1273 den deutschen König (Rudolf von H.) stellt. Sie belehnt sich 1282 in den Söhnen des Königs mit -> Österreich und baut von dort eine Hausmacht auf. Vom Spätmittelalter bis 1806 stammt der König bzw. Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) fast durchgehend aus dieser Familie. Von 1806 bis 1918 herrscht sie im selbständig gewordenen Österreich(-Ungarn) weiter, wird dann aber ausgewiesen und enteignet und nach Rückgabe des Privatvermögens 1939 nochmals enteignet. Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 131; Köbler, Historisches Lexikon; Das habsburgische Urbar, hg. v. Maag, R., Bd. 1f. 1894ff.; Schmidlin, J., Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im Oberelsass, 1902; Ammann, H., Die Habsburger und die Schweiz, Argovia 43 (1931); Meyer, B., Das habsburgische Archiv in Baden, Zs. f. schweizerische Geschichte 23 (1943), 169; Feine, H., Die Territorialbildung der Habsburger im deutschen Südwesten, ZRG GA 67 (1950), 176; Die Auflösung des Habsburgerreiches, 1970; Die Habsburgermonarchie 1848-1918, Bd. 1ff., hg. v. Wandruszka, A. u. a., 1973ff.; Wandruszka, A., Das Haus Habsburg, 1978; Wachter, D., Der Aufstieg der Habsburger, 1982; Kohler, A., Antihabsburgische Politik in der Epoche Karls V., 1982; Rieger, E., Das Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg, 1986; Die Habsburger, hg. v. Hamann, B., 1988; Kamm, R., Geschichte des Habsburgerreiches, 1990; Baum, W., Kaiser Sigismund, 1993; Kaiser Friedrich III. (1440-1493) in seiner Zeit, hg. v. Heinig, P., 1993; Heinig, P., Kaiser Friedrich III. (1440-1493), 1997; Krieger, K., Die Habsburger im Mittelalter, 2. A. 2004; Bankl, H., Die kranken Habsburger, 1998; Hansert, A., Der Prinz wird König, 1998; Noflatscher, H., Räte und Herrscher, 1998; Die Habsburger im deutschen Südwesten, hg. v. Quarthal, F./Faix, G., 1999; Erbe, M., Die Habsburger, 2000; Heimann, H., Die Habsburger, 2001; Laubach, E., Ferdinand I. als Kaiser, 2001; Leidinger, H./Moritz, V./Schippler, B., Schwarzbuch der Habsburger, 2003; Sauter, A., Fürstliche Herrschaftsrepräsentation, 2004 Hafen ist der Landeplatz und die Liegestelle für Schiffe. Der H. erscheint schon im Altertum. Lit.: Schröder, R., Das Eigentum am Kieler Hafren, ZRG GA 26 (1905), 34; See- und Flusshäfen vom Hochmittelalter bis zur Industrialisierung, hg. v. Stoob, H., 1986; Rademacher, M., Die Geschichte des Hafen- und Schiffahrstsrechts in Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag) Haflidaskra ist das 1117/8 in -> Island eingeführte, nicht überlieferte Recht, das in der -> Gragas aufgeht. Lit.: Johannesson, Islands Historie, 1969 Haft ist die amtliche Entziehung der Bewegungsfreiheit vor allem zum Zweck der 287 Untersuchung oder Bestrafung und der Erzwingung einer Handlung. Ihre Voraus- setzungen sind zunächst nicht festgelegt. Bereits die englische -> Habeas-corpus-akte (1679) verlangt aber einen richterlichen Haft- befehl bzw. eine richterliche Untersuchung. Im Rechtsstaat des 19. Jh.s wird jeder staatliche Eingriff in die Freiheit von einer gesetzlichen Gestattung abhängig gemacht (Bayern 1818, Baden 1818, Württemberg 1819 usw.). Lit.: Köbler, DRG 205; Thissen, M., Das Verhaftungsrecht, Diss. jur. Bonn 1961; Hermes, T., Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr, 1992; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verfassungsrecht, 1997 Haftbefehl ist die schriftliche Anordnung eines Richters, einen Menschen in Haft zu nehmen. Vorstufen des Haftbefehls sind sowohl der englische warrant of commitment, der dem Büttel (constable) aufgibt, den Beschuldigten in das Gefängnis zu bringen, wie auch der französische -> lettre de cachet, der oft den königlichen Befehl enthält, sich in ein Ge- fängnis zu begeben. Demgegenüber bestimmt nach der englischen -> Habeas-corpus-akte (1679) die französische -> Déclaration des droits de l'homme et du citoyen (1789), dass kein Mensch in Haft genommen oder gefan- gengehalten werden darf, außer in den durch Gesetz bestimmten Fällen und nach den vom Gesetz vorgeschriebenen Förmlichkeiten. Die französische Verfassung von 1791 fordert für jede Verhaftung einen polizeilichen oder gerichtlichen H. Nach der Verfassung von 1795 muss der H. den Haftgrund und die Rechtsgrundlage enthalten und dem Verhaf- teten abschriftlich ausgehändigt werden. Die Verfassung von 1799 verlangt einen richter- lichen H. Der 1808 erlassene Code d'in- struction criminelle unterscheidet vier Arten von Haftbefehlen und wirkt in der Folge auf das deutsche Strafverfahrensrecht ein (Bayern 1813, Deutsches Reich 1848, Reichsstrafpro- zessordnung 1877/1879). Lit.: Speck, H., Die Geschichte der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft, Diss. jur. Kiel 1969 Haftpflichtversicherung ist die für den Fall der gesetzlichen Verpflichtung zu einer -> Haftung abzuschließende oder abgeschlossene - > Versicherung (z. B. [1939] des Halters eines Kraftfahrzeuges). Lit.: Bar, C. v., Das Trennungsprinzip, AcP 181 (1981), 289 Haftung ist das Unterworfensein des Schuldners als Person mit seinem Vermögen unter den Vollstreckungszugriff des Gläubi- gers. Die H. ermöglicht deshalb die Erzwin- gung der Erfüllung, die der Schuld als solcher (vermutlich) fehlt. Dementsprechend gibt es (einzelne Fälle von) H. ohne Schuld und Schuld ohne H. Im römischen Recht ist nach Ersetzung des ursprünglichen rächenden Zugriffsrechts des Verletzten gegenüber dem unrecht handelnden Täter durch eine Sühne- gabe auch die künstliche Herstellung einer H. durch Geschäft möglich (z. B. lat. [N.] -> nexum, [F.] -> sponsio - stipulatio). Später tritt neben der H. auch der Gedanke der Schuld hervor. Spätestens in der jüngeren Republik wird in der (lat. [F.]) -> obligatio neben der H. die Schuld mitverstanden. Ähnliche Verhält- nisse sind auch für das germanische Recht anzunehmen. Dementsprechend setzt sich seit dem Frühmittelalter die Auffassung durch, dass jede Schuld auch ohne besondere zusätzliche Vereinbarung eine H. zur Folge habe. Auf dieser Grundlage wird seit dem Spätmittelalter mit der Aufnahme des römischen Rechts auch die römische Vorstellung von der (lat. [F.]) obligatio aufgenommen. Die älteste Form der leiblichen Haftung endet dabei im Jahre 1868. Im Übrigen steht neben der Haftung eines einzelnen bestimmten Gegenstandes (Sache, Recht) die allgemeine, grundsätzlich unbe- schränkte Vermögenshaftung. Vertraglich ist jeweils auch eine Haftungsbeschränkung möglich. Lit.: Kaser § 32 II; Köbler, DRG 26, 59, 127, 167; Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Gierke, O. v., Schuld und Haftung im älterem deutschem Recht, 1910, Neudruck 1969; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1966), 150; Schneider- Horn, W., Die Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel nach lübischem Recht, Diss. jur. Hamburg 1969; Benöhr, H., Zur außervertraglichen Haftung im gemeinen Recht, FS M. Kaser, 1976, 689; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld und Haftung, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 21; Schubert, W., Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni 288 Fiorentini 11/12 (1982/3), 589; Eska, A., Schuld und Haftung, Diss. jur. Potsdam 1998; Jansen, N., Die Struktur des Haftungsrechts, 2003 Hagenrecht ist das im 12. Jh. im Weser- bergland sichtbar werdende günstige Bodennut- zungsrecht der hochmittelalterlichen deutschen Rodungssiedlung. Lit.: Engel, F., Das Rodungsrecht der Hagensiedlungen, 1949; Kroeschell, K., Waldrecht und Landsiedelrecht, Hess. Jb. f. LG. 4 (1954), 117; Molitor, E., Verbreitung und Bedeutung des Hägerrechts, in: Adel und Bauern, 2. A. 1967, 331; Asch, J., Grundherrschaft und Freiheit, Nds. Jb. 1978, 107 Hagestolz Lit.: Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919; Stoll, F., Das Hagestolzenrecht, 1970 Hagerup, Francis (1853-1921), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in München, Leipzig und Paris 1887 Professor und 1895 Ministerpräsident. Durch eine Reihe von wichtigen Beiträgen zu verschiedenen Rechtsgebieten (Privatrecht, Methodenlehre, Strafprozess, Zivilprozess, Strafrecht) wird er zu einem der bedeutendsten Rechtswissen- schaftler -> Norwegens. Lit.: Kaartvedt, A., Hoyres Historie, Bd. 1 1984, 133 Halberstadt Lit.: Schmidt-Ewald, W., Die Entstehung des weltlichen Territoriums des Bistums Halberstadt, 1916; Militzer, K./Przybilla, P., Stadtentstehung, 1980; Urkundenbuch des Stifts S(ank)t Johann bei Halberstadt 1119/1123- 1804, hg. v. Diestelkamp, A. u. a., 1989 Hale, Sir Matthew (1609-1676), früh verwaist, wird nach kurzem Theologiestudium in Cambridge (1626) 1628 Mitglied von Lincoln's Inn in London, 1636 Anwalt, 1654 Richter und Parlamentsmitglied, nach der Wiedereinsetzung des englischen Königs Karl II. 1660 Richter am Court of Exchequer und 1671 Chief Justice of the King's Bench. In seinen nach seinem Tod teilweise gedruckten Schriften versucht er eine Ordnung des englischen Strafrechts (Pleas of the Crown), eine methodische Erfassung des Rechts (Analysis of the Civil Part of the Law), eine Geschichte des Strafrechts (History of the Pleas of the Crown) und eine Geschichte des Common Law (History of the Common Law). Lit.: Burnet, G., Life and Death of Sir Matthew Hale, 1682; Holdsworth, W., History of English Law, Bd. 6 1937, 574 Halle an der Saale ist der wegen des dortigen Salzvorkommens schon um 1000 v. Chr. besiedelte Ort, der wohl im 12. Jh. Stadt wird. Nach dem 1680 erfolgten Übergang an den Markgrafen von Brandenburg richtet dieser 1694 eine aufgeklärte Modelluniversität in H. ein (->Thomasius) (bis 1806). Lit.: Köbler, DRG 136; Gaupp, E., Das alte magdeburgische und hallische Recht, 1826; Kötzschke, R., Der hallische Schöffenbrief für Neumarkt in Schlesien und das älteste Neumarkter Recht, ZRG GA 31 (1910), 137; Schranil, R., Stadtverfassung nach Magdeburger Recht, ZRG GA 36 (1915), 526; Urkundenbuch der Stadt Halle, bearb. v. Bierbach, A., Bd. 1ff. 1930ff.; Sandow, E., Das Halle-Neumarkter Recht 1932; Goerlitz, T., Zum Jahr 1181 der hallischen Rechtsmitteilung an Neumarkt, ZRG GA 56 (1936), 378; Bucda, G., Die Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät in ihrem äußeren Verlauf, Teil 1, ZRG GA 62 (1942), 210, Teil 2 ZRG GA 63 (1943), 251, Teil 3 ZRG GA 64 (1944), 223, 68 (1951), 308 (Schluss); 250 Jahre Universität Halle, 1944; Buchda, G., Zur Geschichte des hallischen Schöppenstuhls, ZRG GA 67 (1950), 416; Körner, H., Stadt- und grundherrliche Rechte in Halle, Diss. jur. Halle 1952; Buchda, G., Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät (Nachtrag<), ZRG GA 71 (1954), 367; Winter, E., Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde im 18. Jahrhundert, 1953; Schildt, B., Die Spruchtätigkeit der Halleschen Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1980; Halle, 2. A. 1983; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991; Jelowik, L., Kuriosa aus der Geschichte der halleschen Juristenfakultät, ZRG GA 109 (1992), 382; 300 Jahre Universität Halle, hg. v. Speler, R., 1994; Maier, H., Aufklärung, Pietismus, Staatswissenschaft, HZ 261 (1995), 769; Hallesche Rechtsgelehrte jüdischer Herkunft, hg. v. Pauly, W., 1996; Hüls, T., Die Juristenausbildung an der Universität Halle, 1997; Rechtsgeschichte in Halle, hg. v. Lieberwirth, R., 1998; Jelowik, L., Tradition und Fortschritt, 1998; Kannowski, B. u. a., Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235, ZRG GA 120 (2003), 61; Rüdiger, A., Staatslehre und Staatsbildung, 2005 Halm ist der Stengel des Grases, der im mittelalterlichen Recht vielfach als Symbol der -> Investitur mit einem Gut verwendet wird. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 168 u. ö. Haloander (Meltzer), Gregor (Zwickau 1500- 1531) gibt 1528-1531 auf der Grundlage der Vorarbeiten Polizians und Bolognins sowie der Florentiner Handschrift eine (humanistische) 289 unglossierte Ausgabe der justinianischen Rechtstexte mit unvollständigen griechischen Bestandteilen in Pandekten und Codex und griechischen Novellen heraus, in der er die mittelalterliche Gliederung der Pandekten be- seitigt, die Inskriptionen beachtet und im Codex die Subskriptionen herstellt. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,645 Hals und Hand ist im deutschen Mittelalter eine Paarformel für die Lebensstrafe bzw. Leibesstrafe. Halseisen ist im deutschen Mittelalter die Vorrichtung, mit deren Hilfe ein Straftäter am - > Pranger befestigt wird. Lit.: Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur. Erlangen 1949 Halsgericht (13. Jh. [1296]) -> Hals und Hand, Halsgerichtsordnung Halsgerichtsordnung ist die Strafverfahrensordnung am Beginn der frühen Neuzeit ([Nürnberg 1314,] Ellwangen 1466, Nürnberg 1485, Tirol 1499, (Volkach 1504,) Radolfzell 1506, Bamberg 1507, Laibach 1514, Krain 1535, Niederösterreich 1514/1540, Kärn- ten, Steiermark, Oberösterreich 1559). Als H. wird auch die -> Constitutio Criminalis Caroli- na Karls V. von 1532 benannt. In den Halsgerichtsordnungen ist zu erkennen, wie sich das Schwergewicht des Verfahrens auf das ermittelnde Vorverfahren verlagert. Lit.: Köbler, DRG 139; Schmidt, E., Die Maximi- lianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Merzbacher, F., Das alte Halsgerichtsbuch des Hochstifts Eichstätt, ZRG GA 73 (1956), 375; Schultheiß, W., Geschichte des Nürnberger Ortsrechts, 1957, 10; Weber, H., Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288; Schild, W., Die Halsgerichtsordnung der Stadt Volkach, 1997 Hambacher Fest ist das vom 27.-30. 5. 1832 auf der Burgruine von Hambach (Maxburg) in der Pfalz auf Einladung des Schriftstellers Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1785-1849) als politische Kundgebung des Liberalismus mit etwa 25000 Teilnehmern durchgeführte Fest. Die geplante Wahl einer provisorischen Nationalregierung zwecks Abschaffung der Monarchie und Bildung eines Bundes von Republiken nach amerikanischem Muster scheitert. Die Hauptverantwortlichen werden auf Drängen Österreichs und Preußens zu Haft verurteilt. -> Deutscher Bund Lit.: Wirth, J., Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach, Teil 1f. 1832; Süß, E., Die Pfälzer im ,,schwarzen Buch", 1956; Das Hambacher Fest, hg. v. Baumann, K., 2. A. 1982 Hamburg ist der vielleicht aus einem Königshof Karls des Großen nahe der Mündung der Alster in die Elbe erwachsene Stadtstaat. 1189 bestätigt Kaiser Friedrich I. Barbarossa der Neustadt H. umfangreiche Handels-, Zoll- und Schiffahrtsrechte. Um 1270 wird das Recht im sog. Ordeelbook aufgezeichnet, 1292 erhält die Stadt vom Stadt- herrn das Recht der eigenen Rechtssetzung. Am Beginn des 15. Jh.s wird die Reichsun- mittelbarkeit anerkannt (1460 Reichsstadt). 1497 wird das Recht in einer Bilderhandschrift neu gefasst, 1603 nach dem Vorbild Nürnbergs reformiert. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hamburgisches Urkundenbuch, hg. v. Lappenberg, H. u. a., Bd. 1ff. 1842ff.; Baumann, H., Das Privatrecht der freien und Hansestadt Hamburg, Bd. 1f. 1856; Die Bilderhandschrift des hamburgischen Stadtrechts von 1497, 1917 (mit einem Wörterverzeichnis); Reincke, H., Hamburg, 1925; Reincke, H., Agneta Willeken, 1928; Schalk, E., Einführung in die Geschichte des Liegenschaftsrechts der freien und Hansestadt Hamburg, 1931; Schubert, K., Die Hamburger ehelichen Güterrechtsverhältnisse, 1934; Bücherkunde zur hamburgischen Geschichte, Bd. 1ff. 1939ff.; Reincke, H., Forschungen und Skizzen zur Geschichte Hamburgs, 1951; Strehlow, G., Die holländischen Einwanderungen, Diss. jur. Hamburg 1951; Ewald, M., Der hamburgische Senatssyndicus, 1954; Reincke, H., Das hamburgische Ordeelbook von 1270 und sein Verfasser, ZRG GA 72 (1955), 82; Kausche, D., Untersuchungen zur älteren Rechtsgeschichte und Topographie Harburgs, Zs. d. Vereins f. hamburg. Geschichte 43 (1956), 105; Genzmer, H., Die Grundrechte in der Hamburger Konstitutante, Diss. jur. Hamburg 1957; Winter, G., Das eheliche Güterrecht im älteren hamburgischen Recht, Diss. jur. Hamburg 1958; Otto, F., Die rechtlichen Verhältnisse des Domstiftes zu Hamburg von 1719 bis 1802, Diss. jur. Göttingen 1958; Hamburgische Burspraken, hg. v. Bolland, J., 1960; Dokumente zur Geschichte der hamburgischen Reichsfreiheit, bearb. v. Reincke, H., 1961; Pitz, E., Die Zolltarife der Staddt Hamburg, 1961; Schultze-von Lasaulx, H., Geschichte des hamburgischen Notariats, 1961; Die Hamburger 290 Elbkarte aus dem Jahre 1568, gez. v. Lorichs, Melchior, hg. v. Bolland, J., 1964; Ipsen, H., Hamburgs Verfassung und Verwaltung, 1965; Die Bilderhandschrift des Hamburger Stadtrechts 1497, erl. v. Reincke, H., 1968; Hamburger Testamente, bearb. v. Loose, H., 1970; Rückleben, H., Die Niederwerfung der hamburgischen Ratsgewalt, 1970; Ramcke, R., Die Beziehungen zwischen Hamburg und Österreich im 18. Jahrhundert, 1969; Richter, K., Untersuchungen zur Hamburger Wirtschafts- und Sozialgeschichte um 1300, 1971; Gabrielson, P., Struktur und Funktion der Hamburger Rentengeschäcfte 1471-1490, 1971; Wenner, H., Handelskonjunkturen und Rentenmarkt, 1972; Hamburg, hg. v. Loose, H., 1982; Augner, G., Die kaiserliche Kommission der Jahre 1708-1712, 1983; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Voß, J. v., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Hamburg, 1988; Stadtgeschichte Hamburg, red. v. Schöller, A., 1990; Hochschulalltag im Dritten Reich, hg. v. Krause, E. u. a., 1991; Hoppe, C., Die Bürgschaft im Rechtsleben Hamburgs, 1997; Rademacher, R., Die Geschichte des Hafen- und Schifffahrtsrechts in Hamburg, Bd. 3 1997; Das Hamburger Ordeelbook von 1270, v. Eichler, F. 2005 Hamm Lit.: 700 Jahre Stadt Hamm, hg. v. Magistrat, 1926 Hammurapi (1793-1750 bzw. 1728-1686 v. Chr.), König von Babylon, veranlasst die bekannteste, 1901/1902 auf einer Dioritstele entdeckte Rechtssammlung des orientalischen Altertums (Codex Hammurapi) mit 280 Abschnitten. Noch älter ist der -> Codex Ur- nammu. Lit.: Fehr, H., Hammurapi und das salichse Recht, 1910; Koschaker, Paul, Rechtsvergleichende Studien zur Gesetzgebung Hammurapis, 1917; Driver/Miles, The Babylonian Laws, 1952ff.; Nörr, D., Studien zum Strafrecht im Kodex Hammurapi, 1954; Haase, R., Einführung in das Studium keilschriftlicher Quellen, 1965; Ringer, J., Noch einmal: Was war der ,,Kodex" Hammurapi, in: Rechtskodifikation, hg. v. Gehrke, H., 1994; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 2. A. 2001 Hand ist das zum Greifen dienende menschliche Gliedmaß, das im Recht vielfach symbolisch verwendet wird. -> Hals und Hand Lit.: Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1905; Jursch, H./Jursch, L., Hände als Symbol und Gestalt, 8. A. 1951 Handel ist der Ankauf und Verkauf von Waren auf dem Weg vom Hersteller zum Verbraucher. An seinem Anfang steht der -> Tausch. Mit der Verwendung von -> Geld beginnt der -> Kauf den Tausch abzulösen. Bedeutsam ist der H. im Stadtstaat des Altertums und seit dem Hochmittelalter in der Stadt. Mit dem 19. Jh. tritt die Selbstversorgung allgemein hinter der Versorgung durch Markt und Handel zurück. Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 29, 67, 78, 97, 167, 176, 217, 225, 242, 271; Stein, W., Handels- und Verkehrsge- schichte der deutschen Kaiserzeit, 1922, Neudruck 1967; Rundstedt, H. v., Die Regelung des Getreidehandels in den Städten, 1930; Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden im Mittelalter, 1931; Beutin, L., Der deutsche Seehandel, 1933; Koppe, W., Lübeck- Stockholmer Handelsgeschichte, 1933; Müller, K., Welthandelsbräuche 1480-1540, 1934, Neudruck 1962; Laurent, H., Un grand commerce d'exportation, 1935; Köhler, E., Einzelhandel im Mittelalter, 1938; Aubin, G./Kunze, A., Leinenerzeugung und Leinenabsatz im östlichen Mitteldeutschland, 1940; Peyer, H., Zur Getreidepolitik oberitalienischer Städte im 13. Jahrhundert, 1950; Kehn, W., Der Handel im Oderraum im 13. und 14. Jahrhundert, 1968; Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa, Bd. 1ff. hg. v. Düwel, K., 1985ff. (Bd. 3 Der Handel im frühen Mittelalter); Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; North, M., Kommunikation, Handel, Geld und Banken, 2000; Gassert, M., Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute, 2001; Hornbogen, J., Travail national ­ nationale Arbeit ­ die handelspolitische Gesetzgebung in Frankreich und Deutschland, 2002; Reyerson, K., The Art of the Deal, 2002 Handelsbrauch Lit.: Müller, K., Welthandelsbräuche 1480-1540, 1934 Handelsbuch ist das seit dem Spätmittelalter vom Händler über seine Geschäfte geführte -> Buch, das in der Neuzeit auch rechtlich den Beweis erleichtert (ALR [1794]). Lit.: Köbler, DRG 167; Schmidt-Busemann, W., Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, Diss. rer. pol. Göttingen 1977; Stockalpner, K. v., Handels- und Rechnungsbücher, hg. v. d. schweizerischen Stiftung für das Stockalperschloss u. a., Bd. 1ff. 1987ff. Handelsgericht ist das für Handelssachen zuständige Gericht. Lit.: Schön, D., Die Handelsgerichtsbarkeit im 19. 291 Jahrhundert, Diss. jur. Bonn 1999 Handelsgesellschaft ist die -> Handel trei- bende -> Gesellschaft. Sie erscheint zum einen im Mittelmeerraum (Venedig, Genua), wobei die (lat. [F.]) commenda (Seedarlehen) gegenüber der H. (lat. societas [F.] maris) zumindest zeitweise den Vorrang hat. Aus der Erbengemeinschaft entwickelt sich die -> offene H. Sie wird in Florenz 1408 durch die Beschränkung der Haftung abgeändert, woraus sich im 16. Jh. als neue Form die -> Kommanditgesellschaft ergibt. Im nordischen Bereich finden sich ebenfalls genossenschaft- liche Unternehmungen. Bedeutsam sind hierbei die Kommission (-> sendeve) und das Darlehen (wederlegginge). In Oberdeutschland bilden Familien offene Handelsgesellschaften (z. B. Fugger). Mit der Entdeckung der neuen Welt seit 1492 werden hohes Kapital und breite Gefahrenstreuung notwendig. Hieraus ent- wickelt sich die -> Aktiengesellschaft (1602 Niederländische ostindische Handelskom- pagnie). Allgemein befasst sich der deutsche Gesetzgeber mit der H. im Allgemeinen Landrecht (Preußens) von 1794. Frankreich, das bereits 1673 und 1681 ordonnances zum Handel erlassen hatte, setzt 1808 einen eigenen (franz.) Code de commerce (Handelsge- setzbuch) in Kraft, der die Aktiengesellschaft (franz.) société (F.) anonyme gesetzlich regelt. Im Deutschen Bund behandelt 1861 das -> Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch die offene Handelsgesellschaft, die Kommandit- gesellschaft, die Aktiengesellschaft und die stille Gesellschaft. Das Handelsgesetzbuch von 1897 nimmt zusätzlich die Kommandit- gesellschaft auf Aktien auf. Mit dem 20. 4. 1892 wird die -> Gesellschaft mit beschränkter Haftung geschaffen, mit dem 30. 1. 1937 die Aktiengesellschaft in einem eigenen Gesetz verselbständigt. Lit.: Köbler, DRG 127; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften, 1889; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Schulte, A., Geschichte der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1 1923; Pollack- Parnau, F. v., Eine österreichisch-ostindische Handelskompagnie 1775-1785, 1927; Ammann, H., Die Diesbach-Watt-Gesellschaft, 1928; Fitzler, M., Die Handelsgesellschaft Felix v. Oldenburg & Co. 1753-160, 1931; Condanari-Michler, S., Zur frühvenezianischen collegantia, 1937; Silberschmidt, W., Von collegantia und rogadia zu widerlegung und sendeve, Studi di storia e diritto in onore di Enrico Besta, 1938; Bruhl-Lévy, H., Histoire juridique des Sociétés de Commerce en France, 1938; Lopez, R., The Commercial Revolution of the Middle Ages, 1971; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Hagemann, H., Basler Handelsgesellschaften im Spätmittelalter, FS F. Vischer, 1983, 557; Societates, hg. v. Cordes, A. u. a., 2003; Söhnchen, M., Die historische Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen, 2005 Handelsgesetzbuch ist das den Handel regelnde besondere Gesetzbuch. Es erscheint 1808 als (franz.) Code (M.) de commerce in Frankreich, wo schon -> ordonnances von 1673 und 1681 vorangegangen waren (-> Spanien 1829 [Código de comercio], -> Portugal 1833, - > Niederlande 1838). Im -> Deutschen Bund wird nach einem vergeblichen Versuch von 1848 auf bayerischen Antrag und unter Verwendung preußischer und österreichischer Vorlagen 1861 ein -> Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch geschaffen, das die einzelnen Mitgliedstaaten als eigenes Gesetz in ihrem Staatsgebiet einführen. Es wird im Deutschen Reich 1897 in das Handelsgesetz- buch mit auf den Kaufmann abstellendem subjektivem System umgeformt. Lit.: Köbler, DRG 182, 184, 217; Protokolle der Kommission zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J., Bd. 1ff. 1858, Neudruck 1984; Wild, P., Der Einfluss des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches auf die Privatrechts- dogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechsel- ordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetz- buchs als Bundesgesetze 1869, ZHR 144 (1980), 484; Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), hg. v. Baums, T., 1982; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, 1987; Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, hg. v. Schubert, W., 1986ff.; 100 Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M. u. a., 1998 Handelskammer ist die im 19. Jh. geschaffene Körperschaft des öffentlichen Rechtes zur Wahrung und Förderung der Interessen der Mitglieder im Bereich des Handels (Hamburg 1868, Preußen 1870). Lit.: Fischer, W., Unternehmerschaft, Selbstverwaltung 292 und Staat, 1964; Die Bozner Handelskammer, 1981; Bibliographie zur Geschichte und Organisation der Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986 Handelsrecht ist das Recht des -> Handels bzw. subjektiv das Sonderprivatrecht der -> Kaufleute. Es entwickelt sich trotz einiger besonderer Einrichtungen für den Handel im Altertum erst seit dem Mittelalter in Oberitalien (Genua 1056, Pisa 1161 Constitutum usus, Mailand 1170) und Spanien (Barcelona, Valencia). Führend sind dabei die genossen- schaftlichen Zusammenschlüsse der Kaufleute. Bemerkenswert sind Einflüsse der Araber. Für das Seerecht gewinnen Rhodos (8. Jh.), Trani (11. Jh.), Oléron (12. Jh.), Pisa (1161), Genua (1350) und Barcelona (1348 -> Consolat del Mar) besondere Bedeutung, im nordeuro- päischen Raum die -> Hanse. In der frühen Neuzeit findet sich H. hauptsächlich in den städtischen Statuten (Hamburg 1603, 1642 u. ö., Nürnberg 1647, 1654, Leipzig 1682 u. a.), daneben auch in Reichspolizeiordnungen (1523, 1530, 1548, 1577 u. ö.). Etwa zu dieser Zeit setzen auch wissenschaftliche Bemühungen um das H. ein (-> Mevius 1586, Johann Marquard 1662). In Frankreich erlässt Ludwig XIV. 1673 die (frz.) -> ordonnance du commerce und 1681 die (frz.) -> ordonnance de la marine. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) befasst sich Kreittmayr in seinen Anmerkungen mit dem H. Die erste zusammenfassende Regelung ist im preußischen -> Allgemeinen Landrecht (1794) als Standesrecht der Kaufleute enthalten. Demgegenüber fasst der französische -> Code de commerce (1808) das H. als sachliches Sonderrecht des Handels auf. Eine eigenständige deutschrechtliche Sonderent- wicklung im deutschen Bereich lässt sich nicht erkennen, obgleich sich die Lehrbücher des ge- meinen deutschen Privatrechts besonders auch des Handelsrechts annehmen. -> Handels- gesetzbuch Lit.: Hübner; Köbler, DRG 205; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Raisch, P., Die Abgrenzung des Handelsrechts vom bürgerlichen Recht als Kodifikations- problem des 19. Jahrhunderts, 1962; Raisch, P., Geschichtliche Voraussetzungen, 1965; Scherner, K., Anfänge einer Handelsrechtswissenschaft im 18. Jahrhundert, ZHR 136 (1972), 465; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,797, 2,2,571, 3,3,2853; Köbler, G., Die Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrechts, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 277; Gelehrte in Hamburg, hg. v. Loose, H., 1976 (Büsch 1728-1800); Bergfeld, C., Einzelkaufmann und Unternehmer, Person und Organisation im Handelsrecht, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126; Sonnleithner, G. v., Bearbeitung des Handelsrechts durch Ignaz von Sonnleithner, 1982; Montag, J., Die Lehrdarstellungen des Handelsrechts von Georg Friedrich Martens bis Meno Pöhls, 1986; Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1f. 1986ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,3, 1986; Mohnhaupt, H., ,,Jura mercatorum durch Privilegien", in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 308; The Courts and the development of commercial law, hg. v. Piergiovanni, V., 1987; Müller-Boysen, C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht im frühmittelalterlichen Nordeuropa, 1990; Modernisierung des Handelsrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Scherner, K., 1993; Ittenbach, H., Handelsrechtssysteme, 1994; Eisenhardt, U., Zu den deutschrechtlichen Wurzeln des Handelsrechts, FS P. Raisch, 1998, 51 Handelsregister Lit.: Rintelen, M., Das Ragionenbuch der Augsburger Kaufmannschaft, Hist. Zeitschrift für Schwaben und Neuburg 39 (1913), 96; Rintelen, M., Das Wiener Merkantilprotokoll, ZRG GA 34 (1913), 258; Rintelen, M., Untersuchungen über die Entwicklung des Handelsregisters, 1914 Handelsvertrag ist der den -> Handel zwischen mindestens zwei -> Staaten betreffende Vertrag. Er findet sich seit dem 12. Jh., und zwar neben dem Privileg des Herrschers. Lit.: Treue, W., Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit Caprivis, Diss. phil. Berlin 1933; Prüser, J., Die Handelsverträge der Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg, 1962 Handelsvertreter (bis 1953 Handlungsagent) ist der als Vertreter tätige Gehilfe des -> Kaufmanns. Lit.: Schmidt, D., Die Reform des Rechts der Handelsvertreter, 1995; Bromm, B., Die Entstehungsgeschichte des Berufs der Handelsvertreter, 2000 293 Handfeste ist eine mittelalterliche Bezeich- nung für ein Schriftstück (vgl. gr. [N.] cheiró- graphon, Handschrift) (z. B. Georgenberger H. 1186, Kulmer H. 1233, Berner H. 1218?). Handgemal (Handmahal) (N.) ist im deutschen Mittelalter das Handzeichen und das vielleicht damit bezeichnete Stammgut. Lit.: Köbler, WAS; Homeyer, C., Über die Heimat nach altdeutschem Recht, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1852; Keller, S., Handmahal und anthmallus, ZRG GA 30 (1909), 224; Sohm, R., Über das Hantgemal, ZRG GA 30 (1909), 103; Meyer, H., Das Handgemal als Gerichtswahrzeichen des freien Geschlechtes bei den Germanen, 1934; Krogmann, W., Handmahal, ZRG GA 71 (1954), 126; Balon, J., L'Handgemal l'épreuve du droit, ZRG GA 73 (1956), 141; Krogmann, W., Rechtsgeschichte ohne Philologie?, ZRG GA 74 (1957), 271 Handhafte Tat ist im Mittelalter die durch Ergreifen des Täters in oder unmittelbar nach der Ausführung gekennzeichnete Tat (vgl. im römischen Recht das [lat.] furtum [N.] mani- festum). Wahrscheinlich darf in germanischer Zeit der handhafte Täter sofort getötet werden. Die frühmittelalterlichen Volksrechte gestatten die Tötung zwar nicht (mehr) in allen Fällen, aber doch bei nächtlicher Tat, bei Widerstand oder Flucht. Vor Gericht ist dem Handhafttäter der -> Reinigungseid verwehrt. Im Hochmittel- alter darf nur noch der handhafte Ehebrecher sofort getötet werden. In der vom Inquisitions- prozess gekennzeichneten Constitutio Crimi- nalis Carolina (1532) scheint ein besonderes Verfahren bei handhafter Tat nicht mehr auf. Lit.: Kaser §§ 32 II, 21 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 86; Köbler, WAS; Scherer, M., Die Klage gegen den toten Mann, 1909; Brunner, H., Die Klage mit dem toten Mann und die Klage mit der toten Hand, ZRG GA 31 (1910), 235; Meyer, H., Gerüft, Handhaft- verfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382 Handlung ist das menschliche Verhalten, das als von Willen beherrschbar gedacht ist und daher objektiv zugerechnet werden kann. In den Einzelheiten problematisch wird die H. erst der neuzeitlichen Rechtswissenschaft. Im Strafrecht setzt sich am Ende des 19. Jh.s eine rein kausele Handlungslehre durch (Franz von List, Beling), die in der Mitte des 20. Jh.s von einer finalen Handlungslehre (Hans Welzel) bekämpft wird. Lit.: Köbler, DRG 204, 208; Bubnoff, E. v., Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffes von Feuerbach bis Liszt, 1966 Handlungsfähigkeit -> Geschäftsfähigkeit Handlungsfreiheit ist die grundsätzlich bestehende Freiheit des Menschen, zu tun und zu lassen, was er will. Sie wird seit dem 18. Jh. in Verfassungsurkunden aufgenommen. Ihre bei dichtem Zusammenleben notwendigen Schranken finden sich vor allem in Gesetzen. Lit.: Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, 2000 Handschenkung ist die am Anfang der Entwicklung der -> Schenkung stehende, auch in der Gegenwart bei geringwertigen Gütern übliche, sofort vollzogene Schenkung. Lit.: Meinig, I., Die Entwicklung der Lehre von der Handschenkung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972 Handschlag ist das gegenseitige Handgeben zweier Vertragspartner zum Zeichen des Abschlusses des Geschäftes im deutschen Recht, dem bei den Römern lat. manum dare entspricht. Lit.: Siegel, H., Handschlag und Eid, 1894 Handschrift ist die mit der Hand ausgeführte Schrift und das dadurch geschaffene umfangreichere Ergebnis. Die H. entsteht mit der Entwicklung der -> Schrift und geht seit der Mitte des 15. Jh.s für bedeutsamere Schreiber- gebnisse in das gedruckte -> Buch über. Möglicherweise konnte ein Schreiber täglich etwa sieben Seiten schreiben. In Bologna wurden dabei seit 1250 Handschriften jeweils in Lagen an Berufsschreiber zur Vervielfäl- tigung abgegeben (Peciensystem). Lit.: Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 2. A. 1986; Verzeichnisse der deutschen Handschriften österreichischer Bibliotheken, Bd. 2 Salzburg, bearb. v. Jungreithmayr, A., 1988; Le livre au Moyen Age, hg. v. Glenisson, J., 1988 ; Die datierten Handschriften der bayerischen Staatsbibliothek München, Teil 1ff., bearb. v. Schneider, K. u. a. 1994ff.; Die Handschriften der Universitätsbibliothek München. Mikrofiche-Edition 1994-1995 (99 deutschsprachige mittelalterliche Handschriften, 447 lateinische mittelalterliche Hand- schriften); Katalog der illuminierten Handschriften der württembergischen Landesbibliothek Stuttgart 3, 1, bearb. v. Sauer, C. u. a., 1996; Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den Karolingern, hg. v. Schieffer, R., 1996; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Literaturbericht Handschriftenkataloge, DA 57 (2001), 555; Köbler, G., Altdeutsch - Katalog aller 294 allgemein bekannten altdeutschen Handschriften, 2005 Handschuh ist das Bekleidungsstück der menschlichen Hand, das im (deutschen) Recht als Symbol Verwendung findet (z. B. Fehdehandschuh). Lit.: Norton-Kyshe, J., The Law and Customs relating to Gloves, 1901; Schwineköper, B., Der Handschuh im Recht, 1938, Neudruck 1981 Hand wahre Hand ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht (seit dem 14. Jh. bzw. später) die Wendung, die zum Ausdruck bringen soll, dass der Eigentümer, der einem anderen eine bewegliche Sache anvertraut, diese nur von ihm, nicht dagegen von einem Dritten, an den die Sache gelangt ist, zurückverlangen kann. Alter und Herkunft der Wendung sind streitig. Der Sache nach enthält zwar bereits der Sachsenspiegel einen entsprechenden Satz, doch sind die mittelalterlichen Lösungen dieses Rechtsproblems durchaus unterschiedlich (z. B. nach h. M. abgelehnt vom Ingelheimer Oberhof). Mit der Aufnahme des römischen Herausgabeanspruches (Vindikation) des Eigentümers seit dem Spätmittelalter erweist sich ein erneutes Durchdenken der Frage als erforderlich, als dessen Folgen der (aus den römischrechtlichen Sätzen über die Ersitzung hergeleitete) -> gute Glaube des Erwerbers be- deutsam und die Fahrnisverfolgung gegenüber Dritten unter Verpflichtung der Aufwand- erstattung (Lösungsrecht) erweitert wird. Der - > Codex Theresianus (1766) erkennt den gutgläubigen Eigentumserwerb des Erwerbers an. Streitig ist in der Folge, inwieweit der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten auf dem Satz H. w. H. beruht. Lit.: Hübner 433; Köbler, DRG 125, 163; Planitz, H., Fahrnisverfolgung im deutschen Recht, ZRG GA 34 (1913), 424; Meister, E., Fahrnisverfolgung und Unterschlagung, FS Adolf Wach 1913; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952; Völkl, A., Das Lösungsrecht von Lübeck und München, 1991; Engstfeld, J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002 Handwerk ist Bearbeitung und Verarbeitung von Stoffen für andere ohne Verwendung industrieller Arbeitsformen (z. B. Schreiner, Zimmermann, Maurer, Bäcker, Metzger, Fischer). Im Altertum wird diese Tätigkeit überwiegend von -> Sklaven ausgeführt, im Frühmittelalter im Rahmen der -> Grundherrschaft. Dagegen bildet sich in der hochmittelalterlichen Stadt das freie H. in vielfältiger Aufgliederung aus und schließt sich genossenschaftlich ab (-> Zunft, -> Gilde, -> Innung). Wer in einem H. tätig sein will, muss dieses mit einer mehrjährigen Lehre bei einem Meister erlernen. Danach kann er als Geselle wirken. Vollberechtigt ist er im H. erst, wenn er Meister geworden ist. In manchen Städten nehmen seit dem 14. Jh. die Angehörigen des Handwerks an der Stadtherrschaft teil. Im Kampf mit der liberalen -> Gewerbefreiheit des 19. Jh.s gelingt dem H. die Bewahrung der durch Prüfungen nachzuweisenden Qualifi- kationsmerkmale bis in die Gegenwart (Handwerksordnung). Trotz der Konkurrenz der Industrie vermag das H. sich zu halten. Lit.: Köbler, DRG 78, 111; Stockbauer, J., Nürnbergisches Handwerksrecht des 16. Jahrhunderts, 1879; Haandvrksskik i Danmark, hg. v. Nyrop, C., 1903; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Bock, H., Die Entwicklung des deutschen Schuhmachergewerbes, 1922, Wissell, R., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, hg. v. Hahm, K., Bd. 1f. 1929; Hornschuch, F., Aufbau und Geschichte der internationalen Kesslerkreise in Deutschland, 1930; Weichs, E. Frhr. v., Studien zum Handwerkerrecht des ausgehenden 17. Jahrhunderts, 1939; Zatschek, H., Handwerk und Gewerbe in Wien, 1949; Proesler, H., Das gesamtdeutsche Handwerk im Spiegel der Reichsgesetzgebung, 1954; Fischer, W., Handwerksrecht und Handwerkswirtschaft um 1800, 1955; Schraepler, E., Handwerkerbünde und Arbeitervereine, 1972; Uhl, H., Handwerk und Zünfte in Eferding, 1973;z, C., Die Zürcherische Handwerks- ordnung von 1681, FS J. Bärmann, 1975; Göttmann, F., Handwerk und Bündnispolitik, 1977; Renzsch, W., Handwerker und Lohnarbeiter in der frühen Arbeiterbewegung, Diss. phil. Göttingen 1981; Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, Bd. 1ff. 1929, 2. A. 1981; Landolt, K., Das Recht der Handwerkslehrlinge, 1977; Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., Bd. 1f. 1981ff.; Schichtel, P., Das Recht des zünftigen Handwerks im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1986; John, P., Handwerk im Spannungsfeld zwischen Zunftordnung und Gewerbefreiheit, 1987; Deter, G., Handwerksgerichtsbarkeit zwischen Absolutismus und Liberalismus, 1987; Lexikon des alten Handwerks, hg. v. Reith, R., 1990; Brand, J., Zur Rechtsfunktion des Gelages im alten Handwerk, ZRG GA 108 (1991), 297; Schultz, H., Das ehrbare Handwerk, 1993; Spohn, R., 295 Kampf um die Arbeitskraft, 1993; Weyrauch, T., Handwerkerorganisationen, 1996; Wiener Neustädter Handwerksordnungen, hg. v. Scheutz, M. u. a., 1997; Brohm, U. Die Handwerkerpolitik Herzog Augusts des Jüngeren, 1999; Handwerk in Europa, hg. v. Schulz, K., 1999; Handwerk zwischen Zunft und Gewerbefreiheit, hg. v. Bernert, H., 1999; Stadt und Handwerk, hg. v. Kaufhold, H. u. a., 2000; Blume, H., Ein Handwerk ­ eine Stimme, 2000; Winzen, K., Handwerk ­ Städte ­ Reich, 2002 Hänel, Albert (1833-1918) wird nach dem Rechtsstudium und nach der Habilitation in Leipzig als Professor in Königsberg und seit 1863 in Kiel ein bedeutender liberaler Vertreter des Staatsrechts (Deutsches Staatsrecht, 1892). Lit.: Friedrich, M., Zwischen Positivismus und materi- alem Verfassungsdenken, 1971; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 2 1992, 355 Hängen ist das Töten eines Menschen durch Aufhängen an einem Strick (-> Todesstrafe, -> Galgen). Das H. ist dem römischen Altertum fremd, den Germanen bekannt. Später wird vor allem der Dieb gehängt. Seit 1771 wird das H. im deutschen Sprachraum durch das Ent- haupten ersetzt. Mit dem Verbot der -> Todes- strafe verschwindet es allgemein. Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922 Hannover ist das aus Braunschweig-Lüneburg hervorgegangene, nach der Stadt (1163? bzw. 1189) H. an der Leine benannte norddeutsche Fürstentum (1714-1837 Personalunion mit England), das 1814 zum Königreich aufsteigt und 1866 von Preußen annektiert wird. -> Göttingen Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon; Allgemeine Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 4. 12. 1847, Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 8. 11. 1850, Neudruck 1971; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte, 1904; Florin, W., Der fürstliche Absolutismus, 1952; Ohnsorge, W., Zweihundert Jahre Geschichte der königlichen Bibliothek zu Hannover 1665-1866, 1962; Besecke, K., Das Vogtgericht der Altstadt Hannover, Diss. jur. Göttingen 1964; Pufendorf, F., Entwurf eines hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Der hannoversche Verfassungskonflikt 1837/1838, ausgew. v. Real, W., 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge- schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2618, 3,3,2896; Müller, S., Stadt, Kirche und Reformation, 1987; Rechtsquellen aus den hannoverschen Landen 1501 bis 1803, hg. v. Oberschelp, R., 1999; May, J., Vom obrigkeitlichen Stadtregiment zur bürgerlichen Kommunalpolitik, 2000 Hanse (ahd. hansa, Schar) ist der von hochmittelalterlichen Kaufleuten ausgehende norddeutsche -> Städtebund. Seinen Anfang bildet vielleicht die schon im beginnenden 11. Jh. bevorrechtigte Genossenschaft deutscher Kaufleute in England. Bedeutsam wird danach die Gründung deutschbesiedelter Städte von Lübeck bis Riga (1201), Reval (nach 1219) und Dorpat (um 1230). Seit den Wirren des Interregnums fassen die einander naheste- henden Städte gemeinsame Beschlüsse (Wismar 1256, Lübeck 1358 [mnd.] stede von der dudeschen hanse). Außer in London (Guild Hall, Stalhof) bestehen bedeutsame Nieder- lassungen in Nowgorod (um 1200-1494), Brügge und Bergen (um 1340). Unter der Führung der H., der bis zu 70 Städte angehören, kann im Kampf gegen Dänemark 1368 Kopenhagen erobert werden. In der frühen Neuzeit treten viele Städte aus der H. aus, so dass nach 1669 nur noch ein Schutzbündnis von Bremen, Hamburg und Lübeck verbleibt. Lit.: Köbler, DRG 97; Köbler, WAS; Frensdorff, F., Das Reich und die Hansestädte, ZRG GA 20 (1899), 115, 248; Schäfer, D., Die deutsche Hanse, 1914; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Rundstedt, H. v., Die Hanse und der deutsche Orden in Preußen, 1937; Denucé, J., Die Hanse und die Antwerpener Handelskompagnien in den Ostseeländern, 1938; Rörig, F., Vom Werden und Wesen der Hanse, 3. A. 1943; Ebel, W., Hansisches Recht, 1949; Reibstein, E., Das Völkerrecht der deutschen Hanse, Zs. f. ausländ. öff. Recht 17 (1956), 38; Pagel, K., Die Hanse, 3. A. 1963; Olechnowitz, K., Handel und Seeschifffahrt der späten Hanse, 1965; Bruns, F./Weczerka, H., Hansische Handelsstraßen, Bd. 1f. 1962ff.; Die deutsche Hanse als Mittler zwischen Ost und West, 1963; Sauer, H., Hansestädte und Landesfürsten, 1971; Stark, W., Lübeck und die Hanse, 1973; Spading, K., Holland und die Hanse, 1973; Dollinger, P., La Hanse, 4. A. 1989; Schildhauer, J., Die Hanse, 6. A. 1985; Die Hanse, 3. A. 1999; Quellen zur Hansegeschichte, hg. v. Sprandel, R., 1982; Fahlbusch, F. u. a., Beiträge zur westfälischen Hansegeschichte, 1988; Der hansische Sonderweg?, hg. 296 v. Jenks, S. u. a., 1993; Stoob, H., Die Hanse, 1995; Ziegler, H., Die Hanse, 1996; Genossenschaftliche Strukturen in der Hanse, hg. v. Jörn, N. u. a., 1999; Hammel-Kiesow, R., Die Hanse, 2000; Pichierri, A., Die Hanse, 2000; Pitz, E., Bürgereinung und Städteeinung, 2001; Daenelle, E., Die Blütezeit der deutschen Hanse, 3. A. 2001; Novgorod, hg. v. Angermann, N. u. a., 2002; Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse (1365-1614), 2003 Hansegraf ist im Mittelalter verschiedentlich die Benennung für einen Amtsträger in der Stadt mit unterschiedlichen Aufgaben (Regensburg 1184, Brügge 1187, Österreich seit 1266, Kassel 1323, Bremen 1405). Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980, 58, 284 Hardburi Lit.: Krogmann, W., As. hardburi, ahd. hartpuri, ZRG GA 74 (1957), 233 (Stammesobrigkeit) Hardehausen Lit.: Urkunden des Klosters Hardehausen, bearb. v. Müller, H., 2002 Hardenberg, Karl August (Essenroda 31. 5. 1750-Genua 26. 11. 1822) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Göttingen (Pütter) und einem Besuch am Reichskammergericht in Wetzlar 1770 Verwaltungsbeamter in Hannover, 1782 in Braunschweig, danach in Preußen (1791 Staatsminister für Ansbach und Bayreuth, 6. 10. 1810-1822 Staatskanzler in Preußen). Mit seinem Namen verbinden sich die Maßnahmen der Stein-Hardenbergschen Reformen (Bauern- befreiung, Gewerbefreiheit 1810, Regulie- rungsedikte 1811, 1816). Lit.: Vaupel, R., Die Reorganisation des preußischen Staates unter Stein und Hardenberg, 1938; Zeeden, E., Hardenberg und der Gedanke einer Volksvertretung in Preußen, 1940; Thielen, P., Karl August von Hardenberg, 1967; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefreiheit, 1983; Hardenberg, Karl August von, 1750-1822. Tagebücher, hg. v. Stamm-Kuhlmann, T., 1999; Hermann, I., Hardenberg, 2003 Harderwijk ist von 1648 bis 1814 Sitz einer Universität. Häresie ist die dem kirchlichen Dogma widersprechende Irrlehre (Ketzerei). Sie wird schon im ausgehenden Altertum durch Verbote von Gottesdiensten, Enteignung von Gütern und Androhung der Todesstrafe sowie im Mittelalter seit 1231/1232 durch besondere Inquisitoren (Untersucher) bekämpft. Lit.: Köbler, DRG 117; Grundmann, H., Religiöse Bewegungen im Mittelalter, 1935; Selge, K., Die ersten Waldenser, Bd. 1f. 1967; Lerner, E., The Heresy, 1972; Merlo, G., Eretici, 1977; Segl, P., Ketzer in Österreich, 1984; Häresie und vorzeitige Reformation, hg. v. Smahel, F., 1998; Lambert, M., Häresie im Mittelalter, 2001 Harlem wird 1752 Sitz einer Universität. Harmenopulos, Konstantinos, verfasst 1345 als Richter von Thessaloniki ein -> Hexabiblos genanntes Gesetzeshandbuch des spätbyzan- tinischen Reiches in sechs Büchern, das nach weiter Verbreitung auf dem Balkan während der Osmanenzeit 1828 in Griechenland als vorläufiges Zivilgesetzbuch (bis 1946) Verwendung findet. Lit.: Söllner §§ 23; Köbler, DRG 107; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995 Harmschar (F.) Qual, Schande Harpprecht, Johannes Friedrich (Walheim 20. 1. 1560-Tübingen 18. 9. 1639), früh verwaister Juristensohn, wird nach dem Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft in Straßburg, Tübingen und Marburg 1589 in Tübingen promoviert und nach kurzer Tätigkeit am Reichskammergericht 1592 Professor in Tübingen. Sein bekanntestes Werk ist ein sechsbändiger Kommentar zu den Institutionen Justinians (Opera [N.Pl.] omnia multis insignibus quaestionibus adaucta, 1627-1630, Gesammelte, mit vielen berühmten Unter- suchungen vermehrte Werke), der auch die Praxis und das heimische Recht berücksichtigt. Lit.: Schnee, H., Die Professoren Dr. Harpprecht und Dr. Schöpf, FS G. Schreiber, 1963, 272 Hartmann von Aue (Oberrheingebiet 1160/5- nach 1210?), mittelhochdeutscher Dichter, der vielleicht von (lat.) legibus (Gesetzen) gelesen hatte und dadurch (mhd.) legiste geworden ist. Seine Werke erfassen zahlreiche rechtliche Geschehnisse. Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Wapnewski, P., Hartmann von Aue, 3. A. 1967 Hasse, Johann Christian (1779-1830) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel (Thibaut) Professor in Jena, Königsberg, Berlin und Bonn. In seinem Buch Die Culpa des römischen Rechts (1815) teilt er die (lat. [F.]) culpa unter Missachtung der Quellen in die Widerrechtlichkeit (Rechtswidrigkeit) und die 297 Schuld (culpa). Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 1880ff., Neudruck 1957, 1978, III 2, 289 Hassfurt Lit.: Tittmann, A., Hassfurt, 2002 Hauberggenossenschaft ist die im Siegerland übliche, seit dem 15. Jh. belegte Genossen- schaft zur landwirtschaftlich-gewerblichen Nutzung des Niederwaldes im Turnus von 16- 18 Jahren. Sie entwickelt sich zur juristischen Person. Lit.: Achenbach, H., Die Hauberggenossenschaften des Siegerlandes, 1863; Delius, W., Hauberge und Haubergsgenossenschaften des Siegerlandes, 1910; Lorsbach, J., Hauberge und Hauberggenossenschaften des Siegerlandes, 1956 Häuptling (lat. [M.] capitaneus) ist ein Anführer wie z. B. in Friesland seit dem 14. Jh.. Lit.: Boden, F., Die isländischen Häuptlinge, ZRG GA 24 (1903), 148 Hauptstadt ist im neuzeitlichen Staat der amtlich festgelegte Ort des Sitzes der Herrschaftsgewalt. Lit.: Pagenkopf, O., Die Hauptstadt in der deutschen Rechtsgeschichte. Diss. jur. Bonn 2003 Hauriou, Maurice (1856-1929), Professor für Verwaltungsrecht (1888) und Verfassungsrecht (1920) in Toulouse, begründet, ausgehend vom Verwaltungsakt, die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht in Frankreich (Précis de droit administratif et de droit public général, 1892, Grundriss des Verwaltungsrechts und allge- meinen öffentlichen Rechts). Lit.: Sfez, L., Essai sur la contribution du doyen Hauriou au droit administratif français, 1966 Haus ist das zum Benutzen durch Menschen bestimmte größere Gebäude. Seinem Schutz dient der Hausfriede. Die Hausgewalt steht lange Zeit in erster Linie dem Hausvater zu. Die Hausdurchsuchung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Der Bau eines Hauses unterliegt bei dichterer Besiedlung öffentlichrechtlichen Vorschriften (Baurecht, hochmittelalterliche Stadt, 19. Jh.). Übertragen ist H. auch das Geschlecht (oder Herrschaftsgebiet des Geschlechts). Lit.: Kaser §§ 4, 12; Hübner 127; Köbler, DRG 21, 71, 88, 120, 160; Köbler, WAS; Haus und Siedlung im Wandel der Jahrtausende, 1937; Kramer, K., Haus und Flur im bäuerlichen Recht, 1950; Lhotsky, A., Was heißt ,,Haus Österreich"?, Anz. d. Akad. d. Wiss. Wien, phil.- hist. Kl. 93 (1956), 155; Dölling, H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958; Benedikt, H., Die Monarchie des Hauses Österreich, 1968; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft, 1968; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hann. Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Köbler, G., Das Recht an Haus und Hof im spätmittelalterlichen Lübeck, in: Der Ostseeraum, hg. v. Friedland, K., 1980, 31; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Histoire de la vie privée, hg. v. Aries, P. u. a., Bd. 2 1985; Haus und Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a., 1997 Hauser, Kaspar ist der Name eines am 26. Mai 1828 in Nürnberg aufgefundenen, der Sprache unkundigen jungen, am 17. Dezember 1833 an den Folgen eines Anschlags vom 14. Dezember 1833 verstorbenen Mannes, dessen Herkunft insbesondere P. J. Anselm von Feuerbach sehr beschäftigte, ohne dass sie bislang geklärt ist. Lit.: Küper, W., Das Verbrechen am Seelenleben, 1991; Forker, A., Kaspar Hauser, in: Die Bedeutung P. J. A. Feuerbachs (1775-1833) für die Gegenwart, 2003, 99 Hauserbe (lat. suus heres [M.]) ist im römischen Recht der Mensch, der durch den Tod des Vaters gewaltfrei (lat. sui iuris) wird, nämlich vor allem der (mündige) Sohn, die (mündige) Tochter, das adoptierte Kind, der adrogierte Sohn sowie die gewaltunterworfene Ehefrau. Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler, DRG 23, 38 Hausfriede ist das Recht, innerhalb der eigenen Wohnung und des umfriedeten Lebensbereiches ungestört zu sein. Bereits im Frühmittelalter sind Tötung und Verletzung innerhalb des Hauses mit höherer Buße bewehrt. Im Hochmittelalter wird der Friede für das Haus allgemein erfasst. Danach schaffen partikulare Rechte sowie 1871 das deutsche Reichsstrafgesetzbuch einen besonderen Tatbestand des Hausfriedensbruches. Lit.: Osenbrüggen, E., Der Hausfriedensbruch, 1857, Neudruck 1968; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff. Hausgesetz ist die von einer hochadligen Familie für sich gesetzte besondere Rechts- ordnung. Das H. findet sich seit Anfang des 14. Jh.s. Es betrifft vor allem die Erbfolge, die Ehe und die Veräußerlichkeit des Familiengutes (z. B. -> Dispositio Achillea für die Hohenzollern 298 1473, -> Pragmatische Sanktion vom 19. 4. 1713 für Österreich). Im 19. Jh. wird das H. von der Genehmigung durch den Staat abhängig. Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, Bd. 1ff. 1862ff.; Turba, G., Die Grundlagen der pragmatischen Sanktion, 1911 Hausgewalt -> Haus Haushalt ist ursprünglich die häusliche Verbrauchsgemeinschaft, seit dem 20. Jh. die Gesamtheit der der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben dienenden Einkünfte und Ausgaben einer -> juristischen Person des öffentlichen Rechts (-> Staatshaushalt), die nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika seit dem 19. Jh. vom Parlament durch ein Haushaltsgesetz beschlossen werden müssen. Lit.: Köbler, DRG 99, 129; Schroeter, O. v., Das Recht der Haushaltführung und Haushaltkontrolle in Preußen, 1938; Friauf, K., Der Staatshaushaltsplan, 1968; Haushalten in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Richarz, I., 1994; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1987; Strube, S., Die Geschichte des Haushaltsrechts, 2002 Hauskind ist im römischen Recht das unter der väterlichen Gewalt lebende -> Kind. Lit.: Kaser §§ 12 I 2b, 33 III, 49 I, 50 III 4a, 66 VI, 68 III 2 Häusler ist im mittelalterlichen Recht der nur ein Haus und kein Feld besitzende Dorfbewohner (Gärtner, Kossäte, Seldner). Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der Deutschen Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966, 457 Hausmarke ist im Mittelalter und in der Neuzeit das bestimmte, dem Wappen des Adels vergleichbare schriftartige Erkennungszeichen für einen Menschen oder ein Haus (u. a. Handelsmarke, Notarssignet). Lit.: Homeyer, C., Haus- und Hofmarken, 1870, Neudruck, 1964; Grohne, E., Die Hausmarken und Hauszeichen, 1912; Gmür, M., Schweizerische Bauernmarken und Holzurkunden, 1917, 2. unv. A. 1991; Ruppel, K., Die Hausmarken, ZRG GA 60 (1940), 320 Hausmeier (lat. maior [M.] domus) ist der Leiter einer Hausverwaltung im spätrömischen Italien und im Frühmittelalter. Bei den frän- kischen Königsfamilien finden sich (anfangs unfreie) H. seit dem 6. Jh. Im Jahre 751 verdrängt der austrasische H. Pippin der Jüngere aus dem Geschlecht der Arnulfinger oder Pippiniden den König aus dem Geschlecht der -> Merowinger und begründet die Königsfamilie der -> Karolinger. Lit.: Köbler, DRG 76; Hermann, E., Das Hausmeieramt, 1880, Neudruck 1970; Heidrich, J., Titulatur und Urkunden der arnulfingischen Hausmeier, Archiv f. Diplomatik 11/12 (1965/6), 71; Haas, K., Studien zur Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des fränki- schen maior-domus-Amts, Diss. phil. Heidelberg 1968; Heidrich, J., La maison du palais Neustriens, Francia Beiheft 16/1 1989, 217 Haussuchung ist die Durchsuchung eines Hauses. Nach altrömischem Recht kann bei Diebstahlsverdacht eine (lat.) quaestio (F.) lance et licio (Untersuchung mit Schüssel und Schurzfell) erfolgen, bei welcher der Suchende nackt, nur mit einem Schurzfell (lat. [N.] licium) bekleidet und eine Schüssel (lat. [F.] lanx) tragend, das Haus betreten muss und der Täter bei erfolgreicher Suche als handhafter Dieb (lat. fur [M.] manifestus) getötet werden darf. Im Mittelalter ist H. bei Verfolgung einer abhanden gekommenen beweglichen Sache möglich. Vermutlich wird bei erfolgloser H. der Suchende bußpflichtig. Seit dem Hoch- mittelalter bedarf die H. mehr und mehr der vorherigen Erlaubnis des Richters oder Rates. Im 19. Jh. sichern die Verfassungen vor willkürlicher H. (Hessen-Kassel 1831, Reich 1848). Im 20. Jh. gewähren sie ein Grundrecht auf Freiheit der Wohnung, das nur durch Gesetz eingeschränkt werden kann. Lit.: Kaser § 51 I 2; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Schwerin, C. Frhr. v., Die Formen der Haussuchung, 1924; Wolff, J., Lanx et licium, in: Sympotica F. Wieacker 1970, 59 Haustürgeschäftswiderrufsgesetz ist das deutsche Gesetz vom 16. 1. 1986, das im Interesse des Verbrauchers bestimmt, dass eine auf Abschluss eines Vertrages über eine entgeltliche Leistung gerichtete Willenser- klärung eines Kunden in bestimmten Fällen erst wirksam wird, wenn sie der Kunde nicht binnen einer Frist von einer Woche schriftlich widerruft. Sein Inhalt wird 2002 in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen (§§ 312ff. BGB). Lit.: Köbler, DRG 266 Hauswirtschaft ist die auf den einzelnen 299 Haushalt beschränkte, alle verwendeten Güter herstellende und verbrauchende Wirtschaft. Sie ist bereits im antiken Rom zugunsten der Marktwirtschaft aufgegeben. Im Frühmittelalter erweitert sie sich auf die jeweilige Grund- herrschaft und tritt seit dem Hochmittelalter zurück, um seit dem 19. Jh. fast gänzlich ihre Bedeutung zu verlieren. Lit.: Köbler, DRG 67, 77; Bauer, L./Matis, H., Geburt der Neuzeit, 1988 Haut und Haar ist eine mittelalterliche Bezeichnung für Leibesstrafen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964 Haverei (Haverie) ist der während einer Schifffahrt an Fahrzeug und Ladung entstehende Schaden. Dazu übernimmt bereits das römische Recht die im hellenistischen Bereich entwickelte (lat.) -> lex (F.) Rhodia de iactu (rhodisches Gesetz über den Seewurf), nach welcher der Schiffer, der in Seenot Güter eines Befrachters ins Meer wirft und sein Schiff rettet, dem geschädigten Befrachter zur Erstat- tung eines anteiligen Ausgleiches entsprechend dem Wert der Ladungen der anderen Befrachter verpflichtet ist, gegen die er seinerseits Rückgriff nehmen darf. Im Hochmittelalter ändern dies die -> Rôles d'Oléron in gewisser Weise ab. Auch das Hamburger Stadtrecht bildet Regeln über die H. aus, wobei im 18. Jh. zwischen kleiner, nur das Frachtgut betref- fender, und großer, auch das Schiff erfassender H. unterschieden wird. Über das -> Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (1861) gehen diese Regeln in das deutsche Handelsgesetzbuch (1897) ein. Lit.: Kaser § 42 IV 4; Claussen, C., Über die lex Rhodia de iactu, Diss. jur. Kiel 1876; Heck, P., Das Recht der großen Haverei, 1889; Reincke, H., Die ältesten Formen des hamburgischen Schiffsrechts, Hamburg. Geschbll. 63 (1968); Krieger, K., Ursprung und Wurzeln der rôles d'Oléron, 1970; Landwehr, G., Die Haverei in den mittelalterlichen deutschen Seerechtsquellen, 1985; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Landwehr, G., Zur Begriffsgeschichte der Haverei, FS H. Niederländer, 1991, 57 hebräisch -> Israel, Jude Heck, Philipp (St. Petersburg 22. 7. 1858- Tübingen 28. 6. 1943) wird nach dem Studium von Mathematik und Recht in Leipzig und der Habilitation in Berlin Professor in Greifswald (1891), Halle (1892) und Tübingen (1901). Er begründet in der Nachfolge Rudolf von Iherings die gegen -> Begriffsjurisprudenz und -> freie Rechtsschule gerichtete -> Interes- senjurisprudenz, die Lücken im Recht durch Vergleich gesetzlicher Entscheidungen von Interessengegensätzen (oder bei deren Fehlen durch persönliches Wertempfinden) schließen will. Daneben verfasst er Grundrisse zum Schuldrecht (1929) und Sachenrecht (1930) und zahlreiche rechtsgeschichtliche Arbeiten. Lit.: Heck, P., Begriffsbildung und Interessen- jurisprudenz, 1932; Kallfass, W., Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Wolf, M., Philipp Heck als Zivilrechtsdogmatiker, 1996; Schoppmeyer, H., Juristische Methode als Lebensaufgabe, 2001 Heer ist der zu Land kämpfende Teil der Streitkräfte. Sowohl in Rom wie auch bei den Germanen ist das H. zunächst allgemeines Volksheer. In Rom beginnt mit Marius (um 100 v. Chr.) die Umwandlung in ein Berufsheer von Söldnern, das nach Bedarf aufgestellt wird. Bereits unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) ist ein stehendes H. von 27-28 Legionen zu 6000 Männern vorhanden. Seit dem Früh- mittelalter (9. Jh.-12. Jh.) verschwindet bei den germanistischen Nachfolgevölkern das Volks- heer der einfachen Freien und wird durch ein ständisches Reiterheer (Ritter) im Umfang von meist nicht mehr als 2000 Gepanzerten ersetzt. An dessen Stelle tritt seit dem 14. Jh. der berufsmäßige, zunächst mit Lanze, dann mit Feuerwaffen ausgerüstete Fußsoldat, der nach Bedarf angeworben wird (Landsknechte). Das Reichsheer besteht aus geringen Kontingenten der Reichsstände, wobei sich die mächtigeren Fürsten zunehmend ihren Gestellungsver- pflichtungen entziehen. Seit der Mitte des 17. Jh.s strebt der Landesherr ein stehendes H. an. Dabei ersetzt später die Aushebung die Anwerbung (Preußen 1733). Zu Beginn des 19. Jh.s wird die allgemeine Wehrdienstpflicht eingeführt (Preußen 3. 9. 1814). 1919 wird das deutsche H. auf 100000 Mann beschränkt, doch durchbricht Adolf Hitler bald diese Einschränkung. 1956 wird die Bundeswehr der Bundesrepublik Deutschland (und im Gleichlauf die Volksarmee der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik) eingerichtet. 300 Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 III; Köbler, DRG 112, 150, 152, 198; Köbler, WAS; Stein, L. v., Die Lehre vom Heerwesen, 1872; Bonin, B. v., Grundzüge der Rechtsverfassung in den deutschen Heeren zu Beginn der Neuzeit, 1904; Fehr, H., Vom Lehnsheer zum Söldnerheer, ZRG GA 36 (1915), 455; Grosse, R., Römische Militärgeschichte, 1920; Wohlers, G., Die staatsrechtliche Stellung des Generalstabes in Preußen und dem deutschen Reich, 1921; Niemann, A., Kaiser und Heer, 1923; Frauenholz, E. v., Das Heerwesen, 1935ff.; Huber, E., Heer und Staat in der deutschen Geschichte, 1938; Höhn, R., Verfassungskampf und Heereseid, 1938; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Conrad, H., Gottesfrieden und Heeresverfassung, ZRG GA 61 (1941), 71; Merzbacher, F., Der Artikelbrief für die Reichsarmee von 1682, ZRG GA 69 (1952), 349; Hencke, U., Die Heeresverfassung des deutschen Bundes, Diss. jur. Tübingen 1955; Bodmer, J., Der Krieger der Merovingerzeit, 1957; Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der deutschen Territorien von 1500 bis 1800, FG F. Hartung, 1958, 419; Keen, M., The Laws of War, 1965; Hermann, C., Deutsche Militärgeschichte, 1966; Müller, K., Das Heer und Hitler, 1969; Schweling, O./Schwinge, E., Die deutsche Militärjustiz in der Zeit des nationalsozialismus, 2. A. 1978; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A. 1992; Messerschmidt, M./Wüllner, F., Die Wehrmachtsjustiz im Dienste des Nationalsozialismus. Zerstörung einer Legende, 1987; Masson, P., Die deutsche Armee, 1996; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u. a., 1999; Verbrechen der Wehrmacht, hg. v. Hamburger Institut für Sozialforschung, 2. A., 2002; Gilliver, K., Auf dem Weg zum Imperium, 2003; Walter, D., Preußische Heeresreformen 1807-1870, 2003; Bald, D., Die Bundeswehr, 2005; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005 Heerbann ist seit dem Frühmittelalter (Erstbeleg um 665) der das -> Heer betreffende -> Bann des Königs, dessen Aufgebotsrecht mit dem H. bewehrt ist. Lit.: Kroeschell, DRG 1 Heergewäte (Hergewäte) ist die Heeresbekleidung für den Krieg. Das H. wird wohl schon seit dem Frühmittelalter in einer Sondererbfolge an einen männlichen Verwandten (ältesten Sohn) vererbt. In den Städten seit dem Hochmittelalter im Schwinden begriffen, wird es zwischen dem 17. und 19. Jh. (Fehmarn) allgemein abgeschafft. Lit.: Köbler, DRG 73, 89, 123, 162; Haff, K., Ein Herwedekatalog, ZRG GA 48 (1928), 447; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade, Diss. jur. Göttingen 1966 Heerschild ist das Einteilungskriterium der mittelalterlichen Ordnung der lehnsrechtlich gestuften Gesellschaft. Nach dem Sachsen- spiegel (1221-1224) hat der König den ersten H. Die geistlichen Fürsten stehen im zweiten H., die weltlichen Fürsten im dritten. Wie weit die (siebenstufige) Heerschildordnung nach unten reicht, ist auch den mittelalterlichen Zeitgenossen nicht völlig klar. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 98; Ficker, J., Vom Heerschilde, 1862, Neudruck 1964; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige, 1979 Hegel, Georg Friedrich Wilhelm (Stuttgart 27. 8. 1770-Berlin 14. 11. 1831), Beamtensohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Theologie in Tübingen Hauslehrer und nach der Habilitation (1801) außerordentlicher Professor in Heidelberg (1816) und Berlin (1818). Für H. ist Weltgeschichte der notwendig fortschreitende Prozess, in dem sich der absolute Geist seiner Freiheit im dialek- tischen Dreischritt von These, Antithese und Synthese bewusst wird. In der tatsächlichen Umwelt versteht H. den preußischen Staat als Verwirklichung der Freiheit. Damit wird zu Unrecht der Staat dem Einzelnen stärker übergeordnet als notwendig. Lit.: Hegel, G., Kritik der Verfassung Deutschlands [um 1803], hg. v. Mollat, G., 1893; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, ARSP 59 (1973), 117; Flechtheim, O., Hegels Strafrechtstheorie, 2. A. 1975; Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie, hg. v. Riedel, M., 1975; Theunissen, M., Sein und Schein, 1980; Gessmann, M., Hegel, 1999; Fulda, F., Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 2003 Hegemonie (F.) Vormachtstellung Lit.: Triepel, H., Die Hegemonie, 1938 Hegung ist im deutschen Recht die förmliche Eröffnung von gerichtlichen Versammlungen durch künstliche Abgrenzung und Durch- führung eines Frage-Antwort-Ritus. Alter und Herkunft der im 13. Jh. eindeutig sichtbaren Vorgangsweise sind unklar. Bereits seit dem Spätmittelalter wird die H. ziemlich sinnent- stellt durchgeführt (, in Basel wohl noch bis in das ausgehende 19. Jh.). Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 130; Burchard, K., Die Hegung, 1893; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 301 1989, 1994, 437, 483; Buchda, G., Die Hegung und Aufhebung des Vogtgerichts zu Kindleben, ZRG GA 62 (1942), 355 Hehler ist, wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft, sich oder einem Dritten verschafft, absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern. Der H. ist strafbar (-> Der Hehler ist nicht besser als der Stehler). Bereits ein Privileg Heinrichs IV. für die Juden in Speyer und Worms von 1090 bestimmt aber, dass Juden, die gestohlene Sachen gegen Entgelt erworben haben, sie nur gegen Ersatz des Kaufpreises herausgeben müssen (sog. Hehlerprivileg oder Lösungsrecht). Mit dem Ausgang des Mittelalters verliert das Lösungsrecht an Bedeutung, ohne ganz zu verschwinden. -> Der Hehler ... Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Meyer, H., Das Hehlerrecht, in: Forschungen zur Judenfrage, Bd. 1 1937, 92; Feenstra, R., Zum Ursprung des Lösungsrechts, FS G. Kisch, 1955, 237; Kisch, G., Zur Rechtsstellung der Juden im Mittelalter, ZRG GA 81 (1964), 360; Dersch, G., Begünstigung, Hehlerei und unterlassene Verbrechensanzeige, 1980; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002 Heidelberg am Neckar unterhalb einer wohl im 11. Jh. erbauten Burg wird seit dem 13. Jh. ein bedeutender Ort der seit 1214 wittels- bachischen Pfalzgrafen bei Rhein, an dem 1386 eine Universität errichtet wird. Lit.: Köbler, DRG 100; Dickel, G., Die Heidelberger juristische Fakultät, Ruperto-Carolina, Sonderband Aus der Geschichte der Universität Heidelberg und ihrer Fakultäten 1961; Jammers, A., Die Heidelberger Juristenfakultät im 19. Jahrhundert als Spruchkollegium, 1964; Merkel, G., Wirtschaftsgeschichte der Universität Heidelberg im 18. Jahrhundert, 1973; Willoweit, D., Das juristische Studium in Heidelberg, in: Semper apertus, FS Universität Heidelberg, hg. v. Doerr, W., Bd. 1 1985, 85; Landwehr, G., Heidelberger Juristen in sechs Jahrhunderten, in: Richterliche Rechtsfortbildung, FS der juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Ruprecht- Karls-Universität Heidelberg, 1986, 653; Heidelberger Strafrechtslehrer im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Küper, W., 1986; Der Humanismus und die oberen Fakultäten, hg. v. Keil, G. u. a., 1987; Mußgnug, D., Die vertriebenen Heidelberger Dozenten, 1988; Wolf, K., Die Heidelberger Universitätsangehörigen, 1991; Kolb, J., Heidelberg, 1999; Die Rektorbücher der Universität Heidelberg, Bd. 1f. 1999ff.; Remy, S., The Heidelberg Myth, 2002 Heilige Allianz ist das am 26. 9. 1815 zwischen Franz I. von -> Österreich, Friedrich Wilhelm III. von -> Preußen und Alexander I. von -> Russland abgesprochene religiös- moralische Manifest, das neben dem Bekenntnis zur christlichen Religion und zu den Grundsätzen der Legitimität, Legalität und Stabilität auch ein allgemeines Beistandsver- sprechen enthält. Ihm treten fast alle christlichen Staaten Europas bei. Bereits 1823 außerhalb Europas und 1830 in Europa (Belgien, Griechenland) wird das legitimis- tische Interventionsprinzip auf Grund der sich entwickelnden Interessengegensätze der betei- ligten Mächte aufgegeben. Lit.: Köbler, DRG 170; Näf, W., Zur Geschichte der Heiligen Allianz, 1928 Heiliger -> Reliquie Lit.: Hattenhauer, H., Das Recht der Heiligen, 1976; Wetzstein, T., Heilige vor Gericht. Das Kanonisationsverfahren im europäischen Spätmittelalter, 2004 Heiliger Stuhl -> Papst Heiliges Römisches Reich (deutscher Nation) ist die sich im Spätmittelalter ausformende Bezeichnung des (ersten) deutschen Reiches (1474, amtlich 1512, um 1000 regnum Teutonicum, 1122 Romanorum imperator, 1157 [lat.] sacrum imperium [N.], 2. Hälfte 13. Jh.s sacrum Romanum imperium). Das H. R. R. wird getragen von -> König bzw. Kaiser und -> Reichsständen. Es endet als H. R. R. auf den politischen Druck Napoleons am 6. 8. 1806 mit der Niederlegung der Krone durch Kaiser Franz II. (aus der Familie der -> Habsburger). Die h. M. legt den im 15. Jh. aufkommenden, tatsächlichen Zusatz ,,Deutscher Nation" als auf das deutschsprachige Gebiet einschränkend aus. Die (materielle) -> Verfassung des Heiligen Römischen Reiches wird durch eine Reihe von einzelne Fragen behandelnden ,,Grundgesetzen" bestimmt, die man bereits mit dem Wormser Konkordat von 1122 beginnen lassen kann (vor allem Licet iuris 1338, Goldene Bulle 1356, Wiener Konkordat 1448, Ewiger Landfriede 1495, Reichskammerge- richtsordnung 1495, Augsburger Reichsab- schied 1555, Westfälischer Friede 1648, Jüngster Reichsabschied 1654, Reichshofrats- 302 ordnung 1654, Capitulatio perpetua 1711, Reichsputationshauptschluss 1803). Lit.: Köbler, DRG 110, 133; Krebs, C., Teutscher Reichsstaat, Teil 1f. 1706f.; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Bd. 1ff. 1737ff., Neudruck 1968; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, 1910; Feine, H., Zur Verfassungsentwicklung des Heil(igen) Röm(ischen) Reiches, ZRG GA 52 (1932), 65; Diehl, E., Heiliges Römisches Reich deutscher Nation, HZ 156 (1937), 457; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung des Heiligen Römischen Reiches, Studi P. Koschaker, Bd. 1 1954, 187; Heer, F., Die Tragödie des heiligen Reiches, Bd. 1f. 1952f.; Aretin, K. Frhr. v., Heiliges Römisches Reich 1776- 1806, 1967; Randelzhofer, A., Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen Römischen Reiches nach 1648, 1967; Recht und Verfassung des Reiches in der Zeit Maria Theresias, hg. v. Conrad, H., 1964; Aretin, K., Frhr. v., Heiliges Römisches Reich 1776 bis 1806, Bd. 1f. 1967; Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Wenkebach, H., Bestrebungen zur Erhaltung der Einheit des heiligen römischen Reiches, 1970; Koch, G., Auf dem Wege zum sacrum imperium, 1972; Schubert, E., König und Reich, 1979; Bussi, E., Diritto e politica in Germania nel 18. secolo, 1971; Aretin, K. Frhr. v., Das Alte Reich, Bd. 1ff. 1980ff. (Band 4 Register); Walter, G., Der Zusammenbruch des Heiligen Römischen Reiches, 1980; Nonn, U., Heiliges Römisches Reich deutscher Nation, ZHF 9 (1982), 129; Hammerstein, N., Das Römische am Heiligen Römischen Reich, ZRG GA 100 (1983), 119; Heiliges Römisches Reich und moderne Staatlichkeit, hg. v. Brauneder, W., 1993; Aretin, K. v., Das alte Reich 1648-1806, Bd. 1ff. 1993ff.; Luh, J., Unheiliges Römisches Reich, 1995; Schulze, H., Kaiser und Reich, 1998; Schmidt, G., Geschichte des alten Reiches, 1999; Marquardt, B., Das römisch-deutsche Reich als segmentäres Verfassungssystem, 1999; Hartmann, P., Kulturgeschichte des heiligen römischen Reiches 1648 bis 1806, 2001; Imperium Romanum ­ irregulare corpus ­ Teutscher Reichs-Staat, hg. v. Schnettger, M., 2002; Gotthard, A., Das alte Reich 1495-1806, 2003; Prietzel, M., Das heilige römische Reich im Spätmittelalter, 2004; Reichspersonal, hg. v. Baumann, A. u. a., 2004 Heilung (von Rechtsgeschäften) -> Konvaleszenz Heimbürge (seit 9. Jh. belegt) ist seit dem Hochmittelalter der Leiter (von Ortsgericht und Verwaltung) einer meist dörflichen Gemeinde zwischen Elsass und Thüringen, der endgültig im 19. Jh. verschwindet. Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge, 1962 Heimfall ist der Anfall des Nachlasses von erbenlos verstorbenen Menschen. Er steht teils dem Grundherrn, teils dem Lehnsherrn, teils der Gemeinde, teils dem König oder Landesherrn bzw. Staat zu. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der -> Fiskus gesetzlicher Erbe. Lit.: Hübner 777; Brünneck, W. v., Das Heimfallsrecht und die Gütervereinigung im älteren böhmisch- mährischen Recht, ZRG GA 20 (1899), 1; Poll, B., Das Heimfallsrecht auf den Grundherrschaften Österreichs, 1925, Neudruck 1978; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 149; Jewell, H., English Local Administration, 1972 Heimtücke (F.) Hinterhältigkeit Lit.: Dörner, B., Heimtücke, 1998 Heineccius, Johann Gottlieb (Eisenberg 11. 9. 1681-Halle 31. 8. 1741) wird nach dem Studium der Theologie in Leipzig und des Rechts in Halle (Stryk, Thomasius, Böhmer, Gundling, Ludewig) 1713 Philosophieprofessor und 1720/1721 Rechtsprofessor in Halle, Franeker (1723), Frankfurt an der Oder (1727) und Halle (1733). Seine dogmatischen Grund- risse (darunter die erste geschlossene Darstellung des deutschen Privatrechts und das erste römischrechtliche Lehrbuch moderner Form) machen ihn zum einflussreichsten deutschen Juristen des 18. Jh.s (Antiquitatum Romanarum syntagma [N.], 1721, Elementa [N.Pl.] iuris civilis secundum ordinem institu- tionum, 1725, Elementa [N.Pl.] pandectarum, 1727, Jurisprudentia [F.] Romana, 1738ff., Antiquitates [F.Pl.] Germanicae jurispru- dentiam patriam illustrantes, 1772ff., Elementa [N.Pl.] iuris Germanici, 1735f., Elementa [N.Pl.] iuris naturae et gentium, 1737, deutsch 1994, Grundzüge des Natur- und Völkerrechts). Lit.: Köbler, DRG 144; Reibstein, E., J. G. Heineccius als Kritiker des grotianischen Systems, Zs. f. ausl öff. Recht und Völkerrecht 24 (1964), 236; Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius commune 1 (1967), 195; Elementa iuris naturae et gentium (deutsch), hg. v. Bergfeld, C., 1994 Heingereiden (Haingeraiden) sind (16) seit dem 13. Jh. nachweisbare dörfliche Marknutzungsverbände von den Vogesen bis zur Haardt, die seit 1792 von Frankreich beseitigt werden. Lit.: Christmann, E., Name und Entstehung der 303 pfälzischen Heingereiden, ZGO 99 (1951), 407; Ziegler, H., Die Auflösung der Haingeraiden, Pfälzer Heimat 20 (1969), 20 Heinrich der Löwe (1128/9?-Braunschweig 6. 8. 1195), -> Welfe, Herzog von Sachsen (1142) und Bayern (1156), gefährdet durch seine beinahe königliche Machtstellung den mit ihm verwandten deutschen Kaiser Friedrich I. Barbarossa (-> Staufer). Da er mehreren La- dungen in einem von Fürsten wegen Landfriedensbruches eingeleiteten Verfahren vor dem Kaiser nicht Folge leistet, wird er im Juni 1179 (29. Juni?) geächtet und als Folge des Nichterscheinens in einem daraufhin wegen Nichtachtung der Majestät begonnenen Verfahrens im Januar 1180 für aller Reichslehen verlustig erklärt. Im April 1180 wird das Herzogtum Sachsen in Westfalen (an den Erzbischof von Köln) und (östliches) Sachsen (Bernhard von Askanien) geteilt, im September 1180 das Herzogtum Bayern an Otto von -> Wittelsbach gegeben. H. d. L. behält nur die Eigengüter um Braunschweig und Lüneburg. Mit der Zerschlagung des Stammesherzogtums Sachsen wird die Bildung von -> Ländern weiter gefördert. Lit.: Güterbock, F., Der Prozess Heinrichs des Löwen, 1909; Haller, J., Der Sturz Heinrichs des Löwen, Archiv für Urkundenforschung 3 (1911), 295; Niese, H., Zum Prozess Heinrichs des Löwen, ZRG GA 34 (1913), 195; Moeller, R., Die Neuordung des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 39 (1918), 1; Schambach, K., Noch einmal die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, Zs. d. hist. Ver. für Niedersachsen 81 (1916), 1, 83 (1918), 189; Güterbock, F., Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920; Hüttebräuker. L., Das Erbe Heinrichs des Löwen, 1927; Haendle, O., Die Dienstmannen Heinrichs des Löwen, 1930; Hasenritter, F., Beiträge zum Urkunden- und Kanzleiwesen Heinrichs des Löwen, 1936; Hildebrand, R., Der sächsische ,,Staat" Heinrichs des Löwen, 1937; Läwen, G., Die herzogliche Stellung Heinrichs des Löwen in Sachsen, Diss. phil. Königsberg 1937; Ganahl, K., Neues zum Text der Gelnhäuser Urkunde, MIÖG 53 (1940), 287; Die Urkunden Heinrichs des Löwen, bearb. v. Jordan, K., 1941ff.; Schambach, K., Der genaue Tag des Achtspruches, ZRG GA 69 (1952), 309; Bärmann, J., Die Städtegründungen Heinrichs des Löwen, 1961; Diestelkamp, B., Welfische Städtegründungen und Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Jordan, K., Heinrich der Löwe, 1979, 2. A. 1980; Heinrich der Löwe, hg. v. Mohrmann, W., 1980; Engels, O., Stauferstudien, 1988; Heinrich der Löwe, hg. v. Luckhardt, J., 1995; Ehlers, J., Heinrich der Löwe, 1997; Seibert, H., Heinrich der Löwe und die Welfen, HZ 268 (1998), 375; Gaethke, H., Herzog Heinrich der Löwe und die Slawen nordöstlich der unteren Elbe,1999; Heinrich der Löwe, hg. v. Fried, J. u. a., 2003 Heinrich von Segusia -> Hostiensis Heirat (F.) -> Eheschließung Lit.: Mantl, E., Heirat als Privileg, 1997; Liebl, R., Ein Königreich als Mitgift, 1998; Weller, T., Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert, 2004 Heirat macht mündig. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996 (Hillebrand 1858) Heiratserlaubnis ist die Erlaubnis der Eheschließung eines Menschen mit einem anderen durch einen Dritten. Im Frühmittelalter bedarf die Braut der H. des Inhabers der Personalgewalt, die später auf die Fälle fehlender Ehemündigkeit eingeschränkt wird. Daneben benötigt der Unfreie die H. des Grundherrn. Seit dem 16. Jh. begründet der Landesherr Heiratserlaubnisse für Beamte, Soldaten, Kranke, Witwen usw. Die Aufklärung drängt seit dem ausgehenden 18. Jh. die H. allgemein zurück. Lit.: Thudichum, F., Über unzulässige Beschränkungen des Rechts der Verehelichung, 1866; Köstler, R., Die väterliche Ehebewilligung, 1908; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 30; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967 Helgoland Lit.: Moeller, E, v., Die Rechtsgeschichte der Insel Helgoland, 1904 Heliand (,,Heiland") ist die nach der lateinischen Übersetzung (6. Jh.) der Evan- gelienharmonie des Syrers Tatian (2. Jh.) vor 850 (wohl in Fulda oder Werden) verfasste altsächsische Stabreimdichtung. Es ist streitig, in welchem Umfang das Werk frühmittel- alterliches Recht wiedergibt (Herrschaft, Stände, Rüge). Lit.: Vilmar, A., Deutsche Altertümer im Heliand, 2. A. 1862; Lagenpusch, E., Das germanische Recht im Heliand, 1894; Kuhn, H., Die Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 73 (1956), 28; Sowinski, B., Darstellungsstil und Sprachstil im Heliand, 1985; Heliand und Genesis, hg. v. Taeger, B., 10. A. 1996 304 Hellenismus ist ursprünglich der richtige Gebrauch der griechischen Schriftsprache, später die Ausbreitung griechischer Kultur seit Alexander dem Großen (356-13. 6. 323 v. Chr.). Lit.: Kaser §§ 1 II 2, 3 III 4; Söllner §§ 18, 19, 22; Kreissig, H., Geschichte des Hellenismus, 1984; Gehrke, H., Geschichte des Hellenismus, 3. A. 2003; Hellenismus, hg. v. Funck, B., 1997; Die Rezeption der Antike, hg. v. Konstantinou, E., 1998; Christ, K., Hellas, 1999; Heinen, H., Geschichte des Hellenismus, 2003 Heller, Hermann (Teschen 17. 7. 1891-Madrid 5. 11. 1933), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, Innsbruck und Graz 1920 in Kiel (Radbruch) habilitiert, 1928 zum außerordentlichen Professor in Berlin und 1932 zum ordentlichen Professor in Frankfurt am Main (bis 7. 4. 1933) ernannt. Er versteht in der Staatslehre den Staat als sozialen Rechtsstaat. Lit.: Robbers, G., Hermann Heller, 1983; Der soziale Rechtsstaat, hg. v. Müller, C./Staff, J., 1984; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 767; Fiedler, W., Das Bild Hermann Hellers, 1994; Goller, P., Hermann Heller, 2002 Helmarshausen Lit.: Hoffmann, H., Bücher und Urkunden aus Helmarshausen und Corvey, 1992 Helmstedt ist von 1576 bis 1810 Sitz einer vom Herzog von Braunschweig gegründeten Universität. Lit.: Behse, A., Die juristische Fakultät der Universität Helmstedt im Zeitalter des Naturrechts, 1920; Baumgart, P./Pitz, E., Die Statuten der Universität Helmstedt, 1963; Schikora, A., Die Spruchpraxis an der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Kundert, W., Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, 1984 (2774 Titel); Hahn, P., Die Gerichtspraxis der altständischen Gesellschaft im Zeitalter des ,,Absolutismus. Die Gutachtertätigkeit der Helmstedter Juristenfakultät, 1989; Alschner, U., Universitätsbesuch in Helmstedt, 1998 Helsinki (Helsingfors) wird 1550 vom König von Schweden gegründet und 1640 verlegt. Am neuen Ort erhält es eine Universität. 1812 wird es Hauptstadt des russischen Großfürstentums - > Finnland. Helvetische Republik ist die nach dem keltischen, von Caesar 58 v. Chr. besiegten Stamm der Helvetier benannte, von Frankreich (Napoleon) beeinflusste Republik in der -> Schweiz (1798-1803). Lit.: Levi, R., Der oberste Gerichtshof der Helvetik, 1945; Zwicky, J., Das Gefängniswesen zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982; Alkaly, M., Das materielle Strafrecht der französischen Revolution, 1984 Henker ist der 1276 in Augsburg zuerst bezeugte Vollstrecker des (auf Hängen lautenden) Todesurteils. Der H. gilt als unehr- lich. Vor der Vollstreckung steht dem Hinzurichtenden eine Henkersmahlzeit zu. Lit.: Mackensen, L., Henkersmahl und Johannisminne, ZRG GA 44 (1924), 318; Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928; Hentig, H. v., Vom Ursprung der Henkersmahlzeit, 1958; Schuhmann, H., Der Scharfrichter, 1964; Glenzdorf-Treichel, Henker, Schinder und arme Sünder, 1978; Deutsch, A., Das schwere Schicksal der Henker, ZRG GA 118 (2001), 420; Bendlage, A., Henkers Hetzbube, 2003 Henlich ist ursprünglich der Heiratsgesang und im Hochmittelalter und Spätmittelalter insbe- sondere im Recht des Ingelheimer Oberhofes der -> Ehevertrag. Lit.: Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968, 104 Henneberg Lit.: Zickgraf, E., Die gefürstete Grafschaft Henneberg- Schleusingen, 1944; Bibliographie zur hennebergischen Geschichte, bearb. v. Henning, E. u. a., 1976 Henneberg, Berthold von (1441/2-21. 12. 1504), aus der Familie der Grafen von Henneberg-Römhild, wird nach dem Studium der Theologie in Erfurt (1455) und Italien Domherr in Mainz (1464) und Erzbischof von Mainz (20. 5. 1484). Er bestimmt als Reichskanzler maßgeblich die Reformen des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) im Jahre 1495 (-> Reichskammer- gericht, -> Landfriede, -> Gemeiner Pfennig). Lit.: Weiß, E., Berthold von Henneberg, 1889; Bader, K., Ein Staatsmann vom Mittelrhein, 1955; Schröcker, A., Unio atque concordia, Diss. phil. Würzburg 1970 Hennegau Lit.: Goldhardt, O., Die Gerichtsbarkeit in den Dörfern des mittelalterlichen Hennegaues, 1909; Verriest, L., Le servage dans le Comté de Hainaut, 1910; Cauchies, J., La législation princire pour le comté de Hainaut, 1982 Heraldik (F.) Wappenkunde Lit.: Köbler, DRG 3; Berchem, E. Frhr. v., Heraldische Bibliographie, 1937; Galbreath, D., Handbüchlein der Heraldik, 2. A. 1948; Crusius, E., Heraldik in Niedersachsen und Westfalen, 1957; Gumowski, M., 305 Handbuch der polnischen Heraldik, 1969; Neubecker, O., Heraldik, 1977; Zenger, Z., Ceska heraldika, 1978; Bertenyi, I., Kis, magyar eimertan, 1983; Lexikon der Heraldik, 1984; Henning, E./Jochums, G., Bibliographie zur Heraldik, 1984; Dictionnaire heraldique, 1985; Woodcock, T./Robinson, J., The Oxford Guide to Heraldry, 1988; Handbuch der Heraldik, 19. A. 1998; Filip, V., Einführung in die Heraldik, 2000 Heraklit von Ephesos (um 500 v. Chr.) ist der erste europäische Philosoph, der den Einsatz des Einzelnen für die rechtliche Ordnung als Voraussetzung für den Bestand des Gemeinwesens hervorhebt. Lit.: Moser, P., Heraklits Kampf ums Recht, 1993 Herausgabeanspruch ist der Anspruch auf die Herausgabe eines Menschen oder einer Sache. Der bekannteste Fall des Herausgabean- spruches ist die schon dem altrömischen Recht vertraute (lat.) -> rei vindicatio (F.). Sie lebt im modernen H. in abgewandelter Form fort. Lit.: Kaser § 27 I; Köbler, DRG 212 Herberge Lit.: Hermesdorf, B., De herberg in de Nederlanden, 1957 Herborn ist von 1584 bis 1815 Sitz einer Universität. Lit.: Schmidt-von Rhein, G., Zur Geschichte der rechtswissenschaftlichen Fakultät der hohen Schule zu Herborn, ZRG GA 103 (1986), 263; Terharn, C., Die Herforder Fehden im späten Mittelalter, 1994 Herdecke Lit.: Schnettler, O., Herdecke an der Ruhr, 1939 Herder, Johann Gottfried (Mohrungen 25. 8. 1744-Weimar 18. 12. 1803) wird nach dem Theologiestudium in Königsberg (1762-1764) Prediger. Er sieht in der Volkssprache und im Volkslied den Ausdruck des unbewusst schaffenden -> Volksgeistes, dessen nationale Eigenart geschichtlichen Eigenwert besitzt (Idee der Kulturnation). Damit beeinflusst er -> Savignys Verständnis vom Recht als sich organisch entfaltendem Teilbereich der Ge- samtkultur in bedeutsamer Weise. Lit.: Herder, J., Über die neuere deutsche Literatur, 1766/7; Herder J., Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 1772; Würtenberger, T., Johann Gottfried Herder und die Rechtsgeschichte, JZ 12 (1957), 137; Kalletat, F., Herder und die Weltliteratur, 1984; Zaremba, M., Johann Gottfried Herder, 2002 Heredis institutio (lat. [F.] Erbeinsetzung) ist in klassischer römischer Zeit die schon früh an den Anfang des Testamentes zu stellende, lange Zeit unabdingbare Erbeinsetzung (z. B. [lat.] Titius heres esto). Lit.: Kaser §§ 65 II 1, 67 I 2 Hereditas ([F.] lat.) ist im römischen Recht die vor allem aus Vermögensrechten gebildete Erbschaft (das Erbe). Die h. fällt als Einheit durch Gesamtnachfolge dem Erben an. Lit.: Kaser §§ 65f.; Köbler, LAW Hereditas (F.) iacens (lat.) (liegende bzw. ruhende Erbschaft) ist im römischen Recht die einem Außenerben (lat. heres [M.] extraneus) anfallende Erbschaft in der Zeit zwischem dem Tod des Erblassers und der Ergreifung der Vermögensrechte durch den Außenerben. Ursprünglich gelten die Erbschaftsgegenstände als (lat.) res (F.) nullius (Sachen niemands). Die Rechte und Pflichten bestehen weiter, haben aber zeitweilig keinen Träger und können deswegen nicht geltend gemacht werden. Die h. i. kann Rechte erwerben. Die h. i. wird mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter übernommen (z. B. Österreich). Lit.: Kaser § 72 I; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 562, 621, 629 Hereditatis petitio (lat. [F.] Erbschaftsbe- gehren) ist bereits im altrömischen Recht das Herausverlangen der Erbschaft durch eine Per- son, die behauptet Erbe zu sein. Lit.: Kaser §§ 65 III, 75 Heres (lat. [M.]) ist im römischen Recht der -> Erbe (Hauserbe oder Außenerbe). Lit.: Kaser § 65 III; Köbler, DRG 37; Köbler, LAW Herford ist eine westfälische, um das 823 gegründete, 1147 reichsunmittelbare Stift erwachsene Stadt, von der die Bilderhand- schrift eines mittelalterlichen Rechtsbuches überliefert ist. Lit.: Löning, G., Vom Schöffenstuhl zu Herford im 17. Jahrhundert, ZRG GA 64 (19449, 326; Korte, F., Die staatsrechtliche Stellung von Stift und Stadt Herford, Jahresbericht des historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 58 (1955), 1; 1200 Jahre Herford, 1989; Rechtsbuch der Stadt Herford, hg. v. Helmert-Corvey, T., 1989; Terharn, C., Die Herforder Fehden, 1994 Hergewäte -> Heergewäte Herisliz (ahd. [M.] Heerzerstörung) ist der tatbestandliche Vorwurf (des Hochverrats), der 788 zur Absetzung Herzog Tassilos III. von Bayern führt. 306 Lit.: Köbler, WAS; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 53 Hermann von Oesfeld (Magdeburg Mitte 14. Jh.), Bürger in Magdeburg, fertigt möglicherweise ein Register zum Landrecht des -> Sachsenspiegels sowie die um 1350 entstehenden verfahrensrechtlichen Schriften -> Cautela und -> Premis an. Lit.: Homeyer, C., Richtsteig Landrecht nebst Cautela und Premis, 1857, 390; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66 Hermann von Salza von 1209 bis (Salerno) 20. 3. 1239 (vierter) Hochmeister des Deutschen Ordens, erlässt die sog. -> Kulmer Handfeste, die lübischem und magdebur- gischem Vorbild folgend den nach Kulm und Thorn gezogenen Bürgern freiheitliche Rechte gewährt. Lit.: Caspar, E., Hermann von Salza und die Gründung des Deutschordensstaates in Preußen, 1924 Hermogenian (um 300) ist vielleicht unter Kaiser Diokletian (284-313/316) Leiter einer kaiserlichen Kanzlei und (lat.) praefectus (M.) praetorio (Prätorianerpräfekt). Er verfasst die private (halbamtliche?) Sammlung von Konstitutionen Diokletians fast nur der Jahre 293 und 294 (-> Codex Hermogenianus), von der 104 Fragmente in die -> Digesten Justinians aufgenommen werden, und (lat.) Iuris epitomarum libri (M.Pl.) VI (Auszüge aus klassischen Juristenschriften). Lit.: Söllner §§ 19, 22; Liebs, D., Hermogenians Iuris Epitomae, 1964; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987, 36, 137 Herold (M.) Verkünder Lit.: Wagner, A., Heralds and Heraldry, 2. A. 1956 Herold, Basilius Johann (Höchstädt an der Donau 17. 12. 1514-1567), Übersetzer und Drucker, veröffentlicht in Basel 1557 eine Sammlung von 12 (10) Volksrechten, deren handschriftliche Vorlagen seitdem teilweise (lat. Lex [F.] Frisionum, eine Fassung der lat. Lex [F.] Salica) verschollen sind. Herr ist der Gebieter über einen anderen Menschen (oder über einen Gegenstand). Das Wort wird im 8. Jh. als Lehnübersetzung von lat. [M.] senior, Älterer, gebildet. Hausherr, Grundherr, Lehnsherr und -> Landesherr sind wichtige Erscheinungsformen. Erst spät wird H. zu einer allgemeinen Anrede erwachsener Männer. Lit.: Köbler, WAS; Lünig, J., Thesaurus iuris deren Grafen und Herren des Heiligen Römischen Reichs, 1725; Dungern, O. Frhr. v., Der Herrenstand im Mittelalter, 1908; Forst-Battaglia, O., Vom Herrenstande, 1916; Oberschelp, B., Die Edelherren von Büren, 1963; Dopsch, H., Landherren, Herrenbesitz und Herrenstand in der Steiermark 1100-1500, Diss. phil. Wien 1969 (masch.schr.); Kulenkampf, A., Einungen und Reichsstandsschaft fränkischer Grafen und Herren, Diss. jur. Bonn 1971; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/65, 1983; Müller, P., Die Herren von Fleckenstein, 1990; Algazi, G., Herrengewalt, 1996 Herrenchiemseer Verfassungskonvent ist das von den 11 Ministerpräsidenten der westlichen Besatzungszonen des Deutschen Reiches vom 10. bis 23. 8. 1948 nach Herrenchiemsee im Chiemsee einberufene, eine -> Verfassung (-> Grundgesetz) der späteren Bundesrepublik -> Deutschland vorbereitende Gremium. Lit.: Köbler, DRG 256; Buchner, P., Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee. Der Parlamentarische Rat 1948/49, 1981; 50 Jahre Verfassungskonvent Herrenchiemsee, hg. v. März, P. u. a., 1998; Weichenstellung für Deutschland, hg. v. März, P. u. a., 1998 Herrenfall ist der Tod des -> Herrn im Lehnsverhältnis. Herrenhaus ist die Bezeichnung für ein dem englischen House of Lords nachgebildetes Staatsorgan der Verfassungen des 19. Jh.s (Preußen 1855-1918, Österreich 1861-5, 1867- 1918). Ihm gehören hauptsächlich Vertreter des -> Adels an. Lit.: Baltl/Kocher; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Spenkuch, H., Das preußische Herrenhaus, 1998 Herrenlos ist die Sache, die keinen Eigentümer hat (z. B. in Freiheit befindliche wilde Tiere). Die herrenlose Sache unterliegt der Aneignung. Aneignungsberechtigt ist ursprünglich jeder- mann, nach späterem deutschem Recht der jeweils besondere Träger eines Aneignungs- rechts (z. B. Jagdberechtigter, Fiskus). Lit.: Hübner 454f. Herrschaft ist die Macht oder Gewalt eines Menschen (-> Herrn) über einen anderen Menschen (oder einen Gegenstand). Sie entsteht vorwiegend durch Eroberung und Überschichtung. Es ist streitig, ob sich die umfassende Rechtsgemeinschaft in eine 307 Vielzahl von Herrschaften auflösen lässt. Geschichtliche Formen der H. sind jedenfalls Grundherrschaft und Landesherrschaft, Haus- herrschaft und Lehnsherrschaft. Das deutsche Wort herscaf (mhd.) als Herrenstellung findet sich erst im 13. Jh. Seit etwa 1750 wird zwischen öffentlichrechtlicher Herrschaft und privatem Eigentum des Landesherrn unterschieden. Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868; Waas, A., Herrschaft und Staat im deutschen Frühmittelalter, 1938; Schlesinger, W., Herrschaft und Gefolgschaft, HZ 176 (1953), 225; Dannenbauer, H., Grundlagen der mittelalterlichen Welt, 1958, 121; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Schulze, H., Adelsherrschaft und Landesherrschaft, 1963; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft im frühen deutschen Recht, 1968; Pezold, U. v., Die Herrschaft Thurnau, 1968; Dubler, A., Die Klosterherrschaft Hermetschwil, 1968; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1 1970; Herrschaftsstruktur und Ständebildung, 1973; Herrschaftsverträge, Wahlkapitulationen, Fundamental- gesetze, hg. v. Vierhaus, R., 1977; Schulze, W., Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft in der frühen Neuzeit, 1980; Jäckell, E., Hitlers Herrschaft, 1986; Schneider, O., Rechtsgedanken und Rechtstech- niken totalitärer Herrschaft, 1988; Wolf, G., Mittel der Herrschaftssicherung in den Germanenreichen des 6. und 7. Jahrhunderts, ZRG GA 105 (1988), 214; Sprandel, R., Verfassung und Gesellschaft im Mittelalter, 3. A. 1988; Hohkamp, M., Herrschaft in der Herrschaft, 1998; Virtuosen der Macht, hg. v. Nippel, W., 2000; Holtz, S., Bildung und Herrschaft, 2002; Die Sakralität von Herrschaft, hg. v. Erkens, F., 2002; Herrschaft, hg. v. Kaak, H. u. a., 2003; Rader, O., Grab und Herrschaft, 2003; Hochadelige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200 bis 1600), hg. v. Rogge, J. u. a., 2003; Hardt, M., Gold und Herrschaft, 2004; Schliesky, U., Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004 Herrschaftsvertrag ist der bereits im griechischen Altertum ansatzweise sichtbare, für die Vorzeit angenommene Vertrag zur Begründung der Herrschaft Herrschender (Staat) über Beherrschte (Untertanen). Das Mittelalter sieht diesen Vertrag als Unterwerfungsvertrag an (Thomas von Aquin, - > Marsilius von Padua). Die Neuzeit versteht ihn mehr und mehr als -> Gesellschaftsvertrag (-> Althusius, -> Hobbes, -> Locke, -> Pufendorf, -> Rousseau 1762). Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Näf, W., Herrschaftsverträge und Lehre vom Herrschaftsvertrag, 1949; Der Herrschaftsvertrag, hg. v. Voigt, A., 1965 Herrschaftszeichen ist das sichtbare Zeichen der (als solcher unsichtbaren) Herrschaft (z. B. -> Ornat, -> Krone, -> Lanze, -> Schwert, -> Zepter). Seine Ausprägung ist in einfachen Verhältnissen eher bescheiden. Der bedeu- tendste Schatz an H. sind die -> Reichsin- signien. Lit.: Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, Bd. 1ff. 1954ff.; Schramm, P., Kaiser Friedrichs II. Herrschaftszeichen, 1955; Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954 Herrschende Lehre ist die vom gewichtigeren Teil der Gelehrten (z. B. Rechtsgelehrten in einer Frage (z. B. Rechtsfrage) vertretene Ansicht. Förmliche Ansätze hierzu finden sich bereits im römischen Altertum (z. B. Kassiergesetz Konstantins [321], das zunächst - > Papinianus für maßgeblich erklärt, Zitiergesetz Theodosius' II. und Valentinians III. [426], das der Meinung von Papinianus, -> Paulus, -> Ulpian, -> Modestin und -> Gaius besondere Geltung verleiht und bei Stimmengleichheit die Ansicht Papinians entscheiden lässt). Im Spätmittelalter werden hierfür feste Maßstäbe erarbeitet. Danach kommt der (lat.) glossa (F.) ordinaria zum weltlichen und geistlichen Recht, -> Bartolus, - > Baldus sowie den Richtern des höchsten kirchlichen Gerichts das regelmäßig ausschlaggebende Gewicht zu. Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 1ff. 2. A. 1834ff., Bd. 6, 14; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938, 204 Herrschende Meinung ist die in einer Streitfrage insgesamt vorherrschende Meinung. Lit.: Zimmermann, Die Relevanz einer herrschenden Meinung, 1983; Drosdek, T., Die herrschende Meinung, 1989 Herrscher Lit.: Europäische Herrscher, hg. v. Vogler, G., 1988 Hert (Hertius), Johann Nikolaus (Niederkleen 6. 10. 1651-Gießen 19. 9. 1710) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Gießen und des Rechts in Jena, Leipzig und Wittenberg 308 1683 Professor in Gießen. Er verwendet neben dem römischen Recht auch deutsche Rechts- quellen, befasst sich mit dem Kollisionsrecht (Dissertatio de collisione legum, 1688) und gibt drei Bücher deutscher Rechtssprichwörter heraus. Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, 3, 1, 62; Herrmann, G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963 Herzegowina -> Bosnien Lit.: Lovrenovic, I., Bosnien und Hercegovina, 1998; Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina 1878, 2003 Classen, L., Der völkerrechtliche Stauts von Bosnien- Herzegowina, 2004 Herzog ist die wohl nach griechischem Vorbild geschaffene germanistische Bezeichnung für den Führer des Heeres (oder Volkes). Bei den Franken führen (lat. [M.Pl.]) duces auch Aufgaben aus, wie sie weströmische duces wahrgenommen hatten. Seit der zweiten Hälfte des 6. Jh.s stammen die Herzöge im Franken- reich aus angesehenen Familien und steigen bei Schwäche der königlichen Gewalt zu nahezu selbständigen Herrschern einzelner Stämme oder Völker (Franken, Bayern, Alemannen, Sachsen, Thüringer, Friesen usw.) auf ([ältere] Stammesherzöge). Die Karolinger ersetzen die stammesverbundenen H. durch fränkische Adlige (Amtsherzog). In der zweiten Hälfte des 9. Jh.s entsteht erneut ein (zweites) (Stammes- )Herzogtum auf herrschaftlicher Grundlage, das sich dem König aber früh zumindest teilweise wieder beugen muss (Schwaben 926, Bayern 938). Seit dem Ende des 10. Jh.s führen in Deutschland einzelne Familien den Herzogstitel fort, auch wenn sie die Stellung als H. verlieren. Durch Friedrich I. Barbarossa wird 1156/1180 das Gebietsherzogtum an die Stelle des Amtsherzogtums gesetzt (-> Österreich 1156, Westfalen 1180, danach Braunschweig-Lüneburg 1235). 1918 verschwindet der H. aus der deutschen Verfassungsgeschichte. Lit.: Köbler, DRG 69, 94; Köbler, WAS; Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Rosenstock, E., Herzogsgewalt und Friedensschutz, 1910; Schröder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Much, R., Herzog, ein altgermanischer Name des dux, ZRG GA 45 (1925), 1, 406; Miller, C., Neuwürttemberg unter Herzog und König Friedrich, 1934; Mayer, T., Der Staat der Herzöge von Zähringen, 1935; Werle, W., Titelherzogtum und Herzogsherrschaft, ZRG GA 73 (1956), 225; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Prinz, F., Herzog und Adel im agilolfingischen Bayern, Z. f. bay. LG. 25 (1962), 283; Kienast, W., Der Herzogstitel in Frankreich und Deutschland, 1968; Maurer, H., Der Herzog von Schwaben, 1978; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen bei Rhein und Herzöge von Bayern, 1986 Herzogtum ist die Würde und der Herrschaftsbereich des -> Herzogs. Wichtige Herzogtümer sind zu unterschiedlichen Zeiten Bayern, Schwaben, Franken, Sachsen, Thüringen, Österreich, Steiermark, Kärnten, Würzburg, Westfalen, Braunschweig-Lüne- burg, Burgund, Lothringen, Jülich, Cleve, Berg, Württemberg, Nassau usw. Lit.: Köbler, DRG 94 Hessen ist im Jahre 738 der Name eines kleinen, wahrscheinlich auf die germanischen Chatten zurückzuführenden Stammes an der unteren Fulda, dessen Gebiet seit dem 4. Jh. dem Einflussbereich der -> Franken zuzurech- nen ist Die Grafschaft H. gelangt 1122 an die Landgrafen (1130) von Thüringen und wird nach Aussterben der Ludowinger (1247) selbständige Landgrafschaft. Nach dem Übertritt Philipps des Großmütigen zum Lu- thertum (1524) wird H. bei seinem Tode 1567 geteilt (Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel). Hessen-Darmstadt erhält 1820 eine Verfassung. Hessen-Kassel wird wie Nassau 1866 von Preußen annektiert (Provinz Hessen-Nassau). Am 19. 9. 1945 wird der 1918 aus Hessen- Darmstadt entstandene Volksstaat mit den preußischen Provinzen Nassau und Kurhessen zu Großhessen bzw. H. verbunden. Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, A., Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen, 1893; Lichtner, A., Landesherr und Städte in Hessen-Cassel, 1913; Klibansky, E., Die topographische Entwicklung der kurmainzischen Ämter in Hessen, 1925; Falk, H., Die Mainzer Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde, 1930; Bruchmann, K., Der Kreis Eschwege, 1931; Müller, A., Die Entstehung der hessischen Verfassung von 1820, 1931; Sponheimer, M., Landesgeschichte der Niedergrafschaft Katzenelnbogen und der angrenzenden Ämter auf dem Einrich, 1932; Der ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV., bearb. v. 309 Zimmermann, L., Bd. 1f. 1933f.; Blecher, G., Wie und wann entstanden Burg und Stadt Friedberg? Oberhessische Anzeigen (2.­9. September) 1936; Helbig, B., Das Amt Homberg an der Efze, 1938; Kroeschell, K., Hessen und der Kaufungerwald, 1953; Deutsches Städtebuch, Hessen 1957; Gensicke, H., Landesgeschichte des Westerwaldes, 1958; Hessische Ortsbeschreibungen, hg. v. Eckhardt, W. u. a., Heft 1ff. 1958ff.; Demandt, K., Geschichte des Landes Hessen, 1959, 2. A. 1980; Schunder, F., Der Kreis Fritzlar- Homberg, 1960; Uhlhorn, F., Geschichtlicher Atlas von Hessen, 1960ff.; Kleeberger, E., Territorialgeschichte des hinteren Odenwaldes, 1958; Geschichtlicher Atlas von Hessen, begründet v. Stengel, E., bearb. v. Uhlhorn, F., 1960ff.; Schrifttum zur Geschichte und geschichtlichen Landeskunde von Hessen, bearb. v. Demandt, K., Bd. 1ff. 1965ff; Lachmann, H., Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte des Burgwaldes im Mittelalter, 1967; Heß, W., Hessische Städtegründungen der Landgrafen von Thüringen, 1966; Niemeyer, W., Der pagus des frühen Mittelalters in Hessen, 1968; Schubert, W., Der Code civil und die Personenrechtsentwürfe des Großherzogtums Hessen- Darmstadt von 1842 bis 1847, ZRG GA 88 (1971), 110; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 3,2,1518, 3,3,3698; Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Weiss, U., Die Gerichtsverfassung in Oberhessen, 1978; Battenberg, J., Ein hessischer Appellationsprozess des späten 15. Jahrhunderts, ZRG GA 98 (1981), 56; Demandt, K., Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter, 1981; Krüger, K., Finanzstaat Hessen 1500-1567, 1981; Acker, K., Verwaltungskontrolle in Hessen-Darmstadt, 1983; Akten und Dokumente zur kurhessischen Parlaments- und Verfassungsgeschichte 1848-1866, hg. v. Seier, H., 1987; Rudersdorf, M., Ludwig IV. Landgraf von Hessen-Marburg 1537-1604, 1991; Akten und Briefe aus den Anfängen der kurhessischen Verfassungszeit 1830-1837, hg. v. Seier, H., 1992; Grothe, E., Verfassungsgebung und Verfassungskonflikt, 1996; Die Entstehung der hessischen Verfassung von 1946, 1996; Hessen, hg. v. Heidenreich, B. u. a., 1997; Regierungsakten des Großherzogtums Hessen-Darmstadt 1802-1820, bearb. v. Ziegler, U., 2002; Franz, E., Von Hessengau und terra Hassia zum heutigen Land Hessen, 2003; Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen, hg. v. Wunder, H., 2004; Wicke, C., Kodifikationsbestrebun- gen und Wissenschaft in Hessen-Darmstadt im vorkonstitutionellen Zeitalter, 2005 Hethiter ist der Angehörige des während der Bronzezeit das Gebiet zwischen Schwarzem Meer, Mittelmeer und persischem Golf beherr- schenden indogermanischen, um 700 v. Chr. untergegangene Volkes. Lit.: Brandau, B./Schickert, H., Hethiter, 2001; Die Hethiter und ihr Reich, 2002; Sperlich, W., Die Hethiter, 2003 Heuer ist der Lohn eines Besatzungsmitgliedes eines Schiffes. Die H. erscheint seit dem Spätmittelalter, in dem der Dienst auf einem Schiff durch Dienstvertrag vereinbart wird. Sie ist lange nur ein Teil des Entgeltes und in ihrer Höhe vom Ertrag der Fahrt abhängig. Lit.: Geschichte der deutschen Seeschiffahrt, Bd. 1 1915; Abel, W., Die Grundzüge des deutschen Seearbeiter- rechts, Diss. jur. Greifswald 1938 Heusler, Andreas (Basel 30. 9. 1834-2. 11. 1921), Sohn des Rechtsprofessors Andreas Heusler (1802-1868), wird nach dem Rechtsstudium in Basel, Göttingen und Berlin (1856) 1863 Professor, Richter und Politiker in Basel. Sein bedeutendstes Werk sind die Institutionen des Deutschen Privatrechts (Bd. 1f. 1885f.), in denen er auf den Grundbegriff der Gewalt über Menschen (-> Munt) und über Sachen (-> Gewere) ein umfassendes Rechtssystem des mittelalterlichen deutschen Privatrechts aufzubauen versucht. Auf H. geht auch die Sammlung schweizerischer Rechtsquellen (1894ff.) zurück. Lit.: Heusler, A., Verfassungsgeschichte der Stadt Basel, 1860; Festgabe der juristischen Fakultät der Universität Basel zum siebzigsten Geburtstag, 1904; Heusler, A., Deutsche Verfassungsgeschichte, 1905; Stutz, U., Andreas Heusler, ZRG GA 43 (1921), LXIV; Heusler, A., Schweizerische Verfassungsgeschichte, 1920, Neudruck 1968; Heusler, A., Der Zivilprozess in der Schweiz, 1923; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung, 1963; Sonderegger, S., Andreas Heusler (1865-1940) und die Sprache, 1967; Landau, P., Die Vormundschaft als Prinzip, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997 Hexabiblos ist die in Thessaloniki um 1345 durch Konstantin Harmenopoulos erfolgte verkürzende Neubearbeitung der -> Basiliken in sechs Büchern. -> Griechenland Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 7; Harmenopoulos, K., Manuale legum sive Hexabiblos, hg. v. Heimbach, 1851, Neudruck 1969 Hexe (Zaungeist?) ist die zauberkundige Frau mit magisch-schädigenden Kräften, die 310 angeblich durch die Luft fliegen, sich in Tiere verwandeln und giftige Zaubertränke herstellen kann. Sie ist bereits dem Altertum bekannt (lat. [F.] striga). Vielleicht im frühen 15. Jh. in Savoyen beginnen bei der Verfolgung der Armut und Frieden fordernden, Eid und Amt verweigernden Waldenser (des Lyoner Kaufmanns Pierre Valdes) Hexenverfolgungen (um 1430), aus denen nach 1500 rasch um sich greifende Hexenprozesse werden, die sich unter Mitwirkung bekannter Theologen des Konzils von Basel (1431-1439) aus Inquisitionspro- zessen entwickelt haben dürften. Möglicher- weise werden vor allem zwischen 1590 und 1630 bis zu (neun Millionen [Gottfried Christian Voigt] bzw. bis zu) einer Million Hexen (oder in Deutschland insgesamt [nur] 30000?, in ganz Europa [nur] 50000 bis 100000?) verbrannt, ehe der Aufklärung der Sieg über den Hexenglauben gelingt (Johann Georg von Godelmann, De magis, 1584, Friedrich von Spee, Cautio criminalis contra sagas, 1631, Thomasius, 1712). Der letzte Hexenprozess auf deutschem Boden findet in Kempten 1775 statt und endete mit dem Tod der Angeklagten in langjähriger Haft (Glarus 1782, Posen 1793). 1986 wird in Deutschland die Frage Glauben Sie, dass es Menschen gibt, die ihren Mitmenschen etwas anhexen können, von einem Drittel der Befragten bejaht. Lit.: Köbler, DRG 157; Köbler, WAS; Rapp, L., Die Hexenprozesse und ihre Gegner in Tirol, 2. A. 1891; Riezler, S., Geschichte der Hexenprozesse in Bayern, 1896, Neudruck 1968; Hansen, J., Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozess im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Hansen, J., Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter, 1901; Soldan, G./Heppe, H./Bauer, M., Geschichte der Hexenprozesse, Bd. 1f. 1912; Eschenröder, Hexenwahn und Hexenprozesse in Frankfurt am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1932; Bader, G., Die Hexenprozesse in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Croissant, W., Die Berücksichtigung geburts- und berufsständischer und soziologischer Unterschiede im deutschen Hexenprozess, 1953; Zwetsloot, H., Friedrich von Spee und die Hexenprozesse, 1954; Bavoux, F., Hantises et diableries dans la terre abbatiale de Luxeuil, 1956; Krämer, W., Kurtrierische Hexenprozesse, 1959; Merzbacher, F., Die Hexenprozesse in Franken, 1957, 2. A. 1970; Thomasius, C., Über die Hexenprozesse, hg. v. Lieberwirth, R., 1960; Baroja, J., Las brujas y su mundo, 1961; Baroja, J., Die Hexen und ihre Welt, 1967; Stebel, H., Die Osnabrücker Hexenprozesse, 1969; Kunstmann, H., Zauberwahn und Hexenprozesse in der Reichsstadt Nürnberg, 1970; Kunze, M., Zum Kompetenzkonflikt zwischen städtischer und herzoglicher Strafgerichtsbarkeit in Münchner Hexenprozessen, ZRG GA 87 (1970), 305; Leutenbauer, S., Hexerei und Zauberdelikt in der Literatur von 1350 bis 1550, 1972; Kneubühler, Die Überwindung von Hexenwahn und Hexenprozess, Diss. jur. Zürich 1977; Schormann, G., Hexenprozesse in Nordwestdeutschland, 1977; Kneubühler, H., Die Überwindung von Hexenwahn und Hexenprozess, 1977; Schormann, G., Hexenprozesse in Deutschland, 1981; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Hexenprozesse, hg. v. Degn, C., 1983; Wichert, G., Die Hexenprozesse in den österreichischen Alpenländern, der Schweiz und Bayern, 1984; Baumhauer, J., Johann Kruse und der neuzeitliche Hexenwahn, 1984; Häxornas Europa 1400-1700, hg. v. Ankarloo, B. u. a., 1987; Hexen und Hexenprozesse in Deutschland, hg. v. Behringer, W., 4. A. 2000; Ginzburg, C., Hexensabbat, 1989; Blauert, A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Heinemann, E., Hexen und Hexenangst, 1989; Schormann, G., Der Krieg gegen die Hexen, 1991; Hexe oder Hausfrau, hg. v. Niederstätter, A. u. a., 1991; Siefener, M., Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie, 1992; Jerouschek, G., Die Hexen und ihr Prozess, 1992; Walz, R., Hexenglaube und magische Kommunikation im Dorf der frühen Neuzeit, 1993; Hexenverfolgung und Regionalgeschichte, hg. v. Wilbertz, G. u. a., 1994; Lambrecht, K., Hexenverfolgung und Zaubereiprozesse, 1995; Hexenglaube und Hexenprozesse, hg. v. Franz, G. u.a, 1995; Das Ende der Hexenverfolgung, hg. v. Sönke, L. u. a., 1995; Das Hexenregister des Claudius Musiel, bearb. v. Voltmer, R. u. a., 1996; Oestmann, P., Hexenprozesse am Reichskammergericht, 1997; Schild, W., Die Maleficia der Hexenleut`, 1997; Behringer, W., Hexenverfolgung in Bayern, 3. A. 1997; Biesel, E., Hexenjustiz, 1997; Tschaikner, M., Magie und Hexerei im südlichen Vorarlberg, 1997; Behringer, W., Hexen, 1998; Briggs, R., Die Hexenmacher, 1998; Gehm, B., Das Ende der Hexenverfolgung, ZRG GA 115 (1998), 566; Dillinger, J. u. a., Zum Feuer verdammt, 1998; Levack, P., Hexenjagd, 1999; Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung, hg. v. Franz, G u. a., 1998; Schmidt, J., Glaube und Skepsis, 2000; Schulte, R., Hexenmeister, 2000; Himmlers Hexenkartothek, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2000; Schulte, R., Hexenverfolgung in Schleswig-Holstein, 2001; Hexenprozesse und 311 Gerichtspraxis, hg. v. Eiden, H./Voltmer, R., 2002; Kleinöder-Strobel, S., Die Verfolgung von Zauberei und Hexerei in den fränkischen Markgraftümern, 2002; Guggenbühl, D., Mit Tieren und Teufeln, 2002; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003; Levack, B., Hexenjagd, 2003; Decker, R., Die Päpste und die Hexen, 2003; Tschaikner, Manfred, Die Zauberer- und Hexenprozesse in der Stadt S(ank)t Gallen, 2003; Koppenburg, I., Hexen in Detmold, 2003; Zika, C., Exorcising our demons, 2003; Perlhefter, V., Die Gestalt des Hexenjägers, 2003; Schatzmann, N., Verdorrende Bäume und Brote wie Kuhfladen, 2003; Decker, R., Die Päpste und die Hexen ­ Aus den geheimen Akten der Inquisition, 2003; Decker, R., Hexen. Magie, Mythen und die Wahrheit, 2004; Wider alle Hexerei und Teufelswerk, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2004; Tschaikner, M., Hexenverfolgungen in Hohenems, 2004; Koppenborg, I., Hexen in Detmold, 2004 Hexenbulle ist die Bulle Papst Innozenz' VIII. (1484-1492), mit der er die Verfolgung der -> Hexen fördert (Summis desiderantes affectibus vom 5. 12. 1484). Hexenhammer (lat. malleus [M.] maleficarum) ist die erstmals 1486 bei Peter Drach in Speyer gedruckte, die -> Hexenbulle kommentierende Anleitung zum Vorgehen gegen -> Hexen von Heinrich Institoris (Kra- mer) (und Jakob Sprenger) (handschriftliche deutsche Fassung 1491 an Nürnberg über- sandt). Lit.: Schmidt, J., Der Hexenhammer, Bd. 1ff. 1930; Malleus maleficarum 1487 (Hexenhammer), hg. v. Jerouschek, G., 1990; Malleus maleficarum, hg. v. Schnyder, A., 1991; Malleus maleficarum 1487 von Heinrich Kramer (Institoris), Neudruck hg. v. Jerouschek, G., 1992; Nürnberger Hexenhammer 1491, hg. v. Jerouschek, G., 1992; Schnyder, A., Malleus maleficarum von Heinrich Institoris, Kommentar, 1993; Kramer (Institoris), H., Der Hexenhammer - Malleus Maleficarum, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000 Hexenprozess -> Hexe Heymael (N.) (Hegemal) landesherrliches Gericht für Strafsachen Lit.: Hermesdorf, B., Het Heymael, aantekeningen bij een oude dingrtaal uit het Amorland, 1950 Heymann, Ernst (Berlin 6. 4. 1870-Tübingen 2. 5. 1946) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau (Dahn) außerordentlicher Professor in Berlin und ordentlicher Professor in Königs- berg, Marburg und Berlin (1914). Kennzeich- nend für ihn sind die Annäherung der Rechts- geschichte an das geltende Recht und der viel- seitige Weitblick (Die Grundzüge des gesetz- lichen Verwandtenerbrechts, 1896, Überblick über das englische Recht, 1914, Die Rechts- formen der militärischen Kriegswirtschaft als Grundlage des neuen deutschen Industrierechts, 1921). Lit.: Festschrift Ernst Heymann, 1940 (mit Schriftenver- zeichnis); Mitteis, H., Nachruf auf Ernst Heymann, ZRG GA 65 (1947), IX Hierarchie ist die stufenmäßig aufgebaute, auf Überordnung und Unterordnung beruhende Ordnung. Die H. wird schon im Altertum in der Kirche und im römischen Dominat entwickelt. Ihrer bedient sich der seit dem Spätmittelalter erwachsende Staat zur Gestaltung seiner Verwaltung. Lit.: Köbler, DRG 55; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 103 Hildebrandslied ist das in einer lateinischen, aus Fulda stammenden Handschrift von zwei Händen des mittleren 9. Jh.s in 68 stab- reimenden Langzeilen aufgezeichnete einzige althochdeutsche Heldenlied. Lit.: Köbler, G., Sammlung kleinerer althochdeutscher Denkmäler, 1986 Hildesheim Lit.: Gebauer, J., Geschichte der Stadt Hildesheim, Bd. 1f. 1922ff.; Klewitz, H., Studien zur territorialen Entwicklung des Bistums Hildesheim, 1932; Gebauer, J., Worthzins und Fronzins in der Stadt Hildesheim, ZRG GA 61 (1941), 151; Adamski, H., Der welfische Schutz über die Stadt Hildesheim, 1939; Quellen zur Hildesheimer Laandesgeschichte des 14. und 15. Jahrhunderts, 1964; Lücke, J., Die landständische Verfassung im Hochstift Hildesheim, 1968; Illemann, H., Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim, 1969; Schwarz, B., Der Pfennigstreit in Hildesheim 1343, 1978 Hinkmar von Reims (um 806-Epernay 21.? 12. 882), aus vornehmem fränkischem Geschlecht, wird nach der Schulung in St. Denis 854 Erzbischof von -> Reims. Neben umfangreichen nichtrechtlichen Schriften und Stellungnahmen in einzelnen Rechtsfragen gibt er eine auf Adalhard von Corbie aufbauende Darstellung des Hofes des fränkischen Königs (lat. De ordine palatii, Von der Ordnung des Palastes). Lit.: Schrörs, H., Hinkmar, 1884, Neudruck 1967; Hincmarus de ordine palatii, hg. v. Krause, V., 1894; Devisse, J., Hincmar, 1975f.; Hinkmar von Reims, De 312 ordine palatii, hg. v. Gross, T. u. a., 1980; Stratmann, M., Hinkmar von Reims, 1991; Die Streitschriften Hinkmars von Reims und Hinkmars von Laon 869-871, hg. v. Schieffer, R. 2003; Schmitz, G., De presbiteris criminosis, 2004 Hinrichtung ist die Vollstreckung eines Todesurteils. Sie erfolgt im altrömischen Recht durch Enthauptung mit dem Beil, im klassi- schen römischen Recht durch Enthauptung mit dem Schwert. Nach Tacitus hängen die Germanen Volksverräter auf und versenken Unzüchtige im Moor. Seit dem Hochmittelalter finden sich zahlreiche verschiedene -> Todesstrafen (Enthaupten, Hängen, Rädern, Verbrennen, Pfählen, Vierteilen, Lebendig- begraben, Ertränken). Lit.: Feucht, D., Grube und Pfahl, 1967; Ruoff, W., Die Hauptgrube, ZRG GA 86 (1969), 198; Marschall, D., De laqueo rupto, 1968; Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke (16.-19. Jahrhundert), 1992; Martschukat, J., Die öffentliche Hinrichtung, Kriminolog. Journal 1995, 186; Seeger, A., Hinrichtungen, 1998 Hinschius, Paul (Berlin 25. 12. 1835-13. 12. 1898), protestantischer Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Keller) und Berlin (Richter) Professor in Halle (1863), Berlin (1865), Kiel (1868) und Berlin (1872) und Kirchenpolitiker. Unvollendet ist sein sechsbändiges Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland (1869ff.). Poli- tische Bedeutung hat seine Mitwirkung am -> Kulturkampf (Personenstandsgesetz). Lit.: Stutz, U., Die kirchliche Rechtsgeschichte, 1905 Hinterlegung (lat. [F.] -> depositio) ist die im Rahmen eines Schuldverhältnisses erfolgende Übergabe einer hinterlegungsfähigen Sache durch den Schuldner an die öffentliche Hinterlegungsstelle. Sie ist dem klassischen römischen Recht bekannt und wird seit dem Spätmittelalter (Köln 1288) mit dem römischen Recht zu Lasten der bloßen Preisgabe aufgenommen, erfolgt allerdings meist bei Ge- richt. Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 215; Müller, P., Die Hinterlegung, Jh. Jb. 41 (1899), 411 Hintersasse ist der vom Grundherrn abhängige Mensch in der -> Grundherrschaft. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102 Hippolithus a Lapide (Bogislaw Philipp [von] Chemnitz) (Stettin 9. 5. 1605-Hallstaad 17. 5. 1678) veröffentlicht (zwischen 1640 und 1647 [um 1643?]) die (lat.) Dissertatio (F.) de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico (Erörterung über das Wesen des Staates in unserem römisch-deutschen Reich), in der er das Reich als Aristokratie der Stände erklärt. Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 203 Hirdskra ist die zwischen 1274 und 1277 entstandene, unter König -> Magnus Hakonar- son (1263-1281) aufgezeichnete norwegische Gefolgschaftsordnung, der eine vor 1200 entstandene, verlorene Vorgängerin vorausgeht. In 54 Kapiteln behandelt das vielleicht von einem Geistlichen verfasste Werk die Erbfolge und Wahl des Königs, die Eide der Amtsträger, die Hofämter, die Verteidigung, den Frieden usw. Lit.: Das norwegische Gefolgschaftsrecht, hg. v. Meißner, R., 1938 Hirtenrecht ist das für Hirten in Spätmittelalter und Neuzeit geltende besondere Recht. Lit.: Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Schöller, R., Der gemeine Hirte, 1973 His, Rudolf (Basel 1870-Münster 1938), Medizinprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Genf, Leipzig (Binding, Sohm), Berlin und Basel (Heusler) und der Habilitation in Heidelberg (1896, Schröder) Professor in Münster. Er verfasst in der Nachfolge der Systematik Heinrich Brunners eine grundlegende Strafrechtsgeschichte (Das - > Strafrecht des deutschen Mittelalters 1920, 1935, vereinfachend Die Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967). Lit.: Naendrup, H., Rudolf His, 1941 Historie (F.) Geschichte Historiker (M.) Geschichtsforscher Lit.: Historikerlexikon, hg. v. Bruch, R. vom/Müller, R., 2. A. 2002 Historikerstreit ist in Deutschland der von Jürgen Habermas 1985 ausgelöste, 1988 ohne greifbare wissenschaftliche Früchte versiegte Streit deutscher Historiker über die Bedeutung des Nationalsozialismus in Deutschland. Lit.: Kailitz, F., Die politische Deutungskultur im Spiegel des ,,Historikerstreits", 2001 Historische Rechtsschule ist die von Friedrich 313 Carl von -> Savigny begründete Schule der geschichtlichen Rechtswissenschaft. Für sie greift Savigny in einem objektiven, scheinbar gegen das ungeschichtliche -> Naturrecht (Vernunftrecht) gezielten Idealismus rechts- politisch die Freiheitsethik Immanuel -> Kants (1724-1804) auf und bezieht Gustav -> Hugos (1764-1844) methodische Forderungen nicht nur in seine frühen methodologischen Gedankengänge (1802) ein, sondern verwirklicht sie bereits im ,,Recht des Besitzes" (1803) in der Form der philosophischen (begrifflichen, allgemeinen, absoluten, sys- tematisch-theoretischen) Durchdringung des historischen (tatsächlichen, positiven, konkre- ten, exegetisch-praktisch behandelten) Stoffes, um in manchmal fast gewaltsamem Umgang mit den Quellen den Besitzwillen als allgemeines, logisches, konstituierendes Ele- ment des Besitzrechtes konstruktiv-sys- tematisch zu erarbeiten. In der historischen Rechtsschule sieht er das Recht an seine geschichtlichen Voraussetzungen gebunden und wendet sich gegen die Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt willkürlich selbst hervorbringe. Das Recht, das Vernunft und Ordnung in sich selbst birgt und damit auch aus sich selbst heraus ergänzungsfähig ist, ist ihm entsprechend den Vorstellungen -> Herders (1744-1803) ein aus dem Innersten der Nation selbst und ihrer Geschichte geborener Teilbereich der Gesamtkultur und muss mit dieser, gespeist von irrationalen Kräften, wachsen. Weil das Historische in der Juris- prudenz nicht mehr als zufällig, sondern als geschichtlich notwendig verstanden wird, hält er eine -> Kodifikation wie das -> Allgemeine Landrecht (1794), den -> Code civil (1804) oder das -> Allgemeine Bürgerliche Gesetz- buch 1811/1812 (zumindest in ihrem Entstehungszeitpunkt) für entbehrlich, wenn nicht gar schädlich. Allerdings dient die als geschichtlich behauptete Betrachtungsweise Savigny im Ergebnis nur dazu, den insgesamt vorhandenen Rechtsstoff von dem zu reinigen, was nur historische Bedeutung hat und deshalb für die Gegenwart ausgeschieden werden kann. Schon seit seinen Landshuter Vorlesungen der Jahre 1808/1809 vertritt Savigny, ohne dies zu begründen, dabei die Ansicht, dass die Wanderungen und Revolutionen der germa- nischen Stämme verhindert hätten, dass das ursprüngliche germanische Recht einen festen Bezugspunkt und einzigen Mittelpunkt habe, weshalb die Deutschen gar kein eigenes ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das übernommene römische Recht das eigentümliche Recht sei (!). Der nach der damit begründeten Zurückweisung des älteren deutschen Rechts germanischer Herkunft und nach Ausscheiden der mittelalterlichen und neuzeitlichen Entstellungen des römischen Rechts verbleibende Stoff, nämlich das klassisch-römische Recht, ist im eigentlich von einer historischen Rechtsschule nicht zu erwartenden Wiederaufgreifen naturrechtlicher Begriffsbildung und naturrechtlicher Sys- tematik für Savigny der Gegenstand konstruktiv-systematischer, die tatsächliche ge- schichtliche Entwicklung bewusst als überflüs- sig abstreifender Durchdringung (System des heutigen römischen Rechts, 1840ff.). Die h. R. teilt sich später in Romanisten (-> Savigny, -> Puchta, -> Windscheid) und Germanisten (-> Eichhorn, -> Grimm, -> Gierke). Ihre dogma- tisch-praktische Zielsetzung geht bald in der (unhistorischen) -> Begriffsjurisprudenz auf. Lit.: Köbler, DRG 187; Gierke, O. v., Die historische Rechtsschule und die Germanisten, 1903; Rexius, Studien zur Staatslehre der historischen Schule, HZ 107 (1911), 496; Kantorowicz, H., Volksgeist und historische Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295; Conrad, H., Aus der Entstehungszeit der historischen Rechtsschule ­ Friedrich Carl von Savigny und Jacob Grimm, ZRG GA 65 (1947), 261; Vischer, E., Barthold Georg Niebuhr und die Schweiz, Die Welt als Geschichte 16 (1956), 1; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Böckenförde, E., Die historische Rechtsschule und das Problem der Geschichtlichkeit des Rechtes, FS J. Ritter, 1965, 9; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Scheuermann, R., Die Einflüsse der historischen Rechtsschule, 1972; Conradi, R., Karl Friedrich Eichhorn als Staatsrechtslehrer, 1987; Klemann, B., Rudolf von Ihering und die historische Rechtsschule, 1989; Reimann, M., Historische Schule und Common Law, 1993; Bürge, A., Ausstrahlungen der historischen Rechtsschule in Frankreich, ZEuP 1997, 643 Historischer Materialismus ist die von Karl - > Marx als geschichtlicher Gesetzmäßigkeit unterliegend erklärte materialistische Ge- 314 schichtsphilosophie. historische Schule -> historische Rechtsschule Historismus ist (seit etwa 1850, verstärkt seit 1874 [Nietzsche]) die Betrachtung eines Geschehens unter dem Blickpunkt des Einmaligen und Besonderen, womit historische Vorgänge und Strukturen ihre Vergleichbarkeit und Wiederholbarkeit einbüßen. Lit.: Wittkau, A., Historismus, 1992; Jaeger, F./Rüsen, J., Geschichte des Historismus, 1992; Geschichtsdiskurs Bd. 3, hg. v. Küttler, W. u. a., 1996, Historismus, hg. v. Oexle, O. u. a., 1996; Historismus am Ende des 20. Jahrhunderts, hg. v. Scholtz, G., 1997; Conte, D., Storicismo e storia universale, 2000 Hitler, Adolf (Braunau 20. 4. 1889-Berlin 30. 4. 1945), (unehelicher) Sohn eines Zollamtsoberoffizials, wird nach Aufenthalten in Wien (1908) und München (1913) sowie freiwilliger Kriegsteilnahme mit trotz psy- chiatrischer Heilung von Erblindung weiter- wirkender posttraumatischer Belastungsstörung Vertrauensmann der Reichswehr und Mitglied der Deutschen Arbeiterpartei (Februar 1920 -> Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, Juli 1921 Vorsitzender). Nach einem gescheiterten Putsch (9. 11. 1923) inhaftiert, verfasst er in der Festung Landsberg die Programmschrift ,,Mein Kampf". Seit 1928/1929 gelingen ihm wachsende Wahl- erfolge. 1925 gibt er die Staatsbürgerschaft Österreichs auf und erwirbt im Februar 1932 die Staatsbürgerschaft des deutschen Reiches. Am 30. 1. 1933 ernennt ihn der Reichspräsident als Führer der stärksten Reichstagsfraktion zum Reichskanzler des -> Deutschen Reiches. Durch Überredung, Drohung und Gewalt wandelt H. die Republik in den totalitären Einparteienstaat eines diktatorischen Führers (- > Drittes Reich). Nach dem 2. 8. 1934 übernimmt er auch das Amt des verstorbenen Reichspräsidenten. Gestützt auf ein Bündnis mit Italien und Japan und einen tatktisch motivierten Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion greift er am 1. 9. 1939 Polen an (,,wird zurückgeschossen") und löst damit den zweiten Weltkrieg aus, an dessen Ende am 8. 5. 1945 die völlige Kapitulation des Deutschen Reiches steht. Das Recht gebraucht und missbraucht H. in vielfältiger Weise als Kampfinstrument zur Durchsetzung der Ideologie des -> Nationalsozialismus. Lit.: Köbler, DRG 222; Hitler, A., Mein Kampf, 17. A. 1933; Braun, O., Von Weimar zu Hitler, 3. A. 1949; Hofmann, H., Der Hitlerputsch, 1961; Domarus, M., Hitlers Reden und Proklamationen, 2. A. 1965; Hoff- mann, P., Widerstand-Staatsstreich-Attentat, 1969; Franz-Willing, G., Ursprung der Hitlerbewegung 1919- 1922, 2. A. 1974; Phillips, L., Adolf Hitler and the Third Reich, 1977; Broszat, M., Der Staat Hitlers, 13. A. 1992; Jäckel, E., Hitlers Herrschaft, 1986; Zitelmann, R., Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs, 2. A. 1998; Lang, J., Die Partei, 1989; Goldhagen, D., Hitlers willige Vollstrecker, 1996; Hamann, B., Hitlers Wien, 1996; Turner, H., Hitlers Weg zur Macht, 1996; Lukacs, J., Hitler, 1997; Pätzold, K./Weissbecker, M., Adolf Hitler, 1997; Der Hitler-Prozess, hg. v. Gruchmann, L., Bd. 1ff. 1997ff.; Large, D., Hitlers München, 1998; Kershaw, I., Hitler, Bd. 1ff. 1998ff.; Schmitz, H., Adolf Hitler, 1998; Mommsen, H., Alternative zu Hitler, 2000; NS- Verbrechen und der militärische Widerstand gegen Hitler, hg. v. Ueberschär, G., 2000; Kershaw, I., Hitler 1936-1945, 2000; Zehnpfennig, B., Hitlers ,,Mein Kampf", 2000; Krockow, C. Graf v., Hitler und seine Deutschen, 2001; Gellately, R., Backing Hitler, 2001; Gritschneder, O., Der Hitler-Prozess und sein Richter Georg Neithardt, 2001; Rauscher, W., Hitler und Mussolini, 2001; Zürner, B., Adolf Hitler ­ Feldherr wider Willen?, 2001; Fest, J., Der Untergang ­ Hitler und das Ende des Dritten Reiches, 2002; Der deutsche Widerstand gegen Hitler, hg. v. Überschär, G., 2002; Reuth, R., Hitler, 2003; Koch-Hillebrecht, M., Hitler, 2003; Horstmann, B., Hitler in Pasewalk, 2004; Schwarz, B., Hitlers Museum, 2004; Thonke, C., Hitlers langer Schatten, 2004; Rietzler, R., Mensch Adolf, 2004; Seligmann, R., Die Deutschen und ihr Führer, 2004; Aly, G., Hitlers Volksstaat, 2005; Frank, M., Der Tod im Führerbunker, 2005 Hobbes, Thomas (Westpool 5. 4. 1588- Hardwick Hall 4. 12. 1679) wird nach dem Philosophiestudium in Oxford Hauslehrer bei Baron Cavendish. In seinem Hauptwerk (lat.) Elementa (N.Pl.) philosophiae (Grundlagen der Philosophie) (Teil 3 [lat.] De cive [Vom Bürger], 1649, ähnlich Leviathan, 1651) erklärt er den Ursprung des Staates mit dem vom (bösen) Menschen zur Vermeidung des Kampfes aller gegen alle zugunsten des souveränen Herrschers geschlossenen -> Gesellschaftsvertrag, als dessen Folge auf Grund der Autorität des Herrschers die menschlichen Gesetze die Naturgesetze ab- lösen. 315 Lit.: Tönnies, F., Thomas Hobbes, 3. A. 1925; Schnur, R., Individualismus und Absolutismus, 1962; Mayer- Tasch, P., Thomas Hobbes und das Widerstandsrecht, 1965; MacPherson, C., Die politische Theorie des Besitzindividualismus, 1967; Dießelhorst, M., Ursprünge des modernen Systemdenkens bei Hobbes, 1968; Hobbes-Forschungen, hg. v. Koselleck, R. u. a., 1969; Förster, W., Thomas Hobbes und der Puritanismus, 1969; Schelsky, H., Thomas Hobbes, 1981, Willms, T., Thomas Hobbes, 1987; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Thomas Hobbes und die englische Revolution, 1991; Ludwig, B., Die Wiederentdeckung des epikureischen Naturrechts, 1998; Hüning, D., Freiheit und Herrschaft, 1998; Kremkus, A., Die Strafe, 1999; Bredekamp, H., Thomas Hobbes, 2003; Hirsch, A., Recht auf Gewwalt?, 2004 Hochadel -> Adel Hochgerichtsbarkeit ist seit dem Hochmittelalter die Gerichtsbarkeit über die mit der -> Todesstrafe bedrohten Verbrechen (- > Totschlag, -> Notzucht, -> Diebstahl). Sie steht (auf Grund königlicher Verleihung) grundsätzlich dem -> Landesherrn zu, der sie seit dem (lat.) -> Statutum (N.) in favorem principum (1231/2, Gesetz zugunsten der Fürsten) als eigenes Recht weiterverleihen kann. Demgegenüber wird die Niedergerichts- barkeit (-> Niedergericht) von niederen Gerichten ausgeübt. Lit.: Fabricius, E., Das Hochgericht Rhaunen, 1901; Rietschel, S., Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit, 1905; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht, 1929; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000 Hochmeister -> Deutscher Orden Lit.: Stengel, E., Hochmeister und Reich, ZRG GA 58 (1938), 178; Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994, hg. v. Arnold, U., 1998 Hochmittelalter ist der mittlere Zeitabschnitt des Mittelalters, der von etwa 911 (bzw. 1000) bzw. 1076 bis (etwa 1250 bzw.) 1254 bzw. 1273 angesetzt werden kann. Lit.: Köbler, DRG 93; Wegener, W., Böhmen, Mähren und das Reich im Hochmittelalter, 1959; Beiträge zum hochmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Goez, W., Gestalten des Hochmittelalters, 1983; Jakobs, H., Kirchenreform und Hochmittelalter, 2. A. 1988; Haas, W., Welt im Wandel, 2002; Haverkamp, A., Zwölftes Jahrhundert (1125-1198), 2003 Hochstift ist das weltliche Herrschaftsgebiet eines geistlichen Reichsfürsten (und bei unscharfem Sprachgebrauch auch das zuge- hörige Bistum) (z. B. Minden, Münster, Osnabrück, Würzburg, Bamberg, Hildesheim, Augsburg, Freising, Passau, Regensburg, Brixen usw.) vom Hochmittelalter bis zum Jahre 1803. Lit.: Werminghoff, A., Verfassungsgeschichte der deutschen Kirche im Mittelalter, 2. A. 1913, 72; Bachmann, S., Die Landstände des Hochstifts Bamberg, 1962; Wolgast, E., Hochstift und Reformation, 1995 Hochschule s. Universität Hochverrat ist seit dem frühen 18. Jh. (1703, möglicherweise kann auch bereits der Bauernaufstand von Untergrombach 1502 als früher Ansatzpunkt angesehen werden) ein neuer Ausdruck für das Majestätsverbrechen (lat. [N.] -> crimen laesae maiestatis), das im Hochmittelalter den älteren Treuebruch verdrängt. H. soll im Kampf gegen den Absolutismus die Taten erfassen, die den inneren Bestand des Staates angreifen (im Gegensatz zum -> Landesverrat und zum -> Majestätsverbrechen). Nach -> Feuerbach (1798) ist jeder Angriff auf den Staatsvertrag (bzw. die drei Staatsverträge) H. (z. B. Entziehung eines Gliedstaats, Angriff auf das Leben des Herrschers, Revolution), doch folgt dem die Rechtspraxis nicht. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch von 1871 bietet demgegenüber eine ausführliche Kasuistik. Lit.: Söllner § 10; Baltzer, C., Die geschichtlichen Grundlagen der privilegierten Behandlung politischer Straftäter, 1966; Reimann, M., Der Hochverratsprozess gegen Gustav Struve und Karl Blind. Der erste Schwurgerichtsfall in Baden, 1985; Staatsschutz, hg. v. Willoweit, D., 1994; Böttger, M., Der Hochverrat, 1998; Widerstand als Hochverrat, bearb. v. Zarusky, J. u. a., 1998; Hochverrat?, hg. v. Lill, R., 1999; Richter, I., Hochverratsprozesse als Herrschaftspraxis, 2001; Bundschuh, hg. v. Blickle, P. u. a., 2004 Hochzeit ist eine Bezeichnung für die Feier(lichkeiten) der -> Eheschließung (13. Jh.). Hierfür schafft der Landesherr seit dem 15. Jh. besondere Hochzeitsordnungen. Sie verbieten übermäßigen Luxus (-> Luxusverbot). Lit.: Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und Hochzeit, 1914; Neumann, G., Hochzeitsbrauchtum in Westfalen, Westfalen 33 (1955), 212; Goldmann, E., 316 Hochzeitsbräuche, Seelenreise, 1956; Leisching, P., Et teneat eam, Studia Gratiana 27 (1996), 311; Tisch und Bett, hg. v. Riis, T., 1998 Hof ist der zu einem Haus unmittelbar gehörige Platz, allgemeiner der landwirtschaftliche Betrieb oder der Lebensbereich eines Adligen. Der landwirtschaftliche H. ist überwiegend Teil der -> Grundherrschaft. Seit dem 19. Jh. wird für ihn teilweise ein besonderes -> Hofrecht geschaffen. Für den adeligen H. entstehen schon früh eigene Hofrechte, besondere Hofämter, später auch Hoftage, Hofgerichte, Hofräte und Hofordnungen. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 35f.; Kroeschell, DRG 1, 83, 112; Köbler, WAS; Maurer, G. v., Geschichte der Fronhöfe und der Hofverfassung in Deutschland, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Härle, P., Die zwölf Abteimaierhöfe des Stiftes Buchau, 1937; Hartmann, K., Haus Rhade op de Volme, 1938; Haff, K., Hofübergabe und Ältestenrecht, ZRG GA 62 (1942), 377; Elsener, F., Der Hof Benken, 1953; Ohe, J. v. d., Die Zentral- und Hofverwaltung des Fürstentums Lüneburg, 1955; Herold, E., Hofdienst und Hofschutz, Diss. jur. München 1956; Dölling, H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958; Kruedener, J. Frhr. v., Die Rolle des Hofes im Absolutismus, 1973; Hollegger, M., Maximilian und die Entwicklung der Zentralverwaltung am Hof, 1983; Bumke, J., Höfische Kultur, 1986; Moraw, P., Hoftag und Reichstag, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, 3; Alltag bei Hofe, hg. v. Paravicini, W., 1995; Haus und Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a., 1997; Plassmann, A., Die Struktur des Hofes, 1998; Hillen, C., Curia regis, 1999; Höfe und Höfeordnungen 1200-1600, hg. v. Kruse, H. u. a., 1999; Bahl, P., Der Hof des Großen Kurfürsten, 2000; Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar ­ Urkundenvergabe ­ Hof, 2002; Hofkultur und aufklärerische Reformen in Thüringen, hg. v. Ventzke, M., 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 2003; Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Paravicini, W., 2003; Hengerer, M., Kaiserhof und Adel, 2004; Weise, W., Der Hof der Kölner Erzbischöfe in der Zeit Kaiser Friedrich Barbarossas, 2004; Nolte, C., Familie, Hof und Herrschaft, 2004 Hofamt ist hauptsächlich das Amt der Verwaltung eines herrschaftlichen (fürstlichen, königlichen) -> Hofes. Bereits zum spätrömischen -> Kaiser gehört eine nahezu aus dem Nichts geschaffene umfangreiche Zentral- verwaltung in Rom mit zahlreichen hierarchisch geprägten Ämtern. Wohl im Anschluss hieran folgt auch dem frühmittelalterlichen -> König ein Hof mit hauptsächlich Seneschall bzw. Truchsess, Marschall, Schenk, Kämmerer und Kanzler als Trägern von Ämtern, die dem hohen Adel zugeteilt, später aber von Dienstleuten tatsächlich ausgeübt werden. Der königliche Hof bildet sich bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) immer vielseitiger aus und gibt das Vorbild für die Hofämter an den einzelnen Fürstenhöfen ab. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29; Kroeschell, DRG 1, 2; Baltl/Kocher; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Lübeck, K., Die Hofämter der Fuldaer Äbte im frühen Mittelalter, ZRG GA 65 (1947), 177; Bosl, K., Die Reichsministerialität der Salier und Staufer, Bd. 1f. 1950f.; Klafki, E., Die kurpfälzischen Erbhofämter, 1966; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989); Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in Sachsen, 1995 Höfeordnung ist das am 24. 4. 1947 für die -> britische Zone des Deutschen Reiches erlassene Gesetz, das für landwirtschaftliche Höfe teilweise besondere Rechtsregeln (Sonder- erbfolge) schafft und am 26. 7. 1976 abgeändert wird. Lit.: Kannewurf, T., Die Höfeordnung vom 24. April 1947, 2004 Hofer, Andreas (Sankt Leonhard 22. 11. 1767- Mantua 20. 2. 1810), Gastwirt und Tiroler Freiheitskämpfer gegen die Besetzung -> Tirols durch -> Bayern und -> Frankreich (1809), nach anfänglichen Erfolgen verraten und hingerichtet Höferecht ist das seit der Mitte des 19. Jh.s in Anknüpfung an das ältere -> Anerbenrecht gesetzlich geschaffene besondere Erbrecht für bestimmte landwirtschaftliche Höfe (preußische Provinz Hannover 1874 und 10 weitere deutsche Bundesstaaten [Reichsländer] bis 1930, Reicherbhofgesetz 1933, Höfeord- nung der britischen Besatzungszone 1947, Höfeordnung von Rheinland-Pfalz 1953). 1963 erklärt das deutsche Bundesverfassungsgericht den Vorzug von Männern vor Frauen im H. für verfassungswidrig. Für die nicht vom 317 besonderen H. erfassten Höfe gilt das Grundstückverkehrsgesetz. Lit.: Gersbach, A., Das Agrar- und Höferecht der Grafschaft Hauenstein, 1948; Bischof, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in Hannover, Diss. jur. Göttingen 1966; Dehne, F., Vom Hof zum Betrieb, 1966; Tykwer, F., Hofnachfolge in Westfalen-Lippe, 1997 Hoffahrt ist das Erscheinen am adligen Hof, insbesondere die Teilnahme am Hoftag. Die H. gründet sich im Laufe des Mittelalters mehr und mehr auf das Lehnsrecht. Vielfach wird sie von einer anfänglichen Pflicht zu einem Recht auf Teilnahme am Hoftag. Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972 Hofgericht ist einerseits das am grundherrschaftlichen Fronhof eingerichtete Gericht eines -> Grundherrn über seine Hinter- sassen und andererseits das am fürstlichen Hof gebildete Gericht des Herrschers, aus dem der Fürst selbst spätestens im 15./16. Jh. ausscheidet. Das königliche H. (Reichshof- gericht) kennt seit 1235 neben dem König einen besonderen Hofrichter, hat als Urteiler neben den Fürsten auch Juristen, überliefert etwa 2000 Urkunden, verliert aber durch die den Landesherren erteilten Nichtevokations- privilegien an Bedeutung (Achtregister 1290, 1346, 1353, Ladungsregister 1396, Hofge- richtsregister 1409). Das H. in Rottweil ist ein seit 1273 von den Königen vielfach bevorrechtigtes Landgericht, dessen Vorsitz ein Hofrichter als Stellvertreter des Königs innehat. Lit.: Köbler, DRG 114, 115; Franklin, O., Das Reichshofgericht im Mittelalter, Bd. 1f. 1867ff.; Kohler, J., Das Verfahren des Hofgerichts Rottweil, 1904; Böker, H., Hofgerichtsbarkeit und Hofgerichte im Vest Recklinghausen, Diss. jur. Bonn 1957; Grube, G., Die Verfassung des Rottweiler Hofgerichts, 1969; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970; Wohlgemuth, H., Das Urkundenwesen des deutschen Reichshofgerichts 1273-1378, 1973; Battenberg, F., Die Hofgerichtssiegel, 1979; Heitzenröder, W., Ein Prozess gegen Stift und Stadt Fulda, ZRG GA 100 (1983), 267; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44; Urkundenregesten der Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451, Bd. 1ff. 1987ff.; Frey, S., Das württembergische Hofgericht (1460-1618), 1989; Wernli, M., Das kaiserliche Hofge- richt in Zürich, 1991; Mentgen, G., Das kaiserliche Hofgericht Rottweil, ZRG GA 112 (1995), 396; Hofgericht, Bd. 8, hg. v. Diestelkamp B., bearb. v. Neumann, R., 1996 Hofgerichtsordnung ist die Ordnung der Verfassung und des Verfahrens eines -> Hofgerichts. Für das königliche Hofgericht gibt es einen Entwurf einer H. von 1409. Landesherrliche Hofgerichtsordnungen erschei- nen später (z. B. Pfalz 1462, verloren). Lit.: Otte, A., Die Mainzer Hofgerichtsordnung von 1516/1521, 1964; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung Kurfürst Philipps für die Pfalzgrafschaft bei Rhein, 1967 Hofkanzlei ist die Kanzlei des fürstlichen Hofes. Die österreichische H. wird an der Wende vom 16. zum 17. Jh. von der Reichskanzlei getrennt. Lit.: Köbler, DRG 150; Baltl/Kocher Hofkapelle Lit.: Görlitz, S., Beiträge zur Geschichte der königlichen Hofkapelle, 1936; Hausmann, F., Reichskanzlei und Hofkapelle unter Heinrich V. und Konrad III., 1956 Hofmark Lit.: Kellner, S., Die Hofmarken Jettenbach und Aschau in der frühen Neuzeit. Studien zur Beziehung zwischen Herrschaft und Untertanen in Altbayern am Beispiel eines adeligen Herrschaftsbereiches, 1986 Hofmeister ist seit dem Spätmittelalter (2. H. 13. Jh.) ein führender Verwaltungsbeamter des fürstlichen Hofes, der statt des Fürsten dem Hofrat vorsitzen kann. Lit.: Seeliger, G., Das deutsche Hofmeisteramt, 1885 Hofnarr ist der nach antiken und orientalischen Vorbildern vom Hochmittelalter bis ins 17. Jh. (Frankreich) oder 18. Jh. (Heiliges Römisches Reich [deutscher Nation]) als Unterhalter an Fürstenhöfen tätige Narr (oft Zwerg oder Krüppel). Lit.: Amelunxen, C., Rechtsgeschichte der Hofnarren, 1991 Hofpfalzgraf ist der Träger eines in Italien seit dem frühen Hochmittelalter entstandenen Amtes zur Vertretung des Kaisers in bestimmten Angelegenheiten (z. B. Legitima- tion unehelich Geborener, Bestätigung von Vormundschaften, Ernennung von Notaren, Verleihung von Adel). Seit der Mitte des 14. Jh.s nehmen die Zahl der Hofpfalzgrafen und der Umfang ihrer Rechte zu. Im 18. Jh. verfällt das mit dem 6. 8. 1806 ganz erloschene Amt zusehends. Lit.: Jecklin, F., Die Hofpfalzgrafen in der Schweiz, 1890; Dobler, E., Das kaiserliche Hofpfalzgrafenamt und 318 der Briefadel im alten Deutschen Reich, 1950; Hofpfalzgrafenregister, hg. v. Heroldsausschuss, 1953ff.; Hofpfalzgrafenregister, hg. v. Herold, bearb. v. Arndt, J., Bd. 1 1964 Hofrat ist das zunächst aus dem -> Adel gebildete, unscharf umgrenzte, ständige Beratergremium eines Fürsten. Unter Kaiser Friedrich III. (1452 ­ 1493) umfasst er 283 weltliche und 150 geistliche Berater, von denen 235 aus den Erblanden und 198 aus dem außererbländischen Binnenreich einschließlich Tirols stammen. Der H. wird seit dem Ende des 15. Jh.s zur zentralen kollegialen Behörde der Landesverwaltung. Zunehmend finden gelehrte -> Juristen Aufnahme. Statt des Fürsten sitzt ihm später der Kanzler oder -> Hofmeister vor. Vielfach verlegt sich das Schwergewicht der Tätigkeit auf die Rechtsprechung. Lit.: Köbler, DRG 113, 114; Erdmann, K., Der jülich- bergische Hofrat, Düsseldorfer Jb. 41 (1939), 1; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Heydenreuter, R., Der landesherrliche Hofrat unter Herzog und Kurfürst Maximilian I. von Bayern, 1981; Buhlmann, G., Der kurkölnische Hofrat, 1998; Recht und Verfasung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998 Hofrecht ist seit dem Hochmittelalter das besondere Recht eines grundherrschaftlichen Verbandes (Worms 1023/1025, Limburg 1035). Später geht das H. in das -> Dorfrecht über. Lit.: Köbler, DRG 101, 105; Lohmeyer, K., Das Hofrecht und Hofgericht des Hofes zu Loen, 1906; Arnold, H., Das Hofrecht und die Hofgerichte (Hobsgerichte) in Mülheim an der Ruhr, Diss. jur. Bonn 1955; Schulte-Beckhausen, K., Hofrecht und Hofgerichtsbarkeit in Gelsenkirchen, Diss. jur. Bonn 1958; Fricke, E., Das Recht und Gericht des Stilkinger Lehnsverbandes, Diss. jur. Bonn 1958; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970; Spieß, P., Das Limburger Hofrecht, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 468 Hoftag -> Hof Lit.: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 2003; Annas, C., Hoftag ­ gemeiner Tag ­ Reichstag, 2004 hohe Gerichtsbarkeit -> Hochgerichtsbarkeit Hoheitsgewalt ist die Befugnis des Staates, einseitig rechtlich verbindliche Anordnungen zu erlassen. Sie entsteht aus früher vereinzelten Hoheitsrechten des Landesherrn mit der seit dem Spätmittelalter einsetzenden Verdichtung. Seit dem 18. Jh. spricht man von Landeshoheit. Sie wird als ursprünglich und damit nicht vom Reich abgeleitet angesehen. Lit.: Köbler, DRG 149; Leitges, K., Die Entwicklung des Hoheitsbegriffes, 1998 Hohenberg Lit.: Quellen zur Verwaltungs- und Wirtschaftsge- schichte der Grafschaft Hohenberg, bearb. v. Müller, K., Bd. 1f. 1953ff. Hohenlohe Lit.: Ganzhorn, G., Die Entstehung und die Quellen des hohenlohischen Landrechtes aus dem Jahre 1738, Diss. jur. Tübingen 1955; Ulshöfer, F., Die hohenlohischen Hausverträge, Diss. jur. Tübingen 1960; Steinle, P., Die Vermögensverhältnisse der Landbevölkerung in Hohenlohe im 17. und 18. Jahrhundert, 1971; Weber, H., Die Fürsten von Hohenlohe im Vormärz, 1977; Magen, F., Reichsgräfliche Politik in Franken, 1975; Hohenlohische Dorfordnungen, bearb. v. Schumm, K. u. a., 1985 Hohenstaufen -> Staufer Hohenzollern ist die nach der Burg Zollern bzw. H. in Schwaben (seit 1350) benannte gräfliche Familie, deren Stammgut 1849 an den 1411/1415/1417 nach Brandenburg gelangten Zweig der zugehörigen Familie (-> Preußen) zurückfällt. Das Gebiet geht 1945/51 im Zuge der Aufteilung Preußens in Baden- Württemberg auf. Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk (1415-1915), 1915, Neudruck 1980; Eisele, K., Studien zur Geschichte der Grafschaft Zollern, 1956; Ulshöfer, W., Das Hausrecht der Grafen von Zollern, 1969; Kirchherr, R., Die Verfassung des Fürstentums Hohenzollern- Sigmaringen vom Jahre 1833, 1979; Sauer, P., Napoleons Adler über Württemberg, Baden und Hohenzollern, 1987; Herm, G., Der Aufstieg des Hauses Hohenzollern, 1995; Neugebauer, W., Die Hohenzollern, Bd. 1f. 1996ff. ; Die Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern, Bd. 1 bearb. v. Raberg, F., 2004 Höhere Gewalt ist die vom Menschen nicht abwendbare Gewalt. Diese befreit den Schuldner schon im römischen Recht in bestimmten Fällen vom -> Schadensersatz. In spätklassischer Zeit spricht man zusammenfassend von (lat.) -> vis (F.) maior. Diese wird im Hochmittelalter im Reich aufgenommen. Sie verbindet sich mit dem Begriff der -> echten Not, in der eine 319 Fristversäumnis (mit höherer Gewalt) entschul- digt wird. Lit.: Kaser § 36 III; Hübner 563, 583; Doll, A., Von der vis maior zur höheren Gewalt, 1989 Holdsworth, William Searle (Elmers End 7. 5. 1871-Oxford 2. 1. 1944), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Oxford und London 1897 Professor in Oxford. Mit seiner sechsbändigen History of English Law verfasst er ohne eigene Quellenstudien eine umfassende, die Grund- lagen einbeziehende Darstellung des englischen Rechts von den Anfängen bis zur Gegenwart. Lit.: Lawson, F., The Oxford Law School 1850-1965, 1968 Holland ist die seit dem 10. Jh. im Gebiet der Maasmündung bezeugte Grafschaft, die über Burgund (1433) und Habsburg (1477) 1579 in die Vereinigte Republik (1815 Königreich) der -> Niederlande gelangt. Durch Verordnung vom 13. 8. 1428 wird der Rat von Holland und Seeland als oberste Gerichtsbehörde und Verwaltungsbehörde eingesetzt und später vom Hof von Holland fortgesetzt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; De oudste Rechten der stad Dordrecht, hg. v. Fruin, J., 1882; Memorialen van het Hof (den Raad) van Holland, Zeeland en West- Friesland van den secretaris Jan Rosa, hg. v. Blécourt, A. u. a., 1929; Jansma, T., Raad en Rekenkamer in Holland en Zeeland, 1932; Uit de practijk van het hof van Holland, hg. v. Apeldoorn, L. van, 1938; Oorkondenboek van Holland en Zeeland tot 1299, Bd. 1f. hg. v. Koch, A. u. a., 1970ff.; Lingbeek-Schalekamp, C., Overheid en Muziek in Holland tot 1672, 1984; Das römisch- holländische Recht, hg. v. Feenstra, R. u. a., 1992; Price, L., Holland, 1994; Israel, J., The Dutch Republic, 1995; Moorman van Kappen, O., Zur holländischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1795, ZRG GA 122 (2005), 318 Holmgangr ist der altnordische Zweikampf, der bereits um 1000 in Island (1004?) und Norwegen (um 1012) abgeschafft wird. Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911 Holocaust -> Endlösung Lit.: Benz, W., Der Holocaust, 5. A. 2003; Finkelstein, N., The Holocaust Industry, 2000; Benz, W., Lexikon des Holocaust, 2002; Die Täter der Shoa, hg. v. Paul, G., 2002; Berg, N., Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, 2003; Tent, J., In the Shadow of the Holocaust, 2003; Mayer, E., Verfälschte Vergangenheit, 2003; Browning, C., Die Entfesselung der Endlösung, 2003; Freyhofer, H., The Nuremberg Medical Trial, 2004 Holschuld ist die Schuld, bei welcher der Handlungsort des Schuldners der Ort des Wohnsitzes des Schuldners ist. Im älteren Recht ist die Schuld grundsätzlich H. Im Mittelalter werden viele Schulden zu Bring- schulden. Nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) ist die Schuld im Zweifel Bringschuld, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) H. Lit.: Hübner 556; Baltl/Kocher; Leonhard, F., Erfüllungsort und Schuldort, 1907 Holstein ist der um 800 erscheinende Name des nördlichen Stammesgebietes der Sachsen (,,Holzsassen"). 1110/1111 werden die von Schauenburg Grafen von H. Seit 1375/1386 sind H. und -> Schleswig in fester staatsrechtlicher Verbindung. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das älteste Urteilsbuch des holsteinischen Vierstädtegerichts 1497- 1574, hg. v. Gundlach, F., 1925; Kuhn, H., Zur Geschichte der Volksgerichte in Holstein, 1926 Holzding oder Holzgericht ist im Mittelalter in Norddeutschland das besondere Niedergericht in Waldnutzungsangelegenheiten. Es schwindet seit der frühen Neuzeit unter landesherrlichem Einfluss und geht spätestens 1877/1879 gänzlich unter. Lit.: Timm, A., Die Waldnutzung, 1960 Homagium (lat. [N.]) ist im Mittelalter die förmliche Ergebung des Lehnsmannes in die Gewalt des Lehnsherrn (Handgang). Das h. geht im Spätmittelalter im Lehnseid auf. Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 27; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1970, 259 homagium (N.) pacis (mlat.) -> Huldigung (des Lehnsmannes) Homeyer, Carl Gustav (Wolgast 13. 8. 1795- Berlin 20. 10. 1874) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny, Eichhorn), Göttingen (Hugo) und Heidelberg (Thibaut) 1824 außerordentlicher Professor und 1827 ordentlicher Professor in Berlin. Seit 1827 veröffentlicht H. kritisch mittelalterliche Rechtsbücher und stellt die Handschriften über- sichtlich zusammen (Des Sachsenspiegels erster Theil, oder das Sächsische Landrecht, 1827, 2. A. 1835, 3. A. 1861, Des Sachsenspiegels zweiter Theil, Bd. 1 1842, Bd. 2 1844, Die deutschen Rechtsbücher des 320 Mittelalters, 1836). Lit.: Verzeichnis deutscher Rechtsbücher des Mittelalters und ihrer Handschriften (1836), 1856; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., Bd. 2 1931, 433; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1ff. 1990ff., Hommel, Karl Ferdinand (Leipzig 6. 1. 1722- 16. 5. 1781), Rechtsprofessorensohn, wird 1756 Professor in Leipzig und wirkt, beeinflusst von -> Thomasius und -> Beccaria, auf der Grund- lage des Determinismus zugunsten der -> Auf- klärung im Strafrecht (,,Joch, A. v.", Von Verbrechen und Strafe nach türkischen Gesetzen, 1770, Neudruck 1970). Lit.: Rosenbauer, A., Carl Ferdinand Hommel, Diss. jur. Berlin 1907; Zahn, K. v., Karl Ferdinand Hommel als Strafrechtsphilosoph und Strafrechtslehrer, 1911; Hommel, K., Über Belohnung und Strafe nach türkischen Gesetzen, 2. A. 1772, Neudruck, hg. v. Holzhauer, H. 1970; Polley, R., Die Lehre vom gerechten Strafmaß, 1972; Hommel, Karl Ferdinand, Principis cura leges, übers. v. Polley, R., 1975 homo (lat. [M.]) Mensch, Sklave homo (M.) ecclesiae (lat.) (unfreier) Mann der Kirche Homo (M.) ligius (lat.), Ledigmann, ist im mittelalterlichen Recht (seit dem 10. Jh.?) der eng an den Lehnsherrn gebundene Lehnsmann. Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 434; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983 Homosexualität ist die geschlechtliche Beziehung zu einem Menschen gleichen Geschlechts, insbesondere zwischen Männern. Sie ist dem griechischen Altertum vertraut. Das Judentum, die Römer und das Christentum lehnen die H. ab. Der Codex Theodosianus (Konstitution von 390) bedroht H. mit der Verbrennung. Nach Tacitus wird bei den Germanen der Unzüchtige im Moor versenkt. Das Mittelalter sieht die H. als Sünde. Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) bedroht H. unter beiden Geschlechtern in Überein- stimmung mit dem gemeinen Recht mit dem Feuertod. Dagegen stellt der Code civil (1804) nur bestimmte Gestaltungen unter Strafe. In manchen deutschen Ländern ist H. unter Männern nicht strafbar, bis sie § 175 StGB mit einer Strafandrohung versieht. Durch Gesetz vom 31. 5. 1994 wird diese Vorschrift auf Grund liberaler Überlegungen aufgehoben. Lit.: Köbler, DRG 264; Kuster, H., Over Homoseksualiteit, Diss. Utrecht 1977; Sexual Practices, hg. v. Bullough, V. u. a., 1982; Boowell, J., Christianity, Social Tolerance and Homosexuality, 1980; Stümke, H., Homosexuelle in Deutschland, 1989; Jellonek, B., Homosexuelle unterm Hakenkreuz, 1990; Hundert Jahre schwul, hg. v. Kraushaar, E., 1997; Sommer, K., Die Strafbarkeit der Homosexualität, 1998; Hergemöller, B., Mann für Mann, 1998; Lutterbach, H., Gleichgeschlechtliches sexuelles Verhalten, HZ 267 (1998), 282; Hergemöller, B., Einführung in die Historiographie der Homosexualität, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999; Bastian, T., Homosexuelle im Dritten Reich, 2000; National- sozialistischer Terror gegen Homosexuelle, hg. v. Jellonek, B. u. a., 2002; Müller, J., Ausgrenzung der Homosexuellen aus der Volksgemeinschaft, 2003 honorarium (lat. [N.]) Ehrengabe als (freiwilliges) Entgelt für höhere Dienste im römischen Recht Höpfner, Ludwig Julius Friedrich (Gießen 3. 11. 1743-29. 12. 1797) wird nach dem Rechtsstudium in Gießen Erzieher und 1767 Professor der Rechte in Kassel, 1771 ordentlicher Professor in Gießen. In seiner Zeit gilt er als der bedeutendste Zivilist. Seine Hauptwerke sind das Naturrecht des einzelnen Menschen, der Gesellschaften und Völker und der Theoretisch-practische Kommentar über die Heineccischen Institutionen. Unter dem Einfluss des Naturrechts entwickelt H. die Be- griffe der Verbindlichkeit, der Willens- erklärung und des Eigentums, ohne dem Naturrecht den Rang einer das geltende Recht verdrängenden Rechtsquelle einzuräumen. Lit.: Söllner, A., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, FS W. Mallmann 1978, 281; Plohmann, M., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, 1992 Horborch, Wilhelm (Hamburg 1320-81), Ratsherrnsohn, wird nach dem Studium des kirchlichen Rechts in Avignon (1362) und Bologna (1367) Professor in Prag (1372). Als Richter an der (lat.) -> Rota (F.) Romana veröffentlicht er (1376-1381) eine Sammlung von Entscheidungen. Lit.: Pfaff, I., Zur Geschichte des Kanonisten Wilhelm Horborch, ZRG KA 13 (1924), 513; Dolezalek, G., Die handschriftliche Verbreitung von Rechtsprechungs- sammlungen der Rota, ZRG KA 58 (1972) Hörensagen ist das Hören der Erzählung eines anderen. Im Hochmittelalter stellt das 321 kirchliche Recht den Grundsatz des Verbotes des Aussagezeugnisses vom bloßen H. auf. Er wird seit dem Spätmittelalter in Deutschland aufgenommen und behauptet sich bis zur Einführung der Zivilprozessordnung 1877/- 1879. Lit.: Zimmermann, E., Der Glaubenseid, 1863; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960, 59 Höriger ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht der grund- herrschaftlich abhängige, dem -> Grundherrn in gewisser Weise gehörige Mensch. Der Ausdruck erscheint seit dem 14. Jh. in Norddeutschland. Seit dem späten 18. Jh. wird er wissenschaftlich verallgemeinert. -> Hinter- sasse Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kindlinger, N., Geschichte der deutschen Hörigkeit, 1819; Perrin, C., Le servage, 1955; Bloch, M., Slavery and Serfdom, 1975; Banzhaf, M., Unterschichten in bayerischen Rechtsquellen des 8. bis 11. Jahrhunderts, 1991 Horten, Johann Peter -> Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Hospital -> Spital Hostiensis (Heinrich von Segusia) (Susa vor 1200-Lyon 1270) wird nach dem Rechts- studium in Bologna (Jacobus Balduini) seit 1236/1239 Lehrer des kirchlichen Rechts in Paris und nach einem Englandaufenthalt 1244 Bischof von Sisteron, 1250 Erzbischof von Embrun sowie 1262 Kardinalerzbischof von Ostia. Seit 1239 erarbeitet er die bedeutsamste Titelsumme zum (lat.) -> Liber (M.) extra (Summa super titulos decretalium, Summe über die Titel der Dekretalen, 2. A. um 1253 Summa aurea, Goldene Summe). 1270/1271 gibt er einen Kommentar zum Liber extra zur Veröffentlichung frei ([lat.] Commentum [N.] super decretalibus, Kommentar über die Dekretalen). Infolge der weiten Verbreitung seiner Werke beeinflusst H. die Aufnahme der gelehrten Rechte in vielen Teilen Europas. Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962, 16; Rivera Damas, A., Pensamiento politico di Hostiensis, 1964 Hotman (Hotomannus), François (Franciscus) (1524-1590) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans Anwalt in Paris, Lateinlehrer in Genf und 1556 Rechtsprofessor in Straßburg, 1563 in Valence, 1566 in Bourges, 1572-1578 in Genf. Verschiedenen humanistisch-textkritischen Ar- beiten folgt der 1603 posthum erschienene Antitribonianus, in welchem H. die Anwend- barkeit des römischen (lat.) -> corpus (N.) iuris civilis verneint und eigenständige Gesetzbücher vorschlägt. Lit.: Vogel, W., Franz Hotman, 1960; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Kelley, D., François Hotman, 1973 House of Commons (Unterhaus) ist im -> englischen Recht die im 13. Jh. (unter der Wirkung Simon de Montforts 1265/1297) zur Versammlung der großen Lehnsleute des Königs (-> House of Lords) hinzutretende Versammlung von (74, um 1600 92) Rittern und (um 1600 417) Vertretern von Städten (Bürgern) (und der vier Universitäten). Sie entwickelt sich aus bescheidenen Anfängen in Jahrhunderten zum entscheidenden politischen Organ -> Englands. Lit.: The English Parliament, hg. v. Davies, R. u. a., 1981; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 House of Lords (Oberhaus) ist im -> englischen Recht die im Laufe des 13. Jh.s aus dem Königshof hervorgegangene Versamm- lung der großen Lehnsleute des Königs, zu der 1265/97 das -> House of Commons hinzutritt. Es umfasst (1998) 635 Angehörige des Erbadels, 26 anglikanische Bischöfe und 505 auf Lebenszeit ernannte Lords oder Ladies, seit 1999 92 ausgewählte Mitglieder des Erbadels, die wenigen Lordrichter, zwei Erzbischöfe, 24 Bischöfe und im Übrigen auf Lebenszeit ernannte Lords und Ladies. Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 Hoyer von Falkenstein, Graf, ist der Herr -> Eike von Repgows, der die Übersetzung des -> Sachsenspiegels (1221-1224) aus dem Lateinischen in das Mittelniederdeutsche bewirkt haben soll. Hube, Romuald von (1803-1890) wird nach dem Rechtsstudium in Warschau (1818-1821) und Berlin Professor in Warschau (1829-1832) und Petersburg (1841-1845) sowie Verfasser des Strafgesetzbuchs Russlands (1845) und Polens (1847). Lit.: Vetulani, A., Dzieje historii prawa w Polsce, 1948 Huber, Ernst Rudolf (1903-1990) wird nach dem Rechtsstudium in Bonn (Carl-> Schmitt) 322 Professor in Kiel (1933), Leipzig (1937), Straßburg (1941-1944), 1957 Hochschule Wilhelmshaven und Göttingen (1962-1968). Sein Verfassungsrecht des großdeutschen Reiches (1937/1939) will den Führerstaat in rechtliche Form bringen, seine spätere achtbändige deutsche -> Verfassungsgeschichte seit 1789 (1957ff.) die Geschichte des Staates als der maßgeblichen Ordnungseinheit darlegen. Lit.: Simon, W. v., Ernst Rudolf Huber, NJW 1991, 893; Walkenhaus, R., Konservatives Staatsdenken, 1997; Jürgens, M., Staat und Reich bei Ernst Rudolf Huber, 2005 Huber, Eugen (Stammheim 13. 7. 1849-Bern 23. 4. 1923) wird nach dem Rechtsstudium in Zürich Redakteur, Richter und 1881 außer- ordentlicher Professor in Basel, 1882 ordentlicher Professor in Basel, Halle (1888) und Bern (1892). Von 1884 an vergleicht er das kantonale Schweizer Privatrecht (System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 1886ff.), von 1892 an erarbeitet er das schweizerische Zivilgesetzbuch (1907). Lit.: Köbler, DRG 182; Stutz, U., Eugen Huber, ZRG GA 44 (1924), XI; Wartenweiler, F., Eugen Huber, 1932; Mana, D., Eugen Huber, 1990 Huber, Ulrik (Ulrich) (Dokkum 1636-Franeker 1694) wird nach dem Artesstudium und dem Rechtsstudium in Franeker, Utrecht, Marburg und Heidelberg Professor der Beredsamkeit in Franeker (1657), danach Professor der Institutionen (1665). Am erfolgreichsten sind seine (lat.) Praelectiones (F.Pl.) (Vorlesungen) zu Institutionen (1678) und Digesten (1689), bedeutsam auch seine niederländisch geschrie- bene Darstellung des friesischen Rechts (Hoedendaegse Rechtsgeleertheyt, soo elders als in Frieslandt gebruikelijk, 1686). Lit.: Veen, T., Recht en nut, Diss. jur. Groningen 1974 Hübner, Rudolf (Berlin 19. 9. 1864-Jena 7. 8. 1945), Professorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Straßburg (Laband) und Berlin (Brunner, Beseler) 1895 außerordentlicher Professor in Bonn, 1904 ordentlicher Professor in Rostock, 1913 in Gießen, 1918 in Halle und 1921 in Jena. Nach frühen Arbeiten über die (lat.) donationes (F.Pl.) post obitum (1888, Gaben nach dem Tod) und den Immobiliarprozess der fränkischen Zeit (1893), denen eine Sammlung der Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit (1893) zur Seite steht, verfasst H. im Rahmen des Pandektenschemas eine bis an die Gegenwart herangeführte Dogmengeschichte der Institutionen des deutschen Privatrechts (Grundzüge des deutschen Privatrechts, 5. A. 1930). Lit.: Schultze-von Lasaulx, H., Rudolf Hübner, ZRG GA 66 (1948), IX Hude Lit.: Lappe, J., Die Bauerschaften und Huden der Stadt Salzkotten, 1912 Hufe ist vor allem im Frühmittelalter ein Landmaß unterschiedlicher Größe. Die H. erscheint im 8. Jh. am Rhein und in Thüringen. Sie umfasst anfangs im Durchschnitt etwa 30 Morgen, kann aber vielfach geteilt werden. Später wird sie zur steuerlichen Berechnungs- einheit (z. B. Preußen 1715). Lit.: Köbler, WAS; Rhamm, K., Die Großhufen der Nordgermanen, 1905; Reichel, J., Die Hufenverfassung zur Zeit der Karolinger, 1907; Ganahl, K., Hufe und Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208; Weidinger, U., Untersuchungen zur Wirtschaftsstruktur des Klosters Fulda, 1990 Hugenotten (entsteht aus ,,Eidgenossen") ist die Bezeichnung für die mit dem Eindringen des Calvinismus (-> Calvin) aus der Schweiz nach Frankreich in der Mitte des 16. Jh.s entstehenden französischen Protestanten. Die H. werden nachdrücklich verfolgt (u. a. Bartholomäusnacht), erhalten aber im Edikt von Nantes (13. 4. 1598) das Recht der freien Religionsausübung. Erst die Französische Revolution von 1789 sichert ihre Rechte endgültig. Lit.: Schreiber, H., Auf den Spuren der Hugenotten, 1983; Brandenburg, I./ Brandenburg, K., Hugenotten, 1990 Hugo, Gustav (Lörrach 23. 11. 1764-Göttingen 15. 9. 1844), Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (-> Pütter) und -> Halle 1788 außerordentlicher Professor und 1792 ordentlicher Professor in Göttingen. Sein Hauptwerk ist das siebenbändige Lehrbuch eines civilistischen Cursus (vor allem Enzyklopädie, Naturrecht, Geschichte des römischen Rechts, heutiges römisches Recht), in dem er in der Nachfolge Pütters versucht, streng zwischen historischer, dogmatischer und philosophischer Behandlung des römischen 323 Rechts zu unterscheiden, bei der römischen Rechtsgeschichte die Geschichte des Systems mit der Geschichte der Quellen zu verbinden und das neuzeitliche römische Recht auf der Grundlage des geschichtlichen römischen Rechts zu erläutern. Mit dieser sowohl gegen eine rein antiquarische Rechtsbehandlung wie gegen eine unkritische, nur an der Praxis ausgerichtete Rechtswissenschaft sich wenden- den ersten geschlossenen systematischen Dar- stellung der gesamten römischrechtlichen Rechtswissenschaft (Jurisprudenz des römischen Rechts als eine geschlossene geschichtliche Wissenschaft im Sinne des modernen Wissenschsaftsbegriffs) wird er zum Begründer der Rechtswissenschaft des 19. Jh.s und zum Vorläufer der -> historischen Rechtsschule. Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 187, 206; Weber, H., Gustav Hugo, 1935; Eichengrün, F., Die Rechtsphilosophie Gustav Hugos, 1935; Buschmann, A., Ursprung und Grundlagen der geschichtlichen Rechtswissenschaft, Diss. jur. Münster 1963; Ebel, W., Gustav Hugo, 1964; Behrends, O., Gustav Hugo, in: Gibbon, E., Historische Übersicht des römischen Rechts, 1996; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Gustav Hugo, hg. v. Bialas, S., 2004 Huguccio de Pisa (Pisa? um 1140-Ferrara 30. 4. 1210) wird nach dem Studium von Kirchenrecht und Theologie in Bologna Rechtslehrer (um 1180) und Bischof von Ferrara (1190). Sein Hauptwerk ist die zwischen 1188 und 1190 verfasste ungedruckte (lat.) Summa (F.) super decretum (Summe über das Dekret), die das -> Decretum Gratians am ausführlichsten erläutert. Lit.: Köbler, DRG 107; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983; Müller, W., Huguccio, 1994 huissier (franz. [M.]) Türsteher, Gerichtsvoll- zieher Hulde, Huld, ist die Gunst oder das Wohlwollen eines Menschen, insbesondere im Lehnswesen. Im Mittelalter huldigt der Mann dem Herrn. Der Herr kann dem Mann die H. entziehen. Im römischen Recht entspricht dem die (lat. [F.]) indignatio des Herrschers. Lit.: Köstler, R., Huldentzug, 1910, Neudruck 1965; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 113; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1977 Huldigung ist das Versprechen des Wohlwollens, der Treue oder der Ehrerbietung. Bereits im Frühmittelalter sollen die Franken dem Grafen oder dem König Treue schwören. 786 und 802 verlangt Karl der Große eine allgemeine Eidesleistung. An die Stelle dieses allgemeinen Untertaneneides tritt später der Eid der Lehnsmannen, seit dem Hochmittelalter auch der Huldigungseid der Reichsun- mittelbaren gegenüber dem König einerseits und ein Erbhuldigungseid der Landesbewohner bzw. der Stände gegenüber dem Landesherrn (in Niederösterreich bis 1835) andererseits. Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt in Frankreich und England, 1952; Müller, H., Formen und Rechtsgehalt der Huldigung, Diss. jur. Mainz 1954; Holenstein, A., Die Huldigung, 1991; Die Kultur des Humanismus, hg. v. Mout, N., 1998 Humanismus (1808) ist allgemein das Bemühen um eine der Menschenwürde entsprechende Gestaltung der Gesellschaft, insbesondere die geistige Bewegung des 14. bis 16. Jh.s, die das Vorbild der Gesellschafts- gestaltung in den klassischen römischen Schriften sieht. Der H. wird zuerst in Italien (Dante, Petrarca, 14. Jh.), im 15. Jh. in Frankreich, Spanien und England und schließlich auch im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) wirksam (Erasmus von Rotterdam u. a., politische Auswirkungen auf Köln, Kleve-Mark und Jülich-Berg-Ravens- berg). Für die Rechtswissenschaft bedeutet der H. den Übergang vom sog. (lat. [M.]) mos Italicus zum (lat. [M.]) -> mos Gallicus. Im Kirchenrecht bleiben die Einflüsse des H. sporadisch. Lit.: Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 135; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1063; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, Z. f. d. ges. Staatswiss. 100 (1940), 423; Schaffstein, F., Die europäische Strafrechtswissenschaft im Zeitalter des Humanismus, 1954; Kisch, G., Forschungen zur Geschichte des Humanismus in Basel, Archiv für Kulturgeschichte 40, 2 (1958), 194; Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, 1960; Kisch, G., Claudius Cantiuncula, 1970; Troje, H., Graeca leguntur, 1971; Hübner, H., Jurisprudenz als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974; Humanismus und Naturrecht in Berlin- 324 Brandenburg-Preußen, hg. v. Thieme, H., 1979; Troje, H., Die europäische Rechtsliteratur unter dem Einfluss des Humanismus, Ius commune 3 (1980), 33; Humanismus im Bildungswesen, hg. v. Reinhard, W., 1984; Buck, A., Humanismus, 1988; Geschichte der Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Die Kultur des Humanismus, hg. v. Mout, N., 1998; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechts in der frühen Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7; Hartmann, M., Humanismus und Quellenkritik ­ Matthias Flacius Illyricus, 2001; Augustijn, C., Humanismus, 2003; Kloosterhis, E., Erasmusjünger als politische Reformer, 2004; Humanisten am Oberrhein, hg. v. Lembke, S., 2004 Humboldt, Wilhelm von (Potsdam 22. 6. 1767-Tegel 8. 4. 1835) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft und der Altertums- wissenschaft in Frankfurt an der Oder und Göttingen und längeren privaten Studien Leiter des Unterrichtswesens in Preußen, als der er das Bildungswesen aus dem Geist des idealistischen -> Humanismus erneuert (Ele- mentarschule, Gymnasium, Universität). Zur Verwirklichung der wichtigsten Ziele wird 1810 die Universität -> Berlin (-> Savigny) gegründet, an der Einheit von Forschung und Lehre und Entfaltung von Wissenschaft in Einsamkeit und Freiheit stattfinden sollen. Lit.: Schaffstein, F., Wilhelm von Humboldt, 1952; Hübner, U., Wilhelm von Humboldt und die Bildungspolitik, 1983; Sauter, C., Wilhelm von Humboldt und die deutsche Aufklärung, 1989; Fröling, S./Reuss, A., Die Humboldts, 1999; Humboldt International, hg. v. Schwinges, R., 2001; Schalenberg, M., Humboldt auf Reisen?, 2002; Spitta, D., Die Staatsidee Wilhelm von Humboldts, 2004 Hume, David (Edinburgh 7. 5. 1711-25. 8. 1776) (aus niederem Adel) wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Philosophie und Literatur (in Edinburgh) Privatgelehrter (A Treatise on Human Nature 1739), Diplomat, Historiker und Philosoph. Nach ihm wirkt der Mensch auf der Grundlage von allgemein anerkannten Regeln (Eigentum, Vertragstreue) zusammen, weil der einzelne Mensch wegen der knappen Güter allein nicht lebensfähig ist. Staatszweck ist der Schutz der Interessen der Bürger. Der Staat, der Eigentum und Freiheit sichert, ist der verhältnismäßig beste. H. beeinflusst Smith, Kant, Bentham und Mill mit seinen Vorstellungen unmittelbar. Lit.: Jäger, W., Politische Partei und parlamentarische Opposition, 1971; Kulenkampff, J., David Hume, 2. A. 2003; Streminger, G., David Hume, 1994; Vernunft und Leidenschaft, hg. v. Doering, D., 2003 Hundertschaft (lat. [F.] centuria) ist im altrömischen Recht die militärische Einheit, die von den 10 Kurien einer Tribus zu stellen ist. Ob sie auch eine germanische Verwaltungs- einheit darstellt, erscheint fraglich. Im Mittelalter wird an verschiedenen Stellen ein (ahd.) huntari oder eine hundred erwähnt (Mittelrhein, Niederrhein, Hessen, Franken, obere Donau, Friesland, Schweden, England), deren Herkunft und Zusammenhang nicht zweifelsfrei erwiesen sind. In der Gegenwart wird H. für eine Verwaltungseinheit der Polizei (Bereitschaftspolizei, Bundesgrenzpolizei) ge- nannt. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 3 III; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 69; Schwerin, C. v., Die altgermanische Hundertschaft, 1907; Rietschel, S., Untersuchungen zur Geschichte der germanischen Hundertschaft, ZRG GA 28 (1907), 342; Schwerin, C. Frhr. v., Zur Hundertschaftsfrage, ZRG GA 29 (1908), 261; Rietschel, S., Zur Hundertschaftsfrage, ZRG GA 30 (1909), 193; Mayer, E., Hundertschaft und Zehntschaft nach niederdeutschen Rechten, 1916; Mayer, E., Die Hundertschaft, insbesondere nach ostniederländischem Recht, ZRG GA 46 (1926), 290; Leiß, L., Der Hundertschaftsrichter in bayerischen Ortsnamen, ZRG GA 53 (1933), 277; Andersson, T., Die schwedischen Bezirksbezeichnungen hund und hundare, Frühmittelalterliche Studien 13 (1979), 88; Wirth, G., A Hila, 1998 Hure Lit.: Von Huren und Rabenmüttern, hg. v. Ulbricht, O., 1995 Hus, Johannes (um 1370-6. Juli 1415), Magister, in Konstanz als Ketzer verbrannt, im 19. Jh. Symbolfigur des tschechischen Nationalismus Lit.: Smahel, F., Husitská revoluce, 2. A. 1995f.; Jan Hus, hg. v. Seibt, F., 1997; Hilsch, P., Johannes Hus (um 1370-1415). Prediger Gottes und Ketzer, 1999; Jan Hus, hg. v. Drda, M. u. a., 1999; Smahel, F., Die hussitische Revolution, 2002 Hut (M.) ist im älteren Recht ein Rechtssymbol (z. B. Hut des Landvogtes Gessler bei Wilhelm Tell). Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943, 36; Hadwich, R., Die rechtssymbolische Bedeutung von Hut 325 und Krone, 1952 Hygiene Lit.: Hygiene in preußischen Schulvorschriften, hg. v. Apel, H. u. a., 1986 Hypothek ist die Belastung eines Grundstücks oder eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück in der Weise, dass an den (Hypo- thekengläubiger), zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt bzw. besteht, eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist. Im römischen Recht ist bereits in der klassischen Zeit (-> Iulianus) unter dem Einfluss östlicher Provinzialpraxis (lat. [F.]) hypotheca ein Name für das besitzlose, beim Schuldner verbleibende -> Pfand (z. B. Inventarstücke eines Gutes), von dem die griechische hypothéke (Unterlage) als ein Verhältnis reiner Sachhaftung zu unterscheiden ist. Dieses Pfandrecht kann an einzelnen Sachen oder Forderungen oder am ganzen Vermögen (Generalhypothek) bestellt werden. Mehrfache Verpfändung ist möglich, wobei der Prioritätsgrundsatz durchbrochen werden kann. Im Gegensatz zum römischen Recht entwickelt sich im deutschen Recht ein besonderes Grundpfand im Unterschied zum allgemeinen Pfand. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter bleibt an vielen Orten das bisherige Grundpfandrecht bestehen. An anderen wird das geltende Recht römisch- rechtlich abgeändert und eine Generalhypothek am gesamten Vermögen anerkannt. Verschie- dentlich wird dem öffentlichen Pfand der Vorrang vor formlosen Pfandrechten gewährt. Seit dem ausgehenden 17. Jh. werden zur Sicherung des Kreditverkehrs Hypotheken- bücher eingeführt, welche die Öffentlichkeit gewährleisten und die stillschweigende H. ebenso ausschließen wie die Generalhypothek. Im 19. Jh. wird das -> Hypothekenbuch zum -> Grundbuch erweitert (Preußen 1872, Österreich 1871). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die H. nur eines von insgesamt drei Grundpfandrechten. Lit.: Kaser § 31 III; Hübner; Köbler, DRG 163, 213, 240; Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Cohen, A., Die Verschuldung des bäuerlichen Grundbesitzes in Bayern, 1906; Herman, A., Het karakter van ons hypotheekrecht, 1914; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936; Pos, A. van der, Hypotheek op roerend grond, 1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Marzi, L., Das Recht der Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002 Hypothekenbuch ist das seit dem ausgehenden 17. Jh. eingerichtete Buch zur Sicherung des Grundpfandverkehrs (Berlin 1693, Preußen 1722, Hypothekenordnung 1783). -> Hypothek Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 163; Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914 Hypothekenordnung (Preußen 1722, 1783, Bayern 1822, Württemberg 1825, Sachsen 1843) Lit.: Köbler, DRG 141; Bornhak, C., Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, 1903 I Iavolenus Priscus (C. Octavius Tidius Tossianus L. Iavolenus Priscus) (um 100 n. Chr.) ist der als besoldeter Staatsbeamter aufgestiegene römische Jurist der -> Sabi- nianer, von dem drei Bearbeitungen der Werke älterer Juristen und ein in 14 Bücher gegliedertes Sammelwerk praktischer Rechts- fälle (lat. [F.Pl.] epistulae, Briefe) bekannt sind. Lit.: Söllner §§ 11, 16; Köbler, DRG 30; Eckardt, B., Iavoleni Epistulae, 1978; Manthe, U., Die libri ex Cassio des Iavolenus Priscus, 1982 Ibn Hazm (994-1064), Sohn eines hohen arabischen Amtsträgers in Cordoba (Spanien), ist der bedeutendste Vertreter der Rechtsschule Zahiriya. Für ihn ist Recht ein religiöses Gebot, das es dem Menschen ermöglicht, Gottes Willen zu erfüllen. Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 110 Idealismus ist die philosophische Strömung, die alle Dinge auf einen geistigen (ideellen) Ursprung zurückführt. Der I. steht im Gegen- satz zum -> Materialismus. Bekanntester Vertreter des I. im Altertum ist Platon (428/427-348/347 v. Chr.), bedeutendste deut- sche Vertreter des I. -> Kant (1724-1804), von dem -> Savigny beeinflusst wird, und ->Hegel (1770-1831). Lit.: Köbler, DRG 178; Metzger, W., Gesellschaft, Recht und Staat in der Ethik des deutschen Idealismus, 1917, Neudruck 1966; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984 Ideologie ist die Gesamtheit der einer 326 bestimmten Gruppe von Menschen zugeordneten Denkweisen und Wertvor- stellungen. Sie wirkt sich besonders im 20. Jh. auf das Recht aus. Sowohl im -> Nationalsozialismus wie auch im -> Sozia- lismus ist das Recht nur ein Mittel zur Durchsetzung der I. Lit.: Köbler, DRG 226; Ideologie und Herrschaft in der Antike, 1979; Ideologie und Herrschaft im Mittelalter, hg. v. Kerner, M., 1982; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 131; Rüthers, B., Die Wende-Experten, 2. A. 1995; Choe, H., Ideologie, 1997; Schreckenberg, H., Ideologie und Alltag im Dritten Reich, 2003 Iglau in Südmähren wird nach der Entdeckung von Silber (um 1240) als Stadt um 1245 von deutschen Bergleuten gegründet. Sein -> Bergrecht (1249/1280) wird vielfach andernorts übernommen. Lit.: Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren und seine Schöffensprüche, 1868; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht, 1900; Kresadlo, K., Jihlava, 1986 Ihering (Jhering), Rudolf von (Aurich 22. 8. 1818-Göttingen 17. 9. 1892), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Göttingen, München und Berlin (Puchta) und der Habilitation in Berlin (Homeyer) Professor in Basel (1845), Rostock (1846), Kiel (1849), Gießen (1852), Wien (1868) und Göttingen. Zunächst folgt er bis 1858/1859 -> Puchta und erklärt das (römische) Recht aus seiner inneren Vernünftigkeit. Der Rechtswissenschaft schreibt er die Aufgabe zu, nach Auflösung (Analyse) der komplexen Rechtsverhältnisse in einfache Elemente durch deren Kombination neue Rechtsbegriffe zu erzeugen (Der Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Bd. 1f. 1852ff., unvollendet) und damit letzlich das überkommene Recht der agrarischen Welt für die industrielle Welt zu modernisieren. Während der Arbeit an diesen Überlegungen wendet sich I. unter dem Eindruck der naturwissenschaftlichen Fortschritte seiner Zeit der soziologischen Betrachtung des Rechts zu und befasst sich mit dem Zweck im Recht (1877f., unvollendet). Zu einer zukunft- weisenden brauchbaren Methodenlehre gelangt er dabei nicht, wenngleich er die -> Inter- essenjurisprudenz anregt. Dogmatisch gelingt ihm die Festigung der Unterscheidung von Rechtswidrigkeit und Schuld (1867) sowie die Entdeckung der -> culpa in contrahendo. Be- achtliche Breitenwirkung erlangen die Bücher Der Kampf ums Recht (1872, 20. A. 1921) sowie Scherz und Ernst in der Jurisprudenz (13. A. 1924, Neudruck 1988). Lit.: Köbler, DRG 189; Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft? (Wiener Antrittsvorlesung vom 16. Oktober 1868), hg. v. Behrends, O., 1998; Der Kampf ums Recht, 1872, 8. A. bearb. v. Hollerbach, A., 2003; Lange, H., Die Wandlungen Iherings, 1927; Wieacker, F., Rudolf von Jhering, ZRG RA 86 (1969), 1; Jherings Erbe, hg. v. Wieacker, F. u. a., 1970; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Jherings, 1982; Der Briefwechsel zwischen Ihering und Gerber, hg. v. Losano, M., 1984; Choe, B., Culpa in contrahendo bei Rudolf von Jhering, 1988; Iherings Briefe an Windscheid, hg. v. Kroeschell, K., 1988; Klemann, B., Rudolf von Jhering und die historische Rechtsschule, 1989; Rudolf von Ihering, hg. v. Behrends, O., 1992, 2. A. 1993; Privatrecht heute und Jherings evolutionäres Rechtsdenken, hg. v. Behrends, O., 1993; Iherings Rechtsdenken, hg. v. Behrends, O., 1996; Der Briefwechsel Iherings mit Unger und Glaser, hg. v. Losano, M., 1996; Rudolf von Ihering, Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft?, hg. v. Behrends, O., 1999 Illegitimität (F.) -> Unehelichkeit Lit.: Harms-Ziegler, B., Illegitimität und Ehe, 1991 Imbreviatur ist die Niederschrift eines Vorganges durch einen -> Notar (Urschrift). Im Gegensatz zum bloßen Entwurf enthält die I. den endgültigen vollständigen Urkundentext unter Verwendung notarieller Abkürzungen (Imbreviaturen). Bereits im 12. Jh. sammeln Notare in Italien ihre Imbreviaturen in Imbreviaturbüchern (ältestes erhaltenes Fragment Genua 1154). Im 14. Jh. wird dies allgemein üblich. Lit.: Voltelini, H. v., Die Südtiroler Notariatsimbreviaturen, Teil 1f. 1899ff.; Kern, F., Dorsualkonzept und Imbreviatur, 1906; Dolezalek, G., Das Imbreviaturbuch des erzbischöflichen Gerichtsnotars Hubaldus von Pisa, 1969; Notariado público, 1989 Imbreviaturbuch -> Imbreviatur Immaterialgüterrecht ist das Recht der unkörperlichen, geistigen Rechtsgüter. Es gewinnt erst im Laufe der Neuzeit an Bedeutung. Seine bekannteste Ausprägung ist das -> Urheberrecht. Lit.: Klippel, D., Historische Wurzeln und Funktionen, ZNR 1982, 132 327 Immerwährender Reichstag ist der seit 1663 als ständiger Gesandtenkongress in Regensburg tagende -> Reichstag. Immission (lat. [F.] immissio) ist die Zuführung unwägbarer Stoffe. Bereits im römischen Recht muss der Eigentümer eines Grundstücks das Eindringen von Rauch, Wasser und dergleichen auf das Grundstück dulden, wenn es das übliche Maß nicht überschreitet. Andernfalls stehen ihm Abwehransprüche zu. Das Mittelalter kennt nur einzelne entsprechende Sätze. Als Folge der Industrialisierung bilden die I. eine wichtige Abgrenzungsfrage zwischen dem Freiheits- streben der Industrie und dem Schutz der Betroffenen, zu der sich das preußische Obertribunal durch Beschluss vom 7. 6. 1852 weiterführend äußert. § 906 BGB nimmt das auf dieser Grundlage geschaffene Recht auf (Unwesentlichkeit, Üblichkeit). In der Gegen- wart gilt in Deutschland daneben ein beson- deres Bundesimmissionsschutzgesetz, das die Genehmigungsbedürftigkeit bestimmter Anlagen vorsieht. Lit.: Kaser § 23 III 4; Kroeschell, DRG 3; Rohde, J., Das Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht von 1810, 2000; Seyed-Mahdavi Ruiz, S., Die rechtlichen Regelungen der Immissionen im römischen Recht und in ausgewählten europäischen Rechtsordnungen, 2000; Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhudert, 2002; Koch, N., Die Entwicklung des deutschen privaten Immissionsschutzrechts seit Beginn der Industrialisierung, 2004 immobil (Adj.) unbeweglich Immobiliarprozess ist das Verfahren im Rechtsstreit um Grundstücke. Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893 Immobiliarrecht ist das besondere Recht der Grundstücke (Liegenschaften), wie es sich im deutschen Recht entwickelt. Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893; Meyer, F., Zur Geschichte des Immobiliarrechts der deutschen Schweiz im 13. bis 15. Jahrhundert, 1921; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Buchholz, S., Die Quellen des deutschen Immobiliarrechts im 19. Jahrhundert, Ius commune 7 (1978), 250 Immunität ist die Freiheit von einem Eingriff. Im Frühmittelalter ist I. die Freiheit einer besonders ausgenommenen -> Grundherrschaft von königlicher Gewalt. Sie geht auf die spätrömische (lat. [F.]) -> emunitas zurück, die Freiheit der kirchlichen, vielleicht auch der kaiserlichen Güter von öffentlichen Lasten bedeutet. Im 6./7. Jh. erweitert sich die I. dahin, dass der (Graf als der) örtliche Gewalthaber (kraft königlichen Privilegs für den Grundherrn) im Immunitätsgebiet ausgeschlos- sen wird und deshalb keine Verhöre durchführen, keine Abgaben einziehen, keine Geiseln wegführen und schließlich das Immunitätsgebiet überhaupt nicht mehr betreten darf. Seine Aufgaben nehmen die weltlichen und geistlichen Großen (Erz- bischöfe, Bischöfe, Äbte) als Immunitäts- berechtigte selbst (oder durch Vögte) wahr. Otto I. nutzt diese Art der Beseitigung des Einflusses der weltlichen Gewalt auf die immunitätsbegabte Kirche dazu, sich selbst durch Einsetzen der Immunitätsberechtigten (Erzbischöfe usw.) unmittelbare Herrschaft über die zunehmend zu geschlossenen Bezirken werdenden Immunitätsgebiete zu verschaffen (ottonisches -> Reichskirchensystem). Nach dem hierdurch hervorgerufenen -> Investitur- streit (1075-1122) gehen die bedeutenden Immunitäten in den Landesherrschaften (geistlichen Fürstentümern) auf. In der Gegen- wart genießt der Abgeordnete parlamentarische I. im Sinne eines Schutzes vor bestimmten Maßnahmen, die sich gegen sein Verhalten außerhalb des Parlaments richten (Frankreich 1799, 1814). Lit.: Köbler, DRG 85; Stengel, E., Grundherrschaft und Immunität, ZRG GA 25 (1904), 286; Dopsch, A., Steuerpflicht und Immunität im Herzogtum Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Voltelini, H. v., Immunität, grundherrliche und leibherrliche Gerichtsbarkeit in Südtirol, Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1907), 311; Kroell, M., L'immunité franque, 1910; Stengel, E., Die Immunität, 1910, Neudruck 1964; Hirsch, H., Die Klosterimmunität seit dem Investiturstreit, 1913, 2. A. 1967; Kühn, G., Die Immunität der Abtei Groß-St. Martin zu Köln, 1913; Zatschek, H., Beiträge zur Diplomatik der mährischen Immunitätsurkunden, 1931; Heidrich, I., Die Verbindung von Schutz und Immunität, ZRG GA 90 (1973), 10; Pfaff, V., Die päpstlichen Klosterexemtionen in Italien, ZRG KA 72 (1986), 76; Frey, L./Frey, M., The History of Diplomatic Immunity, 1999; Immunität und Landesherrschaft, hg. v. 328 Kappelhoff, B. u. a., 2002 Immunitätsprivileg -> Immunität Impeachment ist vor allem ein seit 1376 angewendetes Strafverfahren im englischen Recht, bei dem das -> House of Commons anklagt und das House of Lords entscheidet (z. B. 1386 gegen den englischen Kanzler). Lit.: Plucknett, T., Studies in English Legal History, 1983 imperator (lat. [M.]) Kaiser Lit.: Söllner § 14; Köbler, LAW; Mc Fayden, D., The History of the Title I., 1920; Kienast, D., Imperator, ZRG RA 78 (1961), 403 Imperialismus ist die auf Eroberung und Ausdehnung gerichtete Zielsetzung des Staates seit dem 17., insbesondere seit dem 19. Jh. Lit.: Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969; Imperialismus und Kolonialismus, hg. v. Bade, K., 1983; Schöllgen, G., Das Zeitalter des Imperialismus, 3. A. 1994; Cain, J./Hopkins, A., British Imperialism, 1993; Fröhlich, M., Imperialismus, 1994; Petersson, N., Imperialismus und Modernisierung, 2000; Berke, A., Imperialismus und nationale Identität, 2003 Imperium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die unbeschränkte Amtsgewalt der Konsuln, zu der auch die Zuchtgewalt zählt, sowie das Gebiet, in welchem sie ausgeübt wird. Nach dem (lat.) imperium (N.) Romanum versteht sich auch die weltliche Herrschaft im Mittelalter als ein i. Ihm tritt das (lat. [N.]) sacerdotium des Papstes gegenüber. Mit dem Beginn der Neuzeit nimmt (lat. [F.]) potestas (Gewalt, Hoheitsgewalt) den Platz von i. ein. Lit.: Söllner §§ 6, 9, 14, 15; Köbler, DRG 18; Köbler, LAW; Kornemann, E., Doppelprinzipat und Reichstei- lung im imperium Romanum, 1930; Stengel, E., Regnum und imperium, 1930; Heuß, A., Zur Entwicklung des imperiums des römischen Oberbeamten, ZRG RA 64 (1944), 57; Dempf, A., Sacrum imperium, 2. A. 1954; Nörr, D., Imperium und Polis in der hohen Prinzipatszeit, 2. A. 1969; Thomas, H., Zwischen regnum und imperium, 1973; Papst, A., Divisio regni, 1986 Imperium (N.) merum et mixtum (lat.) ist nach einer Unterscheidung des römischen Juristen Ulpian (170?-223) die oberste Staatsgewalt und die oberste Gewalt der Zivilrechtspflege. Seit dem 12. Jh. erscheint die hierauf gegründete Einteilung der Gerichts- barkeit in die Gerichtsbarkeit über Leben, Freiheit und Bürgerrecht und die übrige Gerichtsbarkeit im deutschen Reich. Seit dem 14. Jh. wird das i. m. e. m. als Grundlage aller Hoheitsrechte verstanden, danach als Landeshoheit. Lit.: Hirsch, H., Die Klosterimmunität seit dem Investiturstreit, 1913 imperium (N.) Romanum (lat.) Römisches Reich Impossibilium nulla est obligatio (lat.). Zu Unmöglichem gibt es keine Verpflichtung. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Celsus, um 70-um 140 n. Chr., Digesten 50, 17, 185); Wollschläger, C., Die Entstehung der Unmöglich- keitslehre, 1970 Impubes (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Unmündige. Ist er (lat.) infantia maior (älter als 7), kann er, gegebenenfalls mit Zustimmung des Vormundes (lat. [M.] tutor), ein Rechtsgeschäft vornehmen. Mit dem Eintritt der Geschlechtsreife (lat. [F.] pubertas) wird der i. ursprünglich vollständig geschäftsfähig und deliktsfähig. Die Mündigkeit wird bei Knaben auf 14, bei Mädchen auf 12 festgelegt. Lit.: Kaser § 14 II, 62 I, 82 II; Köbler, DRG 21 Imputation ist die von -> Pufendorf (1632- 1694) aus der Theologie in das Strafrecht übernommene Zurechnung einer Handlung und eines Erfolges zu einem Menschen. Ihre Möglichkeit beruht auf der Freiheit und der Normbezogenheit menschlichen Handelns. Ermittelt werden die Voraussetzungen, die für Bestrafung bestehen. -> Feuerbach (1755- 1833) unterscheidet demgegenüber die ab- strakte I. des Gesetzgebers bei der Festlegung des strafbaren Verhaltens und der Strafe im Strafbestand und die konkrete I. des Richters bei Bestimmung der Strafe im Einzelnen Fall. Wenig später wird die I. auf die Handlung beschränkt. Erhalten geblieben ist der Begriff der Zurechnungsfähigkeit. Lit.: Berner, A., Grundlinien der criminalistischen Imputationslehre, 1843; Welzel, H., Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958 Inama-Sternegg, Karl Theodor von (Augsburg 20. 1. 1843-Innsbruck 28. 11. 1908) wird nach dem Studium von Geschichte, Recht und Staatswissenschaft in München 1868 außer- ordentlicher Professor und 1871 ordentlicher Professor in Innsbruck, 1880 in Prag und 1881 in Wien. Seine Deutsche Wirtschaftsgeschichte (1878ff.) ist die erste unmittelbar aus den Quellen erarbeitete Gesamtdarstellung. 329 Inauguration Lit.: Königshaus, J., Die Inauguration der Christian- Albrechts-Universität zu Kiel 1665, 2002 In bonis (lat. im Vermögen) haben ist im klassischen römischen Recht eine Bezeichnung für den Schutz durch den Prätor gegen einen Dritten. Wer eine handgreifbare Sache (lat. [F.] res mancipi) ohne den Formalakt der -> Manzipation erhält und i. b. hat, erlangt prätorisches Eigentum. Im spätantiken römi- schen Recht wird die Unterscheidung zwischen zivilem Eigentum und prätorischem Eigentum beseitigt. Lit.: Kaser §§ 22ff.; Söllner § 9; Ankum, H. u. a., Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius esse, ZRG RA 107 (1990), 155 Incertum (lat. [N.] Unbestimmtes) ist im römischen Recht die unbestimmte Leistung. Im spätantiken Recht wird die Unterscheidung zwischen bestimmter Leistung und unbe- stimmter Leistung gelockert. Lit.: Kaser §§ 35 I, 37 I, 48 II incipit (lat.) es fängt an Indebitum solutum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die nichtgeschuldete Leistung. Sie kann im klassischen römischen Recht wohl wegen der Ähnlichkeit mit dem Darlehen mit der besonderen Begehrensform der -> Kondiktion zurückverlangt werden. Lit.: Kaser § 48 II 2 Indemnität ist die Befreiung des Abgeordneten von der gerichtlichen oder dienstlichen Verfolgung wegen einer Abstimmung oder Äußerung im Parlament. Die früher auch als -> Immunität bezeichnete I. entsteht in England mit der -> Bill of Rights (1689). Im -> Deutschen Bund erscheint sie seit 1818 (Bayern, Württemberg 1819, Sachsen 1831, Preußen 1848). Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 3 1963, 348; Hilgendorf, E., Die Entwicklungsgeschichte der parlamentarischen Redefreiheit, 1991 Index (M.) librorum prohibitorum (lat.) ist der Anzeiger der (für Christen) verbotenen Bücher (1559/1564-1966/1967). Lit.: Becker, G., Deutsche Juristen und ihre Schriften auf den römischen Indices des 16. Jahrhunderts, 1970; Eisenhardt, U., Strafe und Strafzweck bei der Bestrafung von Autoren, Druckern und Händlern verbotener Schriften, FS G. Bemmann, 1997, 36; Inquisition ­ Index ­ Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001 Indiz ist eine Tatsache, aus deren Vorhandensein einleuchtenderweise auf das Vorhandensein einer anderen Tatsache geschlossen werden kann. Das I. ist von besonderer Bedeutung im Strafverfahrensrecht. Hier ist bei Fehlen besserer Beweismög- lichkeiten der Beweis mit Hilfe von Indizien (Indizienbeweis) möglich. Nach der frühneuzeitlichen Indizienlehre etwa der -> Constitutio Criminalis Carolina von 1532 ist die -> Folter nur zulässig bei Vorliegen be- stimmter Indizien (z. B. blutbefleckte Kleidung eines einer Bluttat Verdächtigen). Lit.: Köbler, DRG 138, 156; Kusch, Der Indizienbeweis des Vorsatzes, Diss. jur. Hamburg, 1963; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1976; Pöltl, R., Die Lehre vom Indizienbeweis, 1999; Michels, K., Der Indizienbeweis, Diss. jur. Tübingen 2000 Indogermane ist der Angehörige eines der zur indogermanischen Sprachenfamilie (keltisch, italisch, germanisch, baltisch, slawisch, il- lyrisch, thrakisch, albanisch, griechisch, phrygisch, hethitisch, armenisch, iranisch, in- doarisch, tocharisch) mit einer jeweils ältesten Überlieferung zwischen dem 14. Jh. v. Chr. und dem 16. Jh. n. Chr. gehörenden Einzelvölker. Wann und wo dieses philologisch rekon- struierte Volk besteht, ist unklar (Mit- teleuropa?, Osteuropa?, um 2000 v. Chr.?, Entstehung in Anatolien vor 7800 bis 9800 Jahren?). Die Zahl seiner philologisch erschließbaren Rechtseinrichtungen (Volk, Haus, Zeuge, Gast, Erbe) ist gering. Lit.: Söllner §§ 2, 4; Köbler, DRG 10, 13; Delbrück, B., Die indogermanischen Verwandtschaftsnamen, 1889; Leist, B., Altarisches ius gentium, 1889, Neudruck 1978; Brunner, H., Eine bisher unbekannte indogermanische Sprache, ZRG GA 29 (1908), 340 (tocharisch); Schulz, W., Indogermanen und Germanen, 2. A. 1938; Pokorny, O., Indogermanisches etymologisches Wörterbuch, 1959ff.; Schlerath, B., Die Indogermanen, 1972; Schmitt-Brandt, J., Einführung in die Indogermanistik, 1998; Köbler, G., Indogermanisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-indogermanisches Wörterbuch, 3. A. 1999 (Internet); Greenberg, J., Indo-European and its closest relatives, 2000 Indien Lit.: Das, I., Staat und Religion in Indien, 2004 Individuum (N.) Unteilbares, Einzelmensch Lit.: Conrad, H., Individuum und Gemeinschaft in der 330 Privatrechtsordnung, (1956) in dorso (lat.) auf dem Rücken, -> Indossament Indossament ist eine regelmäßig auf der Rückseite (lat. in dorso, frz. en dos) eines -> Wertpapieres angebrachte Erklärung, durch die eine Person (Indossant) die Rechte aus einem - > Orderpapier auf eine andere Person (Indossatar) überträgt. Das erstmals in Pisa 1392 bezeugte I. erscheint häufiger zu Beginn des 17. Jh.s in Frankreich etwa gleichzeitig mit der zur selben Zeit in Süditalien aufge- kommenen, vorderseitig angebrachten girata. Ihre Ursprünge sind ungeklärt. Lit.: Köbler, DRG 167; Schaps, G., Zur Geschichte des Wechselindossaments, 1892; Opitz, P., Der Funktionswandel des Wechselindossaments, Diss. jur. Berlin 1967; Melis, F., Guida alla mostra internazionale della banca, 1972 In dubio pro reo ist der bereits im klassischen römischen Recht bekannte Satz, dass ein Angeschuldigter im Zweifel freizusprechen ist. In der Neuzeit formuliert Stübel 1811 in Anschluss an Justinians -> Digesten 42, 1, 38 den Satz neu. Demnach gilt der Angeklagte bis zum Nachweis der Schuld als unschuldig, weil im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden ist (vgl. Art. 6 II der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte 1950). In der Verfahrenswirklichkeit setzt sich der Satz aber erst allmählich durch. Lit.: Köbler, DRG 35, 203; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Bossius 1562, vgl. Digesten 50, 17, 125 Gaius um 120-um 180, Aristoteles); Moser, K., In dubio pro reo, Diss. jur. München 1933; Wenig, G., In dubio pro reo, Diss. jur. Tübingen 1946; Holtappels, P., Die Entwicklungsgeschichte des Grundsatzes ,,in dubio pro reo", 1965 Industrie ist die gewerbliche Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen. Die I. entsteht seit dem Ende des 18. Jh.s in Großbritannien. Seit dem frühen 19. Jh. folgen die deutschen Staaten. Die Industrialisierung bedeutet den raschen Übergang von der Landwirtschaft zur arbeitsteiligen gewerblichen Wirtschaft (indus- trielle Revolution). Eine wichtige Folge ist die Entstehung des -> Arbeitsvertrages. Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 237; Quellen zur Geschichte der industriellen Revolution, hg. v. Treue, W. u. a., 1966; Mauersberg, H., Deutsche Industrien im Zeitgeschehen eines Jahrhunderts, 1966; Forsthoff, E., Der Staat in der Industriegesellschaft, 1971; Abel, W., Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Deutschland, 1972; Söllner, A., Der industrielle Arbeitsvertrag, in: Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288; Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974; Sozialgeschichtliche Probleme in der Zeit der Hochindustrialisierung, hg. v. Pohl, H., 1979; Schlosser, H., Folgen der Industrialisierung, Quaderni Fiorentini 10 (1981), 403; Klassen, K., Mitverwaltung und Mitverantwortung in der frühen Industrie, 1984; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2 6. A. 1984; Ruppert, W., Die Fabrik, 1987; Studien zur Einwirkung der Industrialisierung auf das Recht, hg. v. Coing, H., 1991; Hudson, P., The Industrial Revolution, 1992; Die Eisen- und Stahlindustrie im Dortmunder Raum, hg. v. Dascher, O. u. a., 1992; Buchheim, C., Industrielle Revolutionen, 1994; Hahn, H., Die industrielle Revolution, 1998; Gestwa, K., Proto- Industrialisierung in Russland, 1999; Marsch, U., Industrieforschung in Deutschland und Großbritannien, 1999, Bührer, W., Der Bundesverband der Deutschen Industrie, 1999; Marsch, U., Industrieforschung, 1999; Krämer, J., Industrialisierung und Feiertage, 1999; Kiesewetter, H., Region und Industrie in Europa 1815- 1995, 2000; Gall, L., Krupp, 2000; Gorißen, S., Vom Handelshaus zum Unternehmen, 2002; Butschek, F., Europa und die industrielle Revolution, 2002 Industriekammer Lit.: Bibliographie zur Geschichte und Organisation der Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986; Kaltenhäuser, K., Möglichkeiten und Perspektiven einer Organisation der Wirtschaftsverwaltung, 1998 infam -> Infamie Infamie ist die mit gewissen Handlungen verbundene Rechtsfolge des Verlustes der bürgerlichen -> Ehre im älteren Recht. Im römischen Recht ziehen Kuppelei, Lohnkampf mit Tieren, Schauspielerei, Doppelehe, Wu- cher, Häresie, Ausstoßung aus dem Heer die I. (Verlust der bürgerlichen Ehre) nach sich. Die Kirche setzt seit 419 auf die schuldhafte Aufgabe des christlichen Gesetzes und die Missachtung kirchlicher Vorschriften (Sakrileg, Grabfrevel, Zauberei, Giftmischerei, Ehebruch, Blutschande, Meineid, Diebstahl, Raub, Mord) die I. (Weihehindernis, Zeugnisunfähigkeit usw.). Im weltlichen Recht schließen einzelne deutsche Reichsgesetze von einzelnen Rechten aus (1512 Ehrlose vom Notariat, 1577 Zöllner, Müller, Bader usw. von Zünften, 1577 Bankrotteure). Ein Überrest der I. ist die 331 Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte im deutschen Reichsstrafgesetzbuch von 1871. Nach Aufhebung der Vorschriften zum 1. 4. 1970 sieht § 45 StGB nur noch eine eingeschränkte Aberkennung von Rechten vor. Lit.: Kaser §§ 13 III, 36 III, 82 II; Mühlebach, A., Die Infamie in der decretalen Gesetzgebung, 1923; Löbmann, B., Der kanonistische Infamiebegriff, 1956; May, G., Die Anfänge der Infamie im kanonischen Recht, ZRG KA 47 (1961), 77; Landau, P., Die Entstehung des kanonistischen Infamiebegriffs, 1966 Infans (lat. [M.]) ist im römischen Recht das -> Kind, das die für rechtliche Folgen bedeut- samen Wörter noch nicht sprechen kann, im spätrömischen Recht das Kind bis zur Vollendung des siebenten Lebensjahres. Der i. kann kein Rechtsgeschäft tätigen und keine ersatzpflichtige Handlung (Delikt) begehen. Lit.: Kaser § 14 I 1; Köbler, LAW Inflation ist die Erhöhung des nominalen Wertes einer Geldeinheit. Eine geringfügige I. ist ein Kennzeichen fast aller Zeiten der Geldwirtschaft. In der I. im -> Deutschen Reich nach dem ersten Weltkrieg ist als Folge der Reparationsverpflichtungen Deutschlands im November 1923 ein Dollar 4200000000 Mark wert. Eine derartige I. hat unmittelbare Auswirkung auf alle wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse. Lit.: Köbler, DRG 224; Redlich, F., Die deutsche Inflation des frühen 17. Jahrhunderts, 1972; Nörr, K., Der Richter zwischen Gesetz und Wirklichkeit, 1996; Kerstingjohänner, H., Die deutsche Inflation 1919-1923, 2004 Infortiatum (lat. [N.]) -> Digestum infortiatum Lit.: Wouw, H. van de, Zur Textgeschichte des Infortiatum, Ius commune 11 (1984), 231 Ingelheim am mittleren Rhein ist Sitz eines vielleicht aus einem ehemaligen Reichs- vogteigericht hervorgegangenen, seit 1366 bezeugten -> Oberhofes, dessen erhaltene Aufzeichnungen mehr als 3000 Urteile zwischen 1398 und 1464 überliefern (davon etwa 7% Strafrechtsfälle). Lit.: Loersch, H., Der Ingelheimer Oberhof, 1885; Meyer, H., Über die Wiederauffindung eines verschollenen Protokollbuches, ZRG GA 24 (1903), 390; Tillmann, W., Aus dem Prozess des Ingelheimer Oberhofs, 1935; Erler, A., Ingelheimer Urteile als Quellen F. J. Bodmanns, ZRG GA 69 (1952), 74; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.; Erler, A., Die Stilllegung des Schöffenstuhls im Recht des Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 76 (1959); Rotthaus, K., Redde und Schult in den Urteilen des Ingehheimer Oberhofes, 1959; Erler, A., Ingelheimer Urteile als Vorlagen F. J. Bodmanns, ZRG GA 77 (1960), 345; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, 1960; Reifenberg, W., Die kurpfälzische Reichspfandschaft Oppenheim Gauodern- heim Ingelheim 1375-1648, (Diss. phil. Mainz 1964) 1968; Gudian, G., Der Oberhof Ingelheim, ZRG GA 81 (1964), 267; Ingelheim am Rhein, hg. v. Autenrieth, J., 1964; Eigen, P., Die Verbotung in den Urteilen des Ingelheimer Oberhofes, 1966; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Schmitz, H., Pfalz und Fiskus Ingelheim, 1974; Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen des Ingelheimer und Neustadter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977; Erler, A., Ingelheimer Prozesse nach dem Städtekrieg von 1388, 1981; Zwerenz, R., Der Rechtswortschatz der Urteile des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Gießen 1988; Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der Gesetzgebung des Spätmittelalters in Deutschland, 2001 Ingolstadt an der Donau wird 806 bezeugt (841 Königshof an Niederaltaich). Um 1250 ist es Stadt. 1459/1472 wird es Sitz einer 1800 nach Landshut und 1826 nach München verlegten -> Universität. Lit.: Listl, R., Die Ingolstädter Handwerkerverbände, Diss. jur. München 1956; Dickerhof, H., Land, Reich, Kirche im historischen Lehrbetrieb an der Universität Ingolstadt, 1971; Seifert, A., Statuten- und Verfas- sungsgeschichte der Universität Ingolstadt (1472-1586), 1971; Real, H., Die privaten Stipendienstiftungen, 1972, Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter Juristenfakultät 1472-1625, 1973; Kreh, F., Leben und Werk des Reichsfreiherrn Johann Adam von Ickstatt (1702-1776), 1974; Ingolstadt, hg. v. Müller, T. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Freilinger, H., Ingolstadt, 1977; Hofmann, S., Geschichte der Stadt Ingolstadt, 2000 Inhaberpapier ist das -> Wertpapier, bei dem das verbriefte Recht grundsätzlich von jedem Inhaber geltend gemacht werden kann. Es fehlt dem Altertum, von bescheidenen Ansätzen abgesehen, ganz, erscheint aber seit dem 9. Jh. vor allem in Gebieten langobardischen Rechts in Italien und ist im Mittelalter als Möglichkeit der Übertragung von Rechten und der Vertretung verbreitet. In Sachsen tritt 1763 die Inhaberschuldverschreibung auf. Seit dem -> Allgemeinen Landrecht (Preußen 1794) finden sich gesetzliche Regelungen. 332 Lit.: Hübner; Brunner, H., Zur Geschichte des Inhaberpapieres in Deutschland, ZHR 23 (1978), 225; Brunner, H., Das französische Inhaberpapier, 1879 In integrum restitutio (F.) (lat.) ist im römischen Recht in verschiedenen Fällen (z. B. Zwang) die vom Prätor gewährte -> Wiedereinsetzung in den früheren Stand, mit der die eingetretenen Wirkungen des Geschäfts durch besondere Klagen wieder beseitigt werden sollen. Eine vom Richter durchgeführte i. i. r. bewirkt die (lat.) -> actio (F.) quod metus causa, die den bestraft, der die Wieder- gutmachung verweigert. Lit.: Kaser § 8 IV In iure cessio (F.) (lat.) ist die im römischen Recht als Umgehung schwerfälliger Formalakte im Wege eines Scheinverfahrens mögliche Übertragung, Abtretung oder Aufhebung be- stimmter Rechte auf der Gerichtsstätte. Lit.: Kaser § 7 II; Söllner §§ 8, 9, 18; Köbler, DRG 21, 25, 40 Iniuria (lat. [F.]) ist im römischen Recht das Unrecht (in der Form der Personenverletzung). Nach altrömischem Recht soll neben Gliedzerreißen und Beinbrechen jedes sonstige Unrecht (i.) mit der Leistung von 25 Pfund Kupfer ausgeglichen werden. Im klassischen römischen Recht wird die i. zu einem Tatbestand erweitert, der jede bewusste Missachtung der Persönlichkeit in Wort oder Tat (-> Körperverletzung) eines anderen erfasst. Rechtsfolge ist ein durch Schätzung zu ermittelnder Geldausgleich. Im spätantiken römischen Recht ist i. ein Straftatbestand (Ehrverletzung) und eine Deliktsobligation (Persönlichkeitsmissachtung). Im Deutschen wird iniuria als Injurie (Realinjurie, Verbalinjurie) aufgenommen (z. B. Bayern 1756, Preußen 1793 bzw. 1794-> Beleidigung). Lit.: Söllner §§ 5, 8, 10; Köbler, DRG 27, 48, 65; Köbler, LAW; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984; Lingelbach, G., Jnjurie und Injuriensachen, in: Organisation der Kritik, hg. v. Matuschek, S., 2004, 143 Inkorporation ist die Eingliederung einer kirchlichen -> Körperschaft in eine andere. Sie entwickelt sich seit dem Ende des 11. Jh.s (Benediktinerorden) und wird im 13. Jh. voll ausgebildet. Mit der I. gehen die Rechte an der bisherigen kirchlichen Körperschaft (z. B. Kirche) auf eine andere kirchliche Körperschaft (z. B. Kloster) über, ohne dass die Rechts- persönlichkeit der inkorporierten Körperschaft endet. In der Neuzeit wird die I. wegen der mit ihr gegebenen Zerstörung der kirchlichen Ordnung zurückgedrängt (Trient 1545-1563). Lit.: Hinschius, P., Zur Geschichte der Inkorporation und des Patronatsrechts, 1873; Sanmann-von Bülow, H., Die Inkorporationen Karls IV., 1941; Lindner, D., Die Lehre von der Inkorporation, 1951 Inkunabel (F.) Wiegendruck, Druck vor 1500 Lit.: Langer, G., Von Zusammenhängen zwischen Inkunabelforschung und Rechtsgeschichte, ZRG GA 85 (1968), 217; Catalogogus incunabulorum ... Hungariae, hg. v. Sájo, G. u. a., 1970 Innehabung (lat. [F.] detentio) ist im römischen Recht eine nur schwach geschützte Beziehung eines Menschen zu einer Sache, die den Innehaber schlechter stellt als den Besitzer beim Besitz (lat. [F.] possessio). Bloße Innehaber sind alle nicht besonders be- günstigten Fremdbesitzer (z. B. Verwahrer, Entleiher, Beauftragter, Geschäftsführer ohne Auftrag, Werkunternehmer, Mieter, Pächter). Ihnen steht kein -> Besitzschutz zu. Die I. ist im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) aufgegeben. Lit.: Kaser § 19 V Innerösterreich ist die im Spätmittelalter (1379-1463) und in der frühen Neuzeit (1564- 1619) infolge von Erbteilungen des Hauses -> Habsburg entstehende Gebietseinheit (Steier- mark, Kärnten, Krain, Görz, Gradiska, Windische Mark), die auch später noch als eigene Verwaltungseinheit behandelt wird. Lit.: Wolf, A., Die Aufhebung der Klöster in Innerösterreich 1782-1790, 1871, Neudruck 1971; Schulze, W., Landesdefension und Staatsbildung, 1973; Thiel, V., Die innerösterreichische Zentralverwaltung 1564-1749, AÖG 105 (1916), 111 Inn of court ist die von der Universität unabhängige Ausbildungsstätte (Innung) für den englischen Juristen (Anwalt). Sie entsteht daraus, dass im Mittelalter Schreiber (clerk) und Schüler (apprentice at law) gemeinsam in Häusern der westlichen Vororte Londons leben. In der Mitte des 14. Jh.s wird dort ein praktischer Rechtsunterricht sichtbar. Von den etwa 20 bekannten inns (z. B. Clifford's Inn) setzen sich bis etwa 1420 vier inns of court durch (Inner Temple, Middle Temple der Templer [vor 1388], Gray´s Inn, Lincoln´s Inn 333 [1417?]). Lit.: Palmer, R., The Origins of the Legal Profession, 1976; Richardson, W., A History of the Inns of Court, 1978; Thorne, S., The early History of the Inns of Court, 50 Graya 79; Ives, E., The Common Lawyers of pre- Reformation England, 1983; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000; Baker, J., Readers and Readings in the Inns of Court and Chancery, 2001; McGlynn, M., The Royal Prerogative and the Learning of the Inns of Court, 2003 Innominatkontrakt ist der im spätantiken römischen Recht entstehende, der (lat.) actio (F.) praescriptis verbis (Klaganspruch der vorgeschriebenen Worte) zugewiesene sog. unbenannte Vertrag. Bei dem I. erbringt jemand eine Leistung und soll deshalb eine Gegenleistung erhalten, obwohl er an sich die Rückgabe erreichen kann. Die vier Fälle des Innominatkontraktes sind (lat.) do, ut des (ich gebe, damit du gibst), do, ut facias (ich gebe, damit du tust), facio, ut des (ich tue, damit du gibst) und facio, ut facias (ich tue, damit du tust). Lit.: Kaser §§ 33 I 2, 38 III 3, 45; Köbler, DRG 64; Bucher, E., Der Trödelvertrag, in: Innominatverträge, 1988, 95 Innozenz III. (Lothar von Segni) (Gavignano bei Segni 1160/1-Perugia 16. 7. 1216), Grafensohn, wird 1198 Papst und sichert die Stellung des Papstes durch bedeutsame Dekretalen (z. B. Venerabilem). Lit.: Laufs, M., Politik und Recht bei Innozenz III., 1980; Rainer, J., Innocenz III. und das römische Recht, RHM 25 (1983), 15; Sayers, J., Innocent III., 1994; Papst Innozenz III., hg. v. Frenz, T., 1999; Pope Innocent III and his World, ed. Moore, J., 1999; Innocenzo III, hg. v. Sommerlechner, A., 2003; Moore, J., Pope Innocent III, 2003 Innozenz IV. (Sinibaldo Fieschi) (Genua um 1195-Neapel 7. 12. 1254) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Johannes Teuto- nicus, Azo, Accursius) und kirchlichen Tätigkeiten 1243 im ersten Konklave der Geschichte Papst. Die von ihm erlassenen, in drei Sammlungen zusammengefassten Dekre- talen stehen zwischen (lat.) -> Liber (M.) extra (1234) und (lat.) -> Liber (M.) sextus (1298). Um 1250 veröffentlicht er einen maßgeblichen Kommentar zum Liber extra (lat. Apparatus [M.] in quinque libros decretalium, Kommentar zu den fünf Büchern der Dekretalen). Mit der Dekretale ,,Romana ecclesia" (1245) verbessert er die kirchliche Gerichtsbarkeit. Dogmatisch fördert er die Rechtsfiguren der -> juristischen Person (lat. persona [F.] ficta), des -> gerechten Krieges (lat. bellum [N.] iustum) und die Fortbildung der Reservatrechte und Dispensrechte des Papstes. Lit.: Legendre, P., La Pénétration du droit romain dans le droit canonique, Diss. jur. Paris 1964; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 313 Innsbruck (1167/1183 erstmals genannt) am mittleren Inn in -> Tirol ist seit seit 1490 Anfangspunkt der ersten modernen Postverbindung (nach Mecheln bzw. Brüssel) unbd wird 1669 (bei etwa 6500 Einwohnern) Sitz einer (letzten) von der Gegenreformation geprägten, mehrach teilweise aufgehobenen Universität. Lit.: Probst, J., Geschichte der Universität Innsbruck, 1869; Wretschko, A. v., Die Geschichte der juristischen Fakultät an der Universität Innsbruck 1671-1904, FS für den deutschen Juristentag 1904, 101; Wretschko, A., Die Frage der Landstandschaft der Universität Innsbruck, ZRG GA 41 (1920), 40; Matricula philosophica. Erster Teil 1671 bis 1700, hg. v. Huter, F., 1952; Huter, F., Die Anfänge der Innsbrucker Juristenfakultät (1671-1686), ZRG GA 85 (1968), 223; Oberkofler, G., Josef Oberweis, Inhaber der Lehrkanzel für deutsches Privatrecht und deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte mit italienischem Vortrag, ein Beitrag zur Geschichte der Pflege des deutschen Rechts und der Habilitationspraxis an der Innsbrucker Juristenfakultät, ZRG GA 88 (1971), 204; Munzel, O., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Oberkofler, G./Goller, P., Geschichte der Universität Innsbruck (1869-1945), 2. A. 1996; Lichtmannegger, S., Die rechts- und staatswissen- schaftliche Fakultät der Universität Innsbruck 1945­ 1955, 1999; Goller, P. u. a., Universität Innsbruck. Entnazifizierung und Rehabilitation von Nazikadern (1945-1950), 2003 Innung ist der freiwillige Zusammenschluss selbständiger Gewerbetreibender eines bestimmten Bezirkes zur Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen. Das im 13. Jh. erscheinende Wort findet sich vor allem im mittleren Deutschland. Im 19. Jh. wird nach Aufhebung des Zunftzwangs mit der Gewerbe- ordnung vom 21. 6. 1869 auf Drängen der Handwerker die I. wieder eingerichtet. Lit.: Eberstadt, R., Der Ursprung des Zunftwesens, 1900; 334 Luther, R., Gab es eine Zunftdemokratie?, 1968 Innviertel ist die zwischen Salzach, unterem Inn, Donau und Salzburg gelegene Landschaft. Sie fällt 1779 von Bayern an -> Österreich. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon Inoue, Kowashi (1843-1895) wird nach dem Studium in Tokio Beamter im Justizminis- terium Japans. Nach Aufenthalten in Frank- reich und Deutschland (Berlin) übersetzt er die Verfassung Preußens und setzt sich für eine (aufgeklärte) Verfassung Japans nach dem Muster Preußens bzw. des Deutschen Reiches ein (Meiji-Verfassung vom 11. 2. 1889). Lit.: Meiji-kokka keisei to Inoue Kowashi, hg. v. Goin- bunko kenkykai, 1992 Inquisition ist allgemein die Untersuchung, besonders das geistliche Gericht zur Verfolgung der Ketzer. Die Ketzer bekämpft die Kirche schon im ausgehenden Altertum durch Verbote der Gottesdienste, Enteignung der Güter und Androhung der Todesstrafe. Seit 1215/1231/1252 (1215 4. Laterankonzil mit Pflichtbeichte mit der Folge der Herausbildung eines inquisitorischen Prozessrechts für die Beichtpraxis) werden besondere Inquisitoren (Untersucher) eingesetzt (z. B. 1227 Konrad von Marburg). Hieraus entwickelt sich wohl der -> Inquisitionsprozess, dessen erste Formen in Oberitalien im 13. Jh. sichtbar werden. In ihm hat der Richter im Beisein von mindestens zwei Schöffen die Wahrheit durch I. (Untersuchung, Befragung) zu ermitteln, wozu er den Angeschuldigten in Haft nehmen kann. Zur Erlangung eines Geständnisses darf die -> Folter (1252) angewandt werden. In Spanien ist die 1478 von Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragón eingesetzte, die Lehre vom verdorbenen Blut verwendende I. eine staatliche, der Sicherung der Rücker- oberung des Landes von den Muslimen dienende Einrichtung, die sich später auch gegen Lutheraner und jede Aufklärung richtet. Die I. verschwindet im Heiligen Römischen Reich nach der Reformation und endet im Übrigen mit der Aufklärung (Frankreich 1772, Spanien 1808/1834, Portugal 1820, Italien 1808/1859). Lit.: Köbler, DRG 118, 156; Lea, H., Geschichte der Inquisition im Mittelalter, Neudruck 1997; Hansen, J., Zauberwahn, Inquisition und Hexenwahn im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Guiraud, J., Histoire de l'Inquisition au Moyen-Age, 1935; Leiber, R., Die mittelalterliche Inquisition, 1963; Vermaseren, B., Een bibliografie over de inquisitie, TG 77 (1964), 472; Peters, E., Inquisition, 1988; Die Anfänge der Inquisition im Mittelalter, hg. v. Segl, P., 1993; Lemm, R., Die spanische Inquisition, 1996; Seifert, P./Pawlik, M., Das Buch der Inquisition, 1999; Inquisition ­ Index ­ Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Edwards, J., Die spanische Inquisition, 2003; Schwerhoff, G., Die Inquisition, 2004; Römische Inquisition und Indexkongregation, hg. v. Wolf, H., Bd. 1ff. 2005ff. Inquisitionsbeweis ist im Mittelalter der Beweis durch eine Untersuchung. Der I. findet sich in merowingischen und karolingischen Quellen. Lit.: Brunner, H., Zeugen und Inquistionsbeweis der karolingischen Zeit, 1865 Inquisitionsprinzip -> Untersuchungsgrund- satz Lit.: Sellert, W., Die Bedeutung und Bewertung des Inquisitionsprinzips, FS H. Scupin, 1983, 161 Inquisitionsprozess ist der durch die amtliche Verfolgung und Untersuchung gekennzeichnete Strafprozess. Es ist streitig, ob der I. in Deutschland unabhängig von fremden Einflüssen entstanden oder durch kirchlich- oberitalienische Anregungen veranlasst ist. Jedenfalls zeigen sich schon seit dem 12. Jh. verschiedene Ansätze zur öffentlichen Klage in peinlichen Sachen. So werden etwa bestimmte Menschen verpflichtet, Unrechtsgeschehnisse im Gericht zu rügen. -> Landschädliche Leute (lat. nocivi [M.Pl.] terrae) sollen öffentlich verfolgt und wie handhafte Täter durch den Eid des Verletzten und seiner sechs Eidhelfer überführt werden. In der Kirche fügt Papst -> Innozenz III. in ein kirchliches Disziplinar- verfahren den von Amts wegen zu erhebenden Beweis der Wahrheit ein und werden Ketzer seit 1231/1232 durch besondere Inquisitoren (Untersucher) bekämpft. Überhaupt wird das Verfahren vor allem auch in den Städten allmählich (z. B. in Frankfurt am Main im 14. Jh.) zu einem einseitigen Verfahren des (öffentlichen) Richters gegen den Verdäch- tigen, in dem der -> Richter zur Unrechts- verfolgung verpflichtet ist und sich selbst über die erheblichen Tatsachen unterrichten muss. Ziel dieser Verfolgungen ist die unbedingte Sühnung von Unrecht, weshalb es stärker als zuvor auf die Ermittlung der tatsächlichen 335 Wahrheit ankommt. Als ihr sicherster Beweis gilt das Geständnis. Um das -> Geständnis zu erreichen, darf der verdächtige Beschuldigte durch den Richter und die Folterknechte sowie gegebenenfalls zwei Schöffen der von der Antike bekannten und von daher auch wohl im Frühmittelalter gegenüber Unfreien verwandten -> Folter durch Gefängnis, Schläge, Hunger, Kälte und andere Mittel (Daumenschrauben, Strecken) ausgesetzt werden. Nach dem Geständnis in der Untersuchung beginnt das eigentliche öffentliche Verfahren (sog. -> endlicher Rechtstag), in dem nach der Anklageerhebung der Richter den Beweis der Tat durch das Geständnis oder das Zeugnis zweier Schöffen über das Geständnis führt, am Ende das Urteil verliest und den Stab über den Angeklagten bricht. Im 19. Jh. wird der etwa in der -> Constitutio Criminalis Carolina (1532) ausführlich geregelte, nunmehr als rechtsstaatswidrig angesehene I. allgemein aufgegeben und nur noch vereinzelt (Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Hanse- städte) bis zur Reichsstrafprozessordnung von 1877/1879 fortgeführt. Lit.: Köbler, DRG 86, 256; Biener, F., Beiträge zur Geschichte des Inquisitionsprozesses, 1827, Neudruck 1965; Allmann, I., Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Schmidt, R., Die Herkunft des Inquisitionsprozesses, FS zum 50jährigen Regierungsjubiläum seiner königlichen Hoheit des Großherzogs Friedrich, 1902, 65; Mayer, E., Geschworenengericht und Inquisitionsprozess, 1916; Alfred, K., Die Lehre vom corpus delicti, 1933; Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68 (1951), 234; Schmidt, E., Der Inquisitionsprozess, FS H. v. Weber, 1964, 33; Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Kunze, M., Der Prozess Pappenheimer, 1981; Trusen, W., Der Inquisitionsprozess, ZRG KA 74 (1988), 168; Die Anfänge der Inquisition, hg. v. Segl, P., 1993; Hirte, M., Papst Innozenz III., das IV. Lateranum und die Strafverfahren gegen Kleriker, 20 05 Inquisitionsverfahren -> Inquisition, Inquisitionsprozess Inschrift Lit.: Panzer, F., Die Inschriften, 1938; Frölich, K., Deutsche Rechtsinschriften des Mittelalters, ZRG GA 66 (1948), 500; Müller, W., Urkundeninschriften des deutschen Mittelalters, 1975 (73 bis 1525) Insel Lit.: Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333 Insidia (F.) verborum (lat.) Prozessgefahr (durch Versprechen oder Verlesen) Insignien (N.Pl.) Zeichen (von Würde oder Macht) -> Reichinsignien, Reichskleinodien Lit.: Richter, G., Die Insignien der Universität Tübingen, 1964 Insinuation (F.) Bekanntgabe, Vorlage, Zustellung Insolvenz ersetzt mit dem Ziel der Wahrung wirtschaftlicher Werte in Deutschland zum 1. 1. 1999 den Konkurs. Lit.: Kroppenberg, I., Die Insolvenz im klassischen römischen Recht, 2001 Instanz ist die zuständige Stelle. Im -> Inquisitionsprozess gibt es die besondere -> Instanzentbindung. Im Verhältnis mehrerer Instanzen zueinander besteht der -> Instanzenzug. Instanzentbindung (absolutio [F.] ab instantia [lat.]) ist die im mittelalterlichen Italien (12. Jh., Johannes Andreae) entwickelte, seit 1648 (Brunnemann, Tractatus iuridicus de inquisi- tionis processu, Rechtliche Abhandlung über den Inquisitionsprozess) im deutschen Straf- verfahrensrecht aufgenommene, vorläufige Beendigung eines Verfahrens aus Mangel an Beweisen mit der jederzeitigen Möglichkeit des Neubeginns. Von der Aufklärung bekämpft, wird die I. (seit der französischen Revolution von 1789) auch in Deutschland in der Mitte des 19. Jh.s eingeschränkt (Württemberg 1843) oder aufgegeben (Baden 1845, allgemein 1877/1879). Ihre Aufgabe übernimmt die Einstellung des Verfahrens. Lit.: Allmann, J., Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, 1903; Holtappels, P., Die Entwicklung des Grundsatzes ,,in dubio pro reo", 1965; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000 Instanzenzug ist eine Mehrheit von hierarchisch gestuften behördlichen oder ge- richtlichen Instanzen (Stellen). Nach Ansätzen im römischen Altertum entwickelt sich der I. mit der Ausbildung des Staates seit dem Spätmittelalter. Allgemein wird ein vierstufiger I. der Gerichtsbarkeit in Österreich unter Joseph II. (1780-1790) (Ortsgericht, Kreisamt, Appellationsgericht, Oberste Justizstelle) und 336 im Deutschen Reich 1877/1879 (Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Reichsgericht) geschaffen. Lit.: Köbler, DRG 154; Tille, A., Instanzenzug des kurkölnischen Gerichts im 17. Jahrhundert, ZRG 21 (1900), 222; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954 Institor (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Geschäftsführer, für dessen Schulden der Geschäftsherr haftet. Umgekehrt erhält der Unternehmer aus den Forderungen, die sein gewaltfreier kaufmännischer Angestellter er- wirbt, eine (lat.) -> actio (F.) utilis. Lit.: Kaser § 11 Institut (N.) ist seit dem 18. Jh. die Einrich- tung. Lit.: Popp, H., Die nationalsozialistische Sicht einiger Institute des Zivilprozess- und Gerichtsverfassungsrechts, 1986 Institutes of the Laws of England (Einrichtungen der Gesetze Englands) ist der Titel des Hauptwerkes von Sir Edward -> Coke (1551-1633). Der erste Teil der I. o. t. L. o. E. ist ein gründlicher Kommentar zu -> Les Tenures von Sir Thomas -> Littleton (1480). Die Teile 2 bis 4 betreffen ältere statutes, Strafrecht und Gerichtsverfassung. Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 Institutionen ist schon im klassischen römischen Recht die Bezeichnung für die (Lehrbücher über die) Einrichtungen des Rechts. Als I. geführt wird das (lat. [M.Pl.]) commentarii betitelte elementare, von den Zeitgenossen kaum gewürdigte Einführungs- werk in (4 Büchern und) insgesamt 98 Titeln des Gaius (159?, 161 n. Chr.), das die grundlegende systematische, der griechischen Gegenüberstellung von Menschen (Personen) und Sachen folgende Einteilung des Rechtsstoffes in (lat.) personae (F.Pl.), res (F.Pl.), actiones (F.Pl.) überliefert und das römische Zivilverfahren am klarsten darstellt. Unter dem oströmischen Kaiser -> Justinian erscheint 533 ein ebenfalls in vier Bücher geteiltes, auf Gaius gegründetes amtliches Ein- führungsbuch I. (lat. [F.Pl.] institutiones) (, aus dem nach Buch, Titel und Paragraph zitiert wird, z. B. I. 2,1,30). In Parallele hierzu werden vor allem im 19. Jh. unter dem Titel I. auch Lehrbücher (zum römischen Recht) bzw. unter dem Titel I. des deutschen Privatrechts auch Lehrbücher zum deutschen Privatrecht vorgelegt. Lit.: Söllner §§ 12, 16, 22; Köbler, DRG 30, 54; Schneidewin, J., In quatuor institutionum imperialium D. Iustiniani libros commentarii, 1575, Neudruck 2004; Heusler, A., Institutionen des deutschen Privatrechts, Bd. 1f. 1885f.; Sohm, R./Mitteis, L./Wenger, L., Institutionen. Geschichte und System des römischen Privatrechts, 17. A. 1923, Neudruck 1949; Seckel, E./Kübler, B., Gai institutionum commentarii quattuor, 8. A. 1939; Luig, K., Institutionenlehrbücher des nationalen Rechts im 17. und 18. Jahrhundert, Ius commune 3 (1970), 64; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des Institutionensystems, ZRG RA 70 (1973), 93; Institutionen, übers. v. Behrends, O. u. a., 2. A. 1999; Meincke, J., Die Institutionen Iustinians, JZ 1997, 14; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Institutionen, Instrumente und Akteure sozialer Kontrolle und Disziplinierung im frühneuzeitlichen Europa, 1999; Institutionen und Ereignis, hg. v. Blänkner, R. u. a., 1998; Mager, U., Einrichtungsgarantien, 2003 Institutionensystem ist das im späten Naturrecht (Pufendorf, Dabelow, Nettelbladt) den privatrechtlichen Stoff nach dem Vorbild der -> Institutionen des Gaius in Personen, Sachen, Klagansprüche einteilende System. Es wird im 19. Jh. (-> Heise 1807) vom -> Pandektensystem (Persoenen bzw. Allge- meines, Schulden, Sachen, Familie, Erbe) abgelöst. Lit.: Köbler, DRG 206; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG GA 42 (1921), 578; Wieacker, F. Griechische Wurzeln des Institutionen- systems, ZRG RA 70 (1953), 93 Instruktionsmaxime ist im Strafverfahrensrecht der Grundsatz, dass sich der Richter selbst über die erheblichen Tatsachen unterrichten muss. Lit.: Köbler, DRG 117 Instrumenta (N.Pl.) dotalia (lat.) ist im spätrömischen Recht die Mitgifturkunde. Lit.: Kaser §§ 58, 59 instrumentum (lat. [N.]) Urkunde, Zubehör, Notariatsinstrument Lit.: Kaser § 7; Köbler, DRG 43 Integrationslehre ist die von Rudolf -> Smend (1882-1975) begründete Lehre vom in der Integration bestehenden Wesen des -> Staates. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blessing, W., Staatsintegration als soziale Integration, Z. f. bay. LG. 41 (1978), 633 337 Intentio (lat. [F.]) ist im römischen Zivilprozessrecht der erste Satz der Klagformel (z. B. Si paret Numerium Negidium Aulo Agerio sestertium x milia dare oportere, wenn sich ergibt, dass N. N. dem A. A. 10000 Sesterzen geben muss). Lit.: Kaser § 83 I 3a; Söllner § 9 Inter armas silent leges (lat.). Wo die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Cicero, 106-43 v. Chr., Silent leges inter arma.) Intercessio (lat. [F.]) ist im römischen Schuldrecht das Dazwischentreten im Sinne des Eingehens von Verbindlichkeiten im Interesse Dritter (z. B. Bürgschaft, Darlehen, Ver- pfändung). Ein (lat.) -> senatusconsultum (N.) Vellaeanum aus der Mitte des 1. Jh.s n. Chr. verbietet Frauen die i. Es begründet eine Einrede gegenüber einer aus dem an sich gültigen Rechtsgeschäft erhobenen Forderung. Das Verbot der i. wird mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter übernommen, seit dem 19. Jh. aber aufgegeben. Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 6; Köbler, DRG 44; Mönnich, U., Frauenschutz vor riskanten Geschäften, 1999 Interdictio (lat. [F.]) Untersagung (z. B. im mittelalterlichen Kirchenrecht die I. des Rechts auf geistliche Güter oder der Vornahme einer kirchlichen Handlung) Lit.: Krehbiel, E., The Interdict, 1909 Interdictum (lat. [N.]) ist im römischen Recht ein Verbot des Prätors zur Sicherung von Rechtslagen. Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 25, 33, 40 Interdictum (N.) de arboribus caedendis (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz bei Entfernung von Überhang. Lit.: Kaser § 23 III 1 Interdictum (N.) de glande legenda (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz beim Einsammeln von Früchten. Lit.: Kaser § 23 III 2 Interdictum (N.) de migrando (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des Wohnungsmieters beim Verlassen der Woh- nung. Lit.: Kaser § 31 III 6 Interdictum (N.) de precario (lat.) ist im römischen Recht der Befehl zur Rückgabe einer aus der Bittleihe (lat. [N.] precarium) erlangten Sache. Lit.: Kaser § 21 II 2 Interdictum (N.) de vi armata (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen Störung des Besitzes mit Waffengewalt. Lit.: Kaser § 21 II 2 Interdictum (N.) quam hereditatem (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz zwecks Herausgabe einer Erbschaft gegen einen die Einlassung auf die Erbschaftsherausgabeklage verweigernden Erbschaftsbesitzer. Lit.: Kaser § 75 I 4 Interdictum (N.) quem fundum (lat.) ist im römischen Recht der Befehl zur Herausgabe eines Grundstücks, das ein Kläger heraus- verlangen will, an jeden, der das Grundstück besitzt oder den Besitz arglistig aufgegeben hat. Lit.: Kaser § 27 I 5 Interdictum (N.) quem usumfructum (lat.) ist im römischen Recht der Befehl, sich auf eine Klage zum Schutz des Fruchtziehungsrechtes einzulassen. Lit.: Kaser § 29 I 5 Interdictum (N.) quod vi aut clam ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen heimliche oder gewaltsame Arbeiten auf einem Grundstück. Lit.: Kaser § 23 III 9 Interdictum (N.) quorum bonorum (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des Erbschaftsbesitzers. Lit.: Kaser § 75 II Interdictum (N.) Salvianum (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des Verpächters bei der besitzlosen Verpfändung von Inventar eines Pächters an den Verpächter. Lit.: Kaser § 31 III 6a Interdictum (N.) unde vi (lat.) ist das Besitzstörungsverfahren gegen gewaltsame Eindringlinge. Interdictum (N.) uti possidetis ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen den fehlerhaften Besitzer eines Grundstücks. Lit.: Kaser §§ 21 II 1a, 32 III 4 Interdictum (N.) utrubi (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen den fehlerhaften Besitzer einer beweglichen Sache. Lit.: Kaser § 21 II 1b Interdikt -> interdictio, -> interdictum Interdiktenbesitz ist im römischen Recht der nach prätorischem Recht gegen eigenmächtige 338 Entziehung oder Störung durch ein (lat. [N.]) - > interdictum geschützte -> Besitz (lat. [F.] possessio). I. haben Eigenbesitzer, Erbpächter, Prekarist, Pfandgläubiger und Sequester. Lit.: Kaser § 19 IV Interesse ist der Umfang eines zu ersetzenden Schadens. Das I. geht auf die römischrechtliche Wendung (lat.) quod interest zurück. Im 20. Jh. (-> Interessenjurisprudenz) ist I. auch die bloße Zielsetzung oder Begehrensdisposition eines abstrakt oder konkret Beteiligten. Lit.: Söllner § 9; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 305; Wieling, J., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, H., Herkunft und Kritik des Interessebegriffs, JuS 1973, 69 Interessenjurisprudenz ist eine methodische Richtung in der Rechtswissenschaft, die davon ausgeht, dass wegen der Lückenhaftigkeit der Rechtsordnung der Richter sein Urteil nicht logisch ableiten kann, sondern als wertende Entscheidung eines Konfliktes abgeben muss. Sie geht auf (Ihering und) den Tübinger Rechtshistoriker und Privatrechtler Philipp -> Heck (Gesetzesauslegung und Jurisprudenz, 1914) zurück. Heck stellt dabei auf den sozialen Konflikt der in den einzelnen Fällen beteiligten Interessen ab. Der Richter habe sich zunächst der vom Gesetzgeber in den gesetzlichen Regeln abstrakt gefassten Ent- scheidungen der Konflikte und der dabei getroffenen Wertungen der beteiligten In- teressen oder Begehrensdispositionen zu bedienen. Erst dann, wenn er keine (analog) anwendbare abstrakte Interessenbewertung auffinde, dürfe er selbst so entscheiden, wie der Gesetzgeber vermutlich entscheiden würde. Lit.: Köbler, DRG 228; Heck, P., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932; Wieacker, F., Privat- rechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Edelmann, J., Die Entwicklung der Interessenjurisprudenz, 1967; Kallfass, W., Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Schoppmeyer, H., Juristische Methode als Lebensaufgabe, 2001 Interimsschein Lit.: Simon, H., Die Interimsscheine, 1913 Interlinearglosse (F.) zwischen den Zeilen eingetragene Erklärung (Glosse) le kriminalistische Vereinigung ist die von Franz von -> Liszt begründete Vereinigung von Strafrechtlern (1889-1933). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bellmann, E., Die Internationale Kriminalistische Vereinigung, 1994 Internationaler Gerichtshof ist der als Nachfolger des ständigen Internationalen Gerichtshofes des Völkerbundes gegründete Gerichtshof der Vereinten Nationen mit Sitz in Den Haag und einer Besetzung durch 15 haupt- amtliche Richter. Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, § 50 VI; Fifty Years of the International Court of Justice, hg. v. Lowe, V., 1996 Internationaler Strafgerichtshof ist der durch Vertrag als Folge der Kriegsverbrecherprozesse gegen Deutsche, Ruander und Jugoslawen 1998 vereinbarte Strafgerichtshof für Kriegsver- brechen. Lit.: Ferencz, B., Von Nürnberg nach Rom, 1998; Ahlbrecht, H., Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, 1999; Kemper, G., Der Weg nach Rom, 2004 Internationales Privatrecht ist das Sachverhalte mit Auslandsberührung betreffende staatliche Privatrecht. Das römische Recht bietet hierzu nur wenige Ansätze. Nach dem frühmittelalterlichen, auf das jeweilige Volk bezogenen Personalrecht gilt zu Beginn der Territorialisierung des Rechtes der Grundsatz des Ortsrechts (lat. lex [F.] loci) des entscheidenden Richters, den -> Accursius (1228) und -> Azo mit römischen Quel- lenbelegen rechtfertigen. Unter den Kom- mentatoren (Jacobus Balduini, Albericus de Rosate) wird dies auf das Verfahrensrecht eingeschränkt, das materielle Recht dagegen hiervon ausgenommen und besonderen Kollisionsnormen oder Verweisungsnormen unterworfen, die auf der Grundlage der römischrechtlichen Gerichtsstandsregeln ent- wickelt werden. Demgegenüber setzt sich zu Beginn der Neuzeit die Statutentheorie (Bartolus, d'Argentré) durch, die (lat.) statuta (N.Pl.) personalia, (lat.) statuta (N.Pl.) realia und (lat.) statuta (N.Pl.) mixta unterscheidet und damit in erster Linie auf das innerstaatliche Recht abstellt. Zu Beginn des 19. Jh.s bewirkt Savigny die Rückkehr zu den Kollisionsnormen d. h. dem für das einzelne Rechtsverhältnis maßgeblichen Recht (Sitz des Rechts- verhältnisses). Auf dieser Grundlage entsteht in der Mitte des 19. Jh.s eine eigentliche Wissenschaft des internationalen Privatrechts, deren Ergebnisse Eingang finden in das 339 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Deutschlands (1900). Im ausgehenden 20. Jh. wird das einzelstaatliche internationale Privatrecht in Deutschland (25. 7. 1986), Österreich (1978) und der Schweiz (1989) neu gefasst. Lit.: Köbler, DRG 274; Savigny, F., System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff., Bd. 8 1849, Neudruck 1956; Neumayer, K., Die gemeinrechtliche Entwicklung des internationalen Privat- und Strafrechts bis Bartolus, Bd. 1 1901, Neudruck 1969, Bd. 2 1916; Neumeyer, K., Statutenkollision und persönliche Rechte, ZRG GA 39 (1918), 314; Gutzwiller, M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des Internationalprivatrechts, 1923; Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Hermann, G., Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963; Lorenz, E., Das Dotalstatut in der italienischen Zivilrechtslehre des 13. bis 16. Jahrhunderts, 1965; Hartwieg, O./Korkisch, F., Die geheimen Materialien zur Kodifikation, 1973; Kropholler, J., Internationales Einheitsrecht, 1975; Gutzwiller, M., Geschichte des Internationalprivatrechts, 1977; Anhauser, V., Das internationale Obligationenrecht, 1986; Deutsches internationales Privatrecht im 16. und 17. Jahrhundert, Bd. 1f., hg. v. Bar, C. v. u. a., 1995ff.; Kleinschmidt, H., Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Koskenniemi, M., The gentle civilizer of nations. The rise and fall of international law 1870-1960, 2001 Internierungslager (Freiheitsbeschränkungslager im Landes,,inneren") Interparlamentarische Union ist die 1888 in Paris gegründete nichtstaatliche internationale Vereinigung von Abgeordneten verschiedener Parlamente mit Sitz in Genf. Lit.: Uhlig, R., Die Interparlamentarische Union 1889- 1914, 1988 Interpolation ist die abändernde und damit wohl oft verfälschende Einschaltung von Wörtern oder Sätzen in den ursprünglichen Wortlaut eines Textes, insbesondere im Rahmen der die Schriften der klassischen Juristen verwertenden Gesetzgebungstätigkeit Justinians (z. B. Ersetzung von [lat. F.] mancipatio durch [lat. F.] traditio). Lit.: Kaser § 1 II 3; Söllner §§ 3, 16, 24; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ein Jahrhundert Interpolationenforschung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 1979 interpretatio (lat. [F.]) Auslegung, -> Interpretation Interpretation ist die -> Auslegung von Gedankenerklärungen. Die juristische I. beginnt bereits im altrömischen Recht am Zwölftafelgesetz durch die Priesterschaft. Aus der ursprünglichen Geheimwissenschaft entwickelt sich nach der Veröffentlichung der zunächst nur den Priestern vertrauten Ver- fahrensformeln (304 v. Chr.) eine weltliche Rechtsunterweisung mit Aufsetzen von Formularen, Beratung und Gutachtenerteilung, deren Kern die I. ist. Mit der Aufnahme des römischen Rechts im Mittelalter wird auch die I. aufgenommen, wobei es am Beginn der Neuzeit im sog. (lat.) -> mos (M.) Gallicus um die bessere I. besserer Texte geht. Lit.: Söllner §§ 7, 9; Köbler, DRG 31; Kaser, M./Schwarz, F., Die Interpretatio zu den Paulus- sentenzen, 1956; Behrend, O., Die fraus legis, 1982; Theorie der Interpretation vom Humanismus bis zur Romantik, hg. v. Schröder, Jan, 2001 Interregnum ist die zwischen (1250 bzw.) dem Aussterben der -> Staufer (1254) und der Wahl Graf Rudolfs von -> Habsburg zum deutschen König (1273) liegende Zeit, in der die Landesherren zu Lasten des Reiches erstarken. Das I. trennt Hochmittelalter und Spätmittelalter voneinander. Daneben ist I. auch allgemeiner die Zeit zwischen der Herrschaft eines Menschen und der Herrschaft seines Nachfolgers. Lit.: Köbler, DRG 95; Triepel, H., Das Interregnum, 1892; Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1971; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; Kaufhold, M., Deutsches Interregnum und europäische Politik, 2000; Kaufhold, M., Interregnum, 2002; Kirk, M., Die kaiserlose, die schreckliche Zeit, 2002 Intertiatio (lat. [F.]) ist der Zug auf einen Gewähren im Frühmittelalter (6. Jh.). Danach muss, wenn sich bei Spurfolge der Besitzer einer abhandengekommenen beweglichen Sache auf seinen Gewähren (lat. tertia manus [F.]) beruft, der Spurfolger geloben, die Sache vor das Ding zu bringen, ehe er sie in Besitz nehmen darf. Beansprucht er außerhalb der Spurfolge die Sache, so muss der Besitzer schwören, dass er seinen Gewähren zum Ding 340 bringen werde. Lit.: Hübner, 437; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908; Andreae, F., Die Intertiatio im fränkischen Fahrnisprozesse, ZRG GA 33 (1912), 129 Intervenient Lit.: Gawlik, A., Intervenienten und Zeugen in den Diplomen Kaiser Heinrichs IV., 1970 Interzession -> intercessio (lat. [F.]) Intestaterbe ist im römischen Recht der ohne - > Testament zur Erbfolge berufene Mensch. Dies ist der -> Hauserbe und danach der Außenerbe. Das dem altrömischen Recht folgende prätorische Recht fasst die präto- rischen Erben in mehrere (4), hintereinander berufene Klassen zusammen. Dem I. entspricht später der gesetzliche Erbe. Lit.: Kaser §§ 65, 66; Söllner § 12; Köbler, DRG 38; Merkel, J., Die Lehre von der successio graduum unter Intestaterben, 1876 introitus (lat. [M.]) Eintritt -> Immunität Invaliditätsversicherung ist die in Deutschland 1884 zwecks Entschärfung sozialer Schwierigkeiten durch Gesetz geschaffene -> Sozialversicherung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit. Zur Organisation werden besondere Versicherungsanstalten eingerichtet. Der Invalide erhält eine Rente. Lit.: Stolleis, M., Die Sozialversicherung Bismarcks, in: Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung, 1979, 387; Rückert, J., Entstehung und Vorläufer der gesetzlichen Rentenversicherung, in: Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 1990, 1 Inventar (lat. [N.] inventarium) ist eine Gesamtheit von Gegenständen und ein über dieses geführtes Verzeichnis. Im spätantiken römischen Recht führt Justinian 531 die Wohltat des Inventars (lat. beneficium [N.] inventarii) ein, wonach der, welcher innerhalb bestimmter Fristen ein Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände erstellt, die Haftung für die Erbschaftsschulden auf die Nachlass- gegenstände beschränken und damit von seinem bereits vor dem Erbfall vorhandenen Vermögen fernhalten kann. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird auch das I. in diesem Sinne aufgenommen. Lit.: Kaser §§ 62 III, 74 II; Köbler, DRG 59; Mely, F. de/Bishop, E., Bibliographie générale des inventaires imprimés, Bd. 1ff. 1892ff.; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 600 inventarium (lat. [N.]) -> Inventar Investitor (M.) Einkleider, Einweiser (Bologna 1057) Investitur ist im Mittelalter die förmliche, die unsichtbaren Rechtsvorstellungen (z. B. Eigentum, Lehen) äußerlich sichtbar machende Bekleidung mit einem Amt oder einem Recht. Ob sie germanischer Herkunft ist, ist zweifelhaft. Lat. vestire, investire im Sinne des Bekleidens mit einem (an sich unsichtbaren) Recht scheint eher aus der spätantiken Kirche zu kommen. Auch das Verhältnis zu einem vorangehenden Geschehen (ahd. sala, lat. [F.] traditio) ist ungewiss. Als Symbole der den Übergang der -> Gewere bewirkenden I. werden Halm, Zweig, Scholle, Ring, Kreuz, Lanze, Fahne und anderes verwendet. Lit.: Hübner 258, 366; Köbler, DRG 90; Köbler, LAW; Mayer, E., Die Einkleidung im germanischen Rechte, FS Adolf Wach, 1913; Mayer, E., Zur Einkleidung (Gewere), ZRG GA 35 (1914), 431; Mayer, E., Zur Lehre von der Einkleidung, ZRG GA 36 (1915), 439; Visconti, A., Su alcune ,,notitiae investiturae" contenute nel Codice diplomatico Lombardo, Annali della R. Universit di Macerata 6 (1930); Voser, P., Die altdeutsche Liegenschaftsübertragung, 1957; Müller, W., Ein Auflassungs- und Investitursymbol des Klosters St. Gallen, 1972; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 43 (1975), 195; Quellen zum Investiturstreit, Teil 1 Ausgewählte Briefe Papst Gregors VII. übersetzt v. Schmale, Franz-Josef, 1978; Krieger, K., Die Lehnshoheit, 1979; Investitur- und Krönungsrituale, hg. v. Steinicke, M. u. a., 2004 investitura (lat. [F.]) Einkleidung, -> Investitur Investiturstreit ist der aus -> Immunität und ottonischem -> Reichskirchensystem er- wachsene, 1075 zwischen dem Salier Heinrich IV. und Papst Gregor VII. anlässlich der Besetzung des Erzbistums Mailand ausgebrochene Streit um die Bekleidung (-> Investitur) von Laien mit kirchlichen Ämtern (Bistümern, Abteien). Hier verbündet sich der Papst mit deutschen Fürsten gegen den König, doch gelingt diesem 1077 mit dem Reue bezeugenden Gang nach -> Canossa die Lösung vom Bann. Mit dem -> Wormser Kon- kordat kommt es 1122 zu einem vorläufigen Ausgleich. Lit.: Hirsch, H., Klosterimmunität und Investiturstreit, 1913; Schmeidler, B., Kaiser Heinrich IV. und seine 341 Helfer im Investiturstreit, 1927; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbotes, 1981; Blumenthal, U., Der Investiturstreit, 1982; Hartmann, W., Der Investiturstreit, 2. A. 1996; Englberger, J., Gregor VII. und die Investiturfrage, 1996; Goez, W., Kirchenreform und Investiturstreit, 1996; Golinelli, P., Mathilde und der Gang nach Canossa, 1998; Goez, W., Kirchenreform und Investiturstreit 910-1122, 2000 Inzest (M.) Blutschande Lit.: Mikat, P., Die Inzestgesetzgebung der merowingisch-fränkischen Konzilien, 1994; Siebert, M., Das Inzestverbot, Diss. jur. Berlin 1996, 1998; Siegel, E., Inzest, 1999 Inzichtverfahren ist im Mittelalter ein zwischen Zivilverfahren und Strafverfahren stehendes besonderes Leumundsverfahren, das seit dem 16. Jh. im -> Inquisitionsprozess auf- geht. Lit.: Müller, R., Studien zum Inzichtverfahren nach bayerischen Quellen, 1939, Neudruck 1970 Ipso iure compensatur (durch das Recht selbst wird aufgerechnet) ist eine im Codex Justinians (C. 4, 31, 14 pr) enthaltene Rechtsregel, welche die Entbehrlichkeit einer besonderen Aufrech- nungserklärung ausspricht (anders § 388 BGB). Iran Lit.: Gronke, M., Geschichte Irans, 2003 Irland ist der westlich Englands gelegene, nordwesteuropäischer Staat, der seit 1973 der Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union (1993) angehört. Seit der zweiten Hälfte des 1. Jt.s v. Chr. wandern Kelten in die bereits besiedelte Insel ein. Um 450 n. Chr. werden die Bewohner christianisiert. 1171/2 greift der König von England auf I. aus. 1534 beginnt er mit der Unterwerfung und nennt sich 1541 König von I. Im Norden setzt sich der englische Einfluss und damit auch die protestantische Religion durch. Seit dem Ende des 18. Jh.s gibt es so gut wie kein selbständiges irisches Privatrecht mehr. 1801 wird ein gemeinsames Parlament eingerichtet. Am 6. 12. 1921 wird die Loslösung Irlands (ausgenommen Nord- irland) von Großbritannien vertraglich vereinbart. Das irische Recht ist englisch geprägt, wird aber seit 1922 durch Gesetze ergänzt. Im Gegensatz zu England hat I. eine formelle Verfassung. Lit.: Studies in early Irish law by Thurneysen, R. u. a., 1936; Szövérffy, J., Irisches Erzählgut im Abendland, 1957; Hand, G., English Law in Ireland 1290-1324, 1967; Beckett, J., Geschichte Irlands, 1971; Die Iren in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982; Irland und Europa, 1984; A new history of Ireland, hg. v. Cosgrave, A., 1987; Lee, J., Ireland 1912-1985, 1989; Elvert, J., Geschichte Irlands, 1993; Croinin, D., Early Medieval Ireland, 1995; Irland und Europa im fühen Mittelalter, hg. v. NiChatháin, P. u. a., 1996; Richter, M., Irland im Mittelalter, 1996; Maurer, M., Kleine Geschichte Irlands, 1998; Richter, M., Ireland and her Neighbours, 1999; Charles-Edwards, T., Early Christian Ireland, 2000; Noetzel, T., Geschichte Irlands, 2003; Breuer, R., Irland, 2003; Braun, N., Terrorismus und Freiheitskampf, 2003; Richter, M., Irland im Mittelalter, 2003 Irnerius (Guarnerius, [eigenhändig wohl immer] Wernerius) (1060?-1125?) ist der Urheber der durch Wiedergewinnung der -> Digesten Justinians (530/3) veranlassten, durch die zunehmende Schulung in den freien Künsten (lat. artes [F.Pl.] liberales) ermöglichten und im Ergebnis wohl auch gewissen praktischen Bedürfnissen ent- sprechenden rechtswissenschaftlichen Literatur des Mittelalters. Vermutlich erteilt I. zuerst Unterricht in den freien Künsten und behandelt dabei im Rahmen der Rhetorik auch das Recht. Danach versieht er bei scholastischer Interpretation fast die gesamten justinianischen Rechtstexte (Digestum vetus, -> Codex, -> Institutiones) mit mehreren tausend nur teilweise erhaltenen Glossen (lat. Apparatus [M.] glossarum, Sigle Y bzw. G). Außerdem fertigt er die -> Authenticae an und verfasst vielleicht eine kurze -> Distinktion. Zwischen 28. 6. 1112 und dem 10. 12. 1125 ist er als (lat. [M.]) causidicus (1112, 1113) der Markgräfin Mathilde von Tuszien und (lat. [M.]) iudex (1116-1118) Kaiser Heinrichs V. bezeugt. 1119 wird er (wahrscheinlich) exkommuniziert. Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 105; Pescatore, G., Die Glossen des Irnerius, 1888, Neudruck 1968; Besta, E., L'opera d'Irnerio, 1896, Neudruck 1980; Nörr, D., Zur Herkunft des Irnerius, ZRG RA 82 (1965), 327; Weigand, R., Die Naturrechtslehre, 1967; Spagnesi, E., Wernerius bononiensis iudex, 1970; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Fried, J., auf Bitten der Gräfin Mathilde, in: Europa an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert, hg. v. Herbers, K., 2001 Irrtum (lat. [M.] error) ist das Ausei- nanderfallen von Vorstellung eines Handelnden 342 und Wirklichkeit. Im römischen Recht ist der I. ein Fall von fehlender Willensüberein- stimmung, so dass er (als I. über Gegenstand, Preis oder Vertragstyp) keinen Vertrag entstehen lässt. In der byzantinischen und mittelalterlich-römischen Rechtswissenschaft schließt auch der I. über die tatsächlichen Eigenschaften des Geschäftsgegenstands die Bindung aus, wobei es später darauf ankommt, dass der Irrtum für die Vornahme des Geschäfts ursächlich ist. Im frühneuzeitlichen gemeinen Recht werden als Fallgruppen der Irrtümer Geschäftsort, Geschäftsgegenstand, Geschäfts- gegner und Geschäftsbezeichnung unterschie- den. Das Vernunftrecht hält den I. teils grundsätzlich für unbeachtlich (Kreittmayr), teils grundsätzlich für bedeutsam (Allgemeines Landrecht 1794). Im 19. Jh. wird teils auf den Willen abgestellt (Willenstheorie, Savigny), teils auf die Erklärung (Erklärungstheorie). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) werden die Vorzüge beider Ansichten in einem komplizierten Geflecht verbunden. Im 19. Jh. erscheint der I. als allgemeine Figur auch im allgemeinen Teil des Strafrechts. Lit.: Kaser § 8 I; Hübner; Köbler, DRG 43, 165, 204, 208; Engelmann, W., Irrtum und Schuld nach der italienischen Lehre und Praxis des Mittelalters, 1922, Neudruck 1975; Haupt, P., Die Entwicklung der Lehre vom Irrtum, 1941; Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune 8 (1979), 36; Kramer, E., Der Irrtum beim Vertagsschluss, 1998; Schermaier, M., Europäische Geistesgeschichte am Beispiel des Irrtumsrechts, ZEuP 1998, 60; Ranieri, F., Kaufrechtliche Gewährleistung und Irrtumsproblematik, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 207; Schermaier, M., Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums, 2000; Löhnig, M., Die Entstehung des Irrtumsrechts im Allgemeinen Landrecht, ZRG GA 120 (2003), 200; Harke, J., Irrtum über wesentliche Eigenschaften, 2003 Isidor von Sevilla (Cartagena um 560-Sevilla 4. 4. 636), aus hispanorömischer Familie, Bischof von Sevilla, stellt in seinen (lat. [F.Pl.]) Etymologiae (bzw. Origines) das Wissen seiner Zeit in 20 Büchern dar. Durch die weite Verbreitung dieses Werkes werden zahlreiche römische Rechtsbegriffe schon im Frühmittelalter vermittelt (z. B. lat. ius, lex, consuetudo, mos, ius civile, ius gentium, ius naturale). Isidors von Gregor dem Großen beeinflusstes Werk Sententiae (mehr als 500 erhaltene mittelalterliche Handschriften) wirkt mit seinen theologischen Definitionen stark auf Florilegien, Summen und Kirchenrechtssamm- lungen ein. Lit.: Etymologiae, hg. v. Lindsay, W., 1911; Diesner, H., Isidor von Sevilla und das westgotische Spanien, 1977; Fontaine, J., Isidore de Séville, 2000 Islam ist die von -> Mohammed (Mekka um 569 ­ Medina 8. 6. 632) gestiftete Weltreligion (des alleinigen Gottes Allah), deren Anhänger sich Muslime (die sich Gott unterwerfen) nennen. Noch im 7. Jh. dehnt sich der I. von Arabien bis zum Nordwesten Afrikas aus. Seit 711 wird Spanien gewonnen. Im 10. Jh. werden die Türken im Herzen Asiens bekehrt, im 11. Jh. Teile Indiens. 1258 fällt Bagdad an die Mongolen. 1453 wird Byzanz von den Türken erobert und der I. auf dem Balkan verbreitet. Im 16. Jh. gelangt der I. nach Indonesien, im 20. Jh. in weitere Teile Afrikas. Der I. ist Gesetzesreligion, weshalb schon der Koran für alle Lebensbereiche Rechtsvorschriften festlegt. Hinzu kommt das überlieferte Handeln Mohammeds. Hieraus entsteht durch islamische Rechtsgelehrte eine Pflichtenlehre (-> Saria, Scharia). Im 16. Jh. wird im osmanischen Reich der Richter darüber hinaus den Anweisungen des Sultans unterstellt. Lit.: Horster, P., Zur Anwendung des islamischen Rechts im 16. Jahrhundert, 1935; Enzyklopädie des Islam, Bd. 1f. 2. A. 1960ff.; Coulson, N., A History of Islamic Law, 1964; The Cambridge History of Islam, 1970; Lexikon der islamischen Welt, hg. v. Kreiser, K. u. a., Bd. 1ff. 1974; Watt, M./Welch, A., Der Islam, 1980; Schacht, J., An Introduction to Islamic Law, 1982; Abu-Ghosh, S., Das islamische Unterhaltsrecht nach al-Kasani, 1989; Dilger, K., Tendenzen zur Rechtsentwicklung, in: Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989, 170; Motzki, H., Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz, 1991; Khoury/Hagemann/Heine, Islam-Lexikon, Bd. 1ff. 1991; Der politische Islam, hg. v. Schwarz, J., 1993; Coulson, N., Histoire du droit islamique, 1995; Der Islam in der Gegenwart, hg. v. Ende, W. u. a., 4. A. 1996; Scholz, P., Malikitisches Verfahrensrecht, 1997; Endreß, G., Der Islam, 3. A. 1997; Oßwald, R., Pactane sunt servanda, 1998; Nagel, T., Die islamische Welt bis 1500, 1998; Der Islam in Europa, hg. v. Heuberger, V., 1999; Arkoun, M., Der Islam, 1999; Halm, H., Der Islam, 5. A. 2004; Cardini, F., Europa und der Islam, 2000; Kettermann, G., Atlas zur Geschichte des Islam, 2001; Tibi, B., Einladung in die islamische Geschichte, 2001; 343 Motzki, H., The origins of islamic jurisprudence, 2002; Bihl, W., Islam, 2003; Möhring, H., Warum verlor die islamische Kultur ihre führende Stellung? HZ 277 (2003), 655; Krämer, G., Geschichte des Islam, 2005 Island ist der auf der zweitgrößten Insel Europas gebildete nordwesteuropäische Staat. I. ist seit dem 4. Jh. n. Chr. bekannt und wird am Anfang des 9. Jh.s durch iroschottische Mönche und um 875 durch Wikinger (Normannen) besiedelt. 930 erscheint das Allthing. 1000 wird I. christlich. Trotz karger natürlicher Gegebenheiten entwickeln sich hohe literarische Kultur und vorbildliche Armenfürsorge. 1262 erhält der König von -> Norwegen durch Vertrag die Herrschaft. 1380 fällt I. mit Norwegen an -> Dänemark, das 1550 die Reformation durchsetzt. 1918 wird I. von Dänemark unabhängig. 1944 wird I. Republik. Lit.: Finsen, V., Om de oprindelige Ordning af nogle af den islandske Fristats Institutioner, 1888; Boden, F., Die isländische Regierungsgewalt in der freistaatlichen Zeit, 1905; Haff, K., Die wiederaufgefundene ,,Descriptio Islandiae", ZRG GA 50 (1930), 389; Midderhoff, H., Thinggericht und Zwölferspruch in Altisland, ZRG GA 77 (1960), 26; Scovazzi, M., La saga di Hrafnkell, 1960; Scovazzi, M., Il diritto islandese nella Landnámabók, 1961; Paulsen, P., Drachenkämpfer, 1966; Imhof, A., Grundzüge der nordischen Geschichte, 1970; Kuhn, H., Das alte Island, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge- schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,523, 4,4,631; Die Saga von Egil, hg. v. Schier, K., 1978; Wilde-Stockmeyer, M., Sklaverei auf Island, 1978; Byock, J., Medieval Iceland, 1988; Schröder, P., Island, 1994; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Gerhold, W., Armut und Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002 Isländisches Recht ist das Recht der Isländer bzw. Islands. Seine Anfänge sollen um 930 in Norwegen nach dem Vorbild der Gulathingslög von Ulfljotr zusammengefasst und in Island von einer Versammlung (Allthing) als Recht (an. log) angenommen worden sein. Mit der Christianisierung (1000) treten Änderung in dem mündlich durch Gesetzessprecher (an. logsogumadr) bewahrten Recht ein. 1117/1118 verfasst der Gode Haflie Marsson eine schriftliche Fassung (an. Haflidaskra), die ebenso verschollen ist wie das 1122-32 entstehende Christenrecht (an. Kristinna laga thattr). Vermutlich beruht auf den Inhalten die - > Gragas (2. H. 13 Jh.). 1271/1273 wird unter norwegischer Herrschaft (1262) die -> Jarnsida (Eisenseite) angenommen, 1281 die -> Jonsbok (Lögbok Islendinga), von der rund 200 Handschriften überliefert sind. Um 1275 stellt Bischof Arne von Skalholt ein neues Christenrecht (an. kristinrettr Arna biskupes) zusammen. Rechtliche Aufschlüsse ermög- lichen auch die Geschichtsdarstellungen und die Isländersagas. Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960 Isny Lit.: Die Urkunden des früheren reichsstädtischen Archivs Isny bis 1550, hg. v. Kammerer, I. u. a., 1955; Kammerer, I., Isny, 1956; Wunderlich, P., Das Recht der Reichsstadt Isny, Diss. jur. Tübingen 1957; Speth, Hermann, Die Reichsstadt Isny am Ende des alten Reiches, 1973; Hauptmeyer, C., Verfassung und Herrschaft in Isny, 1976 Israel ist im Alten Testament der zweite Name Jakobs, der stellvertretend für die -> Juden und ihren Staat steht, insbesondere für den seit 1917 angestrebten bzw. 1948 verwirklichten Staat. Lit.: Noth, M., Geschichte des Volkes Israel, 1956; Wolffsohn, M., Politik in Israel, 1982; Raacke, G., Der Einfluss deutschbürtiger Juristen, ZRP 1997, 308; Timm, A., Israel, 1998; Schirer, L., Israelisches und jüdisches Recht, 1998; Clauss, M., Das alte Israel, 1999; Herz, D., Geschichte Israels, 2003; Israel und Deutschland, hg. v. Ben Natan, A. u. a., 2005 Istanbul am Bosporus geht auf das griechische Byzanz zurück. 1453 wird es von den Osmanen erobert. Es erhält eine Universität. Lit.: Barisch, K./Barisch, L., Istanbul, 5. A. 1985 Italicus -> mos Italicus Italien ist der zwischen Griechenland und Spanien gelegene südeuropäische Staat, der seit 1952 zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union (1993) gehört. Am Ende des 2. Jt.s v. Chr. wandern dort von Norden Italiker (zu lat. vitulus [M.] Kalb?) ein, nach denen die Griechen zunächst den Süden als Italia bezeichnen. Seit dem 5. Jh. v. Chr. entsteht von Rom aus ein Reich, das allmählich ganz I. erfasst und sich auf den gesamten Mittelmeerraum ausdehnt. 476 fällt I. als Teil des westlichen Teiles des Reichs der Römer mit Rom an Germanen (Odowakar 476-493, 344 Theoderich den Großen 493-526). Die Rück- gewinnung seitens des oströmischen Kaisers Justinian wird durch den Einbruch der -> Langobarden (568) gestört. Danach wird I. unter Ostrom (Venedig, Ravenna, Unteritalien), den Langobarden und dem Papst geteilt. Auf einen Hilferuf des Papstes besiegt der fränkische König Pippin III. den Lan- gobardenkönig Aistulf und gewährt dem Papst in der -> pippinischen Schenkung 754 Teile der von den Langobarden besetzten Gebiete (-> Kirchenstaat). 774 unterwirft Karl der Große die Langobarden. Nach zwischenzeitlichen Wirren erneuert Otto I. 951 die Bindung eines Teils Italiens an das fränkisch-deutsche Reich. Im 11. Jh. fassen Normannen in Unteritalien Fuß und beginnen oberitalienische Städte nach Selbständigkeit zu streben. Trotz der Heirat Heinrichs VI. und Konstanzes von Sizilien gelingt den Staufern eine dauerhafte Sicherung der von Papst und Städten bekämpften Herrschaft nicht. Nach dem Scheitern der Idee eines einheitlichen Imperiums der Staufer steht I. für drei Jahrhunderte im Zeichen ver- hältnismäßig selbständiger, dem Reich lehnsrechtlich verbundener Mittelstaaten (z. B. Florenz, Genua, Mailand, Neapel, Venedig). Seit 1494 wird I. zum Streitgegenstand zwischen Frankreich (als Nachfolger der Anjou [1265-1282 Sizilien, 1265-1435 Neapel]) und Spanien/Habsburg (Aragón [Sizilien 1282, Sardinien 1323, Neapel 1442]). 1701/1713 gelangt als Folge des spanischen Erbfolge- krieges der Süden an Frankreich, der Norden an Österreich. Das erwachende Nationalgefühl führt (als [it.] risorgimento) 1859 zum Kampf gegen Österreich, das 1859 die Lombardei verliert. Danach werden die französischen Bourbonen aus dem Süden vertrieben. Der Fürst von Sardinien-Piémont nimmt mit dem 17. 3. 1861 den Titel eines Königs von I. an. 1866 wird von Österreich Venedig gewonnen und bis 1870 der Kirchenstaat bis auf geringe Reste durch Annexion eingezogen. Nach der faschistischen Herrschaft Mussolinis (1922- 1943) wird I. am 2. 6. 1946 Republik. Politisch gelingen ihm stabile Regierungen nicht. Lit.: Köbler, DRG 133, 170, 172, 173; Köbler, Historisches Lexikon; Lessico Etimologico Italiano; Blandini, G., La tirannide italiana nel rinascimento, 1889; Roberti, M., Dei bene appartenenti alle citt, 1903; Mayer, E., Italienische Verfassungsgeschichte, 1909; Mayer, E., Bemerkungen zur frühmittelalterlichen, insbesondere italienischen Verfassungsgeschichte, 1912; Chiapelli, L., L'et longobarda e Pistoia, 1922; Solmi, A., Il comune nella storia del diritto, Enciclopedia giuridica italiana 3, 2 (1922); Schneider, F., Die Entstehung von Burg und Landgemeinde in Italien, 1924; Sthamer, E., Aufgaben der Geschichtsforschung in Unteritalien, ZRG GA 46 (1926), 132; Bognetti, Sulle origini dei comuni rurali nel medio evo, 1926f.; Below, G. v., Die italienische Kaiserpolitik des deutschen Mittelalters, 1927; Stutz, U., Neue Forschungen zur Geschichte des italienischen Städtewesens, ZRG GA 48 (1928), 444; Calasso, F., La legislazione statutaria dell' Italia meridionale, 1929; Mochi Onory, S., Ricerche sui poteri civili dei vescovi, 1930; Silberschmidt, W., Die Bedeutung der Gilde, ZRG GA 51 (1931), 132; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Solmi, A., L'amministrazione finanziaria del regno italico nell' alto medio, 1932; Chiapelli, L., Storia di Pistoia, 1932; Mochi Onory, S., Vescovi e citt (sec. 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Manaresi, C., Bd. 1f. 1955ff.; Hlawitschka, W., Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien 774-962, 1960; Petrucci, A., Notarii, 1958; Dilcher, G., Bischof und Stadtverfassung in Oberitalien, ZRG GA 81 (1964), 225; Santini, G., I comuni di Pieve nel medioevo italiano, 1964; Annali della fondazione italiana per la storia amministrativa 1, 1964; Hoke, R., Die rechtliche Stellung der national gemischten Bevölkerung am Nordrand der Adria im mittelalterlichen deutschen Reich, ZRG GA 86 (1969), 41; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, 1970; Projet du Code civil de la Republique Romaine (1798), hg. v. Ranieri, F., 1976; Bibliografia delle edizioni giuridiche antiche in lingua italiana, 1978; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Italien im Mittelalter, hg. v. 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In Pavia entwickelt sich eine Rechtsschule der Langobarden. Im ausgehenden 11. Jh. wird das römische Recht wiederentdeckt (-> Irnerius). Daneben tritt örtliches Recht der einzelnen Städte und Stadtstaaten immer stärker hervor (-> Statuten), neben denen das von Glossatoren und Kommentatoren weiterentwickelte gelehrte Recht als gemeines Recht (lat. -> ius [N.] com- mune) gilt. Am Beginn der Neuzeit tritt die italienische Rechtswissenschaft (lat. [M.] -> mos Italicus) zugunsten der französischen Rechtswissenschaft (lat. [M.] mos Gallicus) zurück. Die bereits im 18. Jh. entstehenden Gesetze einzelner Staaten werden zwischen 1804 und 1811 durch die Kodifikationen Frankreichs ersetzt und danach nur teilweise wieder eingeführt. Im Königreich Italien werden 1865 ein Zivilgesetzbuch (it. Codice civile), eine Zivilprozessordnung, ein Handelsgesetzbuch (it. Codice di commercio) und 1889 ein Strafgesetzbuch erlassen. 1930 wird das Strafrecht neu gefasst, 1931 das Strafprozessrecht und 1942 das Zivilgesetzbuch (einschließlich Handelsrecht, 2969 Artikel) und das Zivilprozessrecht. Bereits seit 1890 ent- stehen zahlreiche Sozialgesetze. Lit.: Pertile, A., Storia del diritto italiano, Bd. 1ff. 2. A. 1896ff.; Ciccaglione, F., Il diritto successorio nella storia del diritto italiano, 1891; Schneider, F., Einleitung zum Regestum Volaterranum, 1907; Meyer, E., Italienische Verfassungsgeschichte, Bd. 1f. 1909, Neudruck 1968; Salvioli, G., Storia della procedura civile e criminale, 1925; Pitzorno, B., Elaborazione scientifica della storia del diritto italiano, 1928; Brandileone, F., Scritti di storia del diritto privato italiano, hg. v. Ermini, G., 1931; Checchini, A., Scritti giuridici e storico-giuridici, Bd. 1ff. 1958; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Calasso, F., La ,,convenientia", 1932; Leicht, P., Il diritto privato preirneriano, 1933; Paradisi, B., Massaricium ius, 1937; Nicolini, U., Le limitazioni alla propriet, 1937; Mochi Onory, S., Diritti della personalit e rapporti di famiglia nel rinaschimento italiano, ZRG GA 58 (1938), 478; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Giardina, C., La cos detta propriet degli alberi, 1941 (Ak. Palermo); Dahm, G., Untersuchungen zur Verfassungs- und Strafrechtsgeschichte der italienischen Stadt, 1941; Paradisi, B., Gli studi di storia del diritto italiano, 1950; Petracchi, A., Le origini dell'ordinamento comunale e provinciale italiano, 1962; Luther, G., Einführung in das italienische Recht, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,53,234,872, 2,2,97,923,1113, 3,1,177, 3,2,2331, 3,3,3209,3625,3735,3831,3908,3985,- 4109; Celli, R., Studi sui sistemi normativi delle democrazie comunali, 1976; Luig, K., Der Geltungsgrund des römischen Rechts im 18. Jahrhundert, in: Formazione storica, Bd. 2 1977, 819; Bonini, R., Disegno storico del diritto privato italiano (1865-1942), 1980, 2. A. 1990; Ghisalberti, La codificazione del diritto in Italia, 1985; Vallone, G., Iurisdictio domini ­ Introduzione a Matteo d'Afflitto (um 1443-1523), 1985; Santini, G., Europa medioevale, 1986; Cavina, M., Dottrine giuridiche a strutture sociali padane nella prima et moderne, Carolus Ruinus (1456-1530), 1988; Deutsche Rechtswissenschaft und Staatslehre im Spiegel der italienischen Rechtskultur während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hg. v. Schulze, R., 1990; Mazzacane, A., Neuere Rechtsgeschichte in Italien, ZNR 1992; Cian, G., Fünfzig Jahre italienischer Codice civile, 346 ZEuP 1993, 120; Kindler, P., Einführung in das italienische Recht, 1993; Köbler, G., Rechtsitalienisch, 2. A. 2004; Beneduce, P., Il corpo eloquente, 1996; Watkin, T., The Italian legal tradition, 1997; Rübesamen, R., Das italienische Zivilgesetzbuch, 2000; Prodi, P., Una storia della giustizia, 2000; Verfassungsgebung, partitocrazia und Verfassungswandel in Italien, hg. v. Ullrich, H., 2001; Matrimoni in dubbio, hg. v. Seidel Menchi, S. u. a., 2001; Martone, L., Giustizia coloniale, 2002; Englert, T., Deutsche und italienische Zivilrechtsgesetzgebung 1933-1945, 2003; Somma, A., I giuristi e l'asse culturale Roma-Berlino, 2005 Iter (lat. [N.] Weg) ist schon im altrömischen Recht die Grunddienstbarkeit (Servitut) des Fußweges und Reitweges. Lit.: Kaser § 28 I 2a Itinerar (N.) Reiseweg Lit.: Widders, E., Itinerar und Politik, 1993; Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar ­ Urkundenvergabe ­ Hof, 2002 Itio (F.) in partes (lat.) ist im neuzeitlichen Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das konfessionsbedingte Auseinandertreten jeder der drei Kurien des -> Reichstages seit etwa 1529, gesetzlich anerkannt seit 1648. Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961, 169; Heckel, M., Itio in partes, ZRG KA 95 (1978), 180 Iudex (lat. [M.]) ist schon im altrömischen Recht der vom Magistrat einzusetzende Richter. Er ist im Formalverfahren ein Privatmann, der nach Ableistung eines Eides mit der Entscheidungsaufgabe betraut werden kann. Er wird zumindest später durch Wahl seitens der Parteien oder aus einer amtlichen Liste (von Senatoren und später auch Rittern) bestimmt (seit Augustus etwa 3000, seit Caligula etwa 4000 Geschworene). Im Kognitionsverfahren ist der i. Amtsträger. -> Richter Lit.: Kaser §§ 81 II 2, 82 II 5; Köbler, DRG 19; Köbler, LAW; Guttenberg, E. v., Iudex h. e. grafio, FS E. Stengel, 1952, 93; Broggini, G., Iudex arbiterve, 1957; Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Horn, N., Bologneser Doctores und Iudices, ZHF 3 (1976); Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Peachin, M., Iudex vice Caesaris, 1996; Mangold, O., Iniuria iudicis, Diss. jur. Tübingen 2004 Iudex non calculat (lat.). Der Richter rechnet nicht. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Macer, frühes 3. Jh., Digesten 49, 8, 1 § 2) Iudicium (lat. [N.] Urteil, Gericht, Urteilsgericht) ist im römischen Recht das vom Magistrat den Parteien unter ihrer Mitwirkung eingesetzte Gericht, in dem der Richter das Urteil treffen soll (Spruchgericht). Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, LAW; Cram, K., Iudicium belli, 1955; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Honsell, H., Quod interest im bonae fidei iudicium, 1969 Iudicium (N.) parium (mlat.) ist vielleicht schon seit dem Frühmittelalter das Gericht der im Stand Gleichen (Magna Charta England 1215). Mit dem Schwinden des Gedankens der Notwendigkeit des i. p. geht die Entstehung des Instanzenzuges einher. Lit.: Weisse, C., De iudicio parium, 1828; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954 Iulianus, Salvius (Hadrumetum um 100-um 170), Abkömmling einer aus Italien kom- menden Kaufmannsfamilie in Nordafrika, wird mit einer eindrucksvollen Ämterlaufbahn zu einem der bedeutendsten römischen Juristen der klassischen Zeit. In seinen in den justinianischen Digesten auszugsweise überlie- ferten Werken ([90 libri] digesta, libri ad Urseium Ferocem, liber singularis de ambiguitatibus, quaestiones) erörtert er ohne verbindenden Text schwierige Einzelfragen. Kaiser Hadrian überträgt ihm die abschließende Bearbeitung des prätorischen Edikts (um 130). Er ist Oberhaupt der sabinianischen Rechts- schule. Lit.: Söllner §§ 15, 16; Köbler, DRG 31; Bund, E., Untersuchungen zur Methode Julians, 1965; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 157 Iulianus (Konstantinopel um 554 Einführungsvorlesung in die justinianischen Novellen in lateinischer Sprache) ist ein byzantinischer Rechtslehrer. Lit.: Kaiser, W., Die Epitome Iuliani, 2004 Iunius (Marcus Iunius Brutus) ist ein römischer Jurist des 2. Jh.s v. Chr., von dem (lat.) libri (M.Pl.) tres iuris civilis (drei Bücher Zivilrecht) bekannt sind. iuramentum (lat. [N.]) Eid, Schwur Lit.: Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977 Iura ossibus inhaerent (lat.). Die Rechte hängen an den Knochen (Personalitätsprinzip). 347 Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Iura praediorum (lat. [N.Pl. zu ius praedii]) sind im römischen Recht die landwirt- schaftlichen und städtischen Servituten (Grund- dienstbarkeiten) wie (lat.) iter (N.), actus (M.), via (F.), aquaeductus (M.), servitus (M.) stillicidii usw. Lit.: Kaser § 28 I 2 iuris consultus (lat. [M.]) Rechtsgelehrter Lit.: Söllner § 11; Diplovatatius, T., De claris iuris consultis, hg. v. Schulz, F. u. a., 1968 iurisdictio (lat. [F.]) Rechtsprechung, Gerichtsbarkeit Lit.: Söllner §§ 6, 9 iurisdictio (F.) voluntaria (lat.) -> freiwillige Gerichtsbarkeit Lit.: Wacke, A., Zur iurisdictio voluntaria, ZRG RA 106 (1989), 180 Iuris praecepta sunt haec: honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere (lat.). Die Anweisungen des Rechtes sind: ehrenhaft leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine zugestehen. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Pseudoulpian, 3./4. Jh., Digesten 1, 1, 10 § 1); Nörr, D., Iurisperitus sacerdos, in: Xenion, FS J. Zepos, 1973, Bd. 1, 555 Ius (lat. [N.]) ist das Recht und (sekundär?) das Gericht. Die Etymologie dieses Grundwortes ist streitig (verwandt mit ahd. ewa?). Das Wort kann sowohl objektiv (Gesamtheit von ord- nenden Rechtssätzen, objektives Recht) wie auch subjektiv (Einzelberechtigung, subjektives Recht) gebraucht werden. Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 17, 60, 82; Köbler, LAW; Levy, E., Ergänzungsindex zu ius und leges, 1930; Noailles, P., Fas et ius, 1948; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Feenstra, R., Ius in re, 1979; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Haug, F., Ius und fas, 1996; Spengler, H., Studien zur interrogatio in iure, 1994; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996 Ius (N.) ad rem (lat.) ist im Mittelalter das mit dem Abschluss eines Rechtsgeschäftes entste- hende Recht auf die Sache. Es erscheint in der gelehrten Literatur des 13. Jh.s (Kanonistik [1200-10], Summa super usibus feudorum [1230-1250, Jacques de Revigny?]) für den Lehnsmann, der zwar bereits belehnt ist, das Lehnsgut aber noch nicht körperlich erlangt hat. Er darf das Gut (auch im Verhältnis zu Dritten) an sich ziehen. Ähnliches gilt für den Erwerber einer Pfründe. In der frühen Neuzeit wird das i. a. r. zu dem allgemeinen Grundsatz ausgebaut, dass der spätere dingliche Erwerber einer Sache dem früheren schuldrechtlichen, dessen Anspruch er kennt, weichen muss. In einzelnen Regelungen ist das i. a. r. in das -> Allgemeine Landrecht (Preußen 1794) einge- gangen. Mit dem preußischen Eigentums- erwerbsgesetz (5. 5. 1872) wird es für unbe- wegliche Sachen durch die -> Vormerkung ersetzt. Lit.: Hübner 178; Köbler, DRG 126, 164; Brünneck, W. v., Über den Ursprung des sog. ius ad rem, 1869; Heymann, E., Zur Geschichte des jus ad rem, FS O. Gierke, 1911; Eisfeldt, Beiträge zur Geschichte des ius ad rem, Diss. jur. Kiel 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966, 121; Landau, P., Zum Ursprung des ,,ius ad rem" in der Kanonistik, Proceedings of the Third International Congress of Medieval Canon Law, 1971, 81; Wesener, G., Dingliche und persönliche Sachenrechte - iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer, 1991, 195; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002 Ius (N.) Aelianum ist im römischen Recht das von dem frühen Juristen Sextus Aelius Paetus Catus (198 v. Chr.) zusammengefasste Recht. Lit.: Söllner § 11; Köbler, DRG 29 Ius (N.) affectandi (lat.) ist das im (lat.) -> privilegium (N.) minus (1156) dem babenbergischen Herzog Heinrich Jasomirgott von Österreich und seiner Frau (nicht den Nachfolgern) gewährte Recht, bei Kinder- losigkeit den Nachfolger zu bestimmen. Es wird im gefälschten (lat.) privilegium (N.) maius (1358) vom Fälscher auf alle österreichischen Herzöge erweitert. Lit.: Baltl/Kocher Ius (N.) armorum (lat.) ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) in der Neuzeit das Recht, ein Heer zu unterhalten. Lit.: Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der deutschen Territorien von 1500-1800, in: Forschungen zu Staat und Verfassung, 1958, 419 Ius (N.) canonicum (lat.) (kanonisches Recht) ist das seit etwa 1140 im -> Decretum Gratiani und den folgenden Teilen des (lat.) -> corpus (N.) iuris canonici niedergelegte kirchliche oder geistliche Recht. 348 Lit.: Köbler, DRG 106; Maaßen, F., Geschichte der Quellen und Literatur des canonischen Rechts, Bd. 1 1870, Neudruck 1956; Corpus iuris canonici, hg. v. Friedberg, E., 1879ff., Neudruck 1955, 1959; Codex iuris canonici, hg. v. Gasparri, 1917; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Codex des kanonischen Rechtes, 1983, 2. A. 1984; Zapp, H., Codex iuris canonici, Lemmata, 1986 Ius (N.) civile (lat.) ist das Recht der römischen Bürger im Gegensatz zum (lat.) ius (N.) gentium und zum (lat.) ius (N.) honorarium (bzw. praetorium). Es beruht auf dem Zwölf- tafelgesetz, auf den Volksgesetzen und der daran anknüpfenden Auslegung (der Rechts- wissenschaft). Im Frühmittelalter ist i. c. das weltliche Recht im Gegensatz zum (lat.) ius (N.) canonicum, seit dem Hochmittelalter auch das Stadtrecht im Gegensatz zum Landrecht (lat. ius [N.] terrae). Im 18. Jh. entspricht dem i. c. das bürgerliche Recht (Privatrecht). Unter dem Einfluss von i. c. ersetzt Zivilrecht zu- nehmend den Ausdruck Privatrecht. Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 9, 16, 18, 20, 25; Köbler, DRG 29, 30, 31, 106; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Kaser, M., Ius honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1 Ius (N.) civile Flavianum (lat.) ist das 304 v. Chr. von Gnaeus Flavius veröffentlichte römische Recht. Lit.: Köbler, DRG 29 Ius (N.) cogens (lat.) ist das zwingende Recht im Gegensatz zum durch die Beteiligten abänderbaren Recht (lat. ius [N.] dispositivum). Lit.: Kaser § 3 II Ius (N.) commune (lat.) ist das gemeine Recht im Gegensatz zum besonderen Recht. Im Altertum hat i. c. keine besondere Bedeutung. Seit der Wiederentdeckung des römischen Rechts im Hochmittelalter benennt es das römische Recht (und das kanonische Recht) im Gegensatz zum besonderen Recht einzelner Orte (Städte) oder Gebiete (Länder). Es wird erst durch die Kodifikationen abgelöst. Lit.: Kaser § 3 VI; Söllner §§ 2, 3, 25; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 137; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Helmholz, R., The ius commune in England, 2002; Bellomo, M., Europäische Rechtseinheit, 2005 Ius (N.) divinum (lat.) ist das göttliche Recht. Es ist im Christentum schon früh als vorrangig anerkannt. Es wird der göttlichen Offenbarung der Bibel und im weiteren Sinn auch dem Naturrecht entnommen. Das i. d. positivum ist unabänderlich (hierarchische Gliederung, Ge- walt, Sakramente). Das i. d. naturale, das durch die menschliche Vernunft erkannt wird, ist zwar auch grundsätzlich unabänderlich, aber entsprechend der menschlichen Vernunft in seiner Anwendung Schwankungen unterwor- fen. Das menschliche Gesetz darf nicht gegen das i. d. verstoßen. Im 19. Jh. wird das i. d. teilweise nur als moralische Anweisung eingeordnet, die erst in Rechtssätze überführt werden muss. Lit.: Rößer, E., Göttliches und menschliches, unverän- derliches und veränderliches Kirchenrecht, 1934; Plöchl, W., Das Legitimitätsproblem und das kanonische Recht, 1938; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Ius est ars boni et aequi (lat.). Das Recht ist die Kunst (bzw. das Handwerk) des Billigen und Gerechten. Lit.: Liebs, A., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Celsus, um 70-um 140) Ius (N.) evocandi (lat.) ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das Recht des Königs, jede Streitsache zur Entscheidung an sich zu ziehen (Evokationsrecht). Seit dem 13. Jh. erteilt der König vereinzelt, 1356 den Kurfürsten allgemein das Privileg, dieses Recht nicht in Bezug auf das privilegierte Land zu nutzen. 1487 bzw. 1495 verliert das Nicht- evokationsprivileg grundsätzlich seine Bedeu- tung, weil das königliche Gericht keine Zuständigkeit für reichsmittelbare Menschen mehr hat. Lit.: Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75 Ius (N.) foederis (lat.) bzw. ius faciendi foedera ist das seit 1648 allen Gliedern des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) zustehende -> Bündnisrecht. ius (N.) gentium (lat.) (Fremdenrecht) ist im römischen Recht seit Cicero (106-43 v. Chr.) das (römische, bei allen Völkern - für alle Rechtssubjekte - auch) für Nichtrömer geltende 349 Recht (Recht der Völker), das nach späterer Ansicht auf der natürlichen Einsicht aller Völker beruht und dem (lat.) ius (N.) naturale (- > Naturrecht) nahesteht. Es gewinnt in der frühen Neuzeit für das Naturrecht erneute Bedeutung. Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 18, 20; Köbler, DRG 30, 31, 146; Kaser M., Ius gentium, 1993 ius (N.) honorarium (lat.) ist im römischen Recht das von den Amtsträgern (Prätoren) geschaffene Recht, das vorwiegend den Bereich des Rechts der Völker (lat. ius [N.] gentium) betrifft. Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20; Köbler, DRG 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kaser, M., Ius honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1 ius (N.) in re (lat.) Recht in der Sache Lit.: Wesener, G., Dingliche und persönliche Sachenrechte - iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer, 1991, 195 iusiurandum (lat. [N.]) Eid iusiurandum (N.) calumniae (lat.) Schikaneeid, -> Kalumnieneid ius (N.) liberorum (lat.) Recht der Frau nach der Geburt von mehreren Kindern Ius (N.) naturale (lat.) ist das von der Natur dem Menschen vorgegebene Recht (griech. physei dikaion). Es steht im Gegensatz zum vom Menschen geschaffenen Recht, insbe- sondere dem gesetzten Recht (griech. thesei dikaion). -> Naturrecht Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 31, 146; Waldstein, W., Ius naturale, ZRG RA 11 (1994), 1 Ius (N.) Papirianum ist das durch zweifelhafte Königsgesetze geschaffene, am Ende des 6. Jh.s v. Chr. von dem Oberpriester Papirius veröffentlichte, aber nicht überlieferte römische Recht. Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 ius (N.) perpetuum (lat.) Dauerpacht Ius (N.) politiae (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Polizeigewalt des Landesherrn. Lit.: Kroeschell, DRG 3 ius (N.) praetorium (lat.) ist das vom römischen Prätor geschaffene Amtsrecht (lat. [N.] ius honorarium). Lit.: Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20; Köbler, DRG 31 Ius (N.) primae noctis ist das nur vereinzelt belegte, (als geldlich ablösbar erklärte) Recht des Grundherrn (Hirslanden 1538, Muri 1543) auf die erste Nacht einer heiratenden Hinter- sassin. Lit.: Schmidt, K., Ius primae noctis, 1881; Boureau, A., Das Recht der ersten Nacht, 1996; Wettlaufer, J., Das Herrenrecht der ersten Nacht, 1999 Ius (N.) privatum (lat.) ist im römischen Recht nach einer Ulpian (170?-223) zugeschriebenen Beschreibung ([lat.] privatum [ius est], quod ad singulorum utilitatem [spectat]) das Recht, das den Nutzen des Einzelnen belangt. Es bildet die Grundlage für das zu Beginn der Neuzeit abgesonderte -> Privatrecht. Lit.: Kaser § 3 II; Söllner §§ 7, 18; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103 (1986), 1 Ius (N.) publicum (lat.) ist im römischen Recht nach einer Ulpian (170?-223) zugeschriebenen Beschreibung ([lat.] publicum ius est, quod ad statum rei Romanae spectat) das Recht, das die Verhältnisse des römischen Gemeinwesens betrifft. Es bildet die Grundlage für das zu Beginn der Neuzeit abgesonderte öffentliche Recht. Lit.: Kaser §§ 3 II, 17 II; Söllner §§ 7, 18; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103 (1986), 1; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988 Ius (N.) quaesitum (lat.) ist in der frühen Neuzeit das subjektive Recht, das eine Person durch einen Rechtsvorgang im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung erlangt hat. Lit.: Meyer, G., Der Staat und die erworbenen Rechte, 1895 Ius (N.) Quiritium (lat.) ist das (lat.) -> ius (N.) civile der römischen Bürger. Lit.: Kaser § 22; Söllner § 9 Ius (N.) reformandi ist im neuzeitlichen Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das Recht des Landesherrn bzw. Staates, die Religionsangelegenheiten rechtlich zu gestal- ten. Es wird im Frieden von Münster und Osnabrück 1648 ausdrücklich anerkannt. Seit dem 19. Jh. wird es eingeschränkt. Lit.: Bonin, B. v., Die praktische Bedeutung des ius reformandi, 1902; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Ius (N.) reservatum (lat.) ist in der frühen Neuzeit das (dem Kaiser) vorbehaltene Recht. Lit.: Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte, Diss. jur. Erlangen 1957 (masch.schr.) 350 Ius Romanum allegans fundatam habet intentionem (lat.). Wer sich auf römisches Recht beruft, hat eine brauchbare Klagegrundlage. Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre, 1977, 1; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Ius (N.) spolii (lat.), Spolienrecht, ist der frühere Anspruch des Staates auf das bewegliche Vermögen verstorbener kirchlicher Würdenträger. Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 ius (N.) terrae -> Landrecht ius (N.) territorii et superioritatis (lat.) Landeshoheit Ius (N.) teutonicum (lat.) ist im Mittelalter das deutsche Recht als ein Grundbesitzrecht im Osten. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Kötzschke, R., Die Anfänge des deutschen Rechts, Ber. ü. d. Verh. d. sächs. Akad. d. Wiss. Leipzig phil.-hist. Kl. 93 1941, H. 2 Ius (N.) tollendi (lat.) ist im römischen Recht das Wegnahmerecht. Lit.: Kaser §§ 26, 27 Ius (N.) transitus (lat.) ist das Durchzugsrecht durch fremdes Staatsgebiet zu -> Enklaven. Ius (N.) utrumque (lat.) ist seit dem 12. Jh. eine Bezeichnung für das (lat.) ius (N.) canonicum und das (lat.) ius (N.) civile. Beide Rechte lehrt vielleicht als erster Bazianus (1197) in Bologna. Seit der Neuzeit betrifft das juristische Studium regelmäßig beide Rechte (- > [lat.] doctor [M.] iuris utriusque). Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Utrumque ius, hg. v. Schrage, E., 1992 Ius (N.) vitae necisque (lat.) ist im römischen Recht das Recht des Herrn über Leben und Tod eines Menschen. Lit.: Kaser § 12, 58, 60; Söllner §§ 5, 8 iussum (lat. [N.]) Geheiß, Ermächtigung Iusta causa (lat. [F.]) ist im römischen Recht der anerkannte Zuwendungszweck (z. B. Kauf, Mitgift) für die Übergabe (lat. traditio [F.]) einer Sache. Fehlt die i. c., kann kein Eigentum übertragen werden. Lit.: Kaser § 24 IV; Söllner § 8; Köbler, DRG 40 Iustitia (lat. [F.]) ist die Gerechtigkeit. Lit.: Köbler, DRG 30; Kissel, O., Die iustitia, 2. A. 1997 Iustitia est constans et perpetua voluntas suum cuique tribuendi (lat.). Gerechtigkeit ist der stetige und fortdauernde Wille, jedem das Seine zu geben. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998, 106, Nr. 195 (Pseudoulpian, 3./4. Jh., Institutionen 1, 1, pr.) iustum bellum (lat. [N.]) ist der -> gerechte Krieg. Iustum pretium (lat. [N.]) ist im römischen Recht der gerechte Preis. Im spätantiken römischen Recht kann der Verkäufer einer Sache den Kaufvertrag anfechten und gegen Rückzahlung des Preises die Rückgabe der Sache verlangen, wenn der Preis geringer ist als die Hälfte des Wertes und der Käufer nicht den auf den gerechten Preis fehlenden Betrag nachzahlt (lat. laesio [F.] enormis). Allerdings ist das i. p. schwer zu bestimmen. 1234 übernimmt die Kirche die spätantike Lehre vom i. p. Im 19. Jh. wird die Vorstellung des i. p. wieder zurückgedrängt. Lit.: Köbler, DRG 64; Ruland, L., Die moraltheologische Lehre vom gerechten Preis, 2. A. 1951; Trusen, W., Äquivalenzprinzip und gerechter Preis im Spätmittelalter, FS G. Küchenhoff, 1967, 247; Göttlicher, Doris, Iustum pretium und Vertragsgerechtigkeit, 2004 Ivo Helori, Ivo von Hélory, (Kermartin 17. 10. 1253 [1247?, 1250?]-19. 5. 1303), Sohn eines Landadligen, wird nach dem 13jährigen Studium von Theologie und Recht in Paris und Orléans Offizial und Priester. Vielleicht wegen seiner Gerechtigkeitsliebe und Verwechslungen mit -> Ivo von Chartres ist er Standespatron der Juristen und volkstümlicher Heiliger der Gerechtigkeit. Lit.: Moeller, E. v., Der heilige Ivo, HV 20 (1909), 321; Schott, C., Patrone und Siegel der Freiburger Juristen- fakultät, Freib. Univ.bll. 2 (1962), 32; Burmeister, K., Der heilige Ivo und seine Verehrung an den deutschen Rechtsfakultäten, ZRG GA 92 (1975), 60; Rieck, A., Der heilige Ivo von Hélory, 1998 Ivo von Chartres (um 1046-1116) wird nach dem Studium in Paris und Bec 1090 Bischof von Chartres. Er verfasst eine (lat.) Collectio (F.) trium partium (Sammlung dreier Teile), ein (lat. [N.]) Decretum und eine achtbändige (lat. [F.]) Panormia, in denen er Kanones und Dekretalen sammelt und dadurch -> Gratian erheblich beeinflusst. Lit.: Sprandel, R., Ivo von Chartres, 1962 351 J Jaca ist der 1076 von König Sancho Ramirez gegründete, mit einem -> Fuero begabte Sitz des Königs von Aragón. Lit.: Nelson, L., The foundation of Jaca, Speculum 53 (1978), 688 Jacobus de Porta Ravennate (Bologna um 1115-11. 10. 1178) ist einer der sog. (lat.) quattuor doctores (M.Pl.) des 12. Jh.s in Bologna, die 1158 auf dem Reichstag in Roncaglia auftreten. Lit.: Köbler, DRG 106; Wieacker, F., Privatrechts- geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 62; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Jacobus de Ravanis (Jacques de Révigny) (1230/1240-1290) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans dort bis 1280 Professor und 1289 Bischof von Verdun. Neben verschiedenen Vorlesungen über die justinianischen Texte stammt vielleicht das erste Rechtswörterbuch (lat. Dictionarium [N.] iuris) von ihm. Lit.: Köbler, DRG 126; Waelkens, L., La théorie de la coutume chez Jacques de Révigny, 1984; Bezemer, C., Les répétitions de Jacques de Revigny, 1987; Bezemer, C., What Jacques saw, 1997 Jacques de Révigny -> Jacobus de Ravanis Jagd ist das Erlegen und Fangen jagdbarer Tiere nach den Regeln des Jagdrechts. Ursprünglich ist die J. frei. Streitig ist, seit wann danach das Recht zur J. mit dem Eigentum am Grundstück verbunden wird. Im Frühmittelalter erklärt der König die J. im (eingehegten) -> Forst zum königlichen Recht (-> Regal). Im Hochmittelalter geht das all- mählich erweiterte Regal auf den Landesherrn über. Der Bauer wird von der J. ausge- schlossen, wogegen er sich zu Beginn der Neuzeit (-> Bauernkriege) vergeblich wehrt. Der Landesherr behauptet daneben die Jagdhoheit als das Recht, die J. rechtlich zu gestalten (Jagdverordnung, Jagdstrafrecht). 1789 wird in Frankreich, 1848 in der deutschen Verfassung das Jagdregal durch die Jagdbe- rechtigung des Grundeigentümers ersetzt. Wegen der tatsächlichen Folgen wird wenig später (Preußen 1850, 1907) zwischen dem Jagdrecht als dem Aneignungsrecht des Grundstückeigentümers (Eigenjagdbezirke oder Jagdgenossenschaftsjagdbezirke) und der Jagdausübungsberechtigung (auf Grund eines Jagdscheins) unterschieden. Lit.: Hübner 287; Köbler, DRG 90, 113; Roth, K., Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des altpreußischen Jagd- und Fischereirechts, ZRG GA 39 (1918), 88; Lindner, K., Die Jagd im frühen Mittelalter, 1940; Hagenbach, B., Beiträge zur Geschichte des Jagdrechtes auf dem Gebiete der Schweiz, 1972; Eckardt, H., Herrschaftliche Jagd, 1976; Kohl, G., Jagd und Revolution, 1993; Jagd und höfische Kultur, hg. v. Rösener, W., 1997; Über die Jagd, hg. v. d. bay. Ak. d. Wiss., 2002; Rösener, W., Die Geschichte der Jagd, 2004; Theilemann, W., Adel im grünen Rock, 2004; Knoll, M., Umwelt ­ Herrschaft, Gesellschaft, 2004 Jahr und Tag (lat. annus [M.] et dies) ist eine im deutschen Mittelalter häufige Zeit- bestimmung unklarer Herkunft, die erstmals in Formeln der Jahre 769-775 erscheint. Nach umstrittener Ansicht ist damit von Anfang an die im 14. Jh. ausdrücklich belegte Frist von einem Jahr, 6 Wochen und 3 Tagen zu verstehen. Nach J. u. T. erlangt beispielsweise der unangesprochene Erwerber eines Grundstücks die rechte -> Gewere. Lit.: Hübner 17; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fockema Andreae, S., Die Frist von Jahr und Tag und ihre Wirkung in den Niederlanden, ZRG GA 14 (1893), 75; Puntschart, P., Zur ursprünglichen Bedeutung von ,,Jahr und Tag", ZRG GA 323 (1911), 328; Klein- Bruckschwaiger, Franz, Jahr und Tag, ZRG GA 67 (1950), 441; Hardenberg, L., Zur Frist von Jahr und Tag, ZRG GA 87 (1970), 287 Jahresgeschenk (lat. donum [N.] annuale) ist eine schon im Frühmittelalter bezeugte Gabe Einzelner an den König, die einen nicht durchgesetzten Ansatzpunkt zur Entwicklung der -> Steuer bildet. Jahrgebung (lat. venia [F.] aetatis) ist die Mündigmachung durch Erklärung. Sie kommt aus dem römischen Recht, erscheint im 13. Jh. und steht zunächst allein dem Kaiser zu. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche Einrichtung der (lat.) venia (F.) aetatis vollständig aufgenommen. Als Volljährigkeits- erklärung erscheint sie im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900). 352 Lit.: Hübner; Kraut, W., Die Vormundschaft, Bd. 2 1847, 86, 168; Suchier, W., Geschichte der venia aetatis in Deutschland vor 1900, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1907 Jakob Ben Ascher (Deutschland um 1270- Toledo 1343) verfasst nach seiner 1303 erfolgten Auswanderung eines der bedeu- tendsten jüdischen Rechtsbücher des Mittelalters (Arba 'at ha-Turim, vierteilig). Es betrifft Gebete und Feiertage, Sklaven, Speisen und Eide, Frauen und Ehe, sowie Diebstahl, Erbe, Vertrag und Verfahren. Verarbeitet sind neben -> Talmud zahlreiche Rechtsquellen. Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-`ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 1058 Japan ist der östlich Chinas auf Inseln gelegene, ostasiatische, bis zum 5. Jh. schriftlose, in Europa seit dem 15. Jh. (und im 16. und 17. Jh. über Portugiesen) bekannter werdende Staat, dessen überkommenes, aus China stammendes Recht, das z. B. in einem Verfahrensrechtsbuch von etwa 1220 (Go- seibai-Shikimoku) überliefert ist, nach der von den Vereinigten Staaten von Amerika 1853 erzwungenen Öffnung des Landes (Han- delsvertrag von Kanagawa 31. 3. 1854) seit 1858 Europa angenähert und am Ende des 19. Jh.s (Meiji-Verfassung 1889) grundlegend vom europäischen Recht (Frankreich [Strafge- setzbuch, Strafprozessordnung], Deutschland [Verfassung, Handelsgesetzbuch 1890/9, Bür- gerliches Gesetzbuch - 1890 französisch ge- prägtes altes Bürgerliches Gesetzbuch ver- kündet, aber nach Kodifikationsstreitigkeiten nicht in Kraft getreten, durch Hozumi, Tomii und Ume stärker deutsch geprägtes - Meiji - Bürgerliches Gesetzbuch 1896/1898]) beein- flusst wird (-> Boissonade, Hozumi, -> Inoue, - > Roesler). Lit.: Köbler, DRG 184; Gonthier, A., Histoire des insitutions Japonaises, 1956; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des europäischen Zivilrechts in Japan, 1970; Murakami, J., Einführung in die Grundlagen des japanischen Rechts, 1974; Siemes, J., Die Gründung des modernen japanischen Staates, 1975; Tanaka, H., The Japanese Legal System, 1976; Kroeschell, K., Das moderne Japan und das deutsche Recht, in: Japans Weg in die Moderne, hg. v. Martin, B., 1987, 45; Die Japanisierung des westlichen Rechts, hg. v. Coing, H. u. a., 1990; Die Einwirkung der Rezeption westlichen Rechts auf die sozialen Verhältnisse in der fernöstlichen Rechtskultur, hg. v. Scholler, H., 1993; Inoue, K., Geschichte Japans, 1993; Das Japanische im japanischen Recht, hg. v. Menkhaus, H., 1994; Eckey-Rieger, A., Der Kodifikationsstreit zum japanischen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1994; Hartmann, R., Geschichte des modernen Japan, 1996; Ishibe, M., Die Verwestlichung des japanischen Rechtsdenkens, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Schenck, P., Der deutsche Anteil, 1997; Takii, K., Doitsu Kokkagaku to Meiji Kokusei (Die deutsche Staatswissenschaft und die Meiji- Verfassung), 1999; Bruns, G., Die japanische Demokratie, 1999; Marutschke, H., Einführung in das japanische Recht, 1999; Takii, K., Das Japanbild der deutschen Juristen während der Meiji-Zeit, Zinbun 1999, 107; Akamatsu, H., Bezugnahmen auf das deutsche BGB, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 651; Ando, J., Die Entstehung der Meiji- Verfassung, 2000; Georg Michaelis. Ein preußischer Jurist im Japan der Meiji-Zeit, hg. v. Becker, B., 2001; Ishibe, M., Nobushige Hozumi und die japanische Rechtswissenschaft in der Meiji-Zeit, 2001; Pohl, M., Geschichte Japans, 2002; Rabinovitz, R., Japan's foreign investment law of 1950, 2003; Ishibe, M., Neuere deutsche Rechtsgeschichte in Japan, ZNR 27 (2005), 62 Jarl (lat. [M.] dux, comes, praefectus) ist im altnordischen Recht der Held, Häuptling oder Fürst. In Norwegen wird der weltliche Titel eines J. 1308 weitgehend beseitigt. In Schweden erscheint er von der Mitte des 12. Jh.s bis zur Mitte des 13. Jh.s, in Dänemark um 1400. Lit.: Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen Verfassungsgeschichte, 1933; Meißner, R., Das norwegische Gefolgschaftsrecht, 1938; Jorgensen, P., Dansk Retshistorie, 2. A. 1947; Sawyer, P., The Making of Sweden, 1989 Jarnsida (Eisenseite) ist das 1271/1273 unter norwegischer Herrschaft (1262/1264) in -> Island eingeführte Recht. Es beruht auf Gulathinglög und -> Gragas. 1281 wird die J. durch die -> Jonsbok ersetzt. Lit.: Corpus codicum Islandicorum, Bd. 9 1936 Jasomirgott ist ein erst seit dem Spät- mittelalter belegter, vielleicht aus dem Arabischen kommender (verballhornter) Beiname Heinrichs II. (von Babenberg, 1107/1108-13. 1. 1177). Lit.: Eheim, F., Zur Geschichte der Beinamen der Babenberger, Unsere Heimat 26 (1955), 157 Jason de Mayno (Pesaro 1435-Pavia 1519), außerehelicher Sohn eines Adligen aus Mailand, wird nach dem Rechtsstudium in 353 Bologna (Alexander de Tartagnis) 1467 Professor in Pisa, 1485-1488 in Padua, 1489 in Pisa. Neben zahlreichen (414) Gutachten ver- fasst er umfangreiche Kommentare zu einzelnen Stellen der justinianischen Rechtstexte. Lit.: Belloni, A., Professori giuristi a Padova nel secolo XV, 1986, 221 Jedem das Seine. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 285 ([Beyer 1985] lat. suum cuique) Jefferson, Thomas (1743-1826) wird nach dem Rechtsstudium am William and Mary College (1760-1762) und einer praktischen Ausbildung 1767 Anwalt und Politiker, Gouverneur, Gesandter in Frankreich, Außenminister und 1801 Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Er ist maßgeblich verantwortlich für die amerikanische -> Bill of Rights 1791 und die Einschränkung der amerikanischen Zentralgewalt. Lit.: Cunningham, N., In Pursuit of Reason, 1987 Jellinek, Georg (Leipzig 16. 6. 1851- Heidelberg 12. 1. 1911), Sohn eines Rabbiners und Religionswissenschaftlers, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, Heidelberg und Leipzig 1883 außerordentlicher Professor für Staatsrecht in Wien, 1889 ordentlicher Professor in Basel und 1891 in Heidelberg. Sein erfolgreichstes Werk ist die dem System der subjektiven öffentlichen Rechte (1892) folgende Allgemeine Staatslehre (1900). Sie erfasst den Staat einerseits als soziale Erscheinung (sozial-empirisches Sein) und andererseits als Rechtsordnung (normatives Sollen). Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 242; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a.,1993, 355; Kempter, K., Die Jellineks, 1998; Kersten, J., Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 2000; Georg Jellinek, hg. v. Paulson, S. u. a., 2000; Keller, C., Victor Ehrenberg und Georg Jellinek Briefwechsel 1872- 1911, 2005 Jena erscheint um die Mitte des 9. Jh.s (830- 50). Um 1230 wird es Stadt. 1556/1557/1558 erhält es eine Universität. Lit.: Kühn, W., Die Entwicklung, insbesondere die Anfänge des Jenaer Srtadtgerichts, 1938; Mühlmann, O., Untersuchungen zum Geschoßbuch der Stadt Jena vom Jahre 1406, 1938; Die Matrikel der Universität Jena, Bd. 1ff., bearb. v. Mentz. G. u. a. 1944ff.; Koch, H., Geschichte der Stadt Jena, 1966; Pester, T., Zwischen Autonomie und Staatsräson, 1992; Häder, U., Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten in Jena, 1996; Kämpferische Wissenschaft, hg. v. Hoßfeld, U. u. a. 2003 Jerusalem Lit.: Tischler, C., Die burgenses von Jerusalem im 12. Jahrhundert, 2000; Jerusalem im Hoch- und Spätmittelalter, hg. v. Bauer, D. u. a., 2001; Kirstein, K., Die lateinischen Patriarchen von Jerusalem, 2002 Jesuitenorden (lat. societas [F.] Jesu) ist der von Ignatius von Loyola (1491-1556) seit etwa 1534 allmählich begründete, 1540 vom Papst bestätigte, katholische Männerorden zum apostolischen Einsatz im Dienst der Kirche. Er wird in der -> Gegenreformation tätig. Am 21. 7. 1773 hebt ihn der Papst auf (Fortbestehen in Preußen, Russland und Kanada), stellt ihn am 7. 8. 1814 aber wieder her. Lit.: Duhr, B., Geschichte der Jesuiten, Bd. 1ff. 1907ff.; Hollis, C., A History of the Jesuits, 1968; Hartmann, P., Die Jesuiten, 2001 Jesus (Nazareth um 4 v. Chr.? ­ Golgotha/Jerusalem um 30 n. Chr.) ist der nach etwa zweijährigem Wirken als öffentlicher Wanderlehrer gekreuzigte Begründer der christlichen Religion. Lit.: Theessen, G., Der historische Jeus, 1996; Cohn, H., Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer Sicht, 1998 Jhering -> Ihering Joachimica Constitutio -> Constitutio Joachimica Johannes Andreae (bei Florenz um 1270- Bologna 7. 7. 1348) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna spätestens 1302 Lehrer des kirchlichen Rechts. Er kommentiert den -> Liber sextus, die Clementinen (lat. glossa [F.] ordinaria) und den -> Liber extra. Trotz seiner stark kompilatorischen Ar- beitsweise ist er der bedeutendste Kirchen- rechtler des 14. Jh.s. In seinen (lat.) Additiones (F.Pl.) ad speculum Guillelmi Durantis (Zusätze zum Spiegel des Wilhelm Durantis) stellt er als erster die Literaturgeschichte des kirchlichen Rechts dar. Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 6 2. A. 1850, Neudruck 1956, 98; Pennington, K., Johannes Andreaes Additiones to the Decretals of Gregory IX, ZRG KA 74 (1988), 328 354 Johannes Teutonicus (1180?-25. 4. 1245), deutscher Schusterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Azo) um 1210 Rechtslehrer in Bologna und vielleicht 1220 Kanoniker in Halberstadt (Johannes Zemeke?). Zwischen 1210 und 1217 verfasst er die (lat.) glossa (F.) ordinaria zum (lat.) -> Decretum (N.) Gratiani. Seine Sammlung der Dekretalen Papst Innozenz' III. von 1210-1216 setzt sich gegen den Widerspruch des Papstes durch. Lit.: Köbler, DRG 106; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 329 Johannes von Erfurt (um 1260?-1340?), Kanonist und Theologe, ist der Verfasser verschiedener früher rechtswissenschaftlicher Arbeiten in Deutschland (u. a. [lat.] tabula [F.] utriusque iuris von etwa 1280). Lit.: Johannes von Erfurt, Die Summa confessorum, hg. v. Brieskorn, N., 1981 Johannes von Saaz (oder Tepl) (um 1350-Prag 1414) verfasst nach dem Studium der (lat.) artes (F.Pl.) liberales in Prag als Lehrer und Notar außer dem Ackermann von Böhmen (1401) vier Formelbücher und einen Band des Stadtbuches von Prag (lat. Liber [M.] contractuum, Buch der Verträge). Lit.: Stutz, U., Rechtshistorisches in und zu dem Ackermann aus Böhmen, ZRG 41 (1920), 388 Johann von Buch -> Buch, Johann von joint tenancy (N.) Gesamthandsgemeinschaft Jonsbok (F.) (oder Lögbok Islendinga) ist der Name des 1281 in -> Island eingeführten, in rund 200 Handschriften überlieferten, nach (dem Lögmann) Jon Einarsson benannten, in zehn Teile gegliederten Rechts König -> Magnus Hakonarsons. Die J. bleibt bis in das 18. Jh. bedeutsam. Lit.: Halldorsson, Kong Magnus Hakonarsons Lovbog for Island, 1904; Fix, H., Wortschatz der Jonsbok, 1984 Jordan von Osnabrück (um 1225?-15. 4. 1283?), Domkapitular in Osnabrück, verfasst wohl vor 1273 einen durch -> Alexander von Roes 1281 überlieferten (lat.) Tractatus (M.) super Romano imperio (Abhandlung über das Römische Reich), in dem er den Vorrang des Römischen Reiches bis an das Weltende lehrt. Lit.: Schraub, W., Jordan von Osnabrück und Alexander von Roes, 1910 Josaphat (,,Jahwe richtet") ist nach Joel 4,12 im jüdisch-christlichen Verständnis der Ort des Jüngsten Gerichts (meist als Kidrontal verstanden). Lit.: Hardung, S., Die Vorladung vor Gottes Gericht, 1934 Joseph II. (Wien 13. 3. 1741-20. 2. 1790), Sohn Kaiser Franz' I. und Maria Theresias, wird 1764 römischer König, 1765 Kaiser und nach dem Tod seiner Mutter (29. 11. 1780) alleiniger Landesherr der österreichischen Erblande. Er strebt einen zentralistischen Ge- samtstaat -> Österreich deutscher Staatssprache an. Seine aufgeklärte Reformpolitik (Schule, Bildungswesen, Gesundheitswesen, -> Jose- phinisches Gesetzbuch, Bauernbefreiung, Jo- sephinismus) kann sich gegen ständischen und föderalen Widerstand nicht durchsetzen. Lit.: Winter, E., Der Josefinismus, 2. A. 1962; Bradler- Rottmann, E., Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Mikoletzky, L., Kaiser Joseph II., 1979; Bernard, P., The limits of enlightenment, 1979; Karniel, J., Die Toleranzpolitik Kaiser Josephs II., 1986; Beales, D., Joseph II., 1987; Blanning, T., Joseph II., 1994 Josephinisches Gesetzbuch ist das aus dem Entwurf gebliebenen (lat.) -> Codex (M.) Theresianus (1766) über den Entwurf Horten (1776) hervorgegangene österreichische Gesetzbuch vom 1. 1. 1787. Dieses ,,All- gemeine bürgerliche Gesetzbuch" enthält nur das Personenrecht. Es wird zum 1. 1. 1812 durch das -> Allgemeine Bürgerliche Gesetz- buch abgelöst. Lit.: Köbler, DRG 142; Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch. Erster Teil, 1786; Harras von Harrasowsky, Der Theresianus und seine Umarbeitungen, 1886 Josephinismus ist ein staatspolitisches bzw. kirchenpolitisches System des aufgeklärten -> Absolutismus unter -> Joseph II. in -> Österreich. Im J. wandelt der Landesherr die ständische Verwaltung in eine bürokratische Beamtenverwaltung um. Die Leibeigenschaft wird abgeschafft, Wohlfahrtseinrichtungen werden gegründet. Deutsch wird Amtssprache. Der geistliche Bereich der Kirche wird auf Predigt, Sakrament, Gottesdienst und Disziplinargewalt über den Klerus beschränkt. Der evangelischen Religion wird Toleranz gewährt (1781). Die Ehe wird bürgerlicher Vertrag (1783). Lit.: Winter, E., Der Josephinismus und seine Geschichte, 1943; Maass, F., Der Frühjosephinismus, Bd. 1ff. 1951ff.; Winter, E., Der Josephinismus, 2. A. 1962; Der Josephinismus, hg. v. Reinalter, H., 1993; Der 355 Josephinismus, hg. v. Klueting, H., 1995 Jude ist der Angehörige der Religions- gemeinschaft Judentum, ursprünglich der Bewohner des Reiches des nach dem vierten Sohn Jakobs benannten Stammes (Gebiet um Jerusalem, Hebron, Beer Sheva). Die Frühgeschichte der Juden ist nicht eindeutig feststellbar. 587 v. Chr. gerät das Reich Juda unter die Herrschaft Babylons. 538 v. Chr. erlaubt König Kyros II. von Persien den in diesem Zusammenhang verschleppten Juden die Rückkehr nach Jerusalem. 63 v. Chr. erobern die Römer Jerusalem. Aufstände der Juden schlagen die Römer 70 n. Chr. unter Zerstörung Jerusalems, 115-117 und 132-136 n. Chr. blutig nieder. Bis zum 5./6. Jh. breiten sich die Juden unter Bewahrung ihrer besonderen Religion und ihres besonderen Rechtes in einzelne Gebiete Spaniens, des Frankenreiches und Italiens aus und verlegen sich dabei auf die Tätigkeit als Händler. Bis in das 9. Jahrhundert, in dem sie unter dem Kalifen al-Mutawakkil mit einem besonderen Abzeichen gekennzeichnet werden, sind sie im Frankenreich nur am Mittelmeer sichtbar. Seit dem 9. Jh. werden ihnen im Frankenreich Schutzprivilegien gewährt, für die sie einen Schutzzins leisten. Im Reichslandfrieden von 1103 werden die Juden, die in den Städten in eigenen Gassen oder Vierteln (Ghettos) leben, unter die besonders befriedeten Personen aufgenommen. 1236 unterstellt sie Kaiser Friedrich II. als Kammerknechte gegen Abgaben (Judensteuer) dem Schutz des Königs bzw. des ihm hierin folgenden Landesherrn. Da die Juden wegen des -> kanonischen Zinsverbotes den Geldwechsel und das verzinsliche Darlehen an sich ziehen, werden sie zur Zeit der Verbreitung der Pest (1347- 1351, im Herbst 1347 durch genuesische Schiffe von der Krim nach Italien gebracht, je 50000 Tote in Florenz und Genua, im Heiligen Römischen Reich vielleicht ein Zehntel der Bevölkerung an der Pest gestorben) als deren angebliche Urheber vielfach verfolgt und weitgehend aus den Städten vertrieben. In den Schriften deutscher Juristen des 16. und 17. Jh.s werden sie zwar abgelehnt, aber vor allem aus Nächstenliebe, später (Justus Henning Böhmer 1674-1749) auch aus naturrechtlichen Überlegungen geduldet. Im 17. und 18. Jh. gelingt einzelnen der verbliebenen Juden der Aufstieg im Bankwesen. In der Aufklärung (z. B. Dohm, C., Über die bürgerliche Verbesserung der Juden, 1781) erhalten die Juden alle staatsbürgerlichen Rechte (Virginia 1776, Frankreich 1791, Preußen 11. 3. 1812 Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem preußischen Staate ­ das die einheimischen Juden zu Inländern und preußischen Staatsbürgern erklärt und ihnen grundsätzlich gleiche bürgerliche Rechte wie den Christen zusprich t-, 1850, Österreich 1867), müssen aber ihr besonderes Recht und ihre besondere Gerichtsbarkeit einschränken. Dabei wird nach 1780 allgemein die Forderung nach Eingliederung der jüdischen Minderheit in die Gesellschaft erhoben. Als Folge der Gleichstellung und der durch die frühere Ausgrenzung begünstigten Vorreiterrolle in der Verbürgerlichung ziehen die Juden in die Großstädte und aus dem Osten in die deutschen Staaten. Gegen 1860 hat sich das Judentum als eigene kulturelle Komponente in der bürgerlichen Gesellschaft etabliert. In Abwehr der Judenemanzipation entsteht am Ende des 19. Jh.s der Antisemitismus (in Deutschland z. B. Treitschke, Stoecker, Eugen Dühring, Wilhelm Marr, Hermann Ahlwardt, Theodor Fritsch [1852-1933], Otto Böckel, Erwin Bauer, Max Bewer, Alfred Rosenberg, Hans F. K. Günther). Er bildet einen Kern des politischen Programmes des -> Nationalsozialismus Adolf -> Hitlers. Als Folge der bis 1918 judendiskriminierenden Einstellungspolitik sind Juden im Staatsdienst nur schwach vertreten und drängen in den Rechtsanwaltsstand. 1933 wird ein Drittel der Rechtsanwälte Preußens und fast die Hälfte der Rechtsanwälte Berlins als Nichtarier erfasst. 1935 werden die Juden diskriminiert (1936 Entzug des Titels und der Lehrbefugnis für alle jüdischen Professoren und Dozenten, 1937 Verbot der Promotion für jüdische Studenten, 1938 Verbot der Immatrikulation für jüdische Studenten, Verbot der Benutzung von Bibliotheken und Archiven für jüdische Professoren und Dozenten). Die 1938/1939 als Alternative zu der vom Ausland bzw. möglichen Einwanderungsländern abgelehnten Auswanderung (von 300000 bis 400000 Juden) angedrohte Vernichtung wird seit Sommer 356 1941 verwirklicht. Nur ein geringer Teil der europäischen Juden (um 1930 500000 Juden im Deutschen Reich, 190000 in Österreich, 1939 72000 Judenmischlinge ersten Grades und 39000 Judenmischlinge zweiten Grades in Deutschland) überlebt die sog. Endlösung (Holocaust). Lit.: Köbler, DRG 120, 125, 127, 161, 172, 206, 222, 225, 228, 234, 238; Graetz, H., Geschichte der Juden, Bd. 1ff. 1853ff., Neudruck 1996; Stobbe, O., Die Juden in Deutschland während des Mittelalters, 1866; Scherer, J., Die Rechtsverhältnisse der Juden in den deutsch- österreichischen Ländern, 1901; Hahn, B., Die wirtschaftliche Tätigkeit der Juden, Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1911; Rosenberg, A., Beiträge zur Geschichte der Juden in Steiermark, 1914; Das Erfurter Judenbuch (1357-1407), hg. v. Süßmann, A., 1915; Fehr, H., Deutsches Recht und jüdisches Recht, ZRG GA 39 (1918), 314; Urkunden aus Wiener Grundbüchern zur Geschichte der Wiener Juden im Mittelalter, hg. v. Geyer, R. u. a., 1931; Fischer, H., Die verfassungsrecht- liche Stellung der Juden in den deutschen Städten während des 13. Jahrhunderts, 1931; Heise, W., Die Juden in der Mark Brandenburg bis zum Jahre 1571, 1932; Fischer, H., Die Judenprivilegien des Goslarer Rates, ZRG GA 56 (1936), 89; Baer, F., Die Juden im christlichen Spanien, Bd. 1ff. 1929ff.; Grayzels, S., The church and the Jews in the thirteenth century, 1933; Löning, G., Juden im mittelalterlichen Bremen und Oldenburg, ZRG GA 58 (1938), 257; Katz, S., The Jews in the visigothic and frankish kingdoms of Spain and Gaul, 1937; Krusemarck, G., Die Juden in Heilbronn, 1938; Bender, H., Der Kampf um die Judenemanzipation im Spiegel der Flugschriften 1815-1820, 1939; Zuncke, W., Die Judenpolitik der fränkisch-deutschen Könige und Kaiser, 1941; Kisch, G., Jewry Law in Medieval Germany, 1949; Kisch, G., The Jews in Medieval Germany, 1949; Kisch, G., Forschungen zur Rechts- und Sozialgeschichte der Juden, 1955, 2. A. 1978; Kisch, G., The yellow badge in history, Historia Judaica 19 (1957), 89 2. A. 1958; Germania Judaica, hg. v. 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Lit.: Linder, A., The Jews in Roman Imperial Legislation, 1987; Pakter, W., Medieval Canon Law and the Jews, 1988; Eisenhardt, U., Deutsche Rechts- geschichte, 4. A. 2004 Judenregal -> Jude Judenverfolgung -> Jude Judicature Acts von 1873/1875 sind Gesetze, die das englische Gerichtsverfassungsrecht erheblich abändern und dabei das Gericht des Kanzlers mit den drei Gerichten des Königs verbinden. Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 Judikative ist im Rahmen der -> Gewaltenteilung die rechtsprechende Gewalt. Lit.: Köbler, DRG 191 Judikatur (F.) Rechtsprechung Lit.: Mertens, H., Untersuchungen zur zivilrechtlichen Judikatur des Reichsgerichts, AcP 174 (1974), 333; Schulte-Nölke, H., Rheinische Judikatur, ZNR 1998, 84 jüdisches Hehlerrecht -> Hehler Jugend ist die Zeit des Heranwachsens eines Menschen. Für die J. gelten seit Entstehung des Rechts besondere Rechtssätze. -> Kind, Vormundschaft, Jugendgericht, Jugendstraf- recht Lit.: Speitkamp, W., Jugend in der Neuzeit, 1998 Jugendgericht ist das für Jugendsachen in Deutschland zuständige Gericht, das durch das Jugendgerichtsgesetz (16. 2. 1923) geschaffen wird. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234; Baltl/Kocher Jugendschutz ist der Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Gefahren. Ihm dient das besondere Jugendschutzgesetz (Deutschland 1985, Jugendarbeitsschutzgesetz 1976, Österreich 1987). Lit.: Ukrow, J., Jugendschutzrecht, 2004 Jugendstrafrecht ist das seit dem 19. Jh. entstehende besondere Strafrecht für Jugendliche (Deutschland 16. 2. 1923 Jugendgerichtsgesetz). Lit.: Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts, 1957; Roth, A., Die Entstehung eines Jugendstrafrechts, ZNR 1991, 17; Wolff, J. u. a., Das Jugendstrafrecht zwischen Nationalsozialismus und Demokratie, 1997; Fritsch, M., Die jugendstrafrechtliche Reformbewegung, 1999; Oberwittler, D., Von der Strafe zur Erziehung?, 2000; Günzel, S., Die geschichtliche Entwicklung des Jugendstrafrechts, 2001; Schady, J., Die Praxis des Jugenstrafrechts in der Weimarer Republik, 2003; Kraft, B., Tendenzen in der Entwicklung des Jugendstrafrechts, 2004 Jugoslawien ist der 1918 aus Gebieten Österreich-Ungarns, des osmanischen Reiches und des seit 1830 autonomen und seit 1878 unabhängigen Königreichs (1882) Serbien gebildete südosteuropäische Staat. Am 29. 10. 1918 wird die Loslösung Kroatiens, am 30. 10. 1918 die Loslösung Bosniens und Herzegowinas von Österreich, am 19. 11. 1918 der Anschluss Montenegros an Serbien ausgerufen. Am 1. 12. 1918 wird das König- reich der Serben, Kroaten und Slowenen erklärt. 1929 wird das Land in J. umbenannt, am 29. 11. 1945 zur Republik umgewandelt. Seit 1991 zerfällt es wieder in mehrere Einzelstaaten (Slowenien, Kroatien, Bosnien- 359 Herzegowina, Serbien [mit Montenegro], Makedonien). Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 4,5,325; Büschenfeld, H., Jugoslawien, 1981; Geè-Koro¹ec, M., Die geschichtliche Entwicklung des jugoslawischen Familienrechts, ZRG GA 106 (1989), 331; Als Mitteleuropa zerbrach, hg. v. Karner, S. u. a., 1990; Baer, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Suppan, A., Jugoslawien und Österreich, 1996; Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien, verf. v. Arbeitskreis Dokumentation in der donauschwäbischen Kulturstiftung, 1998; Der Jugoslawien-Krieg, hg. v. Melcic, D. u. a., 1999; Meier, V., Wie Jugoslawien verspielt wurde, 3. 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Es ist weniger verbreitet als das Ältestenrecht. Lit.: Hübner 803; Kroeschell, DRG 2 jüngster Reichsabschied ist der am 17. 5. 1654 verkündete letzte Reichsabschied des Reichstags des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) (vor dem immerwährenden Reichstag). Von Bedeutung ist die im jüngsten Reichsabschied enthaltene neue Verfahrens- ordnung des Reichskammergerichts mit der Abschaffung der artikulierten Klage usw. Lit.: Ruville, A. v., Die kaiserliche Politik auf dem Regensburger Reichstag 1653-1654, 1896; Fürnohr, W., Der immerwährende Reichstag zu Regensburg, 1963 Jüngstes Gericht ist das von der jüdisch- christlichen Religion erwartete Gericht Gottes am Ende der Welt. Juniorat -> Jüngstenrecht Junker Lit.: Heß, K., Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990 jura (lat. [N.Pl.]) -> ius (lat. [N.]) Jura ist das Gebiet eines Gebirgszuges nahe dem Doubs. Der französischsprachige J. gehört bis 1815 zum Hochstift Basel, danach zum Kanton Bern. Nach Volksabstimmungen im Jura (1974) und in der -> Schweiz (24. 9. 1978) wird J. selbständiger Kanton. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1859 Jurisdiktion (F.) Rechtsprechung Jurisdiktionsnorm ist in Österreich das Gesetz über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 1. 8. 1895. Lit.: Baltl/Kocher Jurisprudenz (Rechtsklugheit) ist die (rö- mische) Rechtswissenschaft. Sie ist bedeutsam im klassischen römischen Recht (3. Jh. v. Chr.- 3. Jh. n. Chr.) und seit der Wiederentdeckung des römischen Rechts im Hochmittelalter (-> Irnerius). Der durch J. fachlich Gebildete ist der -> Jurist. -> Begriffsjurisprudenz, Interessen- jurisprudenz Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 30, 99; Kirchmann, J. v., Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, Neudruck 1956, 1960, 1988; Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, 1960; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschafts- ethik, 1961; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969; Stupp, H., Mos geometricus oder prudentia als Denkform der Jurisprudenz, Diss. jur. Köln 1970; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Kisch, G., Studien zur humanistischen Jurisprudenz, 1972; Blühdorn, J., Naturrechtskritik und ,,Philosophie des positiven Rechts", TRG 41 (1973), 3; Hübner, H., Jurisprudenz als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der ,,praktischen Jurisprudenz", 1979; Backhaus, R., Casus perplexus, 1981; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Radding, C., The Origins of Medieval Jurisprudence, 1988; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Afrika, 1993; Kiesow, R., Das 360 Naturgesetz des Rechts, 1997; Ihering, R. v., Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft?, 1868, hg. v. Behrends, O., 1998; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Gallien (2. bis 8. Jashrhundert), 2002 Jurist ist der planmäßig rechtswissenschaftlich ausgebildete Rechtsgelehrte. Juristen kennt bereits das römische Altertum, in dem die öffentliche Ausübung einer weltlichen Rechtsunterweisung anscheinend zuerst durch den ersten plebejischen (lat.) pontifex (M.) maximus (Oberpriester) Tiberius Coruncanius (254 v. Chr.) erfolgt. Im Hochmittelalter beginnt die Ausbildung von Juristen wohl mit - > Irnerius und seinen Schülern am Anfang des 12. Jh.s. 1267 begegnet der erste gelehrte Jurist des Erzbistums Salzburg, 1267 des Erzbistums Trier. Kurz vor 1300 erscheint der erste, in Bologna noch ohne Grad ausgebildete J. am Hof des Erzbischofs von Mainz, dem bis 1440 49 weitere, dann meist in Heidelberg oder Erfurt ausgebildete Juristen folgen (Bremen 1328, Riga 1360). Insgesamt finden sich zwischen 1250 und 1440 etwa 700 rechts- gelehrte Personen in 55 geistlichen und 29 weltlichen Herrschaftsgebieten (König von Böhmen 72, Herzog von Österreich 60, Erzbischof von Köln 56, Erzbischof von Mainz 49, Herzog von Bayern 34, Bischof von Konstanz 32). Aus Bologna sind zwischen 1265 und 1425 3601 deutsche Studierende des Rechts (21 neue Namen jährlich, 0,7 Graduierungen im Jahr) bekannt, aus Prag zwischen 1372 und 1418 3563 (jährlich 78 neue Namen und 7 Graduierungen), aus Köln seit etwa 1400 30 (juristische) Neuim- matrikulierte jährlich, aus Wien seit 1402 vielleicht 20, aus Heidelberg deutlich weniger. Gegen 1300 verwendet Hugo von Trimberg im Deutschen das Wort J. Kanonisten begegnen am deutschen Königshof erstmals unter Rudolf von Habsburg ( 1291), Legisten unter Karl IV. ( 1378, in Frankreich unter Ludwig IX., 1270). Unter Kaiser Friedrich III. (1452­1493) dient dem Königtum die Hälfte der mehr als 250 aus dem gesamten Spätmittelalter bekannten gelehrten deutschen Juristen des Königs und damit ebenso viele wie in der Zeit zwischen 1300 und 1450 und mehr als an irgendeinem landesherrlichen Hof. Die Zahl der vor allem dem niederen Adel und dem städtischen Großbürgertum entstammenden Juristen, die zeitweise als dem Adel gleich- wertig gelten, steigt anfangs langsam, im 15. Jh. bereits deutlich, seit dem 20. Jh. immer stärker (um 1995 ca. 150000 Juristen in Deutschland). Im Dritten Reich wenden sich auch Juristen dem Nationalsozialismus zu (u. a. Kitzeberger Lager junger Rechtslehrer mit Wieacker, Lange, Thieme, Maunz, Dahm, Ernst Rudolf Huber, Busse, Ritterbusch und Henkel in Kitzeberg bei Kiel 1936). Die 150 berühmtesten (deutschen) Juristen studierten im Durchschnitt an 1,88 Universitäten und lehrten durchschnittlich an 2,26 Universitäten, wechselten also (zur Vermehrung ihrer Fähigkeiten und geistigen Unabhängigkeit) einmal im Studium und einmal im Beruf ganz selbverständlich. Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 8, 100, 114, 151, 154, 188, 262; Dahl, F., Juridiske Profiler, 1920; Schultheß, H., Schweizer Juristen, 1945; Genzmer, E., Hugo von Trimberg und die Juristen, Studi P. Koschaker, Bd. 1 1954, 289; Ellinger, W., Die Juristen der Reichsstadt Nürnberg, in: Genealogica, Heraldica, Juridica, 1954; Wieacker, F., Textstufen klassischer Juristen, 1960; Boockmann, H., Laurentius Blumenau, 1965; Kunkel, W., Die römischen Juristen, 2. A. 1967, Neudruck 2001, Neudruck 2001; Becker, G., Deutsche Juristen und ihre Schriften auf den römischen Indices, 1970; Laufs, A., Rechtsentwicklungen in Deutschland, 1973, 5. A. 1996; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Deutsche Juristen aus fünf Jahrhunderten, hg. v. Kleinheyer, G. u. a. 1976; Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, hg. v. Kleinheyer, G. u. a., 4. A. 1996; Kolbeck, T., Juristenschwemmen, 1978; Das Profil des Juristen in der europäischen Tradition, 1980 (Festband f. Franz Wieacker); Jessen, J., Die Selbstzeugnisse der deutschen Juristen, 1983; Die Rolle des Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Männl, I., Die gelehrten Juristen, Diss. phil. Gießen 1986; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Juristen in Österreich (1200-1980), hg. v. Brauneder, W., 1987; Biographisches Repertorium der Juristen im Alten Reich (A-E und Katalog der Sammlung Lehnemann), hg. v. Ranieri, F., Bd. 1ff. 1987ff. (CD- ROM 1997); Juristen im Portrait, 1988; Streitbare Juristen, hg. v. Kritische Justiz, 1988; Köbler, G., Wie werde ich Jurist?, 4. A. 1988; Wirth, T., Adelbert Düringer, 1989; Göppinger, H., Juristen jüdischer Ab- stammung, 1990; Stiefel, E. u. a., Deutsche Juristen im 361 amerikanischen Exil, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993; Dölemeyer, B., Frankfurter Juristen im 17. und 18. Jahrhundert, 1993 (737 Juristen); Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995; Ebert, I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina, 1995; Beneduce, P., Il corpo eloquente, 1996; Internationaler biographischer Index des Rechts und der Rechtswissenschaft, Bd. 1ff., 1996; Dilcher, G., Der deutsche Juristenstand, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Liebs, D., Römische Juristen der Mero- winger, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Juristinnen in Deutschland, hg. v. Deutschen Juristinnenbund, 4. A. 2003; Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000; Langer, S., Rechtswissenschaftliche Itinerarien, 2000; Frassek, R., Steter Tropfen höhlt den Stein ­ Juristenbildung im Nationalsozialismus, ZRG GA 117 (2000), 294; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 2001 (Taschenbuchausgabe); Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001; Österreichische Rechtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Jabloner, C. u. a., 2003; Jurists uprooted ­ German speaking émigré lawyers in twentieth-century Britain, hg. v. Beatson, J. u. a., 2004; Wegerich, C., Die Flucht in die Grenzenlosigkeit. Justus Wilhelm Hedemann (1878-1963), 2004; Diccionario crítico de juristas espaoles, hg. v. Peáez, M. Bd. 1f. 2005ff. Juristenausbildung ist die universitäre oder praktische Ausbildung zu einem -> Juristen (-> Rechtsunterricht). Sie beginnt im Mittelalter nach vorrechtswissenschaftlichen Anfängen im 12. Jh. Ausbildungsort ist hauptsächlich die -> Universität, in England aber auch die Juristenzunft (engl. inn of court). An der Universität ist die juristische Fakultät eine der drei über der artistischen Fakultät stehenden oberen Fakultäten. Lehrbefugt ist am Beginn der (lat. [M.]) doctor, seit dem 19. Jh. der Habilitierte. Studierberechtigt ist anfangs der Lateinkundige, seit dem 18. Jh. der (lateinkundige) Abiturient (Preußen 1788) bzw. Maturant. Frauen werden erst zu Beginn des 20. Jh.s zugelassen. Die Dauer des Studiums ist zunächst (6-8 Jahre) unbestimmt, wird im 19. Jh. aber auf eine Mindestzeit von 6, später 7 Semestern festgelegt. Wichtigste Lehrver- anstaltung ist die Vorlesung (lat. [F.] praelectio). Lehrgegenstand sind ursprünglich die römischen Texte Justinians und die kirchlichen Sammlungen, seit dem 16. Jh. einzelne Fachgebiete. Seit dem 18. Jh. (Preußen 1710, 1713) wird (für den Staatsdienst) eine der Universitätsausbildung folgende (praktische Ausbildung mit anschließender) Prüfung (zum Volljuristen) vorausgesetzt. Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834; Muther, T., Zur Geschichte der Rechtswissenschaft und der Universitäten in Deutschland, 1867; Weimar, P., Die legistische Literatur und die Methode des Rechtsunterrichts der Glossatorenzeit, Ius commune 2 (1969), 43; Köbler, G., Zur Geschichte der juristischen Ausbildung in Deutschland, JZ 1971, 768; Bake, U., Die Entstehung des dualistischen Systems der Juristenausbildung in Preußen, Diss. jur. Kiel 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts- geschichte, Bd. 1ff. 1972ff.; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Hagemann, H., Rechtsunterricht im 16. Jahrhundert, ZNR 14 (1992), 162; Frassek, R., Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina, 1995; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996; Lührig, N., Die Diskussion über die Reform der Juristenausbildung, 1997 Juristen, böse Christen ist eine wohl ansatzweise im Spätmittelalter entstandene Redewendung (überliefert in vier Hand- schriften von Hugo von Trimbergs Lehrgedicht ,,Der Renner" [um 1300]). Sie hat ihren Grund in den Vermutungen, dass der gelehrte Rechtskundige auf der Seite der Mächtigen steht, die Wahrheit verdunkelt und die Verfahren verlängert. Lit.: Stintzing, R. v., Das Sprichwort ,,Juristen, böse Christen", 1875; Riezler, E., Die Abneigung gegen den Juristen, 1925 Juristenfakultät ist die den Rechtsunterricht ausführende Fakultät der Universität. Sie entsteht seit dem 13. Jh. in Oberitalien und Frankreich (Paris), seit dem 14. Jh. auch im deutschen Sprachraum. Die J. ist Verbandsperson, gerät aber in der Neuzeit unter staatlichen Einfluss (Wittenberg 1508, einzelne -> Universitäten). Im 20. Jh. nimmt die zahlenmäßige Größe sehr stark zu. Lit.: Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Univer- sitäten, Bd. 1f. 1888ff., Neudruck 1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; 362 Willoweit, D., Das juristische Studium in Heidelberg und die Lizentiaten der Juristenfakultät von 1386 bis 1436, in: Semper aperta, FS Universität Heidelberg, Bd. 1 1985, 85 Juristenrecht ist das von Juristen (statt vom Volk oder vom Gesetzgeber) geschaffene Recht. Es spielt in der rechtswissenschaftlichen Diskussion des frühen 19. Jh.s (-> Puchta) eine gewisse Rolle. -> Richterrecht Lit.: Kaser § 2 II; Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 4; Thöl, H., Volksrecht, Juristenrecht, Genossenschaften, Stände, Gemeines Recht, 1846; Brauneder, W., Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR 1983, 22; Hofer, S., Zwischen Gesetzestreue und Juristenrecht ­ Die Zivilrechtslehre Friedrich Endemanns (1857- 1936), 1993 Juristenstand -> Jurist Juristentag ist eine freiwillige, periodisch stattfindende Versammlung von Juristen (in Deutschland seit 1860). Zielsetzung ist die öffentliche Erörterung von allgemeinen Rechtsfragen. Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der deutsche Juristentag 1960-1980, 1980; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996 Juristische Person ist die durch die Rechtsordnung geschaffene Person. Dem Altertum ist der Gedanke, dass ein Personenverband mit selbständiger Rechts- fähigkeit ausgestattet sein kann, noch fremd. Die Römer sehen z. B. beim Staat oder Verein die Gesamtheit der jeweiligen Mitglieder als Rechtsträger an. Wohl als Folge der zu- nehmenden Verdichtung der Gesellschaft und der sich hieraus ergebenden Verstärkung der Verbandsbildung (Stadt, Gemeinde, Staat, Uni- versität, Orden, Zunft, Markgenossenschaft usw.) spricht Papst Innozenz IV. 1245 erstmals von einer (lat.) persona (F.) ficta (erdachten Person). Im 19. Jh. wird auf der Grundlage naturrechtlicher Ansätze der moralischen Person oder juristischen Person eigene Rechtsfähigkeit zuerkannt. Streitig ist nur, ob die j. P. eine Fiktion (-> Savigny) oder ein sozialer Organismus (-> Gierke) sei. Juristische Personen sind vor allem -> Verein (u. a. -> Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung) und -> Stiftung. Seit dem ausgehenden 20. Jh. ist auch die Einmanngesellschaft als j. P. möglich. Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 207; Henkel, W., Zur Theorie der juristischen Person im 19. Jahrhundert, 1973; Huussen-de Groot, F., Rechtspersonen in de 19 eeuw, 1976; Dießelhorst, M., Zur Theorie der juristischen Person bei Savigny, Quaderni Fiorentini 9 (1980); Brauneder, W., Von der moralischen Person des ABGB zur juristischen Person der Privatrechtswissenschaft, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 263; Ebihara, A., Was ist juristisch an der juristischen Methode des Staatsrechts, ZNR 1996, 66 Jury ist das mit Laien besetzte Geschwo- renengericht. Die J. entwickelt sich in England und Frankreich aus dem vorwissenschaftlichen Gericht. Im 19. Jh. fordert der Liberalismus im Kampf gegen den Staat und dessen Berufsrichter die J. auch in Deutschland. Nach 1848 wird die J. als -> Schwurgericht eingerichtet. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungrechts, 1954; Willock, J., The origins and development of the jury in Scotland, 1966; The trial jury in England, France, Germany 1700-1900, hg. v. Padoa Schioppa, A., 1987; Padoa Schioppa, A., La giuria penale in Francia, 1994; Cairns, J./Mc Leod, G., The Dearest Birthright of the People of England, 2002 Justi, Johann Heinrich Gottlob von (Brücken 28. 12. 1717-Küstrin 21. 7. 1771) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg (Leyser) 1750 Professor für Kameralistik in Wien und nach 1755 Praktiker und Publizist mit Vorlesungen in Göttingen (1755-1757). Sein Hauptwerk ist die Grundfeste zu der Macht und Glückseligkeit der Staaten (1760f., Neudruck 1965). Hierzu stellt er die wirtschaftlichen Interessen der Allgemeinheit dem fiskalischen Interesse des nur durch Grundgesetze gebun- denen absoluten Monarchen voran. Die Polizei beschränkt er auf die Gewährleistung der Rahmenbedingungen für privates wirtschaft- liches Handeln. Die systematische Bearbeitung des Polizeibegriffs legt dabei die Grundlage für das Verwaltungsrecht des 19. Jh.s. Lit.: Frensdorff, F., Über das Leben und die Schriften des Nationalökonomen Johann Heinrich Gottlob von Justi, 1903, Neudruck 1970; Ebihara, A., Justis Staatslehre und Wolffs Naturrechtslehre, ZRG GA 102 (1985), 239; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988 Justinian (Tauresium 482-Konstantinopel 11. 363 11. 565), Bauernsohn und Kaiserneffe, wird 527 Kaiser des oströmischen Reiches. Er veranlasst die Schaffung der -> Institutionen (533), der -> Digesten oder -> Pandekten (530/533) und des -> Codex (534) und erlässt danach noch Einzelgesetze (-> Novellen). Anfangs tatkräftig, wirrd er später vom Gedanken göttlicher Berufung beseelt. Lit.: Söllner §§ 19, 21; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG 50, 53; Schindler, K., Justinians Haltung zur Klassik, 1966; Browning, R., Justinian and Theodora, 1971; Mazal, O., Justinian I. und seine Zeit, 2001; Meier, M., Das andere Zeitalter Justinians, 2003; Meier, M., Justinian, 2004; Cesaretti, P., Theodora, 2004 Justiz (zu lat. iustitia [F.] Gerechtigkeit) ist die Rechtspflege (vielfach nur der ordentlichen Gerichtsbarkeit). Lit.: Springer, M., Die Coccejische Justizreform, 1914; Liebermann, F., Zur Teilung des Justizertrags zwischen Herrscher und Gerichtshalter, ZRG GA 46 (1926), 365; 200 Jahre Dienst am Recht, hg. v. Gürtner, F., 1938; Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz, 1966, Neudruck 1987; Wenzlau, J., Der Wiederaufbau der Justiz in Nordwestdeutschland 1945 bis 1948, 1979; Kuhn, Robert, Die Vertrauenskrise der Justiz (1926- 1928), 1983; Fieberg, G., Justiz im nationalso- zialistischen Deutschland, 1984; Justiz in alter Zeit, hg. v. Hinckeldey, C. u. a., 1984, 2. A. 1989, 3. A. 1989; Jasper, G., Justiz und Nationalsozialismus, 1985; Just- Dahlmann, B. u. a., Die Gehilfen, 1988; Justizalltag im Dritten Reich, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1988; Recht und Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u. a., 1989; Justiz in alter Zeit, 3. neubearb. A., hg. v. Hinckeldey, C. u. a., 1989; Judicial Records, hg. v. Baker, J., 1989; Vorträge zur Justizforschung, hg. v. Mohnhaupt, H. u. a., 1992f.; Justiz im Dritten Reich, NS- Sondergerichtsverfahren in Rheinland-Pfalz, 1994; Wrobel, Verurteilt zur Demokratie, 1998; Royer, J., Histoire de la justice en France, 1995; Dölemeyer, B., Justizforschung in Frankreich und Deutschland, ZNR 18 (1996); Error iudicis, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998; Schulte-Nölke, H., Rheinische Judikatur im frühen 19. Jahrhundert, ZNR 20 (1998); Gruchmann, L., Justiz im Dritten Reich 1933-1940, 3. A. 2003; Justiz und Gerechtigkeit, hg. v. Griesebner, A., 2002; Justiz im Nationalsozialismus. Katalog zur Ausstellung, hg. v. Benzler, S. u. a., 2002; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Justiz = Justice = Justicia? Rahmenbedingungen von Strafjustiz im frühneuzeitlichen Europa, hg. v. Rudolph, H. u. a., 2003; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Justiz und Nationalsozialismus, hg. v. Pauli, G. u. a., 2003; Kißener, M., Zwischen Diktatur und Demokratie, 2003; Schmelz, C., Die Entwicklung des Rechtswegestaates, 2004; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Book, A., Die Justizreform in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2005 Justizgesetzsammlung ist eine 1780 in Österreich angelegte Sammlung der Justiz- gesetze. Lit.: Baltl/Kocher Justizsache ist im 18. Jh. die gerichtlich überprüfbare Angelegenheit. Lit.: Kroeschell, K., Justizsachen und Polizeisachen, FS H. Thieme, 1983 Justizstelle -> oberste Justizstelle Justizverwaltung ist die Verwaltung der von der allgemeinen Verwaltung getrennten Gerichtsbarkeit. Lit.: Hamann, U., Das Oberlandesgericht Celle im Dritten Reich, in: FS zum 250jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle, 1986; Justizverwaltung, Rechtsprechung und Strafvollzug auf dem Gebiet des heutigen Landes Rheinland-Pfalz, 1995 Jütisches Recht -> Jyske Lov Lit.: Das jütsche Recht, übers. v. See, K. v., 1960; Wagner, W., Jütlands Verfassung im Mittelalter, 1992 Jütland ist der festländische Teil Dänemarks zwischen Nordsee und Ostsee. Teile seiner germanischen Bewohner ziehen im 5. Jh. in das heutige Belgien und von dort 449 nach Britannien bzw. England. 1241 erlässt König Waldemar von Dänemark das -> Jyske Lov. Lit.: Nordisk kultur, Bd. 2 1938, 1ff. Jyske Lov, Jydske Lov, ist ein im März 1241 von König Waldemar II. (1202-1241) von Dänemark als verbessertes Landschaftsrecht für Jütland erlassenes Gesetz in dänischer Sprache. Es ist in 14 Handschriften des 14. Jh.s überliefert. Es gliedert sich in drei Bücher gemischten Inhalts. Es ist kirchlich und königlich geprägt. Es gilt bis 1683, in Schleswig bis 1900. Lit.: Das Jyske Recht, hg. v. See, K. v., 1960; Amira, K., v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 91, 96; Jutisch Lowbok. Lübeck 1486, (Faksimiledruck) 1976 K Kabbala (F.) mystisch-spekulative Strömung 364 des Judentums in Südfrankreich und Spanien (13./14. Jh.) Lit.: Scholem, G., Ursprung und Anfänge der Kabbala, 1962; Reichstein, H., Praktisches Lehrbuch der Kabbala, 1984; Scholem, G., Mystik, 3. A. 1988 Kabel (F.) ist im mittelalterlichen Norddeutschland das Los und der durch das Los bestimmte Anteil (z. B. an einem Deich). Lit.: Hübner § 114 Kabinett ist ursprünglich das kleine Gemach, in dem der neuzeitliche Fürst seine besonderen Angelegenheiten besorgt. Hieraus entwickelt sich eine beratende beamtete Organisation. In der Gegenwart ist K. die Regierung. Lit.: Köbler, DRG 151; Dürichen, J., Geheimes Kabinett und Geheimer Rat unter der Regierung Augusts des Starken, Neues Archiv f. Gesch. 51 (1930), 68; Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Leinert, B., Geheimer Rat und Kabinett in Baden, 1973 Kabinettsjustiz ist die Gesamtheit der Eingriffe des Landesherrn in einen geschäftlichen Ablauf im Einzelfall. Im -> Absolutismus ist der Machtspruch erlaubt. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s wird er als Ver- stoß gegen die -> Gewaltenteilung bekämpft und im Gefolge der französischen Revolution (1789) und der Verfassungsgebung Frankreichs (1791, Kapitel V, Art. 1) im 19. Jh. ausgeschlossen. Lit.:Köbler, DRG 154, 200; Bussi, E., Zur Geschichte der Machtsprüche, FS E. Hellbling, 1971, 51; Ogris, W., Maria Theresia iudex, Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österreichischen Ak. d. Wiss. 110 (1973), 232; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS H. Krause, 1975, 171; Regge, J., Kabinettsjustiz in Brandenburg- Preußen, 1977; Olechowski, T., Iustitia regnorum fundamentum, RZ 78 (2000), 132 Kadijurisprudenz ist die Streitentscheidung durch den Kadi (Richter in arabischen Ländern) im Gegensatz zur rechtsstaatlichen Rechtsprechung. Lit.: Luig, K., Richterkönigtum und Kadijurisprudenz, in: Das Profil des Juristen, 1980, 295 Kahn-Freund, Otto (Frankfurt am Main 1900- England 1979) wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Heidelberg, Leipzig und Frankfurt (Sinzheimer) Richter. 1933 wandert er wegen seiner jüdischen Herkunft nach England aus und wird 1951 Professor in London, 1964 in Oxford. Er gehört zu den führenden Arbeitsrechtlern des 20. Jh.s. Lit.: Kahn-Freund, O., Autobiographische Erinnerungen an die Weimarer Republik, Kritische Justiz 1981, 183 Kaiser ist der Träger der höchsten weltlichen Würde. In der Nachfolge Gaius Iulius Caesars ( 44 v. Chr.) nennen sich schon die römischen Herrscher (lat. [M.]) caesar. In Westrom endet dies 476 n. Chr. Im Osten tritt im 7. Jh. die Bezeichnung basileus an die Stelle von Caesar. An Weihnachten 800 krönt Papst Leo III. Karl den Großen zum K. (lat. imperator [M.] Romanorum). In der Folge erlangen viele deutsche Könige vom Papst die Krönung zum K. Die damit verbundenen Rechte sind gering. 1453 endet das oströmische Kaisertum. Der Herrscher Russlands nennt sich Zar (1917 gestürzt). Nach 1530 wird der K. des Heiligen Römischen Reichs von den Kurfürsten gewählt. 1804 nehmen die Herrscher von Frankreich (mit Unterbrechungen bis 1870) und Österreich den Titel K. an. 1806 endet das Kaisertum des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. 1871 wird der König von Preußen zum K. des Deutschen Reiches proklamiert. 1918 endet das europäische Kaisertum (Deutschland, Öster- reich). Lit.: Köbler, DRG 76, 83, 109, 132, 147, 194, 195; Tophoff, H., Die Rechte des deutschen Kaisers, 1902; Srbik, H. v., Das österreichische Kaisertum, 1927; Heldmann, K., Das Kaisertum Karls des Großen, 1928; Holtzmann, R., Der Kaiser als Marschall des Papstes, 1928; Schramm, P., Kaiser, Rom und Renovatio, 1929, 2. A. 1957; Tiedemann, H., Der deutsche Kaisergedanke vor und nach dem Wiener Kongress, 1932; Schneider, F., Neuere Anschauungen der deutschen Historiker zur Beurteilung der deutschen Kaiserpolitik des Mittelalters, 3. A. 1938; Stengel, E., Kaisertitel und Souveränitätsidee, DA 3 (1939); Ohnsorge, W., Das Zweikaiserproblem im früheren Mittelalter, 1947; Ohnsorge, W., Das Mitkaisertum in der abendländischen Geschichte des früheren Mittelalters, ZRG GA 67 (1950), 309; Andreae, F., Das Kaisertum in der juristischen Staatslehre des 15. Jahrhunderts, Diss. phil. Göttingen 1951; Drögereit, R., Kaiseridee und Kaisertitel bei den Angelsachsen, ZRG GA 69 (1952), 24; Uhlirz, M., Die rechtliche Stellung der Kaiserinwitwe Adelheid, ZRG GA 74 (1957), 84; Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte, 1958; Stengel, E., Abhandlungen und Untersuchungen zur Geschichte des Kaisergedankens im Mittelalter, 1965; Appelt, H., Die Kaiserideee Friedrich Barbarossas, 1967; Kleinheyer, G., Die kaiserlichen 365 Wahlkapitulationen, 1968; Fehrenbach, E., Wandlungen des deutschen Kaisergedankens 1871-1918, 1969; Das byzantinische Herrscherbild, hg. v. Hunger, H., 1975; Duchhardt, H., Et Germani eligunt et Germanus eligendus, ZRG GA 97 (1980), 232; Wehler, H., Das Deutsche Kaiserreich 1871-1918, 5. A. 1983; Schramm, P., Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit, 2. A. 1983; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984, 2. A. 1994; Wefers, S., Das politische System Kaiser Sigmunds, 1989; Die Kaiser der Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990; Veh, O., Lexikon römischer Kaiser, 3. A. 1990; Kaisergestalten des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 3. A. 1991; Pabst, A., Comitia imperii, 1997; Die römischen Kaiser, hg. v. Clauss, M., 2. A. 2001; Clauss, M., Kaiser und Gott, 1999; Winterling, A., Aula Caesaris, 1999; Reichsständische Libertät und habsburgisches Kaisertum, hg. v. Duchhardt, H. u. a. 1999; Wagner, N., Der deutsche Kaiser und König von Preußen, ZRG GA 117 (2000), 450; Die Kaiserinnen Roms, hg. v. Temporini-Gräfin Vitzthum, H., 2002; Röhl, J., Kaiser, Hof und Staat ­ Wilhelm II., 2002; Sommer, M., Die Soldatenkaiser, 2004; Kienast, D., Römische Kaisertabelle, 3. unv. A. 2004 Kaisergericht ist die vom -> Kaiser verwaltete Gerichtsbarkeit (z. B. in Rom). Lit.: Kaser §§ 80 II 5, 87 I 1, II; Bleicken, J., Senatsgericht und Kaisergericht, 1962 Kaiserkonstitution ist die (lat.) -> constitutio (F.) des Kaisers vor allem im spätantiken Rom. Kaiserkrönung ist die Krönung eines Menschen zum Kaiser, wie sie im Abendland seit dem Jahre 800 stattfindet. Für die damit verbundenen Handlungen entwickelt sich ein besonderer Krönungsordo (seit 960 überliefert). Danach folgen auf den Krönungseid Salbung, Übergabe der Herrschaftszeichen, Messe, Steigbügelhalten, Krönungszug und Festmahl. Lit.: Eichmann, E., Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 1f. 1942; Die Ordines für die Weihe und Krönung, hg. v. Elze, R., 1960; Hageneder, O., Das crimen maiestatis, FS F. Kempf, 1983 Kaiserproklamation in Versailles am 18. 1. 1871 ist die feierliche Amtsübernahme des Kaisers des Deutschen Reiches. Lit.: Die Reichsgründung 1870/71, hg. v. Schieder, T. u. a., 1970 Kaiserrecht ist das auf den -> Kaiser bezogene -> Recht. Im römischen Altertum lassen sich die Konstitutionen der (lat. [M.Pl.]) principes als K. verstehen. Das 13. bis 16. Jh. meint mit K. alles Recht, dessen Quelle der Kaiser ist oder sein soll. Damit kann deutsches Recht wie römisches Recht erfasst sein. Als K. wird beispielsweise in den meisten Handschriften der später sog. Schwabenspiegel bezeichnet, als kleines Kaiserrecht ein wenig jüngeres Rechtsbuch (sog. Frankenspiegel). Im Laufe des 14. Jh.s sind K. etwa die Goldene Bulle, die Landfrieden, die Rechtsbücher, das Recht der Reichsstädte, das in der kaiserlichen Gerichts- barkeit gesprochene Urteil oder das römische Recht (z. B. Sachsenspiegelglosse). Im 15. Jh. ist K. meist das aufgenommene römische Recht. Den Gegensatz bildet häufig das kirchliche Recht. Lit.: Schaafs, G., Ein Kaiserrechtbruchstück, ZRG GA 26 (1905), 280¸ Krause, H., Kaiserrecht und Rezeption, 1952; Munzel, O., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Trusen, W., Die Rechtsspiegel und das Kaiserrecht, ZRG GA 102 (1985), 12; Munzel-Everling, D., Dez keisers recht. Das kleine Kaiserrecht, 2003 Kaiserslautern Lit.: Urkundenbuch der Stadt Kaiserslautern, Teil 1f.f. , hg. v. Dolch, M. u. a., 1994ff.; Das Lauterer Gericht und sein Speyerer Oberhof, hg. v. Dolch, M., 1996; Ratsprotokolle der Stadt Kaiserslautern 1566-1571, hg. v. Dolch, M. u. a., 2002 Kalabrien ist bis ins 7. Jh. die südöstliche, später die südwestliche Halbinsel der Hablinsel Italien. K. kommt über die Punier, Römer, Byzantiner und Langobarden in der Mitte des 11. Jh.s an die -> Normannen. Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie im staufischen Königreich Sizilien, 1975; Leo, P. de, Mezzogiorno medioevale, 1984 Kalender ist ein Mittel zur Einteilung der Dimension Zeit (nach Tagen, Monaten und Jahren) mit Hilfe astronomisch bestimmter Gegebenheiten (von Sonne und Mond). Der nach lat. calendae (Monatsanfang) benannte, bereits vielen Völkern des Altertums bekannte K. wird von Caesar neu bestimmt (julianischer K. mit einer Ungenauigkeit von rund 12 Sekunden pro Jahr). 325 wird der Früh- jahrsanfang auf den 21. März festgesetzt. Ohne dass das Geburtsjahr Jesus Christus' (kurz vor 4 v. Chr.?) feststeht, setzt sich die von Dionysius Exiguus (475?-545) eingeführte Zählung nach Christi Geburt durch. Im Frühmittelalter verbessern Beda und Karl der Große (Lorsch 789?) die Kalenderführung 366 durch Aufnahme von Ereignissen auch der geöhnlichen Lebenswelt. 1582 wird der zu Verschiebungen führende julianische K. unter Papst Gregor XIII. durch den genaueren, zehn Tage auslassenden gregorianischen K. ersetzt, dem sich die reformierten Landesherren im Heiligen Römischen Reich am 23. 9. 1699 anschließen (England 1752, Russland 1917). Ein an der französischen Revolution ausgerichteter neuer Kalender scheitert nach kurzer Zeit. Lit.: Wislicenus, F., Der Kalender, 1905; Meinzer, M., Der französische Revolutionskalender (1792-1805), 1992; Graf, F., Der Lauf des rollenden Jahres, 1997; Der karolingische Reichskalender, hg. v. Borst, A., 2001; Der Streit um die Zeit, hg. v. Herzog, M., 2002; Der Kalender, hg. v. Geerlings, W., 2002; Borst, A., Der Streit um den karolingischen Kalender, 2004 Kalif (M.) Stellvertreter (des islamischen Propheten Mohammed) Lit.: Halm, H., Die Kalifen von Kairo, 2003 Kalligas, Pavlos (1814-1896) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Gans, Savigny) und Heidelberg 1843 Professor in Athen und Politiker. Er fördert die Aufnahme deutscher und römischrechtlicher Gedanken in Griechen- land. Er wirkt an der Schaffung eines Entwurfes eines griechischen Zivilgesetzbuches mit. Lit.: Kairophylas, K., Pavlos Kalligás, 1937 Kalumnieneid (Gefährdeeid, Schikaneeid, lat. iuramentum [N.] calumniae) ist der im römischen Zivilprozessrecht (Formularver- fahren) sichtbare Eid der Parteien und ihrer Advokaten, das Verfahren nicht rechtsmiss- bräuchlich zu führen. Justinian (527-565) macht ihn zur Prozessvoraussetzung. Der K. wird nach einer frühen Erwähnung im Jahre 1186 mit dem römisch-kanonischen Verfahren am Ende des Spätmittelalters in Deutschland übernommen, wobei das Verhältnis zum Voreid des deutschen Rechts (Gefährdeeid) streitig ist. Später geht der Sinn des Kalumnieneids verloren. Ihm entsprechen in der Gegenwart die Notwendigkeit des Rechtsschutzinteresses und die Strafbarkeit wegen falscher Anschuldigung. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Zimmermann, E., Der Glaubenseid, 1863, 62; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 214; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 349 Kalvinismus -> Calvin Lit.: Calvinism and Religious Toleration in the Dutch Golden Age, hg. v. Hsia, R. u. a., 2002 Kameralismus (Kameralwissenschaft) ist die Wissenschaft von den wirtschaftlichen Verhältnissen und Aufgaben des frühneuzeitlichen Staates (Finanzwissenschaft und Polizeiwissenschaft). Der K. ist eine Son- derform des -> Merkantilismus. Wichtige Ver- treter sind -> Justi, ->Seckendorff und -> Sonnenfels. Seit 1727 werden in Deutschland besondere Lehrstühle für diese Wissenschaft eingerichtet. Lit.: Köbler, DRG 134, 152; Nielsen, A., Die Entstehung der deutschen Kameralwissenschaft im 17. Jahrhundert, 1911; Gerloff, A., Staatspraxis und Staatstheorie des kameralistischen Verwaltungsstaates, 1937; Kunze, K., Ernst Ludwig Carl, 1966; Schiera, P., Dall'arte di governo alle scienze di stato, 1968; Brückner, J., Staatswissenschaft, Kameralismus und Naturrecht, 1977; Jenetzky, J., System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts, 1978; Schulz, H., Das System und die Prinzipien der Einkünfte im werdenden Staat der Neuzeit, 1982; Sandl, M., Ökonomie des Raumes, 1999 Kameralistik (Kameraljurisprudenz) ist die wissenschaftlich-literarische Tätigkeit von Richtern am Reichskammergericht (bzw. auch die Kameralwissenschaft). Als Beisitzer des Gerichts veröffentlichen Johann -> Mynsinger von Frundeck (1517-1588, [lat.] Singularium observationum iudicii imperialis camerae centuriae [F.Pl.] quattor, 1565, Vierhundert Einzelbeobachtungen des kaierlichen Kammer- gerichts) und Andreas -> Gaill (1526-1587, [lat.] Practicarum observationum . . libri [M.Pl.] duo, 1578, Zwei Bücher praktischer Beobachtungen) Urteile. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981 Kameralprozess -> Reichskammergericht Kameralwissenschaft -> Kameralismus Kammer ist ursprünglich die gewölbte Decke, danach der von daher benannte Raum und die darin beherbergte fürstliche Behörde. Nach dem schon im Frühmittelalter sichtbaren -> Kämmerer entstehen bereits im späten 15. Jh. in einzelnen habsburgischen Ländern ständische Raitkammern. 1498 richtet König Maximilian I. eine Hofkammer als zentrale, kollegial organisierte Finanzbehörde des 367 Reiches und der habsburgischen Erbländer ein. In Brandenburg erscheinen im 16. Jh. Amtskammern und 1689 eine geheime Hofkammer. Seit dem 18. bzw. 19. Jh. ist K. ein Haus eines mehrteiligen Gesetzgebungs- organs, ein kollegialer Spruchkörper eines Gerichtes oder eine berufliche Standesver- tretung. Lit.: Mensi, F. v., Die Finanzen Österreichs, 1890; Storch, A., Der brandenburg-preußische Kammerstaat, Diss. jur. Göttingen 1912; Thimme, H., Das Kammeramt in Straßburg, Worms und Trier, 1913; Richardson, W., Tudor Chamber Administration, 1952; Die Kontrolle der Staatsfinanzen, hg. v. Zavelberg, H., 1989 Kämmerer (lat. [M.] camerarius) ist der für die Einkünfte zuständige Verwaltungsamtsträger bereits des frühmittelalterlichen Könighofes (882). 936 erscheint der Herzog von Schwaben als K. (Erzkämmerer), seit dem 12. Jh. der Markgraf von Brandenburg. Das seit dem 13. Jh. erbliche Hofamt des Kämmerers haben zunächst die Grafen von Bolanden-Falkenstein, danach die von Weinsberg und seit dem 16. Jh. die Grafen bzw. Fürsten von Hohenzollern inne, doch verliert es seit der Neuzeit an Bedeutung. In England verdrängt in der normannischen Zeit der Schatzmeister den königlichen K., in Frankreich im 13. Jh. der (frz.) Grand-chambellan bzw. im 14. Jh. der (frz.) trésorier. K. amtieren auch in den einzelnen Städten und Ländern. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485 Kammergericht im Heiligen Römischen Reich ist ein seit 1415 urkundlich nachweisbares, neben dem königlichen Hofgericht bestehendes königliches Gericht. Es entsteht vielleicht be- reits im 14. Jh. aus dem königlichen Rat. Es ist mit (gelehrten) Räten des Königs besetzt. Es ist zuständig für Angelegenheiten des Königs und Reiches, später auch für weitere Gegenstände. Nach Verschwinden des Hofgerichtes zwischen 1451 und 1456 wird es als Hof- und Kammergericht bezeichnet. Von 1455 ist ein Sitzungsprotokollbuch überliefert, seit 1467 ein Urteilsbuch, von 1471 der Entwurf einer Kammergerichtsordnung, nach der die Juristen die Hälfte der Urteiler bilden sollen. Tatsächlich sind von fast 350 Beisitzern der Herrschaftszeit Kaiser Friedrichs III. (1452 ­ 1493) fast 100 Juristen. Das K. wird vor allem von süddeutschen Ständen häufig angerufen, gelangt aber vielfach nur sehr langsam zu Entscheidungen und vermag nur selten diese in der Wirklichkeit umzusetzen. Seit 1461 wird es verpachtet, seit 1475 tritt es nur noch selten zusammen. Am 9. 7. 1490 ernennt Kaiser Friedrich III. nochmals einen Kammerrichter (1494 20 Prozessrubra, 1495 35 Prozessrubra genannt). Ihm folgt 1495 das -> Reichskammergericht. Lit.: Köbler, DRG 114; Tomaschek, J., Die höchste Gerichtsbarkeit, 1865; Franklin, O., Das königliche Kammergericht vor dem Jahre 1495, 1871; Neumann, G., Zwei Lübecker Hausbesitzer vor dem Kammergericht, ZRG GA 96 (1979), 209; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammer- gericht, FS A. Erler, 1986, 44; Jahns, S., Das Kammergericht und seine Richter, 1996; Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Die Protokoll- und Urteilsbücher des königlichen Kammergerichts aus den Jahren 1465 bis 1480, hg. v. Battenberg, F. u. a., 2004 Kammergericht in Brandenburg bzw. Preußen ist das (oberste) Gericht des Reichskämmerers (Markgrafen von Brandenburg) für die Mark -> Brandenburg (14. Jh. des kemerers kamere tu tangermünde, 1392 kammerrecht, 17. 3. 1468 K.). Von 1516 stammen der Entwurf einer Kammergerichtsordnung, von 1540 (Cölln an der Spree) und 1709 in Kraft getretene Kammergerichtsordnungen. 1748 wird das K. auch für Strafsachen zuständig. 1782 wird es Mittelinstanz. 1877/1879 wird es Oberlandesgericht. Lit.: Holtze, F., Geschichte des Kammergerichts in Brandenburg-Preußen, Bd. 1ff. 1890ff.; Hassenpflug, R., Die erste Kammergerichtsordnung Kurbrandenburgs, 1895; Schmidt, E., Kammergericht und Rechtsstaat, 1968; Werner, F., Zur Geschichte des Kammergerichts in Berlin, 1968 Kammergut (Tafelgut, Domänen) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der Einkünfte der -> Kammer. Streitig ist im 17. Jh. und 18. Jh., ob das K. dem Staat oder dem Landesherrn gehört. Lit.: Baltl/Kocher; Zachariae, H., Das Eigentumsrecht am deutschen Kammergut, 1864; Breysig, K., Geschichte der brandenburgischen Finanzen, 1895 Kammerrichter -> Reichskammergericht Kammerzieler ist in der Neuzeit (1548-1806) 368 die Gesamtheit der von den Reichständen für das -> Reichskammergericht aufzubringenden Geldleistungen. Der K. beläuft sich meistens auf weniger als 1% der Ausgaben des schuldenden Reichsstandes, wird aber vielfach gleichwohl nicht ordentlich oder überhaupt nicht geleistet. Lit.: Köbler, DRG 150; Gothein, E., Der gemeine Pfennig, 1877; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911 Kampanien ist die um Neapel liegende süditalienische Landschaft, die über die Römer, Goten und Oströmer um 570 an das langobardische Herzogtum Benevent gelangt. Lit.: Storia arte e cultura della Campania, 1976 Kanada ist der nördlich der Vereinigten Staten von Amerika gelegene, aus Kolonien Englands und Frankreichs entstandene Staat. Lit.: Vachon, A., Histoire du notariat canadien 1621- 1960, 1962; Sautter, U., Geschichte Kanadas, 2000; Handschug, S., Einführung in das kanadische Recht, 2003 Kanon (lat. [M.] canon) ist die Regel oder Vorschrift des richtigen Glaubens und Handelns sowie des kirchlichen (kanonischen) Rechts (325). Die in (lat. [M.Pl.]) canones formulierten Synodalbeschlüsse werden seit der Mitte des 4. Jh.s (bis zu -> Gratian, um 1140, und danach) in Kanonessammlungen, von denen allein zwischen 1000 und 1400 außerhalb Italiens mehr als 27 verschiedene entstehen, zusammengefasst. Lit.: Wenger, L., Über canon und regula in den römischen Rechtsquellen, ZRG KA 63 (1943), 495; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Fransen, G., Les collections canoniques, 1985; Landau, P., Erweiterte Fassungen der Kanonessammlung des Anselm von Lucca, in: Sant' Anselmo, 1987, 383; Gaudemet, J., Droit de l'Eglise, 1989; Fowler-Magerl, L., Ausgewählte Kanonessammlungen zwischen 1000 und 1400 außerhalb Italiens, 1998 (CD-ROM); Stadelmaier, M., Die Collectio Sangermanensis XXI titulorum, 2004 Kanoniker (535 lat. [M.] canonicus) ist ein Mitglied eines Stiftskapitels oder Domkapitels (Domkapitular, Domherr). Lit.: Semmler, J., Mönche und Kanoniker, 1980; Istituzioni monastiche e istituzioni canonicali, 1980 Kanonisches Recht (lat. -> ius [N.] canonicum) ist das kirchliche Recht im Gegensatz zum weltlichen Recht. Im engeren Sinn ist es im Gegensatz zum neueren kirchlichen Recht nur das im (lat.) -> corpus (N.) iuris canonicum enthaltene Recht bzw. das innere katholische Kirchenrecht im Gegensatz zum staatlichen Kirchenrecht (Staatskirchen- recht). Seit der Mitte des 4. Jh.s wird es in Kanonessammlungen zusammengefasst. Große Bedeutung hat es lange für Ehe, Verfahren, Testament, Eid, Wucher und Schule. Lit.: Friedberg, E., Das kanonische und das Kirchenrecht, Dt. Z. f. Kirchenrecht 8 (1898), 1; Landau, P., Der Einfluss des kanonischen Rechts auf die europäische Rechtskultur, in: Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1991, 39; Die Bedeutung des kanonischen Rechts für die Entwicklung einheitlicher Rechtsprinzipien, hg. v. Scholler, H., 1996; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1, 1997; Aymans, W./Mörsdorf, K., Kanonisches Recht, 13. A. Bd. 2 1997; Martínez-Torron, J., Anglo-American Law and Canon Law, 1998; Erdö, P., Geschichte der Wissenschaft vom kanonischen Recht, 2003 Kanonisches Zinsverbot ist das auf Lukas 6,35 (Tut Gutes und gebt ein Darlehen, ohne davon etwas zu erhoffen) gegründete kirchliche Verbot, für Darlehen Zinsen zu nehmen. Es setzt sich im Mittelalter allgemein durch. Die wirtschaftlichen Ziele des verzinslichen Dar- lehens werden aber mit Hilfe zahlreicher Umgehungsgeschäfte erreicht. Im Übrigen dürfen -> Juden verzinsliche Darlehen geben und werden infolgedessen vielfach zu Gläu- bigern christlicher Schuldner. 1654 wird im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das kanonische Zinsverbot durch einen Höchstzinssatz von 6% ersetzt, im 19. Jh. schwindet auch der Höchstzinssatz. Lit.: Köbler, DRG 127, 166; Endemann, W., Studien in der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff., Neudruck 1962; Ruth, R., Das kanonische Zinsverbot, FS E. Heymann, 1931, 316 Kant, Immanuel (Königsberg 22. 4. 1724-12. 2. 1804), Sattlerssohn, wird nach dem Studium von Mathematik, Naturwissenschaften und Philosophie 1746 Hauslehrer, 1765 Bibliothe- kar und 1770 ordentlicher Professor für Metaphysik und Logik (1781 Kritik der reinen Vernunft). Nach ihm ist Recht der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann (Metaphysik der Sitten, 1797/1798). Hierauf bauen alle Einzelaus- 369 führungen zum Recht auf. In erheblichem Maße von Kants Freiheitsethik beeinflusst wird -> Savigny. Lit.: Köbler, DRG 147, 178, 187; Cassirer, E., Kants Leben und Lehre, 1918; Swoboda, E., Das ABGB im Lichte Kants, 1926; Haensel, W., Kants Lehre vom Widerstandsrecht, 1926; Buchda, G., Das Privatrecht Immanuel Kants, 1929; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932, Neudruck 1973, 1987; Naucke, W., Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962; Kiefner, H., Der Einfluss Kants auf Theorie und Praxis des Zivilrechts, in: Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Naucke, W., Die Dogmatisierung von Rechtsproblemen bei Kant, ZNR 1 (1969); Ritter, C., Der Rechtsgedanke Kants nach den frühen Quellen, 1971; Saage, R., Eigentum, Staat und Gesellschaft bei Immanuel Kant, 1973, 2. A. 1994; Kants Rechtsphilosohpie, hg. v. Küsters, G., 1988; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Höffe, O., Immanuel Kant, 5. A. 2000; Zotta, F., Immanuel Kant. Legitimität und Recht, 1998; 200 Jahre Kants Metaphysik der Sitten, hg. v. Sharon Byrd, B., 1998; Recht, Staat und Völkerrecht bei Immanuel Kant, hg. v. Hüning, D. u. a., 1998; Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtsgeschichte, hg. v. Höffe, O., 1999; Falkenburg, B., Kants Kosmologie, 1999; Küper, W., Immanuel Kant und das Brett des Karneades, 1999; Kater, T., Politik, Recht, Geschichte, 1999; May, S., Kants Theorie des Staatsrechts, 2002; Höffe, O., Kants Kritik der reinen Vernunft, 2003; Kühn, M., Kant, 2003; Dietzsch, S., Immanuel Kant, 2003; Sala, G., Kants Kritik der praktischen Vernunft, 2004; Baumanns, P., Kant und die Bioethik, 2004 Kanton ist vor allem das Mitglied (Ver- waltungseinheit bzw. Bundesstaat) der Eidgenossenschaft der Schweiz seit der Einrichtung der Helvetischen Republik im Jahre 1798. Die 23 (bzw. mit Halbkantonen 26) Kantone sind Aargau, Appenzell, (Appenzell- Außerrhoden, Appenzell-Innerrhoden), Basel (Basel-Stadt, Basel-Landschaft), Bern, Frei- burg, Genf, Glarus, Graubünden, Jura, Luzern, Neuenburg, Sankt Gallen, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Tessin, Thurgau, Unterwalden (Unterwalden nid dem Wald, Unterwalden ob dem Wald), Uri, Waadt, Wallis, Zug und Zürich. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; His, E., Geschichte des neueren Schweizer Staatsrechts, Bd. 1ff. 1920ff. Kantonssystem ist ein 1733/5 in Brandenburg- Preußen eingeführtes Aushebungssystem, bei dem der Staat in Bezirke (Kantone) aufgeteilt wird, die je einem Regiment zur Aushebung zugeordnet sind. Das K. wird 1771 von Österreich, 1804 von Baden und 1804/1805 von Bayern übernommen, wenig später (Preußen 1804) aber aufgegeben. Lit.: Büsch, O., Militärsystem und Sozialleben im alten Preußen 1713-1807, 1962 Kantorowicz, Hermann Ulrich (Posen 1877- Cambridge 1940), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Philo- sophie und Nationalökonomie in Berlin (Liszt) und München (Brentano) und der Habilitation in Freiburg (Schmidt, Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik [1908]) 1929 Professor in Kiel. Nach der Entlassung aus dem Staatsdienst (1933) wechselt er nach New York und Cambridge. Mit seiner frühen Schrift (Gnaeus Flavius) Der Kampf um die Rechtswissenschaft wird er einer der Begründer der -> freien Rechtsschule. Lit.: Muscheler, K., Hermann Ulrich Kantorowicz, 1984; Muscheler, K., Relativismus und Freirecht, 1984; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 631 Kanzlei ist die für die Herstellung von Schriftstücken zuständige Behörde. Sie entsteht bereits im römischen Altertum unter Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.). Hieran knüpfen die merowingischen Könige an, deren K. sich aus weltlichen Hofbeamten (lat. [M.Pl.] referen- darii) und diesen untergeordneten Schreibern zusammensetzt. Wenig später treten Geistliche an ihre Stelle. Die Leitung übernimmt 870 bzw. 965 der Erzbischof von Mainz. Zur gleichen Zeit festigt sich auch eine K. des Papstes. Seit dem 12. Jh. wird die K. eine nach festen Regeln eingerichtete Behörde zur Herstellung von Schriftstücken. Im 13. und 14. Jh. bilden sich auch in den Ländern und Städten besondere Kanzleien. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Wilkinson, B., The Chancery under Edward III, 1929; Merkel, W., Das Aufkommen der deutschen Sprache in den städtischen Kanzleien, 1930; Groß, L., Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei, 1933; Vogelgesang, G., Kanzlei der pfälzischen Kurfürsten, 1939; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Battenberg, F., 370 Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshof- gerichtes, 1974; Csendes, P., Die Kanzlei Kaiser Heinrichs VI., 1981; Kölzer, T., Urkunden und die Kanzlei von Kaiserin Konstanze, 1983; Petke, W., Kamzlei, Kapelle und königliche Kurie unter Lothar III. (1125-1137), 1985; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen bei Rhein, 1986; Frenz, T., Die Kanzlei der Päpste, 1986; Stadt, Kanzlei und Kultur im Übergang zur frühen Neuzeit, hg. v. Suntrup, R., 2004 Kanzler ist der Angehörige oder Leiter einer -> Kanzlei. Der (lat. [M.]) cancellarius (4. Jh.) ist in Rom die an den die Richter von der Allgemeinheit trennenden Schranken (lat. [M.Pl.] cancelli) Dienste verrichtende Hilfsperson, im Frühmittelalter der Schreiber, seit dem 10. Jh. der Leiter einer Beurkundungsstelle (Reich 953, Frankreich 12. Jh.). Seit dem 12. Jh. erscheint der K. an Schulen und Universitäten als bedeutsamer Amtsträger. Auch nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) bleibt der K. bedeutsam (1810 Preußen Staatskanzler, 1866 Norddeutscher Bund Bundeskanzler, 1871 Reichskanzler, 1949 Bundeskanzler). Lit.: Köbler, DRG 83, 112, 113; Rosenberg, W., Die staatsrechtliche Stellung des Reichskanzlers, 1889; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912; Hantsch, H., Reichsvizekanzler Friedrich Karl Graf von Schönborn (1674-1746), 1929; Rashdall, H., The Universities of Europe, 2. A. 1936 Kapelle ist in Ableitung von (lat. [F.]) capa (Mantel [des heiligen Martin, 316-400]) die kleine Kirche, deren Rechtsstellung gegenüber der Kirche zeitweise in verschiedener Hinsicht gemindert ist. Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1959 Kaperei ist die Aufbringung feindlicher Schiffe durch bewaffnete, staatlich dazu ermächtigte Privatschiffe seit dem 17. Jh. Ihre Wurzeln liegen bereits im Mittelalter. Im 19. Jh. wird die K. durch Staatsverträge und die Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 be- seitigt. Lit.: Böhringer, K., Recht der Prise, Diss. jur. Frankfurt am Main 1970; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte 1994, §§ 30, 35, 36 Kapetinger ist der Angehörige eines (rheinfränkischen?,) mit dem 866 gefallenen Robert sichtbaren Geschlechts, das mit Hugo Capet 987 das Königtum im westfränkischen Reich erlangt. Bei dem Erlöschen der Kapetinger (1328) folgen die Nebenlinien Valois (bis 1589), Bourbon (bis 1792, 1814- 1830) und Orléans (1830-1848). Als Familienbezeichnung erscheint das Wort K. spät (17. Jh.). Lit.: Lohrmann, K., Die Titel der Kapetinger (987-1200). Diss. phil. Wien 1976 (masch.schr.); Actes du colloque Hugues Capet, 1987; Ehlers, J., Die Kapetinger, 1999 Kapital (N.) ist die verzinsliche Geldsumme bzw. die Gesamtheit der in ein Unternehmen eingebrachten Mittel Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 399; Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 1954; Peyer, H., Könige, Stadt und Kapital, 1982 Kapitalgesellschaft ist die -> Gesellschaft, bei der die bloße Beteiligung von -> Kapital im Vordergrund steht und es nicht wesentlich auf die Persönlichkeit des einzelnen Gesell- schafters ankommt. Die K. entsteht nach dem Frühkapitalismus mit der Entwicklung des risikoreichen, kapitalbedürftigen Welthandels (-> Aktiengesellschaft) zu Beginn des 17. Jh.s. Ihre Bedeutung wächst noch immer. Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913 Kapitalismus ist eine Wirtschaftsform, in der das -> Kapital prägende Bedeutung hat. Auf der Grundlage der Anerkennung des Pri- vateigentums strebt der Einzelne im freien Wettbewerb mit anderen am Markt den größtmöglichen Gewinn durch maximalen Einsatz verfügbaren Kapitals an. Als Frühform des K. (Frühkapitalismus) gilt die Wirtschafts- weise z. B. der -> Fugger am Beginn der Neuzeit. Eigentlich setzt sich der K. erst im Liberalismus des 19. Jh.s durch, bewirkt dort aber auch die Trennung der Gesellschaft in Kapitalisten (besitzende Bürger) und Prole- tarier (besitzlose Arbeiter). Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 177; Strieder, J., Zur Genesis des modernen Kapitalismus, 1904; Hinze, Die Arbeiterfrage zu Beginn des modernen Kapitalismus, 2. A. 1963; Turner, H., Faschismus und Kapitalismus, 1972; Koslowski, P., Ethik des Kapitalismus, 2. A. 1984; Duplessis, R., Transitions to Capitalism, 1997; Kurz, R., Schwarzbuch Kapitalismus, 1999 Kapitel (N.) Teil, Gemeinschaft Kapitular (N.) ist im frühmittelalterlichen fränkischen Recht die in Kapitel eingeteilte Anordnung des Königs. Das unter ver- 371 schiedenen Namen verschiedenste Gegenstände behandelnde K. setzt der Herrscher oft mit Zustimmung der Großen und des Volkes, meist für das ganze Reich. Kapitularien begegnen, in rund 275 Handschriften überliefert, von etwa 500 bis etwa 900, am häufigsten zwischen 802 und 830. Lat. [N.] capitulare erscheint erstmals 779 (773). Lit.: Köbler, DRG 81; Boretius, A./Krause, V., Capitularia regum Francorum, Bd. 1f 1883ff., Neudruck 1960; Seeliger, G., Die Kapitularien der Karolinger, 1893; Eckhardt, W., Die Kapitulariensammlung Bischof Ghaerbalds von Lüttich, 1955; Ganshof, F., Wat waren de Capitularia?, 1955; Ganshof, F., Was waren die Kapitularien, 1961; Eckhardt, W., Was waren die Kaspitularien?, ZRG GA 79 (1962), 237; Schneider, R., Zur rechtlichen Bedeutung der Kapitularientexte, DA 23 (1967), 273; Überlieferung und Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters, 1986; Schmitz, G., Die Kapitulariengesetzgebung Ludwigs des Frommen, DA 42 (1986), 471; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachlichen Wörtern in karolingischen Kapitularien, 1993; Woll, I., Untersuchungen zur Überlieferung und Eigenart der merowingischen Frühkapitularien, 1995; Mordek, H., Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta, 1995; Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den Karolingern, hg. v. Schieffer, R., 1996; Buck, T., Admonitio und praedicatio, 1997; Mordek, H., Studien zur fränkischen Herrschergesetzgebung, 2000; Koal, V., Studien zur Nachwirkung der Kapitularien in den Kanonessammlungen, 2001; Geiselhart, M., Die Kapitulariengesetzgebung Lothars I. in Italien, 2002 Kapitulation (17. Jh.) ist der in Kapitel eingeteilte Vertrag (z. B. Wahlkapitulation), insbesondere der Vertrag über die Übergabe von eigenen Truppen oder sonstigen kriegerischen Mitteln. Lit.: Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Becker, J. u. a., 1979; Ziegler, K., Völkerrechts- geschichte, 1994 Kapitän Lit.: Hanses, D., Die rechtliche Stellung des Kapitäns auf deutschen Seeschiffen, 1983 Kaplan (M.) Hofgeistlicher, Hilfspriester Kapras, Jan (1880-1947) wird nach dem Rechtsstudium in Innsbruck und Prag 1910 außerordentlicher Professor und 1917 ordentlicher Professor in Prag. Sein Hauptwerk ist die Rechtsgeschichte der Länder der böhmischen Krone (Právní dejiny zemí Koruny ceské, 1913ff.). Lit.: Antologie ceské právní vedy, 1993, 44 Karantanien (7. Jh.) -> Kärnten Kardinal ist im katholischen Kirchenrecht der vom Papst ernannte höchste kirchliche Würdenträger nach dem Papst. Mit dem Adjektiv (lat.) cardinalis werden seit etwa 500 n. Chr. zur Bischofskirche oder zur bischöf- lichen Priesterschaft gehörende Kleriker bezeichnet, seit dem Anfang des 8. Jh.s die jeweils ranghöchsten Priester einer Titelkirche in Rom. Am Beginn des Frühmittelalters wird (lat.) cardinalis zum Titel. Um 1100 findet sich ein Kardinalskollegium mit Bischöfen von 53 Kardinälen, das im 15. Jh. auf 24 Kardinäle beschränkt wird. Am Ende des 16. Jh.s wird die Zahl auf 70 und 1958 nochmals erweitert. Der K. wird vom Papst frei ernannt. Seit dem Ende des 11. Jh.s wirken die Kardinäle an der Herr- schaft der Gesamtkirche mit, seit 1179 wählen sie den Papst. Lit.: Fürst, C., Cardinalis, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hüls, R., Kardinäle, 1977; Weber, C., Senatus divinus, 1996; Jagd nach dem roten Hut, hg. v. Karsten, A., 2004 Karl der Große (frz. Charlemagne) (Westfranken 2. 4. 747-Aachen 28. 1. 814), aus der Familie der Arnulfinger bzw. Pippiniden bzw. Karolinger, wird 768 König der Franken und 800 von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt. Durch zahlreiche Kriegszüge dehnt er das Reich der Franken aus (-> Langobarden, -> Sachsen). In -> Kapitularien setzt er Recht. Im Übrigen veranlasst er die Aufzeichnung von -> Volksrechten. Wahrscheinlich um 770 führt er - > Schöffen in der Gerichtsbarkeit ein. Lit.: Köbler, DRG 81; Siegel, H., Die deutschen Rechtsbücher und die Kaiser-Karls-Sage, 1899; Gundlach, W., Karl der Große im Sachsenspiegel, 1899; Heldmann, K., Das Kaisertum Karls des Großen, 1928; Brandenburg, E., Die Nachkommen Karls des Großen, 1935, Neudruck 1964; Pirenne, H., Mahomet und Karl der Große, 1935 (1963); Seiler, K., Der Erziehungsstaat Karls des Großen, 1937; Folz, R., Le souvenir et la légende de Charlemagne, 1950; Folz, R., Études sur le culte liturgique de Charlemagne, 1951; The coronation of Charlemagne, hg. v. Sullivan, R., 1959; Sprigade, K., Zur Frage der Verfälschung von Karls d. Gr. diviso regnorum, ZRG GA 81 (1964), 305; Fleckenstein, J., Karl der Große, 1962; Karl der Große, hg. v. Braunfels, W. u. a., Bd. 1ff. 1966ff.; Das Paderborner Epos von 372 799, 1967; Wolf, G., Die Königssöhne Karl und Karlmann und ihr Thronfolgerecht, ZRG GA 108 (1991), 282; Wolf, G., Die Qualität der fränkisch- langobardischen Verbindung 770/71 und die sonstigen Verbindungen Karls des Großen, ZRG GA 113 (1996), 397; Classen, P., Karl der Große, 1985; Becher, M., Karl der Große, 1999; Kerner, M., Karl der Große, 2000; Hägermann, D., Karl der Große, 2000; Epperlein, S., Leben am Hofe Karls des Großen, 2000; Karl der Große und das Erbe der Kulturen, hg. v. Erkens, F., 2001; Kerner, M., Karl der Große, 2001; Tischler, M., Einharts Vita Karoli, 2001; Karl der Große in den europäischen Literaturen des Mittelalters, hg. v. Bastert, B., 2004 Karl IV. (Wenzel) (Prag 14. 5. 1316-29. 11. 1378), aus der Familie der Grafen von Luxem- burg, wird 1346 deutscher König und 1355 Kaiser. Er macht Prag zum Mittelpunkt des Reiches (1344 Erzbistum, 1348 Universität) und veranlasst für Böhmen die sog. (lat.) -> Maiestas (F.]) Carolina und für das Reich die - > Goldene Bulle. Lit.: Die Goldene Bulle des Kaisers Karl IV. 1356, bearb. v. Müller, K., 1970; Seibt, F., Karl IV., 1978; Kaiser Karl IV. Staatsmann und Mäzen, 1978; Karl IV., hg. v. Engel, E., 1982; Kavka, F., Am Hofe Karls IV., 1990; Widders, E., Itinerar und Politik, 1993; Pauler, R., Die Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Karl IV. und den Päpsten, 1996 Karl V. (Gent 24. 2. 1500-Estremadura 21. 9. 1558), aus der Familie der Habsburger (Enkel Maximilians), wird 1516 spanischer König, 1519 deutscher König und 1530 Kaiser. 1521/1522 überlässt er seinem Bruder Ferdinand die Herrschaft in den österreichischen Erblanden und die Stellvertretung im Reich (9 Reisen nach Deutschland, zehn Reisen in die Niederlande, 40 Reisen insgesamt). 1521 entscheidet er sich gegen die Reformation. Unter seiner Herrschaft wird 1532 die (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Carolina erlassen. Lit.: Die Reichsregisterbücher Kaiser Karls V., 1913ff.; Kalkoff, P., Die Kaiserwahl Friedrichs IV. und Karls V., 1925; Die Reichsregisterbücher Kaiser Karls V., hg. v. Gross, L., 1930; Zippel, W., Nationale und nationalitätenrechtliche Gedanken bei der Wahl und in der Wahlkapitulation Karls V., 1950; Boom, G. de, Les voyages de Charles Quint, 1957; Weber, H., Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG 77 (1960), 288; Rabe, H., Reichsbund und Interim, 1971; Press, V., Kaiser Karl V., 1976; Spìvaèek, J., Karl IV., 1978; Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V., hg. v. Lutz, H., 1982; Brandi, K., Kaiser Karl V., 8. A. 1986; Kaiser Karl V. und die Zunftverfassung, hg. v. Naujoks, E., 1985; Burkert, G., Landesfürst und Stände, 1987; Karl V., hg. v. Rabe, H., 1996; Kohler, A., Karl V., 3. A. 2001; Größing, S., Karl V., 1999; Schulin, E., Kaiser Karl V., 1999; Schorn-Schütte, L., Karl V., 2000; Kodek, I., Der Großkanzler Kaiser Karls V. zieht Bilanz, 2004 Karlsbader Beschlüsse sind die unter dem maßgeblichen Einfluss Metternichs vom 6.-31. 8. 1819 in Karlsbad (nordwestlich Prags) von den Ministern von 10 deutschen Staaten getroffenen Beschlüsse zur strengen Über- wachung der Universitäten durch Regierungs- bevollmächtigte, zur Einschränkung der Pressefreiheit, zur Einsetzung einer Kom- mission zur Aufdeckung revolutionärer Bestrebungen und zur Herstellung einer Exekutionsordnung. Ihr äußerer Anlass ist die Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue durch den Studenten Karl Ludwig Sand. Am 20. 9. 1819 verabschiedet der Bundestag (Bundesversammlung) des -> Deut- schen Bundes die in den Karlsbader Beschlüssen enthaltenen Gesetzesentwürfe. Eine dauerhafte Unterdrückung demokratischer Bestrebungen gelingt nicht. Lit.: Ilse, L., Geschichte der politischen Untersuchungen, 1860; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 30 III Karlstadt Lit.: Riedenauer, E., Karlstadt, 1963 Kärnten ist ein im keltisch-römischen No- rikum enthaltenes, seit 740/750 (Karantanien) unter die Herrschaft der Bayern geratenes Gebiet an der mittleren Drau, das 976 von -> Bayern getrenntes Herzogtum wird und 1335 durch Ludwig den Bayern an die Grafen von Habsburg gelangt. Im 16. Jh. entsteht aus dem - > Landlauf von Steyr ein Kärntner Rechtsbuch. K. ist Bundesland -> Österreichs. Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Goldmann, E., Die Einführung der deutschen Herzogsgeschlechter in den slovenischen Stammesverband, 1903; Unterluggauer, J., Sankt Leonhard und das obere Lavanttal, 1925; Torggler, K., Darstellung des Kärntner Rechts und Rechtsganges, Archiv f. vaterländ. G. u. T. 24/25 (1936), 127; Torggler, 373 K., Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Torggler, K., Die Arbeiten Ludmil Hauptmanns, Carinthia 1 (1938); Rauch, K., Die Kärntner Herzogseinsetzung, FS Adolf Zycha, 1941, 173; Graber, G., Schwabenspiegel und Einritt am Fürstenstein, 1942; Puntschart, P., Einige Ergänzugen zur kritischen Literatur über die bäuerliche Herzogseinsetzung in Kärnten, ZRG GA 65 (1947), 337; Braunmüller, H., Geschichte Kärntens, Bd. 1ff. 1949ff.; Fräss-Ehrfeld, C., Geschichte Kärntens, Bd. 1 1984; Kärnten, hg. v. Rumpler, H. u. a., 1998; Gleirscher, P., Karantanien, 2000; Die Kärntner Volksabstimmung 1920, 2002 Kärntner Rechtsbuch -> Landlauf von Steyr Karo, Josef (1488-Sated 1575) ist ein jüdischer Rechtsgelehrter aus Spanien, der lange auf dem Balkan und in Galiläa lebt. Er kommentiert umfassend die Arba 'at ha-Turim des -> Jakob Ben Ascher (Bet Josef, Kurzform Sulchan 'Arukh). In erweiterter Form gewinnt das Werk in Mitteleuropa und Osteuropa bis ins 19. Jh. allgemeine Anerkennung in den jüdischen Gemeinden. Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-'ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 1087 Karolinger ist der Angehörige eines (vielleicht mit den Merowingern verwandten,) von Bischof Arnulf von Metz (Arnulfinger, 7. Jh.) hergeleiteten, als -> Hausmeier 751 zum frän- kischen Königtum (Pippiniden) aufgestiegenen Geschlechts, das später nach -> Karl dem Großen als K. bezeichnet wird. Die K. sterben im Ostteil des fränkischen Reiches 911 und im Westteil 987 aus. Lit.: Köbler, DRG 76; Vaccari, P., Studi sull'Europa precarolingia e carolingia, 1955; Haselbach, I., Aufstieg und Herrschaft der Karolinger, 1970; Ullmann, W., The Carolingian renaissance, 1969; Diplomata Karolinorum, Faksimileausgabe, hg. v. Bruckner, A., 1970; Haselbach, I., Aufstieg und Herrschaft der Karolinger, 1970; Borgolte, M., Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden, 1976; Riché, P., Les Carolingiens, 1983; Mc Kitterick, R., The Frankish Kingdoms, 1983; Schulze, H., Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen Merowinger und Karolinger, 1987; Schieffer, R., Die Karolinger, 1992, 3. A. 2000; Karl Martell in seiner Zeit, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1994; Joch, W., Legitimität und Integration, 1999; Semmler, J., Der Dynastiewechsel, 2003; Grahn-Hoek, H., Gundulfus subregulus, DA 59 (2003), 1; MacLean, S., Kingship and Politics in the Late Ninth Century, 2004; Schieffer, R., Die Zeit der Karolinger, 2005; Koch, A., Kaiserin Judith, 2005 Karolus de Tocco (Tocco bei Benevent 2. H. 12. Jh.-nach 1215), adliger Sohn eines Rechtskundigen, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Placentinus, Johannes Bassianus) Rechtslehrer in Bologna (?) und Benevent sowie Gerichtsbeisitzer in Sizilien. Von ihm stammt wohl eine um 1215 entstandene umfangreiche Glossierung der gegen Ende des 11. Jh.s entstandenen systematischen Samm- lung langobardischer Gesetze (-> Lombarda). Sie wirkt in Oberitalien bis in das 14. Jh., in Süditalien bis in das 18. Jh. Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 5 2. A. 1850, 174; Leicht, P., Le glosse di Carlo di Tocco, in: Studi e memorie per la storia dell'universit di Bologna 4 (1920), 157; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 305; Lange, H., Zum Lombarda-Kommentar, FS D. Medicus, 1999, 317 Karrenstrafe ist in der Neuzeit eine im (Beladen und) Ziehen eines Karrens bestehende Freiheitsstrafe oder Ehrenstrafe. Lit.: Wächter, C., Die Strafarten und Strafanstalten des Königreichs Württemberg, 1832, 253 Karte Lit.: Oehme, R., Die Geschichte der Kartographie des deutschen Südwestens, 1961; Schumm, K., Inventar der handschriftlichen Karten im Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, 1961; Großer historischer Weltatlas, hg. v. bayerischen Schulbuch-Verlag, Teil 1ff. 1953ff.; Putzger, F., Atlas und Chronik zur Weltgeschichte, 2002; Schneider, U., Die Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute, 2004; Recker, G., Gemalt, gezeichnet und kopiert ­ Karten in den Akten des Reichskammergerichts, 2004 Kartell ist die Abrede selbständiger Unter- nehmer zwecks bestimmten gemeinsamen Verhaltens am Markt. Wie schon die -> Zunft den Wettbewerb beeinflusst und seit dem Spätmittelalter bewusst Unternehmer sich zur Wettbewerbsgestaltung zusammenschließen, so finden sich am Ende des 19. Jh.s auch in der Großindustrie Kartelle. 1897 werden sie vom deutschen Reichsgericht zugelassen (RGZ 38, 155). Da sie bald überhandnehmen, werden sie am 2. 11. 1923 verboten, ohne dass das Verbot Wirkungen zeigt. Am 27. 7. 1957 ergeht in der Bundesrepublik Deutschland ein Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellge- setz), das später noch verschärft wird (3. 8. 374 1973 vorbeugende Fusionskontrolle, Be- seitigung der vertikalen Preisbindung für Markenartikel, Verstärkung der Missbrauchs- aufsicht). 2004 wird das europäische Kartellrecht inhaltlich umgestellt auf das Anmeldeprinzip. Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 243, 272; Mickwitz, G., Die Kartellfunktionen der Zünfte, 1936; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3852; Großfeld, B., Zur Kartellrechtsdiskussion vor dem ersten Weltkrieg, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 255; Kartelle und Kartellgesetzgebung, hg. v. Pohl, H., 1985; Schwab, D., Kartelle im Mittelalter, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 442; Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts, 1988; Baums, T., Kartellrecht in Preußen, 1990; Schröcksnadl, T., Die Entstehung des österreichischen Kartellgesetzes von 1972, Diss. jur. Münster 1992; Nörr, K., Die Leiden des Privatrechts, 1994; Gith, R., Die Entstehungsgeschichte des europäischen Kartellrechts, 2003; Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004 Karthager ist der Angehörige des um die phönizische Kolonie Karthago am Golf von Tunis gegründeten, bis nach Spanien ausgreifenden, jedoch seit dem 3. Jh. v. Chr. von Rom (in drei punischen Kriegen) bekämpften und 146 v. Chr. von den Römern endgültig unterworfenen Reiches (Feldherr Hannibal 247-183 v. Chr.). Lit.: Lancel, S., Carthage, 1992; Geus, K., Prosopographie der literarisch bezeugten Karthager, 1994; Moscati, S., Die Karthager, 1996; Gerhold, M., Rom und Karthago zwischen Krieg und Frieden, 2002; Zimmermann, K., Rom und Karthago, 2005; Christ, K., Hannibal, 2003; Huss, W., Die Karthager, 3. A. 2004 Karthäuser, Kartäuser, ist der Angehörige des von Bruno von Köln 1084 in La Chartreuse bei Grenoble gegründeten christlichen Ordens. Lit.: Gruys, A., Cartusiana, 1976; Mursell, S., The Theology of the Carthusian Life, 1988 Kartular (N.) Urkundensammlung Kaser, Max (Wien 21. 4. 1906 ­ Ainring bei Salzburg 13. 1. 1997), Geschichtsprofes- sorensohn, wird nach der Promotion in Graz und der Habilitation in Gießen (1931) Professor für römisches Recht in Münster (1933) und Hamburg (1959). Von ihm stammt die führende Darstellung des römischen Privatrechts (1955ff., in drei zeitliche Epochen gegliedert) und Zivilprozessrechts (1966). Zusammenge- fasst sind seine synthetisierenden Arbeitser- gebnisse in einem zeitlebens aktualisierten Kurzlehrbuch. Lit.: Knüttel, R., Max Kaser, NJW 1997, 1492; Giaro, T., Max Kaser, Rechtshist. Journal 16 (1997), 231 Kassation ist die Aufhebung eines Urteils (wegen Nichtigkeit). Während das römische Recht ein unter Verletzung der Gesetze zustandegekommenes Urteil ohne weiteres als nichtig ansieht, verlangt das frühmittelalterliche langobardische Recht ein besonderes Verfahren (lat. reclamatio [F.] ad regem, Beschwerde an den König). Seit der Mitte des 12. Jh.s wird zwischen Verletzung des Verfahrensrechts (-> Nichtigkeitsbeschwerde) und Verletzung des materiellen Rechts (-> Appellation) unter- schieden, später aber unter dem Einfluss des kanonischen Rechts die Nichtigkeitsbeschwer- de auch auf große erhebliche Rechtsfehler erstreckt. Die Nichtigkeitsbeschwerde hat zunächst devolutive und seit der Mitte des 14. Jh.s auch aufschiebende Wirkung. Für sie werden unter Ausdehnung auf alle Rechtsfehler im 19. Jh. in Italien Kassationsgerichtshöfe zuständig, die 1888/1923 zusammengefasst werden. In Frankreich entwickelt sich die K. (einer Abteilung des Staatsrats) als ein auf Rechtsfragen beschränkter Rekurs außerhalb des eigentlichen Instanzenzugs im Lauf des 18. Jh.s und wird 1790 einer mit den Garantien einer unabhängigen Rechtsprechung ausge- statteten Einrichtung (Kassationsgerichtshof) übertragen, welche die Einheitlichkeit der Rechtsprechung und die genaue Auslegung der Gesetze gewährleisten soll und zwingend an die Instanzgerichte zurückverweisen muss. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Skedl, F., Die Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Montazel, L., Entre fait et droit, 1998; Seynsche, G., Der rheinische Revisions- und Kassationshof in Berlin (1819-1852), 2002; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004 Kasse ist ein Behältnis für Geld. Mit der Entwicklung der Geldwirtschaft werden bei allen Behörden besondere Kassen gebildet. Kassel an der Fulda ist eine aus einem 913 erstmals bezeugten fränkischen Königshof erwachsene Stadt (1632-1652 Universität), die 1807-13 Hauptstadt des Königreichs Westphalen ist und in der Bundesrepublik Deutschland das Bundessozialgericht und lange 375 auch das 1996 gesetzlich nach Erfurt verlegte Bundesarbeitsgericht beherbergt. Lit.: Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919; Eisenträger, M. u. a., Territorialgeschichte der Kasseler Landschaft, 1935; Nehls, A., Alte Gewohnheit und Stadtrecht zu Kassel in Erbfällen, 1967; Heinemeyer. K., Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, 1969; Die Handschriften der Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel, bearb. v. Kremer, M., Bd. 2 1969; Kassel als Stadt der Juristen, 1990 Kassenarzt ist der auf Grund eines von der deutschen Reichsregierung geforderten Abkommens zwischen Krankenkassenverbän- den und Arztverbänden abgeschlossenen Abkommens (1914) bzw. einer Verordnung (1923) bzw. eines Gesetzes (1955) von der Krankenkasse (-> Krankenversicherung) für die Behandlung Kranker zugelassene und deshalb in ein Arztregister eingetragene Arzt (1914 ein K. auf 1350 Versicherte, bzw. bei Fami- lienbehandlung ein K. auf 1000 Versicherte). Lit.: Jörg, M., Das neue Kassenarztrecht, 1993; Maaß, R., Das Kassenarztrecht der Reichsversicherungsord- nung, 1990 Kaste (F.) Stand in Indien Lit.: Zilm, A., Das Kastensystem in der Rechtsordnung Indiens, 1997 Kastilien ist das nach (lat. [N.Pl.]) castella benannte Gebiet am oberen Ebro, das im späten 8. Jh. als Grafschaft des Königreichs Asturien- León mit dem Hauptort Burgos erscheint. K. gelangt 1029 erbweise an den König von Navarra, dessen Sohn 1035 König von K. wird. Von 1037 bis 1065 und 1230 wird León mit K. vereinigt. 1085 wird K. um Toledo erweitert, 1236 um Córdoba, 1243 um Murcia und 1248 um Sevilla. 1412 wird der König von K. auch Herrscher in Aragonien. Wenig später werden K. und A. in Personalunion (1474) verbunden. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 2,2,230; Martínez Gijón, J., La compaía mercantil en Castilla, 1979; Las Cortes de Castilla y León, 1988; Büschgens, A., Die politischen Verträge Alfons' VIII. von Kastilien, 1995; Czeguhn, I., Die kastilische Höchstgerichtsbarkeit 1250-1520, 2002; Meyer, B., Kastilien, die Staufer und das Imperium, 2002 Kastration (F.) -> Entmannung Lit.: Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000; Huonker, T., Diagnose Moralisch defekt, 2003; Czeguhn, I., Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 und die Erbgesundheitsgerichte, TRG 72 (2004), 359 Kasuistik (F.) Einzelfallbetrachtung Katalonien (12. Jh.) im Nordosten Spaniens gelangt über Iberer und Punier seit dem Ende des 3. Jh.s v. Chr. allmählich an die Römer, seit 409 an die Alanen und 415 an die Goten (Kata- lanen), um 800 an die Franken. 1137 fällt die dort entstehende Grafschaft Barcelona an -> Aragonien, behält aber Selbständigkeit. 1714 verliert K. die bestehenden Sonderrechte, erhält aber von 1932 bis 1939 und 1979 Autonomie. Lit.: Lalinde Abadía, J., La institución virreinal en Catalua (1471-1716), 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge- schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,264; Iglesia Ferreirós, A., La creación del derecho en Catalua, Anuario de historia del derecho Espaol 47 (1977), 99; Allemann, F./Bahder, X. v., Katalonien und Andorra, 3. A. 1985; Costums de Tortosa, hg. vom Centre Associat de Tortosa, 1979; Font Ruis, J., Cartas de poblacion y franquicia, Bd. 2 1983; Massip, J., La gestació de les costums de Tortosa, 1984; Brocá, G. de, Historia del derecho de Cataluna, 1985; Zimmermann, M., En les orígens de Catalunya, 1989; El dret comú i Catalunya, hg. v. Ferreirós Aquilino, 2000; Bowman, J., Shifting landmarks. Property, proof and dispute in Catalonia around the year 1000, 2004 Kataster ist ein Verzeichnis von Personen oder Gegenständen, insbesondere ein Verzeichnis der Grundstücke eines Gebietes mit genauen Angaben über die tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks. Im 15. Jh. erscheinen erste Vorläufer (Florenz 1427). Der neuzeitliche Staat legt seit dem 18. Jh. zwecks Sicherung der Grundsteueraufkommen K. an (Neapel 1740, Lombardei 1750, Österreich unter Maria Theresia und Joseph II., Preußen 1822 für Rheinland und Westfalen). Das K. liefert auch dem -> Grundbuch die notwendigen technischen Angaben. 376 Lit.: Köbler, DRG 152; Grävell, M., Die Grundsteuer und deren Kataster, 1821; Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914; Heider, J., Der bayerische Kataster, 1954; Lego, K., Geschichte des österreichischen Grundkatasters, 1968; Atlante storico, hg. v. Bocchi, F. u. a., 1986ff.; Kataster und moderner Staat, hg. v. Mannori, L., 2001 Katharer (erstmals um 1143 in Köln) -> Ketzer Lit.: Lambert, M., Geschichte der Katharer, 2001 Kathedrale ist die Hauptkirche am Sitz des Erzbischofs oder Bischofs. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; La cathédrale, 1995 katholisch (allumfassend, seit dem 4. Jh. Bischofstitel) Lit.: Katholizismus und Reichsgründung, hg. v. Real, W., 1988; Georg von Hertling 1843-1919, hg. v. Becker, W., 1993; Kirche und Katholizismus seit 1945, hg. v. Gatz, E., 1998; Arnold, C., Katholizismus als Kulturmacht, 1999; Hollerbach, A., Katholizismus und Jurisprudenz, 2004 Katzenelnbogen ist eine mittelalterliche, 1479 an Hessen gelangte Grafschaft. 1591 wird von Johannes Kleinschmidt der Entwurf einer Landesordnung geschaffen, der nach Aufnahme in der Praxis bis zum Ende des 19. Jh.s Bedeutung hat. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, A., Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen, 1893, 67; Demandt, K., Regesten der Grafen von Katzenelnbogen, Bd. 1ff. 1953ff.; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Maulhardt, H., Die wirtschaftlichen Grundlagen der Grafsachaft Katzenelnbogen, 1980 Kauf ist ein gegenseitiger, grundsätzlich formloser Vertrag, durch den der eine Teil (Verkäufer) sich zur endgültigen Übertragung eines Gegenstandes und der andere Teil (Käufer) sich zur Zahlung eines Kaufpreises verpflichtet. Der K. ist dem römischen Recht als (lat.) -> emptio (F.) venditio vertraut. Zu den Germanen kommt er über den namen- gebenden römischen Schankwirt an der Grenze (lat. [M.] caupo). Bedeutung erlangt er mit der Durchsetzung der Geldwirtschaft in der hochmittelalterlichen Stadt. Seit dem Spätmit- telalter wird die römischrechtliche Gestaltung einschließlich der Sachmangelhaftung im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen. Für den K. von Grundstücken wird das (aus den hochmittelalterlichen Schreinskarten Kölns hervorgehende) -> Grundbuch bedeutsam. Im 19. Jh. wird in Deutschland der Handelskauf ausgesondert und das Verpflichtungsgeschäft vom Erfüllungsge- schäft streng getrennt. -> Marktkauf Lit.: Kaser § 41; Söllner §§ 9, 15; Hübner; Köbler, DRG 45, 63, 67, 91, 127, 165, 215, 270; Conze, F., Kauf nach hanseatischen Quellen, 1889; Amira, K., Nordgermanisches Obligationenrecht, 1892ff.; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzugs, 1913; Peterka, O., Der Kauf im Altstadt Prager und Brünner Recht, ZRG GA 58 (1938), 421; Planitz, H., Handelsverkehr und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 175; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Bauer, F., Die Entwicklung des Kaufrechts in Deutschland seit der Rezeption des römischen Rechts, Diss. jur. Bonn 1953; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Müller, H., Das Kaufrecht in süddeutschen Stadtrechtsreformationen, Diss. jur. Kiel 1961; Greiser, P., Der Kauf nach deut- schen Landrechten der Rezeptionszeit, Diss. jur. Kiel 1965; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichter- füllung, 1965; Scherner, K., Salmannschaft, Servusge- schäft und venditio iusta, 1971; Wesener, G., Der Kauf nach österreichischem Privatrecht, FS H. Hämmerle, 1972, 433; Oeckinghaus, A., Kaufvertrag und Übereignung, 1973; Gelke, W., Kauf und Tausch in Babenhausen, Diss. jur. Mainz 1981; Wolfgang, E., Das klassische römische Recht der Gefahrtragung beim Kauf, Diss. jur. Bonn 1981; Knellwolf, M., Zur Konstruktion des Kaufes auf Probe, 1987; Cortesi, O., Die Kaufpreisgefahr, 1996; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002 Kauf bricht nicht die Miete ist ein Rechts- sprichwort, das besagt, dass im Gegensatz zum römischen Recht (Kauf bricht Miete) in (vielen) deutschen Rechten seit dem Hochmittelalter die Veräußerung eines Grund- stücks durch den Eigentümer das Mietver- hältnis eines Mieters nicht beendet (Veräußerung vertreibt den Mieter nicht). Lit.: Kaser § 42 II 4; Kroeschell, DRG 3; Gilissen, J., Huur gaat voor koop, TRG 16, 281; Jüttner, B., Zur Geschichte des Grundsatzes ,,Kauf bricht nicht Miete", Diss. jur. Münster 1960 Kaufgut ist das durch -> Kauf erworbene Gut. Es wird im Mittelalter teilweise anders behandelt als das durch Erbschaft erlangte Gut 377 (Erbgut). Lit.: Heusler, A., Institutionen des deutschen Privatrechts, Bd. 2 1886, 58, 199 Kaufhaus ist das großbetriebliche Unternehmen für den Kleinhandel mit Waren verschiedenster Art in einheitlichen Verkaufshäusern. In Deutschland werden die ersten Kaufhäuser oder Warenhäuser von jüdischen Kaufleuten im letzten Viertel des 19. Jh.s errichtet (Wertheim Stralsund 1876, Karstadt Wismar 1881, Tietz Gera 1882). Gegen sie wenden sich ohne großen Erfolg die kleineren Handelsunternehmen und Kaufleute. Lit.: Spiekermann, U., Warenhaussteuer in Deutschland, 1994 Kaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe be- treibt. In Rom von eher untergeordneter rechtlicher Bedeutung, erscheinen im Frühmittelalter Syrer, Juden, Griechen und Friesen als vereinzelte Wanderhändler. Mit dem Hochmittelalter lässt sich der K. in der Stadt nieder und bildet Gilden oder Zünfte. Im 19. Jh. wird der Begriff des Kaufmanns gesetzlich festgelegt, 1998 vereinheitlicht und vereinfacht. Lit.: Köbler, DRG 67, 95, 111, 167, 217; Gross, C., The Gild Merchant, 1890; Stoeven, Mercedes, Der Gewandschnitt in den deutschen Städten des Mittelalters, 1915; Die Korporation der Kaufmannschaft von Berlin, 1920; Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden, 1931; Planitz, H., Handelsverkehr und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 175; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenossenschaft, ZRG GA 60 (1940), 1; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Sapori, A., Le marchand italien, 1952; Bergfeld, C., Einzelkaufmann und Unternehmer, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126; Kroeschell, K., Ius omnium mercatorum, FS B. Schwineköper, 1982; Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; I mercanti italiani, hg. v. Frangioni, L., 1990; Müller-Boysen, C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht, 1990; Ars mercatoria. Handbücher und Traktate für den Gebrauch des Kaufmanns 1470-1820, hg. v. Hoock, J. u. a., Bd. 1ff. 1991ff.; Ebert-Weidengeller, A., Hamburgisches Kaufmannsrecht, 1992; Kaufmanns- bücher und Handelspraktiken, hg. v. Denzel, M. u. a., 2002; Rösch, G., Kaufmannsbildung und Kaufmanns- ethik im Mittelalter, 2004 Kaufmannseigenschaft -> Kaufmann Kaufvertrag ist der über einen -> Kauf geschlossene -> Vertrag. Kausalität (F.) Ursächlichkeit Lit.: Ling, M., Die Unterbrechung des Kausalzusammenhanges, 1996 Kautelarjurisprudenz ist die im Verhüten von Rechtsstreitigkeiten bestehende Tätigkeit des Juristen, die schon dem römischen Recht bekannt ist und seit dem Mittelalter vor allem von -> Notaren durch Erstellung einwandfreier Urkunden ausgeübt wird. Von hier aus kommt es zu eigenen Sammlungen von Cautelen und seit dem 18. Jh. auch besonderen Standes- regeln. Lit.: Söllner § 11; Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905, 247 Kawerze (M.) Einwohner von Cahors, Südfranzose, Geldhändler (13. Jh.) Lit.: Kredit, hg. v. North, M., 1991 Kebsehe ist die (dauerhafte) Geschlechtsverbindung eines Mannes mit einer Unfreien (als Nebenfrau). Sie wird von der Kirche bekämpft. Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 3 Keilschriftrecht ist das in Keilschrift aufgezeichnete Recht (der Sumerer und Babylonier). Lit.: Haase, R., Einführung in das Studium keilschriftlicher Rechtsquellen, 1965; Die keil- schriftlichen Rechtssammlungen in deutscher Fassung, 2. A. 1979; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 2. A. 2001 Keine Antwort ist auch eine Antwort. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 34 (Franck 1541) Keine Regel ohne Ausnahme. Lit.: Deutsche Rechtssprichwörter und Rechtsregeln, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 276 (Körte 1837, lat. nulla regula sine exceptione) Keller oder Kellner ist im Mittelalter der für die Verwaltung der Vorräte zuständige Amsträger der Grundherrschaft oder der Landesherrschaft. Lit.: Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. 1 1886, 1410; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983 Kelloggpakt (Briand-Kellogg-Pakt) ist ein nach dem amerikanischen Außenminister Frank Billings Kellogg (Potsdam 22. 12. 1856-Saint Paul 21. 12. 1937) benannter, am 27. 8. 1928 von verschiedenen Staaten vereinbarter Vertrag zur Ächtung des Krieges. Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Buch- 378 heit, E., Der Brinad-Kellogg-Pakt, 1998 Kelsen, Hans (Prag 11. 10. 1881-Berkeley 19. 4. 1973), aus kleinbürgerlicher Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Wien und der Taufe (1905) 1917 außerordentlicher Professor und 1919 ordentlicher Professor in Wien. 1920 wirkt er bei der Ausarbeitung des Bundesver- fassungsgesetzes -> Österreichs mit. 1934 ver- öffentlicht er nach seiner Beurlaubung in Köln (13. 4. 1933) sein Hauptwerk (Die reine Rechtslehre), dem es um die reine Lehre des positiven Rechts geht. Auf der Voraussetzung einer angenommenen Grundnorm baut er eine wertfreie normative Ordnung auf, deren Einzelgestaltung er auch während seiner späteren Tätigkeiten in Genf, Prag, New York und Kalifornien weiter ausgestaltet. Lit.: Walter, R., Hans Kelsen, 1985; Dreier, H., Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokratietheorie bei Hans Kelsen, 1986; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 705; Rub, A., Hans Kelsens Völkerrechtslehre, 1995; Heidemann, C., Die Norm als Tatsache, 1997; Carrino, A., Die Normenordnung, 1998; Normativity and Norms, hg. v. Paulson, S. u. a., 1998; Hans Kelsen und Carl Schmitt, hg. v. Diner, D. u. a., 1999; Walter, R., Hans Kelsens Rechtslehre, 1999; Nogueira Dias, G., Rechtspositivismus und Rechtstheorien, 2004; Hans Kelsen, hg. v. Paulson, S. u. a., 2005; Walter, R., Hans Kelsen als Verfassungsrichter, 2005 Kelte ist der Angehörige der keltisch sprechenden, von den Indogermanen abstam- menden Völker. Die Kelten siedeln zuerst zwischen Main und Donau, werden dann aber nach Süden (386 v. Chr. vor Rom) und Westen (Galicien, Bretagne, Wales, Irland) und Osten (Galater) abgedrängt. Aus ihrer Frühzeit sind eigene schriftliche Zeugnisse nicht überliefert. Lit.: Köbler, DRG 66; Roessingh, D., Het gebruik en besit van de grond, 1915; Liebermann, F., Die Fabeln von urältesten Gesetzen der Kymren, ZRG GA 46 (1926), 365; Thurneysen, R., Das keltische Recht, ZRG GA 55 (1935), 81; Moreau, J., Die Welt der Kelten, 1958; Die Kelten in Mitteleuropa, 3. A. 1980; McCone, K., Pagan past, 1990; Wernicke, I., Die Kelten in Italien, 1991; Spindler, K., Die frühen Kelten, 1996; James, S., Das Zeitalter der Kelten, 1996; Birkhan, H., Kelten, 2. A. 1997; Strobel, K., Die Galater, 1998; Mees, B., Celtic Influence in the Vocabulary of Hierarchy, ZRG GA 115 (1998), 361; Maier, B., Die Kelten, 2. A. 2003; Demandt, A., Die Kelten, 4. A. 2002; Maier, B., Die Religion der Kelten, 2001; Fries-Knoblach, J., Die Kelten, 2002; Sievers, S., Manching, 2003; Maier, B., Kleines Lexikon der Namen und Wörter keltischen Ursprungs, 2003; Kuckenburg, M., Die Kelten in Mitteleuropa, 2004 Kemnath Lit.: Sturm, H., Kemnath, Landrichteramt Waldeck- Kemnath mit Unteramt Pressath, 1975 Kent, James (1763-1843), Rechtsanwalt, Professor am Columbia College und Richter, gibt mit seinen (engl.) Commentaries on American Law (1826ff., Kommentare zum amerikanischen Recht) die erste systematische Darlegung des durch Anpassung des -> englischen Rechts an amerikanische Bedürf- nisse geschaffenen amerikanischen Rechts. Lit.: Horton, J., James Kent, 1939 Kerbholz ist ein vor allem im Mittelalter zum Einkerben von Beweiszeichen für Dienste, Schulden oder Abgaben verwendetes Holz- stück. Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936, 139 Kerker ist eine Art von Gefängnis. Zeitweise wird der K. für eine verschärfte Haftstrafe verwendet. Lit.: Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002 Kerze ist eine aus Docht und Wachs gebildete Lichterzeugungsquelle, die auch im Recht als Symbol Verwendung findet. Lit.: Wohlhaupter, E., Die Kerze im Recht, 1940 Kesselfang ist im Mittelalter das Eintauchen des Armes in siedendes Wasser eines Kessels beim -> Gottesurteil (belegt bei Gregor von Tours). Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956, 255 Ketzer (Häretiker) ist im katholischen Kirchenrecht jeder bewusste Leugner eines kirchlichen Grundsatzes. Ketzerische Lehren erscheinen bereits kurz nach der Begründung des Christentums. Die Kirche bekämpft sie mit Exkommunikation, der Staat mit Verbannung, Beschlagnahme und Todesstrafe. Im Mittelalter werden die Katharer (in Konstantinopel aus dem älteren Bogomilismus entstanden, erstmals um 1143 in Köln, von Anfang 13. Jh. bis etwa 1460 vernichtet) namengebend. Auch die Protestanten (1517) sind K. 1697 wendet sich Christian Thomasius dagegen, den K. als Verbrecher zu behandeln. Seitdem setzt sich 379 allmählich eine aufgeklärtere Betrachtungs- weise durch. Lit.: Köbler, DRG 119; Theloe, H., Die Ketzerverfolgungen im 11. und 12. Jahrhundert, 1913; Grundmann, H., Religiöse Bewegungen im Mittelalter, 1935, Neudruck 1961; Nigg, W., Das Buch der Ketzer, 1949; Blauert, A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Borst, A., Die Katharer, 1991; Opitz, C./Wehrli-Johns, M., Die frommen Ketzerinnen, 1998; Lambert, M., Geschichte der Katharer, 2001 Kiburg Lit.: Rieger, E., Das Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg, 1986 Kiel nahe der Ostsee (1773-1866 dänisch) ist seit 1665 Sitz einer Universität. 1933 werden dorthin zahlreiche junge nationalsozialistische Rechtslehrer berufen (Kieler Schule). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Das Kieler Erbebuch (1411- 1604), hg. v. Reuter, C., 1887; Wolff, O., Das lübsche Recht in der Stadt Kiel, 1898; Das Kieler Varbuch 1465- 1546, hg. v. Luppe, H., 1899; Schröder, R., Das Eigentum am Kieler Hafen, ZRG GA 26 (1905), 34; Stern, M., Das zweite Kieler Rentebuch (1487-1586), 1904; Das Kieler Denkelbok, hg. v. Gundlach, F., 1908; Trautmann, P., Kiels Ratsverfassung und Ratswirtschaft, 1909; Rehme, P., Über die Kieler Stadtbücher des Mittelalters, ZRG GA 38 (1917), 164; Wohlhaupter, E., Die Spruchtätigkeit der Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938), 752; Festschrift zum 275-jährigen Bestehen der Christian-Albrechts-Universität Kiel, hg. v. Ritterbusch, P. u. a., 1940 (S. 48-108 Wohlhaupter, E., Geschichte der juristischen Fakultät); Döhring, E., Geschichte der juristischen Fakultät 1665-1965, 1965; Willert, H., Anfänge und frühe Entwicklung, 1990; Recht und Rechtslehre im Nationalsozialismus, hg. v. Säcker, F., 1992 kiesen (wählen) Kietz (M.) slawisch-mittelalterliche Fischer- siedlung in Brandenburg (mindestens 74 bereits vor 1700 bezeugt) Lit.: Ludat, H., Die ostdeutschen Kietze, 1936; Krüger, B., Die Kietzsiedlungen, 1962 Kimber ist der Angehörige eines (wohl) aus Jütland stammenden germanischen Volkes, das 101 v. Chr. bei Vercellae in Oberitalien von den Römern vernichtet wird. Lit.: Köbler, DRG 28, 66 Kind ist der Abkömmling ersten Grades eines Menschen (bis zum Erwachsensein [Mündig- keit]). In Rom steht das K. (lat. [M.] infans) grundsätzlich unter der Hausgewalt des freien römischen Bürgers in seiner Eigenschaft als Hausvater bzw. hilfsweise unter der Personalgewalt eines Vormundes (lat. [M.] tutor). Bei den Germanen untersteht es der Hausgewalt (ahd. munt) des Vaters bzw. der Personalgewalt eines Vormundes. Aus ihr löst es sich durch Abschichtung oder Verheiratung bzw. Mündigkeit. Die Unterscheidung nach Ehelichkeit und Nichtehelichkeit wird von der christlichen Kirche gefördert. Schon seit dem Frühmittelalter nehmen König und Kirche Einfluss auf die Rechtsstellung des Kindes. Seit dem Hochmittelalter wird die Bildung außerhalb des Hauses immer wichtiger. Seit dem Spätmittelalter wird römisches Recht aufgenommen und die Volljährigkeit als Zeitpunkt der rechtlichen Verselbständigung auf die Vollendung des 25. Lebensjahres gelegt. Im 19. Jh. wird das K. vielfach zur Kinderarbeit gezwungen. Der Wohlfahrtsstaat des späteren 20. Jh.s versucht die immer wenigeren Kinder (Empfängnisverhütung) zu schützen und zu fördern (Kindergeld, elterliche Sorge statt elterlicher Gewalt beider Elternteile, Gleichstellung unehelicher bzw. nichtehelicher Kinder). Lit.: Kaser § 14 II 1; Hübner 64, 697; Köbler, DRG 88, 120, 160, 210, 267; Köbler, WAS; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Bückling, G., Die Rechts- stellung der unehelichen Kinder, 1920; Jankowiak, K., Die Rechtsstellung der Kinder nach dem Magdeburger Recht des Mittelalters, Diss. jur. Marburg 1923; Fiez, M., Das Eltern- und Kindesverhältnis, 1932; Bischof, I., Die Rechtsstellung der außerehelichen Kinder, 1931; Etzensperger, C., Die Rechtsstellung des außerehelichen Kindes nach den schaffhauserischen Rechtsquellen, Diss. jur. Zürich 1931; Heck, F., Die Stellungnahme Erzbischofs Wichmann von Magdeburg zu der Kindesfolge, ZRG GA 60 (1940), 257; Das Kind, hg. v. Behler, W., 1971, 279; Wiesner, I., Über die Rechtsstellung der ehelichen Kinder im Landrecht des Sachsenspiegels, Diss. jur. Kiel 1973; Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes, 1978; Kinderarbeit und Kinderschutz in Deutschland, 1837-1976, hg. v. Quandt, S., 1978; Mayer-Maly, T., Vom Kinderschutz zum Arbeitsrecht, FS G. Schmelzeisen, 1980, 227; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche, 1982; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Zur Sozialgeschichte der Kindheit, hg. v. Martin, J. u. a., 1986; Shahar, A., Childhood in the Middle Ages, 1990 380 (deutsch 1991); Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000; Schulze, N., Das Umgangsrecht, 2001; Wesener, G., Peculia ­ bona adventicia ­ freies und unfreies Kindesgut, in: Iuris vincula Studi in onore di M. Talamanca, 2002, 393; Brokamp, I., Die Verrechtlichung der Eltern-Kind-Beziehung, 2002; Ohlbaum, I., Kind sein, 2003; Jütte, R., Lust ohne Last, 2003; Krah, J., Das Haager Kinderschutzübereinkommen, 2004 Kindererziehung, religiöse -> religiöse Kindererziehung Kindergeld ist eine staatliche Leistung an Menschen mit Kindern zur Verminderung ihrer Belastung, die in Deutschland nach dem Vorbild Frankreichs 1954 durch Gesetz (Kindergeldgesetz) in Höhe von (zunächst) 25 DM ab dem dritten Kind gewährt wird. Lit.: Köbler, DRG 261; Igl, G., Kindergeld und Erziehungsgeld, 1986; Nelleßen-Strauch, D., Der Kampf ums Kindergeld, 2003 Kindesmissbrauch ist der sexuelle Missbrauch eines -> Kindes, der strafrechtlich bewehrt ist. Lit.: Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002 Kindestötung (Kindsmord) ist die Tötung eines Kindes (durch die Eltern). Ursprünglich hat im römischen und germanischen Recht der Gewalthaber das Recht über Leben und Tod des Kindes. Dieses Recht wird aber sowohl im römischen Recht wie auch im mittelalterlichen Recht allmählich verdrängt. Als K. in einem engeren Sinn erscheint am Ende des 18. Jh.s (1772 Susanna Margarethe Brandt in Frankfurt als Anregung zu Gretchen in Goethes Faust) die Tötung eines neugeborenen, außerehelichen Kindes während oder gleich nach der Geburt durch die Mutter. Sie ist ein privilegierter Tötungstatbestand, der die ältere Mordqua- lifizierung ablöst. Am Ende des 20. Jh.s wird er in Deutschland aufgegeben. Lit.: Jordan, L., Über den Begriff und die Strafe des Kindesmordes, 1844; Wächtershäuser, W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973; Weber, B., Die Kindsmörderin im deutschen Schrifttum von 1770-1795, 1974; Dülmen, R. van, Frauen vor Gericht, 1991; Hammer, E., Kindsmord, 1997; Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Habermas, R., Susanna Brandt, NJW 1999, 1936; Das Frankfurter Gretchen, hg.v. Habermas, R., 1999; Das Kind in meinem Leib, hg. v. Wahl, V. u. a., 2004; Czelk, A., Privilegierung und Vorurteil, 2005 Kindsmord -> Kindestötung Kipper und Wipper sind seit dem 17. Jh. (1621) Geldwechsler, die vollwertiges Silbergeld gegen unterwertiges Kleingeld eintauschen. Lit.: Gaettens, R., Inflationen, 2. A. 1955; Redlich, F., Die deutsche Inflation des frühen 17. Jahrhunderts, 1972 Kirche ist die in eigenen Verfassungsformen geordnete, im christlichen Bekenntnis ver- einigte Gemeinde und Glaubensgemeinschaft. Sie entsteht im Anschluss an das Leben des Religionsstifters Jesus Christus im 1. Jh. n. Chr. Im Wettbewerb mit zahlreichen anderen fremdländischen Heilslehren im Römischen Weltreich setzt sich die christliche K., die ihre Schriften gegen 180 n. Chr. kanonisiert und schon früh eine hierarchische Verfassung von Bischöfen, Klerus und Laien annimmt, als eine revolutionäre, die unteren Schichten gegen ihre Obrigkeit einnehmende Massenbewegung durch. Nach anfänglicher Verfolgung wegen der Lehre von der Unterordnung des irdischen Reiches unter das himmlische Reich Gottes wird die christliche K. 313 im Mailänder Toleranzedikt von Kaiser Konstantin anerkannt und in seiner im Glaubensstreit zwischen Athanasius und Arius von Athanasius ver- tretenen Form 391 Staatskirche. Ihre geistige Verfeinerung und lateinische Durchdringung erfolgt vor allem durch Hieronymus (345-420), Ambrosius und Augustinus. Organisatorisch setzt sich unter dem Primat Roms die Bischofskirche mit Erzbischöfen und Bischöfen in den (lat. [F.Pl.]) civitates (Städten) durch. Spätestens seit dem 4. Jh. werden auch germanische Völker christianisiert. Seit dem Frühmittelalter durchdringt die K. das gesamte Europa in vielfältiger Hinsicht. Nach der Verbindung zwischen Papst und fränkischem Herrscher (751, 800) kommt es allerdings unter den Saliern (Heinrich IV. 1075) zum -> Investiturstreit mit der durch das Schisma von 1054 entstandenen römisch-katholischen K. Die K. gewinnt als Folge der -> ottonischen Reichskirchenpolitik weltliche Macht in der Form der geistlichen Fürstentümer. 1517 verursacht Martin -> Luther mit seinen gegen kirchliche Missstände gerichteten 95 Refor- 381 mationsthesen die Abspaltung der Protestanten. Seit der Aufklärung sieht sich die als Körperschaft des öffentlichen Rechts or- ganisierte K. einer ständigen Säkularisierung aller Verhältnisse ausgesetzt. Gefordert und in erheblichem Umfang verwirklicht wird die Trennung von Staat und Kirche (1797 Vereinigte Staaten von Amerika, Revolution in Frankreich, -> Kulturkampf). Am Ende des 20. Jh.s ziehen sich immer mehr Christen zwar noch nicht formal, aber doch tatsächlich aus der K. zurück. Neben der K. als Gemeinschaft steht die K. als Gebäude (älteste erhaltene K. 3. Jh. n. Chr.). Lit.: Köbler, DRG 77, 79, 82, 88, 108, 115, 119, 121, 159, 205, 265; Hauck, A., Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1887, 8. unv. A. 1954; Makower, F., Die Verfassung der Kirche von England, 1894; Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Sehling, E., Geschichte der protestantischen Kirchenverfassung, 2. A. 1914; Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche im Mittelalter, 2. A. 1922; Tomek, E., Kirchengeschichte Österreichs, Bd. 1ff. 1935ff.; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Schubert, G., Der Einfluss des kirchlichen Rechts auf das weltliche Strafrecht der Frankenzeit, 1937; Gampl, I., Staat und evangelische Kirche in Österreich, ZRG KA 52 (1966), 299; Feine, H., Reich und Kirche, hg. v. Merzbacher, F., 1966; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Huber, E./Huber, W., Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1973ff.; Becker, J., Liberaler Staat und Kirche, 1975; Scholder, K., Die Kirche und das Dritte Reich, Bd. 1f. 1977ff.; Theologische Realenzyklopädie, Bd. 1ff. 1977ff.; Church and Society in England, hg. v. O'Day, R. u. a., 1977; Oakley, F., The Western Church, 1979; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Hausberger, K., Staat und Kirche nach der Säkularisation, 1983; Fuchs, J., Das schweizerische Staatskirchenrecht, ZRG KA 101 (1984); Hölscher, W., Kirchenschutz als Herrschaftsinstrument, 1985; Leitner, F., Kirche und Parteien in Österreich nach 1954, 1988; Merzbacher, F., Recht-Staat-Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989; Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, 1989; Histoire du christianisme, hg. v. Mayeur, J. u. a., 1990ff.; Lexikon für Theologie und Kirche, hg. v. Kaspar, W. u. a., Bd. 1ff. 1990ff.; Ackermann, R., Mittelalterliche Kirchen als Gerichtsorte, ZRG GA 110 (1993), 530; Hauschild, W., Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 1ff. 1995ff.; Zippelius, R., Staat und Kirche, 1997; Heim, M., Kleines Lexikon der Kirchengeschichte, 1998; Bücherverzeichnis zur Kirchengeschichte, hg. v. Fürstenberg, M. u. a., 1998; Biographisch- bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 1ff. 1998; Mühlenberg, Epochen der Kirchengeschichte, 3. A. 1999; Greschat, M., Personenlexikon Religion und Theologie, 1998; Rehberg, A., Kirche und Macht im römischen Trecento, 1999; Heim, M., Kirchen- geschichte, 2000; Wallmann, J., Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation, 5. A. 2000; Lexikon der Kirchengeschichte, 2001; Die Erforschung der Kirchengeschichte, hg. v. Smolinsky, H., 2001; Besier, G., Die Kirchen und das Dritte Reich, 2001; Frank, K., Lehrbuch der Geschichte der alten Kirche, 3. A. 2002; Vogtherr, T., Kirche im Mittelalter, 2002; Prinz, F., Die Kirche und die pagane Kulturtradition, HZ 276 (2003), 281; Schwarz Lausten, M., Abendländische Kirchengeschichte, 2003; Studt, B., Papst Martin V. (1417-1431) und die Kirchenreform in Deutschland, 2004; Vogtherr, T., Kirche im Mittelalter, 2004 Kirchenasyl -> Asyl, -> Kirche Kirchenbann -> Kirche, -> Bann Kirchenbaulast ist die Belastung einer Gruppe von Menschen, eines einzelnen Menschen oder eines Vermögens mit den Kosten (des Baues,) der Unterhaltung und des Wiederaufbaues einer -> Kirche (-> Eigenkirche). Sie ist mit dem -> Patronat verbunden. Wo eine K. in das Eigentum des Staates übergegangen ist, trägt infolge des Vermögensübergangs der Staat die K. Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Beyme, B. v., Die Baulast für das Freiburger Münster, 2003 Kirchenbuch ist ein von der -> Kirche geführtes Buch über kirchliche Angelegenheiten (z. B. Mitglieder, Taufen, Eheschließungen, Begräbnisse). Nach Mit- gliederlisten des Altertums und Toten- gedenkbüchern des Frühmittelalters erscheinen Taufmatrikeln in Italien und Südfrankreich im 14. Jh. Im Heiligen Römischen Reich (deut- scher Nation) tritt das K. um 1490 auf (z. B. Tübingen 1553 Ehebuch). In der Neuzeit verwendet auch die weltliche Gewalt das K. für ihre Zwecke. 1875 tritt neben das K. das Personenstandsbuch des Staates. Die Zahl der Kirchenbücher des Deutschen Reichs wird auf 400000 mit rund einer Milliarde Einzel- einträgen geschätzt. Lit.: Köbler, DRG 105; Lampe, W., Die Kirchenbuchführung in Vergangenheit und Gegenwart, 1936; Schmitz, H., Die pfarrlichen Kirchenbücher, 1992; 382 Das älteste Tübinger Ehebuch, hg. v. Schieck, S. u. a., 2000 Kirchenbuße -> Kirche, -> Buße Kirchenfabrik (lat. fabrica [F.] ecclesiae) ist die mit der Errichtung einer Kirche (Gebäude) entstehende Verbandsperson (,,juristische Person"). Die Hauptlast der K. ist die -> Kirchenbaulast. Das Vermögen der K. kann nur in einem besonderen Verfahren veräußert werden. -> Kirchengut Kirchengut ist die Gesamtheit der geldwerten Rechte einer -> Kirche. Das K. entsteht anfangs vor allem durch Gaben, dann aber auch Abgaben (-> Zehnt), die gemeinsam verwaltet und später nach bestimmten Regeln verteilt werden (z. B. Vierteilung unter Bischof, Klerus, Armen und -> Kirchenfabrik, 5. Jh.). Im Frühmittelalter, in dem auch K. säkularisiert wird, können Klöster bis zu 15000 Hufen K. haben. Das K. gliedert sich dann in mehrere selbständige Untereinheiten. Im 13. Jh. wird aus dem K. teilweise Landesherrschaft. Seit der frühen Neuzeit wird K. in erheblichem Umfang säkularisiert (u. a. im Reichsdeputations- hauptschluss vom 28. 2. 1803). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Stutz, U., Die Verwaltung und Nutzung des kirchlichen Vermögens, Diss. jur. Berlin 1892; Buchholzer, J., Die Säkularisation katholischen Kirchenguts im 18. und 19. Jahrhundert, 1921; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Mempel, H., Die Vermögenssäkularisation 1803/10, 1979 Kirchenordnungen sind ordnende Gestaltungen des kirchlichen Lebens durch vorschreibende Regeln, wie sie sich bereits im Altertum und dann insbesondere als Folge der Reformation Martin -> Luthers im 16. Jh. zwecks Ablösung des kanonischen Rechts finden (z. B. Hessen 1526, Schwäbisch Hall 1526, Hadeln 1526, Braunschweig 1528, Hamburg 1529, Lübeck 1531, Lüneburg 1531, Brandenburg-Nürnberg 1533, Pommern 1534, Hannover 1536 usw.). Lit.: Schwanhäuser, G., Das Gesetzgebungsrecht der evangelischen Kirche, 1967; Sehling, E., Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bd. 1ff. 1902ff., Neudruck 1980, (z. B. Bd. 18 2006); Wolf, E., Ordnung der Kirche, 1961; Brecht, M., Kirchenordnung und Kirchenzucht in Württemberg, 1967; Sprengler-Ruppenthal, A., Zu den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, 2004 Kirchenrecht ist die Gesamtheit der Rechtssätze, die entweder das Leben innerhalb der Kirche ordnen (inneres K. bzw. in der katholischen Kirche auch kanonisches Recht) oder das Verhältnis des Staates zur Religion und zu den Religionsgemeinschaften regeln (äußeres K., Staatskirchenrecht). K. entsteht unter Beachtung vieler jüdischer Sätze bereits im 1. Jh. n. Chr. Die Kirche des Altertums bedient sich dabei in weitem Umfang des römischen Rechts, gestaltet durch Konzilien und päpstlich-bischöfliche Einzelreskripte (Dekretalen) K. aber auch vielfach neu ([lat.] -> ius divinum, -> ius ecclesiasticum, -> ius naturale). Bereits seit dem 4. Jh. wird das K. gesammelt (u. a. von -> Dionysius Exiguus). Dem schließen sich frühmittelalterliche Sammlungen an (600 Vetus Gallica, 633 Hispana, 774 von Papst Hadrian an Karl den Großen übermittelte Dionysio-Hadriana, 850 ,,Benedictus Levita", 906 [lat.] libri [M.Pl.] duo de causis synodalibus [zwei Bücher Synodalsachen] des Regino von Prüm, 1007- 1022 [lat., N.] Decretum Bischof Burchards von Worms). Um 1140 fasst in Bologna -> Gratian Konzilscanones, päpstliche Dekretalen und Texte von Kirchenvätern zu seinem (lat. [N.]) -> Decretum zusammen. Daran schließen sich Sammlungen von Dekretalen an (1234 [lat.] -> Liber [M.] extra, 1298 [lat.] Liber sextus, 1317 -> Clementinen), so dass all- mählich das (lat.) -> corpus (N.) iuris canonici entsteht. Dessen Inhalt wird von den protestantischen Kirchen seit der frühen Neuzeit zunächst grundsätzlich anerkannt, danach aber vor allem durch -> Kirchen- ordnungen abgewandelt. 1917/1918 und 1983 wird das katholische K. neu gestaltet (lat. -> Codex [M.] iuris canonici). -> Staats- kirchenrecht im eigentlichen Sinn entsteht seit der Reformation Martin -> Luthers (1517). Dabei setzt sich seit dem ausgehenden 18. Jh. der Gedanke der Toleranz durch. Das 20. Jh. trennt zwar Staat und Kirche grundsätzlich, sichert der Kirche aber noch wichtige Teile ihrer hergebrachten Rechtsstellung (-> Körperschaft des öffentlichen Rechts, -> Kirchensteuer, Art. 137 WRV, 140 GG). Lit.: Köbler, DRG 1, 8, 81, 106, 126, 205, 266; Friedberg, E., Lehrbuch des katholischen und evangelischen Kirchenrechts, 6. A. 1909, Neudruck 383 1965; Rothenbücher, K., Die Trennung von Staat und Kirche, 1908; Ebers, G., Staat und Kirche im neuen Deutschland, 1930; Barion, H., Rudolph Sohm und die Grundlegung des Kirchenrechts, 1931; Liermann, H., Deutsches evangelisches Kirchenrecht, 1933; Heckel, J., Das Decretum Gratiani und das evangelische Kirchen- recht, in: Studia Gratiana 3 (1955), 483; Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 2. A. 1960ff.; Mörsdorf, K., Lehrbuch des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 11. A. 1964; Benn, E., Entwicklungslinien des evangelischen Kirchenrechts im 19. Jahrhundert, Z. f. ev. Kirchenrecht 15 (1970), 2; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Feine H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Winter, J., Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich, 1979; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Gaudemet, J., Droit de l'Eglise et vie sociale, 1989; Campenhausen, A. v., Staatskirchenrecht, 3. A. 1996; Stumpf, C., Kirchenrecht als Bekenntnisrecht, 1999; Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, hg. v. Campenhausen, A. Frhr. v., Bd. 1ff. 1999ff.; Erdö, P., Die Quellen des Kirchenrechts, 2002; Landau, P., Evangelische Kirchenrechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, Zs. f. ev. Kirchenrecht 48 (2003), 1; Brundage, J., The Profession and Practice of Medieval Canon Law, 2004 Kirchenstaat ist der (weltliche) -> Staat der katholischen Kirche. Er nimmt seinen Ausgang vom Mailänder Toleranzedikt des römischen Kaisers Konstantin (313), das die christlichen Gemeinden als rechtsfähige Vermögensträger anerkennt. Hinzu kommt die sog. -> kon- stantinische Schenkung, nach der Konstantin Papst Silvester die politische Autorität im weströmischen Reich verliehen haben soll. Danach erhält die Kirche zahlreiche Grund- stücke als Gaben, die in ihrer Gesamtheit seit dem 6. Jh. (lat.) patrimonium (N.) Petri heißen. Seit dem 7. Jh. gilt der Papst als Schutzherr und Herrscher des Gebiets um Rom bzw. zwischen Venedig und Benevent. Am 14. 4. 754 gibt der fränkische König Pippin Papst Stephan die ehemals oströmischen, von den Langobarden besetzten Güter in Italien um Ravenna und Rom (zurück, -> pippinische Schenkung). Der Sicherung der Herrschaft dient wenig später der K. um die Romagna und Tuszien (sowie um Venaissin [1274] und Avignon [1378], bis 1797), im 16. und 17. Jh. um Ferrara (1598), Urbino (1630) und Castro (1649). 1798 ersetzt Frankreich den K. durch die Römische Republik, doch gelingt 1814/1815 die Wiederherstellung. Am 20. 9. 1870 zieht die italienische Einigungsbewegung den K. bis auf geringe Reste an sich bzw. das neue Königreich -> Italien. Lit.: Nürnberger, A., Papsttum und Kirchenstaat, Bd. 1ff. 1897ff.; Gundlach, W., Die Entstehung des Kirchen- staates, 1899, Neudruck 1969; Hayward, F., Le dernier sicle de la Rome pontificale 1769-1870, Bd. 1ff. 1927f.; Ermini, G., La libert comunale nello stato della chiesa, 1926f.; Ermini, G., I parlamenti dello Stato della Chiesa, 1930; Kölmel, W., Rom und der Kirchenstaat im 10. und 11. Jahrhundert, 1935; Waley, D., The Papal State in the Thirteenth Century, 1961; Quellen zur Geschichte des Kirchenstaates, hg. v., Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The Lands of St. Peter, 1968; Noble, T., The Republic of St. Peter, 1984; Arnaldi, G., Le origini dello Stato della Chiesa, 1987; Marazzi, D., I Patrimonia sactae Romanae ecclesiae nel Lazio, 1998; Modell Rom?, hg. v. Büchel, D. u. a., 2003 Kirchensteuer ist die durch die öffentlich- rechtlichen Religionsgesellschaften erhobene, vom Staat eingezogene Steuer. Sie ersetzt den älteren Kirchenzehnt (Preußen 20. 6. 1875, vgl. auch das Allgemeine Landrecht von 1794). Rechtliche Grundlagen werden die Weimarer Reichsverfassung und Art. 140 GG. Lit.: Köbler, DRG 198; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Fischer, G., Finanzierung der kirchlichen Sendung, 2005 Kirchenvertrag ist ein Vertrag eines Staates mit einer (evangelischen) Kirche über kirchliche Angelegenheiten. -> Konkordat Lit.: Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Listl, J., Bd. 1f. 1987 Kirchenvogtei ist die Ausübung weltlicher -> Herrschaft für eine -> Kirche durch einen -> Vogt. Lit.: Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei im 10. Jahrhundert, 1933 Kirchenzehnt ist (meist) der zehnte Teil (von Erträgnissen und Früchten von Grundstücken und Vieh). Er erscheint im 5. Jh. n. Chr. auf der Grundlage von 4. Moses 18,21-32. Wenig später wird er von der Kirche gefordert und vom fränkischen König als Ausgleich für eingezogenes Kirchengut zugestanden. Seit der französischen Revolution (1789) und den Unruhen der Jahre 1848ff. verschwindet er und wird in deutschen Staaten durch die -> Kirchensteuer ersetzt. 384 Lit.: Perels, E., Die kirchlichen Zehnten im karolingischen Reich, 1904; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Kirchliches Recht ist das auf die -> Kirche bezogene -> Recht (-> Kirchenrecht). Einen wichtigen Gegensatz zum kirchlichen Recht bildet das weltliche Recht. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2 Kirchmann, Julius Hermann von (1802-1884) Lit.: Julius Hermann von Kirchmann, hg. v. Bast, R., 1993 Kirchspiel (Kirchenbezirk) -> Kirche Lit.: Liebe, G., Die kommunale Bedeutung der Kirchspiele, Diss. phil. Berlin 1885; Oberdörfer, K., Das alte Kirchspiel Much, 1923; Haff, K., Das Großkirchspiel, ZRG KA 63 (1943), 1, 64 (1944), 1, 65 (1947), 1, 253; Kern, H., Das Kirchspiel Altensteig, 1966 Kistenpfand (N.) Pfand an leblosen beweglichen Sachen Lit.: Hübner 470 k. k. (kaiserlich-königlich, Österreich 1867, nicht pragmatische Angelegenheiten) -> k. u. k. Klage ist im rechtlichen Sinn das Begehren des Klägers an das Gericht auf Rechtsschutz gegenüber dem Beklagten. Im römischen Recht ist K. die (lat.) -> actio (F.). Von K. wird wohl unter kirchlichem Einfluss erst seit dem Frühmittelalter gesprochen, in dem sich der Verletzte nicht mehr unmittelbar gegen einen möglichen Verletzer, sondern hauptsächlich an einen Herrschaftsträger mit der Bitte um Unterstützung bei der Verfolgung des Rechts wendet. Im Hochmittelalter werden verschie- dene Arten der K. unterschieden (um Eigen und Erbe, um Gut, um Schuld, später bürgerliche K., peinliche K. und gemischte K.) und anscheinend genaue Formulierungen verlangt (- > Prozessgefahr), so dass Vertreter im Wort (-> Fürsprecher) erscheinen. Mit dem im Spätmittelalter aus Oberitalien kommenden gelehrten Verfahrensrecht wird die K. vielfach schriftlich und durch Vertreter in der Sache (-> Anwalt) geformt. Lit.: Kaser § 82 II; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 86, 116, 117, 156, 202; Laband, P., Die vermögens- rechtlichen Klagen, 1869; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1878/9, Neudruck 1973, 357, 757; Turner, V., The King and his Courts, 1968; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Gudian, G., Zur Klage mit Schadensformel, ZRG GA 90 (1973), 121; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren euopäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 383,467; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1; Apathy, P., Die publizianische Klage, 1981; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bieresbom, D., Klage und Klageerwiderung im deutschen und englischen Zivilprozess, 1999; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002 Klage gegen den toten Mann ist eine wissenschaftliche Bezeichnung des Verfahrens gegen den auf handhafter Tat erschlagenen Täter. Sie ist vor allem im altnordischen Recht verbreitet. Seit dem 13. Jh. wird die K. g. d. t. M. durch die anerkannte Berufung auf Notwehr verdrängt. Lit.: Scherer, Die Klage gegen den toten Mann, 1909; Fischer, P., Strafen und sichernde Maßnahmen gegen Tote, 1936; Wallén, P., Die Klage gegen den Toten, 1958 Klage mit dem toten Mann ist im norddeutschen Recht des Mittelalters ein Verfahren gegen den auf handhafter Tat erschlagenen, vor Gericht gebrachten Täter. Lit.: Brunner, H., Die Klage mit dem toten Mann, ZRG GA 31 (1910), 235; Frommhold, G., Zur Klage mit dem toten Mann und mit der toten Hand, ZRG GA 36 (1915), 458 Klagengewere ist im mittelalterlichen sächsischen Prozess die Zusicherung des Klägers gegenüber dem Beklagten, dass er zur - > Klage befugt sei. Macht ein zweiter Beteiligtergegen den Beklagten das Recht geltend, muss der Kläger die Ansprüche vom Beklagten abwehren. Gelingt dies nicht, muss er die eigene Klage aufgeben und -> Gewette zahlen. Im 18. Jh. verschwindet die K. Sie wird von der Litiskontestation und der Einrede der Rechtskraft verdrängt. Lit.: Ebeling, K., Die Klagengewere, Diss. jur. Frankfurt am Main 1958 Klagenkonkurrenz ist im klassischen römi- schen Recht die mehrfache Geltendmachung einer Klage gegen mehrere Beteiligte (kumulative K.). Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, DRG 48; Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972 Klagenkonsumtion ist im altrömischen Recht der Ausschluss eines zweiten Streites über das geltend gemachte Recht durch die Streiteinsetzung (lat. [F.] -> litiscontestatio). 385 Lit.: Kaser § 80 II, 82 III, 87 II; Köbler, DRG 19 Kläger ist, wer durch eine -> Klage vom Gericht Rechtsschutz begehrt. Wo kein K. (ist), da kein Richter (vgl. Codex 3, 7, 1 [lat.] invitus agere vel accusare nemo cogitur, gegen seinen Willen wird niemand zum Klagen oder Anklagen gezwungen). Lit.: Söllner § 9; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1 Klageschrift ist im gelehrten Prozessrecht seit dem Spätmittelalter der Schriftsatz, durch den der -> Kläger -> Klage erhebt bzw. Rechtsschutz begehrt. Der Kläger überreicht die K. dem Beklagten im Termin. Später reicht er sie bei Gericht ein. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-römische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1 1868ff., Neudruck 1959; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997 Klagspiegel ist die 1516 von Sebastian -> Brant unter dem Titel Richterlich Clagspiegel neu aufgelegte, vermutlich von einem Stadtschreiber (Conrad Heyden, aus Schwäbisch Hall oder der Umgebung, ab 1403 Studium in Erfurt als pauper, ohne Abschluss, 1413 Stadtschreiber Schwäbisch Hall, 1436 entlassen 1444) in Schwäbisch Hall um 1436 verfasste Schrift über Verfahrensfragen. Der erste Teil will, hauptsächlich nach Roffredus, De libellis iuris civilis (Von Büchlein des weltlichen Rechts), ein Handbuch des geschrie- benen Rechtes bieten. Der zweite Teil stellt Strafrecht und Strafverfahren nach römischen Rechtsgrundsätzen (Digesten, Codex, Durantis, Speculum iudiciale u. a.) dar. Insgesamt ist der K. die älteste und umfassendste Wiedergabe des römischen Rechts in deutscher Sprache und unter Zuschnitt auf die einheimischen zeitgenössischen Bedürfnisse. Er wird von 1460-1470 bis über die Mitte des 16. Jh.s in 24 Auflagen gedruckt und bildet eine wichtige Quelle der Stadtrechtsreformation von -> Worms, der (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (1507), für Tenglers -> Laienspiegel (1509/11), Goblers Rechten-Spie- gel und Rauchdorns Practica. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 335; Deutsch, A., Der Klagspiegel, 2004 Klammer, Balthasar (Kaufbeuren um 1504- Celle 6.(?) 2. 1578), Bürgermeisterssohn, wird nach dem Studium von Theologie und Recht in Ingolstadt und Leipzig 1529 Notar, 1530 Professor in Marburg und 1540 Kanzler der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg. Neben der Mitwirkung an wichtigen Landesgesetzen (Hofgerichtsordnung, Kanzleiordnung, Polizei- ordnung) verfasst er 1565 ein posthum vielfach gedrucktes, deutsches (lat.) Compendium (N.) iuris (Lehnrecht und Landrecht) mit lateinischen Erläuterungen. Lit.: Eckhardt, A., Der Lüneburger Kanzler Balthasar Klammer und sein Compendium juris, 1964; Theuerkauf, G., Lex, Speculum, Compendium iuris, 1968 Klasse (F.) Gruppe Lit.: Gall, L., Vom Staat zur Klasse, HZ 261 (1995), 1; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997 Klassenjustiz ist die Ausübung des Richteramtes durch Angehörige der gesellschaftlich herrschenden -> Klasse (Liebknecht 1907) bzw. nach Klassen unterscheidende, im Dienste einer herrschenden Klasse stehende Rechtspflege. Lit.: Kroeschell, 20 Jh.; Engels, F., Die Lage der arbeitenden Klasse in England, 1845; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 46; Kocka, J., Lohnarbeit und Klassenbildung, 1983 Klassisches römisches Recht (vgl. Hugo 1790 Lehrbuch und Chrestomathie des classischen Pandectenrechts) -> römisches Recht Kleid ist eine dem Schutz und Schmuck dienende, durch Tätigkeit geschaffene Umhüllung des Menschen. Das Kleid kann durch Rechtssätze festgelegt werden (Kleiderordnung). Es kann als Metapher oder Kennzeichen für rechtliche Vorgänge und Zustände Verwendung finden (-> Gewere, -> Investitur, Robe, Uniform). Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994 Kleiderordnung ist eine -> Ordnung über die Verwendung von -> Kleidern. Vielleicht unter dem Einfluss der Kirche, in der die Bekleidung der Geistlichen von erheblicher Bedeutung ist, werden im Spätmittelalter zum Schutz vor Verschwendung an vielen Orten Kleiderord- nungen erlassen (Spanien 1234/1256, Frankreich 1279/1294, England 1336, Göttingen 1340). Dabei gehen die Städte den Ländern anscheinend voran. Lit.: Köbler, DRG 139; Hampel-Kallbrunner, G., 386 Beiträge zur Geschichte der Kleiderordnungen, 1962; Eisenbart, L., Kleiderordnungen, 1962; Schädler, K., Die Lederhose in Bayern und Tirol, 1962; Baur, V., Kleiderordnungen in Bayern, 1975; Jarrett, L., Striptease, 1999 Klein, Ernst Ferdinand (Breslau 3. 9. 1744- Berlin 18. 3. 1810), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Halle (Nettelbladt) Anwalt, 1781 Mitarbeiter am Allgemeinen Landrecht Preußens (Strafrecht), 1791 Professor in Halle und 1800 Richter in Berlin. In seinen Merkwürdigen Rechtssprüchen der Hallischen Juristenfakultät erarbeitet er An- sätze für sichernde Maßnahmen. Lit.: Mumme, H., Ernst Ferdinand Kleins Auffassung von der Strafe und den sichernden Maßnahmen, 1936; Hoffmann, U., Ernst Ferdinand Kleins Lehre vom Verhältnis von Strafen und sichernden Maßnahmen, Diss. jur. Breslau, 1938; Brünker, H., Der Kriminalist Ernst Ferdinand Klein, Diss. jur. Bonn 1973; Kleensang, M., Das Konzept der bürgerlichen Gesellschaft bei E. F. Klein, 1998 Klein, Franz (Wien 24. 4. 1854-6. 4. 1926), Goldschmiedssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien 1885 Kanzleidirektor, 1891 außerordentlicher Professor und 1895 ordentlicher Universitätsprofessor. Auf Grund der Schrift (lat.) Pro futuro (Für die Zukunft) wird er Beamter des Justizministeriums in -> Österreich und arbeitet die Zivilprozessordnung (1895), die Exekutionsordnung und das Gerichtsorganisationsgesetz aus, in denen die Stellung des Richters gestärkt wird. Lit.: Festschrift Franz Klein, 1914; Forschungsband Franz Klein, hg. v. Hofmeister, H., 1988 Kleines Kaiserrecht ist ein wohl zwischen 1328 und 1350 zwischen Frankfurt am Main und der Wetterau nach dem später sog. -> Schwabenspiegel (Kaiserrecht) abgefasstes Rechtsbuch eines fränkischen Anhängers Ludwigs des Bayern. Es enthält Prozessrecht und Gerichtsverfassungsrecht, Privatrecht und Strafrecht, Lehnrecht (besonders der Reichsdienstmannen) und Recht der Reichs- städte. Lit.: Das Keyserrecht, hg. v. Endemann, H., 1846; Gosen, J. v., Das Privatrecht nach dem kleinen Kaiserrecht, 1866; Schröder, E., Ein altertümliches Bruchstück, ZRG GA 17 (1896), 120; Isay, H., Zur Geschichte des kleinen Kaiserrechts, ZRG GA 19 (1998), 145; Munzel, D., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Munzel, D., in: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 42; Munzel-Everling, D., Des keisers recht, 2003 Klenkok, Johannes (Brücken 1. Viertel 14. Jh.- Avignon 15. 6. 1374), Professor der Theologie, stellt in Magdeburg 1369 Artikel des -> Sachsenspiegels zusammen, die nach seiner Ansicht gegen kirchliches Recht verstoßen (lat. [M.Pl.] -> articuli reprobati). Lit.: Böhlau, H., Zur Chronologie, ZRG GA 4 (1883), 118; Kullmann, J., Klenkok und die ,,articuli reprobati" des Sachsenspiegels, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 28 Kleriker ist der Angehörige des -> Klerus. Für ihn gilt das kirchliche Recht. Da zeitweise fast nur K. schreiben können, sind sie gleichzeitig Träger wichtiger weltlicher Aufgaben (vgl. engl. clerk). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poncet, P., Les privilges des clercs au moyen-âge, 1901; Moeller, B., Kleriker als Bürger, FS H. Heimpel, Bd. 2 1972, 195 Klerus ist im katholischen Kirchenrecht der geistliche Stand im Gegensatz vor allem zu den Laien. Der K. hat zahlreiche Standespflichten. Umgekehrt genießt er zumindest zeitweise erhöhten Schutz gegen Ehrverletzungen (lat. privilegium [N.] canonis, vgl. C. 1, 3, 10), Befreiung von der weltlichen Gerichtsbarkeit (lat. privilegium [N.] fori, vgl. Nov. 79 u. Ä.), Befreiung von weltlichen Pflichten wie Kriegs- dienst, Schöffenamt usw. (lat. privilegium [N.] immunitatis, vgl. Codex Theodosianus 16, 2) und Schutz vor Zwangsvollstreckung (lat. beneficium [N.] competentiae, vgl. Liber extra 3, 23, 3). Während des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) ist der K. sowohl in den Reichsständen wie auch in den Landständen ansehnlich vertreten. Lit.: Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche im Mittelalter, 3. A. 1958; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Johag, H., Die Beziehungen zwischen Klerus und Bürgerschaft, 1977; Schulte-Umberg, T., Profession und Charisma, 1999 Klettgau Lit.: Peter, A., Das Landgericht Klettgau, 1966 Kleve, Cleve, ist eine im 11. Jh. entstandene Grafschaft, die 1417 zum Herzogtum erhoben wird und 1614 an Brandenburg (bzw. 1701 Preußen) fällt. 387 Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung der Gesetze und Verordnungen, 1821; Scotti, J., Sammlung der Gesetze und Verordnungen, 1826; Schottmüller, K., Die Organisation der Central- verwaltung in Kleve-Mark, 1896; Wollenhaupt, L., Die Cleve-Märkischen Stände im 18. Jahrhundert, 1924; Ilgen, T., Quellen zur inneren Geschichte der rheinischen Territorien ­ Herzogtum Kleve, 1921; Rüthning, G., Ein bisher unbekanntes Stadtrecht von Kleve, ZRG GA 55 (1935), 239; Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G. Schmelzeisen, 1980, 176; Klevische Städteprivilegien, hg. v. Fink, K., 1989; Die ältesten Klever Stadtrechtshandschriften, bearb. v. Schleidgen, W., 1990; Das Stadtrecht von Cleve, hg. v. Fink, K., 1991; Die ältesten Klever Stadtrechtshandschriften, bearb. v. Schleidgen, W., 1994; Der Oberhof Kleve und seine Schöffensprüche, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1994; Die klevischen Hofordnungen, hg. v. Flink, K., 1997 Klöntrup, Johann Aegidius (Glane 30. 3. 1754-Lechterke 25. 4. 1830), Prokuratorssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen Anwalt in Osnabrück. Er verfasst mehrere Werke zum bäuerlichen Recht (u. a. Alphabetisches Handbuch der besonderen Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück, 1798). Kloster ist die geschlossene, Ordensangehö- rigen als gemeinsame Wohnung, Gebetsstätte und Arbeitsraum dienende Anlage. Sie erscheint im Bereich des Christentums in Oberägypten im 4. Jh. erstmals (Pachomius). Im fränkischen Reich werden Marmoutier (Martin von Tours) und Luxeuil (Columban) wichtige Vorbilder für zahlreiche, schon früh vom König und Adel durch Privilegien und Gaben unterstützte Gründungen, für die sich im 8. Jh. die Ordnung des -> Benedikt von Nursia durchsetzt. Diese wird seit dem 10. Jh. in Cluny, Gorze und Hirsau erneuert. Seit dem 12. Jh. bilden sich unterschiedliche Orden aus (-> Zisterzienser, -> Prämonstratenser, -> Domini- kaner, Franziskaner). In der Neuzeit werden unter dem Einfluss auch der Reformation und danach der Aufklärung zahlreiche Klöster säkularisiert. Lit.: Köbler, DRG 79; Wrede, A., Das Klostergut Sülz bei Köln, 1909; Schreiber, G., Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, Bd. 1f. 1910, Neudruck 1965; Hirsch, H., Klosterimmunität und Investiturstreit, 1913; Urkundenbuch des Klosters Fulda, hg. v. Stengel, E., Bd. 1 1913ff.; Bader, K., Das Benediktinerinnenkloster Friedenweiler, 1938; Stillhart, A., Die Rechtspersönlichkeit der klösterlichen Verbandsformen, 1953; Sprandel, R., Das Kloster Sankt Gallen in der Verfassung des karolingischen Reiches, 1958; Siepen, K., Vermögensrecht der klösterlichen Verbände, 1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Rehfus, M., Das Zisterzienserinnenkloster Wald, 1971; Die Traditionen, Urkunden und Urbare des Klosters Asbach, bearb. v. Geier, J., 1969; Reden-Dohna, A. v., Reichsstandschaft und Klosterherrschaft, 1982; Prinz, F., Frühes Mönchtum im Frankenreich, 2. A. 1988; Boetticher, M. v., Kloster und Grundherrschaft Mariengarten, 1989; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2. A. 1994; Grégoire, R. u. a., Die Kultur der Klöster, 1995; Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol, bearb. v. Fuat, U. u. a., 2000f.; Patzold, S., Konflikte im Kloster, 2000; Zehetmayer, R., Kloster und Gericht, 2001; Württembergisches Klosterbuch, 2003; Beales, D., Prosperity and Plunder, 2003; Gleba, G., Klosterleben im Mittelalter, 2004; Ströbele, U., Zwischen Kloster und Welt, 2005 Klostertod ist der Verlust weltlicher Rechte durch den Eintritt in ein -> Kloster vom Mittelalter bis in das 19. Jh. -> bürgerlicher Tod Lit.: Hübner; Brünneck, W. v., Das Klostergelübde, Gruchot Beiträge 45 (1901), 193 Kluftbrief (Vetternschaftsbrief) Lit.: Künssberg, E. Frhr. v., Vier Kluftbriefe aus Dithmarschen, ZRG GA 43 (1922), 304 kluniazensische Kirchenreform -> Cluny Knappe (M.) Edelknabe, Bergmann Knappschaft ist vielleicht schon seit dem Hochmittelalter ein Zusammenschluss von Bergleuten zur Sicherung gegen Unglücksfälle durch eine Unterstützungskasse. Die K. wird seit dem Spätmittelalter in Bergordnungen geregelt. 1770 bildet sich auf Grund eines vom König von Preußen 1767 gewährten Privilegs eine ausgedehnte Knappschaftskasse für Kleve, Moers und Mark. Mit Gesetz vom 10. 4. 1854 führt Preußen unter Knappschaftszwang eine öffentlich-rechtliche Versicherung in der Form von Knappschaftsvereinen ein. Das Reichsknappschaftsgesetz vom 23. 6. 1923/1. 7. 1926 bringt eine einheitliche Regelung im Deutschen Reich (28. 7. 1969 Bundesknapp- schaft). Lit.: Köbler, DRG 218; Karwehl, H., Die Entwicklung 388 und Reform des deutschen Knappschaftswesens, 1907; Inbusch, H., Das deutsche Knappschaftswesen, 1910; Thielmann, H., Geschichte der Knappschafts- versicherung seit 1934, Z. f. Bergrecht 95 (1954), 174; Curialitas, hg. v. Fleckenstein, J., 1990; Lauf, U., Die Knappschaft, 1994; Festschrift aus Anlass des 30jährigen Bestehens der Bundesknappschaft, 1999 Knecht ist der junge Mensch, der im Ver- hältnis zu einem Herrn Dienste leisten muss. Am Ende des Mittelalters scheidet K. aus den Altersbezeichnungen aus und wird zur Bezeichnung für einen niederen, vielfach bäuerlichen Bediensteten. Lit.: Iversen, T., Knechtschaft im mittelalterlichen Norwegen, 2004 Knien ist ein vielleicht dem vorderen Orient entstammendes Demutsverhalten. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994 Koadjutor (M.) vom Papst ernannter, mit bischöflicher Weihgewalt ausgestatteter Vertreter eines Bischofs Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Koalition (F.) Vereinigung Koalitionsfreiheit ist die Freiheit, zur Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen oder Wirtschaftsbedin- gungen Vereinigungen zu bilden (oder auch [negativ] solchen Vereinigungen fernzublei- ben). Die frühe Neuzeit wendet sich gegen die K. der Handwerksgesellen (1530, 1731, 1845). Im 19. Jh. werden die Verbote aufgehoben (England 1824, Sachsen 1861, Baden 1862, Norddeutscher Bund 1869, Frankreich 1884). Die Weimarer Reichsverfassung erhebt die K. zu einem Grundrecht. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 273; Scholz, R., Die Koalitionsfreiheit, 1971 Koblenz am Rhein ist von 1806 bis 1813 Sitz einer französischen Rechtsschule, von 1814 bis 1817 Sitz einer preußischen juristischen Fakultät. Lit.: Bär, M., Zur Entstehung der deutschen Stadtgemeinde (Koblenz), ZRG GA 12 (1891), 1; Just, L., Franz von Lasaulx, 1926; Conrad, H., Stadtgemeinde und Stadtfrieden in Koblenz während des 13. und 14. Jahrhunderts, ZRG GA 58 (1938), 337; Buyken, T./Conrad, H., Die ältesten Stadtbücher von Koblenz, ZRG GA 59 (1939), 165; Eilers, K., Stadtfreiheit und Landesherrschaft in Koblenz, 1980; Mallmann, L., Französische Juristenausbildung im Rheinland 1794- 1814. Die Rechtsschule von Koblenz, 1987; Hennig, J., 2000 Jahre Koblenz, 1994 Kodex -> Codex Kodifikation (Gesetzbuchmachung) ist die grundsätzlich erschöpfend gedachte Zusammenfassung des gesamten Stoffes eines oder mehrerer Rechtsgebiete in einem einheitlichen Gesetzbuch (, lat. [M.] -> codex) (oder Gesetz). Die Zusammenfassung des gesamten (römischen) Rechts in Codex, Digesten und Institutionen durch Justinian (527-565) stellt noch eher eine Kompilation als eine K. dar. In der Neuzeit sind die Landesherren ebenfalls an zusammenfassender Regelung interessiert. Beeinflusst von Montesquieus De l'esprit des lois (Vom Geist der Gesetze, 1748) schaffen Preußen (Allgemeines Landrecht, 1794), Frankreich (Code civil, 1804, sowie 4 weitere Codes) und Österreich (Allgemeines Bürgerliches Gesetz- buch, 1811/1812) bekannte Kodifikationen, die inhaltlich (außer vom römischen und vom einheimischen Recht) stark vom -> Naturrecht (Vernunftrecht) geprägt sind. Ihnen schließen sich später zahlreiche andere Staaten an (z. B. Deutsches Reich 1871, 1877/1879, 1900, Schweiz 1907/1912, Portugal 1833/1867, Niederlande 1838, Italien 1865, Spanien 1829/1889 usw.). Geprägt wird der Begriff der K. von Bentham (Juni 1815 in Briefen an den Zaren von Russland und den polnischen Prinzen Adam Czartoriski, 1817 Papers relative to Codification and Public Instruction mit einem separaten Rundschreiben On Codifi- cation). Kennzeichnend sind materielle Vollständigkeit, sprachliche Verständlichkeit und unabänderliche Festigkeit. Lit.: Söllner §§ 1, 19, 20, 25; Köbler, DRG 139; Cauvire, H., L'idée de codification en France, 1910; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 335; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Aquarone, A., L'unificazione legislativa e i codici del 1865, 1960; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Vanderlinden, J., Code et codification dans la pensée de J. Bentham, TRG 32 (1964), 45; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wilhelm, W., Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich, Ius commune 1 (1967); Vanderlinden, J., Le concept de code, 1967; Caroni, P., Savigny und die Kodifikation, ZRG GA 86 (1969), 97; 389 Nordmann, J., Kodifikationsbestrebungen in der Grafschaft Friedberg-Scheer am Ende des 18. Jahrhunderts, Zs. f. württ. LG 28 (1969), 265; Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974; Bühler, T., Gewohnheitsrecht, Enqute, Kodifikation, 1977; Sozialdemokratie und Zivilrechtskodifikation, hg. v. Vormbaum, T., 1977; Coing, H., Zur Vorgeschichte der Kodifikation, in: Formazione storica, Bd. 2 1977, 797; Hübner, H., Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980; Kodifikation als Mittel der Politik, 1986; Bühler, T., Der Stand der Kodifikationsentwicklung Ende des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts, 1986; Lokin/Zwalve, Hoofdstukken uit de Europese Codificatiegeschiedenis, 1990; Rechtskodifikation und soziale Normen im interkulturellen Vergleich, hg. v. Gehrke, H., 1994; Kodifikation gestern und heute, hg. v. Merten, D. u. a., 1995; Gesetz und Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998; Caroni, P., Saggi sulla storia della codificazione, 1998; Kodifikation und Dekodifikation, hg. v. Maly, K. u. a., 1998; Becchi, P., Ideologie della codificazione in Germania, 1999; Brauneder, W., Vergessene Jubiläen, JuS 2000, 15; La Codification des lois dans l'antiquité, hg. v. Levy, E., 2000; Der Kodifikationsgedanke und das Modell des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Behrends, O. u. a., 2000; Nörr, K., Kodifikation und Wirtschafts- ordnung, ZNR 2001, 51; Caroni, P., Gesetz und Gesetzgebung, 2003; Mertens, B., Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, 2004 Kodifikationsstreit ist der hauptsächlich von - > Thibaut (1772-1840) und -> Savigny (1779- 1861) 1814 geführte rechtspolitische Streit um die Schaffung eines einheitlichen deutschen Nationalgesetzbuches. Thibaut begründet seine Schrift ,,Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für Deutschland" mit Vaterlandsliebe und prak- tischem Interesse der zivilrechtlichen Verhältnisse. Savigny stellt dem die Behauptung entgegen, dass Recht organisch aus dem Volksbewusstsein entstehe und (deshalb im Jahre 1814) ein von oben kommendes Gesetz unorganisch und damit überflüssig oder schädlich sei. Im Ergebnis setzt sich die von den politischen Gegebenheiten (viele souveräne deutsche Einzelstaaten) nahegelegte und von Savignys Gelehrtenruhm gestützte Ablehnung durch, so dass es (bis 1900) bei der Rechtszersplitterung in den deutschen Staaten bzw. seit 1871 dem Deutschen Reich (im bürgerlichen Recht) bleibt. Lit.: Köbler, DRG 180; Thibaut und Savigny, hg. v. Stern, J. 1914; Wesenberg, G., Die Paulskirche und die Kodifikationsfrage, ZRG RA 72 (1955), 359; Wieacker, F., Wandlungen im Bild der historischen Rechtsschule, 1967; Nolte, J., Burchard Wilhelm Pfeiffer, 1969; Hattenhauer, H., Thibaut und Savigny, 1973; Wrobel, H., Die Kontroverse Thibaut/Savigny im Jahre 1814 und ihre Deutung in der Gegenwart, 1975; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983; Schöler, C., Deutsche Rechtseinheit, 2004 Kodizill -> codicillus Kofod Ancher, Peder (1710-1788), 1741 Rechtsprofessor, verfasst in der Form verschiedener Einzelabhandlungen die erste, bis zur Neuzeit reichende Rechtsgeschichte Dänemarks (En Dansk Lovhistorie, Bd. 1f. 1769ff.). Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940, 8; Tamm, D., Retsvidenskaben i Danmark, 1992, 98 Kognat (lat. [M.] cognatus) ist der durch Abstammung Verwandte. Im römischen Recht ist zunächst der -> Agnat wichtiger als der K. Lit.: Kaser §§ 9 12 I 2e, 58 IV 5a, 61 I 1, 65 II 2, 66 III Kognitionsverfahren (lat. [F.] cognitio) ist im klassischen römischen Recht ein einheitliches, vor einem beamteten Richter durchgeführtes Verfahren. Dieses recht formlose Verfahren erscheint zunächst als durch wohlfahrts- staatliche Erwägung gegründete (lat.) cognitio (F.) extraordinaria (außerordentliche Erkennt- nis) durch den Prinzeps in seiner Stellung als Tribun, dann durch einzelne ausgewiesene Magistrate und schließlich durch die Verwaltung des Prinzeps. Die Parteien sind der Entscheidung ohne weiteres unterworfen. Die - > Ladung wird ein amtlicher Akt, dessen Missachtung den Streitverlust nach sich zieht. Das Begehren richtet sich allein nach dem sachlichen Recht. Das auf freier Beweiswürdigung beruhende -> Urteil wird schriftlich verfasst. Die -> Kosten trägt in der Regel der Unterlegene. Gegen die Ent- scheidung wird die -> Appellation an eine höhere Instanz möglich. Im 2. und 3. Jh. verdrängt das K. das ältere -> Formu- larverfahren. Lit.: Kaser §§ 80, 87 I; Söllner §§ 14, 15, 17, 18; Köbler, 390 DRG 33, 55; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966 Kohle -> Bergbau Lit.: Kranz, H., Kohle in der Krise, ZRG GA 117 (2002), 592 Kohler, Josef (Offenburg 9. 3. 1849-Berlin 3. 8. 1919), Volksschullehrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg i. Breisgau und Heidelberg (Vangerow) Richter, 1878 Professor in Würzburg und 1888 in Berlin. Vielseitig interessiert befasst er sich mit zahlreichen, Vermögensrecht und Persönlich- keitsrecht verbindenden immaterialgüter- rechtlichen Fragen (Das deutsche Patentrecht, 1878) und rechtsgeschichtlichen Ausgaben (Werksverzeichnis mit 2482 Titeln, darunter 104 Bücher, davon 80 juristischen Inhalts). Lit.: Die Carolina und ihre Vorgängerinnen, hg. v. Kohler, J. u. a., Bd. 1ff. 1900ff., Neudruck 1968; Osterrieth, A., Josef Kohler, ein Lebensbild, 1920; Kohler, A., Bibliographie für Josef Kohler, 1931; Spendel, G., Josef Kohler, 1983; Josef Kohler und der Schutz des geistigen Eigentums, hg. v. Adrian, J., 1996; Spendel, G., Josef Kohler (1848-1919), ZRG GA 113 (1996), 434 Kohlhase -> Fehde Kolbengericht Lit.: Haupt, H., Ein oberrheinisches Kolbengericht aus dem Zeitalter Maximilians I., ZRG 16 (1895), 199 Kolderup-Rosenvinge, Janus Lauritz Andreas (1792-1850), dänischer Rechtshistoriker, verfasst neben verschiedenen anderen Lehr- büchern die erste systematische Rechtsge- schichte Dänemarks (Grundrids af den danske Lovhistorie, 1822f.) und gibt verschiedene Quellensammlungen heraus. Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940, 57; Tamm, D., Retsvidenskaben i. Danmark, 1992, 148 Koldín, Pavel Kristián (1530-1589) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Prag 1557 Professor. Er verfasst 1569 einen 1579 vom Landtag und 1610 von allen Städten in Böhmen angenommenen Entwurf für ein einheitliches Stadtrecht, das teilweise bis 1811 in Böhmen und Mähren gilt. Lit.: Mestské právo v 16.-18. stoleti v Europe, hg. v. Maly, K., 1982, 341 Kollatai, Hugo (1750-1812) wird nach dem Studium der Theologie und des Kirchenrechts in Krakau, Wien und Rom Priester, Professor und Richter. Auf ihn geht wesentlich die Verfassung -> Polens vom 3. 5. 1791 zurück. 1793 muss er in die Emigration gehen, 1794 bis 1802 ist er von Österreich gefangengesetzt. Lit.: Opalek, K., Poglady Hugo Kollataj, 1952; Chamcowna, M., Uniwersytet Jagiellonski, 1957 Kolleg (N.) Genossenschaft, Disputationsge- sellschaft von Studenten (Köln 1530), Vorlesung Lit.: Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 2000 Kollegialbehörde ist eine aus mehreren gleichberechtigten Mitgliedern bestehende, meist durch Stimmenmehrheit beschließende Behörde. Nach älteren Ansätzen wird sie zu Beginn der Neuzeit planmäßig gebildet (Baden 1495, Reich 1498, Schlesien 1498, Sachsen 1499, Hessen 1500). Kollegialgericht ist ein aus mehreren Mitgliedern bestehendes, durch Abstimmung entscheidendes Gericht. Ohne besondere Form kollegial verfahren bereits (die germanische Volksversammlung und) die mittelalterlichen Rachinburgen oder Schöffen. Demgegenüber tritt der Einzelrichter mit dem Aufkommen des gelehrten Rechtes zuerst im kirchlichen Gericht, danach in den unteren landesherrlichen Gerichten hervor. Im 19. Jh. führt der Liberalismus wieder zum K. (-> Schwur- gericht). Aus Kostengesichtspunkten wird seit 1924 dagegen die Zuständigkeit des Einzel- richters erneut erweitert. Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954 Kollegiatkirche (Kollegiatstift) ist eine mit Pfründen für Kanoniker (Kollegiatkapitel) ausgestattete, nichtbischöfliche Kirche. Sie erscheint bereits im ausgehenden Altertum. Im 12. Jh. ist die K. voll ausgebildet. In der Neuzeit verringert sich ihre Bedeutung. Lit.: Heckel, J., Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Gampl, I., Adelige Damenstifte, 1960; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Studien zum weltlichen Kollegiatstift in Deutschland, hg. v. Crusius, I., 1995 kollektiv (gemeinschaftlich) Kollisionsrecht ist das für das Verhältnis mehrerer nationaler Rechtsordnungen zueinan- der geltende nationale Recht (z. B. -> internationales Privatrecht). Es entsteht in Oberitalien seit dem 12. Jh. Es gewinnt mit der 391 zunehmenden Internationalisierung wachsende Bedeutung. Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Behn, M., Die Entstehungs- geschichte der einseitigen Kollisionsnormen des EGBGB, 1980; Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts und des kollektiven Arbeitsrechts, 1988 Köln am Rhein geht auf eine römische Stadt (50 v. Chr. [lat.] oppidum [N.] Ubiorum, 50 n. Chr. Colonia Agrippinensium) zurück, in der seit dem Anfang des 4. Jh.s ein Bischof wirkt, der 794/795 zum Erzbischof erhoben wird (seit dem 13. Jh. Kurfürst). Zur Sicherung des Grundstücksverkehrs werden in K. bereits seit etwa 1130 in einem Schrein (Reliquienschrein) verwahrte Karten (-> Schreinskarten) erstellt. Seit 1288 ist K. weitgehend unabhängig und reichsunmittelbar. 1388/1389 erhält K. die bis 1798 bestehende, unter Besetzung Frankreichs geschlossene erste deutsche städtische Universität. Zu ihren Fächern zählt das römische Recht. 1437 werden die Statuten der Stadt in einer Zwischenstufe zwischen mittelalterlichen Stadtrechten und frühneuzeitlichen Reformationen aufgezeichnet, wobei eindeutig römischen Ursprungs nur das Inventarrecht in Art. 14 und die dem senatusconsultum Macedonianum entsprechende Regelung in Art. 75 sind. 1919 wird die Universität erneuert. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kruse, E., Die Kölner Richerzeche, ZRG GA 9 (1888), 152; Liesegang, E., Zur Verfassungsgeschichte der Stadt Köln, ZRG GA 11 (1890), 1; Kohler, J./Liesegang, E., Das römische Recht am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Tille, A., Instanzenzug des kurkölnischen Gerichts im 17. Jahrhundert, ZRG 21 (1900), 222; Heldmann, K., Der Kölngau und die civitas Köln, 1900; Wrede, A., Die Kölner Bauerbänke, 1905; Loesch, H. v., Die Kölner Zunfturkunden, 1907; Beyerle, K., Die Entstehung der Stadtgemeinde Köln, ZRG GA 31 (1910), 1; Keussen, H., Topographie der Stadt Köln im Mittelalter, 1910; Mayer-Homberg, E., Anklänge an die Lex Ribuaria im mittelalterlichen Kölner Recht, ZRG GA 33 (1912), 483; Gothein, E., Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Köln vom Untergange der Reichsfreiheit bis zur Errichtung des deutschen Reiches, 1916; Schmidt, A., Die Kölner Apotheken, 1918; Kober, A., Grundbuch des Kölner Judenviertels 1135-1425, 1920; Ratjen, F., Verfassung und Sitz der Gerichte in Köln, 1921; Koebner, R., Die Anfänge des Gemeinwesens der Stadt Köln, 1922; Quellen zur Geschichte des Kölner Handels und Verkehrs, hg. v. Kuske, B., Bd. 1ff. 1917ff.; Braubach, M., Max Franz von Österreich, letzter Kurfürst von Köln, 1925; Loesch, H. v., Das Recht des Niederichs, ZRG GA 52 (1932), 323; Aders, G., Das Testamentsrecht der Stadt Köln, 1932; Loesch, H. v., Die Grundlagen der ältesten Kölner Gemeindeverfassung, ZRG GA 53 (1933), 89; Planitz, H., Das Grundpfandrecht in den Köner Schreinskarten, ZRG GA 54 (1934), 1; Keussen, H., Die alte Universität Köln, 1934; Planitz, H., Das Kölner Recht und seine Verbreitung in der späteren Kaiserzeit, ZRG GA 35 (1955), 131; Conrad, H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln, 1935; Die Amtleute- bücher der kölnischen Sondergemeinden, hg. v. Buyken, T. u. a., 1936; Die Kölner Schreinsurkunden des 13. und 14. Jahrhunderts, hg. v. Planitz, H. u. a., 1937; Die Kölner Schreinsbücher, hg. v. Planitz, H. u. a., 1937; Festschrift zur Erinnerung an die Gründung der alten Universität Köln im Jahre 1388, 1938 (S. 109-238 Bohne, G., Die juristische Fakultät der alten Universität Köln in den beiden ersten Jahrhunderten der Kölner Juristenfakultät); Buyken, T./Conrad, H., Ein frühes Statut der Amtleutegenossenschaft, ZRG GA 58 (1938), 808; Buyken, T./Conrad, H., Das älteste Amtleutebuch der kölnischen Sondergemeinde St. Severin, ZRG GA 59 (1939), 263; Fischer, K., Die Erbleihe in Köln 1939; Jungbluth, T., Die donatio post obitum und die donatio reservato usufructu in den Kölner Schreinsurkunden, 1939; Korsch, H., Das materielle Strafrecht der Stadt Köln, 1958; Droege, G., Verfassung und Wirtschaft in Kurköln, 1957; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1965; Pötter, W., Die Ministerialität der Erzbischöfe von Köln, (um 1969); Strait, P., Cologne in the twelfth century, 1974; Köln 1475, hg. v. historischen Archiv der Stadt Köln, 1975; Herborn, W., Die politische Führungsschicht der Stadt Köln, 1977; Wensky, M., Die Stellung der Frau in der stadtkölnischen Wirtschaft, 1980; Steinwascher, G., Die Zisterzienserstadthöfe in Köln, 1981; Iustitia Coloniensis, 1981; Strauch, D., Iurisprudentia Coloniensis, JuS 1985, 421; Langen, T., Zur Geschichte der Zivilrechtspflege in Köln 1780 bis 1877, Diss. jur. Köln 1987; Deeters, J., Das Bürgerrecht der Reichsstadt Köln, ZRG GA 104 (1987), 1; Bolten, J., Hochschulstudium für kommunale und soziale Verwaltung in Köln 1912-1929, 1987; Chmurzinski, B., Die Kurkölnische Rechtsreformation von 1538, Diss. jur. 392 Köln 1988; Beschlüsse des Rates der Stadt Köln, hg. v. Groten, M., Bd. 1ff. 1988ff.; Festschrift der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität Köln, 1989; Aus der Geschichte der Universität zu Köln, hg. v. Binding, G., 1990; Bergerhausen, H., Die Stadt Köln und die Reichsversammlungen, 1990; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Rheinische Justiz, 175 Jahre Oberlandesgericht Köln, hg. v. Laum, D. u. a., 1994; Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, Bd. 2 , hg. v. Deeters, J. u. a., 1996; Groten, M., Köln im 13. Jahrhundert, 1998; Mettele, G., Bürgertum in Köln, 1998; Heppekausen, U., Die Kölner Statuten von 1437, 1999; Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, hg. v. Rosen, W. u. a., Bd. 1ff. 1999ff.; Strauch, D./Arntz, J./Schmidt-Troje, J., Der Appellhof zu Köln, 2002; Beuckers, K., Der Kölner Dom, 2004; Berchem, V., Das Oberlandesgericht Köln in der Weimerer Republik, 2004; Herbers, W., Der Verlust der Hegemonie, 2003; Daniels, H., Kulrkölnisches Landrecht, hg. v. Becker, C., 2005; Dirr, K. Hoheitsrechtliche Streitigkeiten zwischen den Kölner Erzbischöfen und der Stadt Köln auf Grundlage reichskammergerichtlicher Verfahren des 16. und 17. Jahrhunderts, 2005; Doktorgrad entzogen, hg. v. Szöllösi-Janze, M., 2005 Kolonat -> colonus Kolonie ist die Niederlassung von Angehörigen eines Volkes oder Staates in fremder Umgebung. Sie ist dem Altertum (Griechen, Römer) ebenso bekannt wie dem Mittelalter (Ostsiedlung). In der Neuzeit entstehen ausgedehnte Kolonien europäischer Staaten (England, Frankreich, Portugal, Spanien, Niederlande, Belgien, seit 1884 auch Deutsches Reich [Schutzgebiet] u. a. April 1884 Deutsch- Südwestafrika [Adolf Lüderitz, 1913 fast 15000 Weiße im Land], Togo, 1899 Westsamoa) in den neu entdeckten Erdteilen. Sie gehen im 20. Jh. weitgehend wieder verloren (für Deutschland 1918 als Folge des ersten Weltkriegs, im Übrigen meist nach verlustreichen Freiheitskämpfen der zweiten Hälfte des 20. Jh.s). Ihre rechtliche Einordnung in der Zwischenzeit ist nicht einheitlich (neues Volk, Teil des Mutterlands). Lit.: Köbler, DRG 172; Deutsches Koloniallexikon, hg. v. Schnee, H., 1920; Ansprenger, F., Auflösung der Kolonialreiche, 4. A. 1981; Kunst, A., Recht, commercie en kolonialisme in West-Indië, 1981; Walz, G., Imperialismus und Kolonialmission, hg. v. Bade, K., 1983; Gründer, H., Geschichte der deutschen Kolonien, 2. A. 1991; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Osterhammel, J., Kolonialismus, 1995; Coloniser au Moyen Age, 1995; Wolter, U./Kaller, P., Deutsches Kolonialrecht, ZNR 1995; Aas, N u. a., Koloniale Konflikte im Alltag, 2. A. 1997; Albertini, R. v., Europäische Kolonialherrschaft, 4. unv. A. 1997; Schubert, W., Das imaginäre Kolonialreich, ZRG 115 (1998), 86; Wesseling, H., Teile und herrsche, 1999; Oloukpona-Yinnon, A., Unter deutschen Palmen, 1999; Schwarz, M., Je weniger Afrika, desto besser, 1999; Huber, H., Koloniale Selbstverwaltung in Deutsch- Südwestafrika, 2000; Richter, K., Deutsches Kolonialrecht in Ostafrika, 2001; Grosse, P., Kolonialismus, 2000; Kolonialisierung des Rechts, hg. v. Voigt, R., 2001; Zimmerer, J., Deutsche Herrschaft über Afrikaner, 2001; Die deutsche Südsee 1884-1914, hg. v. Hiery, H., 2. A. 2002; Fischer, H., Die deutschen Kolonien, 2001; Kaulich, U., Die Geschichte der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika (1884- 1914), 2. A. 2003; Fichtner, A., Die völker- und staatsrechtliche Stellung der deutschen Kolonial- gesellschaften des 19. Jahrhunderts, 2002; Wagner, N., Die deutschen Schutzgebiete, 2002; Kundrus, B., Moderne Imperialisten, 2003; Hasian, M., Colonial Legacies in Postcolonial Contexts, 2002; Martone, L., Giustizia coloniale, 2002; Völkermord in Deutsch- Südwestafrika, hg. v. Zimmerer, J. u. a., 2003; Wesseling, H., The European Colonial Empires 1815- 1919, 2004 Kommanditgesellschaft ist eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist und bei der bei mindestens einem Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt (Kommanditist) sowie bei mindes- tens einem anderen Gesellschafter unbe- schränkt (Komplementär) ist. Sie entwickelt sich in der frühen Neuzeit (16. Jh.) aus der im Hochmittelalter und Spätmittelalter entstan- denen -> Handelsgesellschaft. Im 19. Jh. wird die im preußischen Entwurf des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches noch als -> stille Gesellschaft bezeichnete K. gesetzlich geregelt (Code de commerce [1807], Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch [1861]). Lit.: Köbler, DRG 167, 217; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Engler, C., 393 Die Kommandigesellschaft (KG) und die stille Gesellschaft im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1999 Kommendation ist die übergebende Anvertrauung insbesondere innerhalb des Lehnsrechtes. Lit.: Ehrenberg, V., Commendation und Huldigung nach fränkischem Recht, 1877; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Kienast, W., Die fränkische Vasallität, 1990 Kommentar ist die Erklärung oder die Erläuterungsschrift (zu einem Gesetz). Der K. findet sich bereits im Altertum. In der rechtswissenschaftlichen Literatur tritt der K. seit dem 14. Jh. hervor. Er ist auch in der Gegenwart noch sehr bedeutsam. -> Kommentator Lit.: Les Commentaires, hg. v. Mathieu-Castellani, G. u. a., 1990; Mohnhaupt, H., Die Kommentare zum BGB, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 495 Kommentator ist der Verfasser eines Kommentars. Als K. werden die führenden rechtswissenschaftlichen Schriftsteller des Spätmittelalters (z. B. -> Bartolus, -> Baldus, Dinus de Rossonis, -> Cinus de Pistoia, Al- bericus de Rosate, Alexander de Tartagnus, -> Jason de Mayno, -> Jacobus de Ravanis, -> Petrus de Bellapertica) bezeichnet. Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 107; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960), 182; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kom- mentatoren und Kanonisten, 1960; Wieacker, F., Privat- rechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Horn, N., Die juristische Literatur der Kommentatorenzeit, Ius commune 2 (1969), 84 Kommentierverbot ist das Verbot, ein Gesetz mit Erklärungen zu versehen. Es findet sich bereits bei Kaiser Justinian (527-565) in Bezug auf die Digesten. Hieran erinnern Erklärungen Friedrichs I. Barbarossa von 1182, Innozenz' III. von 1200 oder Friedrichs II. in den Konstitutionen von Melfi (1231). Tatsächliche Kommentierverbote beginnen aber erst wieder in der Neuzeit (Spanien 1567, Frankreich 1667, Sachsen 1729, Preußen 1794). Das 19. Jh. kehrt sich hiervon ab. Lit.: Maridakis, G., Justinians Verbot der Gesetzeskommentierung, ZRG RA 73 (1956), 396; Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe, 1967 Kommissar ist der Beauftragte, der im Bedarfsfall zur Verwirklichung von Aufsichtsbefugnissen eingesetzt werden kann. In der frühen Neuzeit unterscheidet Jean -> Bodin (1529/1530-1596) 1576 zwischen dem regelmäßigen Amtsträger und dem außeror- dentlichen K. Sachlich finden sich Kommissare bereits im römischen Prinzipat und in der mittelalterlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit. In der Gegenwart ist der K. ein staatlicher Beamter, der die Aufsicht des Staates über bestimmte Einrichtungen ausübt oder die zeitweise Verwaltung einer Selbstverwal- tungskörperschaft durchführt. Lit.: Hintze, O., Der Commissarius, FS K. Zeumer 1910, 493; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff. Kommission ist einerseits der Ausschuss, andererseits ein schuldrechtliches Handelsge- schäft, bei dem es eine Person (Kommissionär) übernimmt, gegen Entgelt Waren oder Wertpapiere für Rechnung einer anderen Person (Kommittenten) in eigenem Namen zu kaufen oder zu verkaufen. Nach älteren Ansätzen gewinnt die K. seit dem 11. Jh. in Südeuropa und seit dem 13. Jh. in Mitteleuropa tatsächliche Bedeutung. Seit dem Ende des 16. Jh.s ist die K. von der -> Gesellschaft sicher abgegrenzt. Gesetzliche Regelungen finden sich seit den Statuten von Genua 1588/1589, dem Codex Maximilianus Bavaricus civilis von 1756 und dem Code de commerce 1807. Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Schmidt-Rimpler, W., Geschichte des Kommis- sionsgeschäftes in Deutschland, Bd. 1 1915; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971; Landwehr, T., Das Kommissionsgeschäft, 2003 kommunal (gemeindlich) Kommunalverfassung ist die Gesamtheit der die Grundordnung der Gemeinden und Gemeindeverbände betreffenden Rechtssätze. Nach älteren Ansätzen in Altertum und Mittelalter (Stadt, Dorf) entwickelt sich eine einheitliche Vorstellung der Gemeinde erst in der Neuzeit (Württemberg 1758 Kommunord- nung). Im 19. Jh. sind mehrere Typen der K. nebeneinander vorhanden. Nach der Ma- gistratsverfassung stehen eine Versammlung von gewählten Gemeindevertretern und ein kollegiales oberstes Verwaltungsorgan (Ma- gistrat) nebeneinander. Nach der Bürger- 394 meisterverfassung ist der Bürgermeister allein entscheidender Leiter der Verwaltung und gleichzeitig Vorsitzender der Versammlung der gewählten Gemeindevertreter. Lit.: Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970; Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, 1974; Speck, U., Staatsordnung und Kommunal- verfassung, 1995 Kommune (F.) Gemeinde, im Mittelalter Stadtgemeinde in Italien (z. B. 1085 Pisa, Lucca usw., seit etwa 1300 teilweise unter Adelsherrschaft) und Frankreich, Gemeinschaft (z. B. Pariser Kommune 14. 7. 1789-1795, 18. März 1871 ­ 28. Mai 1871) Lit.: Vermeersch, A., Essai sur les origines, 1966; Haupt, H./Hauser, K., Die Pariser Kommune, 1979; L'evoluzione delle cittá italiane, hg. v. Bordone, R. u. a., 1988; Theorien kommunaler Ordnung in Europa, 1996; Jones, P., The Italian city-state, 1997; Tombs, R., The Paris Commune 1871; Coleman, E., The Italian communes, Journal of Medieval History 25 (1999), 373; Dilcher, G., Die Kommune als europäische Verfassungs- form, HZ 272 (2001), 667 Kommunikation (F.) Gedankenmitteilung Lit.: Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft, hg. v. Rösener, W., 2000; Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter, hg. v. Althoff, G., 2001; Kommunikation und Medien in Preußen, hg. v. Sösemann, B., 2002; Öffentliche Kom- munikation in Brandenburg-Preußen, hg. v. Sösemann, B., 2002; Gall, L./Schulz, A., Wissenskommunikation im 19. Jahrhundert, 2003; Medien der Kommunikation im Mittelalter, hg. v. Spieß, K., 2003; Huschner, W., Transalpine Kommunikation im Mittelalter, 2003; Kommunikation im Spätmittelalter, hg. v. Günthart, R. u. a., 2005 Kommunismus ist eine Gesellschaftsordnung, in der alle Gegenstände allen Menschen entsprechend ihren Bedürfnissen gemeinsam zustehen und alle Menschen gleichgestellt sind. Der K. entsteht nach älteren Ansätzen im Altertum (Urkommunismus) und im Mittelalter kurz vor der Mitte des 19. Jh.s als Gesellschaftstheorie. Versuche zu seiner praktischen Umsetzung finden mit geringem Erfolg im 20. Jh. statt (Sowjetunion seit 1917, von der Sowjetunion beeinflusste mittel- europäische Staaten von 1945-1990). Das Recht ist im K. theoretisch überflüssig. Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 455; Böckenförde, E., Die Rechtsauffassung im kommunistischen Staat, 2. A. 1967; Die frühsozialistischen Bünde, hg. v. Busch, O. u. a., 1975; Leonhard, W., Was ist Kommunismus?, 1978; Wesson, R., Communism and communist systems, 1978; Brünneck, V., Politische Justiz, 1978; Dowe, D., Bibliographie zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3. A. 1981; Rudzid, W., Die Erosion der Abgrenzung, 1988; Mallmann, K., Kommunisten in der Weimarer Republik, 1996; Furet, F., Das Ende der Illusion, 1996; Thompson, W., The Communist Movement, 1998; Koenen, G., Utopie der Säuberung, 1998; Maier, C., Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus, 1999 Kommunistisches Manifest ist die von Karl -> Marx und Friedrich -> Engels im Auftrag des zweiten Kongresses der Union der Kommunisten erarbeitete und im Februar 1848 in London anonym veröffentlichte Programm- schrift. Das Kommunistische Manifest versucht die Ansicht zu belegen, dass die Geschichte aller bisherigen menschlichen Gesellschaft die Geschichte von Klassenkämpfen sei. Es nennt als Ziel die Aufhebung des Eigentums des Einzelnen durch Zentralisierung der Produk- tionsmittel in den Händen der als herrschende Klasse organisierten Proletarier. Es erklärt den wissenschaftlichen Kommunismus zur einzigen richtigen Theorie. Es endet mit der Auf- forderung: Proletarier aller Länder vereinigt euch. Eine kommunistische Partei entsteht in Russland 1898 (Sozialdemokratische Arbeiter- partei Russlands), in Deutschland 1918. Lit.: Köbler, DRG 177; Winkler, A., Die Entstehung des ,,Kommunistischen Manifestes", 1936; Chambre, H., Le Manifest communiste, 1948; Karl Marx, 1968; Marx- Engels-Werke, Bd. 4 1972, 459ff.; Marx, K./Engels, F., Das Kommunistische Manifest, hg. v. Kuczynski, T., 1995; Das Manifest heute, hg. v. Hobsbaum, E. u. a., 2. A. 2000; Bolz, N., Das kommunistische Manifest, 4. A. 2003 Komotau ist die 1252 erstmals (als lat. oppidum) bei der Übergabe an den deutschen Orden erwähnte, 1335 als Stadt (lat. civitas) bezeichnete, 1411 durch König Wenzel dem Orden wieder entzogene böhmische Siedlung im deutschen Sprachgebiet am Fuße des mittleren Erzgebirges. Lit.: Weizsäcker, W., Rechtsgeschichte von Stadt und Bezirk Komotau, 1935 395 Kompetenzkompetenz ist die Zuständigkeit zur Bestimmung (bzw. Änderung) der Zuständigkeit. Sie wird 1848 bereits dem zu gründenden Deutschen Reich zugewiesen. 1873 wirkt sie sich zugunsten der Schaffung eines Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) aus. Lit.: Köbler, DRG 195 Kompetenzkonflikt ist der Streit über die Zuständigkeit einer staatlichen Stelle. Grundsätzlich ist er überall dort möglich, wo mehrere staatliche Stellen (ohne eindeutige Zu- ständigkeitsabgrenzung) nebeneinander stehen. Geschichtlich bedeutsam sind die Kom- petenzkonflikte zwischen Herrscher und Ständen, zwischen Reichskammergericht und Reichshofrat seit dem 16. Jh., zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung seit dem 18. Jh. oder zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit seit dem späten 19. Jh. Lit.: Brater, K., Studien zur Lehre von den Grenzen der civilrichterlichen und der administrativen Zuständigkeit, 1855; Hagens, J., Über Competenz-Conflikte, Arch. f. rechtswiss. Abh. 2 (1861), 315; Poppitz, J., Der Kompetenzkonflikt, 1941; Lemmer, G., Die Geschichte des preußischen Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, 1997; Fu, A., Kompetenzkonflikte im preußischen Recht, 1999 Kompilation (F.) Sammlung, Aufhäufung Kompositionensystem ist eine Bezeichnung für ein Rechtssystem, in dem die Komposition ( Buße) eine wesentliche Stellung einnimmt. Im altrömischen Recht soll, wer einem anderen ein Bein bricht, 300 Pfund Kupfer, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer entrichten. Wer einem anderen ein sonstiges Unrecht antut, soll 25 Pfund Kupfer leisten. Das ausgehende Altertum kennt die Verdoppelung oder Vervierfachung des deliktisch entzogenen Sachwertes. Das Frühmittelalter zeichnet umfangreiche Kataloge von festen Rech- nungsbeträgen (-> Wergeld, -> Buße) für unterschiedliche Verhaltensweisen (Tötung, Körperverletzung, Diebstahl) und verschiedene Stände (Adel, Freie, Freigelassene, Unfreie) auf, die nach den Angaben des Tacitus germanische Grundlagen zu haben scheinen. Das frühmittelalterliche K. wird seit dem Hochmittelalter von der peinlichen -> Strafe verdrängt, doch werden Sühneverträge erst im 17. Jh. unter der Einwirkung der Constitutio Criminalis Carolina allgemein aufgegeben. Lit.: Köbler, DRG 91, 119; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958, 221, 332; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 342, Neudruck 1964; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956, 307; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113 Kondiktion ist der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die K. geht auf die (lat. [F.]) -> condictio des römischen Rechts zurück, mit der im klassischen römischen Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat. indebitum solutum [N.]) wohl wegen der Ähnlichkeit mit dem Darlehen zurückverlangt werden kann. Über die Nichtschuld hinaus gilt dies auch für Fälle nicht eingetretener Erwartungen oder sittenwidrigen Leistungszwecks. Herauszugeben ist grundsätz- lich der erlangte bestimmte Gegenstand, vielleicht später auch ein unbestimmter Gegenstand (lat. [N.] incertum). Im spätantiken römischen Recht gewinnt die - im Westen völlig verschwindende - (lat. [F.] ) condictio aus grundloser Vorenthaltung im Osten größere Bedeutung. Sie wird mit der allgemeinen philosophisch-christlichen Überlegung gerecht- fertigt, dass niemand aus dem Nachteil eines anderen reicher werden dürfe. Darunter werden vereint die Rückforderung des irrtümlich auf eine Nichtschuld Geleisteten, des aus unsittlichem Grund oder verbotswidrigem Grund Geleisteten und des in Erwartung eines nicht eingetretenen Grundes Geleisteten. Dazu kommen verschiedene weitere Fälle. Inhalt der K. ist stets die Herausgabe des Erlangten. In der frühen Neuzeit erscheint von den Kondiktionen, welche die hochmittelalterlichen Glossatoren erstmals fest mit dem Grundsatz der Beschränkung der Herausgabepflicht auf die noch vorhandene Bereicherung zu verbinden versuchen, die K. wegen Nichtschuld bereits in Worms 1499. Von Hugo -> Grotius wird dann der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand, der aus der Sache eines anderen, der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist, herauszugeben hat, worum er reicher sei. Die vernunftrechtlichen Kodifi- kationen beschränken sich demgegenüber vor allem auf die Regelung der K. wegen Nichtschuld. Das deutsche Bürgerliche Gesetz- buch (1900) unterscheidet bei der 396 ungerechtfertigten -> Bereicherung zwischen Leistungskondiktion und Nichtleistungs- kondiktion. Lit.: Köbler, DRG 47, 166, 215, 271; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960), 182; Schartl, R., Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen Rechtsquellen des Mittelalters, TRG 60 (1992), 109; Hähnchen, S., Die causa condictionis, 2003 Kondominat ist die gemeinsame Ausübung der Hoheitsgewalt durch mehrere Hoheitsträger auf einem ihnen gehörigen Gebiet (Kondominium). Das K. ist seit dem Mittelalter nicht selten, wird aber seit 1803 beseitigt. 1864/1865 besteht ein K. Österreichs und Preußens an Schleswig- Holstein, dessen Durchführung das Ende des -> Deutschen Bundes bewirkt. Lit.: Bader, K., Beiträge zur oberrheinischen Rechts- und Verfassungsgeschichte I. Das badisch-fürstenbergische Kondominat im Prechtal, 1934; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 32 I 2 Kondominium -> Kondominat Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) ist die vom 3. 7. 1973 bis 1. 8. 1975 währende Konferenz der 35 Außenminister europäischer Staaten (sowie der Vereinigten Staaten von Amerika und Kanadas) in Helsinki. Im Schlussdokument werden zehn Leitlinien als Absichtserklärungen zusammengefasst. An die K. schließen sich mehrere Nachfolgekon- ferenzen in Belgrad, Madrid, Wien usw. an. Konfession (F.) Bekenntnis Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten und konfessionelle Besetzung, 1972; Heckel, M., Deutschland im konfessionellen Zeitalter, 1983; Probleme des Konfessionalismus in Deutschland seit 1800, hg. v. Rauscher, W., 1984; Schilling, H., Die Konfessionalisierung im Reich, HZ 246 (1988), 1; Die Bildung des frühmodernen Staates, hg. v. Timmermann, H., 1989; Die katholische Konfessionalisierung, hg. v. Reinhardt, W. u. a., 1995; Konfessionen im Konflikt, hg. v. Blaschke, O. 2001 Konfessionsschule (Bekenntnisschule) ist die auf eine bestimmte -> Konfession ausgerichtete -> Schule. Sie ist im Gegensatz zur Gemeinschaftsschule in der Gegenwart die Ausnahme. Sie ist aber zulässig. Konfinen -> Militärgrenze Konfiskation (F.) Einziehung Lit.: Iterson, W. van, Geschiedenis der confiscatie in Niederland, 1957 Konflikt Lit.: Conflict in Medieval Europe, hg. v. Brown, W. u. a., 2003 Konföderation (F.) Staatenbund Konfusion ist die Vereinigung des Schuldners und Gläubigers in einer Person. Die K. bewirkt im klassischen römischen Recht das Erlöschen einer Schuld. Lit.: Kaser §§ 28, 31, 53, 56; Köbler, DRG 43; Kieß, P., Die confusio im klassischen römischen Recht, 1995 Kongress (Zusammenkunft) ist in den Vereinigten Staaten von Amerika das aus Repräsentantenhaus und Senat bestehende -> Parlament. Koni, Anatolij Fedorovic (1844-1927) wird als Staatsanwalt, Richter und Strafrechtslehrer in Sankt Petersburg zu einem führenden liberalen Rechtspolitiker -> Russlands im ausgehenden 19. Jh. Lit.: Smoljarcuk, V., Anatolij Fedorovic Koni, 1982; Balantine, E., Anatolij Fedorovic Koni and the Russian Judiciary, Diss. Yale 1986 König (lat. [M.] rex) ist in den Anfängen Roms wie wohl auch bei vielen Germanenstämmen der durch Zugehörigkeit zu einem Geschlecht ausgezeichnete Anführer des Volkes. In Rom wird im Jahre 509 der (etruskische) König (Tarquinius Superbus) gestürzt und durch Prätor bzw. Konsuln ersetzt. Bei den Franken gelingt Chlodwig ([* um 466,] 481-511) die gewaltsame Einung unter seinem Königtum. Die wichtigste Gewalt des Königs ist dann der Königsbann. Daneben stützt sich seine Herrschaft außer auf Charisma (Königsheil) auch auf das Königsgut, auf die Grafen (-> Der König ist gemeiner Richter überall), auf das Lehnsprinzip und auf die römische Tradition. Den -> Merowingern folgen als Könige die -> Karolinger (751-911), -> Ottonen (919-1024), - > Salier (1024-1125), -> Staufer (1138-1254) und mit geringen Unterbrechungen die -> Habsburger (1273-1806). Zunehmend gebun- den wird dabei der K., der mit Beginn der Neuzeit auch ohne Mitwirkung des Papstes -> Kaiser wird, durch die -> Reichsstände. Von ihnen machen die ihn seit dem 13. Jh. wählenden -> Kurfürsten die Wahl von -> Wahlkapitulationen abhängig. Dennoch setzt 397 sich die nicht durch Erbrecht gesicherte Abfolge der Habsburger fast gänzlich durch. Seit dem späten 17. Jh. streben im Übrigen auch deutsche Landesfürsten nach einem Königstitel (Sachsen, Preußen, Hannover), der sich zu Beginn des 19. Jh.s allgemeiner durchsetzen lässt (Bayern, Württemberg). 1918 bzw. 1945 wird in vielen Staaten Europas das Königtum beseitigt. Lit.: Söllner §§ 4, 6; Dahn, F., Die Könige der Germanen, Bd. 1ff. 1861ff.; Krüger, J., Grundsätze und Anschauungen bei den Erhebungen der deutschen Könige in der Zeit von 911 bis 1056, 1911; Becker, F., Das Königtum der Thronfolger im deutschen Reich des Mittelalters, 1913; Rosenstock, E., Königshaus und Stämme in Deutschland zwischen 911 und 1250, 1914; Bloch, M., Les rois thaumaturges, 1924; Samanek, V., Studien zur Geschichte König Adolfs, 1930 (SB Wien); Bögl, O., Die Auffassung von Königtum und Staat im Zeitalter der sächsischen Könige und Kaiser, 1932; Isenburg, W., Prinz v., Die Ahnen der deutschen Kaiser, Könige und ihrer Gemahlinnen, 1932; Schramm, P., Geschichte des englischen Königtums, 1937; Tellenbach, G., Königtum und Stämme, 1939; Schramm, P., Der König von Frankreich, Bd. 1f. 1939; Naumann, H., Altdeutsches Volkskönigtum, 1940; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Das Königtum, 1954; Kantorowicz, E., The king's two bodies, 1957; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Fleckenstein, E., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1959; Kahl, H., Europäische Wortschatzbewegungen im Bereich der Verfassungsgeschichte, ZRG GA 77 (1960), 154; Baaken, G., Königtum, Burgen und Königsfreie, (in) Vorträge und Forschungen 6 (1961); Schmidt, R., Königsumritt und Huldigungen in ottonisch-salischer Zeit, (in) Vorträge und Forschungen 6 (1961); Das Königtum, 1963; Krause, H., Königtum und Rechtsordnung, ZRG GA 82 (1965), 1; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Sawyer, P./Wood, I., Early Medieval Kingship, 1977; Giese, W., Das Gegenkönigtum des Staufers Konrad 1127-1135, ZRG GA 95 (1978), 202; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige, 1979; Schubert, E., König und Reich, 1979; Hannig, J., Consensus fidelium, 1982; Reich und Kirche vor dem Investiturstreit, hg. v. Schmid, K., 1985; Das spätmittelalterliche Königtum im europäischen Vergleich, hg. v. Schneider, R., 1987; Krah, A., Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, 1987; Hlawitschka, E., Stirps regia, 1988 (Aufsätze); ¸Wolf, A., König für einen Tag, 1993; Esders, S., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997; Schneider, R., Der rex Romanorum als gubernator oder administrator imperii, ZRG GA 114 (1997), 296; Krah, A., Die Entstehung der potestas regia im Westfrankenreich, 2000; Schlick, J., König, Fürsten und Reich 1056-1159, 2001; Körntgen, L., Königsherrschaft und Gottes gnade, 2001; See, K. v., Königtum und Staat im skandinavischen Mittelalter, 2002; Schenk, G., Zeremoniell und Politik, 2003; Die deutschen Herrscher des Mittelalters, hg. v. Schneidmüller, B./Weinfurter, S., 2003; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 4 2004; MacLean, S., Kingship and Politics in the Late Ninth Century, 2004; Erkens, F., Die Herrschersakralität im Mittelalter, 2005 Königin Lit.: Kowalski, W., Die deutschen Königinnen und Kaiserinnen von Konrad III. bis zum Ende des Interregnums, 1913; Die Lebensbeschreibungen der Königin Mathilde, hg. v. Schütte, B, 1994; Schütte, B., Untersuchungen zu den Lebensbeschreibungen der Königin Mathilde, 1994; Eickhoff, E., Theophanu und der König, 1996; Fößel, A., Die Königin im mittelalterlichen Reich, 2000; Woll, C., Die Königinnen des hochmittelalterlichen Frankreich, 2002 Königreich ist das Herrschaftsgebiet eines -> Königs. Lit.: Reynolds, S., Kingdoms and Communities, 1984; Regna and Gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002 Königsbann ist der dem -> König zustehende - > Bann. Er wird im frühen Mittelalter auf 60 Schillinge bestimmt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2 Königsberg am Pregel in Preußen, 1255 eine vom Deutschen Orden nach König Ottokar II. von Böhmen benannte Burg, ist seit 1544 Sitz einer Universität (Kant) (bis 1945). Lit.: Forstreuter, K., Das preußische Staatsarchiv in Königsberg, 1955; Albinus, R., Lexikon der Stadt Königsberg, 1985; Komorowski, M., Promotionen an der Universität Königsberg 1548-1799, 1988 (nur 45 juristische Inauguraldissertationen); Neuschäffer, H., ,,Das Königsberger Gebiet", 1991; Die Albertus- Universität zu Königsberg, hg. v. Rauschning, D., 1995; Gause, K., Die Geschichte der Stadt Königsberg, Bd. 1ff. z. T. 3. A. 1996; Die Albertus-Universität zu Königsberg, hg. v. Rothe, H. u. a., 1996; Heckmann, D., Das Wortzinsverzeichnis der Stadt Königsberg-Kneiphof von um 1455, ZRG GA 114 (1997), 318; Vorlesungsverzeichnisse der Universität Königsberg, hg. 398 v. Oberhausen, M. u. a., 1998; Lawrynowicz, K., Albertina. hg. v. Rauschning, D., 1999; Königsberger Buch- und Bibliotheksgeschichte, bearb. v. Hartmann, S., 2002; Manthey, J., Königsberg, 2005; Garber, K., Das alte Königsberg, 2005 Königsbote (lat. missus [M.] dominicus) ist unter den fränkischen Königen, vor allem unter Karl dem Großen, ein Beauftragter des Königs, der Verbesserungsbedürftiges verbessern soll. Meist werden zwei Königsboten für ein Gebiet bestellt, das sie viermal jährlich bereisen. Am Beginn des 10. Jh.s verschwindet der K. Lit.: Krause, V., Geschichte des Institutes der missi dominici, MIÖG 11 (1890), 193; Eckhardt, W., Die Capitularia missorum specialia von 802, DA 12 (1956), 498; Hannig, H., Zur Funktion der karolingischen missi dominici, ZRG GA 100 (1984) Königsfreier ist der dem -> König unterworfene Freie (T. Mayer 1953). Er schuldet dem König Zins. In den Quellen lässt er sich im 6. bis. 9. Jh. (vereinzelt und wenig genau) fassen. Abzulehnen ist die Ansicht, jeder Freie im Frühmittelalter sei (K. und deshalb) eigentlich unfrei. Lit.:Köbler, DRG 78; Mayer, T., Königtum und Gemeinfreiheit im frühen Mittelalter, DA 6 (1943), 239; Müller-Mertens, E., Karl der Große, Ludwig der Fromme und die Freien, 1963; Tabacco, G., I liberi del re, 1966; Krause, H., Die liberi der lex Baiuvariorum, FS M. Spindler, 1969, 41; Hunke, H., Germanische Freiheit, Diss. jur. Göttingen 1972; Köbler, G., Die Freien im alemannischen Recht, in: Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978, 38 Königsfriede ist der mit dem -> König verbundene -> Friede im Mittelalter. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Lehmann, K., Der Königsfriede der Nordgermanen, 1886; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987 Königsgastung ist (der Anspruch auf) die Beherbergung des Königs und seiner Begleitung zu Lasten eines Verpflichteten. Im Frühmittelalter hat die K. hauptsächlich der Inhaber von Königsgut zu leisten. Ihr Umfang lässt sich daran ermessen, dass zumindest im Hochmittelalter der Zug des Königs wohl über 1000 Beteiligte umfasst. Lit.: Lehmann, K., Die Gastung der germanischen Könige, 1888; Heusinger, B., Servitium regis, 1922; Heusinger, B., Servitium regis in der deutschen Kaiserzeit, AUF 8 (1923), 26; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Göldel, C., Servitium regis, 1997 Königsgericht ist das durch den -> König ausgeübte -> Gericht, über das im Frühmittelalter nur bruchstückhafte Berichte vorliegen. Danach sind Urteiler die Vornehmen und Getreuen, die vielleicht zusammen mit dem König entscheiden. Im Hochmittelalter ist der König jedenfalls allgemeiner Richter und alles Gericht wird ihm ledig, wohin er auch kommt. Allerdings beschränkt sich tatsächlich schon im 13. Jh. die königliche Gerichtsbarkeit nur noch auf wenige Gerichte, zu denen in erster Linie das mit ihm ziehende -> Hofgericht zählt. Vielleicht im 14. Jh., in dem mehr als 7400 Nachweise für Verfahren am Königshof bekannt sind, entsteht ein königliches -> Kam- mergericht. 1495 wird das -> Reichs- kammergericht (der Reichsstände) geschaffen. Neben dieses tritt bald eine Rechtsprechung des -> Reichshofrates. (Schätzungsweise beträgt die Zahl der Quellennachweise zur Tätigkeit der zentralen Gerichte am deutschen Königshof von 911 bis 1451 rund 14500, davon 2000 bis 1272, 1750 von 1273 bis 1347, 2750 von 1347 bis 1400 und rund 8000 von 1400 bis 1451). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Barchewitz, V., Das Königsgericht zur Zeit der Merowinger und Karolinger, 1882; Franklin, O., Das Reichshofgericht im Mittelalter, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1967; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Diestelkamp, B., Bericht über das Projekt Sammlung von Quellen zur Tätigkeit der höchsten Gerichte im alten Reich, ZRG GA 94 (1977), 450; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986, 44; Urkundenregesten der Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451, Bd. 1ff. 1987ff.; Diestelkamp, B., Königsferne Regionen und Königsgerichtsbarkeit, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997 Königsgut ist das dem -> König zustehende (unbewegliche) Gut. Es besteht, weil im Mittelalter eine strenge Scheidung zwischen Allgemeingut und Privatvermögen noch nicht durchgesetzt ist, aus dem vom Vorgänger hinterlassenen Gut und dem vom neuen König zusätzlich eingebrachten Gut. Durch zahlreiche Vergabungen schwindet das K. Vielleicht (erst) im späteren 13. Jh. wird zwischen Reichsgut und Eigengut deutlicher getrennt. Lit.: Eggers, A., Der königliche Grundbesitz, 1909; Stimming, M., Das deutsche Königsgut im 11. und 12. 399 Jahrhundert, 1922; Ranzi, F., Königsgut und Königsforst, 1939; Rotthoff, G., Studien zur Geschichte des Reichsguts in Niederlothringen und Friesland, 1953; Metz, A., Das karolingische Reichsgut, 1960; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter, 1967; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Heinemeyer, K., Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, 1969; Müller-Kehlen, H., Die Ardennen im Frühmittelalter, 1973; Schlunk, A., Königsmacht und Krongut, 1988; Göldel, C., Servitium regis und Tafelgüterverzeichnis, 1997; Kupfer, E., Das Königsgut im mittelalterlichen Niederösterreich, 2000 Königsheil ist das den König umgebende Heil (Charisma). Lit.: Wolfram, H., Splendor imperii, 1963 Königshof ist im Mittelalter der den -> König begleitende -> Hof sowie der dem König gehörige landwirtschaftliche Hof. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919 Königspfalz ist der nach dem Vorbild des römischen Kaiserpalastes auf dem Palatin im fränkischen Reich vom König errichtete befestigte Aufenthaltsort (z. B. in Paris, Orléans, Reims, Worms, Trier, Köln, Mainz, Clichy, Quierzy, Compigne, Herstal, Aachen, Ingelheim, Goslar). Da der tägliche Reiseweg des Königs etwa 20-30 km beträgt, wird in vielen Teilen des Reiches ein darauf abstellendes Netz von Königspfalzen einge- richtet. Durch sie ist es dem König möglich, sein Reich im Umherziehen zu beherrschen. Mit dem Übergang zur Hausmachtpolitik nach 1273 erübrigen sich Königspfalzen weitgehend. Lit.: Die deutschen Königspfalzen, hg. v. Max-Planck- Institut für Geschichte, Bd. 1ff. 1983ff. Königsschutz ist der im Frühmittelalter aus Privilegien bekannte Schutz des Königs für einzelne Menschen oder Gruppen von Menschen (z. B. Kleriker, Kaufleute, Juden, Witwen, Waisen, Klöster). Die meisten dieser Gruppen werden im Hochmittelalter durch -> Landfrieden geschützt. Lit.: Halban-Blumenstok, A., Königsschutz und Fehde, ZRG GA 17 (1896), 63; Heidrich, J., Die Verbindung von Schutz und Immunität, ZRG GA 90 (1973), 10 Königsurkunde ist die vom mittelalterlichen - > König ausgestellte -> Urkunde im Gegensatz vor allem zur Privaturkunde. Sie kann nicht als falsch gescholten werden. Bei zwei widersprechenden Königsurkunden ist bis in das 12. Jh. die ältere gültig. Seit dem 10. Jh. finden sich vermehrt Zeugen in der K. Lit.: Köbler, DRG 81, 105; Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunden des Mittelalters, 1907, Neudruck 1970; Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Hägermann, D., Studien zum Urkundenwesen Wilhelms von Holland, 1977; Fees, I., Abbildungsverzeichnis der original überlieferten fränkischen und deutschen Königs- und Kaiserurkunden von den Merowingern bis zu Heinrich VI., 1994; Brühl, C., Studien zu den merowingischen Königsurkunden, 1998 Königswahl ist die Wahl des Königs. Sie bedeutet vielfach nur eine Auswahl innerhalb eines mit -> Königsheil begabten Geschlechtes. Anfangs sind die Wähler Große des Reiches ohne feste Abgrenzung. Im 13. Jh. sondern sich im deutschen Reich die sieben -> Kurfürsten aus. Einzelheiten des Wahlverfahrens werden immer genauer festgelegt. Im 14. Jh. setzt sich dabei das Mehrheitsprinzip durch. Lit.: Schröder, R., Zur Geschichte der deutschen Königswahl, ZRG GA 2 (1881), 200; Lindner, T., Die deutschen Königswahlen und die Entstehung des Kurfürstentums, 1893; Wretschko, A. v., Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen, ZRG GA 20 (1899), 164; Lindner, T., Der Hergang bei den deutschen Königswahlen, 1899; Mayer, E., Zu den germanischen Königswahlen, ZRG GA 23 (1902), 1; Krammer, M., Wahl und Einsetzung des deutschen Königs, 1905; Hugelmann, K., Die deutsche Königswahl im corpus iuris canonici, 1909; Stutz, U., Der Erzbischof von Mainz und die deutsche Königswahl, 1910; Bloch, H., Die staufischen Kaiserwahlen und die Entstehung des Kurfürstentums, 1911; Quellen zur Geschichte der deutschen Königswahl, hg. v. Krammer, M., 1911/2, Neudruck 1972; Buchner, M., Die deutschen Königswahlen, 1913, Neudruck 1971; Hugelmann, K., Die Wahl Konrads IV., 1914; Neumann, W., Die deutschen Königswahlen, 1921; Stutz, U., Zur Geschichte des deutschen Königswahlrechtes im Mittelalter, ZRG GA 44 (1924), 263; Stutz, U., Neue Forschungen zur Geschichte des deutschen Königswahlrechtes, ZRG GA 47 (1927), 646; Oppermann, O., Der fränkische Staatsgedanke und die Aachener Königskrönungen, 1929; Lies, R., Die Wahl Wenzels zum römischen Könige, 1931; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Lintzel, M., Zu den deutschen Königswahlen der Ottonenzeit, ZRG GA 66 (1948), 46; Schlesinger, W., Die Anfänge der deutschen Königswahl, ZRG GA 66 (1948), 381; Mitteis, H., Die Krise des deutschen 400 Königswahlrechts 1951 (SB München); Höfler, O., Germanisches Sakralkönigtum, 1952; Krause, H., Königtum und Rechtsordnung in der Zeit der sächsischen und salischen Herrscher, ZRG GA 82 (1965), 1; Die deutsche Königswahl, eingeleitet v. Schimmelpfennig, B., 1968; Königswahl und Thronfolge in ottonisch- frühdeutscher Zeit, hg. v. Hlawitschka, E., 1971; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Reinhard, U., Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975; Königswahl und Thronfolge in fränkisch-karolingischer Zeit, hg. v. Hlawitschka, E., 1975; Reinhardt, U., Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975; Hlawitschka, E., Untersuchungen zu den Thronwechseln der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts und zur Adelsgeschichte Süddeutschlands, 1987; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge im 12. Jahrhundert, 1987; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von Habsburg ( 1291) König werden?, ZRG GA 109 (1992), 48; Wolf, A., Quasi hereditatem inter filios, ZRG GA 112 (1995), 64; Wolf, A., Königswähler in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 115 (1998), 150; Weisert, H., Zur Dauer der Königswahlen bis zu den Krönungen, ZRG GA 115 (1998), 598;Lenz, M., Konsens und Dissens. Deutsche Königswahl (1273- 1349), 2002 Königszins ist ein an den -> König zu entrichtender -> Zins im Mittelalter. Er beruht auf unterschiedlichen Gründen. Erstmals erscheint er vielleicht 724. Lit.: Minnigerode, H. Frhr. v., Königszins, 1927; Gallmeister, E., Königszins und westfälisches Freigericht, Diss. phil. Tübingen 1946 masch.schr.; Sprandel, R., Grundherrlicher Adel, rechtsständische Freiheit und Königszins, DA 19 (1963), 1 Königtum -> König Lit.: Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhundert, 1993 Konkordat (1418 lat. capitula [N.Pl.] concordata) ist im katholischen Kirchenrecht ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Kirche (bzw. dem Heiligen Stuhl) und einem Staat zur Regelung einer kirchenpolitischen Angelegenheit. Als erstes K. gilt das Wormser K. vom 23. 9. 1122, das den -> Investiturstreit (vorläufig) beendet. Danach erscheinen Konkordate mit England (1213/1215), Portugal (1238) und anderen Ländern. Für das Reich ist besonders bedeutsam das bis 1803 wirksame Wiener K. vom 17. 2. 1448. Seit dem 19. Jh. versucht der Staat die Kirche seiner Aufsicht zu unterstellen (z. B. Napoleonisches K. 15. 7. 1801/8. 4. 1802). Österreich vereinbart am 18. 8. 1855 ein 1870 gekündigtes K., das Dritte Reich am 20. 7. 1933. Lit.: Köbler, DRG 205; Münch, E., Vollständige Sammlung aller älteren und neueren Konkordate, Teil 1f. 1830f.; Bernheim, E., Das Wormser K., 1906, Neudruck 1970; Bertrams, W., Der neuzeitliche Staatsgedanke und die Konkordate des ausgehenden Mittelalters, 2. A. 1950; Raab, H., Die concordata nationis Germanicae, 1956; Weber, W., Die deutschen Konkordate, Bd. 1f. 1962ff.; Hollerbach, A., Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, 1965; Weber, H., Staatskirchenverträge, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Volk, L., Das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933, 1972 Konkubinat ist die auf längere Zeit abgestellte außereheliche Geschlechtsgemeinschaft. Der K. gewinnt im klassischen römischen Recht als Folge der Eheverbote des Princeps Augustus (44 v. Chr.-14 n. Chr.) an Bedeutung. Da er christlichen Vorstellungen widerspricht, wird er von der Kirche bekämpft. Von 21 sicher nachweisbaren königlichen Konkubinen des Frümittelalters sind 6 nobilis und nur eine oder zwei sicher unfrei. 1530 wird der K. förmlich verboten. Im letzten Drittel des 20. Jh.s setzt sich die -> nichteheliche Lebensgemeinschaft durch. Lit.: Kaser §§ 58 VIII, 61 II; Hübner; Köbler, DRG 37, 58, 161; Herrmann, H., Die Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht, 1971; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993; Esmyol, A., Geliebte oder Ehefrau?. Konkubinen im frühen Mittelalter, 2002 Konkurrenz ist allgemein der Wettbewerb. Im Recht können Ansprüche oder Straftatbestände miteinander konkurrieren. Systematisch befasst sich mit dieser Frage erst die neuzeitliche (strafrechtliche) Rechtswissenschaft ([nach Carpzov 1635] Koch 1758). Sie unterscheidet Idealkonkurrenz und Realkonkurrenz bzw. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit. Lit.: Köbler, DRG 204; Koch, J., Institutiones iuris criminalis, 3. A. 1770; Rotteck, H. v., Über Concurrenz der Verbrechen, 1840; Schreuer, H., Die Behandlung der Verbrechenskonkurrenz in den Volksrechten, 1896; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972 401 Konkurs (lat. concursus [M.] creditorum, Zusammenlauf der Gläubiger) ist das Verfahren zur gleichzeitigen und gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger eines Schuldners aus dessen Vermögen. Bereits im spätantiken römischen Recht wird das Vermögen eines Schuldners in seiner Gesamtheit bei Überschuldung gegenüber mehreren Gläubi- gern in einer Gesamtvollstreckung verwertet. Im Mittelalter gilt demgegenüber zunächst der Grundsatz der Priorität der jeweiligen Einzelvollstreckung. Seit dem Ende des 13. Jh.s findet sich vielleicht unter oberitalienischem Einfluss in den Hansestädten zunächst bei Tod oder Flucht des Schuldners der Gedanke der quotenmäßigen Aufteilung des verbleibenden Vermögens auf mehrere Gläubiger. Im 17. Jh. werden die römisch-oberitalienischen Ansätze von der europäischen Rechtswissenschaft vertieft und danach in Gesetze aufgenommen (Österreich 1781, Preußen 1793, Westgalizien 1796). Der Code de commerce (Frankreich 1807) und das Fallimentgesetz (1838) beschränken den K. auf Kaufleute und stärken die Stellung der Gläubiger. Ihnen folgen Preußen (1855), das Deutsche Reich (1877/1879 bzw. 1898) und Österreich (1869 bzw. 1914). Am Ende des 20. Jh.s (1. 1. 1999) wird der Privatkonkurs zugelassen, die Vernichtung wirtschaftlicher Werte eingeschränkt und dabei das Konkursrecht in das allgemeinere Insolvenzrecht (Insolvenzordnung) überführt. Lit.: Kaser §§ 85 I, 87 III; Söllner § 8; Köbler, DRG 56, 116, 156, 183, 202; Endemann, W., Die Entwicklung des Konkursverfahrens, Z. f. dt. Civilprozess 12 (1888), 24; Kohler, J., Lehrbuch des Konkursrechts, 1891; Hellmann, F., Das Konkursrecht der Reichsstadt Augsburg, 1905; Skedl, A., Die Grundlage des österreichischen Konkursrechts, FS L. v. Bar, 1908, 5; Hellmann, F., Zur Geschichte des Konkursrechtes der Reichsstadt Ulm, 1909; Skedl, A., Die Grundlagen des österreichischen Konkursrechtes, FS Adolf Wach, 1913; Fliniaux, A., La faillite des Ammanti de Pistoie, Revue historique de droit français et étranger 4, 3 (1924), 436; Urfus, V., (Entstehung und Anfänge des Konkursrechts in Böhmen), 1960 (mit deutscher Zusammenfassung); Santarelli, U., Per la storia del fallimento, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,856; Wesener, G., Zur Entwicklung des Konkursrechtes, FS H. Baltl, 1978, 535; Zambrana Moral, P., Derecho concursal histórico I, 2001; Zambrana Moral, P., Iniciación histórica al derecho concursal, 2001; Meier, A., Die Geschichte des deutschen Konkursrechts, 2003; Hofer, S., So haben wir zu Beförderung des Credits ..., ZNR 26 (2004), 177 Konkursordnung -> Konkurs Konrad von Gelnhausen (Gelnhausen um 1320-Heidelberg 13. 4. 1390) wird nach dem Theologiestudium in Paris und dem Kirchenrechtsstudium in Bologna Professor in Paris und 1386 Mitbegründer und Kanzler der Universität Heidelberg. Lit.: Wenck, K., Konrad von Gelnhausen, HZ 76 (1896), 6 Konrad von Megenberg -> Megenberg Konradiner Lit.: Jackman, D., The Konradiner, 1990; Hlawitschka, E., Der Thronwechsel des Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149; Wolf, A., Quasi hereditatem inter filios, ZRG GA 112 (1995), 64; Jackman, D., Criticism and Critique. Sidelights on the Konradiner, 1997; Hlawitschka, E., Konradiner Genealogie, unstatthafte Verwandtenehen und spätottonische-frühsalische Thronbesetzungspraxis, 2003 Konsens ist die Willensübereinstimmung. Der K. begründet im klassischen römischen Recht den Konsensualkontrakt (Konsensualvertrag wie Kauf, Miete, Dienstvertrag, Werkvertrag, Gesellschaft und Auftrag). Seit dem frühen Mittelalter vertritt die Kirche die Ansicht, dass auch die Ehe durch K. zustande kommt. In der frühen Neuzeit werden die Voraussetzungen eines Konsenses genauer festgelegt (verbindlich, gegenseitig, wahr, vollkommen und ausdrücklich erklärt). Die Willensüber- einstimmung wird zum Kern jedes Vertrages und jeder Einigung. Lit.: Kaser § 38; Söllner §§ 9, 12, 18; Hübner; Köbler, DRG 45, 164; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in mittelalterlichen Trauungsritualen, 1910; Marongiu, A., Il principio della democrazia e del consenso, Studia Gratiana 8 1962, 551; Benöhr, H., Das sogenannte Synallagma in den Konsensualkontrakten, 1965; Huber, J., Der Ehekonsens im römischen Recht, 1977; Konsens und Konflikt, hg. v. Randelzhofer, A. u. a., 1986 Konsensualkontrakt (M.) Konsensualvertrag - > Konsens Konsensualvertrag -> Konsens Konservativismus ist eine auf das Bewahren 402 des Hergebrachten ausgerichtete menschliche Haltung, die sich daraus ergibt, dass von einem oder mehreren Menschen (liberale, soziale oder sonstige) Veränderungen angestrebt werden. Seit dem ausgehenden 18. bzw. dem 19. Jh. will der K. als Gegenbewegung zur -> französischen Revolution von 1789 Staat, Gesellschaft und Kultur in der bisherigen Weise fortführen bzw. sich zeitweise nur gegen ungestümes Vorwärtsdrängen wehren. Der entschiedenste Vertreter der vor allem von Adel, Bauern, Beamten und Kirche geteilten Auffassung ist Karl Ludwig von Haller (1768- 1854). Politisch als Partei organisiert sich der K. kurz vor 1848 (1835-45 Gerlach, Leo, Stahl). Konservative Parteien des 20. Jh.s sind etwa Zentrum, Konservative Partei, Democrazia Cristiana, Österreichische Volkspartei, Christlich-Demokratische Union, Gaullisten u. a. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 179; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 531; Schwentker, W., Konservative Vereine und Revolution in Preußen 1848/49; Die Konstitutierung des Konservativismus als Partei, 1988; Ribhegge, W., Konservative Politik in Deutschland, 1989; Dittmer, L., Beamtenkonservatismus und Modernisierung, 1992; Conservatism, hg. v. Müller, J., 1997; Schildt, A., Konservatismus in Deutschland, 1998; Konserva- tivismus, hg. v. Heidenreich, B., 1999; Stand und Probleme der Erforschung des Konservativismus, hg. v. Schrenck-Notzing, C. v., 2000; Breuer, S., Ordnungen der Ungleichheit, 2001; Nitschke, W., Adolf Heinrich v. Arnim-Boitzenburg (1803-1868), 2004 Konsiliator ist ein Gutachten verfassender Jurist des 14. und 15. Jh.s (Postglossator, Kommentator, z. B. -> Bartolus, -> Baldus). Auch nach dieser Zeit werden einzelne Juristen und juristische Fakultäten vielfach gutachter- lich tätig (-> Aktenversendung). Die Eigenart der gutachterlichen Tätigkeit besteht in der begründeten Anwendung des allgemeinen Rechtssatzes auf den besonderen Einzelfall. Die Konsilien sind teilweise in gedruckten Sammlungen veröffentlicht. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107; Lipenius, M., Bibliotheca realis iuridica, Bd. 1ff. 1757ff.; Kunkel, W., Das Wesen des ius respondendi, ZRG RA 66 (1948), 423; Pfister, A., Konsilien der Basler Juristenfakultät, 1929; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, §§ 9, 10; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts- geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2 1 1975; Horn, N., Consilia, 1970; Scholz, J., Spanische Rechtssprechungs- und Konsiliensammlungen, Ius commune 3 (1970), 98; Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur Deutschlands, 1974 Konsistorium ist in der römischen Spätantike der Rat des Kaisers, seit dem Mittelalter die Versammlung der Kardinäle, in der Neuzeit eine protestantische Kirchenbehörde (Witten- berg 1539). Seit 1918 wird das protestantische K. zum Landeskirchenamt. Lit.: Krusch, B., Die Entwicklung der herzoglich braunschweigischen Centralbehörden, Z. d. hist. Ver. f. Niedersachsen 1893, 201; Bornhak, C., Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, 1903; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Robinson, S., The Papacy, 1990 Konskription ist die listenmäßige Erfassung zwecks Heranziehung zu kriegerischen Diensten. Sie wird auf der Grundlage römischer Ansätze durch Gesetz vom 5. 9. 1798 in Frankreich aufgegriffen und danach auch in den deutschen Staaten angewendet. Dort war schon seit dem Beginn des 17. Jh.s das Söldnerheer allmählich durch die Wehrpflicht ersetzt worden (Preußen 1733, Österreich 1771). Lit.: Handbuch zur deutschen Militärgeschichte, Bd. 2f. 1964ff. Konstantin (der Große) (Naissus 27. 2. 280- Nikomedia Pfingsten 337) ist der römische Kaiser (306), der 330 in Konstantinopel (Byzanz, Istanbul) eine neue Reichshauptstadt errichtet, das Christentum anerkennt (313) und das Recht in mancherlei Einzelheiten ändert (Zeugen beim Grundstückskauf, Beurkundung der Grundstücksschenkung, Pflichtteil, Verbot der Verfallsabrede). Lit.: Söllner § 19; Konstantin der Große, hg. v. Kraft, H., 1979; Clauss, M., Konstantin der Große, 1996; Odahl, C., Constantine and the Christian Empire, 2004 Konstantinische Schenkung ist die auf -> Konstantin den Großen (306-337) gefälschte Urkunde des 8./9. Jh.s, in der Konstantin angeblich Papst Silvester I. Rom und das weströmische Reich überträgt und den Vorrang der römischen Kirche festlegt. Die Urkunde wird bereits 1001 als Fälschung angezweifelt und im 15. Jh. (Lorenzo Valla) als Fälschung erwiesen. Geschichtlich gesichert ist nur die 403 Gabe des (lat. [F.]) domus Faustae an den Bischof von Rom. Lit.: Köbler, DRG 77; Ohnsorge, W., Die konstantinische Schenkung, Leo III. und die Anfänge der kurialen römischen Kaiseridee, ZRG GA 68 (1951), 78; Fuhrmann, H., Konstantinische Schenkung und abendländisches Kaisertum, DA 22 (1966), 63; Constitutum Constantini, hg. v. Fuhrmann, H., 1968 (MGH); Maffei, D., La donazione di Constantino, 1969; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., 1988 Konstantinopel -> Konstantin Konstanz am Bodensee beruht auf einem vermutlich nach 300 eingerichteten römischen Kastell. Es wird (in der Tradition einer spätantiken Militärsiedlung) zwischen 550 und 590 Bischofsitz. 1237 heißt es Reichsstadt. 1414-1418 tagt dort das 16. allgemeine Konzil. 1966 erhält K. eine Universität. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Beyerle, K., Die Konstanzer Ratslisten, 1898; Konstanzer Häuserbuch, bearb. v. Beyerle, K./Maurer, A., 1908; Beyerle, K., Grundeigentumsverhältnisse und Bürgerrecht im mittelalterlichen Konstanz ­ Das Salmannenrecht, 1900; Isele, E., Die Säkularisation des Bistums Konstanz, 1933; Feger, O., Das älteste Urbar des Bistums Konstanz, 1943; Das rote Buch, hg. v. Feger, O., 1945; Bader, K., Eine wieder aufgefundene Quelle zum Konstanzer Stadtrecht des 14. und 15. Jahrhunderts, ZRG GA 71 (1954), 382; Kimmig, H./Rüster, P., Das Konstanzer Kaufhaus, 1954; Meisel, P., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Konstanz, 1955; Feger, O., Vom Richtebrief zum roten Buch, 1955; Rexroth, K., Die Entstehung der städtischen Kanzlei in Konstanz, 1960; Feger, O./Rüster, P., Das Konstanzer Wirtschafts- und Gewerberecht zur Zeit der Reformation, 1961; Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts von 1370 bis 1521, 1964; Horsch, F., Die Konstanzer Zünfte, 1979; Kühne, K., Das Kriminalverfahren und der Strafvollzug in der Stadt Konstanz, 1979; Bechtold, K., Zunftbürgerschaft und Patriziat, 1981; Strätz, H., 175 Jahre Hof- und Landgericht Konstanz, 1988; Baur. P., Testament und Bürgerschaft, 1989; Maurer, H., Konstanz im Mittelalter, Bd. 1f. 1989; Brandmüller, W., Das Konzil von Konstanz, 1991; Schuster, P., Der gelobte Frieden, 1995; Burkhardt, M., Konstanz im 18. Jahrhundert, 1997; Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Die Konstanzer Bischöfe vom Ende des 6. Jahrhunderts bis 1206, bearb. v. Maurer, H., 2003 Konstitution (lat. [F.] -> constitutio) ist die Festsetzung. Im römischen (und auch mittelalterlichen) Recht ist damit das (kaiserliche) Gesetz gemeint, seit dem ausgehenden 18. Jh. (Vattel, E. v. Völkerrecht 1758 Ordnung, nach der eine Nation sich vornimmt, gemeinschaftlich für die Erlangung der Vorteile arbeiten zu wollen, deretwegen die politische Gemeinschaft errichtet ist) die Verfassung (-> Polen, -> Vereinigte Staaten von Amerika). Lit.: Söllner §§ 15, 19, 22, 23; Dulckeit/Schwarz/- Waldstein § 32 I, II; Köbler, DRG 31, 52; Schletter, H., Die Konstitutionen Kurfürst Augusts von Sachsen, 1857; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988, 42; Wegelin, P., Die bayerische Konstitution von 1808, 1958; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Kleinheyer, G., Aspekte der Gleichheit, Der Staat Beiheft 4 1980, 7 Konstitutionalismus ist die politische Gestaltung, bei der das Staatsoberhaupt durch eine (formelle) Verfassung (-> Konstitution) beschränkt ist (z. B. Entwürfe am Ende des 18. Jh.s [Mainz 1792], konstitutionelle Monarchie vor allem im 19. Jh., z. B. Frankreich 1814, Nassau 1814, Baden, Bayern 1818, Württemberg 1819, Hessen-Darmstadt 1820, Belgien 1831 usw.). Lit.: Aretin, C. v./Rotteck, C. v., Staatsrecht der konstitutionellen Monarchie, Bd. 1f. 1824ff.; Pfeffer, W., Die Verfassung der Rheinbundstaaten, 1960; Rimscha, W. v., Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutio- nalismus, 1973; Kohler, M., Die Lehre vom Widerstandsrecht, 1973; Probleme des Konstitutionalismus, hg. v. Böckenförde, E., 1975; Aretin, K. Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Floßmann, U., Eigentumsbegriff und Bodenordnung, 1976; Brodersen, C., Rechnungsprüfung für das Parlament in der konstitutionellen Monarchie, 1977; Dilcher, G., Zum Verhältnis von Verfassung und Verfassungstheorie im frühen Konstitutionalismus, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 65; Press, V., Landtage im alten Reich und im Deutschen Bund, Z. f. württemberg. LG. 39 (1980), 100; Wahl, R., Rechtliche Wirkungen und Funktionen der Grundrechte, Der Staat 20 (1981), 321; Ris, G., Der kirchliche ,,Konstitutionalismus", 1988; Die Anfänge des Frühkonstitutionalismus, hg. v. Dippel, H., 1991; Peters, W., Späte Reichspublizistik und Frühkonstitutionalis- mus, 1993; Würtenberger, T., Der Konstitutionalismus des Vormärz. Der Staat, 1998, 166; Herz, D., Die wohlerwogene Republik, 1999; Kirsch, M., Monarch und 404 Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; Denken und Umsetzung des Konstitutionalismus, hg. v. Kirsch, M. u. a., 1999; Der Verfassungsstaat vor der Herausforderung der Massengesellschaft, hg. v. Kirsch, M. u. a., 2002; Schulze, C., Frühkonstitutionalismus in Deutschland, 2002; Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005 Konstitutionelle Monarchie ist die durch eine Verfassung (-> Konstitution) beschränkte -> Monarchie. Vorbild der konstitutionellen Monarchie ist seit der Glorious Revolution von 1689 -> England. In -> Frankreich werden 1814 die Rechte des Monarchen durch Regelmäßigkeit der Tagungen des Parlamentes, Budgetrecht und Ministerverantwortlichkeit eingeschränkt. Teils behält in der Folge der Herrscher alle Rechte, die er nicht ausdrücklich der Volksvertretung gibt, teils hat er nur die Rechte, die ihm ausdrücklich gewährt werden. Seit 1918 wird in Europa die k. M. durch die Republik oder durch die parlamentarische Monarchie ersetzt. Lit.: Köbler, DRG 193; Hartung, F., Die Entwicklung der konstitutionellen Monarchie in Europa, in: Hartung, F., Volk und Staat in der deutschen Geschichte, 1940, 183; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie, HZ 216 (1973), 553; Greve, F., Die Ministerverantwortlichkeit im konstitutionellen Staat, 1977; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, §§ 28, 29, 31, 32, 37 Konstitutionen von Melfi ist das von Friedrich II. im September 1231 für das Königreich Sizilien erlassene Gesetz (seit dem 19. Jh. lat. liber [M.] augustalis). Es gliedert sich in drei Bücher mit 74, 49 und 81 Konstitutionen (später insgesamt 253 bzw. 291), von denen knapp 80 Regeln auf älteren Bestimmungen (Rogers II., Wilhelms II. und Friedrichs II.) beruhen und nur etwa ein Fünftel völlig neu geschaffen wird. Inhaltlich werden besonders das Verfahrensrecht, das Staatsorganisations- recht und das Strafrecht erfasst. Lit.: Constitutiones regni Siciliae, 1475, Neudruck 1973; Die Konstitutionen Friedrichs II., hg. v. Conrad, A. u. a., 1973; Buyken, T., Die Constitutionen von Melfi und das jus Francorum, 1973; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Il Liber Augustalis, hg. v. Trompetti Budriesi, A., 1987; Martino, F., Federico II, 1988; Die Konstitutionen Friedrichs II. für das Königreich Sizilien, hg. v. Stürner, W., 1996 konstitutiv (begründend) konstruktiv (aufbauend) Konstruktives Misstrauensvotum ist eine Bestimmung der Verfassungen Württemberg- Badens (1947), Württemberg-Hohenzollerns, Nordrhein-Westfalens und des deutschen Grundgesetzes (1949), nach welcher der Bundestag einem Bundeskanzler nur dann das Misstrauen aussprechen kann, wenn er gleichzeitig mit Mehrheit einen neuen Bundeskanzler wählt. Der Gedanke des konstruktiven Misstrauensvotums wird seit 1927 erörtert (Herrfahrdt, Rothenbücher, Glum, Schmitt, Wolgast, Smend). Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Konsul (lat. [M.] -> consul) ist schon im altrömischen Recht ein Höchstmagistrat. Im Hochmittelalter werden die Ratsherren als (lat. [M.Pl.]) consules (Italien um 1100) bezeichnet. Wenig später ist K. der Vertreter eines Staates in einem anderen Staat. Lit.: Kaser §§ 61, 77; Söllner §§ 6, 11, 14, 23; Köbler, DRG 18; Gouron, A., Diffusion des consulats, in: Bibliothque de l'Ecole des Chartes 121 (1963), 226 Konsum (M.) Verbrauch Lit.: Europäische Konsumgeschichte, 1997; Konsum- politik, hg. v. Berghoff, H., 1999; Briesen, D., Warenhaus, Massenkonsum und Sozialmoral, 2001; North, M., Genuss und Glück des Lebens, 2003; Haupt, H., Konsum und Handel, 2003; North, M., Genuss und Glück des Lebens ­ Kulturkonsum im Zeitalter der Aufklärung, 2003 Konsument (M.) Verbraucher Konsumentenschutzgesetz ist ein dem Schutz des Verbrauchers dienendes Gesetz. Solche Gesetze finden sich seit dem ausgehenden 19. Jh., insbesondere seit dem letzten Drittel des 20. Jh.s. Konsumgenossenschaft ist eine nach englischem Vorbild (Anfänge seit etwa 1770, Verstetigung seit etwa 1840) seit dem späteren 19. Jh. (seit etwa 1860) zur Verbilligung des Gütererwerbes gebildete -> Genossenschaft von Verbrauchern. Im späteren 20. Jh. erweisen sich die Konsumgenossenschaften als zu unproduktiv. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Prinz, M., Brot und Dividende, 1996; Spiekermann, U., Basis der Konsumgesellschaft, 1999 Konsumtionskonkurrenz ist im römischen Recht bei Gesamtforderung und Gesamtschuld der Ausschluss einer weiteren Klage eines 405 anderen Gläubigers oder gegen einen anderen Schuldner durch die (lat.) -> litis contestatio (F.) bezüglich einer (lat. [F.]) -> actio eines Gläubigers oder gegen einen Schuldner. Lit.: Kaser § 56 II Kontinuität ist allgemein die Fortdauer, im besonderen die Fortdauer römischer Gegebenheiten im Frühmittelalter. Diese ist streitig. Deswegen muss im Einzelfall untersucht werden, ob eine frühmittelalterliche Erscheinung aus dem römisch-christlichen Bereich oder aus dem heidnisch-germanischen Bereich kommt oder in der Zeit selbst erst neu entstanden ist. Lit.: Kontinuität?, hg. v. Bausinger, H. u. a., 1969; Baumgartner, H., Kontinuität und Geschichte, 1972; La Continuit nella Storia del Diritto, hg. v. Erler, A. u. a., 1972; Kontinuität-Diskontinuität in den Geistes- wissenschaften, hg. v. Trümpy, H., 1973; Westdeutschland 1945-1955, hg. v. Herbst, L., 1986; Angenendt, A., Das Frühmittelalter, 1990 Kontokorrent ist die laufende Rechnung zwischen zwei Beteiligten. Einen Ansatz hierfür liefert bereits das in Rom bekannte Kassenbuch. Bedeutsam wird die Rechnung aber erst in Oberitalien im 13. und 14. Jh., im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) im 15. Jh. Als Vertragsverhältnis wird das K. seit dem 19. Jh. angesehen. Lit.: Endemann, W., Studien in der romanisch- kanonistischen Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff., Neudruck 1962, 455; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913, 77, 105; Prausnitz, O., Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928 Kontrahierungszwang ist die rechtliche Verpflichtung, eine Vereinbarung abzuschlie- ßen. Der K. widerspricht der Privatautonomie. Er wird in engen Grenzen im 20. Jh. anerkannt. Ältere Ansätze kennt bereits das mittelalterliche Stadtrecht. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Kontrakt (lat. [M.] -> contractus) ist der - >Vertrag. Lit.: Köbler, DRG 45 Kontrollrat -> Alliierter Kontrollrat Kontumazialverfahren ist ein bei Ladungsungehorsam (lat. [F.] contumacia) eintretendes Verfahren des klassischen römischen und neuzeitlichen Verfahrensrechts. -> Versäumnisverfahren Lit.: Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959 Konvaleszenz ist das nachträgliche Wirksamwerden eines nicht oder nicht voll wirksamen Geschäftes im römischen und gemeinen Recht. Lit.: Kaser §§ 9 I 3, 27 II 1, 59 I 3a; Schanbacher, D., Die Konvaleszenz von Pfandrechten im klassischen römischen Recht, 1987 Konventionalstrafe ist die bereits im römischen Recht als Fall der -> Stipulation mögliche Vertragsstrafe. Lit.: Kaser § 40 I 4b Konversion ist die schon dem römischen Recht bekannte Umdeutung eines unwirksamen Rechtsgeschäftes. Lit.: Kaser § 9 I 3; Krampe, C., Die Konversion des Rechtsgeschäfts, 1980 Konzentrationslager ist ein wohl dem spanischen Ausdruck campos reconcentrados nachgebildetes Wort. In campos reconcentrados (campos de concentración) hält Spanien seit 1895 im zehnjährigen Unabhängigkeitskrieg kubanische Guerrilleros und deren Angehörige gefangen. Am Ende des 19. Jh.s errichtet England im südafrikanischen Burenkrieg ,,laagers" bzw. concentration camps für die Angehörigen der Burenguerilleros. In der Sowjetunion, in der 1921 bereits rund 50 Zwangsarbeitslager bestehen, durchlaufen zwischen 1929 und 1953 etwa 18 Millonen Menschen Lager, aus denen mehr als 4,5 Milllionern Menschen nicht zurückkehren. Seit 1933/1934 entstehen durch das Deutsche Reich etwa 60 K. (z. B. Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau, Neuengamme, Sachsenhausen), in denen 1934 etwa 45000, 1935 etwa 3500 und 1938 etwa 60000 Menschen untergebracht sind (1944 in Buchenwald nur noch 8 Prozent Deutsche). Sie werden zu regierungsgestützten planmäßigen Vernichtungslagern aller missliebigen Fremdvölkischen gemacht, in die seit Oktober 1939 alle Juden, die ein staatsabträgliches Verhalten zeigen, eingewiesen und überwiegend durch Arbeit und Mord vernichtet werden (möglicherweise insgesamt mehr als 2 Millionen Opfer). Lit.: Köbler, DRG 222; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946; Broszat, M., Studien zur Geschichte der 406 Konzentrationslager, 1970; Richardi, H., Schule der Gewalt, 1983; Czech, D., Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939-1945, 1989; Tuchel, J., Konzentrationslager, 1991; Die nationalsozialistischen Konzentrationslager, hg. v. Dieckmann, C. u. a., 1998; Konzentrationslager Buchen- wald, 1998; Wenck, E., Zwischen Menschenhandel und Endlösung, 1999; Konzentrationslager Buchenwald, 1998; Wippermann, W., Konzentrationslager, 1999; Orth, K., Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager, 1999; Auschwitz 1940-1945, hg. v. Dlugoborski, W. u. a., 1999; Lotfi, G., KZ der Gestapo, 2000; Orth, K., Die Konzentrationslager-SS, 2000; Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz, hg. v. Institut für Zeitgeschichte u. a., Bd. 1ff. 2000; Wenck, A., Zwischen Menschenhandel und Endlösung, 2000; Friedler, E. u. a. Zeugen aus der Todeszone, 2002; Schwarzbuch Gulag. Die sowjetischen Konzentrationslager, hg. v. Dobrowolski, I., 2002; Strebel, B., Das KZ Ravensbrück, 2003; Applebaum, A., Der Gulag, 2003; Steinbacher, S., Auschwitz, 2004; Petit, G., Rückkehr nach Langenstein, 2004; Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, hg. v. Benz, W. u. a., Bd. 1ff. 2005ff.; ... und wir hörten auf, Mensch zu sein, hg. v. Mayer, M., 2005; Fings, K., Krieg, Gesellschaft und KZ ­ Himmlers SS- Baubrigaden, 2005; Benz, W. u. a., Der Ort des Terrors, 2005 Konzentrationsmaxime ist im neuzeitlichen Verfahrensrecht der auf Konzentration gerichtete Verfahrensgrundsatz, der den Ablauf des Verfahrens beschleunigen soll. Lit.: Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975 Konzern ist im Wirtschaftsrecht des 20. Jh.s die unter Wahrung der rechtlichen Selbständigkeit erfolgende Zusammenfassung eines herrschenden und mindestens eines abhängigen Unternehmens (Unterordnungskon- zern) oder mehrerer rechtlich selbständiger, nicht von einander abhängiger Unternehmen (Gleichordnungskonzern) unter einheitlicher Leitung. Mit der Internationalisierung der Wirtschaft tritt der große multinationale K. in den Vordergrund. Den Missbrauch soll das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (27. 7. 1957, 3. 8. 1973) eindämmen. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 250; Emmerich, V./Sonnenschein, J., Konzernrecht, 7. A. 2001; Dettling, H., Die Entstehung des Konzernrechts im Aktiengesetz von 1965, 1997 Konzentrationsmaxime ist die der Beschleunigung des Zivilprozesses durch Konzentration auf möglichst wenige Termine dienende Maxime, die bereits im gemeinen Recht sichtbar wird. Lit.: Willmann, P., Die Konzentrationsmaxime, 2004 Konzessionssystem ist das im 19. Jh. bestehende System, das für die Entstehung einer juristischen Person eine Konzession (Verleihung, Genehmigung) des Staates erfordert. Es wird durch den liberalen Grundsatz der freien Körperschaftsbildung (System der Normativbestimmungen) abgelöst (Österreich 1870). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 207, 217 Konzil (lat. [N.] concilium) (oder -> Synode) ist im katholischen Kirchenrecht das kollegiale, nicht ständige Organ zur Behandlung kirchlicher Angelegenheiten. Das K. lässt sich seit der zweiten Hälfte des 2. Jh.s n. Chr. nachweisen. Allgemeine (ökumenische) Konzile finden seit Nikäa (325), Konstantinopel (381), Ephesus (431) und Chalkedon (451) statt. Weitere wichtige Konzile sind die vier Laterankonzile von 1123, 1139, 1179 und 1215, das 16. ökumenische K. von Konstanz von 1414-1418, das 17. ökumenische K. von Basel (1431-1437), das 19. ökumenische K. von Trient (1545-1563), das erste Vatikanische K. (1869-1870) sowie das zweite Vatikanische K. von 1962-1965. Sie treffen meist richtungweisende Beschlüsse. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hefele, C. v., Conciliengeschichte, Bd. 1ff. 2. A. 1873ff.; Jedin, H., Kleine Konziliengeschichte, 8. A. 1969; Conciliorum Oecumenicorum Decreta, hg. v. Alberigo, G., 3. A. 1973; Nörr, K., Kirche und Konzil bei Nikolaus de Tudeschis, 1964; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Sieben, H., Die Konzilsidee der Alten Kirche, 1979; Sieben H., Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters, 1984; Dekrete der ökumenischen Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff.; Ballweg, J., Konziliare oder päpstliche Reform, 2000; Gresser, G., Die Synoden und Konzilien der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland, 2004; Uphus, J., Der Horos des zweiten Konzils von Nizäa (787), 2004; Limmer, J., Konzilien und Synoden im spätantiken Gallien, 2004; Sieben, H., Studien zu Gestalt und Überlieferung der Konzilien, 2005 Konziliarismus ist in der katholischen Kirche die am Ende des 14. Jh.s entstehende 407 Bewegung, die das -> Konzil zur höchsten Gewalt der Kirche zu machen versucht. Der K. kann sich nicht durchsetzen. Lit.: Kneer, A., Die Entstehung der konziliaren Theorie, Römische Quartalschrift 1893; Angermeier, H., Das Reich und der Konziliarismus, HZ 191 (1961), 529; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Brandmüller, W., Papst und Konzil im großen abendländischen Schisma, 1990 Konzilsappellation ist der wohl seit der Spätantike bekannte Versuch, gegen eine Entscheidung des Papstes -> Appellation an ein -> Konzil einzulegen. Die K. kommt, ohne durchschlagende Erfolge, während des gesamten Hochmittelalter und Spätmittelalters häufiger vor. Lit.: Becker, H., Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil, 1978 Kopenhagen gelangt 1167 als Fischersiedlung vom König von Dänemark an den Bischof von Seeland. 1254 erhält der Ort Stadtrecht. 1416 kommt er an den König zurück. 1479 wird er Sitz einer Universität. Lit.: Wiborg, A./Gralle, J., Kopenhagen, 1981; Christophersen, A., Fra Villa Hafn, 1986; Kobenhavns Universitet, hg. v. Ellehoj u. a., Bd. 1ff. 1990ff. Kopernikus Lit.: Biographia Copernicana, bearb. v. Kühne, A. u. a., 2004 Kopfsteuer ist eine verschiedentlich verwendete Art der -> Steuer, bei welcher der Mensch (Kopf) als solcher die Steuergrundlage bildet. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Baltl/Kocher Kopialbuch ist ein Sammelband von Abschriften von Urkunden. Das K. erscheint im Frühmittelalter in kirchlichen Kanzleien und im Hochmittelalter in landesherrlichen Behörden. Lit.: Köbler, DRG 105; Dülfer, K., Urkunden, Akten und Schreiben im Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957) Köppen, Johann (Treuenbrietzen 1531-Berlin 1611) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg und Frankfurt an der Oder Rechtslehrer in Frankfurt an der Oder, Kammerrat, Richter und Diplomat. Sein Entwurf eines Landrechts für die Kurmark und die Neumark (1590, gegliedert nach Personen, Contracten, Erbrecht, Strafrecht, Verfahrens- recht) scheitert. Lit.: Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von 1594, 1973 Koran (arab. [M.] Lesung) ist das in Reimprosa abgefasste heilige, die Offenbarung des Propheten -> Mohammed (um 569-632) (608-632) enthaltende Buch des -> Islams (114 Suren bzw. Kapitel). Der K. ist Grundlage des islamischen Glaubens und Rechts. Lit.: Paret, R., Der Koran, Bd. 1f. 3. A. 1983; Nagel, T., Der Koran, 3. A. 1998; Zirker, H., Der Koran, 1999, Thyen, J., Bibel und Koran, 2000 Kormcaja (Kniga) (F.) (Steuermannsbuch?) ist das vielleicht noch in das 9. Jh. zurückreichende, auf byzantinischen Grundla- gen aufbauende Rechtsbuch des slawischen Kirchenrechts (Fassung des 11. Jh.s mit 14 Titeln). Eine Fassung wird 1649/1650 bzw. 1653 in Moskau erstmals gedruckt. Lit.: Zuzek, I., Studies on the Chief Code of Russian Canon Law, 1964; Strauch, D., Schwedisches Landschaftsrecht und frühes Recht der Rus', FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997 Körperkraft ist verschiedentlich ein rechtlich bedeutsames Merkmal. Lit.: Kaser §§ 17, 82 IV 3; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fehr, H., Kraft und Recht, FS J. Hedemann, 1938, 3 Körperschaft ist eine mitgliedschaftlich verfasste, vom Wechsel der Mitglieder unabhängige Personenvereinigung. Nach älteren Ansätzen im römischen Altertum und im Mittelalter sowie in der evangelischen Staatskirchenlehre des 17. Jh.s (so Endrös) setzt sich die Figur der -> juristischen Person bzw. Körperschaft in der ersten Hälfte des 19. Jh. (so Forsthoff) durch (-> Beseler). Streitig ist die Art des Verständnisses (Fiktion oder realer Organismus). Die K. kann dem öffentlichen Recht oder dem privaten Recht angehören. Der Personenverband (K.?) wird schon in älterer Zeit durch Symbole dargestellt (z. B. Krone, Lanze, Thron, Schlüssel, Leib, Schiff, Mauer). Lit.: Kaser §§ 17 I, II, 82 IV 3; Kroeschell, DRG 3; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Schnorr von Carolsfeld, L., Geschichte der juristischen Person, 1932; Schikorski, F., Die Auseinandersetzung um den Körperschaftsbegriff, 1978; Schröder, J., Zur älteren Genossenschaftstheorie, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3) 399; Endrös, A., Entstehung und Entwicklung des Begriffs ,,Körperschaft des öffentlichen Rechts", 1985; Landau, P., 408 Gesellschaftliches Recht und das Prinzip freier Körperschaftsbildung in der Rechtsphilologie von Heinrich Ahrens, in: FS A. Erler, 1986, 157; Eichler, H., Die Verfassung der Körperschaft und Stiftung, 1986; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände, ZRG 116 (1999), 314 Körperverletzung ist der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Menschen. Die K. ist von Anbeginn der Menschheit an denkbar. Im altrömischen Recht soll, wer einem Freien ein Glied zerreißt, sich entweder mit ihm vergleichen oder (höchstens) dasselbe erleiden. Wer einem anderen (nur ?) ein Bein bricht, soll (nur ?) die feste Summe von 300 Pfund Kupfer (lat. [F.] poena) entrichten, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer. Wer einem anderen ein sonstiges Unrecht (sonstige Körperverletzung, Freiheitsentzug, Beleidi- gung) antut, soll 25 Pfund Kupfer leisten. Im klassischen römischen Recht ist Rechtsfolge der K. ein durch Schätzung zu bestimmender (unvererblicher) Geldausgleich. Bei den Germanen und im Frühmittelalter wird die K. durch -> Buße ausgeglichen. Im Hochmittel- alter erscheint sie als Straftatbestand (Lähmung, blutende Wunde, trockener Schlag). In der Constitutio Criminalis Carolina (1532) fehlt ein Straftatbestand K. In der Neuzeit wird die tätliche Beleidigung von der K. abgesondert. Zugleich wird für Schmerzen im Privatrecht Schadenersatz gewährt. Im 19. Jh. wird die K. systematisiert (schwere K., fahrlässige K.). Lit.: Söllner §§ 8, 10; Köbler, DRG 27, 48, 119, 158; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; His, R., Die Körperverletzung im Strafrecht des deutschen Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 75; Wittmann, R., Die Körperverletzung an Freien im klassischen Recht, 1972; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Korn, F., Körperverletzungsdelikte, 2003; Gröning, C., Körperverletzungsdelikte, 2004 Korporation (F.) -> Körperschaft (E. 19. Jh. auch Studentenverbindung) Korruption ist das durch materielle Vorteile (in einfachen Fällen Geld, in eleganteren Fällen geldwerte Beziehungen) bewirkte pflichtwi- drige Verhalten von Verpflichteten. K. findet sich an vielen Orten zu vielen Zeiten (z. B. Vermittlung einer Stelle als Universitäts- assistent als Entgelt für eine Schmeichelbiographie, Verbeamtung eines Betrügers auf Antrag eines Lügners als Entgelt für eine Wahl zum Institutsvorstand, Über- lassung einer Schriftenreihe einer Klinik als Entgelt für die Habilitationsvermittlung usw.). Wer sie bekämpft und sich nicht selbst korrumpieren lässt, wird von ihr mit allen Mitteln verfolgt. Lit.: Brooks, R., Corruption in American Politics, 1910; Göhring, M., Die Ämterkäuflichkeit im Ancien Régime, 1935; Klaveren, J. van, Die historische Erscheinung der Korruption, VSWG 44 (1957), 289; Gardiner, J., The Politics of Corruption, 1970; Korruption im Altertum, hg. v. Schuller, W., 1982; MacCullen, R., Corruption and the Decline of Rome, 1988; Political Corruption, hg. v. Heidenheimer, A. u. a., 1989; Bannenberg, B./Schaupensteiner, W., Korruption in Deutschland, 2004 Korsika ist eine Mittelmeerinsel, die seit 227 zur römischen Provinz Sardinien gehört. Nach Einfällen von Vandalen, Ostgoten, Oströmern, Langobarden, Sarazenen und Mauren setzt sich bis 1347 Genua durch. 1764/1768 gibt Genua K. an Frankreich. 1982 erhält das demnach im Recht nacheinander römisch, genuesisch und französisch geprägte K. in Frankreich Autonomie. Lit.: Histoire de la Corse, hg. v. Arrighi, J., 1971; Grimaldi, S., La Corse, 1988 Kosten sind die Werte, die für die Beschaffung oder Herstellung eines Gutes aufgewendet werden. Bereits im -> Kognitionsverfahren des klassischen römischen Rechts trägt der Unterliegende die K. des Verfahrens. Dieser Grundsatz ist in der Neuzeit wieder erkennbar, wobei im 18. Jh. das sog. -> Armenrecht bzw. im späteren 20. Jh. (Deutschland 1980) die -> Prozesskostenhilfe entsteht. Lit.: Köbler, DRG 34, 56, 155; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Birkl, N., Prozesskosten- und Beratungshilfe, 2. A. 1981 Kostvertrag ist im Mittelalter ein Vertrag über Verköstigung, Kleidung und Ausbildung eines Kindes. Lit.: Ebel, W., Kostverträge nach lübischen 409 Stadtbüchern, FS H. Lentze, 1969, 137 KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) -> Kommunismus Kraftfahrzeug ist das Landfahrzeug, das durch Maschinenkraft bewegt wird, ohne an Geleise gebunden zu sein. In Deutschland, wo 1902 etwa 2000 Kraftfahrzeuge (Automobile) für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen sind, wird 1909 durch das Kraftverkehrsgesetz (3. 5. 1909) die -> Gefährdungshaftung für den Halter eines Kraftfahrzeuges eingeführt. Lit.: Köbler, DRG 216, 251; Schubert, W., Das Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. 5. 1909, ZRG GA 117 (2000), 238; Gadow, O. v., Die Zähmung des Automobils, 2002 Krain ist die nahe den Karawanken gelegene Landschaft, die nacheinander von Römern, Langobarden und Slowenen besiedelt wird und im 8. Jh. an die Bayern bzw. Franken gelangt. Über verschiedene Grafengeschlechter fällt K. 1282/1335 an die Grafen von -> Habsburg. 1394 wird K. Herzogtum. Am 29. 10. 1918 kommt der größte Teil von K. mit Laibach an Jugoslawien, von dort 1991 an Slowenien. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Wolfram, H., Die Geburt Mitteleuropas, 1987 Krakau an der oberen Weichsel wird 1000 Sitz eines Bischofs und nach der Neugründung nach Magdeburger Recht (1257) 1320-1611 Hauptstadt -> Polens. 1364 wird in K. eine Universität gegründet. Das Gericht auf der Krakauer Burg (1356?) wird Oberhof für zahlreiche deutschrechtliche Städte und Dörfer (bis 1791, Urteile von 1392-1794 erhalten). Von 1795 bis 1918 ist K. zeitweise österreichisch. Lit.: Köbler, DRG 100; Patkaniowski, M., Der Krakauer Stadtrat im Mittelalter, 1934 (polnisch); Klodzinski, A., Najstarsza ksiega sadu najwyzszego prawa niemicckiego na zamku krakowskim, 1936; Antiquum registrum privilegiorum et statutorum civitatis Cracoviensis, hg. v. Estreicher, S., 1936; Bardach, J., Historia Panstwa i Prawa Polskiego, Bd. 1 1965, 474; Pauli, K., Das Problem der Kodifikation des Strafrechts in der freien Stadt Krakau nach dem Wiener Kongress, ZRG GA 87 (1970), 224; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2108,2115,2118, 3,3,3507,3509; Z przeszlosci Krakowa, 1989; Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri Cracoriensis, hg. v. Lysiak, L., Bd. 1ff. 1990ff.; £ysiak, L., Ius supremum Maydeburgense castri Cracoviensis 1356-1794, 1990; Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri Cracoviensis. Die Rechtssprüche des Oberhofs des deutschen Rechts auf der Burg zu Krakau 1456-1481, hg. v. £ysiak, L. u. a., 1995; Schüßler, M., Verbrechen in Krakau, ZRG GA 115 (1998), 339; Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005 Kramer (M.) Kleinhändler Krankenhaus ist die die bloße Aufbewahrung von Kranken im Spital durch den Versuch der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ersetzende Einrichtung. Das K. setzt sich im 19. Jh. durch. Lit.: Spree, R., Krankenhausentwicklung und Sozialpolitik, HZ 260 (1995), 75; Sauerteig, L., Krankheit, Sexualität, Gesellschaft, 1999; Kumm, R., Das Krankenhauswesen in Hameln, 1999; Leidinger, B., Krankenhaus und Kranke, 2000; Jankrift, K., Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, 2003; Stolberg, M., Homo patiens, 2003; Hübner, S., Vom allgemeinen Krankenhaus zur Gesundheitsfabrik, 2004 Krankenkasse -> Krankenversicherung Krankenversicherung ist die private oder soziale Versicherung gegen (die Auswirkungen bzw. Kosten) einer Krankheit. Die soziale K. ist Teil der Sozialversicherung. Sie entsteht nach älteren Gemeindekrankenversicherungen, Hilfs- und Unterstützungskassen (z. B. Armen- und Versorgungskasse Chemnitz 1795), Knappschaftskassen, Fabrikkrankenkassen oder Innungskrankenkassen im Deutschen Reich 17. 11. 1881/15. 6. 1883 (19. 7. 1911 Reichsver- sicherungsverordnung, 20. 12. 1988 Sozialgesetzbuch V). Träger sind die Kranken- kassen. Lit.: Koch, P., Kleine Geschichte der privaten Krankenversicherung, 1971; Ritter, G., Sozial- versicherung in Deutschland und England, 1983; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht in der Schweiz und ihre Ablösung durch Kranken- und Unfallversicherung von 1911, ZNR 8 (1986), 157; Reiter, H., Entstehungsgeschichte, Aufgaben und Organisation der Spitzenverbände der Krankenkassen, 1996 Krankheit Lit.: Frevert, U., Krankheit als politisches Problem 1770- 1880, 1984; Göckenjan, G., Kurieren und Staat machen, 1985; Barthel, C., Medizinische Polizey und medizinische Aufklärung, 1989; Stolberg, M., Homo patiens, 2003; Schäfer, D., Alter und Krankheit in der 410 frühen Neuzeit, 2004; Müller-Jahncke, F. u. a., Arzneimittelgeschichte, 2. A. 2004; Landgraf, S., Heilen außerhalb der Medizinal-Ordnung, 2004 Kranrecht (lat. ius [N.] geranii) ist im deutschen Mittelalter das Recht des Landesherrn, Auslegen, Wiegen und Messen von auf Schiffen beförderten Waren anzuordnen. Lit.: Eichhorn, F., Einleitung in das deutsche Privatrecht, 3. A. 1829, 947 Kranzgeld ist die Bezeichnung für den Schadensersatzanspruch einer unbescholtenen Verlobten, die ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet. Dass der Verführer eines Mädchens dieses heiraten und ausstatten soll, bestimmt bereits 2. Moses 22,16 und danach der -> Liber extra und das gelehrte Recht. Später tritt eine Entschädigung ein, wenn der Verführer das Mädchen nicht heiratet. Im 19. Jh. wird der Anspruch eingeschränkt, 1996 beseitigt. Lit.: Gerber, C./Cosack, K., System des Deutschen Privatrechts, 17. A. 1895 Krause, Karl Christian Friedrich Eisenberg (Thüringen) 7. 5. 1781-München 27. 9. 1832 Lit.: Wirmer-Donos, B., Die Strafrechtstheorie Karl Christian Friedrich Krauses, 2001; Forster, W., Karl Christian Krauses frühe Rechtsphilosophie und ihr geistesgeschichtlicher Hintergrund, 2000; Dierksmeier, C., Der absolute Grund des Rechts, 2003 Kredit ist die zeitweise Überlassung von eigenen Mitteln an einen anderen zur wirtschaftlichen Verwertung. Der gebräuch- lichste Weg der Gewährung von K. ist das -> Darlehen. Seit dem 19. Jh. wird das Kreditwesen ständig erweitert. Am 5. 12. 1934 wird in Deutschland das Gesetz über das Kreditwesen erlassen. -> Bank Lit.: Kredit, hg. v. North, M., 1991; Müller, C., Die Entstehung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen, 2003 Kreis ist seit der frühen Neuzeit (1500) im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) eine Gebietskörperschaft (-> Reichskreis). Seit dem 19. Jh. ist K. eine Gebietskörperschaft, die eine Mehrzahl von Gemeinden zur Erledigung öffentlicher Aufgaben in der Form der Selbstverwaltung zusammenfasst (Landkreis). Lit.: Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis, 1909; Hartung, F., Die Geschichte des fränkischen Kreises von 1521-1559, 1910, Neudruck 1973; Brusatti, A., Die Entstehung der Reichskreise während der Regierungszeit Maximilians I., 1950; Mally, A., Der österreichische Kreis, 1967; Stadler, K., Der Weg zur Selbstverwaltung der bayerischen Landkreise, 1962; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Das Land Baden-Württemberg (Amtliche Beschreibung nach Kreis und Gemeinden), Bd. 1ff. 1977ff.; Hundert Jahre Kreisordnung in Nordrhein-Westfalen, hg. v. Landkreistag Nordrhein- Westfalen, 1988; Dotzauer, W., Die deutschen Reichskreise, 1989 Kreisassoziation ist der Zusammenschluss mehrerer Reichskreise zu gemeinsamem Vorgehen. Eine K. wird 1559 erstmals verwirklicht. Mit der Frankfurter Assoziation vom 13./23. 1. 1697 erlangt die K. vorüber- gehend beachtliche Bedeutung. Lit.: Hofmann, H., Reichskreis und Kreisassoziation, Z. f. bay. LG. 25 (1962), 377; Der Kurfürst von Mainz und die Kreisassoziation 1648-1746, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1975 Kreisgericht ist das für einen -> Kreis zuständige Gericht (z. B. in Österreich oder der Deutschen Demokratischen Republik). Kreisordnung ist eine für einen oder mehrere - > Kreise geltende -> Ordnung (z. B. Preußen 13. 12. 1872, Posen 20. 12. 1828). Lit.: Hundert Jahre Kreisordnungen in Nordrhein- Westfalen, hg. v. Landkreistag Nordrhein-Westfalen, 1988; Benzig, H., Bismarcks Kampf um die Kreisordnung, 1996 Kreisverfassung ist die Verfassung eines Kreises (Reichskreis, Landkreis). Lit.: Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis und die Kreisverfassung von 1542, 1909; Schmidt, W., Geschichte des niedersächsischen Kreises, Nieders. Jb. 7 (1930), 1 Kreittmayr (Kreitmeir), Wiguläus Xaverius Aloysius (1745 Frhr. v.) (München 14. 12. 1705-27. 10. 1790), Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Salzburg, Ingolstadt, Leiden und Utrecht und einem Praktikum am Reichskammergericht 1725 Hofrat in Bayern und 1758 Kanzler. Auf ihn gehen maßgeblich der (lat. [M.]) -> Codex iuris Bavarici criminalis (1751), der -> Codex iuris Bavarici iudiciarii (1753) und der -> Codex Maximilianeus Bavaricus civilis (1756) zurück, die er auch selbst kommentiert. Außerdem verfasst er Grundrisse zum Privatrecht (1768) und Staatsrecht (1769). Lit.: Köbler, DRG 139; Kreittmayr, W., Compendium 411 iuris, 1768, Neudruck 1990; Peitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Wiguläus Xaverius Aloysius Freiherr von Kreittmayr, hg. v. Bauer, B. u. a., 1991 Kreml (M.) Wald, Burg Kremsierer Entwurf ist der vom im Juli 1848 gewählten, am 22. 7. 1848 in Wien konstituierten, am 22. 10. 1848 von Wien nach Kremsier (in Mähren [Kromeriz]) verlegten österreichischen Reichstag erarbeitete Entwurf einer Verfassung, der zwar von der Volkssouveränität ausgeht, inhaltlich aber im Wesentlichen der -> Pillersdorfschen April- verfassung (mit Gewaltenteilung, Gegen- zeichnung der Vollzugshandlung des Kaisers durch den verantwortlichen Minister, Reichstag bestehend aus Senat und Abgeordneten- kammer, Grundrechtskatalog) entspricht. Wegen Auflösung des Reichstages durch die Regierung zum 4. 3. 1849/17. 3. 1849 bleibt der K. E. bloßer Entwurf. Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher; Gottsmann, A., Der Reichstag von Kremsier, 1995 Kremsmünster Lit.: Die Anfänge des Klosters Kremsmünster, red. v. Haider, S., 1978 Kreta ist die Insel im südöstlichen Mittelmeer, die 67 v. Chr. römische Provinz wird und über Oströmer und Araber 1204/1212 an Venedig fällt. 1645-1649 erobern die Osmanen (Türken) die Insel. Die 1832 einsetzende Befreiungs- bewegung führt 1908/1913 zum Anschluss an - > Griechenland. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,5,485; Gallas, K., Kreta, 1984; Tsougarakis, D., Byzantine Crete, 1988; Link, S., Das griechische Kreta, 1994; Chaniotis, A., Das antike Kreta, 2004 Kreuz ist das Sinnbild des Leidens und der Auferstehung des Religionsstifters Jesus Christus. Es kennzeichnet daneben auch die Herrschaftsgewalt. Im Mittelalter werden vielfach Steinkreuze als Erinnerung an den Tod eines Menschen angebracht. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 1, 238f., 271f.; Paulsen, P., Axt und Kreuz bei den Nordgermanen, 1948; Dinkler, E., Das Kreuz als Tropaion, FS T. Klausen, 1964; Maisel, W., Archeologia prawna Europy, 1989 Kreuzbergurteil ist das vom preußischen Oberverwaltungsgericht 1882 gefällte Urteil, das der -> Polizei die Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege (Untersa- gung eines Bauvorhabens) dann abspricht, wenn keine besondere gesetzliche Grundlage dafür vorliegt. Damit wird die Polizei auf den Schutz von Sicherheit und Ordnung beschränkt. Der Freiheitsraum des Bürgers wird erweitert. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Kreuznach Lit.: Massmann, G, Die Verfassung der Stadt Kreuznach, Diss. jur. Bonn 1962 Kreuzprobe ist das Gottesurteil, bei dem sich zwei Menschen mit ausgebreiteten Armen aufstellen und die Behauptung dessen als erwiesen angesehen wird, der seine Arme länger waagrecht halten kann. Lit.: Köbler, G., Welchen Gottes Urteil ist das Gottesurteil des Mittelalters?, FS W. Trusen, 1994, 84 Kreuzzug ist die unter dem Zeichen des christlichen Kreuzes ausgeführte Kriegsfahrt (zur Eroberung der christlichen Gedenkstätten in Palästina zwischen 1096 und 1270). 1095 ruft Papst Urban II. in Clermont auf Bitten des von den turkmenischen Seldschuken bedrohten oströmischen Kaisers die Ritter zum K. auf. 1099 wird Jerusalem erobert. In den folgenden 6 Kreuzzügen wird nur die islamische Rückgewinnung verzögert. Dessenungeachtet belebt der K. den Handel und beeinflusst in Randbereichen auch das Recht (Ritterorden, Kreuzfahrerstaaten, Ablass, Verschollenheit, Todeserklärung). Lit.: Köbler, DRG 93; Mitteis, H., Zum Schuld- und Handelsrecht der Kreuzfahrerstaaten, Arbeiten zum Handelsrecht usw. 62 (1931), 229; Grousset, R., Histoire des croisades et du royaume franc de Jérusalem, Bd. 1ff. 2. A. 1949; Runciman, R., Geschichte der Kreuzzüge, Bd. 1ff. 1957ff., 7. A. 2001; Atiya, A., Kreuzfahrer und Kaufleute, 1964; The Atlas of the Crusades, hg. v. Riley- Smith, J., 1991; Housley, N., The Later Crusades, 1992; Mayer, H., Varia Antiochena, 1993; Hehl, E., Was ist eigentlich ein Kreuzzug?, HZ 259 (1994), 297; Buisson, L., Heerführertum und Erobererrecht auf dem ersten Kreuzzug, ZRG GA 112 (1995), 316; Richard, J., Histoire des croisades, 1996; Riley-Smith, J., The first Crusaders 1095-1131, 1997; Die Kreuzfahrerstaaten, hg. v. Mayer, H. u. a., 1997; Riley-Smith, J., Historische Geschichte der Kreuzzüge, 1999; Mayer, H., Geschichte der Kreuzzüge, 9. A. 2000; The Crusades, hg. v. Hunyadi, Z., 2001; Der Kreuzzug Friedrich Barbarossas, hg. v. Bühler, A., 2002; Jaspert, N., Die Kreuzzüge, 2002; Geldsetzer, S., Frauen auf Kreuzzügen 1096-1291, 2003; The Experience of Crusading, Bd. 1f. hg. v. Bull, M. u. a., 2003; Thorau, P., Die Kreuzzüge, 2004; Hebräische Berichte über die Judenverfolgungen 412 während des ersten Kreuzugs, hg. v. Haverkamp, E., 2005 Krieg ist die Austragung von Streitigkeiten zwischen Staaten mit Gewalt. Die Anfänge des Krieges reichen in vorgeschichtliche Zeit zurück. Seit dem Altertum stellt sich dabei die Frage nach dem -> gerechten Krieg. Angesichts der von der Menschheit allmählich erfundenen Waffen werden in der Neuzeit bestimmte Erscheinungen des Krieges als menschen- rechtswidrig angesehen. Seit dem 19. Jh. kommt es zu völkerrechtlichen Vereinbarungen über unzulässige Maßnahmen (Genfer Konvention über die Verbesserung des Loses der Verwundeten der Streitkräfte von 1864, Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges, Haager Landkriegsordnung von 1907). Durch den -> Kelloggpakt (1928) wird der K. allgemein geächtet. Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 567; Köbler, WAS; Görris, G., De denkbeelden over oorlog, 1912; Thilo, M., Das Recht der Entscheidung über Krieg und Frieden, 1938; Cram, K., Iudicium belli, 1955; Rosenau, P., Wehrverfassung und Kriegsrecht in mittelhochdeutscher Epik, Diss. jur. Bonn 1959; Pietzcker, F., Die Schlacht bei Fontenoy 841, ZRG GA 81 (1964), 318; Angermeier, H., Die Reichskriegs- verfassung in der Politik der Jahre 1679-1681, ZRG GA 82 (1965), 190; Auer, L., Der Reichskriegsdienst des Klerus unter den sächsischen Kaisern, Diss. phil. Wien 1968 (masch.schr.); Das Deutsche Reich und der zweite Weltkrieg, Bd. 1ff. 1979ff.; Gruchmann, L., Der zweite Weltkrieg, 8. A. 1985; Goldstein, E., Wars and Peace Treaties, 1992; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A. 1992; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; La guerre, hg. v. Contamine, P., Bd. 1f. 1996; Ohler, N., Krieg und Frieden im Mittelalter, 1997; Heiduk, C./Höfert, A./Ulrichs, C., Krieg und Verbrechen, 1997; Krieg ist ein Gesellschaftszustand, hg. v. Hamburger Institut für Sozialforschung, 1998; Die Wiedergeburt des Krieges, hg. v. Kunisch, J./Münkler, H., 1999; Der Krieg im Mittelalter, hg. v. Brunner, H., 1999; Tuck, R., The rights of war and peace, 1999; Krieg im Mittelalter, hg. v. Kortüm, H., 2000; Staat und Krieg, hg. v. Rösener, W., 2000; Wie Kriege entstehen, hg. v. Wegner, B., 2000; Die Wahrnehmung und Darstellung von Kriegen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, hg. v. Brunner, H., 2000; Schlachten der Weltgeschichte, hg. v. Dörster, S. u. a., 2001; Wie Kriege enden, hg. v. Wegner, B., 2. A. 2003; Dülffer, J., Im Zeichen der Gewalt, hg. v. Kröger, M. u. a., 2003; Wolfrum, E., Krieg und Frieden in der Neuzeit, 2003; Der Krieg im Bild, hg. v. Arbeitskreis historische Bildforschung, 2003; Rak, C., Krieg, Nation und Konfession, 2004; Kriegsniederlagen, hg. v. Carl, H., 2004; Luh, J., Kriegskunst in Europa, 2004; Fuchs, S., Vom Segen des Krieges, 2004 Kriegsartikel sind in der Neuzeit kriegsherrliche Gebote für die Soldaten (Schweden 1632, Brandenburg 1656, Österreich 1808). Im 19. Jh. tritt das Militärstrafgesetzbuch teilweise an die Stelle der K. Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechts, 1848; Weisl, E., Heeresstrafrecht, 1892 Kriegsbefestigung oder Streitbefestigung ist die deutsche Bezeichnung für die (lat.) -> litis contestatio (F.) des (römischen) Verfahrensrechts. Kriegsentschädigung ist die Entschädigung des Siegers eines Krieges durch den Besiegten wegen der erlittenen Schäden. Ansätze hierzu kennen Altertum und Mittelalter. Francisco de Vitoria (vor 1546) und Hugo -> Grotius (1624) erlauben die K. durch Beutemachen. Seit dem 18. Jh. enthalten Friedensverträge häufig eine Verpflichtung zu einer K. (Reparation). Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994 Kriegserklärung ist die Erklärung eines Krieges durch einen Staat gegenüber einem anderen Staat. Sie findet sich schon im Altertum und im Mittelalter, ohne als stets notwendig angesehen zu werden. 1907 wird die K. als verpflichtend festgelegt. Lit.: Steinbein, A., Die Form der Kriegserklärung, Diss. jur. Straßburg, 1917; Müller, K., Zur Reichskriegserklärung im 17. und 18. Jahrhundert, ZRG GA 90 (1973), 246; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994 Kriegsgefangener ist der in einem Krieg in die Gefangenschaft des Gegners geratene Mensch. Ursprünglich ist er Feind bzw. Beute und damit weitgehend rechtlos. Erst seit dem späteren 18. Jh. entwickeln sich Rechte des Kriegsge- fangenen (Preußen-Amerika 1785, Genf 1864). Die Haager Landkriegsordnung (29. 7. 1899) sichert dem Kriegsgefangenen rechtmäßiges Verhalten zu, was durch das Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenschaft vom 26. 7. 1929 noch entschiedener gesichert wird (abgeändert durch das Genfer Abkommen vom 12. 8. 1949). 413 Lit.: Kaser §§ 15 II, 58 VII; Knorr, W., Das Ehrenwort Kriegsgefangener, 1916; Scheidl, F., Die Kriegsgefangenen, 1943; Hinz, J., Das Kriegsgefangenenrecht, 1955; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A. 1992; In der Hand des Feindes, hg. v. Overmans, R., 1999; Hilger, A., Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion 1941-1956, 2000 Kriegsgericht ist das besondere Gericht für Soldaten, später das für Straftaten der Soldaten während eines Krieges zuständige Gericht. Zu Beginn der Neuzeit erscheint bei den Landsknechten ein besonderes Gericht des Kriegsschultheißen und zwölfer Landsknechte. Im 17. Jh. treten Juristen in dieses Truppengericht ein. In der Folge wird ein stärker verrechtlichtes K. entwickelt (z. B. Schweden 1632, Deutsches Reich, Militärstrafgerichtsordnung 1898), das jedoch zu bestimmten Zeiten (z. B. im Dritten Reich) entartet. Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechts, 1848; Dangelmaier, E., Geschichte des Militärstrafrechts, 1891; Block, J., Die Ausschaltung und Beschränkung der Militärgerichtsbarkeit, Diss. jur. Würzburg 1967; Steinkamm, E., Die Wehrstrafgerichtsbarkeit im Grundgesetz, Diss. jur. Würzburg 1972 Kriegsrecht ist einerseits die Gesamtheit der (erst zu Beginn des 20. Jh.s eindeutig festgelegten) völkerrechtlichen, im Krieg zwischen den Beteiligten geltenden Rechtssätze und andererseits die Gesamtheit der innerstaatlichen, für den Kriegszustand abgeänderten Rechtssätze. Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechtes, 1848; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994 Kriegsverbrechen ist das während eines Krieges begangene Verbrechen. Zwecks Verfolgung Deutscher verfügt Art. 227 des Versailler Friedensvertrags nach dem ersten Weltkrieg die Einsetzung eines besonderen Gerichtshofs, doch gelangt der Artikel (samt Auslieferungsbegehren gegen 890 Ange- schuldigte) nicht zur Ausführung und werden vor dem Reichsgericht in Leipzig insgesamt nur vier Angeklagte wegen K. verurteilt. Nach 1945 werden internationale Kriegsverbrecher- prozesse in Deutschland (Strafverfahren gegen 106178 Beschuldigte mit 6494 rechtskräftigen Verurteilungen und 486 Hinrichtungen) und Japan, seit 1993 (mit geringem Erfolg) Kriegsverbrecherprozesse wegen K. im jugoslawischen Bürgerkrieg und seit 1996 im ruandischen Bürgerkrieg durchgeführt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Kriegsverbrechen in Europa und im nahen Osten im 20. Jahrhundert, hg. v. Seidler, F. u. a., 2002; Hankel, G., Die Leipziger Prozesse, 2003 Kriegsverfahren ist das im Krieg anzuwendende Militärstrafverfahren. Für dieses wird 1898 im Deutschen Reich die Militärstrafgerichtsordnung geschaffen, die 1934 abgeändert und 1938 (Kriegsstraf- verfahrensordnung) erheblich vereinfacht wird. Lit.: Marck, H. v., Der Militärstrafprozess in Deutschland, Bd. 1 1893; Dombrowski, H., Kriegsstrafrecht, 6. A. 1944; Block, J., Die Ausschaltung und Beschränkung der deutschen ordentlichen Militärgerichtsbarkeit, Diss. jur. Würzburg 1967 Kriegswirtschaftsrecht ist das im Krieg geltende Wirtschaftsrecht, das z. B. die knappen Güter rationiert. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. kriminal (die Straftat betreffend, z. B. Österreich 1788 Allgemeine Kriminalgerichtsordnung, Preußen 1805 Kriminalordnung) Lit.: Bellmann, E., Die internationale kriminalistische Vereinigung (1889-1933), 1994; Gschwend, L., Nietzsche und die Kriminalwissenschaften, 1999 Kriminalistik (Verbrechenskunde) Lit.: Fallanalyse und Täterprofil, hg. v. Hoffmann, J. u. a., 2003; Becker, P., Dem Täter auf der Spur, 2005 Kriminalität ist die Begehung von Straftaten (Straffälligkeit). Sie setzt eine Bestimmung von Straftaten voraus. Seitdem ist jeder Verstoß gegen ein Straftatverbot grundsätzlich K. Die rechtstatsächliche Erfassung der soziologisch immer bedeutenderen K. ist Gegenstand der historischen Kriminologie (Verbrechenskunde). Lit.: Lipowsky, F., Geschichte des baierischen Kriminalrechtes, 1803; Quetelet, A., Sur l´homme, 1835; Bader, K., Soziologie der deutschen Nachkriegskriminalität, 1949; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens, 1962; Peitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Mechler, K., Studien zur Geschichte der Kriminalsoziologie, Kriminolog. Studien 5 (1970); Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Blasius, D., Bürgerliche Gesellschaft und Kriminalität, 1976; Blasius, D., Kriminalität und Alltag, 1978; Freiburg, A., Kriminalität in der DDR, 1981; Blasius, D., Geschichte 414 der politischen Kriminalität in Deutschland, 1988; Wehner, B., Vom Rechtsstaat ins Desaster, in: Kriminalistik 1989, 335; Verbrechen, Strafen und soziale Kontrolle, hg. v. Dülmen, R. van, 1990; Schwerhoff, G., Köln im Kreuzverhör, 1991; Jütte, R., Geschlechtsspezifische Kriminalität im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, ZRG GA 108 (1991), 86; Melchers, A., Kriminalistik im 19. Jahrhundert, 1992 (Diss.); Lange, K., Gesellschaft und Kriminalität, 1994; Roth, A., Kriminalitätsbekämpfung in deutschen Großstädten 1850-1914, 1996; Schüßler, M., Quantifizierung, ZRG GA 113 (1996), 247, ZRG GA 116 (1999), 482; Blastenbrei, P., Kriminalität in Rom 1560 ­ 1585, 1995; Frank, M., Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität, 1995; Von Huren und Rabenmüttern, hg. v. Ulbricht, O., 1995; Schüßler, M., Quantifizierung, Impressionismus und Rechtstheorie, ZRG GA 113 (1996), 246; Wagner, P., Volksgemeinschaft ohne Verbrecher, 1996; Eibach, J., Kriminalitätsgeschichte, HZ 263 (1996) 681; Kolmer, L., Gewalttätige Öffentlichkeit, ZRG GA 114 (1997), 261; Schwerhoff, G., Aktenkundig und gerichtsnotorisch, 1999; Kriminalität und abweichendes Verhalten, hg. v. Berding, H. u. a., 1999; Kriminalitätsgeschichte, hg.v. Blauert, A. u. a., 1999; Shore, H., Artful Dodgers, 1999; Oberwittler, D., Von der Strafe zur Erziehung?, 2000; Wetzell, R., Inventing the Criminal, 2000; Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Mord und andere Kleinigkeiten, hg. v. Freitag, S. u. a., 2001; Scheutz, M., Alltag und Kriminalität, 2001; Becker, M., Kriminalität, Herrschaft und Gesellschaft im Königreich Württemberg, 2001; Hohlfeld, N., Moderne Kriminalbiologie, 2002; Unrecht und Recht. Kriminalität und Gesellschaft im Wandel von 1500-2000, hg. v. Borck, H., 2002. 712 S; Unrecht und Recht. Kriminalität und Gesellschaft von 1500-2000. Gemeinsame Landesausstellung der rheinland-pfälzischen und saarländischen Archive. Ausstellungskatalog, hg. v. Borck, H., 2002; Vec, M., Die Spur des Täters, 2002; Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Kriminalität und Gesellschaft in Spätmittelalter und Neuzeit, hg. v. Matheus, M. u. a., 2003; Kertelhein, Arne, Alltag und Kriminalität, 2003; Krause, J., Kriminalgeschichte der Antike, 2004; Friedländer, H., Interessante Kriminalprozesse, 2005 (CD-ROM) Kriminalpolizei Lit.: Wagner, P., Hitlers Kriminalisten, 2002 Kriminologie (F.) Verbrechenskunde Lit.: Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951; Rode, C., Kriminologie in der DDR, 1996; Wetzell, R., Inventing the Criminal, 2000; Becker, P., Verderbnis und Entartung. Eine Geschichte der Kriminologie des 19. Jahrhunderts, 2002; Müller, C., Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat, 2004; Galassi, S., Kriminologie im deutschen Kaiserreich, 2004; Greve, Y., Verbrechen und Krankheit, 2004 Kristallnacht -> Reichskristallnacht Kroatien ist die Landschaft zwischen Donau, Drau und Adria, die seit dem 7. Jh. von Südslawen besiedelt wird. 1102 kommt das 845 selbständige K. in Personalunion an Ungarn und damit 1526 an -> Österreich. 1849 wird K. dort Kronland, das 1867 Ungarn zugeteilt wird. 1918 wird K. Teil -> Jugoslawiens, von dem es sich 1991 löst. Lit.: Gazi, S., A history of Croatia, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 4,5,331; Sanjek, F., Crkva i krscanstvo u Hrvata, 1988; Gavella, N., Die Rolle des ABGB in der Rechtsordnung Kroatiens, ZEuP 1994, 603; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Steindorff, L., Kroatien, 2001; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Weber, J., Kroatien, 2002 Krone ist ein aus Metall gefertigter Stirnreif, der als Sinnbild der Würde und Macht eines Fürsten verwendet wird. Die K. findet sich früh in vorderasiatischen Königreichen. In Rom ist vielleicht der Lorbeerkranz der Ausgangspunkt. Die deutsche Königskrone vom ausgehenden Frühmittelalter wird bis 1796 als Teil der Reichskleinodien in Nürnberg verwahrt, von wo aus sie vor den Wirkungen der französischen Revolution nach Wien verbracht wird. Lit.: Hadwich, R., Die rechtssymbolische Bedeutung von Hut und Krone, 1952; Machetanz, G., Deutsche Königskrone und römische Kaiserkrone, Diss. jur. Göttingen 1954; Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, Bd. 2 1955; Biehn, H., Die Kronen Europas, 1957; Corona regni, hg. v. Hellmann, M., 1961; Staats, R., Theologie der Reichskrone, 1976; Staats, R., Die Reichskrone, 1991; Schulze-Dörrlamm, M., Die Kaiserkrone Konrads II. (1024-1039), 1991; Wolf, G., Die Wiener Reichskrone, 1995 Krone der rechten Wahrheit Lit.: Carstens, W., Zur Entstehungsgeschichte der nordfriesischen Siebenhardenbeliebung, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 65, 368 Krongut -> Königsgut Kronkardinal ist der seit dem Hochmittelalter 415 auf Vorschlag eines weltlichen Herrschers vom Papst ernannte Kardinal. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Kronland ist in Österreich zwischen 1849 und 1860 das Erzherzogtum Österreich, das Herzogtum Salzburg, das Herzogtum Steiermark, das Königreich Illyrien (Kärnten, Krain, Görz, Gradiska, Istrien, Triest), die Grafschaft Tirol (mit Vorarlberg), das Königreich Böhmen, die Markgrafschaft Mähren, das Herzogtum Schlesien, das Königreich Galizien und Lodomerien (Auschwitz, Zator, Kakau), das Herzogtum Bukowina, das Königreich Dalmatien, das Königreich Kroatien, das Königreich Slawo- nien, das Königreich Ungarn, das Großfürstentum Siebenbürgen, die Gesamtheit der Militärgrenzbezirke und das lombardisch- venetische Königreich. Lit.: Huber, H./Dopsch, A., Österreichische Reichsgeschichte, 2. A. 1901, Neudruck 1968 Kronprinz ist der als Thronfolger in Aussicht genommene Prinz. Kronprinzenprozess ist der 1730 gegen den Kronprinzen Friedrich (II.) von Preußen wegen eines Fluchtversuches geführte, wegen Unzuständigkeitserklärung des Gerichtes ohne Strafausspruch gebliebene Prozess. Lit.: Henrichs, C., Der Kronprinzenprozess, 1936 Krönung ist das Aufsetzen der -> Krone zum Zeichen eines Herrschaftsantrittes. Die K. beginnt im fränkischen Reich vielleicht mit Pippin II. (751?). Lit.: Werminghoff, A., Ein Tractatus de coronatione, ZRG GA 24 (1903), 380; Schreuer, H., Über altfranzösische Krönungsordnungen, ZRG GA 30 (1909), 142; Buchner, M., Zur Datierung und Charakteristik altfranzösischer Krönungsordnungen, ZRG GA 31 (1910), 360; Schreuer, H., Noch einmal über altfranzösische Krönungsordnungen, ZRG GA 32 (19119, 1; Schreuer, H., Die rechtlichen Grundgedanken der französischen Königskrönung, 1911; Buchner, M., Nochmals die Krönungsordnung Ludwigs VII. von Frankreich, ZRG GA 33 (1912), 328; Schiffers, H., Die deutsche Königskrönung, 1936; Bouman, C., Sacring and crowning, 1957; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Coronations, hg. v. Bak, J., 1990; Cavina, M., Imperator Romanorum triplici corona coronatur, 1991;Ordines coronationis Francia, hg. v. Jackson, R., Bd. 1f. 1995ff.; Bronisch, A., Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich, ZRG 116 (1999), 37; Krönungen, hg. v. Kramp, M., 2000; Investitur- und Krönungsrituale, hg. v. Steinicke, M. u. a., 2004; Zey, C., Imperatrix, si venerit Romam, DA 60 (2004), 1 Kronvasall ist der mit -> Königsgut vom -> König belehnte -> Lehnsmann. Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972 Kronzeuge ist im angloamerikanischen Recht ein Zeuge der (die Krone vertretenden) Anklage, der an der Tat beteiligt war, aber für seine Aussage Strafmilderung oder Straffreiheit erhält. Am Ende des 20. Jh.s wird der K. bedingt auch in Deutschland (kurzfristig bis 1999 und tatsächlich selten von Bedeutung) und Österreich in das Strafverfahrensrecht aufgenommen. Lit.: Röhrkasten, J., Die englischen Kronzeugen, 1990; Mühlhoff, U./Mehrens, S., Das Kronzeugengesetz, 1999 Krummstab ist der bereits bei Isidor von Sevilla (vor 639) bezeugte (oben gekrümmte) Stab des Bischofs. Lit.: Lind, K., Über den Krummstab, 1863; Bauerreiß, R., Abtsstab und Bischofsstab, Stud. u. Mitt. z. G. d. Benediktinerordens 68 (1957), 215 KSZE -> Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Kues -> Nikolaus von Kues k. u. k. (kaiserlich und königlich, Österreich 1867, pragmatische Angelegenheiten) -> k. k. Kulm (Culm) ist der Mittelpunkt eines Bistums und Landes in Preußen (1366 Universität). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen, 1891; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Kulmer Oberhofes, ZRG GA 34 (1913), 1; 750 Jahre Kulm und Marienwerder, hg. v. Jähnig, B. u. a., 1983 Kulm (der alte K.) ist das in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s in Kulm aus einer um wenige Zusätze vermehrten Form des Breslauer Stadtrechts (Magdeburg-Breslauer systema- tisches Schöffenrecht) durch Auslassungen, Artikelversetzungen und Hinzufügung von Magdeburger Schöffenurteilen für Kulm und von Stücken aus dem Schwabenspiegel gewonnene, in fünf Bücher geteilte Rechtsbuch. -> Kulmer Handfeste, Landläufige kulmische Rechte Lit.: Laband, P., Das Magdeburg-Breslauer Systematische Schöffenrecht, 1863; Lohmeyer, Über eine neue Handschrift des alten Kulm, ZRG GA 3 416 (1882), 197; Kisch, G., Die Kulmer Handfeste, 1978; Ebel, F., Kulmer Recht, in: 750 Jahre Kulm, hg. v. Jähnig, B. u. a., 1983, 9; Sondel, J., Studia nad prawem rzyskim w ius Culmense, 1984; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 50; Ebert, I., 600 Jahre alter Kulm, in: Ostdeutsche Gedenktage 1994, 1993, 241; Janicka, D., Prawo karne w trzech rewizjach prawa chelminskiego z 16 wieku, 1992; Rymaszewski, Z., Nieznany spis prawa che³miñskiego z prze³omu XIV- XV wieku (Das bisher unbekannte kulmische Rechtsbuch aus der Wende des 14. zum 15. Jahrhundert, 1993 Kulmer Handfeste ist die am 28. 12. 1233 (?) vom Hochmeister des Deutschen Ordens und vom Landmeister Preußens den Städten Kulm (1232) und Thorn (1231) verliehene Urkunde, welche die Grundlage der Rechtsentwicklung im Einflussgebiet des Deutschen Ordens wird. Sie umfasst 24 Artikel. Sie betreffen die Rechtsverhältnisse der Ansiedler. Ihr folgen jüngere Gerichtsbücher. Lit.: Kretzschmer, J., Die Culmische Handfeste, 1892; Kisch, G., Studien zur Kulmer Handfeste, ZRG GA 50 (1930), 180; Kisch, G., Die Kulmer Handfeste, 1931; Willoweit, D., Die Kulmer Handfeste, Beitr. z. G. Westpreußens 9 (1985), 5; Das Kulmer Gerichtsbuch 1330-1430, hg. v. Lückerath, C./Benninghoven, F., 1999 Kulpakompensation ist im neuzeitlichen gemeinen Recht die Berücksichtigung des Mitverschuldens im Wege einer Aufrechnung, die zum Verlust des Ersatzanspruchs führt. Lit.: Köbler, DRG 214 Kultur (F.) Bearbeitung, Ausbildung, Daseinsgestaltung Lit.: Das Fest, hg. v. Schultz, U., 1988; Kultur und Staat in der Provinz, hg. v. Brakensiek, S. u. a., 1992; Kulturgeschichte heute, hg. v. Hardtwig, W. u. a., 1996; Wehler, H., Die Herausforderung der Kulturgeschichte, 1998; Kittler, F., Eine Kulturgeschichte der Kulturwissenschaft, 1999; Kulturwissenschaft, hg. v. Appelsmeyer, H. u. a., 2001; Gassert, M., Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute, 2001; Hartmann, P., Kulturgeschichte des Heiligen Römischen Reiches 1648 bis 1806, 2001; Müller, R., Die Entdeckung der Kultur, 2003; Handbuch der Kulturwissenschaften, hg. v. Jaeger, F. u. a., 2004; Landwehr, A./Stockhorst, S., Einführung in die europäische Kulturgeschichte, 2004; Übergänge und Verflechtungen, hg. v. Kokorz, G. u. a., 2004 Kulturkampf ist der politische Kampf zwischen dem liberalen -> Staat und der katholischen -> Kirche (Papst Pius IX. 1846- 1878) um die Säkularisierung von Staat und Gesellschaft (Badener Artikel 1834, Aargauer Klostersturm 1841, Baden 9. 10. 1860, Bayern 1868 Abschaffung der geistlichen Schulaufsicht, Österreich 1870 Kündigung des Konkordats, Deutsches Reich 10. 12. 1871 Kanzelparagraph, 4. 7. 1872 Ausweisung der Jesuiten, Preußen 11. 3. 1872 Gesetz über die staatliche Schulaufsicht). 1873 erlegen die vier sog. Maigesetze der Kirche staatliche Kontrolle auf. Am 6. 2. 1875 wird die obligatorische Zivilehe eingeführt. Unter Papst Leo XIII. kommt es seit 1880 zu einer Beruhigung und schließlich zu einem beiderseits annehmbaren Ausgleich. Lit.: Köbler, DRG 172, 209; Baltl/Kocher; Heckel, J., Die Beilegung des Kulturkampfes in Preußen, ZRG KA 19 (1930), 215; Bornkamm, H., Die Staatsidee im Kulturkampf, 1950; Schmidt-Volkmar, E., Der Kulturkampf in Deutschland 1871-1890, 1962; Becker, J., Liberaler Staat und Kirche in der Ära von Reichsgründung und Kulturkampf, 1975; Der Kulturkampf in Italien und in den deutschsprachigen Ländern, hg. v. Lill, R. u. a., 1993; Der Kulturkampf, hg. v. Lill, R., 1997; Ross, R., The Failure of Bismarck's Kulturkampf, 1998; Ruppert, S., Kirchenrecht und Kulturkampf, 2002 Kummer ist im Mittelalter die Bezeichnung für -> Arrest. Der K. entwickelt sich vielleicht im Frühmittelalter aus dem Verfahren bei handhafter Tat. Der Gläubige kann den flüchtigen, später auch schon den nur flucht- verdächtigen Schuldner festnehmen bzw. seine Vermögensstücke beschlagnahmen, um da- durch die Rechtsverweigerung zu verfolgen, später auch um die Erfüllung der Ansprüche zu sichern. Durch die spätmittelalterliche Wis- senschaft wird die rechtliche Behandlung des Kummers unter italienischem Einfluss verfei- nert. Lit.: Köbler, DRG 116; Wach, A., Der Arrestprozess, 1868, Neudruck 1973; Planitz, H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922 Kündigung ist die einseitige, auf die Beendigung eines Schuldverhältnisses (Dauerschuldverhältnisses) gerichtete Willens- erklärung. Dem römischen Recht scheint sie nicht eigen zu sein. Vielleicht ist sie beim Darlehen entstanden. Ihre Verallgemeinerung erfolgt erst in der Neuzeit. Lit.: Kaser §§ 42 II 5, 43 I 4, 44 I 3; Immerwahr, W., Die 417 Kündigung, 1898; Molitor, E., Zur Entwicklung des Kündigungsrechts, FS E. Heymann, 1931, 349 Kündigungsschutz ist der gesetzliche Schutz gegen die -> Kündigung. Der K. gehört dem 20. Jh. an, in em die schrankenlose Freiheit aus sozialen Gründen eingeengt wird. Er findet sich hauptsächlich im Mietrecht und im Arbeitsrecht. Im Arbeitsrecht schreibt das deutsche Kündigungsschutzgesetz vom 10. 8. 1951 für die Kündigung eine soziale Rechtfertigung vor. Lit.: Köbler, DRG 273; Kroeschell, 20. Jh.; Welslau, A., Befristete Arbeitsverhältnisse und Kündigungsschutz, Diss. jur. Bielefeld, 1998; Kaiser, C., Kündigungsschutz ohne Prinzip, 2005 Kunkelmage ist im mittelalterlichen deutschen Recht die weibliche Verwandte. Lit.: Hübner Künßberg, Eberhard Frhr. v. (Porohy 28. 2. 1881-Heidelberg 3. 5. 1941), Forstmeisterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Mitarbeiter des Deutschen Rechtswörterbuches (1911) und 1929 Honorarprofessor. Lit.: Künßberg, E., Frhr. v., Der Wortschatz des österreichischen ABGB, 1930; Künßberg, E., Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936, Nachruf ZRG GA 62 (1942), XLIII (Fehr, Hans) Kunst Lit.: Fehr, H., Kunst und Recht, Bd. 1ff. 1923ff.; Wohlhaupter, E., Dichterjuristen, Bd. 1ff. 1953ff.; Becker, E., Das Recht im ,,Parzival", Diss. jur. Bonn 1956; Combridge, R., Das Recht im Tristan Gottfrieds von Straßburg, 1959; Müller, J., Die Rechts- und Staatsauffassung Heinrichs von Kleist, 1962; Pensel, F., Rechtsgeschichtliches und Rechtssprachliches im epischen Werk Hartmanns von Aue und im Tristan Gottfrieds von Straßburg, Diss. phil. Berlin (HU) 1961; Mittler, E., Das Recht in Heinrich Wittenwilers ,,Ring", 1967; Langer, A., Zu den Quellen des Rechtsdenkens bei Adalbert Stifter, 1968; Hoffmann, E. T. A., Juristische Arbeitn, hg. v. Schnapp, F., 1973; Becker, K., Amors Urteilssprüche, 1991; Canisius-Loppnow, P., Recht und Religion im Rolandslied des Pfaffen Konrad, 1992; Just, R., Recht und Gnade in Heinrich von Kleists Schauspiel Prinz Friedrich von Homburg, 1993; Sellert, W., Recht und Gerechtigkeit in der Kunst, 1993; Wambach, L., Die Dichterjuristen des Expressionismus, 2002; Geschichte der deutschen Kunst, hg. v. Klotz, H. u. a., Bd. 1ff. Sonderausgabe 2003 Kunstfälscher ist der Fälscher eines Kunstwerks. Seit dem 15. Jh. und insbesondere seit dem ausgehenden 18. Jh. wird er verstärkt bekämpft. Lit.: Würtenberger, T., Das Kunstfälschertum, 1940, Neudruck 1970 Kuppelei ist die seit dem Hochmittelalter in Deutschland bis 1973 allgemein, seitdem nur noch in wenigen Formen verfolgte Förderung sexueller Handlungen zwischen anderen. Lit.: Kroeschell, DRG 2 Kur (F.) Wahl, -> Kurfürst Kurator (zu lat. [M.] -> curator) ist seit dem 18. Jh. der staatliche Aufsichtsbeamte über die Universität. Lit.: Bornhak, C., Geschichte der preußischen Universitätsverwaltung bis 1810, 1900; Schäfer, K., Verfassungsgeschichte der Universität Bonn, 1968 Kurbayern -> Bayern, Kurfürstentum Kurbrandenburg -> Brandenburg, Kurfürs- tentum Kurfürst ist (im Heiligen Römischen Reich [deutscher Nation]) seit dem 13. Jh. (-> Sachsenspiegel) der den -> König wählende Fürst. An sich wird der König vom Volk gewählt. Für dieses handeln allgemein die Großen (Herzöge, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Grafen). Wie sich aus ihnen die Kurfürsten entwickelt haben, ist ungewiss (ottonische Tochterstämme?, unterschiedliche Einzelur- sachen?). Jedenfalls nennt bereits der -> Sachsenspiegel (1221-1224) die Erzbischöfe von Mainz, Köln (bis 1803) und Trier (bis 1803), den Pfalzgrafen bei Rhein (Stammespfalzgrafen von Lothringen), den Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg sowie den König von Böhmen als Königswähler. 1356 festigt die -> Goldene Bulle die Stellung der Kurfürsten. Sie bilden gemeinsam einen Reichsstand (Kurfürsten- kollegium, Kurfürstenrat, der als Führungselite um einen Anteil an der Herrschaft im Heiligen Römischen Reich ringt). Ihre Zahl steigt schließlich auf 10 (Bayern 1648, Hannover 1692, 1803 Hessen-Kassel, Baden, Würt- temberg, Salzburg), doch verringert sich ihre Bedeutung durch die Religionskriege, das Fehlen fester Verfahrensweisen und die Verlagerung der Interessen vom Reich auf die angehörigen Länder. 1806 endet mit dem Untergang des Reiches ihre Stellung. Lit.: Köbler, DRG 109, 110, 147, 148; Bloch, H., Die 418 staufischen Kaiserwahlen und die Entstehung des Kurfürstentums, 1911; Buchner, M., Die Entstehung und Ausbildung der Kurfürstenfabel, 1912; Krammer, M., Das Kurfürstenkolleg von seinen Anfängen bis zum Zusammenschluss im Renser Kurverein des Jahres 1338, 1913; Quellen zur Geschichte der deutschen Königswahl und des Kurfürstenkollegs, hg. v. Krammer, M., 1911/2, Neudruck 1972; Stutz, U., Das Mainzer Erststimmrecht, ZRG GA 42 (1921), 466; Perels, E., Zur Geschichte der böhmischen Kur, ZRG GA 45 (1925), 83; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Vogelgesang, G., Kanzlei und Ratswesen der pfälzischen Kurfürsten, 1939; Mess, F., Wartburgkrieg und Sachsenspiegel, ZRG GA 74 (1957), 241; Haan, H., Der Regensburger Kurfürstentag von 1636/1637, 1967; Becker, W., Der Kurfürstenrat, 1973; Mathies, C., Kurfürstenbund und Königtum in der Zeit der Hussitenkriege, 1978; Reuling, U., Die Kur, 1979; Hoffmann, P., Die bildlichen Darstellungen des Kurfürstenkollegiums, 1982; Luttenberger, A., Kurfürsten, Kaiser und Reich, 1994; Wolf, A., Königswähler in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 115 (1998), 150; Wolf, A., Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198-1298, 1998; Gotthard, A., Die Säulen des Reiches, 1999; Erkens, F., Kurfürsten und Königswahl, 2002; Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten, hg. v. Wolf, A., 2002; Begert, A., Böhmen, die böhmische Kur und das Reich, 2003; Erkens, F., Vom historischen Deuten und Verstehen, ZRG GA 122 (2005), 327 Kurfürstenkollegium -> Kurfürst Kurfürstenrat -> Kurfürst Kurfürstentum ist das Herrschaftsgebiet eines -> Kurfürsten. Lit.: Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum im Kurfürstentum Mainz, 1908; Dirks, M., Das Landrecht des Kurfürstentums Trier, 1965; Pelizaeus, L., Der Aufstieg Württembergs und Hessens zur Kurwürde 1692-1803, 2000 Kurhessen ist die 1803 zum -> Kurfürstentum erhobene Landgrafschaft Hessen-Kassel. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kulenkamp, E., Neue Sammlung der Landesordnungen, Bd. 1ff. 1828ff.; Probst, K., Die Entwicklung der Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911; Mayer- Edenhauser, T., Untersuchungen über Anerbenrecht und Güterschluss in Kurhessen, 1942 Kuriatstimme ist die im Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) mehreren kleinen Reichsständen nur gemeinsam zustehende Stimme (Grafen und Herren, Prälaten). 1653 bestehen 4 weltliche Kuriatstimmen (für 99 Reichsstände) und 2 geistliche Kuriatstimmen (für 41 Reichsstände). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 148; Meister, A., Entstehung der Kuriatstimmen, Hist. Jb. 34 (1913), 828 Kurie ist im römischen Recht eine Untergliederung der Volksversammlung, im katholischen Kirchenrecht die zentrale, aus mehreren Kardinalskongregationen bzw. Ämtern und Gerichtshöfen bestehende Ver- waltungsbehörde des Papstes und im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) die körperschaftlich organisierte Vertretung der Reichsstände und Landstände. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 3, 7, 17; Schreiber, G., Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, Bd. 1f. 1910, Neudruck 1965; Rusch, B., Die Behörden und Hofbeamten der päpstlichen Kurie, 1936; Jordan, K., Die Entstehung der römischen Kurie, ZRG KA 28 (1939), 97; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Robinson, I., The Papacy, 1990 Kurköln -> Köln, Kurfürstentum Kurland ist das Land eines Kurfürsten, an dem das Wahlrecht haftet. Davon zu trennen ist K. als das ursprünglich von Kuren besiedelte Land am Rigaischen Meerbusen. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2076 Kurmainz -> Mainz, Kurfürstentum Kurmede ist eine mittelalterliche grundherr- schaftliche Abgabe.-> Besthaupt Kurpfalz -> Pfalz, Kurfürstentum Kursachsen -> Sachsen, Kurfürstentum Kursächsische Konstitutionen sind die in Kursachsen 1572 in einem längeren Anhörungsverfahren gesetzlich getroffenen Entscheidungen in 277 von den juristischen Fakultäten von Wittenberg und Leipzig ermittelten Streitfragen (Verfahren, Verträge, Erbrecht und Lehnsrecht, Strafrecht). Sie werden von den Zeitgenossen als Fortbildung des sächsischen Rechts empfunden. 1661 und 1746 folgen 91 bzw. 40 weitere Entschei- dungen. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schletter, H., Die Konstitutionen Kurfürst Augusts von Sachsen vom Jahre 1572, 1857 419 Kurtrier -> Trier, Kurfürstentum Kurverein ist ein vertragliches Bündnis von -> Kurfürsten. Bedeutsam ist der K. von Rhens (1338). Der Inhalt dieses Bündnisses wird 1356 durch die -> Goldene Bulle gefestigt. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Krammer, M., Das Kurfürs- tenkolleg, 1913; Stengel, E., Avignon und Rhens, 1930 Kurwürde -> Kurfürst Kuss ist die Berührung mit den Lippen. Der K. kann als Gebärde rechtliche Bedeutung haben. Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, Bd. 1 1943, 83; Perella, N., The Kiss, 1969; Strätz, H., Der Verlobungskuss, 1979; Die Braut, hg. v. Völger, G. u. a., 1985 Küste ist die Grenzlinie zwischen Land und Meer. Die vor der K. liegenden Küstengewässer werden seit dem 17. Jh. in stetig erweitertem Umfang vom Hoheitsträger auf dem Land beansprucht (3, 12 oder 200 Seemeilen). Lit.: Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der Territorialgewässer, 1948; Ziegler, K., Völkerrechts- geschichte, 1994 Kux ist seit dem Anfang des 14. Jh.s der Anteil an einer -> Gewerkschaft des Bergrechts. Der Anteil an der Gewerkschaft des alten Rechts ist (unbewegliches Vermögen und) ideeller Anteil zur gesamten Hand (ursprünglich 4, zuletzt 128 Anteile, davon 122 für Gewerken, 4 für Grundstückseigentümer, 2 für Gemeinde, 2 für Schule). Bei der seit dem preußischen Allgemeinen Berggesetz vom 24. 6. 1865 entstehenden Gewerkschaft neuen Rechts ist der K. Anteil an der Gewerkschaft als juristischer Person und damit ein Recht (100 oder höchstens 10000 Anteile ). 1980 wird der K. beseitigt. Lit.: Köbler, DRG 167; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht des Mittelalters, 1902; Kromrey, P., Die Übertragung, Belastung und Pfändung von Kuxen, Diss. jur. Heidelberg, 1905; Müller-Erzbach, R., Das Bergrecht Preußens, 1917; Ehrenzweig, Das Wort Kux, Z. f. Bergrecht 62 (1921), 191; Kuhlen, H., Die Wandlung in der Rechtsnatur der Kuxe, Diss. jur. Köln 1938; Guder, A., Der Kux, 1959 L Laband, Paul (Breslau 24. 5. 1838-Straßburg 23. 3. 1918), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Heidelberg (Vangerow, von Mohl) und Berlin (Gneist, Stahl) und der Konversion (1857) 1864 außerordentlicher Professor und 1866 ordentlicher Professor in Königsberg und 1872 in Straßburg. Von der Rechtsgeschichte ausgehend wendet er sich dem Staatsrecht zu, für das er bestimmte Begriffe (z. B. -> Gesetz im formellen Sinn, Gesetz im materiellen Sinn) und berechenbare Ordnung der Sätze des geltenden Rechts zur Eindämmung politischer Willkür verlangt. Lit.: Köbler, DRG 195, 199, 208; Laband, P., Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. A. 1911/4, Neudruck 1964; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 145; Gierke, O. v., Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 2. A. 1961; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958, 226; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958, 2. A. 2003; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 301; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Labasnd, P., Staatsrechtliche Vorlesungen, 2004 Labeo, Marcus Antistius (L. filius) (1. Jh. v. Chr.-5/22 n. Chr.), Juristensohn (des Pacuvius Antistius Labeo), wird nach durchlaufener Ämterlaufbahn als ein führender Jurist des frühklassischen römischen Rechts Haupt der prokulianischen Schule. Von seinem umfassenden Werk zeugen mehr als 500 überlieferte Bruchstücke (u. a. Kommentare zum Edikt des Prätors). Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 30; Pernice, A., Labeo, Bd. 1 1873, 7; Kohlhaas, C., Die Überlieferung der libri posteriores des Antistius Labeo, 1986 Labeo, Pacuvius Antistius (L. pater) (1. Jh. v. Chr.-42 v. Chr.) ist ein an der Verschwörung des Brutus gegen Caesar teilnehmender römischer Jurist. Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung römischer Juristen, 2. A. 1967, 32 Lachen Lit.: Le Goff, J., Das Lachen im Mittelalter, 2004 lacina (lat.-afrk. [F.]) Wehrung Laden (M.) ist das Brett, der Verschluss einer Öffnung oder der Geschäftsraum. Im Spätmiitelalter verlagert sich der Verkauf vom allgemeinen Markt zunehmend in den einzelnen L. Der Angestellte im L. hat eine beschränkte Vollmacht. Die Zeit, in der ein 420 Laden geschlossen sein muss, wird vereinzelt seit dieser Zeit (Goslar 1281, Brieg 1318, Lüneburg 1350), allgemein erst im 20. Jh. (Deutschland 1956 Ladenschlussgesetz) genau festgelegt. Lit.: Rühling, M., Das Ladenschlussgesetz vom 28. November 1956, 2004 Ladiner ist der Angehörige der in den Alpen und (vor allem) in den Dolomiten ansässigen, vom Spätlateinischen abgeleiteten besonderen Sprachgemeinschaft des Ladinischen. Lit.: Perathoner, Die Dolomitenladiner, 1998 Ladung ist die Aufforderung vor einer Behörde oder einem Gericht zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erscheinen. Sie findet sich bereits im XII-Tafelgesetz des altrömischen Rechts (lat. si in ius vocat, ito, wenn er zu Gericht ruft, soll er gehen). Sie wird auch zu Beginn des frühfränkischen (lat. [M.]) Pactus legis Salicae (507-511?) sichtbar und hat vermutlich bereits für die germanische Volksversammlung bestanden. Im Früh- mittelalter wird die private L. durch den Ansprecher (lat. [F.] mannitio) durch die öffentliche L. des Verfahrensleiters (lat. [F.] bannitio) ersetzt. Ungerechtfertigtes Nichter- scheinen (Ladungsungehorsam, anders -> echte Not ) zieht den jeweiligen -> Bann nach sich, wobei insgesamt dreimal zu laden ist (-> Aller guten Dinge sind drei). In der frühen Neuzeit kann das Erscheinen mit Zwangsmitteln erzwungen werden. Die L. erfolgt vielfach schriftlich. Die Voraussetzungen und Förmlichkeiten werden streng festgelegt. -> Ediktalzitation Lit.: Kaser §§ 82 I 1, 87 I 4, 87 II 3; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 70, 86, 117, 155, 202; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Kulessa, M., Ladungsungehorsam und prozessuale Säumnis in den Urteilen des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Sellert, W., Die Ladung des Beklagten vor das Reichskammergericht, ZRG GA 84 (1967), 202; Reinschmidt, T., Die Entstehung des Rechtsganges und das Versäumnisverfahren im salfränkischen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1968 Ladungsfrist ist die zwischen -> Ladung und Zeitpunkt des Erscheinens vor Gericht liegende Frist. Ladungsungehorsam ist die gewollte Nichtbeachtung der -> Ladung. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2 Laesio (F.) enormis (lat.) ist die außergewöhnliche Verletzung (der Vertragsgerechtigkeit). Sie geht vielleicht auf Diokletian (284-313) zurück und ist philosophisch-christlich geprägt. Nach ihr kann der Verkäufer einer Sache den Vertrag anfechten und gegen Rückzahlung des Preises die Rückgabe der Sache verlangen, wenn der Preis geringer ist als die Hälfte des Wertes und der Käufer nicht den auf den gerechten Preis (lat. iustum pretium [N.]) fehlenden Betrag nachzahlt. 1234 übernimmt die mittelalterliche Kirche die von Justinian vertretene Lehre vom gerechten Preis und der l.e. Diese wird vom gemeinen Recht fortgeführt, vom Liberalismus des 19. Jh.s aber aufgegeben. Lit.: Kaser § 41 II 3; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 64, 127, 166, 214; Dekkers, R., La lésion énorme, 1937; Schulze, W., Die laesio enormis, Diss. jur. Münster 1973; Kalb, H., Lex Baiuvariorum, Vita Corbiniani und laesio enormis, ZRG GA 106 (1989), 325; Becker, C., Die Lehre von der laesio enormis, 1993 laesowerpire (lat.-afrk.) in den Schoß werfen Lagerbuch -> Urbar laghsaga (an. [F.]) Rechtsvortrag Lagus (Hase), Conrad (um 1500-1546) ist ein frühneuzeitlicher, um das rechtswissen- schaftliche Studium verdienter juristischer Privatlehrer und Humanist in Wittenberg. Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Zur Geschichte der Rechtswissenschaft, 1876, 299 Lähmung -> Körperverletzung Laibach in Slowenien wird 1919 Sitz einer Universität. Laie (lat. [M.] laicus) ist der Nichtfachmann, im Kirchenrecht der einfache Gläubige im Gegensatz zum -> Kleriker (Klerus). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hahn, W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit, 1974; Felten, F., Äbte und Laienäbte im Frankenreich, 1980; Vauchez, A., Les laics au Moyen Age, 1987 Laienrichter ist der nicht rechtswissen- schaftlich gebildete Richter im Gegensatz zum rechtswissenschaftlich gebildeten Berufsrichter. Ursprünglich ist jeder Richter L. Seit dem 12. Jh. verdrängt aber ausgehend von der 421 kirchlichen Gerichtsbarkeit der Jurist den L. fast völlig. Im 19. Jh. verlangt der Liberalismus nach englisch-französischem Vorbild die Rückkehr zum L. Im Schwurgericht, Handelsgericht, Arbeitsgericht, Verwaltungs- gericht und Sozialgericht setzt sich dieses Verlangen in gewissem Umfang durch. Lit.: Köbler, DRG 201, 202; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 35; Kern, E. Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Hahn, W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit, 1974 Laienspiegel ist eine von dem Nördlinger Stadtschreiber und Höchstetter Landvogt Ulrich -> Tengler 1509 für Laien vorgelegte Einführung in das gelehrte Recht. Der L. behandelt in seinen drei Büchern die Stellung weltlicher Herrschaftsträger (Richter, Partei, Fürsprecher, Vorstand, Bürgermeister, Ratsherr), die Gerichtsverfassung und das Privatrecht sowie das Strafverfahren. Als Quellen lassen sich das (lat.) Speculum (N.) iudiciale des -> Durantis (1290), Johannes Andreae, Bartolus, Petrus de Ferrariis, verschiedene verbreitete Traktate, die Bibel, Aristoteles, der -> Schwabenspiegel, die Goldene Bulle und andere Reichsgesetze, der - > Klagspiegel, der -> Hexenhammer und die -> Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) nachweisen. Der L. ist fast im gesamten 16. Jh. durch zahlreiche Drucke weit verbreitet. Lit.: Köbler, DRG 143; Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 147, 172; Der Teufelsprozess, hg. v. Schmitz, W., 1980 Laizismus (M.) ist die in Frankreich im 19. Jh. entwickelte Bezeichnung für seit der Aufklärung erkennbare Bestrebungen, den Einfluss der Kirche auf den Staat zurückzudrängen. lance et licio (lat.) mit Schüssel und Schurzfell, -> Haussuchung Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 48 Land ist ein als eine Einheit erscheinendes Gebiet der Erde, insbesondere auch der Gliedstaat eines Bundesstaats. Als politisches Gebilde im fränkisch-deutschen Reich begegnet das L. seit dem Hochmittelalter (vielleicht unter Auswirkung des Abschlusses des Investiturstreits durch das Konkordat von Worms 1122). Es entwickelt sich durch territoriale Aufteilung des älteren Personalverbands (Volk). Augenfällige Beispiele sind die Verselbständigung -> Österreichs gegenüber -> Bayern (1156) und die Aufteilung -> Sachsens (1180). Innerhalb des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) bilden sich in der Folge sehr viele Länder. Am Rande spalten sich die -> Schweiz und die -> Niederlande (spätestens 1648) ab. 1806 werden die größeren Länder nach Beseitigung der kleineren Herrschaften selbständige Staaten. Sie vereinigen sich 1815 zum 1866 am österreichisch-preußischen Gegensatz scheiternden -> Deutschen Bund. Die Mehrzahl der deutschen Länder findet 1871 zum Deutschen Reich zusammen. Den in Österreich zusammengeschlossenen Ländern (Bundesländern) wird 1918 von den anderen europäischen Mächten der Beitritt verwehrt. Der 1938 erfolgte -> Anschluss wird 1945 rückgängig gemacht. Die Abtrennung der 1945 der sowjetischen Besatzungszone zuge- schlagenen Länder in der -> Deutschen Demokratischen Republik endet am 3. 10. 1990. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 94, 101, 110, 113, 138, 148, 150, 197, 230, 244, 247, 256, 258, 259; Köbler, Historisches Lexikon (1. A. 1988); Köbler, WAS; Müller, L., Badische Landesgeschichte, Bd. 1 1900; Brunner, O., Land und Herrschaft, 1939, 3. A. 1943, 6. A. 1973; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen, 1961; Köbler, G., Land und Landrecht im Mittelalter, ZRG GA 86 (1969), 1; Das Land Baden- Württemberg, Bd. 1ff. 1977ff.; Ammerich, H., Landesherr und Landesverwaltung, 1981; Kofler, W., Land, Landschaft, Landtag, 1985; Möckli, G., Die schweizerischen Landsgemeinde-Demokratien, 1987; Ay, K., Land und Fürst im alten Bayern, 1988; Weltin, M., Der Begriff des Landes bei Otto Brunner und seine Rezeption durch die verfassungsgeschichtliche Forschung, ZRG GA 107 (1990), 337; Länderparlamentarismus in Deutschland, hg. v. Mielke, S. u. a., 2004 Landbrauch Lit.: Alberti, W., Der Rheingauer Landbrauch, 1913 Landbuch ist ein in verschiedener Hinsicht ein -> Land betreffendes Buch (z. B. L. der Neumark um 1336, L. der Mark Brandenburg 1375/6). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Das Landbuch der Mark Brandenburg, hg. v. Schultze, J., 1940; Karl IV., hg. v. 422 Engel, E., 1982, 357 Landesausbau ist im Mittelalter und der früheren Neuzeit der innere Ausbau eines Landes durch verstärkte wirtschaftliche Nutzung (z. B. Rodung, Entwässerung). Lit.: Brenning, A., Innere Kolonisation, 1909; Ranzi, F., Königsgut und Königsforst, 1939; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Strukturen der Grundherrschaft, hg. v. Rösener, W., 1989, 411 Landesfürst ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der Fürst eines Landes. Es gibt weltliche und geistliche Landesfürsten. Der L. hat zusammen mit den Landständen die Landesherrschaft. Lit.: Baltl/Kocher; Spindler, M., Die Anfänge des bayerischen Landesfürstentums, 1937, Neudruck 1973; Stolz, O., Zur Entstehung und Bedeutung des Landesfürstentums im Raume Bayern ­ Österreich ­ Tirol, ZRG GA 71 (1954), 339; Burkert, G., Landesfürst und Stände, 1987 Landesgericht ist das in einem oder für ein Land gebildete Gericht. Seit dem Hoch- mittelalter geht im deutschen Reich die Gerichtsbarkeit allgemein weitgehend vom König auf den Landesherrn über. Dieser bildet meist eine mehrstufige landesfürstliche Gerichtsbarkeit aus. Oberste Gerichtshöfe entstehen als Landesgerichte beispielsweise in Preußen (1483 Kammergericht), in Österreich (1749 Oberste Justizstelle) oder Bayern (1625 Revisorium). Am 14. 6. 1849 werden in Österreich Landesgerichte eingerichtet. Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 27; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 38 Landesgeschichte ist die auf das einzelne Land (z. B. Bayern, Baden, Vorarlberg) ausgerichtete -> Geschichte bzw. Geschichtsschreibung. Sie steht in Deutschland vor allem im Gegensatz zur Reichsgeschichte. Lit.: Probleme und Methoden der Landesgeschichte, hg. v. Fried, P., 1978; Deutsche Landesgeschichtsschreibung im Zeichen des Humanismus, hg. v. Brendle, F. u. a., 2001; Im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik, hg. v. Werner, M., 2004 Landesgesetz ist das für ein Land vom zuständigen Organ geschaffene Gesetz. Es steht im Gegensatz zum Reichsgesetz oder Bundes- gesetz. Es gewinnt seit der frühen Neuzeit an Bedeutung. Lit.: Neue Sammlung mecklenburgischer Landesgesetze, Bd. 1ff. 1769ff.; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Maier, K., Die Anfänge der Polizei- und Landesgesetzgebung in der Markgrafschaft Baden, 1984 Landeshauptmann ist der Leiter der Verwaltung eines Landes. Er erscheint als (lat. [M.]) capitaneus in der Steiermark, Kärnten und Krain an der Stelle des königlichen Reichsstatthalters in der Mitte des 13. Jh.s. Er ist gleichzeitig Haupt der Stände des Landes. In den habsburgischen Ländern erhält sich das Amt des Landeshauptmannes. In der Gegenwart ist der L. Leiter der Regierung eines Landes, der auch die mittelbare Bundesverwaltung ausführt. Lit.: Baltl/Kocher; Brandis, J., Geschichte der Landeshauptleute von Tirol, 1850; Kozina, G., Die Landeshauptleute von Krain, 1864 Landesherr (lat. dominus [M.] terrae) ist seit der ersten Hälfte des 13. Jh.s der -> Herr eines besonderen -> Landes. Er ist Empfänger der wichtigsten Regalien, höchster Richter im Land, Träger des Heerbannes und Wahrer des Landfriedens, somit insgesamt Inhaber der sich ausbildenden Landesherrschaft. Zu seinen Einnahmequellen zählt vor allem auch die -> Steuer. Im Ringen mit den Großen im Land (-> Landständen) setzt er sich in der Neuzeit meist durch. Am Ende des ersten Weltkrieges muss der L. dem Grundsatz der Volkssouveränität weichen. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111, 112, 148, 154; Ludicke, R., Die landesherrlichen Zentralbehörden im Bistum Münster, 1901; Lichtner, A., Landesherr und Stände in Hessen-Cassel, 1913; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Renger, R., Landesherr und Landstände im Hochstift Osnabrück, 1968; Ammerich, H., Landesherr und Landesverwaltung, 1981; Kappelhoff, B., Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft?, 1982; Gmür, R., Städte als Landesherren, FS H. Thieme, 1986 Landesherrschaft ist seit dem hohen Mittelalter die -> Herrschaft des -> Landesherrn über ein -> Land. Ihre Grundlage ist im Einzelnen sehr unterschiedlich (Grundherrschaft, Banngewalt, Gerichtsgewalt, Vogtei, Schirmvertrag, königliches Amt). Sie muss im Ringen mit den Ständen gefestigt werden. Sobald das Land, wie das für die Kurfürstentümer 1356 in der Goldenen Bulle und für Österreich 1358/1359 in einer 423 Fälschung (lat. privilegium [N.] maius) festgelegt wird, nicht mehr geteilt werden kann, tritt die Vorstellung von der privaten, im Erbfall ohne weiteres teilbaren Sachherrschaft des Landesherrn über das Land zugunsten der öffentlichen Einordnung zurück (Entstehung des modernen, Hoheitsidee, Gesetzgebung und rationales Verwaltungsverständnis voraus- setzenden Staates). Seit dem 18. Jh. ist wichtigster Bestandteil der einheitlichen monarchischen, an der Wohlfahrt des Gemeinwesens ausgerichteten Staatsgewalt die Polizeigewalt (lat. ius [N.] politiae). Die nun so bezeichnete Landeshoheit, in der sich die früher vereinzelten Hoheitsrechte zur umfassenden Hoheitsgewalt (Souveränität) verdichten, wird als ursprünglich und damit nicht vom Reich abgeleitet angesehen. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111, 149; Baltl/Kocher; Roßberg, A., Die Entwicklung der Territorialherrlichkeit in der Grafschaft Ravensberg, Diss. phil. Leipzig 1909; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Schlesinger, W., Die Entstehung der Landesherrschaft, 1941, Neudruck 1964; Schlesinger, W., Die Landesherrschaft der Herren von Schönburg, 1954; Patze, H., Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen, 1962; Schulze, H., Adelsherrschaft und Landesherrschaft, 1963; Bühler, T., Gewohnheitsrecht und Landesherrschaft, 1972; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985; Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002 Landeshoheit ist die in der frühen Neuzeit durch Zusammenfassung von Herrschafts- rechten und Verdichtung der -> Landesherrschaft entstehende Hoheitsgewalt (Souveränität) des Landesherrn (Fürsten) in einem Land (Staat). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 149; Moser, J., Von der Landeshoheit der deutschen Reichsstände, 1773; Stutz, U., Das habsburgische Urbar und die Anfänge der Landeshoheit, ZRG 25 (1904), 192; Fehr, H., Die Entstehung der Landeshoheit im Breisgau, 1904; Aubin, H., Die Entstehung der Landeshoheit, 1920, Neudruck 1961; Mack, E., Die Entstehung der Landeshoheit der Grafen von Wirtenberg, 1926; Kürschner, T., Die Landeshoheit der deutschen Länder, 1938; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in der Kurpfalz, 1937; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Landeshoheit, hg. v. Riedenauer, E., 1994 Landeskirche ist im evangelischen Kirchenrecht die Kirche eines Landes oder Landesteils (z. B. Baden, Kurhessen-Waldeck, Hannover, Schleswig-Holstein, Schaumburg- Lippe, Württemberg, Eutin, Lippe). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Hinschius, P., Die evangelischen Landeskirchen in Preußen, 1867; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Närger, N., Das Synodalwahlsystem in den deutschen evangelischen Landeskirchen, 1988 Landesobrigkeit ist die im Übergang zwischen -> Landesherrschaft und -> Landeshoheit befindliche landesherrliche Gewalt der frühen Neuzeit. Lit.: Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975 Landesordnung ist die seit dem Spätmittelalter sichtbare, umfassendere, ordnende Gesetzge- bung des Landesherrn zur Klarstellung wichtiger Fragen (z. B. Tirol 1526 Bauernlandesordnung, 1532, 1573). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kleinschmidt, C., Sammlung fürstlich hessischer Landesordnungen, Bd. 1ff. 1767ff.; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Richter, G., Die ernestinischen Landesordnungen, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Quellen zur neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, Bd. 2 Landes- und Polizeiordnungen, hg. v. Schmelzeisen, G., 1968ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 517; Wesener, G., Zur Bedeutung der österreichischen Landesordnungsentwürfe, FS N. Grass, Bd. 1 1974, 613; Berg, T., Landesordnungen in Preußen, 1998 Landesparlament ist das -> Parlament eines - > Landes. Lit.: Eicher, H., Der Machtverlust der Landesparlamente, 1988 Landesrecht ist das besondere -> Recht eines - > Landes im Gegensatz zu einem übergeordneten Recht wie z. B. dem Bundesrecht. Es entsteht anfangs im Hochmittelalter als Landrecht im Gegensatz zum Stadtrecht. Bis in das 19. Jh. überwiegt es das gesetzte einheitliche Recht (in Deutschland). Durch die einheitliche staatliche Gesetzgebung des ausgehenden 19. Jh.s wird es in Deutschland in vielen Bereichen auf Randfragen zurückgedrängt (sog. Verlustliste 424 der deutschen Rechtseinheit), bleibt aber z. B. im Verwaltungsrecht bedeutsam. Grundsatz wird, dass bei konkurrierender Zuständigkeit das Reichsrecht oder das Bundesrecht das L. bricht. Lit.: Köbler, DRG 103, 184, 231; Kahler, O., Das schleswig-holsteinische Landesrecht, 2. A. 1923; Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1964; Schneider, M., Das Verhältnis des Reichsrechts zum Landesrecht, 2002 Landesregierung ist die -> Regierung eines -> Landes. Landessteuer ist die seit dem 13. Jh. in einem - > Land erhobene -> Steuer. Der Kreis der Steuerpflichtigen ist nicht überall gleich. Die L. bedarf grundsätzlich der Bewilligung durch die Landesbehörde. Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965, 273; Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft Saarbrücken, 1960; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975 Landesteilung ist die der Reichsteilung des fränkischen Frühmittelalters entsprechende Teilung eines -> Landes unter mehrere Söhne. Sie birgt die Gefahr der Machtzersplitterung in sich. Deswegen finden sich Teilungsverbote bereits unter Friedrich I. Barbarossa und Rudolf von Habsburg (1283). Für die -> Kurfürsten- tümer schließt die -> Goldene Bulle (1356) die Teilung aus. Noch in der späteren Zeit werden Länder aber tatsächlich geteilt (Hessen 1567, Österreich, Anhalt 1635, Braunschweig 1636, Sachsen-Gotha 1680, Mecklenburg 1701). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Hartel, R., Über Landesteilungen in deutschen Territorien, FS F. Hausmann, 1977, 179 Landesverfassung ist die besondere (formelle) -> Verfassung eines -> Landes. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kopp, U., Handbuch zur Kenntnis der Hessen-Casselschen Landesverfassung, Teil 1 1796; Kaltenborn, C., Geschichte der deutschen Bundesverhältnisse, Bd. 1f. 1857 Landesverordnung ist die ein -> Land betreffende -> Verordnung im Gegensatz vor allem zum -> Landesgesetz. Lit.: Kreittmayr, W. Frhr. v., Sammlung der chur- baierischen Generalien und Landesverordnungen, 1771 Landesverrat ist der Verrat des eigenen -> Landes durch einen Menschen. Ihm geht bereits bei den Germanen der Verrat des Volkes voraus, bei dem nach Tacitus der gefasste Verräter aufgehängt wird. Seit dem Hochmittelalter wird das römischrechtliche (lat.) -> crimen (N.) maiestatis (Majestätsver- brechen) aufgenommen. Strafe der Verräterei ist das Rädern oder Vierteilen Nach der österreichischen (lat.) Constitutio (F.) Criminalis Josephina (1786) ist L. das Verbrechen gegen den Staat bzw. Vaterland im Gegensatz zu dem gegen den Herrscher gerichteten -> Hochverrat. In der Mitte des 19. Jh.s ist L. die Bedrohung der äußeren Machtstellung des Staates. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Schröder, F., Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, 1970; Hanten, M., Publizistischer Landesverrat vor dem Reichsgericht, 1999 Landesverwaltung ist die -> Verwaltung (eines -> Landes) durch Landesbehörden. Hierzu bildet der Landesherr seit dem Spätmittelalter eine beamtete Verwaltungs- organisation aus. Als deren späte Folge ist auch in der Gegenwart der Bundesrepublik Deutschland die Verwaltung grundsätzlich Angelegenheit des Landes. Lit.: Köbler, DRG 113, 151, 197, 258; Ammerich, H., Landesherr und Landesverwaltung, 1981; Deutsche Verwaltungsgeschichte hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff. Landesverweisung ist die Verweisung eines Straftäters aus dem Land. Ihr geht die ältere Verbannung voraus. Ihr entspricht im Hochmittelalter die Verweisung aus der Stadt, die beispielsweise in Augsburg des späten 14. Jh.s jährlich etwa ein 1/2 % der Stadtbewohner betrifft. Seit dem 15. Jh. wird von L. gesprochen. Sie führt zu Konflikten mit den benachbarten Ländern. Seit dem 18. Jh. wird sie allgemein aufgegeben und auf Ausländer beschränkt. Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 410, 533, Neudruck 1964; Müller, W., Die Stadtverweisung, Diss. jur. Leipzig 1935; Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, Diss. jur. Jena 1938 Landfolgepflicht ist die bereits im Früh- mittelalter sichtbare Verpflichtung, bei Gefährdung der Allgemeinheit wehrhafte Hilfe zu leisten. Mit der Entstehung des ritterlichen Reiterheeres tritt die L. im Hochmittelalter an 425 Bedeutung zurück, ohne ganz zu verschwinden. In der Wehrpflicht des 18. Jh.s wird sie in veränderter Form neu belebt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Fehr, H., Landfolge und Gerichtsfolge im fränkischen Recht, FG R. Sohm, 1914 Landfriede ist der von Rechtsbruch nicht gestörte Zustand (in einem Land). Seit dem 10. Jh. ist in Südfrankreich und Spanien ([Le Puy um 975,] Charroux 989, Narbonne um 990, Le Puy 994, Limoges 994, Poitiers 1000) das von der Kirche in Wiederholung merowingischer und karolingischer Kapitularien und Bußbücher ausgehende Gebot des -> Gottesfriedens sichtbar. Seit dem ausgehenden 11. Jh. erscheint der weltliche L. Er sieht peinliche -> Strafen für Unrechtstaten vor. Seine Grundlage ist meist eine beschworene -> Einung, in anderen Fällen auch ein Gesetz. Wichtige Landfrieden sind der Mainzer Reichslandfriede von 1235 und der ewige L. von 1495, der die Fehde (Selbsthilfe) vollständig verbietet. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 118, 147; Baltl/Kocher; Weiland, B., Sächsischer Landfriede aus der Zeit Friedrichs II. und die sog. Treuga Heinrici regis, ZRG GA 8 (1887), 88; Bock, E., Der Kampf um die Landfriedenshoheit in Westfalen, ZRG GA 48 (1928), 379; Quidde, L., Histoire de la Paix publique en Allemagne au moyen âge, 1929; Schnelbögl, W., Die innere Entwicklung der bayerischen Landfrieden des 13. Jahrhunderts, 1932; Wohlhaupter, E., Studien zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden in Spanien, 1933; Meyer, B., Der Sorge für den Landfrieden im Gebiet der werdenden Eidgenossenschaft 1250-1350, 1935; Bader, K., Probleme des Landfriedensschutzes, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 3 (1939), 1; Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung in Deutschland, 1952; Partsch, G., Ein unbekannter Landfrieden aus dem 12. Jahrhundert, ZRG GA 75 (1958), 93; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Stein, G., Die Einungs- und Landfriedenspolitik der Mainzer Erzbischöfe, Diss. phil. Mainz 1960; Gerlich, A., Studien zur Landfriedenspolitik König Rudolfs von Habsburg, 1963; Angermeier, H., Königtum und Landfriede im Spätmittelalter, 1966; Mohrmann, W., Der Landfriede im Ostseeraum, 1972; Quellen zur Geschichte der fränkisch-bayerischen Landfriedensorganisation, bearb. v. Pfeiffer, G., 1975; Leist, W., Landesherr und Landfrieden in Thüringen im Spätmittelalter, 1975; Wadle, E., Der Nürnberger Friedebrief Kaiser Friedrich Barbarossas, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 548; Stercken, M., Königtum und Territorialgewalten, 1989; Rotthoff-Kraus, C., Die politische Rolle der Landfriedenseinungen zwischen Maas und Rhein, 1990; Wadle, E., Gottesfrieden und Landfriede, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 63; Wadle, E., Landfrieden, Strafe, Recht, 2001; Landfrieden, hg. v. Buschmann, A. u. a., 2001; Graevenitz, C. v., Die Landfriedenspolitik Rudolfs von Habsburg, 2003 Landfriedensbruch ist die Verletzung des Landfriedens. Die Folge ist eine peinliche -> Strafe. Daneben ist auch die -> Acht von großer Bedeutung. Mit dem 16. Jh. macht sich der Einfluss des römischen Rechts bemerkbar (Gail), wonach der L. die zu gewalttätigem Zweck erfolgende Vereinigung einer Menge von 10 bis 15 Menschen voraussetzt. 1871 bestimmt das deutsche Reichsstrafgesetzbuch den L. als eine Verbindung von Zusam- menrottung und Gewaltanwendung. 1970 wird die Strafbarkeit auch der bloßen Teilnahme an einer gewalttätigen öffentlichen Zusammenrot- tung in der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben. Lit.: Kroeschell, DRG 2; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Hagemann, H., Vom Verbrechenskatalog des altdeutschen Strafrechts, ZRG GA 91 (1974), 1; Roth, A., Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Kerth, J., Der landsfried ist zerbrochen, 1997 Landfriedensgericht ist im Hochmittelalter und Spätmittelalter das für die Wahrung des -> Landfriedens vorgesehene -> Gericht. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Eberhardt, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, ZRG GA 75 (1958), 108 Landgemeinde ist die nichtstädtische Gemeinde. Sie entsteht im Hochmittelalter und Spätmittelalter aus den unterschiedlichsten Ansatzpunkten (Nachbarschaft, Hofgenossen- schaft, Markgenossenschaft, Grundherrschaft, Gericht, Vogtei, Kirche usw.). Nach der staatlichen Verdichtung der frühen Neuzeit wird die Idee der -> Selbstverwaltung der ländlichen Gemeinde im 19. Jh. aufgegriffen und in Preußen in der Landgemeindeordnung für die Rheinprovinz von 1845 und für die sieben östlichen Provinzen von 1891 verwirklicht (vgl. Baden Gemeindegesetz 1831, Österreich Gemeindegesetz 1849, Bayern 426 Gemeindeordnung 1869). Als Gebietskörper- schaft dient die L. seitdem als kleinste räumliche Einheit der (staatlichen) Verwaltung. Lit.: Hübner 129; Kroeschell, DRG 1; Bognetti, Sulle origini dei comuni rurali nel medio evo, 1926f.; Quirin, K., Herrschaft und Gemeinde, 1952; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Steinbach, F., Ursprung und Wesen der Landgemeinde nach rheinischen Quellen, 1960; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Schwineköper, B., 1964, 2. A. 1986; Nikolay-Panter, M., Entstehung und Entwicklung der Landgemeinde im Trierer Raum, 1976; Schildt, B., Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft, 1996; Landgemeinden im Übergang zum modernen Staat, hg. v. Franz, N. u. a., 1999 Landgericht ist allgemein ein für ein -> Land zuständiges -> Gericht. Es erscheint mit der Territorialisierung des Rechts im Hochmittelalter. Wesentliche Kennzeichen könnten der Graf als Landrichter, die Zuständigkeit für gewichtigere Streitfälle (Eigen und Erbe, Freiheit, Ungericht), die Anwendung des Landrechts und die regelmäßige Abhaltung an (mehreren) festen Gerichtsplätzen (Dingstätten, Schrannen) sein. Das L. ist meist nicht für den Adel zuständig und steht unter dem landesfürstlichen -> Hofgericht. Von daher versteht sich seine Entwicklung zu einer mittleren Instanz. 1877/1879 wird das L. (1893 im Deutschen Reich 172 Landgerichte mit 2341 Richtern) zu dem zwischen Amtsgericht und Oberlandesgericht stehenden Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, das Eingangsgericht nur für gewichtigere Straffälle ist. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 115, 200, 261; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 2 1906; Voltelini, H. v., Die Entstehung der Landgerichte im bayerisch-österreichischen Rechtsgebiete, Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1905), 1; Müller, H., Das kaiserliche Landgericht der vormaligen Grafschaft Hirschberg, 1911; Kalisch, H., Die Grafschaft und das Landgericht Hirschberg, ZRG GA 34 (1913), 141; Feine, H., Die kaiserlichen Landgerichte in Schwaben, ZRG GA 66 (1948), 148; Hiereth, S., Die bayrische Gerichts- und Verwaltungsorganisation, 1950; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae, 1956; Landwehr, G., Die althannoverschen Landgerichte, 1964; Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1964; Peter, A., Das Landgericht Klettgau, 1966; Düsseldorf und sein Landgericht 1820-1970, 1970; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landgerichts in Oldenburg (1573-1935), 1975; Iustitia Coloniensis, 1981; Hiereth, S., Moosburg, 1986; Strätz, H., 175 Jahre Hof- und Landgericht Konstanz, 1988; Raubold, D., Das Landgericht Hildesheim, 2003 Landgerichtsordnung ist die für das -> Landgericht verfasste Ordnung (z. B. Oberösterreich 1514, Franken 1618). Lit.: Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der münsterischen Landgerichtsordnung von 1571, 1908; Merzbacher, F., Ordinatio Iudicii Provincialis Franconica, Würzburger Diözesangeschichtsbll. 32 (1970), 83 Landgraf ist seit der ersten Hälfte des 12. Jh.s ein wohl im Zuge der allgemeinen Territorialisierung entstehender Titel eines reichslehnbaren Amtes zur Verwaltung und Sicherung königlicher Rechte (in einem Land). Landgrafen finden sich in Thüringen 1131, Oberelsass 1135, Unterelsass 1138, (Leuch- tenberg 1143,) Heiligenberg 1169, Burgund- Buchegg 1226, Thurgau 1227, Aargau 1232/4, Frickgau 1234, Burgund-Neuenburg 1235, Zürichgau 1245, Hessen 1265, Hegau 1275, Breisgau 1276, Baar 1287, Stühlingen 1296, Buchsgau 1318, Klettgau 1325, Sisgau 1354 und Leiningen 1444. Ihre Stellung endet spätestens 1806, in Hessen-Homburg 1866. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Franck, W., Die Landgrafschaften des heiligen römischen Reichs, 1873; Doeberl, M., Die Landgrafschaft der Leuchtenberger, 1893; Mayer, T., Über die Entstehung und Bedeutung der älteren deutschen Landgrafschaften, ZRG GA 58 (1938), 138; Hess, W., Hessische Städtegründungen der Landgrafen von Thüringen, 1966; Eyer, F., Die Landgrafschaft im unteren Elsass, ZGO N.F. 78 (1969), 148 Landgrafschaft -> Landgraf Lit.: Kroeschell, DRG 1; Mayer, T., Über Entstehung und Bedeutung der älteren deutschen Landgrafschaften, ZRG GA 58 (1938), 138; Eberhardt, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen, 75 (1958), 108; Demandt, K., Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter, 1981 Landgut ist im deutschen Privatrecht des 19. Jh.s das in eine Landgüterrolle eingetragene Anerbengut, an welchem dem Anerben bei der Erbteilung nur ein Übernahmerecht zusteht (Brandenburg, Schlesien, Schleswig-Holstein, Regierungsbezirk Kassel 1884/1887). Es wird 427 1933 durch das Reichserbhofgesetz beseitigt, in Hessen 1947 (Neufassung 1970) aber wieder hergestellt. Lit.: Enneccerus, L., Ein Höferecht für Hessen 1882; Kroeschell, K., Landwirtschaftsrecht, 2. A. 1970; Starke, A., Die hessische Landgüterordnung, 1995 Landhofmeister ist eine im 15. Jh. erscheinende Fortbildung des -> Hofmeisters. Landkasse ist seit dem Spätmittelalter die besondere, neben der landesherrlichen Finanzverwaltung stehende landständische Finanzverwaltung. Sie wird auch Landkasten genannt. Sie wird vom Absolutismus beseitigt. Lit.: Bamberger, E., Die Finanzverwaltung in den deutschen Territorien des Mittelalters, Diss. jur. München 1923 Landkreis ist der untere staatliche Verwaltungsbezirk mit überörtlichen Selbst- verwaltungsaufgaben. Der L. geht auf die Bildung von kleineren Kreisen (z. B. Teltow, Barnum, Zauche) oder größeren Kreisen (z. B. Altmark, Mittelmark, Neumark) in Brandenburg seit dem 14. Jh. zurück. Im 16. Jh. erkennt der Landesherr Kreisversammlungen an. Aus den Kreisdirektorien und den Kreiskommissaren entwickelt sich der -> Landrat. Zuständig sind die Kreise vor allem für Wohlfahrtsmaßnahmen, militärische Angelegenheiten und Verkehrsbelange. Zwi- schen 1825 und 1828 werden Kreisordnungen für die einzelnen Provinzen Preußens erlassen. 1872 werden echte Kommunalverbände mit Selbstverwaltungsrecht geschaffen, deren wichtigste Organe Kreistag, Kreisausschuss und Landrat sind. 1919 wird das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht eingeführt. Etwa zur gleichen Zeit wird die Bezeichnung L. (für Kreis) üblich. Die Angleichung der übrigen Länder an die Verhältnisse Preußens erfolgt vereinzelt seit dem 19. Jh., in Baden mit der Landkreisordnung vom 24. 6. 1939, in Bayern durch die dritte Verordnung über den Neuaufbau des Reiches vom 28. 11. 1938. Eine geplante Reichskreisordnung kommt nicht zustande. Nach der institutionellen Sicherung der Kreise durch Art. 28 I GG erlassen die Länder der Bundesrepublik Deutschland eigene, die Verbindung von Staatsverwaltung und Selbstverwaltung fortführende Landkreis- ordnungen. Lit.: Constantin, O./Stein, E., Die deutschen Landkreise, 1926; Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise in der Geschichte Südwestdeutschlands, 1960; Unruh, G., Der Kreis, 1960; Stadler, K., Der Weg zur Selbstverwaltung der bayerischen Landkreise, 1962; Der Kreis, 1972ff.; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg, hg. v. Landkreistag, Bd. 1f. 1975; Hundert Jahre Kreisordnungen Nordrhein-Westfalen, hg. v. Landkreistag, 1988; Der Landkreistag Nordrhein- Westfalen 1947-1997, hg. v. Möller, F. u. a., 1997 Landlauf von Steyr ist das frühestens am Ende des 14. Jh.s vielleicht von einem unbekannten Gerichtsschreiber der steirischen Landschranne unter Einbeziehung einiger Sätze des Schwabenspiegels in 252 Artikeln verfasste Rechtsbuch, das sich vor allem mit dem Verfahren, mit den Landesdienstherren, den Bürgern, den Strafen und den Juden befasst. In Kärnten wird hieraus im 16. Jh. das Kärntner Rechtsbuch. Lit.: Bischoff, E., Steiermärkisches Landrecht des Mittelalters, 1875; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965, 207; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963, 19 Landläufige kulmische Rechte sind die aus dem alten -> Kulm und anderen Quellen um die Mitte des 15. Jh.s in Danzig (?) entstandenen Rechtsaufzeichnungen. Lit.: Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen. Strafrecht, 1982; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 52 Landleihe ist die zeitweise Überlassung von Land durch den Berechtigten in größerem oder kleinerem Umfang. Hierfür gilt seit dem Mittelalter teils unterschiedlich ausgestaltetes Leiherecht, teils Lehnrecht. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Levy, E., Vom römischen precarium zur germanischen Landleihe, ZRG RA 66 (1948), 1 Ländliche Rechtsquellen sind die vor allem im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit sichtbaren, im nichtstädtischen Bereich geltenden örtlichen Rechtsquellen (der bäuerlichen Belange). Hierher gehören hauptsächlich -> Weistümer, Hofrechte und Dorfrechte. Trotz der Rechtsvereinheitlichung der frühen Neuzeit gelten sie teilweise bis in das 19. Jh. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Württembergische ländliche Rechtsquellen, hg. v. Wintterlin, F. u. a., Bd. 1ff. 1910ff.; Deutsche ländliche Rechtsquellen, hg. v. 428 Blickle, P., 1977 (Wege der Forschung); Die ländlichen Rechtsquellen aus den pfalz-neuburgischen Ämtern Höchstädt, Neuburg, Monheim und Reichertshofen vom Jahre 1585, hg. v. Fried, P., 1983; Ländliche Rechtsquellen aus dem kurtrierischen Amt Cochem, bearb. v. Krämer, C. u. a., 1986; Ländliche Rechtsquellen aus dem Kurmainzer Rheingau, bearb. v. Jeschke, P., 2003 Landnahme ist die junge geschichtswissenschaftliche Bezeichnung für das Eindringen germanischer Stämme in fremde Siedlungsgebiete in der Völkerwanderungszeit (375-568). Lit.: Meyer, H., Die fränkische Landnahme und das Rheinland, 1936; Petri, L., Zum Stand der Diskussion über die fränkische Landnahme, 1954; Ausgewählte Probleme europäischer Landnahmen, hg. v. Müller- Wille, M. u. a., 1993f. Landpacht -> Pacht Landrat ist in den meisten Ländern der Bundesrepublik Deutschland der Hauptverwaltungsbeamte der Gebietskörper- schaft Kreis bzw. Landkreis und Leiter der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde. Er entwickelt sich in der Mark Brandenburg im 16. Jh. wohl aus dem vom Landesherrn auf Vorschlag der Landstände ernannten Kreiskommissar. Jedenfalls erhalten am 27. 9. 1702 alle märkischen Kreiskommissare den Titel L. Im 18. Jh. wird das Amt auf Preußen insgesamt ausgedehnt. 1825 werden seine Befugnisse zugunsten des Kreistags einge- schränkt, 1872 zugunsten des Kreisausschusses, dessen Vorsitzender der L. ist. Die übrigen deutschen Länder gleichen sich dem an. Vielfach ist der L. Volljurist. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 151, 197; Baltl/Kocher; Gelpke, F., Die geschichtliche Entwicklung des Landratsamts, 1902; Lammermann, G., Die Entwicklung der rechtlichen Stellung des preußischen Landrats, Diss. jur. Göttingen 1939; Unruh, G. v., Der Landrat, 1966; Eifert, C., Paternalismus und Politik, 2003; Weil, F., Entmachtung im Amt, 2004e ist vom Hochmittelalter bis in die frühe Neuzeit das für die Bewohner eines -> Landes des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) geltende allgemeine -> Recht im Gegensatz vor allem zum Stadtrecht oder zum Lehnsrecht. Seit der Mitte des 11. Jh.s lassen die lateinischen Quellen deutliche territoriale Bezüge erkennen (z. B. [lat.] provinciae mos [M.], ius [N.] terrae, regionis consuetudo [F.] ). Im Jahre 1200 stellt eine Urkunde mhd. lantreht und (lat.) statuta [N.Pl.] civitatis (Statuten der Stadt) gegenüber. Der das L. vielleicht nach römisch-kanonischem Vorbild anfänglich lateinisch aufzeichnende -> Sachsenspiegel -> Eike von Repgows (1221-1224) unterscheidet das (mnd.) landreht ausdrücklich vom Lehnsrecht, von des mannes reht, von dem geistlichen Recht, vom Dorfrecht und wohl selbstverständlich auch vom -> Stadtrecht. Hauptquelle des Landrechts ist das gewohnheitsrechtlich fortgebildete -> Volks- recht, doch werden auch gesetzliche oder vertragliche Regelungen einbezogen. Die Aufzeichnung erfolgt seit dem 13. Jh. in zunehmender Dichte (Österreich 1237 usw.). Zur gleichen Zeit ist auch bereits gesetzlicher Erlass von L. möglich (z. B. Kulmer Handfeste 1233). Weitere bedeutsame Landrechte sind das etwa 1335 entstandene, 1346 vermehrte oberbayerische Landrecht, das schlesische Landrecht (1356), das Würzburger Landrecht (1435) oder das dithmarsche L. (1447). In der frühen Neuzeit wird das L. unter dem Einfluss des römischen Rechts verschiedentlich reformiert (Bayern 1518, Kurköln 1538, Württemberg 1555, Solms 1571, Siebenbürgen 1583, Herzogtum Preußen 1620). Hier sind zuerst Privatrecht, Gerichtsverfassung, Zivilprozess und Strafrecht erfasst. Mit dem preußischen Allgemeinen Landrecht als einer naturrechtlichen Kodifikation klingen die Landrechte 1794 auch dem Namen nach aus. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93, 102; Baltl/Kocher; Böhlau, H., Mecklenburgisches Landrecht, Bd. 1 1871; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, ZRG GA 3 (1882), 1 (zum Rheingauer Landrecht); Meyer, H., Das sogenannte Rheingauer Landrecht, ZRG GA 24 (1903), 309; Quellen zur neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands, Bd. 1, Halbbd. 2 Landrechte des 16. Jahrhunderts, eingel. v. Kunkel, W., 1938; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Carlen, L., Das Landrecht des Kardinals Schiner, 1955; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Dirks, M., Das Landrecht des Kurfürstentums Trier, 1965; Das bayerische Landrecht von 1616, hg. v. Günther, H., 1969; Das Eigen-Landrecht der Siebenbürger Sachsen von 1583, hg. v. Laufs, A., 1973; Droege, G., Landrecht und Lehnrecht im hohen Mittelalter, 1969; Friedrich 429 Esaias Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970; Köbler, G., Land und Landrecht im Mittelalter, ZRG 86 (1969), 1ff.; Floßmann, U., Landrecht als Verfassung, 1976; Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 1ff. 1982ff.; Schroeder, F., Das Oberpfälzer Landrecht von 1657/59, ZRG GA 110 (1993), 482; Löw, I., Die Eiderstedter Landrechte von 1426 bis 1591, 2003; Zimmer, K., Das Burger Landrecht, 2003 Landrechtsbuch -> Landrecht Landrechtsglosse -> Sachsenspiegel, Glosse Landrechtsreformation -> Landrecht, Reformation Landrichter ist der für ein -> Land zuständige -> Richter (1186 lat. iudex [M.] provinciae). Das ist zunächst ein königlicher Amtsträger, danach der Landesherr, seit dem 13./14. Jh. der landesherrliche Richter im -> Landgericht und seit 1877/1879 (umgangssprachlich) der Richter am Landgericht. Lit.: Döhring, H., Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500, 1953; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 104 Landsasse ist im Sachsenspiegel (1221/4) der untere Freie (ohne Grundeigentum). In der frühen Neuzeit ist L. der über dem einfachen Freien stehende, meist den Landständen angehörende Untertan. Lit.: Hagemann, A., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111, 147; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975 Landsässiger Adel ist in der frühen Neuzeit der ein Haus mit mindestens einer Grundherrschaft besitzende, der Landesherrschaft unterworfene Adel. -> Land- sasse Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Lieberich, H., Landherren und Landleute, 1964 Landschädliche Leute (lat. nocivi [M.Pl.] terrae) sind im Spätmittelalter die für den Landfrieden gefährlichen Menschen. Sie können von Amts wegen auch ohne handhafte Tat festgenommen werden. Gegen sie kann ohne Weiteres öffentlich Klage erhoben werden. Gegen sie kann ein summarisches Verfahren stattfinden. Seit dem Spätmittelalter genügt zu ihrer Überführung der Nachweis ihrer Schädlichkeit bzw. Gefährlichkeit. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 207; Zallinger, O. v. , Das Verfahren gegen die landschädlichen Leute, 1895; Knapp, H., Das Übersiebnen der schädlichen Leute in Süddeutschland, 1910; Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68 (1951), 234; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958 Landschaft ist allgemein eine als Einheit verstandene Gegend und im besonderen ein in einer solchen Einheit seit dem Spätmittelalter gebildeter Zusammenschluss bestimmter (ständischer) Personen und das von ihnen im 19. Jh. geschaffene genossenschaftlich orga- nisierte Grundstückskreditinstitut. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, hg. v. Escher, J. u. a., Bd. 1ff. 1888ff; Berghaus, W., Verfassungsgeschichte der ostfriesischen Landschaft, 1956; Gut, J., Die Landschaft auf den Landtagen der markgräflich badischen Gebiete, 1970; Blickle, Peter, Landschaften im alten Reich, 1973; Engelberg, G., Ständerechte und Verfassungsstaat, 1979; Kofler, W., Land, Landschaft, Landtag, 1985; Sonnabend, H., Mensch und Landschaft, 1998 Landschaftsrecht ist das Recht einer skandinavischen Landschaft (z. B. Västergötland um 1220/1240). -> nordisches Recht, -> Schweden Lit.: Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988 Landschenkung ist die unentgeltliche Übereignung mindestens eines Grundstücks, im weiteren Sinn auch die Überlassung mindestens eines Grundstücks zur Nutzung. In welchem Umfang in germanischer Zeit eine derartige L. (Landgabe) besteht, lassen die Quellen nicht sicher erkennen, wenn sie auch (lat.) servi (M.Pl.) in der Art römischer (lat.) coloni (M.Pl.) bezeugen. Im Frühmittelalter geben die durch Einziehung der römischen Staatsgüter reich gewordenen Könige Land an Adel und Kirche in teils lehnsrechtlicher, teils anderer Form. Auch Adel und Freie begaben (beschenken) die Kirche in erheblichem Umfang zu verschiedenem Recht. Lit.: Brunner, H., Die Landschenkungen der Merowinger und Agilolfinger, SB. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1885, Bd. 2 1173; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Gladiß, D. v., Die Schenkungen der deutschen Könige zu privatem Eigen, DA 1 (1937), 80; Hattenhauer, H., Die Entdeckung der Verfügungsmacht, 1969; Dorn, F., Die Landschenkungen der fränkischen Könige, 1991 Landsgemeinde ist die förmliche Ver- sammlung der schweizerischen Gemeinwesen. Sie wird in ersten Anfängen 1231 in Uri, 1294 in Schwyz und 1309 in Unterwalden sichtbar. 430 Sie ist oberste gesetzgebende, vollziehende und gerichtliche Gewalt. Teilnahmepflichtig ist grundsätzlich der mit 14 oder 16 Jahren erwachsene Mann. Zeitweise bestehen 80 Landsgemeinden, Ihre Zahl schrumpft bis 1997 auf vier (Appenzell-Innerrhoden, Appenzell- Außerrhoden, Glarus, Obwalden). Lit.: Ryffel, H., Die schweizerischen Landsgemeinden, 1903; Kellenberg, M., Die Landsgemeinden der schweizerischen Kantone, Diss. jur. Zürich 1965; Carlen, L., Die Landsgemeinde der Schweiz, 1976; Mockli, G., Die schweizerischen Landsgemeinde-Demokratien, 1987 Landsiedelrecht ist eine seit dem 13. Jh. vor allem in Hessen gebräuchliche, vielleicht aus dem römisch-italienischen Recht stammende Form der nicht erblichen bäuerlichen Leihe, die seit dem 16. Jh. erblich wird. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Thieme, H., Zum hessischen Landsiedelrecht, FS A. Schultze, 1934, 207; Welkoborsky, G., Das Solmser Landrecht, Archiv f. hess. Geschichte, N.F. 30 (1967/8), 1f., 28ff; Franz, E., Grangien und Landsiedel, FS G. Franz, 1967 Landshut ist die 1204 von Herzog Ludwig dem Kelheimer am Fuß des Hofbergs in den Auenwäldern der Isar gegründete Stadt, die zeitweise Sitz eines bayerischen Teilfürstentums ist und von 1800 bis 1826 die (1459/1472) in Ingolstadt gegründete, 1826 nach München verlegte Universität beherbergt. Lit.: Becher, H., Landshut, 1978; Strasser, S., Die Geschichte der juristischen Fakultät der Universität Landshut (1800-1826), 2001; Tausche, G./Ebermeier, W., Geschichte Landshuts, 2003; Die älteste Landshuter Universitätsbeschreibung von Franz Dionys Reithofer (1811), hg. v. Böhm, L, 2003; Von der Donau an die Isar, hg. v. Böhm, L. u. a., 2003 Landsknecht ist seit dem ausgehenden 15. Jh. der Söldner zu Fuß (aus kaiserlichen Landen?), der in der Mitte des 17. Jh.s dem staatlich gebundenen Söldner weicht. Lit.: Franz, G., Ursprung und Brauchtum der Landsknechte, MIÖG 61 (1953), 79; Möller, H., Das Regiment der Landsknechte, (Diss. phil. Frankfurt am Main) 1976; Kurzmann, G., Maximilian I. und das Kriegswesen, Diss. phil. Graz 1983; Baumann, R., Die Landsknechte, 1994; Rogg, M., Landsknechte und Reisläufer, 2002 Landstadt ist die unter der Herrschaft eines Landesherrn stehende Stadt. Die L. gehört den Landständen an. In den meisten Landstädten nimmt der Landesherr die Gesetzgebung ganz oder teilweise, die Verwaltung weitgehend und die Gerichtsbarkeit in der Form der Einfügung in den Instanzenzug in Anspruch. In der frühen Neuzeit wird die L. auf diese Weise mehr und mehr eine staatliche Einrichtung. Im 19. Jh. wird demgegenüber die -> Selbstverwaltung wieder belebt (Preußen 1808). Lit.: Lorenz, O., Über den Unterschied zwischen Reichsstädten und Landstädten, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 89 (1878), 17; Haberer, G., Verwaltungsvorschriften in den älteren Rechten südhessischer Landstädte, Diss. jur. Frankfurt 1981; Landesherrliche Städte im Südwesten, hg. v. Treffeisen, J. u. a., 1994; Vetter, K., Zwischen Dorf und Stadt, 1996 Landstände sind seit dem Hochmittelalter (z. B. 1231) die Vertreter gewisser Bevölke- rungsgruppen, die im Sinne eines Dualismus zusammen mit dem Landesherrn die Herrschaft über ein Land ausüben. Sie entwickeln sich aus den Besseren und Größeren des Landes (lat. meliores [M.Pl.] et maiores terrae), die in wichtigen Angelegenheiten (z. B. Kriegserklärung, Gebietsveräußerung, Steuer- bewilligung) mitwirken müssen. Zu ihnen gehören vor allem weltliche Adlige (Ritter), geistliche Adlige (Prälaten) und meist Städte sowie verschiedentlich auch Bauern (z. B. Tirol). Sie beraten auf dem -> Landtag. In der frühen Neuzeit verlieren sie fast überall (anders z. B. Württemberg) ihre Mitwirkungsrechte an den Landesherrn, der den Adel mit der Überlassung der patrimonialen Herrschaft über das Land, mit Offiziersstellen und höheren Beamtenstellen abfindet. Im 19. Jh. setzen sich die L. teilweise in einer ersten Kammer der konstitutionellen Monarchie fort (landstän- dische Verfassung). 1918 verlieren sie ihre zunächst noch verbliebenen Rechte gänzlich. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 111, 121, 149, 193; Baltl/Kocher; Mell, R., Abhandlungen zur Geschichte der Landstände im Erzbistum Salzburg, 1903; Spangenberg, H., Vom Lehnstaat zum Ständestaat, 1912; Croon, G., Die landständische Verfassung von Schweidnitz-Jauer, 1912; Krause, H., System der landständischen Verfassung Mecklenburgs, 1927; Brunner, A., Die Vorarlberger Landstände, 1929; Hermann, F., Die Aufhebung der Verfassung der hessen- darmstädtischen Landstände, 1933; Croon, H., Die kurmärkischen Landstände, 1938; Jappe Alberts, W., De staten van Gelre en Zutphen, 1950ff.; Bachmann, S., Die Landstände des Hochstifts Bamberg, 1962; Kuhna, R., 431 Die ständische Verfassung in den westfälischen Landesteilen Preußens und im Fürstbistum Münster 1780-1806, 1964; Sapper, N., Die schwäbisch- österreichischen Landstände und Landtage im 16. Jahrhundert, 1965; Reden-Dohna, A. v., Landständische Verfassung und fürstliches Regiment, 1974; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Schubert, E., Die Landstände des Hochstifts Würzburg, 1967; Brandt, H., Landständische Repräsentation im Vormärz, 1968; Lücke, J., Die landständische Verfassung im Hochstift Hildesheim, 1968; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969; Reichsstände und Landstände, hg. v. Rausch, H., 1975; Aretin, K. Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Putschögl, G., Die landständische Behördenorganisation in Österreich ob der Enns, 1977; Wunder, B., Landstände und Rechtsstaat, ZHF 5 (1978), 139; Quarthal, F., Landstände und landständisches Steuerwesen in Schwäbisch-Österreich, 1980; Lanzinner, M., Fürst, Räte und Landstände, 1980; Walz, R., Stände und frühmoderner Staat 1982; Fürbringer, C., Necessitas und libertas, 1985; Stollberg-Rilinger, B., Vormünder des Volkes?, 1999; Landschaften und Landstände in Oberschwaben, hg. v. Blickle, P., 2000 Landsturm ist in der frühen Neuzeit (Preußen 1813) das durch alle nicht beim Heer oder der Landwehr stehenden männlichen Staatsbürger zwischen 15 und 60 Jahren gebildete Aufgebot zur Landesverteidigung. Lit.: Franke, A., Das Landsturm-Edikt vom 21. 4. 1813, Diss. phil. Breslau 1923 Landtafel ist seit dem Spätmittelalter ein Verzeichnis von Urkundeninhalten über (landständische) Grundstücke. Im 13. Jh. findet sich eine L. in Böhmen, 1348 in Mähren, am Ende des 14. Jh.s. in Jägerndorf, 1730 in der Steiermark, 1746 in Kärnten, 1754 in Oberösterreich, 1758 in Niederösterreich und 1769/1783 im Breisgau. Die L. ist vielleicht vom Grundbuchgedanken beeinflusst. Eine übersichtliche Darlegung der rechtlichen Verhältnisse an einem Grundstück sichert sie nicht. Für das Grundbuchwesen des 19. Jh.s ist sie dennoch ein bedeutsamer Anknüpfungs- punkt. Daneben kann L. auch eine Landesordnung (Oberösterreich 1616, 1652) oder eine Bilddokumentation (Salzburg 1592, 1620, 1706, 1739) sein. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 142; Baltl/Kocher; Demelius, H., Die breisgauische Landtafel 1783, ZRG GA 74 (1957), 261; Strätz, H., Die oberösterreichische Landtafel von 1616/1629, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Zaisberger, F., Die Salzburger Landtafeln, 1990 Landtag ist seit dem späten Hochmittelalter die Versammlung (der Stände) eines Landes an einem bestimmten Tag, seit dem 19. Jh. die gewählte Volksvertretung eines Landes. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 111; Croon, G., Der rheinische Provinziallandtag, 1918; Hugelmann, K., Die österreichischen Landtage im Jahre 1848, Archiv f. österreich. G. 111 (1939), 114 (1938), 115 (1943); Franz, E., Bayerische Verfassungskämpfe, 1926; Vries, R. de, Die Landtage des Stiftes Essen, 1934; Grube, W., Der Stuttgarter Landtag 1457-1957, 1957; Sapper, N., Die schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im 16. Jahrhundert, 1965; Franz, G., Die Bauern in den Landtagen des 19. Jahrhunderts, FS K. Bosl, 1974, 28; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Teil 1f. 1979; Press, V., Landtag im alten Reich, Z. f. württemberg. LG. 39 (1986), 100; Schober, R., Geschichte des Tiroler Landtags, 1984; Kofler, W., Land, Landschaft, Landtag, 1985; Lange, U., Landtag und Ausschuss, 1986; Köck, P., Der bayerische Landtag 1946 bis 1986, 1988; Der bayerische Landtag, hg. v. Ziegler, W. u. a., 1995; Hildebrandt, T., Die brandenburgischen Provinziallandtage von 1841, 1843 und 1845, 2002 Landvogt ist seit dem späten 13. Jh. ein vom König zur Verwaltung gefährdeten Reichsgutes eingesetzter Vogt (in Oberschwaben, Niederschwaben, Oberelsass, Niederelsass, der Ortenau, der Wetterau, dem Speyergau, Nürnberg, Rothenburg und der Schweizer Waldstätte). Im 14. Jh. stellt auch Brandenburg Landvögte ein, im 19. Jh. Württemberg (1810- 1817). Lit.: Niese, H., Prokurationen und Landvogteien, 1904; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Hofacker, H., Die schwäbischen Reichslandvogteien, 1980 Landvogtei -> Landvogt Landwehr ist seit dem Hochmittelalter eine Gesamtheit von Erdwällen mit Gräben zur Verteidigung eines Landes oder kleineren Gebietes und auch die zur Landesverteidigung verpflichtete Bevölkerung. Lit.: Pelissier, E., Die Landwehr, in: Rund um Frankfurt, hg. v. Bingemar, H., 1924, 145; 800 Jahre Lemgo, hg. v. Johanek, P. u. a., 1990 Landwirtschaft ist die Nutzung von 432 Grundstücken zur Erzeugung pflanzlicher und tierischer Rohstoffe. Seit der Sesshaftwerdung sind die Menschen hauptsächlich in Ackerbau und Viehzucht tätig (-> Agrarverfassung). Im Altertum zeigt sich mit der Entwicklung von Stadtstaaten eine beachtliche wirtschaftliche Differenzierung. Sie findet sich auch in der -> Grundherrschaft und in der Stadtwirtschaft. Am Ende der frühen Neuzeit wird die L. (der -> Bauern) stark von der Industrie zurückge- drängt, während des 20. Jh.s auch von den Dienstleistungsberufen, so dass schon 1975 in der Bundesrepublik Deutschland nur noch 1,5 Millionen Menschen in der L. tätig sind. Seitdem ist ihre Zahl nochmals erheblich gesunken. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 77, 96, 133, 174, 224, 250, 252; Treue, W., Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit Caprivis, Diss. phil. Berlin 1933; Sering, M., Deutsche Agrarpolitik, 1934; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1935, 2. A. 1966; Below, G. v., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1937, 2. A. = Neudruck 1966; Lütge, F., Die Agrarverfassung des frühen Mittelalters im mitteldeutschen Raum, 1937, 2. A. = Neudruck 1963; Kroeschell, K., Landwirtschaftsrecht, 1963; Cherubini, G., Agricoltura, 1972; Steitz, W., Die Realbesteuerung der Landwirtschaft, 1976; Henning, F., Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft, Bd. 1 4. A. 1985, Bd. 2 1978; Astill, G./Grant, A., The Countryside of medieval England, 1988; Hauschildt, H., Zur Geschichte der Landwirtschaft im alten Land, 1988; Heß, K., Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Achilles, W., Landwirtschaft in der frühen Neuzeit, 1991; Rösener, W., Agrarwirtschaft, 1992; Scheidel, W., Grundpacht und Lohnarbeit, 1994; Agriculture in the Middle Ages, hg. v. Sweeney, D., 1995; Agrargeschichte, hg. v. Troßbach, W. u. a., 1998; Noel, G., Le Conseil de l'Europe et l'agriculture, 1999; Howkins, A., The Death of Rural England, 2003 Landwirtschaftliche Produktionsgenossen- schaft ist die zwangsweise eingerichtete Genossenschaft in der verstaatlichten Landwirtschaft der -> Deutschen Demokra- tischen Republik. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Landwirtschaftsrecht ist das seit dem 19. Jh. allmählich als Einheit erkennbare Recht der Landwirtschaft. Lit.: Köbler, DRG 205 Landzwang ist seit dem Spätmittelalter die von der Lebensführung landschädlicher Leute ausgehende Gefährdung, der im Reichsstrafgesetzbuch von 1871 die §§ 240, 126 entsprechen. Lit.: John, R., Über Landzwang, 1852; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 216 Lanfrancus (Pavia 1005?-Canterbury 24./28. 5. 1089?), Adligensohn, wird nach dem Studium der (lat.) artes (F.Pl.) liberales Kenner des Rechtes, 1039 Lehrer in Avranches, 1042 Mönch und 1045 Prior in Bec sowie 1070 Erzbischof von Canterbury. Durch Urkun- denfälschungen erreicht der gesuchte Gelehrte und führende Theologe den Vorrang des Erzbistums Canterbury in England. Lit.: Montclos, J. de, Lanfranc et Bérenger, 1971; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Lang, Karl Heinrich Ritter von (Balgheim 7. 7. 1764-Ansbach 26. 3. 1835), Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Altdorf (Malblanc) 1789 Sekretär, 1795 Archivar und 1799 ansbachischer, dann bayerischer Rat, Archivar und Kreisdirektor. Er verfasst eine Reihe rechtsgeschichtlicher Arbeiten (z. B. Historische Entwicklung der deutschen Steuerverfassung, 1793, Neudruck 1966). Lit.: Raumer, K. v., Der Ritter von Lang und seine Memoiren, 1923 Langdell, Christopher Columbus (1826-1906), 1870-1895 Professor an der Harvard University, lehrt das amerikanische Recht nach der sokratischen Lehrmethode (im Recht), nach der an Hand ausgewählter Entscheidungen induktiv Grundsätze ermittelt werden, die ihrerseits deduktiv der Lösung neuer Fälle dienen. Lit.: Gilmore, G., Ages of American Law, 1977 Langobarde ist der Angehörige des germanischen Volk, das von Norddeutschland nach Italien zieht (568) und große Teile Oberitaliens und Mittelitaliens beherrscht. 774 unterliegen die Langobarden Karl dem Großen, selbständig bleibt nur der Dukat Benevent. Mit dem 12. Jh. werden die Langobarden aufge- sogen. An sie erinnert noch die Lombardei. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 67; Pflugk- Hartung, J. v., Die Thronfolge im Langobardenreiche, ZRG GA 8 (1887), 66; Bruckner, W., Die Sprache der Langobarden, 1895; Kjer, C., Overretssagfrer, 1898, 1900; Morossi, C., L'assemblea nazionale del regno Langobardo-Italico, Rivista di storia del diritto Italiano 9 (1936), 3; Bognetti, G., L'Et longobarda, Bd. 1ff. 433 1966ff.; Winterer, H., Die Stellung des unehelichen Kindes in der langobardischen Gesetzgebung, ZRG GA 87 (1970), 32; Cavanna, A., Fara sala arimannia nella storia di un vico longobardo, 1967; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Jarnut, J., Geschichte der Langobarden, 1982; Scardigli, P., Goti e Longobardi, 1987; Langobardia, 1990; Francovich Onesti, N., Vestigia longobarde in Italia (568-774), 1999 Langobardisches Recht ist das Recht der Langobarden. Nach älteren Gewohnheiten (gawarfide) wird am 22. 11. 643 das Edikt (lat. edictus [M.]) Rotharis angenommen, das spätere Könige vielfach ergänzen. In Pavia wird dieses Recht vielleicht ständig gepflegt. Möglicherweise um 1054 entsteht dort die hierauf beruhende Sammlung (lat.) Liber (M.) Papiensis, die Lehnrecht einschließt. Hierzu bildet sich wenig später eine (lat.) Expositio (F.) mit erläuternden Abhandlungen zu einzelnen Bestimmungen und eine (lat.) -> Lombarda (F.) genannte Systematisierung, die im 13. Jh. von Karolus de Tocco in Süditalien kommentiert wird. Das langobardische Lehnrecht wird in den (lat.) Libri (M.Pl.) feudorum zusammengefasst und später den Novellen (Justinians) angefügt. Lit.: Anschütz, A., Die Lombarda-Commentare des Ariprand und Albertus, 1855; Neumeyer, K., Notizen zur Literaturgeschichte des longobardischen Rechts, ZRG GA 20 (1899), 249; Lehmann, K., Handschriften des langobardischen Lehnrechts, ZRG GA 21 (1900), 232; Seckel, E., Quellenfunde zum lombardischen Lehenrecht, FS Otto Gierke, 1910; Mayer, E., Asto animo, ZRG GA 38 (1917), 300; Schupp, A., Die Stellung der Frau im langobardischen Recht, Diss. jur. Bonn 1952; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Die Gesetze der Langobarden, hg. v. Beyerle, F., 2. A. 1962; Löfstedt, B., Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Vaccari, P., Diritto langobardo, in: Ius Romanum medii aevi, I 4b ee, 1964; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Löfstedt, B., Ein textkritisches Problem in den langobardischen Gesetzen, ZRG GA 93 (1976(, 319; Rivers, T., Symbola, manumissio et libertas Langobardorum, ZRG GA 95 (1978), 57; Cavanna, A., La civilt giuridica longobarda, 1978; Origo gentis Langobardorum, hg. v. Bracciotti, A., 1998; Giese, W., Untersuchungen zur Herrschaftsnachfolge in langobardischen Herzog- und Fürstentümern, ZRG 119 (2002), 44; Meyer, C., Langobardisches Recht nördlich der Alpen, TRG 71 (2003), 387; Priester, K., Die Geschichte der Langobarden, 2004 Languedoc (aus langue d'oc [Sprache des ja]) ist ein westlich der unteren Rhone gelegenes Gebiet, das um 415 n. Chr. an die Westgoten, danach an die Franken fällt. Es bildet im Hochmittelalter die Grafschaft Toulouse. Lanze ist eine (Stichwaffe und) Wurfwaffe, die auch rechtssymbolisch verwendet werden kann. Zu den Reichskleinodien des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) zählt die heilige Lanze (von Burgund). Lit.: Boeheim, W., Handbuch der Waffenkunde, 1890; Hofmeister, A., Die heilige Lanze, 1908; Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Wegener, W., Die Lanze des heiligen Wenzel, ZRG GA 72 (1955), 56; Rexroth, K., Die Herkunft der heiligen Lanze, in: Nationes, Bd. 3 1977 Lappe ist der Angehörige eines nichtindogermanischen, in der Gegenwart über die Nordgebiete Norwegens, Schwedesn, Finnlands und Westrussland verteilten Volkes. Lit.: Solem, E., Lappiske Rettsstudier, 1933 Larenz, Karl (Wesel 23. 4. 1903-München 24. 1. 1993) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Kiel (1933) und München (1960). Anfangs idealistisch dem Nationalsozialismus zugetan, entwickelt sich Larenz zu einem führenden Privatrechtslehrer der zweiten Hälfte des 20. Jh.s. Lit.: Juristen im Portrait, 1988, 495; Frassek, R., Von der ,,völkischen Lebensordnung" zum Recht, 1996; Frassek, R., Karl Larenz, JuS 1998, 296; Hartmann, F., Das methodologische Denken bei Karl Larenz, 2001 Lasker, Eduard (Jarotschin 14. 10. 1829-New York 5. 1. 1884) ist nach dem Rechtsstudium in Breslau und Berlin der Jurist und Publizist, der als nationalliberaler Abgeordneter des deutschen Reichstages dem Reich die Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht eröffnet. Lit.: Köbler, DRG 183; Laufs, A., Eduard Lasker, 1984; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg.v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 249 Laski, Jan (1455-1531), 1480 Notar, 1503 Großkanzler in Polen, veröffentlicht 1506 eine Sammlung der Gesetze des Königreichs Polen. Lit.: Kaczmarczyk, Z., O kancler zu Jan Laski, 1955 Lassalle, Ferdinand (Breslau 11. 4. 1825-Genf 31. 8. 1864), Tuchhändlerssohn einer Familie 434 aus Loslau, wird nach dem Studium von Philosophie, Philologie und Geschichte in Breslau und Berlin (1842-46) theoretischer Arbeiterführer (1863 Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein). Lit.: Köbler, DRG 177; Ramm, T., Ferdinand Lassalle, 1953; Ramm, T., Ferdinand Lassalle (1825-1864), in: Nova, F., Lassalle als sozialistischer Theoretiker, 1980; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 117; Ramm, T., Ferdinand Lassalle, 2004 Lassite ist in der frühen Neuzeit ein freier, abgabenpflichtiger, grundherrlicher Bauer mit erblichem Nutzungsrecht. Lit.: Hübner § 45; Schultze, J., Die Mark Brandenburg, Bd. 5 1969, 156 Lassberg, Friedrich von (Lindau 13. 5. 1798- Sigmaringen 30. 6. 1838), Freiherrnsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Jena Verwaltungsbeamter. 1840 veröffentlicht er posthum den sog. Schwabenspiegel nach einer unvollständigen Handschrift aus der Burg der Rucken von Tanneck zu Weinfelden im Thurgau und zu dem restlichen Drittel nach einer Züricher Handschrift. Lit.: Der Schwabenspiegel, hg. v. Lassberg, F. Frhr. v., 1840, Neudruck 1916; Stutz, U., Freiherr Joseph von Laßberg, Jacob Grimm und das deutsche Recht, ZRG GA 52 (1932), 338; Bader, K. u. a., Joseph von Lassberg, 1955 Lastenausgleich ist ein allgemeiner Ausgleich der Schäden oder Verluste, die sich infolge der Vertreibungen und Zerstörungen der Kriegszeit und Nachkriegszeit des zweiten Weltkrieges ergeben haben oder in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands oder im sowjetischen Sektor in Berlin entstanden sind (z. B. durch Kriegsschadenrente, Eingliede- rungsdarlehen oder Hausratentschädigung, Gesetz vom 14. 8. 1952, Leistungen in Höhe von 126 Mrd. DM bis 1998). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Müller, C., Praxis und Probleme des Lastenausgleichs, 1997; Gallenkamp, G., Der Lastenausgleich, NJW 1999, 2486; Oldenhage, K., Lastenausgleich (1948-1900), 2002 Lasterstein ist ein spätmittelalterliches Strafwerkzeug für Ehrenstrafen. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 2, 315 Late ist in Sachsen im Hochmittelalter wohl der Freigelassene. Lit.: Hübner 356; Lütge, F., Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1952, 97 Lateinisch ist die Sprache der aus Sabinern und Latinern zusammengesetzten Römer. Das Lateinische wird vom westlichen Christentum übernommen. Es ist die Schreibsprache bis ins Hochmittelalter und die Wissenschaftssprache bis ins 19. Jh. Im 18. Jh. ersetzen deutsche Vorlesungen, im 19. Jh. deutsche Vorle- sungsverzeichnisse ihre lateinischen Vor- gänger. Am Ende des 20. Jh.s wird fast durchwegs auf Latein als Studienvoraussetzung für Juristen verzichtet. Lit.: Köbler, DRG 10, 80, 102, 105; Köbler, LAW; Thesaurus linguae latinae, Bd. 1ff (1998 bis perm...); Löfstedt, B., Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Hattenhauer, H., Zum Übersetzungsproblem im hohen Mittelalter, ZRG GA 81 (1964), 341; Langosch, K., Die deutsche Literatur des lateinischen Mittelalters, 4. A. 1983; Schulze, U., Lateinisch-deutsche Parallelurkunden des 13. Jahrhunderts, 1975; Pick, E., Aufklärung und Erneuerung des juristischen Studiums, 1983; Vossen, L., Mutter Latein und ihre Töchter, 13. A. 1992; Stotz, P., Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters, Bd. 1ff. 1996ff.; Einleitung in die lateinische Philologie, hg. v. Graf, F., 1997; Benke, N., Juristenlatein, 1997; Latein für Jurastudenten, von einem römischen Bürger (Adomeit, K.), 1997; Einleitung in die lateinische Philologie, hg. v. Graf, F., 1997; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998; Riemer, P. u. a., Einführung in das Studium der Latinistik, 1998; Kindermann, U., Einführung in die lateinische Literatur des mittelalterlichen Europa, 1998; La transizione dal latino alle lingue romanze, hg. v. Herman, J., 1998; Götz, H., Lateinisch-althochdeutsch-neuhochdeutsches Wörter- buch, 1999; Fuhrmann, M., Latein und Europa, 2001; Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, Bd. 1 hg. v. Suerbaum, W., 2002; Lateinische Lehrer Europas, hg. v. Ax, W., 2005; Mader, M., Lateinische Wortkunde, 3. A. 2005 Lateran ist der Sitz des Papstes in Rom seit der sog. -> konstantinischen Schenkung (326-1308, 1586ff. Sommerresidenz). Der L. gehört zu der 1929 gebildeten Vatikanstadt. Lit.: Erler, A., Lupa, lex und Reiterstandbild im mittelalterlichen Rom, 1972 Lateransynode ist ein im -> Lateran abgehaltenes Konzil (313, 487, 649, 769, 774, 823, 1049, 1059, 1060, 1079, 1102, 1105, 1110, 1112, 1116). Ökumenische Konzile finden 1122-1123, 1139, 1179, 1215 und 1512- 435 1517 statt. Lit.: Deslandres, P., Les grandes conciles de Latran, 1913; Foreville, R., Lateran I - IV, 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Latifundium (N.) Großgrundeigentum Lit.: Köbler, DRG 16 Latiner -> lateinisch, Römer Lit.: Kaser §§ 13, 16, 68, 71; Köbler, DRG 16, 57 latro (lat. [M.]) Straßenräuber Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Grünewald, T., Räuber, Rebellen, Rivalen, Rächer, 1999 Latium ist das am tyrrhenischen Meer gelegene Siedlungsgebiet der Latiner, das in der -> pippinischen Schenkung 754 an den -> Kirchenstaat des Papstes gelangt. Laudemium (lat. [N.]) ist in Spätmittelalter und früher Neuzeit eine unterschiedlich bezeichnete Abgabe bei Besitzwechsel eines Leihegutes. Lit.: Henning, F., Dienste und Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969 Lauenburg ist eine 1182 von den Askaniern (- > Anhalt) erbaute Burg. Das in Anlehnung hieran entstehende Herzogtum kommt 1689 an Celle-Lüneburg bzw. 1705 Hannover und 1815 bzw. 1864ff. an Preußen. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Prange, W., Siedlungsgeschichte des Landes Lauenburg im Mittelalter, 1960; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2906; Hempel, B., Der Entwurf einer Polizeiordnung für das Herzogtum Sachsen-Lauenburg aus dem Jahre 1591, 1980; Hillmann, J., Territorialrechtliche Auseinandersetzungen der Herzöge von Sachsen-Lauenburg, 1999 Launegild ist im -> langobardischen Recht die (symbolische) Lohngabe für eine Gabe (Schenkung). Lit.: Hübner § 82; Köbler, WAS; Pappenheim, M., Launegild und Gairethinx, 1882; Val de Livre, Revision der Launegildstheorie, ZRG GA 4 (1883), 15; Rhee, F. van der, Die germanischen Wörter in den langobardischen Gesetzen, 1970, 94 Lausanne am Genfer See geht auf eine römische Siedlung zurück. Um 600 wird es Sitz eines Bischofs. 1334 erlangt es die Stellung einer Reichsstadt. 1536 fällt es an Bern. 1537 wird eine Universität eingerichtet. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Grandjean, M., La ville de Lausanne, 1965ff.; Anex-Cabanis, D., La vie économique Lausanne, 1978 ; Histoire de Lausanne, hg. v. Blaudet, J., 1986; Gratiae fructus. 100 Jahre deutscher Rechtsunterricht, hg. v. Altherrenschaft, 1997 Lausitz Lit.: Oberlausitzer Forschungen, hg. v. Reuther, M., 1961 Läuterung ist in Sachsen seit dem 15. Jh. die Erklärung einer nicht deutlich genug vorgebrachten Willensäußerung (des Klägers oder Beklagten). Seit dem 16 Jh. entwickelt sich die L. zu einem ordentlichen frist- gebundenen und schriftbedürftigen Rechtsmittel innerhalb der entscheidenden Instanz (neben der Appellation). Sie wird erst 1877/1879 beseitigt. Lit.: Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274 Law French ist die normannisch geprägte altfranzösische Juristensprache des -> englischen Rechts. Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Kerber, K., Sprachwandel im englischen Recht, 1997; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000 Lebendig begraben ist eine im späten Mittelalter bezeugte, bis in das 17. Jh. (selten) vollzogene Strafe. Ältere Vorläufer sind zweifelhaft. Lit.: Liebermann, F., Ein Ordal des lebendig Begrabens, ZRG GA 19 (1898), 140; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965, 62 Lebensalter -> Alter Lebensfähigkeit ist die Fähigkeit nach der Geburt (selbständig) zu leben. Sie wird im Mittelalter vielfach für die Rechtsfähigkeit vorausgesetzt. Im gelehrten Recht ist sie streitig, wird aber vom Code civil verlangt. Lit.: Kaser § 72 II; Hübner 54 Lebensmittelrecht ist das die zum Leben des Menschen erforderlichen oder geeigneten Nahrungsmittel betreffende Recht. Es wird in der römischen und hochmittelalterlichen Stadt sichtbar, in der Amtsträger Aufsichtsbefugnisse über den Markt haben. Zahlreiche Bestimmungen hierzu enthalten die Landesordnungen bzw. Polizeiordnungen der frühen Neuzeit. Verstöße gegen das L. werden mit Bußen und Strafen belegt. Lit.: Heidinger, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt 436 Zürich im Mittelalter, 1910; Bruder, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt Basel im Mittelalter, 1909; Siebert, L., Die Lebensmittelpolitik der Städte Baden und Brugg im Aargau, 1911; Lindlar, J., Die Lebensmittelpolitik der Stadt Köln im Mittelalter, Diss. phil. Münster 1913; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 43; Lebensmittelrechts-Handbuch (Lbl.), hg. v. Streinz, R. , 1994 Lebus Lit.: Ludat, H., Das Lebuser Stiftsregister von 1405, 1965 Le Conte (Contius), Antoine (1517-1586), Königsbeamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges (Baron) 1557 Professor in Bourges, 1570 in Orléans und 1574 in Bourges. Er veröffentlicht textkritisch römisches und kirchliches Recht. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,1977,775 Ledigmann -> (lat.) homo (M.) ligius Leeds erhält 1626 Stadtrecht. 1890 wird eine Universität eingerichtet Leeuwen, Simon van (Leiden 1626-1682) wird nach dem Rechtsstudium in Leiden Anwalt, Sekretär und Gerichtsschreiber. Er verfasst eine niederländische Darstellung des römisch- holländischen Rechts (lat. Paratitla [N.Pl.] iuris novissimi, 1652, Het Rooms-Hollands-Recht, 1664) und eine lateinische Zusammenfassung des geltenden römischen Rechts ([lat.] Censura [F.] forensis theoretico-practica, 1662), die trotz ihres geringen wissenschaftlichen Wertes das niederländische Recht bedeutsam beeinflussen. Lit.: Simon van Leeuwen, Censura, hg. v. Hewett, M., 1991 Legaldefinition ist die von einem Gesetz gegebene Inhaltsbestimmung eines Rechtswor- tes (vielleicht ab der Lüneburger Reformation des Heinrich Husanus von 1577). Lit.: Ebel, F., Über Legaldefinitionen, 1974 Legalitätsprinzip ist der im 19. Jh. entwickelte Grundsatz, dass die Staatsanwaltschaft, soweit nicht gesetzlich ein Anderes bestimmt ist, verpflichtet ist, wegen aller verfolgbaren Streitigkeiten einzuschreiten, sofern zurei- chende tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Straftat vorliegen. Das L. wird seit etwa 1860 (Sundelin, Die Staatsanwaltschaft, 1860, 57) im Gegensatz zum bislang geltenden -> Opportunitätsprinzip verlangt. 1877 wird das L. gesetzlicher Grundsatz, doch werden ver- schiedene Ausnahmen zugelassen. Lit.: Richter, E., Die Entwicklung des Legalitätsprinzips, Diss. jur. Göttingen 1925; Hertz, F., Die Geschichte des Legalitätsprinzips, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1935; Schürer, K., Die Entwicklung des Legalitätsprinzips, Diss. jur. Hamburg 1965; Schroeder, F., Legalitäts- und Opportunitätsprinzip heute, FS K. Peters, 1974, 411 Legal realism (Rechtsrealismus) ist im (anglo- )amerikanischen Recht die seit etwa 1930 erkennbare tatsächliche Betrachtungsweise von Grundsätzen und Regeln in der Wirklichkeit (z. B. Llewellyn 1893-1962). Lit.: Reich, N., Sociological Jurisprudence and Legal Realism im Rechtsdenken Amerikas, 1967; Rechtsrealismus, multikulturelle Gesellschaft und Handelsrecht, hg. v. Drobnig, U. u. a., 1994 Legat (M.) Gesandter Lit.: Kroeschell, DRG 2 Legat (N.) Vermächtnis Legatum (lat. [N.]) ist das bereits im altrömischen Recht in vier Formen mögliche -> Vermächtnis. Lit.: Kaser § 76; Köbler, DRG 23, 38; Köbler, LAW Legatum (N.) per damnationem (Damnationslegat) ist das wohl spätere Vermächtnis schon des altrömischen Rechts, bei dem vielleicht der (lat.) familiae emptor (M.) (treuhänderischer Vermögenskäufer) dem Bedachten nur für eine bestimmte Geldsumme, später auch für andere Leistungen haften soll. Lit.: Kaser §§ 32, 33, 76; Köbler, DRG 23 Legatum (N.) per praeceptionem (lat.) ist schon im altrömischen Recht das Vorwegnahmevermächtnis zugunsten eines Miterben. Lit.: Kaser §§ 76; Köbler, DRG 23 Legatum (N.) per vindicationem (lat.) ist schon im altrömischen Recht das Vermächtnis, bei dem der Begünstigte (lat. [M.] legatarius) im Todesfall die Sache unmittelbar erwerben soll, so dass er sie von jedermann herausverlangen kann (Vindikation). Lit.: Kaser 28, 29, 76; Köbler, DRG 23 legatum (N.) sinendi modo (lat.) Zulassungsvermächtnis Lit.: Kaser § 76; Köbler, DRG 23 leges (lat. [F.Pl.]) sind die Gesetze. -> lex Lit.: Kaser §§ 2, 3, 9; Kroeschell, DRG 1, 2 leges (F.Pl.) barbarorum (lat.) Gesetze 437 (Rechte) der germanisch/germanistischen Völker Leges (F.Pl.) Edwardi confessoris (lat.) ist ein vermutlich um 1130 lateinisch geschriebenes Buch vielleicht eines Geistlichen französischer Herkunft, das angeblich die Darlegung der Gesetze König Eduard des Bekenners (1042- 1066) im Jahre 1070 durch zwölf Geschworene enthält. Sein Inhalt dürfte von der Rechts- wirklichkeit abweichen. Lit.: Liebermann, F., Über die Leges Edwardi Confessoris, 1896; Plucknett, T., Early English Legal Literature, 1958 Leges (F.Pl.) Henrici Primi (lat.) ist ein lateinisches, systematisches, jedoch nicht besonders überzeugend gelungenes Rechtsbuch des in England unter König Heinrich I. (1100- 1135) geltenden Rechts (Gerichtsverfassung, Kirche, Strafe, Verfahren, Lehen, Grundstücke) vielleicht eines französischen Geistlichen in Wessex (Winchester?) um 1115. Vermutlich verfasst derselbe auch den sog. (lat. [M.]) -> Quadripartitus. Lit.: Liebermann, F., Ein ungedrucktes Vorwort zu den Leges Henrici I., ZRG GA 3 (1882), 127; Plucknett, T., Early English Legal Literature, 1958; Leges Henrici Primi, hg. v. Downer, L., 1972; Korte, G., Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze, 1974 leges (F.Pl.) Iuliae iudiciorum privatorum (lat.) -> lex Iulia iudiciorum Lit.: Kaser §§ 80 II 4b, 82 III 2b; Söllner § 9 Leges (F.Pl.) Langobardorum (lat.) sind die Gesetze der Langobarden, durch die seit 643 das -> langobardische Recht als Gesetz festgelegt wird. -> Volksrecht Lit.: Köbler, DRG 82; Leges Langobardorum, hg. v. Bluhme, F., 1868, Neudruck 1925; Tamassia, N., Römisches und westgotisches Recht in Grimowalds und Liutprands Gesetzgebung, ZRG GA 18 (1897), 148; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Langobardorum, 1977 Leges (F.Pl.) Romanae (lat.) sind die Rechtsaufzeichnungen der germanisch/germa- nistischen Völker für die in ihrem Gebiet lebenden Römer (Lex Romana Visigothorum, Lex Romana Burgundionum). Lit.: Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953 Leges (F.Pl.) Upstalsbomicae (lat.) ist der 1617 von Siccama verwendete Name für die am 18. 9. 1323 von den Vertretern der friesischen Landschaften auf dem Upstalsbom bei Aurich beschlossenen, wohl nur kurzfristig wirksamen Rechtssätze (u. a. Bußen, Wergelder, Friedensgelder, Strafen) auf der Grundlage von vielleicht bis in das 11. Jh. zurückreichenden gemeinfriesischen Beschlüs- sen. Lit.: Richthofen, K., Untersuchungen über friesische Rechtsquellen, Bd. 1 1880, 250; Heck, P., Altfriesische Gerichtsverfassung, 1894, 361; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981 Leges Visigothorum -> Lex Visigothorum Legisactio (lat. [F.]) ist im altrömischen und klassisch-römischen Recht (bis 17 v. Chr., lex Iulia iudiciorum privatorum) die zulässige Verfahrensform. Es werden dabei (5) verschiedene Legisaktionen unterschieden, zu denen genau vorgeschriebene Spruchformeln gehören. Nach dem Vorbringen des Verfolgers entscheidet der Magistrat darüber, ob die Rechtsordnung für das Begehren einen Schutz (lat. [F.] -> actio) enthält. Lit.: Kaser §§ 80 II 2, 81, 82 II 5c, d, 84 I 1, 85 I; Köbler, DRG 19, 20, 32, 224; Lévy-Bruhl, H., Recherches sur les actions de la loi, 1960; Wolf, J., Die literarische Überlieferung der Publikation der Fasten und Legisaktionen durch Gnaeus Flavius, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen 1980, Nr. 2 Legisactio (F.) per condictionem (lat.) ist die etwas jüngere Legisaktion durch Ansage des altrömischen Rechts, die beispielsweise für Stipulation, Darlehen oder Litteralkontrakt auf eine bestimmte Leistung eröffnet ist und durch Ansagen eines neuen Termines zur Einsetzung einer Entscheidungsperson innerhalb von 30 Tagen (Frist für eine freiwillige Erfüllung) vor dem Prätor geschieht. Lit.: Kaser §§ 32 II 4a, 81 II 3; Söllner § 9; Köbler, DRG 19 Legisactio (F.) per iudicis arbitrive postulationem (lat.) ist die Legisaktion durch Anfordern eines Richters oder Schlichters im altrömischen Recht (z. B. bei [lat.] sponsio - stipulatio [Versprechen] oder Erbengemein- schaftsteilung). Lit.: Kaser §§ 32 II 4a, 81 II 2; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 19 Legisactio (F.) per manus iniectionem (lat.) ist die Legisaktion durch Handanlegen im altrömischen Recht. Sie dient der Vollstreckung in die Person. 438 Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 81 III 1; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 19, 20 Legisactio (F.) per pignoris capionem (lat.) ist die Legisaktion durch Pfandergreifung im altrömischen Recht. Sie steht für die Vollstreckung in Sachen in einigen Fällen zur Verfügung. In anderen Fällen ist der eigenmächtige Zugriff auf die Sache erforderlich. Lit.: Kaser §§ 80 II 2, 81 III 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 19, 20 Legisactio (F.) sacramento in personam (lat.) bzw. in rem (lat.) ist die Legisaktion durch Eid entweder auf eine Person oder auf eine Sache im altrömischen Recht. Sie erfordert das Setzen einer feststehenden, (je nach Streitwert von über oder unter 1000 As) 500 oder 50 As d. h. 5 Rinder oder 5 Schafe betragenden Summe durch jeden der Streitteile, die der Unterliegende als Sühne für den nachträglich durch den Ausgang als falsch erwiesenen Eid, mit dem er ursprünglich seine Behauptung bekräftigt, an den Staatsschatz verliert. Lit.: Kaser §§ 22 II 1b, 32 II 2c, 81 II 1a, b; Söllner § 9; Köbler, DRG 19, 25; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Zlinsky, J., Gedanken zur legisactio sacramento in rem, ZRG RA 106 (1989), 106 Legisaktion (römische Verfahrensform) -> legisactio Legislation (F.) Gesetzgebung Lit.: Daube, D., Forms of Roman Legislation, 1966 Legislative ist die gesetzgebende Gewalt im gewaltengeteilten Staat. Lit.: Köbler, DRG 190f. legislator (lat. [M.]) Gesetzgeber Lit.: Köbler, DRG 69; Köbler, LAW Legist (M.) Kenner des römischen Gesetzesrechts (seit dem Hochmittelalter) Lit.: Kroeschell, DRG 2; Weigand, R., Die Naturrechtslehre der Legisten und Dekretisten, 1967; Weimar, P., Die legistische Literatur und die Methode des Rechtsunterrichts der Glossatorenzeit, Ius commune 2 (1969), 43; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Legistik -> Legist Legitimation ist der Nachweis der Berechtigung eines Verhaltens oder eines Zustandes, insbesondere die Verschaffung der Stellung eines ehelichen Kindes für ein nichteheliches Kind. Bereits der spätrömische Kaiser Konstantin (306-337) und andere stellen durch nachfolgende Eheschließung Konkubi- nenkinder ehelichen Kindern gleich. Das gleiche Ergebnis wird durch Eintritt in den Zwangsstand der Gemeinderäte und in bestimmten Fällen durch öffentlichen Gnadenakt (538) hergestellt. Dies wird seit dem 12. Jh. (Alexander III. 1159-1181) aus dem römischen Recht in das Kirchenrecht und danach in das weltliche Recht (Nürnberg 1522) übernommen, in Deutschland 1998 beseitigt. Lit.: Kaser § 61 II 2b; Hübner 715; Köbler, DRG 121; Koch, K., Legitimatio per subsequens matrimonium, 1897; Kogler, F., Beiträge zur Geschichte der Rezeption und der Symbolik der legitimatio per subsequens matrimonium, ZRG GA 25 (1904), 94; Kogler, F., Die legitimatio per rescriptum von Justinian bis zum Tode Karls IV., 1904; Weitnauer, A., Die Legitimation des außerehelichen Kindes, 1940; Beumann, H., Die sakrale Legitimierung des Herrschers im Denken der ottonischen Zeit, ZRG GA 66 (1948), 1; Herkunft und Ursprung, hg. v. Wunderli, P., 1991 Legitimität ist die seit Beginn des 19. Jh.s erfasste Rechtmäßigkeit einer Herrschaft. Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 677; Gauland, A., Das Legitimitätsprinzip, 1971; Würtenberger, T. jun., Die Legitimität staatlicher Herrschaft, 1973; Schliesky, U., Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004 Lehen, Lehn, ist ein leihweise von einem (adeligen oder freien) Lehnsherrn (z. B. dem König) einem adligen oder freien Lehnsmann (z. B. dem Herzog) unter Sicherung zur (lebenslangen) Nutzung gegen Treue und Dienste (vor allem Waffendienste) überlassenes (Land, Amt oder sonstiges) Recht (z. B. das Herzogtum). Es entsteht im Frühmittelalter nach herkömmlicher Ansicht aus personen- rechtlicher Vasallität und sachenrechtlichem Benefizium. Bei der Vasallität (von kelt. gwas Knecht) übernimmt nach einem Ergebungsakt (Kommendation) der Herr Schutz und Unterhalt des Vasallen gegen Gehorsam und (militärische) Dienste. Bei dem Benefizium gibt ein Mächtiger Land (oder andere Gegenstände) zur Nutzung an andere gegen Dienste und Unterstützung. Mit der Verschmelzung von Vasallität und Benefizium wird Land hauptsächlich an Vasallen gegeben und erhalten Vasallen zunächst in erster Linie Land. Das vertraglich zu begründende Lehnsverhältnis ist grundsätzlich höchstper- 439 sönlich, endet also mit dem Tode jedes Beteiligten, neigt aber allmählich zur Erblichkeit (Quierzy 877 Leihezwang, 1037 Erblichkeit kleinerer Lehen), wodurch es für den Lehnsherrn an Wert verliert. Seit dem 9. Jh. wird die Stellung als Graf zu L. gegeben, später jedes andere Amt. Auf diese Weise wird nach und nach die gesamte Verwaltung vom Lehnsprinzip durchdrungen. Beseitigt wird das L. im 19. Jh. durch Allodifikation (Herstellung von Eigentum) und das Ende des Heiligen Römischen Reiches (1806, in Österreich bäuerliche Lehen 1822, ritterliche Lehen 1868). Vom (adligen) L. trotz des Leihecharakters grundsätzlich zu trennen ist die (bäuerliche) -> Grundherrschaft. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 148; Hagemann, T., Einleitung in das gemeine, in Teutschland übliche Lehnrecht, 1787; Brunner, H., Der Reiterdienst und die Anfänge des Lehnswesens, ZRG GA 8 (1887), 1; Wasserschleben, Über die Sukzession in fuldische Lehne, ZRG GA 11 (1890), 151; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen, 1895ff.; Schmid, H., Lehn = Hufe, ZRG GA 44 (1924), 289; Pöhlmann, C., Das ligische Lehensverhältnis, ZRG GA 47 (1927), 678; Prausnitz, O., Feuda extra curtem, 1929; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Staedtler, E., Zum Sprachgebrauch der libri feudorum , ZRG GA 56 (1936), 361; Boutruche, R., Seigneurie et feodalité, 1959; Studien zum mittelalterlichen Lehenswesen, 1960; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Krawinkel, H., Untersuchungen zum fränkischen Benefizialrecht, 1936; Krawinkel, H., Zur Entstehung des Lehnwesens, 1936; Schabinger Freiherr von Schowingen, K., Das sankt gallische Freilehen, 1938; Ganshof, F., Qu'est-ce que la féodalité?, 2. A. 1947, 3. A. 1957; Goez, W., Der Leihezwang, 1962; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983, Neudruck 1989; Bechstein, F., Die Beziehungen zwischen Lehnsherr und Lehensträger in Hohenlohe, Diss. jur. Tübingen 1965; Droege, G., Landrecht und Lehnrecht im hohen Mittelalter, 1969; Schönberg, R. Frhr. v., Das Recht der Reichslehen im 18. Jahrhundert, 1977; Minninger, M., Von Clermont zum Wormser Konkordat, 1978; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung, 1978; Rödel, V., Reichslehnswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel, 1979; Schulze, R., Der nexus feudalis in Vernunftrecht und historischer Rechtsschule, ZRG GA 106 (1989), 68; Abels, R., Lordship and Military Obligation, 1988; Bisson, T., Medieval France and her Pyrenean Neighbours, 1989; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Hauser, S., Staufische Lehnspolitik, 1998; Heirbaut, D., Over lenen en families, 2000; Bachmann, M., Lehenhöfe von Grafen und Herren im ausgehenden Mittelalter, 2000; Spieß, K., Das Lehnswesen im hohen und späten Mittelalter, 2002 Lehnrecht ist die quellenmäßige Bezeichnung des Mittelalters für das Lehnsrecht. Der Sachsenspiegel gliedert sich beispielsweise in Landrecht und Lehnrecht. Lit.: Köbler, DRG 85, 101, 103, 104, 106, 112, 125, 163; Kaiserliches Lehnrecht. Die libri feudorum in der Fassung des Jodokus Pflanzmann, 1494, Neudruck 1989; Gierke, O., Belehnung des Mannesstammes mit Allmendstücken, ZRG GA 2 (1881), 198; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des sog. Magdeburger Lehnrechts, ZRG GA 14 (1894), 53; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933; Lehnrecht und Staatsgewalt im deutschen Hochmittelalter, eingeleitet v. Goez, W., 1969; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Kaiserliches Lehnrecht, hg. v. Altmann, U., 1989; Brancoli Busdraghi, P., La formazione storica del feudo Lombardo, 2. A. 1999; Iblher Ritter von Greiffen, N., Die Rezeption des lombardischen Lehensrechts, 1999 Lehnrechtsbuch -> Lehnsrechtsbuch Lehnsbrief ist die über die Bestellung eines Lehens seit dem (11. oder) 12. Jh. ausgestellte Urkunde. Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 69, 115 Lehnsbuch ist ein -> Lehen verzeichnendes Buch. Es findet sich anscheinend seit dem 9. Jh. Im Spätmittelalter wird es durch das Handlungen verzeichnende Lehnsregister ersetzt. Lit.: Lippert, W., Die deutschen Lehnbücher, 1903, Neudruck 1970; Lippert, W./Beschorner, H., Das Lehnbuch Friedrichs des Strengen 1349/50, 1903; Spieß, K., Das älteste Lehnbuch der Pfalzgrafen bei Rhein vom Jahr 1401, 1981 Lehnsdienst ist die Dienstleistung des Lehnsmannes (Heerfahrt, Hoffahrt, Ehrendienst). Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957,1972, 591 Lehnseid ist der vom Lehnsmann dem Lehnsherrn zu schwörende Eid. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht 440 der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 83 Lehnserneuerung ist die Neubegründung des Lehnsverhältnisses nach dem Tod eines Beteiligten mit dessen Nachfolger (bzw. einem neuen Beteiligten). Lit.: Goez, W., Lehnsrecht und Staatsgewalt im deutschen Hochmittelalter, 1969 Lehnsfähigkeit ist die Fähigkeit, ein Lehnsverhältnis einzugehen. Die L. setzt an sich Ritterlichkeit und Rittermäßigkeit der Lebensführung voraus. In der Rechtswirk- lichkeit sind aber vielfach Geistliche und Frauen sowie auch Bürger und Bauern in eingeschränktem Umfang in das Lehnswesen einbezogen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Paetz, K./Goede, C., Lehrbuch des Lehnrechts, 1825, 120; Frensdorff, F., Die Lehensfähigkeit des Bürger, 1894; Grabscheid, D., Die Bürgerlehen, Diss. phil. Frankfurt am Main 1957 Lehnsgericht ist das im Mittelalter für Angelegenheiten des Lehnswesens ausgebildete besondere Gericht, das sich aus Richter (meist der Lehnsherr) und Urteilern zusammensetzt (u. a. Reichshofrat). Es endet im 19. Jh. (Bayern 1808). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krieger, K., Die königliche Lehngerichtsbarkeit im Zeitalter der Staufer, DA 26 (1970), 400; Früh, M., Die Lehensgerichtsbarkeit der Reichsabtei Fulda, Hess. Jb. F. LG 49 (1999), 39 Lehnsgesetz ist ein das Lehen betreffendes Gesetz, wie es sich im Mittelalter etwa 1037, 1136, 1154, 1158 und 1338 sowie in der Neuzeit in der Form von Lehnsedikten oder Lehnsmandaten findet (Sachsen 1764, Baden 1807, Bayern 1808). Lit.: Lehmann, K., Consuetudines feudorum, 1896, Neudruck 1921 Lehnsherr -> Lehen, Herr Lehnsinvestitur -> Lehen, Investitur Lehnsmann -> Lehen Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2 Lehnspflicht -> Lehen, Lehnsrecht Lehnsprozess ist der Rechtsstreit um Rechte und Pflichten aus dem -> Lehen. Lit.: Kroeschell, DRG 1 Lehnspyramide ist der durch Lehen und teilweise Weitergabe (Unterverlehnung) entstehende pyramidenförmige Aufbau der Lehnsgesellschaft des Mittelalters und der frühen Neuzeit, die bereits bei Karl dem Großen auf etwa 2000 Vasallen und 30000 Aftervasallen berechnet wird. In der L. nimmt der König die erste Stelle vor geistlichen Fürsten, weltlichen Fürsten, freien Herren und Dienstmannen ein. Lit.: Köbler, DRG 85, 98; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972 Lehnsrecht ist die Gesamtheit der das Lehen betreffenden Rechtssätze und die Berechtigung an einem Lehen. Das L. entsteht durch die Vereinbarung zahlloser Lehnsverhältnisse gewohnheitsrechtlich sowie durch die -> Lehnsgesetze. Im Streitfall entscheidet das -> Lehnsgericht. Zeitweise führend ist das langobardische oder italienische L., das über an italienischen Universitäten ausgebildete Juristen auch in Gebiete nördlich der Alpen gebracht wird. Neben allgemeinerem L. besteht jeweils auch ein besonderes L. eines Lehnsherrn (z. B. Grafen von Katzenelnbogen). Durch Annahme des Titels Kaiser von Österreich (1804) bzw. durch Auflösung des Reiches 1806 endet das L. des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation), im 19. Jh. auch das L. der einzelnen deutschen Staaten. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 101, 112, 125; Moser, J., Von der Teutschen Lehens-Verfassung, 1774; Weber, G., Handbuch der in Deutschland üblichen Lehnsrechte, Bd. 1ff. 1807ff.; Homeyer, C., System des Lehnrechts der sächsischen Rechtsbücher, 1844; Eichhorn, K., Einleitung in das deutsche Privatrecht, 5. A. 1845; Lehmann, K., Consuetudines feudorum, 1896, Neudruck 1971; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983; Droege, G., Landrecht und Lehnrecht im hohen Mittelalter, 1969; Wyluda, W., Lehnrecht und Beamtentum, 1969; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen bei Rhein, 1978; Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 3 1984; Kroeschell, K., Lehnrecht und Verfassung, 1997; Plate, B., Lehnsrecht in Hartmanns Gregorius, Mediaevistik 10 (1997); Ibhlher Ritter von Greiffen, N., Die Rezeption des lombardischen Lehensrechts, 1999 Lehnsrechtsbuch, Lehnrechtsbuch, ist das Lehen und Lehnsrecht betreffende -> Rechtsbuch. Es tritt zuerst im langobar- disch/lombardischen Bereich auf (Obertus de Orto, Pavia 11./12. Jh.). Sein Inhalt wirkt sich 441 aber erst im späteren Mittelalter auf Deutschland aus. In einem engeren Sinn ist L. das an das Lehnsrecht des -> Sachsenspiegels angeschlossene Rechtsbuch ([lat.] -> Auctor [M.] vetus de beneficiis, 1221-1224). Das Lehnsrecht des Sachsenspiegels selbst wird (1272-1292) lateinisch übersetzt, in Bilderhandschriften aufgenommen, glossiert (Mitte 14. Jh.s) und mit einem -> Richtsteig versehen. Dem Sachsenspiegel folgen -> Deutschenspiegel und -> Schwabenspiegel und ein Teil der darauf aufbauenden Rechtsbücher. Selbständige Lehnsrechtsbücher finden sich in Estland und Livland (waldemar-erichsches Lehnrecht, 1315, ältestes livländisches Ritterrecht, 1355-77, mittleres livländisches Ritterrecht, systematisches livländisches Ritterrecht). Lit.: Bunge, F. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879; Lehmann, K., Consuetudines feudorum, 1896, Neudruck 1971; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990 Lehnsregister -> Lehnsbuch Lehnsretrakt ist die Ausübung eines Retraktrechtes eines Berechtigten bei entgeltlicher Veräußerung eines -> Lehens. Der L. ist später in verschiedenen Lehnsrechten möglich (z. B. 1609 im Reich). Lit.: Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983 Lehnsträger (lat. provasallus [M.]) ist ein anstelle des eigentlichen Lehnsinhabers (Lehnsmannes) die Rechte und Pflichten aus dem Lehen tragender Mensch (z. B. Vormund). Der L. tritt schon im Frühmittelalter auf (860). Lit.: Mitteis, H., Zur Geschichte der Lehnsvormundschaft, in: Die Rechtsidee in der Geschichte, 1957, 193 Lehnsverhältnis -> Lehen Lehnsvormundschaft -> Lehen, Vormund- schaft Lehnswesen -> Lehen Lit.: Söllner § 4; Kroeschell, DRG 1; Transehe- Roseneck, A. v., Zur Geschichte des Lehnswesens in Livland, 1903; Studien zum mittelalterlichen Lehnswesen, 1960; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961 Lehre -> herrschende Lehre Lehrfreiheit ist die Freiheit, die wissenschaftlich gewonnenen Einsichten und Überzeugungen frei zu verbreiten. Die L. ist als Grundrecht bereits in der Verfassung der Frankfurter Nationalversammlung (1848) enthalten. Lit.: Schmidt, W., Die Freiheit der Wissenschaft, 1929; Sterzel, D., Wissenschaftsfreiheit und Hochschul- organisation, Diss. jur. Gießen 1973 Lehrling ist der eine praktische Berufsausbildung (Lehre) durchlaufende junge Mensch. Der L. erscheint im 13. Jh. in Zunftordnungen der Städte. Seit dem 14. 8. 1969 ist der L. durch den Auszubildenden ersetzt. Lit.: Wissel, R., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, Bd. 1 1929, 137; Beyer, W., Die Entwicklung des Lehrlingsverhältnisses, 1938; Quef, P., Histoire de l'apprentissage, 1964; Wesoly, K., Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein, 1985 Lehrvertrag ist der für die Ausbildung eines - > Lehrlings geschlossene Vertrag. Er sieht lange Zeit ein besonderes Lehrgeld vor. Erst in jüngerer Zeit erhält der Lehrling eine Vergütung. Der L. endet regelmäßig mit Ablegung einer Gesellenprüfung. Lit.: Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im deutschen Mittelalter, 1934 Leibeigener ist der in -> Leibeigenschaft befindliche Mensch. Leibeigenschaft ist im neuzeitlichen deutschen Recht die meist durch Überlassung von Grundstücksnutzung und damit geschaffener grundherrschaftlicher Bindung erreichte persönliche Abhängigkeit eines Menschen von einem anderen. Sachlich sind auch Sklaven und Kolonen im Altertum und Unfreie und Hörige im Frühmittelalter leibeigen, doch gehen erst seit etwa 1350 die Grundherren dazu über, zur Abwehr der Landflucht (->Stadtluft macht frei) Höfe nur noch an Leihenehmer zu vergeben, die sich völlig unterwerfen und schwören, nicht fortzuziehen, und dehnen diese Stellung vereinheitlichend auf alle abhängigen Leihenehmer aus. Sprachlich wird eigen im 15. Jh. zu leibeigen fortgebildet. L. beschränkt die Rechtsfähigkeit und insbesondere die Freizügigkeit. Zwischen 1783 (Baden) und 1820 (Mecklenburg) wird die L. in Deutschland gesetzlich beseitigt. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kindlinger, N., Geschichte der Hörigkeit, 1819; Sugenheim, S., Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft und Hörigkeit, 1861; 442 Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Ostpreußen, ZRG GA 8 (1887), 1; Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Pommern,, ZRG GA 9 (1888), 104; Brünneck, W. v., Die Aufhebung der Leibeigenschaft durch die Gesetzgebung Friedrichs des Großen und das Allgemeine preußische Landrecht, ZRG GA 10 (1889), 24, 11 (1890), 101; Knapp, T., Über Leibeigenschaft in Deutschland, ZRG GA 19 (1898), 16; Wipper, R., Vom 15.-18. Jahrhundert. Die Zeit der Leibeigenschaft, 1930; Tischler, M., Die Leibeigenschaft im Hochstift Würz- burg, 1963; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Ulrich, C., Leibherrschaft am Oberrhein im Spätmittelalter, 1979; Keitel, C., Herrschaft über Land und Leute, 2000; Hauser, A., Die Gesetzgebung zur Herstellung unbeschränkten Grundeigentums, Diss. jur. Tübingen 2002/2003; Leibeigenschaft, hg. v. Klussmann, J., 2003; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten, 2003 Leibesfrucht ist das Kind im Mutterleib von der Zeugung bis zur Vollendung der Geburt. Das römische Recht kennt für die L. (lat.[M.] - > nasciturus) einen (lat.) -> curator (M.) ventris (vgl. § 1912 BGB). Von Ausnahmen abgesehen, fehlt der L. die -> Rechtsfähigkeit. Lit.: Kaser §§ 13 II 1a, 64 V, 66 III 2a; Hübner § 6; Wolf, E./Naujoks, H., Anfang und Ende der Rechtsfähigkeit, 1955 Leibesstrafe ist die am körperlichen Leib eines Menschen vollzogene Strafe (z. B. Schlagen, Verstümmeln, Scheren). Sie ist seit dem Altertum bekannt. Im Frühmittelalter erscheint sie gegenüber dem -> Kompositionensystem selten. Vom Hochmittelalter an gewinnt sie erhebliches Gewicht. Am Ende des 18. Jh.s werden verstümmelnde Strafen nicht mehr angewandt. Seit dem Anfang des 20. Jh.s wird auch die Prügelstrafe beseitigt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 119, 204; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 981; Schreuder, L., Bijdrage tot de kennis van eenige lijfstraffen, 1928; Wrede, R., Die Körperstrafen, 1908, Neudruck 2003; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 510, Neudruck 1964; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965 Leibfall -> Sterbefall Leibgedinge -> Leibzucht Leibniz, Gottfried Wilhelm (Leipzig 1. 7. 1646-Hannover 14. 11. 1716), Sohn eines Notars und Professors der Moral, wird nach dem Studium von Recht, Mathematik und Philosophie in Leipzig Sekretär in Nürnberg, Rat in Mainz und 1676 Bibliothekar und Hofrat in Hannover. Nach seiner Monadenlehre besteht die von Gott als der vollkommensten Monade (Einheit) als bestmöglich geschaffene Welt in einer umfassenden prästabilierten Harmonie unter allen Monaden. Diese Harmonie ist eine natürliche Ordnung, die mit der Vernunft erkannt werden kann. Das auf der vernünftigen Natur der Dinge beruhende Recht (-> Naturrecht) ist vom Willen Gottes unabhängig und kann vom Gesetzgeber nicht beliebig gestaltet werden. Der Staat ermöglicht die Gerechtigkeit. L. begründet die mathe- matische Logik, die Differentialrechnung und das binäre Zahlensystem. Seit 1671 entwirft er Pläne umfassender Gesetzgebung ([lat.] Codex [M.] Leopoldinus, Corpus [N.] iuris reconcinnatum). Sein Schüler ist Christian -> Wolff. Lit.: Köbler, DRG 136, 139, 142; Leibniz, G., Codex iuris gentium diplomaticus, 1693; Mollat, G., Zur Würdigung Leibnizens, ZRG GA 7 (1886), 71; Taranowsky, Leibniz und die sogenannte äußere Rechtsgeschichte, ZRG GA 27 (1906), 190; Heymann, E., Leibniz' Plan einer juristischen Studienreform vom Jahre 1667, 1931 (SB preußische Akademie der Wissenschaften); Herrmann, K., Das Staatsdenken bei Leibniz, 1958; Bontadini, G., Der Rechtsbegriff und die Rechtsidee bei Leibniz, 1967; Müller, K., Leibniz- Biographie, 1967; Schneider, H., Iustitia universalis, 1967; Sturm, F., Das römische Recht in der Sicht von Gottfried Wilhelm Leibniz, 1970; Burkhard, H., Logik und Semiotik in der Philosophie von Leibniz, 1980; Luig, K., Die Rolle des deutschen Rechts in Leibnizs Kodifikationsplänen, Ius commune 5 (1975), 56; Otte, G., Leibniz und die juristische Methode, ZNR 1983, 1; Luig, K., Die Wurzeln des aufgeklärten Naturrechts bei Leibniz, in: Naturrecht - Spätaufklärung - Revolution, hg.v. Dann, O. u. a., 1994, 61; Riley, P., Leibnitz` universal jurisprudence, 1997; Hirsch, E., Der berühmte Herr Leibnitz, 2000; Berkowitz, R., The Gift of Science, 2005 Leibrente ist eine auf die Lebensdauer eines oder mehrerer Menschen vereinbarte Rente. Die L. findet sich bereits im Frühmittelalter. Sie entsteht hauptsächlich durch Kauf. Der seit dem 14. Jh. verbreitete Verkauf von Leibrenten durch Verbandspersonen (Staat, Stadt, Kloster usw.) endet mit dem Aufkommen der verzinslichen Anleihe. 443 Lit.: Hübner 397; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961 Leibzucht oder Leibgedinge ist ein Rechtsgeschäft (meist Vertrag), in dem eine Person sich zur Überlassung einer Nutzung auf Lebenszeit gegenüber einem Menschen verpflichtet. Die L. begründet ein (dingliches) Nutzungsrecht an einem nutzbaren Gegenstand (z. B. Hof, Haus, Lehen, Berechtigung). Im Familienrecht dient die L. der Versorgung des überlebenden Ehegatten. In der Neuzeit wird die L. bedeutungslos. Lit.: Hübner 677; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125; Brünneck, W. v., Die gesetzliche Leibzucht und das Gnadenjahr im partikulären deutschen Lehn- und Adelsrecht, ZRG GA 27 (1906), 1; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961, 269; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973, 65, 83 Leiche Lit.: Groß, D., Die Entwicklung der inneren und äußeren Leichenschau, 2002 Leichenraub ist die Wegnahme einer Leiche aus einem Gewahrsam eines Berechtigten. Der L. wird bereits im Altertum (-> Todesstrafe) und im Frühmittelalter (-> Buße, Ausweisung) mit Rechtsfolgen bedroht. Das spätrömische Recht sieht den L. als Religionsverbrechen an. Lit.: Mommsen, T., Zum römischen Grabrecht, ZRG RA 16 (1815), 203; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 211 Leiden am alten Rhein erscheint im 11. Jh. 1266 erhält es Stadtrecht. 1574/1575 wird es Sitz einer Universität. Lit.: Ahsmann, M./Feenstra, R., Bibliografie van hoogleraren, 1984; Clotz, H., Hochschule für Holland, 1998; Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 2000 Leihe ist ein unvollkommen zweiseitig verpflichtender Vertrag, in dem sich der eine Teil (Verleiher) verpflichtet, dem anderen Teil (Entleiher) den Gebrauch der geliehenen Sache auf Zeit unentgeltlich zu gestatten Im römischen Recht entspricht dem vermutlich in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten der anerkannte Realvertrag (lat.) -> commodatum (N.), dem das unverbindliche (lat.) -> precarium (N.) (Bittleihe) zur Seite steht. Im Frühmittelalter begünstigen die Vergrößerung der Liegenschaften durch Landnahme (Grundherrschaft) und das antike Vorbild die Ausbildung von beschränkten eigentums- ähnlichen Rechten an fremden Grundstücken (sachenrechtliches geteiltes Eigentum). Bei der (lat.) -> precaria (F.) wird Land auf Zeit, auf Widerruf, auf Lebenszeit eines oder mehrerer Menschen oder überhaupt erblich gegeben. Das Land kann vom Geber stammen (lat. precaria [F.] data), vom Empfänger (lat. precaria [F.] oblata) oder von beiden zu je einem Teil (lat. precaria [F.] remuneratoria). Meist ist bei diesen Grundstücksleiheverhältnissen eine Gegenleistung in Abgaben, Diensten oder Land zu erbringen. Bei der freien L. behält dabei der Entleiher seine persönliche Freiheit, bei der unfreien L. gerät er in Abhängigkeit. In der Stadt entsteht aus der dortigen freien L. ein zinspflichtiges (reallastbelastetes) Eigentum. Eine Sonderform der L. ist das -> Lehen. Als wirtschaftlich bedeutungslose unentgeltliche Gebrauchsgestattung erscheint die L. in der spätmittelalterlichen Stadt und wird früh den Regeln des aufgenommenen römischen Rechts unterstellt, wobei die Trennung von (lat.) commodatum und (lat.) precarium im 19 Jh. schwindet. Lit.: Kaser §§ 19 II, 39 II, 42 II; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 45, 91; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, §2; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985 272, 297, 385, 480, 560 Leihezwang ist der Zwang zur Verleihung bzw. Verlehnung eines bäuerlichen oder ritterlichen Gutes nach Heimfall an den Grundherrn oder Lehnsherrn. Es ist streitig, in welchem Umfang ein allgemeiner L. bestand. Für das Lehen gilt in einzelnen Gebieten L. Im Reich ist es fraglich, ob sich im Hochmittelalter zahlreiche einzelne Ansprüche auf Wiederaus- gabe eines Lehens zu einem allgemeinen L. verdichteten. Tatsächlich gibt jedenfalls der König die heimgefallenen Lehen regelmäßig wieder aus, wodurch er seine Stellung schwächt. Der bäuerliche L. wird in Preußen durch Edikt vom 9. 10. 1807 erheblich eingeschränkt. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Brunner, H., Der Leihezwang in der deutschen Agrargeschichte, 1897; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Gunia, H., Der Leihezwang, ein angeblicher Grundsatz des Reichsstaatsrechts im Mittelalter, 1938; Goez, W., Der Leihezwang, 1962; Krause, H, Der Sachsenspiegel und das Problem des sog. Leihezwanges, 444 ZRG GA 93 (1976), 21; Leppin, H., Untersuchungen zum Leihezwang, ZRG GA 105 (1988), 239 Leihhaus ist eine im Spätmittelalter in Italien entstandene Einrichtung der Allgemeinheit, die unter Befreiung vom -> kanonischen Zins- verbot kurzfristige Darlehen gegen ein Faustpfand gewährt (lat. mons [M.] pietatis bzw. mons [M.] profanus). Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) entstehen Leihhäuser in der frühen Neuzeit (Augsburg 1591, Hannover 1598, Nürnberg 1618 usw.). Im 18. Jh. übernimmt die Sparkasse einen Teilbereich des Geschäftes. 1869 lässt die Gewerbeordnung das private L. zu, wenn auch 1879 eine Konzession vorgeschrieben wird. Lit.: Hübner; Seidel, M./Pfitzner, J., Das Sparkassen- wesen, 1916; Vespes, J., Historia de los montes de piedad, 1971 Leiningen Lit.: Wild, G., Das Fürstentum Leiningen, 1954 Leinpfad (Treidelpfad) ist der für das Ziehen von Schiffen an schiffbaren Flüssen bestehende Uferpfad. Das Recht am L. ist Teil des Stromregals an schiffbaren öffentlichen Flüssen, das im Spätmittelalter auf die Landesherren übergeht. Es steht auch nach Aufgabe des Schiffziehens seit dem 19. Jh. meist dem Staat zu. Lit.: Werkmüller, D., Leinpfad, HRG 2 1978, 1835 Leipzig an der Pleiße gehört seit der zweiten Hälfte des 12. Jh.s zum hallisch- magdeburgischen Recht. Sein aus dem Stadtgericht entwickelter Schöppenstuhl wird schon im Spätmittelalter bedeutsam (1574 landesherrliche, 1835 aufgelöste Spruchbe- hörde). 1409 wird es Sitz einer Universität. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Distel, T., Gutachten der Juristenfakultät, ZRG GA 6 (1885), 189, 10 (1889), 63; Distel, T., Beitrag zur älteren Verfassungsgeschichte des Schöppenstuhls zu Leipzig, ZRG GA 7 (1887), 89, 10 (1889), 63; Kötzschke, R., Leipzig in der Geschichte der ostdeutschen Kolonisation, Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs 11 (1917); Leipziger Schöffenspruchsammlung, hg. v. Kisch, G., 1919; Simm, H., Für Zwickau ergangene Leipziger Schöffensprüche, Diss. jur. Leipzig 1942 (masch.schr.); Karl-Marx- Universität Leipzig, Bibliographie zur Universitätsgeschichte 1409-1959, hg. v. d. hist. Komm. bei d. sächs. Ak. d. Wiss., 1961; Leipzigs Messen, hg. v. Bentele, G. u. a., 1998; Steinführer, H., Die Leipziger Ratsbücher 1466-1500, 2003; Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680-1780, hg. v. Marti, H. u. a., 2004 Leistung ist der Gegenstand einer Schuldverpflichtung. Mit der L. wird der Schuldner frei. Bei Leistungsstörungen (-> Unmöglichkeit, -> Verzug, -> positive Forderungsverletzung) treten besondere Rechtsfolgen ein. Lit.: Kaser § 53 I; Köbler, DRG 42, 44, 126, 165, 214; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges beim Kaufvertrag, 1913; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörung bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960; Harder, M., Die Leistung an Erfüllungs Statt, 1976; Emmert, J., Auf der Suche nach den Grenzen vertraglicher Leistungspflichten, 2001 Leistungsstörung (1936 Heinrich Stoll)-> Leistung, -> positive Forderungsverletzung, -> Verzug, -> Unmöglichkeit Lit.: Stoll, H., Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1936; Würthwein, S., Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Sessler, A., Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1994; Süß-Hoffmann, E., Das BGB und der Versuch einer Rechtserneuerung im nationalsozialistischen Sinne, Diss. jur. Mannheim 2000 Leistungsverwaltung ist die in der Erbringung von Leistungen bestehende Verwaltung im Gegensatz zur Eingriffsverwaltung. Die L. tritt im 19. Jh. hervor (Wasser, Gas, Strom, Müllabfuhr, Verkehr). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 259; Forsthoff, E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Kommunale Leistungsverwaltung und Stadtentwicklung, hg. v. Blotevogel, H., 1990; Die Stadt als Dienstleistungszentrum, hg. v. Reulecke, J., 1992; Fischer, A., Kommunale Leistungsverwaltung im 19. Jahrhundert, 1995; Heider, M., Die Konzessionsverträge der Stadt Lüdenscheid, 2005 Leitkauf ist der im Hochmittelalter sichtbare, unter Gelöbnistrunk erfolgende Kauf, der die Beteiligten bis zur nachfolgenden Erfüllung bindet. Lit.: Hübner Lentze, Hans (Lauban 14. 3. 1909-Wien 24. 3. 1970), protestantischer Bürgerssohn, wird nach dem Studium des Rechts in Göttingen, Bonn und Breslau und der Theologie Prämon- stratenser (1939), 1947 in Innsbruck habilitiert, 1952 außerordentlicher Professor in Innsbruck und 1954 Professor für Rechtsgeschichte (1958 ordentlicher Professor) in Wien. 445 Lit.: Festschrift für Hans Lentze, hg. v. Grass, N. u. a., 1969 Leoben Lit.: Schillinger-Prassl, C., Die Rechtsquellen der Stadt Leoben, 1997 Leodis (lat.-afrk.), leudis, ist im fränkischen Frühmittelalter der Freie bzw. sein Wergeld. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Mayer, E., Leudes ­ curiales, ZRG GA 36 (1915), 438; Schmidt- Wiegand, R., Fränkische und frankolateinische Bezeichnungen für soziale Schichten und Gruppen, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen phil.-hist. Kl. 1972, Nr. 4, 240 León ist ein 912 durch Abspaltung von Asturien entstehendes Königreich, zu dem 914 Galicien und 924 Asturien zurückkehren. 1037 bzw. 1230 wird Kastilien mit L. vereinigt. Lit.: Reilly, B., The kingdom of León-Castilla under king Alfonso VII (1126-1157), 1998 Les Tenures ist eine 1481 von Sir Thomas -> Littleton veröffentlichte, 1628 von Edward -> Coke kommentierte Darstellung des Lehnrechts und damit auch des Liegenschaftsrechts des englischen Rechts. Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 Lettland ist das seit dem 9. Jh. (?) von baltischen Letten besiedelte Gebiet an der unteren Düna, das im 13. Jh. unter deutschen Einfluss gerät. 1561 kommt es teils unmittelbar, teils lehnsrechtlich zu Polen, 1810 an Russland. 1864 entsteht ein von Bunge nach dem Vorbild des sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuches geschaffenes Gesetzbuch für die Ostseeprovinzen. 1918 bildet sich ein unabhängiges L., das 1934 ein Zivilgesetzbuch erlässt, wenig später (5. 8. 1940) von der Sowjetunion einverleibt, aber am 6. 9. 1991 wieder freigegeben wird. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Rigasche Zeitschrift für Rechtswissenschaft (1926 bis 1933), hg. v. Juristen- Verein Lettlands u. a. Faksimileausgabe 2003; Schwabe, A., Grundriss der Agrargeschichte Lettlands, 1928; Lettlands Zivilgesetzbuch vom 28. Januar 1937, hg. v. Herderinstitut zu Riga, 1938; Noltein, E. v., Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen der lettischen Agrarreform vom 16. September 1920, Diss. jur. München 1959; Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten, hg.v. Hehn, J. v. u. a., 1977; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte, 1997; Ludwig, K., Lettland, 2000 Lettre (F.) de cachet ist in Frankreich in der frühen Neuzeit der von einem Staatssekretär gegengezeichnete königliche Brief, der vielfach einem politisch unerwünschten Menschen befiehlt, sich in ein Staatsgefängnis oder in die Verbannung zu begeben. -> Haftbefehl Lit.: Hertz, E., Voltaire und die französische Strafrechtspflege im 18. Jahrhundert, 1887 Letzter Wille ist der im -> Testament ge- äußerte Wille, welche Rechtsfolge am Vermögen des Erblassers eintreten soll. Leu, Johann Jakob (Zürich 1689-1768), Bürgerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg 1759 Bürgermeister in Zürich. Das eidgenössische Stadt- und Landrecht (Bd. 1ff. 1727) stellt das Schweizer Privatrecht dar, ein 20-bändiges Allgemeines helvetisches ... Lexikon (1747ff.) das damalige Gesamtwissen. Lit.: Soliva, C., Das eidgenössische Stadt- und Landrecht des Zürcher Bürgermeisters Johann Jakob Leu, 1969; Vogt, M., Johan Jakob Leu, 1976 leudes -> leodis Leumund ist der Ruf eines Menschen. Wer einen schlechten L. hat (z. B. landschädliche Leute), ist im Mittelalter vom Reinigungseid ausgeschlossen. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 346 Leutkircher Heide ist ein Gebiet in Oberschwaben, für das ein kaiserliches Landgericht für Freie von 1348 bis 1802 bezeugt ist. Lit.: Gut, M., Das ehemalige kaiserliche Landgericht auf der Leutkircher Heide, Diss. jur. Tübingen 1909; Diehl, A., Die Freien auf Leutkircher Heide, Zs. f. württ. LG. 1940, 257; Feine, H., Kaiserliche Landgerichte in Schwaben, ZRG GA 66 (1948), 148 Leviathan (hebr. [Sb.] gewundenes Tier?) ist eine alttestamentliche Bezeichnung für Dra- chen, Krokodil und Ägypten, die Thomas -> Hobbes 1651 als Buchtitel einer Staatsdarstellung verwendet. Lit.: Schmitt, C., Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes, 1938; Kohl, W./Stolleis, M., Im Bauch des Leviathan, NJW 1988, 2849 Levy, Ernst (Berlin 23. 12. 1881-Davis 14. 9. 1968), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg im Breisgau und Berlin Amtsrichter und 1919 Professor in Frankfurt am Main, 1922 in Freiburg im 446 Breisgau und 1928 in Heidelberg. 1936 muss er emigrieren, kehrt aber von 1945 bis 1966 nach Europa zurück. Er erforscht das spätrömische Vulgarrecht Westroms. Lit.: Levy, E., Zum Wesen des weströmischen Vulgarrechts, 1935; Levy, E., West Roman Vulgar Law: The Law of Property, 1951; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht: Das Obligationsrecht, 1956; Levy, E., Gesammelte Schriften, 1963; Kunkel, W., Ernst Levy zum Gedächtnis, ZRG RA 86 (1969), XIII Lex (lat. [F.], Pl. leges) ist im römischen Recht das Gesetz (z. B. [lat.] lex duodecim tabularum [Zwölftafelgesetz] usw.). Für die Zeit von etwa 510 v. Chr. bis etwa 100 n. Chr. lassen sich rund 800 einzelne römische leges (Gesetze) ermitteln. Im spätrömischen Recht wird der Ausdruck (lat. [N.]) ius (Recht) wegen der überragenden Bedeutung der kaiserlichen Gesetzgebung in erheblichem Umfang durch l. verdrängt, so dass l. bald auch zur Benennung des Rechtes insgesamt wird. Deswegen bezeichnen l. und (lat. [N.]) ius im Frühmittelalter eine objektive, ständigen Veränderungen unterliegende Ordnung (Stammesrecht, Volksrecht). Seit dem 12. Jh. kehrt l. zur ursprünglichen Bedeutung (Gesetz) zurück. Lit.: Söllner §§ 5, 6, 7, 8, 14, 15; Köbler, LAW; Balon, J., Ius medii aevi 2 Lex iurisdictio, 1960; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Bleicken, J., Lex publica, 1978; Köbler, G., Liber exquisiti xenii, 1999; Münsch, O., Der liber legum des Lupus von Ferrires, 2001 Lex Aebutia ist das römische Gesetz der ersten Hälfte des 2. Jh.s v. Chr., das vermutlich die (lat.) legis actio (F.) per condictionem durch die zum Formularverfahren gehörige (lat.) condictio ersetzt. Lit.: Kaser § 80 II 4b; Söllner § 9; Köbler, DRG 33 Lex Aelia Sentia ist das römische Gesetz des Jahres 4 n. Chr., das die Freilassung an bestimmte Voraussetzungen knüpft. Lit.: Kaser § 16 I 2; Söllner § 14; Köbler, DRG 36 Lex aeterna (ewiges Recht) ist das von Augustin (354-430) auf Gott zurückgeführte Recht, das der Mensch als Naturrecht (lat. lex [F.] naturalis) erkennen kann. Lit.: Köbler, DRG 145; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Lex Alamannorum ist das zwischen 712 und 725 aufgezeichnete, in 50 Handschriften überlieferte Volksrecht der -> Alemannen. Die L. A. gliedert sich in Kirchensachen, Herzogssachen und Volkssachen. Sie ist stark kirchlich beeinflusst. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81: Leges Alamannorum, hg. v. Lehmann, K., 1888; Krusch, B., Die Lex Bajuvariorum, 1924; Beyerle, F., Die süddeutschen Leges, ZRG GA 49 (1929), 264; Beyerle, F., Die beiden süddeutschen Stammesrechte, ZRG 73 (1956), 84; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 8; Rivers, T., The Legal Status of Freewomen in the Lex Alamannorum, ZRG GA 91 (1974), 175; Köbler, G., Die Freien im alemannischen Recht, in: Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Alamannorum und Baiwariorum, 1979; Dilger, A., Die Stuttgartensis und ihre Bedeutung, ZRG GA 99 (1982), 298; Siems, H., Zu Problemen der Bewertung frühmittelalterliccher Rechtstexte, ZTG GA 106 (1989), 291; Lex Alamannorum, hg. v. Schott, C., 1993 Lex Angliorum et Werinorum -> Lex Thuringorum Lit.: Liebermann, F., Zur Lex Angliorum, ZRG GA 15 (1894), 174 Lex Apuleia ist das römische Gesetz, das dem mehr leistenden von mehreren Bürgen einen Ausgleichsanspruch gegen die übrigen gewährt. Lit.: Kaser § 57 II 2a Lex Aquilia de damno ist das 286 v. Chr. erlassene römische Gesetz über den Schaden. Danach ist die rechtswidrige Tötung fremder Sklaven und vierfüßiger Herdentiere seitens des Täters durch ihren höchsten Wert des letzten Jahres, die sonstige Schädigung von Vermögensgütern durch Brennen, Brechen, Reißen durch ihren höchsten Wert der letzten 30 Tage - bei Bestreiten jeweils doppelt - auszugleichen. Die l. A. wird seit dem Spätmittelalter in vereinfachter Form im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen und bildet die Grundlage des Rechts der unerlaubten Handlungen (Delikte) bis zur Gegenwart. Lit.: Kaser §§ 15 I 1, 36 II 2, 51 II, 57 I; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 31, 48, 65, 166, 216; König, R., Das allgemeine Schadensersatzrecht im Mittelalter im Anschluss an die lex Aquilia, 1954; Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958; Lübtow, U. v., Untersuchungen zur lex Aquilia, 1971; Hausmaninger, H., Das 447 Schadenersatzrecht der lex Aquilia, 5. A. 1995; Schebitz, B., Berechnung des Ersatzes nach der lex Aquilia, Diss. jur. Berlin 1988; Bilstein, R., Das deliktische Schadensersatzrecht der lex Aquilia in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 1994 Lex Arcadia ist das römische Gesetz des Jahres 397, das die Ehrverletzung der Amtsträger mit verstärkter Straffolge bedroht. Lit.: Köbler, DRG 56 Lex Atilia ist das römische Gesetz des Jahres 210 v. Chr., das die Bestellung des Vormundes durch Magistrate ermöglicht. Lit.: Kaser §§ 62 II 3, 63 3c; Köbler, DRG 36 Lex Atinia ist das römische Gesetz von etwa 200 v. Chr., das gestohlene Sachen von der Ersitzung ausschließt. Lit.: Kaser § 25 I 2b, IIa; Söllner § 8 Lex Baiwariorum ist das vielleicht um 743 aufgezeichnete, in mehr als 30 Handschriften überlieferte Volksrecht der -> Bayern, das auffälligerweise enge Verwandschaft zum westgotischen (lat.) Codex (M.) Euricianus (wörtliche Übernahmen in überzeugender Art und Weise) und zur (lat.) lex (F.) Alamannorum (sachliche Übereinstimmungen möglicherweise auf Grund einer gemeinsamen älteren Vorlage) aufweist. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Kralik, D., Die deutschen Bestandteile der lex Baiwariorum, NA 38 (1913), 13, 401, 581; Krusch, B., Die Lex Bajuvariorum, 1924; Lex Baiwariorum, hg. v. Schwind, E. Frhr. v., 1926, Neudruck 1999; Lex Baiuvariorum ­ Lichtdruckwiedergabe der Ingolstädter Handschrift, hg. v. Beyerle, K., 1926; Beyerle, F., Die süddeutschen Leges, ZRG GA 49 (1929), 264; Zeller, F., Das Verhältnis der Lex Bajuvariorum zum späteren bayerischen Recht, Diss. jur. München 1941; Beyerle, F., Die beiden süddeutschen Stammesrechte, ZRG GA 73 (1956), 84; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 8; Kobler, M., Stammesrecht und Stammesherrschaft, Habilschr. München 1967 (masch.schr.); Krause, H., Die liberi der lex Baiwariorum, FS M. Spindler, 1969, 41; Gastroph, H., Herrschaft und Gesellschaft in der Lex Baiuvariorum, 1969; Köbler, G., Die Begründungen der lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 69: Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Alamannorum und Baiwariorum, 1979; Fastrich-Sutty, I., Die Rezeption des westgotischen Rechts in der Lex Baiuvariorum, 2002 Lex Burgundionum (lex Gundobada) ist das im frühen 6. Jh. (von König Sigismund am 29. 3. 517?) aufgezeichnete (, in 14 Handschriften überlieferte) Volksrecht der -> Burgunder, dessen Grundlage ein von König Gundobad um 500 erlassener (lat.) liber (M.) constitutionum (Buch der Konstitutionen) bildet. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Leges Burgundionum, hg. v. Salis, R., 1892; Mitteis, L., Eine neue Handschrift der Lex Burgundionum, ZRG GA 34 (1913), 407; Gesetze der Burgunden, hg. v. Beyerle, F., 1938; Baesecke, G., Das Verhältnis der Handschriften der Lex Gundobada, ZRG GA 59 (1939), 233; Rüegger, H., Einflüsse des römischen Rechts in der Lex Burgundionum, Diss. jur. Bern 1949; Amira, K.v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 33; Beyerle, F., Zur Textgestalt und Textgeschichte der Lex Burgundionum, ZRG GA 71 (1954), 23; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Burgundionum, Saxonum, Thuringorum und Frisionum, 1979 Lex Cincia de donis et muneribus ist das römische Gesetz (lat. plebiscitum [N.]) des Jahres 204 v. Chr., das es grundsätzlich verbietet, Schenkungen über einen bestimmten Höchstwert hinaus anzunehmen. Lit.: Kaser §§ 9 47 II 1 Lex commissoria ist im römischen Recht die Verfallsabrede beim Pfand, die Kaiser Konstantin (306-337) verbietet, und die Nebenabrede beim Kauf für den Fall, dass der Preis nicht rechtzeitig bezahlt wird. Lit.: Kaser § 41 VII; Köbler, DRG 62; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932 Lex Cornelia de sicariis et veneficis ist das unter Sulla (138-78 v. Chr.) ergangene römische Gesetz gegen Gewaltverbrechen. Lit.: Köbler, DRG 35 Lex Cornelia testamentaria nummaria ist das römische, unter Sulla (138-78 v. Chr.) ergangene Gesetz gegen Fälschung von Testamenten und Münzen. Lit.: Köbler, DRG 35 Lex Emminger ist die nach dem seinerzeitigen Reichsjustizminister Erich Emminger (1880- 1951) benannte Vereinfachung des deutschen Verfahrensrechts (zwei Verordnungen vom 4. 1. 1924 und 13. 2. 1924). Lit.: Köbler, DRG 234; Vormbaum, T., Die Lex Emminger vom 24. 1. 1924, 1988 Lex Falcidia ist das römische Gesetz des Jahres 40 v. Chr., das dem Erben wenigstens 448 ein Viertel der Erbschaft (lat. quarta [F.] Falcidia) vor der Verfügung durch Vermächtnisse sichert. Lit.: Kaser §§ 76 V 2, 79 I 2b; Söllner § 15; Köbler, DRG 39, 60; Schanbacher, D., Ratio legis Falcidiae, 1995 lex familiae -> Hofrecht Lit.: Kroeschell, DRG 1 Lex Francorum Chamavorum (ewa Chamavorum) ist das wohl 802 aufgezeichnete, in 2 bzw. 3 Handschriften überlieferte Volksrecht des fränkischen Teilstammes der Chamaven (im Hamaland bei Zutphen). Lit.: Lex Francorum Chamavorum, hg. v. Sohm, R., 1883; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953, 42; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979 Lex Frisionum ist das wohl 802 (als Vorarbeit?) aufgezeichnete, nur durch einen Druck Herolds (Basel 1557) überlieferte Volksrecht der -> Friesen, das in 22 Titel und eine (lat.) Additio (F.) sapientium (eines Wlemar und Saxmund) zerfällt und in mittelfriesisches Recht, ostfriesisches und westfriesiches Recht gegliedert gewesen zu sein scheint. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Lex Frisionum, hg. v. Richthofen, K. Frhr. v., 1863; Bewer, R., Die Totschlagssühne in der Lex Frisionum, ZRG GA 13 (1892), 95; Jaekel, H., Die Entstehung der Lex Frisionum, ZRG GA 46 (1926), 1; Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum, 1927 (besprochen von Schwerin, C. Frhr. v., ZRG GA 49 [1929], 481); Amira, K.v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 9; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Burgundionum, Saxonum, Thuringorum und Frisionum, 1978; Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980; Lex Frisionum, hg. und übersetzt v. Eckhardt, K. u. a. 1982 Lex Fufia Caninia ist das römische Gesetz des Jahres 2 v. Chr., das die Freilassung beschränkt. Lit.: Kaser § 16 I 2; Söllner § 14; Köbler, DRG 36 Lex Furia ist das römische Gesetz der letzten vorchristlichen Jahrhunderte, das in Italien die Haftung von Bürgen einengt. Lit.: Kaser § 57 II 2a Lex Gundobada -> Lex Burgundionum Lex Hortensia ist das römische Gesetz des Jahres 287 v. Chr., das den Entscheidungen der Plebsversammlung Gesetzeskraft gibt. Lit.: Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 8 Lexikon ist das meist alphabetisch oder systematisch geordnete Wörterbuch. Es findet sich bereits im griechischen Altertum. Rechtskenntnisse vermitteln etwa die rund 7000 Begriffe umfassenden 20 Bücher Etymologien des Bischofs Isidor von Sevilla ( 636), die ungedruckte (lat.) tabula (F.) utriusque iuris des Johannes von Erfurt, der (lat.) Vocabularius (M.) iuris utriusque des Jodocus (1452), (lat.) De copia verborum et rerum in iure civili Oldendorps (1542) oder das 15bändige Rechtslexikon Julius Weiskes (1839ff.). Lit.: Köbler, G., Lexikon, in: HRG Bd. 2 1978, 1979; Zedler, J., Großes vollständiges Universallexikon, Bd. 1ff. 1732ff., Neudruck 1961ff.; Heumann, G./Seckel, E., Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, 10. A. 1958; Haberkern, E./Wallach, J., Hilfswörterbuch für Historiker, 2. A. 1964; Wörterbücher, hg. v. Hausmann, F. u. a., Bd. 1ff. 1989; Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 13. A. 2004; Weijers, O., Dictionnaires et répertoires au moyen âge, 1991; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Bierbach, M., Grundzüge humanistischer Lexikographie, 1997; Lexicon Juridicum Romano-Teutonicum, hg. v. Oberländer, S. (, 4. Aufl. 1753, Neudruck 2000), hg. v. Polley, R., 2000; Schlaefer, M., Lexikologie und Lexikographie, 2002; Lexikologie, hg. v. Cruse, D. u. a., 2002; Wissenschaftliche Lexikographie im deutschsprachigen Raum, hg. v. Städtler, T., 2003 Lex Iulia de maritandis ordinibus (julisches Gesetz über die zu verheiratenden Stände) ist das römische Gesetz des Jahres 18 v. Chr., das Ehegebote und Eheverbote schafft. Lit.: Kaser § 58 IV 8; Söllner § 14; Köbler, DRG §6 Lex Iulia de dote fundali (julisches Gesetz über die Grundstücksmitgift) ist das römische Gesetz des Jahres 18 v. Chr., das die Veräußerung eines MitgiftGrundstücks durch den Ehemann ohne Zustimmung der Frau verbietet. Lit.: Kaser § 59 II 5; Köbler, DRG 37 Lex Iulia iudiciorum privatorum (julisches Gesetz über die privaten Gerichte) ist das römische Gesetz des Jahres 17 v. Chr., das die einzelnen -> Legisaktionenverfahren bis auf geringe Reste zugunsten des -> Formularverfahrens abschafft. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32 III 2; Köbler, DRG 32 Lex Iulia iudiciorum publicorum (julisches Gesetz über die öffentlichen Gerichte) ist das 449 römische Gesetz des Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.), das für die meisten Verbrechen öffentliche Gerichte schafft und damit das altrömische magistratisch-komitiale Verfahren weitgehend aufgibt. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 12 IV 4; Köbler, DRG 34 Lex Laetoria ist das römische Gesetz von etwa 200 v. Chr., das den noch nicht 25jährigen durch Klagen und Einreden gegen den schützt, der ihn übervorteilt. Lit.: Kaser § 14 II 3a Lex Langobardorum ist das hauptsächlich durch die Königsgesetze der Langobarden bekannte Volksrecht der -> Langobarden. -> Leges Langobardorum Lex legum ist die vielleicht im 9. oder 10. Jh. in Süditalien entstandene kleine Zusammen- stellung von Ausschnitten aus dem Edictum Theoderici, dem Codex Justinianus, der Lex Visigothorum und dem langobardischen Recht. Lit.: Conrat, M., Die lex legum breviter facta, ZRG GA 10 (1889), 230 Lex Licinia ist das römische Gesetz des Jahres 367 v. Chr., das Plebejer als Konsuln zulässt. Lit.: Kaser §§ 23, 81; Köbler, DRG 18 Lex Licinnia ist das römische Gesetz, das den Gemeinschaftsteilungsklageanspruch eröffnet. Lit.: Kaser §§ 23 IV 2, 81 II 2; Köbler, DRG 25 Lex mercatoria Lit.: Meyer, R., Bona fides und lex mercatoria, 1994; Scherner, K., Lex mercatoria, ZRG GA 118 (2001), 148; Cordes, A., Auf der Suche nach der Rechtswirklichkeit der mittelalterlichen lex mercatoria, ZRG GA 118 (2001), 168 Lex Miquel/Lasker ist das Gesetz des Deutschen Reiches, das 1873 dem Reich die Zuständigkeit für die Gesetzgebung im Bereich des bürgerlichen Rechts gewährt. Lit.: Kroeschell, DRG 3 Lex naturalis (Naturrecht) ist das Naturrecht, durch das der Mensch das auf Gott zurückgeführte ewige Recht (lat. lex [F.] aeterna) erkennen kann. Lit.: Köbler, DRG 145, Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Lex Ogulnia ist das altrömische Gesetz, das den Plebejern die Priesterämter eröffnet. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 15 VI 2; Köbler, DRG 18 Lex Papia Poppaea (9. n. Chr.) ist das römische Gesetz über eherechtliche und erbrechtliche Fragen. Lit.: Kaser §§ 58 IV 8, 71 II 1, 76 III 1; Söllner § 14; Köbler, DRG 36 Lex Poetelia ist das römische Gesetz des Jahres 326, nach dem der Gläubiger den Schuldner als Schuldknecht die Schuld abarbeiten lassen kann. Lit.: Kaser §§ 39 I1, 81 III 1; Söllner § 8; Köbler, DRG 20 Lex posterior derogat legi priori (lat.). Ein späteres Gesetz hebt ein früheres auf. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Modestin, um 190-um 250, Digesten 1, 4, 4) Lex publica ist im römischen Recht das (öffentliche) Gesetz (im Gegensatz zur privaten Vereinbarung). Lit.: Bleicken, J., Lex publica, 1978 lex regia (königliches Gesetz) Lex Rhodia de iactu (rhodisches Recht über den Seewurf) ist die im hellenistischen Bereich schon im Altertum verbreitete Regelung, dass der Schiffer, der in Seenot Waren eines Befrachters opfert, dem Befrachter zu einem Ausgleich verpflichtet ist. -> Haverei Lit.: Kaser § 42 IV 4; Wesener, G., Von der lex Rhodia de iactu zum § 1043 ABGB, FS J. Bärmann, 1975, 36; Letsios, D., Nomos Rhodion nautikos, 1996 Lex Ribvaria ist das in Vorformen wohl im 7. Jh. (584-629?, 623-639) und in den überlieferten Formen seit 763/764 aufge- zeichnete Volksrecht des um Köln im Gebiet Ribvaria (Ripuaria, Uferland) sitzenden Teils der Franken bzw. des um Köln siedelnden fränkischen Teilstammes der Ribvarier (Ripuarier). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Krusch, B., Die Lex Bajuvariorum, 1924; Beyerle, F., Die Lex Ribuaria, ZRG GA 48 (1928), 264; Beyerle, F., Das Gesetzbuch Ribvariens, ZRG GA 55 (1935), 1; Lex Ribvaria, hg. v. Beyerle, F. u. a., 1954; Buchner, R., Zu Text und Handschriftenbaum der Lex Ribvaria, ZRG GA 80 (1963), 306; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979; Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988; Ullmann, E., Der Verlust von Fracht und Schiff, FS H. Piper, 1996, 1049 Lex Romana Burgundionum ist die durch vier Handschriften überlieferte, 47 Titel mit 176 Bestimmungen umfassende Zusammen- stellung von Stücken aus dem -> Codex Gregorianus, -> Codex Hermogenianus, -> 450 Codex Theodosianus, posttheodosianischen Novellen, Paulussentenzen und einem nicht sicher zu ermittelnden Werk des Gaius. Sie wird entweder König Gundobad ( 516) oder König Sigismund zugeordnet. Lit.: Köbler, DRG 53, 80; Lex Romana Burgundionum, hg. v. Salis, L. v., 1892, 123; Roels, W., Onderzoek naar het gebruik, 1958; Chevrier, G./Piéri, G., La loi romaine des Bourgondes, Ius Romaum medii aevi I, 2b, aa, 1969; Bauer-Gerland, F., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995 Lex Romana canonice compta ist die in Norditalien um die Mitte des 9. Jh.s entstandene Sammlung römischen Rechts (Institutionen, Codex Justinians, Epitome Iuliani) zu kirchlichem Gebrauch mit 324 Kapiteln. Lit.: Mor, C., Lex Romana canonice compta, 1927 Lex Romana Curiensis (oder Lex Romana Raetica Curiensis oder früher auch Lex Romana Utinensis) ist die in drei Handschriften überlieferte, wohl in Rätien im 8. Jh. (vor 765?) entstandene private Kurzfassung der -> Lex Romana Visigothorum (-> Breviarium Alarici). Lit.: Köbler, DRG 81; Schupfer, F., La legge Romana Udinese, 1881; Schupfer, F., Nuovi studi sulla legge Romana Udinese, 1882; Wagner, R., Zur Frage nach der Entstehung, ZRG GA 4 (1883), 54; Salis, L. v., Lex Romana Curiensis, ZRG GA 6 (1885), 141; Zeumer, K., Über Heimat und Alter der Lex Romana raetica Curiensis, ZRG GA 9 (1888), 1; Die Lex Romana Curiensis, hg. v. Meyer-Marthaler, E., 1959; Meyer- Marthaler, E., Römisches Recht in Rätien, Beiheft ZSG 13 (1968), 43; Meyer-Marthaler, E., Fränkisches Recht in der Lex Romana Curiensis, Der Geschichtsfreund 1972, 169 Lex Romana Visigothorum (Breviarium Alarici) ist die um 506 durch den westgotischen König Alarich II. veranlasste Sammlung römischen Rechts mit Auszügen aus dem Codex Theodosianus, posttheodosianischen Novellen, den Institutionen des Gaius, den Paulussentenzen, dem Codex Gregorianus und dem Codex Hermogenianus, wobei den meisten Texten eine wohl im 5. Jh. entstandene, vereinfachende Erklärung (lat. [F.] interpretatio) hinzugefügt ist. Die L.R.V. gilt in Südfrankreich trotz ihrer Aufhebung durch den westgotischen König Rekkesvind (654) bis in das 12. Jh. (für die römische Bevölkerung) und wird Grundlage des droit écrit. Lit.: Söllner § 20; Köbler, DRG 53, 80, 82; Lex Romana Visigothorum, hg. v. Haenel, G., 1849, Neudruck 1962; Müller, K., Eine neue Handschrift der Lex Romana Visigothorum, ZRG GA 57 (1937), 429; Gaudemet, J., Le Bréviaire d'Alaric et le Epitome, in: Ius Romanum medii aevi I, 2b, aa, 1965; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972, 93 Lex Salica ist das vielleicht auf Grund antiker formaler Vorbilder 507-511 in 65 Titeln (lat. Pactus [M.] legis Salicae) erstmals aufgezeichnete Volksrecht des salischen Teilstammes der -> Franken (Salfranken). Diese älteste Fassung besteht aus Texten im Weistumsstil (Bußweistümern) und Texten im Konstitutionenstil (Gesetzen). Sie enthält eine Reihe von altfränkischen, aber nur noch teilweise verständlichen Wörtern (-> mal- bergische Glossen). Sie wird bis etwa 800 mehrfach überarbeitet und ergänzt, so dass sich insgesamt 8 überlieferte Fassungen unterschei- den lassen. Die älteste erhaltene Handschrift wird auf 751-68 datiert. Inhaltlich ist das -> Kompositionensystem sehr kasuistisch behandelt. Am Ende werden vielfach jüngere Teilstücke kapitularienartig angefügt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 80; Zycha, A., Zur Auslegung des Titels 37, ZRG GA 21 (1901), 155; Fehr, H., Über den Titel 58, ZRG GA 27 (1906), 151; Brunner, H., Über das Alter der Lex Salica und des Pactus pro tenore pacis, ZRG GA 29 (1908), 136; Rietschel, S. Die Entstehungszeit der Lex Salica, ZRG GA 30 (1909), 117; Luschin von Ebengreuth, A., Der Denar der Lex Salica, 1910; Krammer, M., Die ursprüngliche Gestalt und Bedeutung der Titel De filtorto und De vestigio minando, ZRG GA 36 (1915), 336; Pétrau-Gay, J., La notion de ,,lex" dans la coutume salienne, 1920; Jaekel, H., Die leichten Goldschillinge der merowingischen Zeit, ZRG GA 43 (1922), 103; Beyerle, F., Über Normtypen und Erweiterungen der Lex Salica, ZRG GA 44 (1924), 216; Claußen, C., Die Beziehungen der Lex Salica zu den Volksrechten der Alemannen, Bayern und Ribuarier, ZRG GA 56 (1936), 349; Pétrau-Gay, J., La ,,Laghsaga" salienne, Revue historique de droit français et étranger 14 (1935), 54, 252; Lex Salica, 100-Titel-Text, hg. v. Eckhardt, K., 1953; Schmidt-Wiegand, R., Die kritische Ausgabe der Lex Salica ­ noch immer ein Problerm?, ZRG GA 76 (1959), 301; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962; Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische Wortgut der Lex Salica als Gegenstand der Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84 (1967), 275; Gutenbrunner, S., Über 451 salfränkisch atmiu und altnordisch tómr, Rechtssprache und Bauterminologie, ZRG GA 85 (1968), 189; Lex Salica, hg. v. Eckhardt, K., 1969; Roll, H., Zur Geschichte der Lex Salica-Forschung, 1972; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Simone, G., LS v. LF. La tradizione frammentaria in antico alto tedesco della Les Salica, 1991 Lex Saxonum ist das in zwei Handschriften (und zwei Drucken Herolds 1557 bzw. Tilius' 1573) überlieferte, vielleicht 802 aufgezeichnete, durch die sog. (lat.) -> Capitulatio (F.) de partibus Saxoniae (782/785) und das (lat.) -> Capitulare (N.) Saxonicum ergänzte Volksrecht der von den Franken besiegten -> Sachsen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Schwerin, C. Frhr. v., Zu den Leges Saxonum, ZRG GA 33 (1912), 390; Leges Saxonum und Lex Thuringorum, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1918; Lintzel, M., Die Entstehung der Lex Saxonum, ZRG GA 47 (1927), 130; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium juris, 1968; Landwehr, G., Die Liten, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 117 Lex Scribonia ist das römische Gesetz der letzten vorchristlichen Jahrhunderte, das zur Sicherung der Freiheit des Eigentümers die Ersitzung einer -> Dienstbarkeit (Servitut) durch (lat. [F.]) usucapio (Ersitzung nach strengen Regeln) ausschließt. Lit.: Kaser § 28 II 1b Lex Thuringorum (Lex Angliorum et Werinorum) ist das durch eine Corveyer Handschrift (und einen Druck Herolds [1557]) überlieferte, wohl 802 aufgezeichnete Volksrecht der -> Thüringer (Angeln und Warnen). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Leges Saxonum et Lex Thuringorum, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1918, 51; Landau, P., Die Lex Thuringorum, ZRG GA 118 (2001), 23 Lex Visigothorum ist das Volksrecht der -> Westgoten. Seine älteste Fassung ist der (lat.) - > Codex (M.) Euricianus (475/476?, Kapitel 276-336 erhalten). Die L. V. wird nach der Abwanderung der Westgoten von Gallien nach Spanien unter den Königen Leovigild (568- 586, nicht überliefert), Rekkesvind (654, 2 Handschriften, 12 Bücher) und Ervig (681) überarbeitet und erweitert. Die L.V. weist römischen und christlichen Einfluss auf. Sie wird bis in das 13. Jh. benutzt. -> Fuero, Fuero Juzgo Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Menhardt, H., Ein Bruchstück der Lex Visigothorum, ZRG GA 46 (1926), 360; Müller, H., Das Strafrecht der Lex Visigothorum, 1955; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Fastrich-Sutty, I., Die Rezeption des westgotischen Rechts in der Lex Baiuvariorum, 2002 lex Voconia ist das römische Gesetz des Jahres 169 v. Chr., das die Erbeinsetzung von Frauen wohl zum Schutz großer Vermögen (zeitweise) beschränkt. Lit.: Kaser §§ 66 II 1, 68 III 3 Leyes de Toro (Gesetze von Toro) sind die spanische Rechtsquelle des 16. Jh.s (1565), die Zweifelsfragen bei der Auslegung des (span. [M.]) -> Fuero Real und der (span. [ F.Pl.]) -> Siete Partidas klärt und in Kastilien bis zum Codigo civil von 1888/1889 gilt. Die L. d. T. werden von Antonio Gómez (nach 1500-vor 1572) kommentiert. Lit.: Peréz Martín, A./Scholz, J., Legislacíon y jurisprudencia en la Espaa del antigua régimen, 1978 Leyser, Augustin (Wittenberg 18. 1. 1683-3. 5. 1752) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg und Halle (Stryk, Thomasius) 1707 außerordentlicher Professor in Wittenberg, 1712 ordentlicher Professor in Helmstedt und 1729 in Wittenberg. Seine elf Bände (lat.) Meditationes (F.Pl.) ad Pandectas (1713ff., Überlegungen zu den Pandekten), die mehr als 700 Studien zu mehreren tausend Urteilen und Sprüchen wiedergeben, erweisen ihn als Vertreter des -> usus modernus. In einem Kurs von 18 Monaten Dauer trägt er täglich zweistündig das gesamte Recht vor. Lit.: Köbler, DRG 144; Luig, K., Richterkönigtum und Kadijurisprudenz, in: Das Profil des Juristen, hg. v. Luig, K. u. a., 1980, 295 Libell (N.) Büchlein, Schrift (z. B. Klaglibell) Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155 Libellarvertrag (lat. contractus [M.] libellarius) ist ein in Italien im Frühmittelalter verbreiteter Grundstücksleihvertrag freier Leute. Lit.: Pivano, S., Precarie e livelli, Universit di Torino, Memorie dell' instituto giuridico II/CVIII, 1962 Libellus (M.) conventionis (lat.) ist die Klageschrift des spätantiken Zivilprozesses. Lit.: Köbler, DRG 55 452 Libellus (M.) repudii (lat.) ist im spätantiken römischen Recht die unter östlichem Einfluss entstandene förmliche Erklärung der Ehescheidung. Lit.: Kaser § 58 VII 2c; Köbler, DRG 58 Libellverfahren ist das im spätantiken römischen Recht seit der Mitte des 5. Jh.s mit der Einreichung eines Klaglibells (lat. libellus [M.] conventionis) an den Richter beginnende - > Kognitionsverfahren. Lit.: Kaser § 87 II 3; Köbler, DRG 55 liber (lat. [M.]) Buch liber (lat. [M.]) Freier Lit.: Köbler, LAW; Weber, A., Liber, ingenuus, 1983 liberal (freiheitlich) Liberalismus ist die im 18 Jh. ausgebildete Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, die sich von der freien Entfaltung des Einzelnen die bestmögliche Entwicklung der Gesellschaft erhofft. Grundlegend wird das Werk (engl.) Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (1776) des schottischen Nationalökonomen Adam -> Smith. Politisch strebt der L. Teilhabe des Einzelnen am Staat an, dem, getrennt von der Gesellschaft, der Schutz des Einzelnen aufgegeben ist (Jeremy -> Bentham 1748-1832, John Stuart Mill, Herbert Spencer, Karl von -> Rotteck 1775-1840, Karl Theodor -> Welcker). Die unbeschränkte Freiheit des L. führt aber zu gesellschaftlichen Schwierigkeiten (soziale Frage), so dass am Ende des 19. Jh.s der L. vom -> Sozialismus zurückgedrängt wird. Politisch wirken sich anscheinend besonders Napoleons idées libérales vom 18. Brumaire 1799 aus, die um 1810 in Spanien die Bezeichnung der Angehörigen einer Gruppe als liberal bzw. Liberale und danach in England die Umwandlung der Whig Party zur Liberal Party bewirken. Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 741; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 133f., 173, 179, 197, 202, 205f., 216; Benöhr, H., Wirtschaftsliberalismus und Gesetzgebung, ZFA 1977, 187; Wadl, W., Liberalismus und soziale Frage in Österreich, 1987; Carl Schmitt und die Liberalismuskritik, hg. v. Hansen, K. u. a., 1988; Wilhelm, U., Der deutsche Frühliberalismus, 1995; Hodenberg, C. v., Die Parteien der Unparteiischen, 1996; Liberalismus, hg. v. Brix, E. u. a., 1996; Theuringer, T., Liberalismus im Rheinland, 1998; Rawls, J., Politischer Liberalismus, 1998; Tober, H., Deutscher Liberalismus, 2000; Steinsdorfer, H., Die Liberale Reichspartei, 2000; Backes, U., Liberalismus und Demokratie, 2000; Leonhard, J., Liberalismus, 2001; Kieseritzky, W. v., Liberalismus und Sozialstaat, 2002; Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2002; Cioli, M., Pragmatismus und Ideologie, 2003; Leonhard, J., Europäische Liberalismen, ZRG GA 121 (2004), 313; Haunfelder, B., Die liberalen Abgeordneten des deutschen Reichstags 1871-1918, 2004 Liber augustalis -> Konstitutionen von Melfi Liber cartularii ist eine wohl langobardische Formelsammlung von 25 Formularen vielleicht des frühen 11. Jh.s. Lit.: Calasso, F., Medio evo del diritto, Bd. 1 1954, 315 Liber constitutionum -> Lex Burgundionum Liber (decretalium) extra (decretum vagantium) ist eine fünfteilige, 185titelige Sammlung von Dekretalen Papst Gregors IX. durch -> Raymundus de Penyafort (Raimund von Peniaforte) 1230/1234 (Gerichtsver- fassung, Prozess, Ämter, Ehe, Strafe), die Papst Gregor IX. im Sinne einer die bisherigen (lat.) Quinque compilationes (F.Pl.) antiquae (Fünf alten Sammlungen) ablösenden, klareren (lat.) Compilatio (F.) nova (Neuen Sammlung) für verbindlich erklärt. Zitiert wird der L. e. z. B. X 4. 19. 8. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102, 108; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Liber (M.) iudiciorum (lat.) ist die unter König Rekkesvind geschaffene Fassung der -> Lex Visigothorum. Lit.: Cerda Ruiz, J., Liber iudiciorum, Nueva encicl. jurid. Seix 15 1974 liber (M.) memorialis (lat.) Gedenkbuch, Buch der Denkwürdigkeiten Lit.: Der Stralsunder Liber memorialis, hg. v. Schroeder, H., Bd. 1 1964 Liber Papiensis ist ein wohl im 11. Jh. stufenweise in Pavia entstandenes, rund 950 Bestimmungen (570 langobardisch, 360 aus Kapitularien)umfassendes Rechtsbuch des -> langobardischen Rechts, das langobardische Gesetze, Kaisergesetze und im langobardischen Gebiet geltende Kapitularien zeitlich geordnet zusammenstellt und in einer Expositio (Kommentar, Pavia, 11. Jh., genannt werden Bagelardus, Bonfilius, Lanfrancus, Sigefredus, Ugo, Walcausa, Wilihelmus, dTW, do di, Da 453 di, E, Elc, M, Quiul, Vr) und einer Reihe glossierter Handschriften überliefert ist. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Diurni, G., L'Expositio ad Librum Papiensem, 1976; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Meyer, C., Langobardisches Recht nördlich der Alpen, TRG 71 (2003), 387 Liber (M.) sextus (lat.) ist das sechste Buch (zu den 5 Büchern des -> Liber extra) kirchlicher Dekretalen (Papst Bonifaz' VIII.) von 1298. Der L. s. fasst die nach Gregor IX. ergangenen Dekretalen systematisch in 5 Büchern zusammen. Zitiert wird der L. s. z. B. VI 1. 6. 26. -> Corpus iuris canonici Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102 libertas (lat. [F.]) Freiheit Lit.: Köbler, LAW; Schrage, E., Libertas est facultas naturalis, 1975; Fürbringer, C., Necessitas und libertas, 1985; Schott, C., Freiheit und libertas, ZRG 104 (1987), 84 Libertas (F.) ecclesiae (lat.) ist die von der Kirche im 11. Jh. geforderte Freiheit von der weltlichen Gewalt. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 77; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Szabo-Bechstein, B., Libertas ecclesiae, 1985 Libertät ist die verhältnismäßige Freiheit der Reichsstände des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) in der frühen Neuzeit (Wahlrecht, Wahlkapitulation, Glaubensfrei- heit). Lit.: Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Reichsständische Libertät und habsburgisches Kaisertum, hg. v. Duchhardt, H. u. a. 1999 libra (lat. [F.]) Waage (im römischen Recht eine wichtiges Instrument zur Durchführung von Libralgeschäften wie z. B. -> Manzipation) Lit.: Köbler, DRG 25 Libralgeschäft ist im römischen Recht das mit der Waage (lat. [F.] libra) durchgeführte Geschäft (z. B. Zuwägen des Entgeltes bei der - > Manzipation). Lit.: Kaser § 7 I Libri (M.Pl.) feudorum (lat.) (bzw. Liber feudorum) sind die im 11./12. Jh. entstandenen und im 12./13. Jh. in mehr als 150 Handschriften aufgezeichneten und zu den wichtigen Rechtsquellen gerechneten -> Lehnsrechtsbücher des langobardischen Lehns- rechts (Obertische Rezension Mailand vor 1158 7 Handschriften, Ardizonische Rezension (benannt nach Jacobus de Ardizone) Mailand Ende 12. Jh.s 21 Handschriften, Vulgata [Accursius'] Bologna um 1235/40 132 Handschriften). Sie beruhen auf Lehnsgesetzen Konrads II., Lothars II. Friedrichs I., Heinrichs IV. und Friedrichs II. Sie werden später in zwei Bücher mit 26 oder 28 und 55 oder 56 Titel gegliedert und seit der Mitte des 13. Jh.s in das sog. -> Volumen der justinianischen Kompilation aufgenommen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 101, 104, 106; Kaiserliches Lehnrecht. Die libri feudorum in der Fassung des Jodokus Pflanzmann, 1494, Neudruck 1989; Lehmann, K., Das langobardische Lehnrecht, 1896; Weimar, P., Die Handschriften des Liber feudorum, Rivista Internazionale di Diritto Comp. 1 (1900), 31; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Libri (M.Pl.) Karolini (lat.) (eine kirchenpolitische Schrift von etwa 790/1) Lit.: Freeman, A., Theodulf of Orléans and the Libri Carolini, Speculum 32 (1957), 663; Schwandt, W., Studien zu den Libri Carolini, 1966 Libri (M.Pl.) terribiles (lat.) sind die das Strafrecht behandelnden (schrecklichen) Bücher 47, 48 der -> Digesten. Lit.: Köbler, DRG 56 libripens (lat. [M.]) Waagehalter beim Libralgeschäft Lit.: Kaser § 7, 2 Libro do Leyes ist die von dem spanischen Juristen Alonso Díaz de Montalvo (1405-1499) verfasste Sammlung kastilischen Rechtes des späten Mittelalters (ordenamiento von 1484). - > Compilación de Leyes Lit.: Scheppach, M., Las Siete Partidas, 1991, 53 Licet iuris (lat.) ist das nur literarisch überlieferte Reichsgesetz des Heiligen Römischen Reiches über die Königswahl vom 4. 8. 1338, nach dem allein die deutsche Königswahl ohne jede päpstliche Mitwirkung den Anspruch auf das Kaisertum begründet und deshalb der Gewählte alle Reichsrechte im Reich ausüben darf (, obwohl der Kaisertitel erst durch die Kaiserkrönung legitimiert wird). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107, 109; Stengel, E., Avignon und Rhens, Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte, 6, 1 1930, 157; Thomas, H., Deutsche Geschichte des Spätmittelalters, 1983, 200 Lidlohn ist seit dem 14. Jh. der Entgeltanspruch für Dienstleistungen der Dienstboten. 454 Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schmidt-Wiegand, R., Lidlohn, Rhein-Westfäl. Z. f. Volkskunde 25 (1978) Liebe Lit.: La Croix, A. de, Liebeskunst und Lebenslust, 2003 Liebermann, Felix (Berlin 20. 7. 1851-7. 10. 1925 [von Automobil überfahren]), Textilfabrikantensohn, Bruder Max Liebermanns, wird nach dem Studium der Geschichte in Göttingen (Waitz) Privatgelehrter (1896 titulierter Professor). 1903ff. veröffentlicht er die nach anderen Editionen maßgebliche Ausgabe der Gesetze der -> Angelsachsen. Lit.: Heymann, E., (Nachruf auf) Felix Liebermann, ZRG GA 46 (1926), XXIII Liechtenstein ist das zwischen Schweiz und Österreich gelegene Fürstentum, das sich seit 1699/1712 aus den Herrschaften Vaduz und Schellenberg entwickelt und 1806 souverän wird (bis 1866 Mitglied des Deutschen Bundes, 1984 160 Quadratkilometer mit 26680 Einwohnern). 1808 erstellt Landvogt Joseph Schuppler eine Erbfolgs- und Verlassenschafts- abhandlungsordnung, 1809 den Entwurf zu einem bürgerlichen Gesetzbuch. Durch Patent vom 18. 2. 1812 übernimmt L. das -> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs ohne Erbrecht, 1846 auch dessen Erbrecht. Seit 1918 wendet sich L. von Österreich ab und der Schweiz zu. 1921 erhält es eine Verfassung, die dem Fürsten bedeutende Rechte gegenüber Landtag und der (5 köpfigen, als demokratisch angesehene) Regierung belässt (z. B. Sanktionierung der Gesetze). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Falke, J., Geschichte des fürstlichen Hauses Liechtenstein, Bd. 1ff. 1858ff.; Raton. P., Liechtenstein, 1969; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1827; Das Fürstentum Liechtenstein, hg. v. Müller, W., 1981; Liechtenstein, hg. v. Press, V. u. a., 1987; Der ganzen Welt ein Lob und Spiegel, hg. v. Oberhammer, E., 1990; Bradke, S., 75 Jahre Zollvertrag Schweiz- Liechtenstein, 1998; Korfmacher, N., Der Landtag des Fürstentums Liechtenstein, 1999; Eine Zivilrechtsordnung für Liechtenstein, hg. v. Berger, E., 1999; Götzenberger, A., Steueroase Liechtenstein, 2000; Meili, A., Geschichte des Bankwesens in Liechtenstein (1945-1980), 2000; Winkler, G., Die Verfassungsreform in Liechtenstein, 2003; Zimmermann, G., Die Entwicklung der internationalen Rechtshilfe, Diss. jur. Innsbruck 2003 Liegenschaft ist eine ältere Bezeichnung für -> Grundstück. Für das Recht der L. ist von besonderer Bedeutung das -> Grundbuch. Lit.: Köbler, DRG 89, 125; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, II, 1 1930; Conrad, H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der Liegenschaftsübertragung in Freiburg, 1937; Voser, P., Die altdeutsche Liegenschaftsübertragung, 1952; Hofmeister, H., Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbs, 1977; Faußner, H., Zur Liegenschaftsübertragung in der Baioaria provincia, ZRG GA 111 (1994), 1 Liegnitz an der Katzbach ist der 1149 bezeugte Ort, der bald Sitz einer Linie der Herzöge von Schlesien wird und 1252 Stadtrecht erlangt. Am Ende des 14. Jh.s (1399) verfasst Nikolaus -> Wurm das in Frage und Antwort von Schüler und Lehrer gegliederte, in 30 Artikeln unvollendete Liegnitzer Stadtrechtsbuch, das keinen Bezug zum Stadtrecht von L. aufweist. 1526-1530 ist Liegnitz Sitz einer Universität. Lit.: Elsner, W., Liegnitzer Stadtgeschichte, 1971; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58 Liga ist eine Bezeichnung für ein Bündnis. Die katholische L. ist die am 10. 7. 1609 abgeschlossene Vereinigung katholischer Reichsstände. Lit.: Hartung, F., Deutsche Verfassungsgeschichte , 9. A. 1969, 15 ligius -> homo ligius Ligurien ist die um Genua liegende norditalienische Landschaft, die über Römer, Ostgoten, Oströmer, Langobarden und Franken zum deutschen Reich gelangt. Seit dem frühen 11. Jh. wird -> Genua führend. 1815 kommt das Herzogtum Genua zum Königreich -> Sardinien. Lit.: Meyer, H., ,,Ligurisches" Erbrecht, ZRG GA 50 (1930), 354; Airaldi, G., Genova e la Liguria, 1986 Lille Lit.: Monier, R., Le Livre Roisin de la fin du 13e sicle, 1932; Monier, R., Les lois, enqutes et jugements des pairs du Castel de Lille, 1937 Limburg Lit.: Rechtsbronnen van het Hertogdom Limburg, hg. v. Janssen de Limpens, K., 1977 455 Limes (lat. [M.]) Grenze (z. B. zwischen Römern und Germanen, zwischen Brohl (bei Koblenz) und Eining (bei Regensburg) ausgebaut seit 84 n. Chr., überrannt seit 260 n. Chr.) Lit.: Köbler, DRG 28, 67; Baltl/Kocher; Baatz, A., Der römische Limes, 1974; Schallmayer, E., Der Limes, 2003 Limnaeus (Wirn), Johannes (Jena 5. 1. 1592- Ansbach 13. 5. 1663), Mathematikprofes- sorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena (Arumaeus) und Altdorf 1623 Erzieher, Hofmeister und Rat. Er entwickelt ein System des Staatsrechts (Iuris publici Imperii Romano- Germanici libri [M.Pl.] IX, 1629ff.) auf der Grundlage der Reichsgesetze. Das Reich sieht er als (lat. [M.]) status mixtus (gemischten [dualistischen] Staat). Lit.: Köbler, DRG 148; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968 Lindau Lit.: Stolze, A., Der Sünfzen zu Lindau, 1956; Niederstätter, A., Kaiser Friedrich II. und Lindau, 1986 Linden, Johannes van der (Zuid-Scharwoude 1756-Amsterdam 1835) wird nach dem Rechtsstudium in Leiden Rechtsanwalt und 1827 Richter. Bedeutsam ist seine Übersicht über das römisch-holländische Recht (Rechtsgeleerd practicaal en koopmans handboek, 1806). Lit.: Roberts, A., A South African Legal Bibliography, 1942, 190; Kop, P., Linden, in: Zestig juristen, 1987, 196 Lindenbrog, Friedrich (Hamburg 28. 12. 1573- 9. 9. 1648), Historikerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leiden gelehrter Ratgeber. Er veröffentlicht 1602 die -> Lex Salica mit Glossen und 1613 einen (lat.) Codex (M.) legum antiquarum (mit 11 Volksrechten usw.). Lit.: (Wilckens, N.,) Leben der berühmten Lindenbrogiorum, 1723; Wieacker, F., Privatrechtgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 212 Linealfolge (Erbfolge nach Linien) Linealgradualordnung (erbliche Ordnung nach Linien und Graden) Lingen Lit.: Cramer, W., Geschichte der Grafschaft Lingen, 1940; Lingen 975-1975, hg. v. Ehbrecht, W. u. a., 1975 Linz Lit.: Rausch, W., Handel an der Donau 1, 1969 Lippe ist ein deutsches Fürstentum (1900 1215 qkm, 138000 Einwohner) eines 1123 erstmals nachweislichen adligen Geschlechtes, das am 12. 11. 1918 Freistaat wird, der am 21. 1. 1947 in Nordrhein-Westfalen aufgeht. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Anschütz, G., Der Fall Friesenhausen, 1904; Henkel, W., Die Entstehung des Territoriums Lippe, 1937; Ebert, B., Kurzer Abriss einer lippischen Rechtsgeschichte, in: Mitt. aus der Lipp. Gesch. 25 (1956), 12; Kittel, E., Geschichte des Landes Lippe, 1957; Benecke, G., Society and Politics in Germany 1500-1750, 1974; Salbücher der Grafschaft Lippe von 1614 bis etwa 1620, bearb. v. Stöwe, H. u. a., 1969; Bartels-Ishikawa, A., Der Lippische Thronfolgestreit, 1995 Lipski, Andrzej (1572-1631) wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg und Heidelberg 1601 Sekretär des Königs von Polen, Assessor, 1617 Bischof, 1620 Großkanzler und 1630 Bischof von Krakau. Er veröffentlicht 1602 (lat.) Practicarum observationum ex iure civili et saxonico centuria (F.) prima (Erstes Hundert praktischer Beobachtungen aus dem römischen und sächsischen Recht) (1619 centuria secunda). Lit.: Borodziuk, Andrzej Lipskis Observationes practicae, in: Czasopismo Prawno-Historyczne 41 (1989), 69 lis (lat. [F.]) Streit, Rechtsstreit (Gen. litis) Lissabon am Tejo geht auf vorrömische Spuren zurück (römisch Felicitas Julia). 1147 erobert es König (1139) Alfons I. (von Portugal) von den Mauren (715/6). 1179 erhält es ein Foralrecht (Stadtrecht). 1260 wird es Residenz. Seine 1288 gegründete Universität wird 1308 nach Coimbra verlegt. List, Friedrich (Reutlingen 6. 8. 1789-Kufstein 30. 11. 1846), Professor der Nationalökonomie in Tübingen (1817-1820), nach Verurteilung wegen Staatsverbrechens seit 1830 im Dienst der Vereinigten Staaten von Amerika, fördert als führender Wegbereiter der historischen Schule der deutschen Nationalökonomie den Deutschen -> Zollverein und den Eisenbahnbau (Das nationale System der politischen Ökonomie, 1841). Lit.: Weippert, G., Der späte List, 1956 Liszt, Franz (von) (Wien 2. 3. 1851-Seeheim 21. 6. 1919), Generalstaatsanwaltssohn, Vetter des Komponisten Franz von Liszt, wird nach dem Rechtsstudium (1869) in Wien (Ihering), Göttingen und Heidelberg , Promotion (1874) und Habilitation (Graz 1876) Professor für -> 456 Strafrecht in Gießen (1879), Marburg (1882), Halle (1889) und Berlin (1899). In seinem von der Aufklärung geprägten, kriminalsoziologi- schen Marburger Programm (Der Zweck- gedanke im Strafrecht, 1882) sieht er den Menschen als durch äußere Umstände (Umwelt) beeinflusst an und will nicht die Tat durch Vergeltung bestrafen, sondern auf den Täter wegen seines sozialschädlichen Verhaltens durch zweckmäßige Behandlung einwirken, wobei er spezialpräventiv nach Tätertypen differenziert (Augenblickstäter sollen einen Denkzettel für die Zukunft erhalten, verbesserliche Zustandstäter sollen durch Resozialisierung wieder in die Gesellschaft eingegliedert, unverbesserliche Zustandstäter sicher verwahrt werden). In seinem Lehrbuch des Strafrechts (25. A. 1927) stellt er die liberalrechtsstaatliche, praktische Strafrechtsdogmatik seiner Zeit ausführlich dar. 1889 ist er Mitbegründer der -> Internationalen Kriminalistischen Vereinigung. Lit.: Köbler, DRG 204, 236; Radbruch, G., Franz von Liszt, in: Elegantiae juris criminalis, 2. A. 1950, 208; Ehret, S., Franz von Liszt und das Gesetzlichkeitsprinzip, 1996; Herrmann, F., Franz von Liszt und sein Standardwerk zum Völkerrecht, NJW 2001, 2854 Litauen ist das von Litauern beiedelte Gebiet an der oberen Memel und Düna, das 1316-1340 Ausgangspunkt eines größeren, 1386 mit Polen vereinigten Reiches wird (Personalunion 1386- 1387, 1447-1492, 1501-1506, Nebenlinie 1387- 1447, 1492-1501). Bei der Teilung Polens fällt L. 1772/1793/1795 an Russland. Im Februar 1918 erlangt es Unabhängigkeit. 1940 wird es der Sowjetunion eingegliedert, die es am 6. 9. 1991 wieder freigibt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Rigasche Zeitschrift für Rechtswissenschaft (1926 bis 1933), hg. v. Juristen- Verein Lettlands u. a. Faksimileausgabe 2003; Mikalauskas, A., Das Strafrecht der drei litauischen Statute von 1519 ­ 1566 ­ 1588, 1937; Hellmann, M., Geschichte Litauens, 4. A. 1990; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte, 1997; Rowell, S., Lithuania Ascending, 1994; Mast, P, Ost- und Westpreußen und die Deutschen in Litauen, 2000; Holocaust in Litauen, hg. v. Bartusevicius, V. u. a., 2003; Pferr, U., Die Verfassungskrise im Memelgebiet 1931/1932, 2005 Lite (M.) Freigelassener, Höriger Lit.: Kroeschell, DRG 1 litemonium (mlat. [N.]) Freigelassenenabgabe Litis contestatio (lat. [F.]) (Zeugenanrufung) ist die Streitbefestigung im Verfahrensrecht. Sie begegnet im altrömischen Recht nach der Feststellung des Verfahrensprogrammes durch den Magistrat. Mit der l. c. (Vertrag, str.) unterwerfen sich die Parteien gegenüber dem Magistrat dem Spruch des Richters (lat. [M.] iudex), womit ein zweiter Streit über das geltend gemachte Recht ausgeschlossen ist. Im klassischen römischen Recht werden die Klageformeln auf den formlosen Vortrag der Parteien vor dem Prätor meist schriftlich niedergelegt. Im Kognitionsverfahren sind die Parteien der Entscheidung ohne weiteres unterworfen, so dass die l. c. an Bedeutung verliert. Im spätantiken römischen Recht ist die l. c., welche die Rechtshängigkeit bewirkt, mit dem Bestreiten vollzogen (Fiktion). Im römisch-kanonischen Verfahren des Spätmittel- alters erfolgt nach Abschluss des Vorverfahrens die l. c. (Einlassung) durch feierliche, allgemein gehaltene Gegenbehauptungen des Beklagten zum Zweck der Kundgabe der Streitabsicht (Quasikontrakt). Im frühneuzeitlichen Verfahren vor dem Reichskammergericht wird die l. c. im Ant- worttermin durch Einlassung des Beklagten und den Kalumnieneid durchgeführt. Im 19. Jh. übernimmt die amtliche Zustellung (Insinuation) der Klage die meisten Wirkungen der überwiegend aufgegebenen l. c. Lit.: Kaser §§ 80 II 4a, 82 III, 87 I, II; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 19, 33f., 56, 117, 155, 202; Heiner, F., Der kirchliche Zivilprozess, 1910; Sohm, R., Die litis contestatio, 1914, Neudruck 1970; Jahr, G., Litis contestatio, 1960; Kaser, H., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Wolf, J., Die litis contestatio im römischen Zivilprozess, 1968 Litis denuntiatio (lat. [F.]) ist die Streitansage einer Partei im spätantiken römischen Verfahrensrecht. Lit.: Kaser § 87 II 3; Köbler, DRG 55 Litiskreszenz ist das Anwachsen des Streitgegenstandes im römischen Verfahrens- recht. Bereits im altrömischen Recht kann ein gleichbegüterter Dritter für einen Ergriffenen als ,,Gewaltsager" (lat. [M.] vindex) auftreten und die angelegte Hand wegschlagen, wodurch es zum Streit zwischen Verfolger und Drittem kommt, bei dessen Verlust durch den Dritten 457 sich die Summe, gegen die der Ergriffene ausgelöst werden kann, verdoppelt. Die L. findet sich im klassischen römischen Recht bei der (lat.) actio (F.) iudicati und der (lat.) lex (F.) Aquilia. Als Eigentümlichkeit des römischen Rechtes wird sie bei der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter nicht übernommen. Lit.: Kaser §§ 32 II 4c, 51 II 1, 81 III 1, 85 II 1; Söllner § 8; Köbler, DRG 20, 33, 49, 166 Littera (F.) Bononiensis (lat.) ist die (nicht völlig einheitliche) Bologneser Fassung (Vulgatafassung) der justianischen Rechtstexte. littera (F.) Pisana (lat.) -> Florentina Litteralkontrakt (M.) -> Litteralvertrag Litteralvertrag ist im klassischen römischen Recht eine nur kurze Zeit geübte Vertragsart, bei der die Verbindlichkeit (Obligation) durch einen Schriftakt (lat. [F.] transscriptio) entsteht. Lit.: Kaser § 7 II 2, 38 II 1c, 40 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 42, 45, 62 Littleton, Sir Thomas (1402-23. 8. 1481) ist der englische Anwalt und Richter (1455), der das erste umfassende, in Rechtsfranzösisch (Law French) geschriebene, systematische Lehrbuch des englischen Rechts (einschließlich des Lehnrechts) in drei Büchern verfasst (Of Tenures, 1481). Lit.: Wambaugh, E., Littleton's Tenures, 1903; Levy- Ullmann, H., The English Legal Tradition, 1935 Livland ist das von (ostseefinnischen) Liven bewohnte, zu Anfang des 13. Jh.s vom Schwertbrüderorden (um 1202-1237) bzw. Deutschen Orden unterworfene Gebiet am Rigaischen Meerbusen, mit dem sich der dritte Bischof Livlands vom Reich belehnen lässt. 1207 tritt der Bischof dem Schwertbrüderorden ein Drittel des eroberten Gebietes ab, bleibt aber Lehnsherr bis 1356. 1526 wird der livländische Ordensmeister Reichsfürst, 1561 scheidet er aus dem Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aus. 1629 kommt das auf seinen mittleren Teil verkleinerte Gebiet an Schweden, 1710/1721 an Russland. 1918/1820 wird L. zwischen Lettland und Estland geteilt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F., Das liv- und estländische Privatrecht, Bd. 1f. 2. A. 1847f.; Schmidt, O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Transehe-Roseneck, A. v., Zur Geschichte des Lehnswesens in Livland, 1903; Die altlivländischen Bauerrechte, hg. v. Arbusow, L., Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 23 (1924- 1926), 1; Transehe-Roseneck, A. v., Die Entstehung der Schollenpflichtigkeit in Livland, Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 23 (1924-1926), 485; Niitema, V., Die undeutsche Frage in der Politik der livländischen Städte im Mittelalter, 1949; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts- geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,545, 3,2,2076; Hellmann, M., Livland und das Reich, 1989 Livländischer Spiegel ist die von einem unbekannten Verfasser vermutlich im 14. Jh. geschaffene, ursprünglich mittelniederdeutsche Bearbeitung des Sachsenspiegels für Livland. Der l. S. sondert 95 Artikel des Landrechts des -> Sachsenspiegels (1221-1224) ganz, 72 teilweise aus und belässt nur 34 Artikel unverändert. Der l. S. folgt dem waldemar- erichschen Lehnrecht für Estland und dem ältesten livländischen Ritterrecht nach und wird im wieck-öselschen Lehnrecht als Buch 1-3 aufgenommen. Im Übrigen wird er durch das mittlere livländische Ritterrecht verdrängt. Dieses geht über das livländische, estländische und kurländische Privatrecht von 1864 in das lettländische Zivilgesetzbuch von 1937 ein, das bis 1940 Geltung hat. Lit.: Bunge, G., Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Bunge, G. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879, 95; Leesmant, L., Über das Alter des livländischen Rechtsspiegels, ZRG GA 50 (1930), 171 Livres de Jostice et de Plet sind eine französische -> coutume aus der Gegend von Orléans um 1260, die bereits römisches Recht aufweist. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rapetti, Li Livres de Justice et de Plet, 1850; Meijers, E., Études d'histoire du droit, Bd. 3 1959, 1 Lizentiat ist der wissenschaftlich Gebildete, der die Prüfung der (lat. [F.]) licentia bestanden hat. Der L. steht zwischen (lat. [M.]) -> baccalaureus und (lat. [M.]) -> doctor. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 106; Knapp, T., Die Lizenz des Lizentiaten, ZRG GA 51 (1931), 524; Willoweit, D., Das juristische Studium in Heidelberg, FS Universität Heidelberg, Bd. 1 1985, 85 Locatio (lat. [F.]) conductio (lat. [F.]) ist im römischen Recht der Miet- bzw. Pachtvertrag (l. c. rei), der Dienstvertrag (l. c. operis) und der Werkvertrag (l. c. operarum). Die l. c. ist Konsensualvertrag und mit (lat. [N.]) -> bonae- 458 fidei-iudicium ausgestattet. Im spätantiken römischen Recht wird sie wegen des Kolonates bedeutungslos. Lit.: Kaser §§ 38, 42; Söllner §§ 9, 17; Köbler, DRG 44f., 64, 215; Mayer-Maly, T., Locatio conductio, 1956 Locator (lat. [M.]) ist im Hochmittelalter der Siedlungsunternehmer der Ostsiedlung, der später vielfach Gutsherr wird. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Kötzschke, R., Das Unternehmertum, 1894; George, R., Die Großunter- nehmer in der ostdeutschen Kolonisation, Diss. phil. Münster 1948 Loccenius, Johannes (1598-1677) wird nach dem Rechtsstudium in Helmstedt und Rostock 1625 Professor in Uppsala. In seiner (lat.) Synopsis (F.) iuris ad leges Sueticas accomodata (Zusammenschau des Rechts unter Bezug auf die schwedischen Gesetze) (1648) stellt er das römische Recht in Beziehung auf Schweden dar. Lit.: Malmström, A., Juridiska fakulteten i Uppsala, 1985 Locke, John (Wrington 29. 8. 1632-Oates 28. 10. 1704) wird nach dem Studium von Philosophie und Medizin in Oxford Lehrer und Berater auf der Grundlage der Vorstellungen -> Bacons. Nach vierjährigem Aufenthalt in Frankreich und sechsjährigem Exil in den Niederlanden entwickelt er 1690 die Erkenntnistheorie des Empirismus, die durch viele einzelne Erfahrungen zu allgemeinen Zusammenhängen kommt. In seinen Two treatises on government (Zwei Abhandlungen über die Regierung, 1690) fordert er die Beschränkung der Macht des (nicht von Gott ableitbaren absoluten) Monarchen und daraus folgend die Teilung der Gewalt im Staat zur Sicherung der persönlichen Freiheit und des Eigentums des Bürgers in Legislative (Gesetzgebung) und Exekutive (Ausführung). Lit.: Köbler, DRG 148, 190; Euchner, W., Naturrecht und Politik bei John Jocke, 1969; Zwei Abhandlungen über die Regierung, hg. v. Euchner, W., 1977; Cranston, M., John Locke, 3. A. 1985 Logik Lit.: Hruschka, J., Das deontologische Sechseck bei Gottfried Achenwall, 1986 (SB Göttingen) Lohn ist das (vereinbarte) Entgelt für eine Tätigkeit (oder einen Erfolg). Der L. findet sich außerhalb von personenrechtlichen Abhängig- keitsverhältnissen. In der Geldwirtschaft besteht er (vorwiegend) in Geld. Er kann von der Zeit oder von der Leistung abhängen. Besonders bedeutsam ist der L. im Arbeitsverhältnis. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Renzsch, W., Handwerker und Lohnarbeiter, Diss. Göttingen 1981; Kocka, J., Lohnarbeit und Klassenbildung, 1983; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Klippel, D., Der Lohnarbeitsvertrag in Naturrecht und Rechtsphilosophie, in: Geschichtliche Rechtswissen- schaft, hg. v. Köbler, G., 1990, 161 Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist die Fortzahlung des Lohnes eines Bediensteten trotz Krankheit in der Bundesrepublik Deutschland seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (27. 7. 1969, Entgeltfortzahlungsgesetz 1994). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 273 Lohnkämpfer ist der gegen Lohn handelnde, in Früh- und Hochmittelalter auftretende Zweikämpfer (z. B. bei den Langobarden 731). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956, 296 Lohnsteuer ist die den -> Lohn des Arbeitnehmers erfassende -> Steuer, deren erste Ansätze in Württemberg 1764 und in Preußen 1808 sichtbar werden. Lit.: Köbler, DRG 198; Baltl/Kocher H 6 Loi de Beaumont ist das Privileg des Erzbischofs von Reims für das von ihm zur Stadt erhobene Beaumont-en-Argonne, das allmählich auf mehr als 500 Orte erstreckt wird. Lit.: Olivier-Martin, F., Histoire du droit Français, 2. A. 1951, §§ 118f. Loisel, Antoine (Beauvais 1536-Paris 1617) wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse (Cujas), Cahors, Bourges, Paris, Valence und Bourges Advokat. Um 1600 erarbeitet er die Institutes coustumires aus den verschiedenen französischen -> coutumes, damit im Falle einer Lücke eines örtlichen Gewohnheitsrechts auf den Rückgriff auf das römische Recht verzichtet werden kann. Lit.: Demasure, A., Antoine Loisel, 1876; Reulos, M., Étude sur l'esprit, les sources et la méthode des Institutes coutumires d'Antoine Loisel, Diss. jur. Paris 1935 Lokator -> locator Lombarda ist eine in ihren ältesten Handschriften aus dem ausgehenden 11. Jh. überlieferte, in Norditalien (Pavia?) entstandene systematisierte, in drei Bücher geteilte Fassung des Stoffes des -> Liber 459 Papiensis. Die L. wird bald kommentiert und um 1215 von -> Karolus de Tocco umfangreich glossiert. Lit.: Anschütz, A., Die Lombarda-Commentare des Ariprand und Alpertus, 1855; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadt-Kommune, 1967; Padao Schioppa, A., La cultura giuridica, 1986, 219, Storia di Pavia 2; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Meyer, C., Langobardisches Recht nördlich der Alpen, TRG 71 (2003), 387 Lombardei ist das Gebiet zwischen Alpen und Po mit dem Mittelpunkt -> Mailand, das am Ende der Völkerwanderung (568) von -> Langobarden besiedelt wird, im Hochmittel- alter aber in Herrschaften verschiedener -> Kommunen (Städte) zerfällt. 1714 gelangt es an Österreich, 1859 an Sardinien und damit 1861 an Italien. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Lattes, A., Il diritto consuetudinario delle citt lombarde, 1899; Jarnut, J., Bergamo, 1979; Mozzarelli, C., Sovrano, societ e amministrazione locale nella Lombardia Teresiana, 1982; Chiappa Mauri, L., Paesaggi rurali di Lombardia, 1990; Massetto, G., Saggi di storia del diritto penale lombardo (secc. 16-17), 1994 (Aufsätze) Lombarde (im Hochmittelalter) italienischer Kaufmann und Geldwechsler Lit.: Piton, C., Les Lombards en France, 1892 Lombroso, Cesare (Verona 18. 11. 1836-Turin 19. 10. 1909), Professor für Gerichtsmedizin in Pavia und Turin, sieht auf Grund experimenteller Betrachtungen die Ursache von Verbrechen in erblichen physio-psychischen Abweichungen des Täters von der Normalität. Lit.: Bulferetti, L., Cesare Lombroso, 1975 London an der Themse erscheint 61 n. Chr. als römisches Lager Londinium. Im 12. Jh. wird es Vorort Englands. 1829 erhält es eine Universität. Lit.: Weinbaum, M., Verfassungsgeschichte Londons 1066-1268, 1929; Weinbaum, M., London unter Eduard I. und II., Bd. 1f. 1933; London possessory assizes, a calendar, hg. v. Chew, H., 1965; Baker, T., Medieval London, 1970; Rexroth, F., Das Milieu der Nacht, 1999; Shore, H., Artful Dodgers, 1999; Fahrmeir, A., Ehrbare Spekulanten, 2003 Longi temporis praescriptio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die 199 n. Chr. aus provinzieller Praxis heraus anerkannte Einrede langer Zeit, bei der ungestörter Besitz nach rechtmäßigem Beginn (lat. iustum initium [N.]) während 10 bzw. 20 Jahren eine eigentumsähnliche Stellung verschafft. Im spätantiken Westen verdrängt die l. t. p. von 40 bzw. 30 Jahren die -> Ersitzung. Justinian verbindet die l. t. p. von 10 bzw. 20 Jahren mit Grundstücken (ausgenommen vor allem Kirchengut und Fiskalgut) im Gegensatz zur (lat. [F.]) -> usucapio bei beweglichen Sachen. Lit.: Kaser §§ 4 III, 15 III 2, 25 III, 28 II, 31 III 4; Köbler, DRG 40, 61 López de Tovar, Gregorio (1496-1560) wird nach dem Studium von Recht und Philosophie in Salamanca Bürgermeister, Verwalter, Anwalt, Richter und Rat. 1555 veröffentlicht er die -> Siete Partidas in einer klareren Fassung. Lit.: Martínez Cardos, J., Gregorio López de Tovar, 1960 Lord (engl.) Herr, Baron Lit.: Powell, J./Walles, K., The House of Lords, 1968 Lorsch Lit.: Die Reichsabtei Lorsch, hg. v. Knöpp, F., 1973 Los ist ein Mittel zur Bestimmung eines Umstandes durch Zufall. Es ist bereits dem Altertum (biblische Landteilung) und den Germanen bekannt (Tacitus, Germania 10, 26). Selbst in der Gegenwart entscheidet bei Stimmengleichheit vielfach das L. Im Privatrecht ist L. eine Urkunde über eine auf einen Spielvertrag gegründete Gewinnchance. Lit.: Homeyer, C., Über das germanische Losen, SB. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1853; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989,1994 Lösegeld ist die für eine Befreiung eines Menschen aus Gefangenschaft erforderliche Geldsumme. Das L. findet sich bereits in 3. Moses 25, 49 und ist auch dem römischen Recht bekannt. In der Neuzeit bilden sich Kataloge für Lösegelder entsprechend dem militärischen Rang des Gefangenen aus. Lit.: Felgenträger, W., Antikes Lösungsrecht, 1933; Erler, A., Der Loskauf Gefangener, 1978 Lösungsrecht ist allgemein das Recht, sich von einer Rechtsfolge (durch Geldleistung) zu lösen. Das L. der Juden ist das den Juden im Mittelalter gewährte Recht, gestohlene Sachen, die sie erworben oder zu Pfand erlangt haben, zu behalten, sofern sie nicht Ersatz des Kaufpreises oder der Schuldsumme bekommen. -> Hehler Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Felgenträger, W., Antikes Lösungsrecht, 1933; Feenstra, R., Zum Ursprung 460 des Lösungsrechts, FS G. Kisch, 1955, 237; Völkl, A., Das Lösungsrecht von Lübeck und München, 1991 Lothar (III.) von Süpplingenburg (Anfang Juni 1075-Breitenwang 3./4. 12. 1137) ist der ohne männlichen Erben verstorbene deutsche König bzw. Kaiser (1133) zwischen -> Saliern (1125) und -> Staufern (1137). Er hält sich überwiegend im Norden auf und fördert die -> Ostsiedlung. Lit.: Köbler, DRG 93, 143; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft unter Lothar III., 1969; Gross, T., Lothar III. und die Mathildischen Güter, 1990; Hermann, O., Lothar III. und sein Wirkungsbereich, 2000 Lotharingien -> Lothringen lotharische Legende ist die seit dem 16. Jh. (Melanchthon) belegte Legende, dass Kaiser -> Lothar (III.) von Süpplingenburg das römische Recht 1135 nach der Eroberung Amalfis durch ein Gesetz in Deutschland eingeführt habe. Sie wird 1643 durch Hermann -> Conring (1606- 1681) in der Schrift (lat.) De origine iuris Germanici (Vom Ursprung des deutschen Rechts) widerlegt. Lit.: Köbler, DRG 142 Lothringen ist das an das 843 gebildete Mittelreich Kaiser Lothars I. bzw. das hieraus durch weitere Teilung entstandene Königreich seines Sohnes Lothar II. (855-869) erinnernde Gebiet (Lotharingien) an Mosel und Niederrhein (Herzogtum bis 939, Teilung in Oberlothringen und Niederlothringen 959). Es gelangt 1648 bzw. 1738/1766/1801 an Frankreich und 1870/1801-1919 nochmals vorübergehend (Reichsland Elsass-Lothringen) an das Deutsche Reich. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Fitte, S., Das staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums Lothringen zum deutschen Reich, Diss. jur. Straßburg 1892; Parisot, R., Royaume de Lorraine, 1898; Opel, H., Die Rechtsstellung der mit dem Anschluss Lothringens (925) zum deutschen Reich gekommenen Franzosen, Diss. jur. Göttingen 1954; Bonnaud-Delamare, R., Les plaids annaux Lixheim au 18me sicle, ZRG GA 80 (1963), 118; Hlawitschka, E., Lothringen, 1986; Thomas, H., Zwischen Regnum und Imperium, 1973; Thomas, H., Die lehenrechtlichen Beziehungen des Herzogtums Lothringen, Rhein. Vjbll. 38 (1974), 166; Mohr, W., Geschichte des Herzogtums Lothringen, 1979ff.; Nonn, U., Pagus und comitatus in Niederlothringen, 1983; Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990; Barth, R., Der Herzog in Lotharingien im 10. Jahrhundert, 1990; Lotharingia, hg. v. Herrmann u. a., 1995; Barth, R., Lotharingien, 1996; Bauer, T., Lotharingien als historischer Raum, 1997 Lotmar, Philipp (Frankfurt am Main 1850- Bern 1922), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Göttingen (Ihering) und München (Brinz) Professor in Bern und begründet mit seinem Buch ,,Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des deutschen Reichs" (Bd. 1f. 1902ff.) die Wissenschaft des Arbeitsrechts mit. Lit.: Lotmar, P., Schriften zu Arbeitsrecht, Zivilrecht und Rechtsphilosophie, hg. v. Rückert, J., 1992; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H., 1993, 331; Gasser, C., Philipp Lotmar, 1997; Forschungsband Philipp Lotmar (1850-1922, hg. v. Caroni, P., 2003 Lotterie ist das in Form von bestimmten Verträgen betriebene Spiel. Die L. ist bereits im römischen Altertum bekannt. Seit 1444 (Niederlande) finden erneut Lotterien statt. Zeitweise werden sie bekämpft (19. Jh.). Lit.: Endemann, F., Beitrage zur Geschichte der Lotterie, 1889 Löwen (Leuven, Louvain) an der Dijle erscheint im 12. Jh. als ummauerter Ort. 1425/1426 wird es Sitz einer am Ende des 18. Jh.s (1793) geschlossenen, 1834 neugegründeten (katholischen) Universität. 1970 kommt eine zweite Universität hinzu. Lit.: Uytven, R. van, Leuven, 1980; Roegers, J./Lamberts, E., De universiteit te Leuven, 1988; Leuven, 500 jaar universiteit, 1976 Löwenstein Lit.: Fritz, G., Die Geschichte der Grafschaft Löwenstein, 1986 Lübeck an der Trave ist die in der zweiten Hälfte des 11. Jh.s erstmals erwähnte Siedlung, die nach Verlegung und bedeutender Förderung durch Heinrich den Löwen 1226 Reichsstadt wird. Lübecks Recht wird um 1225 lateinisch und um 1240 mittelniederdeutsch aufge- zeichnet (-> lübisches Recht). Am 1. 4. 1937 verliert L. durch Reichsgesetz seine Selbständigkeit innerhalb des Deutschen Reiches zugunsten -> Preußens. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Michelsen, A., (Oberhof), 1839; Urkundenbuch der Stadt Lübeck, Bd. 1ff. 1843ff.; Freund, R., Aufklärung einiger bemerkenswerter Irrtümer bezüglich der Interpretation einzelner Artikel des ältesten lübischen Stadtrechts, ZRG GA 3 (1882), 153; Das Lübecker Oberstadtbuch, hg. v. Rehme, P., 461 1895; Rehme, P., Die Lübecker Grundhauern, 1905; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Lübische Forschungen 1922; Fehling, E., Lübeckische Ratslinie, 1925, Neudruck 1978; Winterfeld, L. v., Versuch über die Entstehung des Marktes und den Ursprung der Ratsverfassung in Lübeck, Zeitschrift des Vereins für lübeckische Geschichte 25 (1929), 365; Brandt, A. v., Der Lübecker Rentenmarkt von 1320-1350, 1935; Rörig, F., Heinrich der Löwe und die Gründung Lübecks, DA 1 (1937), 408; Ebel, W., Forschungen zur Geschichte des lübischen Rechts Teil 1, 1950; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, (1951); Das mittelniederdeutsche Stadtrecht von Lübeck nach seinen ältesten Formen, hg. v. Korlén, G., 1951; Ebel, W., Bürgerliches Rechtsleben zur Hansezeit in Lübecker Ratsurteilen, 1954; Ebel, W., Lübecker Ratsurteile, Bd. 1ff. 1955ff.; Asch, J., Rat und Bürgerschaft in Lübeck 1598-1669, 1961; Brandt, A., Regesten der Lübecker Bürgertestamente, Bd. 1 1964; Civilitates, Lübecker Neubürgerlisten 1317-1356, hg. v. Ahlers, O., 1967; Kranz, E., Die Vormundschaft im mittelalterlichen Lübeck, Diss. jur. Kiel 1967; Krause, U., Die Geschichte der Lübecker Gerichtsverfassung, Diss. jur. Kiel 1967; Dahl, H., Lübeck im Bundesrat, 1969; Fuchs, H., Privilegien oder Gleichheit, Diss. phil. Kiel 1971; Hohnsbein, G., Das Strafverfahren Lübecks im 19. Jahrhundert, 1971; Haberland, H., Der Lübecker Renten- und Immobilienmarkt in der Zeit von 1285- 1315, 1974; Ende, B. am, Studien zur Verfassungsgeschichte Lübecks im 12. und 13. Jahrhundert, 1975; Lübeck 1226, hg. v. Ahlers, O. u. a., 1976; Ebel, W., Jurisprudencia Lubecensis, 1980 (1342 Titel); Köbler, G., Das Recht an Haus und Hof im mittelalterlichen Lübeck, in: Der Ostseeraum, hg. v. Friedland, K., 1980; Weniger, A., Die Finanzverwaltung Lübecks im 19. Jahrhundert, 1982; Blunk, M., Der Handel des Lübecker Kaufmannes Johan Glandorp an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert, 1985; Schneider, G., Gefährdung und Verlust der Eigenstaatlichkeit der freien und Hansestadt Lübeck, 1986; Lübeckische Geschichte, hg. v. Graßmann, A., 1988, 2. A. 1989; Lutterbeck, M., Der Rat der Stadt Lübeck, 2002; Prange, W., Vikarien und Vikare in Lübeck bis zur Reformation, 2003 Lübisches Recht (lat. ius [N.] Lubicense, 1188) ist das von der Stadt -> Lübeck geschaffene und auf etwa 100 andere Städte (z. B. Rostock, Wismar, Kiel, Stralsund, Elbing, Reval, Memel) übertragene (Stadt-)Recht. Seit der Neuzeit geht sein Einfluss dadurch zurück, dass die umliegenden Landesherren die -> Appellation nach Lübeck verbieten. Das revidierte lübeckische Stadtrecht von 1586 gilt bis Ende 1899, l. R. überhaupt in Reval bis 1945. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wolff, O., Das lübsche Recht in der Stadt Kiel, 1898; Funk, M., Die lübischen Gerichte, ZRG GA 26 (1905), 53, 27 (1906), 61; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Ebel, W., Lübisches Recht, Bd. 1 1971; Ebel, W., Erbe, Erbgut und wohlgewonnen Gut im lübischen Recht, ZRG GA 97 (19080), 1; Ebel, W., Jurisprudentia Lubecensis, 1980; Das lateinische lübische Recht in der schlesisch- polnischen Fassung des 13. Jahrhunderts, hg. v. Ebel, F./Schelling, R., ZRG GA 110 (1993), 93; Der Revaler Kodex des lübischen Rechts 1282, hg. v. Kala, T., 1998 Lublin Lit.: Hoff, E., Lublins Gründungshandfesten zu deutschem Recht 1317/1342, 1942 Lucca ist eine auf etruskischen und römischen Siedlungen aufbauende Stadt in der Toskana, die 1119 frei wird. 1314 gelangt L. an Pisa, wird 1370 aber nochmals frei. 1805 gibt Napoleon L. an seine Schwester, 1815 fällt L. als Herzogtum an Maria Luise von Etrurien, deren Sohn es 1847 an -> Toskana gibt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwarzmaier, H., Lucca und das Reich, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,168, 3,1,168; Lucca e l'Europa, hg. v. Mazzei, R. u. a., 1990 Lucerna (F.) iuris (lat.) (Leuchte des Rechts) ist eine Bezeichung für -> Irnerius. Lit.: Köbler, DRG 106 Ludewig, Johann Peter (Hohenhard 15. 8. 1668-Halle 7. 9. 1743) wird nach dem Studium von Theologie, Philologie und Recht in Halle (Stryk) Professor für Philosophie (1695), Historiograph (1704) und Professor der Rechtswissenschaft (1705). Er bearbeitet in erster Linie die Geschichte der staatlichen und staatsrechlichen Entwicklung (Reichshistorie) aus preußischer Interessenlage (Entwurf der Reichshistorie, 1707). Lit.: Wideburg, F., De vita et scriptis J. P. de Ludewig, 1757; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 302 Ludwig XIV. (Saint-Germain-en-Laye 5. 9. 1638-Versailles 1. 9. 1715), König von Frankreich seit 1643 (Sonnenkönig), steigert die sich auf spätmittelalterlich-italienische 462 Ansätze (-> Machiavelli) stützende Lehre von der uneingeschränkten Herrschaft des Herrschers zu einem fast religiösen Dogma (-> Absolutismus). Am Ende seiner auch von Eroberungskriegen (1667-1697) gekennzeich- neten Regierungszeit steht Frankreich trotz merkantilistischer Politik vor dem Bankrott. Lit.: Köbler, DRG 149; Scheswig, B., Ludwig XIV., 1986; Malettke, K., Ludwig XIV., 1994 Ludwig der Bayer (Ende 1281?-Puch bei Fürstenfeldbruck 11. 10. 1347) aus dem Geschlecht der -> Wittelsbacher ist deutscher König (1314) und Kaiser (1328). Mit Hilfe des Kurvereins von -> Rhens und des Reichsgesetzes (lat.) -> Licet iuris versucht er die Durchsetzung seiner politischen Vorstellungen gegenüber dem Papst. Lit.: Köbler, DRG 101; Fischer, J., Das ältere Rechtsbuch Ludwig des Bayern, 1908; Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs des Bayern, 1911; Moeller, R., Ludwig der Bayer und die Kurie, 1914; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959), 173; Schwöbel, H., Der diplomatische Kampf zwischen Ludwig dem Bayern und der römischen Kurie, 1968; Benker, G., Ludwig der Bayer, 1980; Thomas, H., Ludwig der Bayer, 1993; Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern, hg. v. Acht, P., 1995ff.; Kaiser Ludwig der Bayer, hg. v. Nehlsen, H./Hermann, G., 2002 Ludwig der Deutsche Lit.: Bigott, B., Ludwig der Deutsche und die Reichskirche im ostfränkischen Reich, 2002; Hartmann, W., Ludwig der Deutsche, 2002 Ludwig der Fromme (Casseneuil 778- Ingelheim 20. 6. 840) ist der Nachfolger Karls des Großen. Lit.: Köbler, DRG 83; Schmitz, G., Die Kapitulariengesetzgebung Ludwigs des Frommen, DA 42 (1986), 471; Charlemagne's Heir, hg. v. Godman, P. u. a., 1990; Boshof, E., Ludwig der Fromme, 1996; Depreux, P., Prosopographie de l'entourage de Louis le Pieux, 1997 Luft -> Stadtluft Lit.: Fischer, A., Luftverkehr zwischen Markt und Macht (1919-1937), 2003 Luft macht frei. -> Stadtluft Lit.:Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprich- wörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 231 (Grimm) Luftrecht ist das Recht des Luftverkehrs, das sich im 20. Jh. entwickelt. -> Gefährdungshaftung Lit.: Schwenk, W., Handbuch des Luftverkehrsrechts, 1981; Helm, S., Die Deutsche Lufthansa AG, 1999; Fischer, A., Luftverkehr zwischen Markt und Macht (1919-1937), 2003; Bethkenhagen, K., Die Entwicklung des Luftrechts, 2004 Lüge ist die bewusst unwahre Aussage oder Behauptung (z. B. E sagt zu F, D habe einen Antrag gestellt, obwohl E selbst den Antrag gestellt hat). Die L. ist geschichtlich so alt wie die Wahrheit. Die einfache L. ist rechtlich nicht bedeutsam, doch kann die L. Teil eines Betruges oder eines anderen rechtlich erheblichen Sachverhaltes bzw. Tatbestandes sein. -> Gegen den Lügner ... Lit.: Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988; Dietzsch, S., Kleine Kulturgeschichte der Lüge, 1997; Lügen und Betrügen, hg. v. Hochadel, O. u. a., 2000; Kulturen der Lüge, hg. v. Mayer, M., 2003 Lügenstrafe ist in der frühen Neuzeit eine Strafe für das Lügen oder das Verweigern einer Aussage im Strafprozess. Die L. tritt im 18. Jh. an die Stelle der -> Folter. Sie besteht meist in einer Prügelstrafe. Seit der Mitte des 19. Jh.s wird die L. aufgegeben. Lit.: Mauß, D., Die ,Lügenstrafe' nach Abschaffung der Folter ab 1740, Diss. jur. Marburg 1974 Lund wird 1019 vom König von Dänemark gegründet. 1048 wird es Sitz eines Bischofs, 1103 (bis 1516) Sitz eines Erzbischofs. 1658 kommt es an Schweden, erhält 1668 eine Universität und ist von 1716-18 Residenzstadt. Lit.: Blomqvist, R., Lund, 1951; Den historika skolan och Lund, hg. v. Modéer, K., 1982 Lüneburg an der Ilmenau ist eine landesfürstliche und für das zugehörige Herzogtum namengebende Stadt, deren Rechtsstellung zeitweise der einer freien Reichsstadt ähnelt. 1577 wird das Stadtrecht reformiert. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2; Chur-Braunschweig-Lüneburgische Landesordnungen, Bd. 1ff. 1739ff.; Pappenheim, M., Scheinbuße und Selbsturteil, ZRG GA 29 (1908), 334; Haase, C., Das Lüneburger Stadtrecht, Aus Lüneburgs Vergangenheit 1956, 67; Rabe, D., Die Lüneburger Stadtrechtsreformation (1577-1583), Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Thurich, E., Die Geschichte des Lüneburger Stadtrechtes, 1960; Arnswaldt, C., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969; Mörke, O., Rat und Bürger, 1983; Mellinger, J., Atlas des Fürstentums Lüneburg um 1600, 2001 463 Lünig, Johann Christian (Schwallenberg 14. 10. 1662-Leipzig 14. 9. 1740) wird nach dem Rechtsstudium in Helmstedt und Jena Hofmeister, Amtmann und Stadtschreiber. Er veröffentlicht zahlreiche Quellen zu Staatsrecht und Staatenkunde (u. a. Teutsches Reichsarchiv). Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 235, 265, 309 Lupold von Bebenburg (um 1300-Bamberg 1363), Reichsministerialensohn (von Bemberg bei Gerabronn), wird nach dem Studium des Kirchenrechts und der Promotion in Bologna (Johannes Andreae) Offizial (Domherr) in Würzburg (1332) und Mainz und Bischof von Bamberg (1353). Sein (lat.) Tractatus (M.) de iuribus regni et imperii (1339, Abhandlung von den Rechten des Königtums und Kaisertums) spricht dem deutschen Kaisertum Unab- hängigkeit vom römischen (päpstlich verliehenen) Kaisertum zu. Lit.: Köbler, DRG 107; Meyer, H., Lupold von Bebenburg, 1909; Politische Schriften des Lupold von Bebenburg, hg. v. Miethke, J. u. a., 2004; Lupold von Bebenburg, De iuribus regni et imperii, hg. v. Miethke, J., 2005 Luschin von Ebengreuth, Arnold (26. 8. 1841-Graz 6. 12. 1932) wird nach dem Rechtsstudium 1873 außerordentlicher Professor und 1881 ordentlicher Professor der österreichischen und deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte in Graz. 1896 veröffentlicht er eine österreichische Reichsgeschichte. Lit.: Puntschart, P., Arnold Luschin von Ebengreuth, ZRG GA 53 (1933), XXIX Lusitaner (Lusitanier) ist der Angehörige eines ibero-keltischen, 15 v. Chr. unter die Herrschaft der Römer, in der zweiten Hälfte des 5. Jh.s der -> Westgoten und seit 712 der -> Araber gekommenen Volkes im späteren -> Portugal. Lit.: Tovar, J., Iberische Landeskunde, Bd. II 2 1976 Luther, Martin (Eisleben 10. 11. 1483-18. 2. 1546), Bergmannssohn, wird nach kurzem Studium des Rechts in Erfurt Theologe und Professor in Wittenberg (22. 10. 1517). Durch seine 95 Thesen (1517) wird er zum (erfolglosen) Reformator der katholischen Religion und (erfolgreichen) Stifter des Protestantismus. Er gründet die Erlösung des Menschen statt auf zuletzt käufliche, gute Werke (Ablasskauf) auf die göttliche Gnade. Er rechnet zum (lat.) ius (N.) divinum (göttlichen Recht) nur das Predigtamt, die Taufe, das Abendmahl und die Sündenvergebung. Dem Vollzug dient das menschliche Kirchenrecht (Amt, Dienst, Abgabe usw.). Sprachge- schichtlich ist seine das Neuhochdeutsche wesentlich prägende Übersetzung der Bibel in das Deutsche besonders bedeutsam (neues Testament September 1522, Fertigstellung der gesamten Übersetzung 1534). Lit.: Köbler, DRG 129; Luther und die Obrigkeit, hg. v. Wolf, G., 1972; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Mayer, H., Zur Naturrechtslehre des Luthertums, FS H. Welzel, 1974, 65; Günter, W., Martin Luthers Vorstellung von der Reichsverfassung, 1976; Heckel, M., Luther und das Recht, NJW 1983, 2521; Lohse, B., Martin Luther, 3. A. 1997 Lüttich am Zusammenfluss von Ourthe und Maas wird 720 Sitz des Bischofs von Maastricht/Tongeren. 1817 erhält es eine Universität. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hélin, E., Les capitations Liégeoises, 1961; Histoire de Lige, hg. v. Stiennon, J., 1991; Quellen zum Lütticher Steinkohlen- Bergbau im Mittelalter, bearb. v. Kranz, H., 2000 Luxemburg ist das nach einer 963 erwähnten Burg an der Alzette benannte Herzogtum (1354) des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation), das 1806 selbständig wird (1815 Großherzogtum, 1830 Anschluss an die Revolution Belgiens, 1839 durch den Vertrag von London mit seinen deutschsprachigen Teilen als Großherzogtum wiederhergestellt, 1866 Ausscheiden aus dem Deutschen Bund, 1867 gescheiterter Verkaufsversuch an Frankreich, gänzliche Unabhängigkeit, 1890 Personalunion mit den Niederlanden beendet). Seit 1918 verstärkt sich als Folge der Niederlagen des deutschen Reiches in den beiden Weltkriegen der Einfluss Frankreichs. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 95, 172; Wampach, C., Urkunden- und Quellenbuch zur Geschichte der altluxemburgischen Territorien, 1935ff.; Stengel, E., Baldewin von Luxemburg, 1937; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,1167, 3,3,3396; Pauly, M., Luxemburg im späten Mittelalter, Diss. phil. Trier 1990; Holthöfer, E., Beiträge zur Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburga im 19. und 20. Jahrhundert, 1993; 464 Luxembourg, hg. v. Lefebvre, F., 5. A. 1998; Franz, N., Die Stadtgemeinde Luxemburg, 2001; Becker, E., Studien zur Gemeindeverfassung in Luxemburg, 1934 Luxemburger ist der Angehörige deer von den Herzögen von Lothringen abstammenden Familie, die 1308 das Königtum im deutschen Reich erlangt (Heinrich VII., Karl IV.), 1443 ihr Stammland Luxemburg aber an -> Burgund verkauft. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gerlich, A., Habsburg-Luxemburg-Wittelsbach im Kampf um die deutsche Königskrone, 1960; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; Hoensch, J., Die Luxemburger, 2000 Luxusverbot ist das Verbot unangemessenen Aufwandes. Es findet sich bereits im Altertum. Von der Mitte des 14. Jh.s treten Luxusverbote gehäuft in Städten und Ländern auf. Mit dem ausgehenden 18. Jh. verlieren sie an Bedeutung. -> Kleiderordnung Lit.: Baudrillart, Histoire du luxe privé et public, Bd. 1ff. 1878ff.; Baldwin, F., Sumptuary Legislation, 1926; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Kick, E., Über den Wandel des Luxusbegriffes, 1970; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 338, 348, 353, 370, 400; Grugel-Pannier, D., Luxus, 1996; König, B., Luxusverbote im Fürstbistum Münster, 1998; Bernhardt, R., Luxuskritik und Aufwandsbeschränkungen in der griechischen Welt, 2003; Weeber, K., Luxus im alten Rom, 2003 Luzern am Ausfluss der Reuß aus dem Vierwaldstättersee wird in der Mitte des 8. Jh.s Sitz eines St. Leodegar geweihten Klosters. 1178 wird L. Stadt und kommt 1291 vom Abt von Murbach an König Rudolf von Habsburg. Am 13. 11. 1332 verbündet sich L. mit Uri, Schwyz und Unterwalden. 1386 gewinnt es die Unabhängigkeit und wird dann Teil der -> Schweiz. 2002 erhält es eine Universität. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Segesser, P., Rechtsgeschichte der Stadt und Republik Luzern, Bd. 1ff. 1850ff.; Sautier, A., Die Familienfideikommisse der Stadt und Republik Luzern, 1909; Grüter, R., Die luzernischen Korporationsgemeinden, 1914; Bättig, R., Das Bürgerrecht der Stadt Luzern (1252-1798), Geschichtsfreund der V Orte 1922; Hofer, W., Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im Kanton Luzern, 1924; Durrer, R., Studien zur ältesten Geschichte Luzerns, Geschichtsfreund der V Orte 84 (1930); (Schnyder, W. u. a.,) Geschichte des Kantons Luzern, 1932; Schaffer, F., Geschichte der luzernischen Territorialppolitik bis 1500, Geschichtsfreund 95 (1940/1941), 119; Schmid, A., Kasimir Pfyffer und das Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton Luzern (1831- 1839), 1960; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,433; Lötscher, P., Das Recht der Stadtgemeinde Luzern, Diss. jur. Zürich 1982; Vom Gänsekiel zum Computer, hg. v. Hofstetter, U., 1986; Die Rechtsquellen des Kantons Luzern, Teil 1 Bd. 1 1998 Lynchen ist das rechtswidrige Bestrafen (Hinrichten) eines Menschen ohne recht- mäßiges Verfahren, insbesondere durch eine aufgebrachte Volksmenge. Ohne sichere geschichtliche Herleitung (C. Lynch 1736- 1796?) erscheint das L. vor allem in der Mitte des 19. Jh.s in den Vereinigten Staaten von Amerika. Lit.: Cutler, Lynch law, 1905; Chadbourn, J., Lynching and the law, 1933 Lykurg ist der sagenhafte Begründer der Verfassung von Sparta (8. Jh. v. Chr.). Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17 Lynker, Nikolaus Christoph Freiherr von (Marburg 1. 4. 1643-Wien 28. 5. 1726) wird nach dem Studium von Philosophie und Sprachen in Jena und Gießen und dem Rechtsstudium 1670 außerordentlicher Professor in Gießen, 1677 ordentlicher Professor in Jena und 1707 Reichshofrat in Wien. Lit.: Hellbach, J., Nikolaus Christoph Freiherr von Lynker, 2. A. 1795; Gschließer, O. v., Reichshofrat, 1942, 366; Kisch, G., Consilia, 1970, 64 M Machiavelli, Niccol (Florenz 3. 5. 1469-22. 6. 1527), Beamtensohn, wird 1498 Sekretär und danach Kanzler. 1512 seines Amtes enthoben, verfasst er die Schrift (it.) Il principe (Der Fürst), in der er als Bedingung erfolgreicher Politik die Fähigkeit, politische Macht zu erwerben und zu erhalten, erkennt. In der Not ist der Fürst frei von ethischen Verpflichtungen. Lit.: Köbler, DRG 149; Brandenburg, E., Machiavelli und sein Principe, 1938 (SB Leipzig); Freyer, H., Machiavelli, 2. A. 1986; Kersting, W., Niccol 465 Machiavelli, 2. A. 1988; Machiavelli, hg. v. Ascoli, A. u. a., 1993; Niccol Machiavelli, Das Leben Castruccio Castracanis aus Luca, hg. v. Hoeges, D., 1998; Viroli, M., Das Lächeln des Niccol, 2000; Hoeges, D., Niccol Machiavelli, 2000; Berger Waldenegg, G., Krieg und Expansion bei Machiavelli, HZ 271 (2000), 1 Macht -> Gewalt Lit.: Köbler, DRG 189, 190; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 817; Klueting, H., Die Lehre von der Macht der Staaten, 1986; Mann, M., Geschichte der Macht, hg. v. Haferkamp, H. u. a., 2000 Machtergreifung ist die Übernahme der Herrschaftsgewalt (z. B. der Nationalsozialisten im Deutschen Reich 1933). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bracher, K./Schulz-Sauer, Die nationalsozialistische Machtergreifung, 1962; Schwarzwälder, H., Die Machtergreifung der NSDAP in Bremen, 1966; Die Machtergreifung in Südwestdeutschland, hg. v. Schnabel, T., 1982; Vezina, B., Die ,,Gleichschaltung" der Universität Heidelberg, 1982; Streng, I., Machtübernahme 1933, 2002 Machtspruch ist der eigenmächtige Eingriff eines Fürsten in die Rechtspflege seit dem späteren 17. Jh. Er ist grundsätzlich der Idee der Gerechtigkeit verpflichtet. Seit dem ausgehenden 18. Jh. wird der M. allmählich als unzulässig angesehen (Preußen 1784, 1791, Österreich 1797). Das 19. Jh. schließt ihn aus. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Rechtssprüche und Machtsprüche, 1943; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS H. Krause, 1975, 171 Machtübernahme -> Machtergreifung Maciejowski, Waclaw Alexander (1792-1883) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Berlin (Savigny) und Göttingen (Eichhorn, Hugo) Professor des römischen Rechts in Warschau (1819-1831). Seit 1832 veröffentlicht er eine slawische Rechtsge- schichte (1835 deutsch). Lit.: Bardach, J., Einleitung zu: Maciejowski, W., Slavische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1835, Neudruck 1978; Kodrebski, J., Prawo rzymskie w Polsce XIX w., 1990, 66f., 82 Madrid wird als maurische Festung Majerita 939 erstmals erwähnt. 1083 wird es unter Alfons VI. von den Christen erobert. 1309 treten hier die Cortes erstmals zusammen. 1561 wird es Hauptstadt -> Spaniens. 1836 erhält es die 1508 in -> Alcala de Henares gegründete Universität. Lit.: Gibert, R., El concejo de Madrid, 1949; Montero Vallejo, M., Historia del Madrid, 1991 Magdeburg an der Elbe, 805 erstmals bezeugt, löst sich im Mittelalter nicht vollständig von seinem erzbischöflichen Stadtherrn, der 1188 das Magdeburger Recht in einigen Bestim- mungen ganz knapp aufzeichnen lässt. Das darauf aufbauende Magdeburger Recht wird zwischen Niedersachsen und der Ukraine sehr bedeutsam. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Magdeburger Schöffensprüche, hg. v. Friese, V./Liesegang, E., 1901; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Magdeburger Rechts und der Statuten der Armenier in Lemberg, ZRG GA 35 (1914), 1; Schranil, R., Stadtverfassung nach Magdeburger Recht, ZRG GA 36 (1915), 526; Teige, J., Über die Anfänge des Magdeburger Stadtrechtes in Mähren, ZRG GA 41 (1920), 383; Becker, W., Magdeburger Recht in der Lausitz, 1931; Brackmann, A., Magdeburg, 1937; Markmann, W., Zur Geschichte des Magdeburger Rechts, 1938; Gülland, P., Magdeburger Recht, ZRG GA 60 (1940), 279; Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, bearb. v. Goerlitz, T., 1944; Goerlitz, T., Die Anfänge der Schöffen, Bürgermeister und Ratmannen in Magdeburg, ZRG GA 65 (1947), 70; Goerlitz, T., Die Rechtsweisung der Magdeburger Schöffen vom 13. Juni 1367 an den Rat von Jüterbog, ZRG GA 65 (1947), 344, Klein-Bruckschwaiger, F., Das Buch der magdeburgischen Urteile im Breslauer Stadtarchiv, ZRG GA 66 (1948), 260; Klein- Bruckschwaiger, F., Die Magdeburger Schöffensprüche für Breslau in Kaspar Popplaus ,,Rechtem Weg", ZRG GA 66 (1948), 440; Najstarsze staropolskie t³umaczenie ortyli Magdeburskich, wed³ug rêkopisu Nr. 50 biblioteki zak³narodowegoIm. Ossoliñskich (Älteste altpolnische Übersetzung der Magdeburger Urteile nach der Handschrift Nr. 50 der Bibliothek des staatlichen Forschungsinstituts der Ossolinski-Stiftung), Teile 1, 2, 1970, 1972; Claude, D., Geschichte des Erzbistums Magdeburg, 1975; Studien zur Geschichte des sächsisch- magdeburgischen Rechts, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980; Ebel, F., Die Spruchtätigkeit des Magdeburger Schöppenstuhls für Niedersachsen, ZRG GA 98 (1981), 30; Ebel, F., Magdeburger Recht, Bd. 1f. 1983ff.; Schrader, I., Stadt, Kloster und Seelsorge, 1988; Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri Cracoriensis, hg. v. Lysiak, L., Bd. 1ff. 1990ff.; £ysiak, L., Ius supremum Maydeburgense castri Cracoviensis 1356-1794, 1990; Rogatschewski, A., Übersicht über das sowjetische Schrifttum der 1970er und 1980er Jahre zur Geschichte des Magdeburger Stadtrechts, ZRG GA 109 (1992), 390; 466 Beumann, H., Theutonum nova metropolis, 2000; Asmus, H./Wille, M., 1200 Jahre Magdeburg, 2000; Ebel, F., Des spreke wy vor eyn recht, in: Ebel, F., Unseren fruntlichen grus zuvor, 2004, 423; Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005 Magdeburger Fragen sind das durch Fragen gekennzeichnete, zwischen 1386 und 1402 entstandene spätmittelalterliche Rechtsbuch (, unsystematische Fassung in 2 Handschriften, systematische Fassung in 9 Handschriften, alphabetisierte Fassung in einer Handschrift überliefert). Die M. F. beruhen auf einem Krakauer Urteilsbuch mit Magdeburger Rechts- belehrungen (bis um 1380), das kurz vor 1400 ein wohl in Thorn wirkender Bearbeiter um Stücke einer Thorner Sammlung und des alten Kulm ergänzt und dabei verallgemeinert. Die erste unsystematische Reihung in zwei Büchern verändert vermutlich derselbe Bearbeiter in eine systematisierte Fassung in drei Büchern (Ämter-Schenkungen-Erbe, Schulden-Sachen, Verbrechen). Vor 1518 wird die unsystema- tische Fassung vielleicht in Stettin alphabetisiert. Seit 1517 sind die M. F. vielfach Anhang in Drucken des Sachsenspiegels. -> Neun Bücher des Magdeburger Rechts Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die Magdeburger Fragen, hg. v. Behrend, J., 1865; Martitz, F. v., Die Magdeburger Fragen, ZRG GA 11 (1873), 401; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 170; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 50 Magdeburger Recht -> Magdeburg Magdeburger Schöffenrecht ist ein um 1270 entstandenes, in 23 recht unterschiedlichen Handschriften überliefertes Rechtsbuch. Lit.: Laband, P., Magdeburger Rechtsquellen, 1869 Mage (M. bzw. F.) Verwandte(r) Lit.: Köbler, DRG 72; Köbler, WAS magister (lat. [M.]) Meister, Lehrer Magister (M.) bonorum (lat.) ist im römischen Verfahrensrecht ein von den Gläubigern gewählter Verwertungsleiter, der das Schuldnervermögen durch eine -> Versteigerung veräußert. Lit.: Kaser § 85 II 2b Magister (M.) civium (lat.) ist der im deutschen Reich seit der Mitte des 12. Jh.s erscheinende Bürgermeister oder auch Bauermeister. Seit 1214 (Straßburg) wird der m. c. Teil der Ratsverfassung. Vielfach ist er Vorsitzer eines kollegialen Verwaltungsorganes und Repräsentant einer Gemeinde. Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., 1964; Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966, 220 magister (M.) curiae (lat.) -> Hofmeister magister (M.) militum (lat.) (spätantiker) Heerführer Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Grosse, R., Römische Militärgeschichte, 1920, 180 magister (M.) navis (lat.) Schiffskapitän Lit.: Kaser § 49 II 3 magister (M.) officiorum (lat.) Kanzleivor- steher Lit.: Köbler, DRG 55; Schreiner, P., Byzanz, 1986 Magistrat ist das Amt oder der (eventuell kollegiale) Amtsinhaber. Im römischen Recht sind Konsuln, Prätoren, Ädile, Zensoren die höchsten Magistrate. Im 19. Jh. ist unter dem Einfluss einer in Frankreich gegen Ende des 18. Jh.s ablaufenden Entwicklung der M. das von der Stadtverordnetenversammlung als rein ausführendes Organ gewählte Kollegialorgan einer -> Stadt. Lit.: Söllner §§ 6, 14; Köbler, DRG 19, 197; Broughton, T., The Magistrates of the Roman Republic, 1951ff.; Kunkel, W./Wittmann, R., Die Magistratur, 1995; Handbuch der Altertumswissenschaften, 10, 3, 2, 2 Magistratsverfassung ist seit dem 19. Jh. eine dualistische Form der Gemeindeverfassung, in der eine Stadtverordnetenversammlung als gesetzgebendes und allgemein ausführendes Organ einen -> Magistrat als rein ausführendes Organ wählt (Preußen 19. 11. 1808/30. 5. 1853). 1933 in Preußen und 1935 im Reich wird die M. beseitigt, 1954 wird sie aber in Schleswig-Holstein, Bremerhaven und Hessen erneuert. -> Selbstverwaltung Lit.: Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 2. A. 1969; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970, 105 Magna Charta (F.) (libertatum) (lat. große Urkunde [der Freiheiten]) ist die seit 1531 nachweisbare Bezeichnung einer älteren Vorläufern folgenden, lateinischen, noch in vier Ausfertigungen überlieferten Urkunde des englischen Königs Johann Ohneland (Lack- land) vom 15.­19. 6. 1215 für 25 Barone (und 467 den Erzbischof von Canterbury) (mit einer Präambel und 63 Titeln). Danach ist die Erhebung von Steuern an die Bewilligung der Großen gebunden. Barone wollen nicht mehr vor dem auch mit Ministerialen besetzten königlichen Gericht Recht nehmen (lat. iudicium [N.] parium). Die wohl vor allem der Befriedung der Barone dienende M. C. setzt sich in England in der Petition of Rights (1628), der -> Habeas-corpus-Akte (1679) und der -> Bill of Rights (1689) fort und wirkt sich mittelbar auch auf Deutschland in Forderungen nach Grundrechten für alle seit dem frühen 19. Jh. aus. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 110, 191; Gneist, R. v., Englische Verfassungsgeschichte, 1882; Holt, J., Magna Charta, 1965; Magna Carta, v. Howard, A., 1965; Kyriazis-Gouvelis, D., Magna Charta, 1984; Holt, M., Magna Charta and Medieval Government, 1985; Fryde, N., Why Magna Carta?, 2001 Magnus Eriksson (1306-1374) ist der schwedische (1319-1364) bzw. norwegische König (1319-1355, 1371-1374), der um 1350 ein schwedisches Reichsrecht (Landslag) und 1353 bis 1360 ein (in mehr als 100 Handschriften überliefertes) Stadtrecht für die schwedischen Städte (Stadslag, älteste überlieferte Handschrift 1387) erlässt, das bis 1734 gilt. Lit.: Magnus Erikssons Landslag, übers. v. Holmbäck, ./Wessén, E., 1962; Holmbäck, ../Wessén, E., Magnus Erikssons Stadslag, 1966 Magnus Hakonarson Lagaboetir (Tönsberg 1. 5. 1238­Bergen 9. 5. 1280) ist ein norwegischer König (1263-1280), der die Landschaftsrechte und das Gefolgschaftsrecht (1273-1277, -> Hirdskra) erneuert sowie 1274/- 1275 das erste für ganz Norwegen gültige Reichsrecht (Landslög) und 1276 das erste für Norwegen aufgezeichnete Stadtrecht erlässt. Lit.: Böttcher, H., Das Glaubensbekenntnis im Landrecht Magnus Lagaboeters, 1971; Holmsen, A., Norges historie, 1977; Merzbacher, F., Das Landrecht des Königs Magnus Hakonarson lagaboetir, ZRG GA 99 (1982), 252 Mahalareda (F.) ist im burgundischen Volksrecht des frühen 6. Jh.s die Aussteuer der Tochter. Lit.: Baesecke, G., Die deutschen Worte der germanischen Gesetze, PBB 59 (1935), 57 Mahlgemeinschaft Lit.: Dörrer, A., Alte Mahlgemeinschaften im Lichte ihrer Zeit (313-1803), ZRG GA 70 (1953), 266 Mahlschatz (M.) Mitgift, Heiratsgut Mahlzwang ist der mittelalterlich- frühneuzeitliche Zwang, in einer bestimmten Mühle mahlen zu lassen. Lit.: Koehne, K., Das Recht der Mühlen, 1904 Mahnung ist die einseitige, empfangsbedürftige Erklärung des Gläubigers, mit der er den Schuldner dringlich zur sofortigen, ausnahmsweise zur fristgebundenen Leistung auffordert. Bereits im römischen Recht kann der Schuldner, der gemahnt ist, sich nicht mit Unkenntnis aus dem Verzug entschuldigen. Im Frühmittelalter führt das Unterbleiben der Leistung trotz Leistungsaufforderung zu einer Buße. Nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) begründet erst die M. Verzugszinsen, wenn nicht die Zeit der Erfüllung ohnehin feststeht. Lit.: Kaser § 37 II 1; Hübner § 76; Löning, R., Der Vertragsbruch im deutschen Recht, 1876, 26, 165 Mahnverfahren ist eine besondere Prozessart, in der für eine bestimmte Art von voraussichtlich unstreitigen Ansprüchen (auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme) ohne Verhandlung dem Gläubiger eines Anspruchs ein rechtskräftiger vollstreckbarer Titel verschafft werden kann. Ein derartiges Verfahren gegen Abwesende kennt bereits der - > Sachsenspiegel (1221-1224) (Landrecht I 70 § 2). Seit dem 12. Jh. bezeugt außerdem die Vertragswirklichkeit in Italien die durch Vertragsstrafe gesicherte Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe eines gerichtlichen Geständnisses in der Vertragsurkunde. Später nimmt der Notar einen Zahlungsbefehl in eine Urkunde auf, bei deren Vorlage das Gericht die Vollstreckung verfügt. Auch in einem Gerichtsbuch oder einem Stadtbuch eingetragene Forderungen lassen sich ver- einfacht durchsetzen. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) unterwirft sich der Schuldner seit der frühen Neuzeit durch Vollstreckungsklauseln dem unbedingten reichskammergerichtlichen -> Mandatsprozess. 1877/1879 wird das M. durch Übernahme der Grundsätze des bedingten Mandatsprozesses zu einer allgemein anwendbaren Verfahrensform für Ansprüche auf Zahlung und auf Leistung 468 vertretbarer Sachen oder Wertpapiere. Mit dem 1. 7. 1977 sind die Ausdrücke Zahlungsbefehl und Vollstreckungsbefehl durch die Bezeich- nungen Mahnbescheid und Vollstreckungs- bescheid ersetzt. -> summarischer Prozess Lit.: Köbler, DRG 116; Bayer, H. v., Theorie der summarischen Processe, 7. A. 1859, 19, 89; Skedl, A., Das Mahnverfahren, 1891 Mähren ist das zwischen der böhmisch- mährischen Höhe, den Ostsudeten, Westbeskiden, kleinen Karpaten und dem Jarvornikgebirge gelegene, seit dem 6. Jh. von Slawen besiedelte Gebiet, das 1029 an -> Böhmen und nach bedeutender deutscher Einwanderung 1526 mit diesem an -> Österreich fällt und am 28. 10. 1918 Teil der -> Tschechoslowakei wird. Lit.: Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren, 1868; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, Bd. 1ff. 1912ff.; Wegener, W., Böhmen, Mähren und das Reich, 1959; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,429; Seibert, F., Deutschland und die Tschechen, 1970; Bernt, A., Die Germanen und Slawen in Böhmen und Mähren, 1989; Hrabovec, E., Vertreibung und Abschub, 2. A. 1996; Kadlecova, M., Verneuerte Landesordnungen, ZRG GA 120 (2003), 150 Maiestas (lat. [F.] Größe) ist (erst) seit Jean -> Bodin (1576) der Grundbegriff der Staatsgewalt (lat. summa potestas [F.]). Die m. wird seit der zweiten Hälfte des 17. Jh.s von manchen (z. B. -> Leibniz) dem Landesherrn zugesprochen. Im Ergebnis erleichtert diese Vorstellung die Auflösung der hergebrachten Reichsverfassung. Lit.: Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1970; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 138 Maiestas (F.) Carolina (lat.) ist der auf älteren Entwürfen Premysl Otokars II. (1272) und Wenzels II. (1292) sowie einer Privatarbeit der Mitte des 14. Jh.s (lat. Ordo [M.] iudicii terre Boemie, Landgerichtsordnung Boehmens) beruhende, lateinisch verfasste und in 2 bzw. 3 Handschriften überlieferte Entwurf Karls IV. für ein Landrecht -> Böhmens von 1346 bis 1355 (1351-1354), der seit 1617 als M. C. benannt wird. Er gliedert sich in 127 Artikel (Häresie, Krongut, Beamte, Gericht, Strafe, Privatrecht). Wegen des Widerstandes der Stände gegen die damit angestrebte Stärkung der Macht des Landesherrn wird die M. C. 1355 als gegenstandslos geworden erklärt, tritt aber um 15. Jh. gewohnheitsrechtlich in Kraft. Lit.: Werunsky, E., Maiestas Karolini, ZRG GA 9 (1888), 64; Hobzek, Majestas Carolina a Rímské právo, 1931; Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1ff. 1966ff.; Kejr, J., Die sog. Maiestas Carolina, in: Studia Luxemburgensia, 1989, 79 Maigesetze sind die vier im Deutschen Reich im Mai 1873 im -> Kulturkampf erlassenen Gesetze. Lit.: Kroeschell, DRG 3c in Oberitalien wird im 5. Jh. v. Chr. von den gallischen Insubrern gegründet und ist in der Spätantike kaiserliche Residenz und erzbischöflicher Sitz. Seit dem Anfang des 11. Jh.s überflügelt es die langobardische Hauptstadt Pavia, seit dem frühen 12. Jh. gewinnt es eine kommunale Verfassung (1225 Liber Statutorum). Im 14. Jh. gerät es unter die Herrschaft der Visconti und Sforza (1395/1397 Herzogtum), 1714 gelangt es an Österreich, 1859 an Sardinien und damit 1861 an Italien. Lit.: Köbler, DRG 104, 129; Köbler, Historisches Lexikon; Gli atti del Comune di Milano, 1919; Manaresi, C./Santoro, C., Gli atti privati milanesi e comaschi, Bd. 1 ff.; Visconti, A., Ricerche sul diritto pubblico milanese, Annali della r. universit di Macerata 3 (1928); Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2 ,2,122; Ambrosioni, A., Le pergamene della canonica di San Ambrogio, 1974; Milano, 1990; Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, in: Die Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001; Grillo, P., Milano, 2001 Mailänder Toleranzedikt ist das 313 von Konstantin dem Großen und Licinius den Christen Freiheit des Gottesdienstes und Rückgabe der verstaatlichten Güter gewährende Edikt. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Maimonides (Ben Maimon), Moses (Córdoba 30. 3. 1138? [1135]-Kairo 13. 12. 1204, 1230 als Rabbi Moyses erwähnt) fasst als bedeutendster jüdischer Religionsphilosoph im ausgehenden 12. Jh. das gesamte, ihm bekannte jüdische Recht in klarer hebräischer Sprache in der 14bändigen -> Mischne Tora (1180) zusammen (Führer der Unschlüssigen um 469 1242/1244 lateinisch übersetzt). Lit.: Ben-Chorin, S., Jüdischer Glaube, 2. A. 1979; Elon, M., Ha-Mischpat ha-`ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 877; Del Valle Rodriguez, C., Cartas y testamento de Maimonides, 1989; Hyoun, M., Maimonides, 1999; Hasselhoff, G., Dicit Rabbi Moyses, 2004 Maine, Sir Henry James Sumner (1822-1888) wird nach dem Studium 1847 Professor für Civil law in Cambridge und 1850 Anwalt. Er hält in den Inns of Court Londons Vorlesungen zum römischen Recht und zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Rechts. Hierauf gründet sich sein 1861 veröffentlichtes darwinistisch-evolutionstheoretisches Buch (engl.) Ancient Law (Altes Recht). Nach längerer Tätigkeit in Indien wird er 1869 Professor in Oxford und 1877 in Cambridge. Lit.: Grant Duff, M., Sir Henry Maine, 1892; Cocks, R., Sir Henry Maine, 1988; Maine, H. Das alte Recht, hg. v. Dahle, H., 1997 Mainz am Einfluss des Main in den Rhein ist seit etwa 10 n. Chr. Sitz des römischen Oberbefehlshabers für das obere Germanien und in der Nachfolge des Bonifatius (746/747- 754) Sitz eines Erzbischofs, für den bis 1223 550 Urkunden nachgewiesen sind. Von 1331/1424 bis 1462 ist die Stadt tatsächlich weitgehend unabhängig von ihrem kurfürstlichen Stadtherrn. Zwischen 1440 und 1454 entwickelt sich in M. der Buchdruck. 1476 erhält M. eine Universität, die nach Schließung in napoleonischer Zeit (1792/1797/1814/1816) 1946 wieder errichtet wird. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Hallein, L., Mainzer Civilrecht im 14. und 15. Jahrhundert, 1891; Roth, W., Zur Geschichte der Juristenfakultät zu Mainz im 15./16. Jahrhundert, ZRG GA 22 (1902), 359; Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum im Kurfürstentum Mainz, 1908; Stimming, M., Die Wahlkapitulationen der Erzbischöfe und Kurfürsten von Mainz (1233-1788), 1909; Hensler, E., Verfassung und Verwaltung von Kurmainz um das Jahr 1600, 1909; Stutz, U., Der Erzbischof von Mainz und die deutsche Königswahl, 1910; Stimming, M., Die Entstehung des weltlichen Territoriums des Erzbistums Mainz, 1915; Schmitt, K., Erzbischof Adalbert von Mainz als Territorialfürst, 1920; Klibansky, E., Die topographische Entwicklung der kurmainzischen Ämter in Hessen, 1925; Falk, H., Die Mainzer Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde, 1930; Mainzer Urkundenbuch,. v. Stimming, M. u. a., Bd. 1ff. 1932ff.; Schrohe, H., Das Mainzer Geschlecht zum Jungen, 1933, Hasselwander, N., Aus der Gutachter- und Urteilstätigkeit an der alten Mainzer Juristenfakultät, 1956; Wysocki, J., Kurmainz und die Reunion, Diss. phil. Mainz 1961; Otte, A., Die Mainzer Hofgerichtsordnung von 1516/1521, 1964; Just, L./Mathy, H., Die Universität Mainz, 1965; Duchhardt, H., Philipp Karl von Eltz, 1969; Die Geschichte des Mainzer Erzkanzlerarchivs 1782-1815, hg. v. Mathy, H., 1969; Weber, E., Die Mainzer Zentraluntersuchungs- kommission, 1970; Martin, W., Der Lehnhof der Mainzer Erzbischöfe, 1971, Geschichte der Stadt Mainz, hg. v. Brück, P. u. a., Bd. 1ff. 1972ff.; Lautzas, P., Die Festung Mainz, 1973; Diener, H., Die Gründung der Universität Main, 1467-1477, 1974; Pick, E., Mainzer Reichsstaatsrecht, 1977; Demandt, D., Stadtherrschaft und Stadtfreiheit, 1977; Pick, E., Die Professoren des Rechts an der Mainzer Universität, FS O. Mühl, 1981, 509; Aufklärung und Erneuerung des juristischen Studiums, hg. v. Pick, E., 1983; Schlössser, S., Der Mainzer Erzkanzler im Streit der Häuser Habsburg und Wittelsbach um das Kaisertum, 1986; Dumont, F. u. a., Mainz, 1998; Kurmainz, das Reichserzkanzleramt und das Reich, hg. v. Hartmann, P., 1998; Die Mainzer Kurfürsten des Hauses Schönborn als Reichserzkanzler und Landesherren, hg. v. Hartmann, P., 2002; Bausteine zur Mainzer Stadtgeschichte, hg. v. Matheus, M., 2002; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005 Mainzer Landrecht ist das Landrecht des Erzstifts Mainz vom 24. 7. 1755/1. 1. 1756, das auf dem Rheingauer Landbrauch beruht (1442 Recht und Ordnung eyns Waltpoden zu Menz, 17. Jh. Aufzeichnung des rheingauischen Landbrauches durch Nikolaus Itzstein). Es gliedert sich in 32 Titel und enthält hauptsächlich Familienrecht und Erbrecht. Seine Geltung endet linksrheinisch 1804, rechtsrheinisch 1900 (bzw. in Nachwirkungen im Laufe des 20. Jh.s). Lit.: Churfürstliche Mayntzische Land-Recht, 1755; Hallein, L., Mainzer Civilrecht im 14. und 15. Jahrhundert, 1891; Backhaus, F., Das eheliche Güterrecht des Mainzer Landrechts von 1755, Diss. jur. Heidelberg 1953 Mainzer Reichslandfriede ist der 29 Artikel umfassende, deutsch gehaltene Landfriede Friedrichs II. vom 12. 8. 1235. Er drängt die Selbsthilfe zurück und stärkt die Stellung des Gerichts. Er sieht u. a. einen Hofrichter bzw. ein Hofgericht vor. 470 Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mitteis, H., Zum Mainzer Reichslandfrieden von 1235; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Buschmann, A., Mainzer Reichslandfriede und Konstitutionen von Melfi, FS R. Gmür, 1983, 369 Mainzer Republik ist der durch Erklärung eines rheinisch-deutschen Nationalkonvents am 17. 3. 1793 im Gebiet zwischen Bingen und Landau entstehende unabhängige Staat mit dem Volk als einzigem Souverän. Die M. R. endet am 23. 7. 1793 durch Übergabe an -> Preußen. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon 724; Die Mainzer Republik, hg. v. Landtag des Landes Rheinland-Pfalz, 1993 maior (lat. [M.]) Größere Maior dividat, minor eligat (lat.). Der Ältere soll teilen, der Jüngere darf wählen. Nur ein ehrloser Betrüger E. teilt als Jüngerer bewusst ungerecht und wählt dann auch noch selbst.-> Erbauseinandersetzung Lit.: Wacke, A., Der Jüngste stimmt zuerst, JA 1981, 176; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 56. A. 1998 (Plutarch für das 8. Jh. v. Chr.) maior (M.) domus (lat.) -> Hausmeier Lit.: Köbler, DRG 76 maiores (M.Pl.) et meliores (M.Pl.) terrae (lat.) Größere und Bessere des Landes, -> Landstände Lit.: Kroeschell, DRG 2 Maitland, Frederic William (London 28. 5. 1850-Las Palmas/Kanarische Inseln 20. 12. 1906), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Cambridge und Lincoln's Inn 1876 Anwalt, 1884 Dozent für englisches Recht in Cambridge und 1888 Professor. Er verfasst (mit Frederick Pollock) die (engl.) History of English Law before the Time of Edward I (Bd. 1f. 1895, Geschichte des englischen Rechts vor Eduard I.), die nach einer Übersicht über die äußere Rechtsgeschichte die inhaltlichen Einrich- tungen und Lehren darstellt. Dabei verbindet er Politik und Wirtschaft mit dem Recht und die Vergangenheit mit der Gegenwart. 1886/1887 gründet M. die Selden Society. Lit.: Bracton's Note Book, hg. v. Maitland, F., Bd. 1ff. 1887; Pollock, F./Maitland, F., The History of English Law, Bd. 1f. 2. A. 1895; Maitland, F., Domesday Book and Beyond, 2. A. 1907; Fisher, H., Frederic William Maitland, 1910; Maitland, F.. ZRG GA 33 (1912), 521; Maitland, F., Selected historical essays, hg. v. Cam, H., 1957; Cameron, J., Frederick (!) William Maitland and the history of English law, 1961; Bell, H., Maitland, 1965; The letters of Frederic William Maitland, hg. v. Fifoot, C., 1965; Elton, G., Frederic William Maitland, 1985 Majestätsbeleidigung ist der Angriff auf den (vom Staat verschiedenen) Herrscher. Die M. findet sich 393 in einer Konstitution Theodosius` I., in der die Beleidigung des Kaisers aus der allgemeinen Strafverfolgung ausgesondert wird. 397 werden aber alle führenden Personen geschützt. Die Beleidigung des Kaisers (oder Königs) tritt danach wieder in der Bamberger Halsgerichtsordnung (-> Constitutio Criminalis Bambergensis) von 1507 auf. In der Folge wird die M. dem -> Hochverrat nachgeordnet. 1922 werden im Deutschen Reich Reichspräsident und Regierungsmitglieder besonders geschützt, 1951 in der Bundesrepublik Deutschland die höchsten Staatsorgane. Lit.: Bosse, H., Über Hochverrat, beleidigte Majestät und verletzte Ehrerbietung, 1802; Schroeder, F., Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, 1970 Majestätsbrief ist in der Neuzeit eine Freiheitsurkunde für Untertanen (z. B. Rudolfs II. 9. 7. 1609 für Böhmen, nach dem 8. 11. 1620 aufgehoben). Lit.: Gindely, A., Geschichte der Erteilung des Majestätsbriefes von 1609, 1858 Majestätsverbrechen -> crimen laesae maiestatis Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schaffstein, F., Verräterei und Majestätsverbrechen, FS W. Weber, 1974; Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1970 Majorat ist die Einzelnachfolge des Ältesten beim -> Familienfideikommiss. Majorität (F.) -> Mehrheit Lit.: Elsener, F., Zur Geschichte des Majoritätsprinzips, ZRG KA 73 (1956), 73 Makedonien ist ein südosteuropäisches Gebiet, dessen (in der Antike stets nicht als richtige Griechen angesehenen) Bewohner unter den Königen Philipp II. und Alexander dem Großen (336-323 v. Chr.) -> Griechenland erobern, das ab 148 v. Chr. aber römische Provinz wird. Über Ostrom gelangt M. 1317 an die -> Osmanen. 1913 fällt M. an Serbien (1918 -> Jugoslawien) und Griechenland. 1992 wird es selbständig. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren 471 europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 4,5,332; Adanir, F., Die makedonische Frage, 1979; Errington, M., Geschichte Makedoniens, 1986; Makedonien, hg. v. Lukan, W. u. a., 1999; Mari, M., Al di l dell'Olimpo, 2002 Makler ist, wer gegen Entgelt eine Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages nachweist oder einen Vertrag vermittelt. Der M. ist bereits dem griechischen und römischen Altertum bekannt. Im Mittelalter entwickelt sich der M. vielleicht zuerst in Italien (Genua 1154), wo Maklerzwang besteht und der Makler als objektiver Dritter von beiden Geschäftspartnern entlohnt wird. Im mittleren Europa ist die Stellung des Maklers freier. In der Neuzeit finden sich zahlreiche gesetzliche Regelungen. Der absolute Staat fördert monopolisierende Tendenzen, die im 19. Jh. beseitigt werden. Lit.: Goldschmidt, L., Ursprung des Mäklerrechts, ZHR 28 (1882), 115; Beukemann, U., Die Geschichte des Hamburger Mäklerrechts, 1912; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913, 28, 99, 152; Fröber, H., Die Entstehung der Bestimmungen des BGB, 1997; Axmann, M., Maklerrecht und Maklerwesen bis 1900, 2004 mala fides (F.) (lat.) böser Glaube Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985 Malberg ist im fränkischen Frühmittelalter der Ort der (Gericht haltenden) Versammlung. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80, 85 Malbergische Glossen sind nichtlateinische Einschübe in den ältesten Fassungen des salfränkischen Rechtes (lat. Pactus [M.] legis Salicae, 507-511, Textklassen A, C, D). Sie haben ihren Namen davon, dass sie meist durch (lat.) (in) mallobergo (-> Malberg) eingeleitet werden. Vielleicht sind sie als ursprüngliche Randnotizen später in den Text geraten. Trotz starker Verderbnis sind sie wertvolle Zeugnisse des ältesten bekannten fränkischen Sprachstandes. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Kern, H., Notes on the Frankish Words in the Lex Salica, in: Lex Salica, hg. v. Hessels, J., 1880, 431; Helten, W. v., Zu den malbergischen Glossen, PBB 25 (1900), 225; Baesecke, G., Die deutschen Worte der germanischen Gesetze, PBB 59 (1935), 1; Schmidt-Wiegand, R., Zur Geschichte der malbergischen Glosse, ZRG GA 74 (1957), 220; Gutenbrunner, S., Studia mallobergica, ZRG GA 81 (1964), 298; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, 276; Balon, J., Theo, Archivum latinitatis medii aevi 33 (1963), 103; Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische Wortgut der Lex Salica als Gegenstand der Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84 (1967), 275; Schmidt-Wiegand, R., Die malbergischen Glossen als Denkmal des Westfränkischen, Rhein.Vjbll. 33 (1969), 396; Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica, ZRG GA 89 (1972), 1 maleficium (lat. [N.]) Übeltat, Hexerei Lit.: Köbler, DRG 158; Köbler, LAW; Hampl, T., Die Nürnberger Malefizbücher, 1927; Christel, C., Die Malefizprozessordnung des Codex Maximilianeus von 1616, Diss. jur. Regensburg 1975 Maleville, Jacques de (1741-1824), Advokat in Bordeaux, Anhänger der französischen Revolution, Präsident der zivilgerichtlichen Abteilung des Kassationsgerichtshofes, wird von Napoleon zum Sekretär-Redakteur der Kommission zur Ausarbeitung eines -> Code civil berufen. In der Gesetzgebungsarbeit unterstützt er das römische Recht und kommentiert 1805 das Ergebnis unparteiisch (Analyse raisonée). Später tritt er auf die Seite der Reaktion über. Lit.: Latour, J., Jacques de Maleville, 1929 Malik ibn Anas (708/16-796) -> Muwatta Mallersdorf Lit.: Pölsterl, G., Mallersdorf, 1979 Malleus maleficarum -> Hexenhammer mallobergus (lat. [M.]) Malberg, Verhandlungsberg mallus (lat. [M.]), mallum (lat. [N.]) Versammlung, Gerichtsversammlung Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Platon, G., Le mallus, 1889; Estey, F., The Meaning of ,Placitum` and ,Mallum`, Speculum 1947, 435; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973, 71; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985 Malmann Lit.: Lamberg, P., Die Malmannen im sächsischen Freienrecht des Mittelalters, Osnabrücker Mitteilungen 75 (1968), 126 Malscult (as. [F.]) Dingschuld, eine Abgabe Lit.: Molitor, E., Die Stände der Freien, 1910, 10 Malta ist die zwischen Italien und Tunesien gelegene, 316 Quadratkilometer große Insel im Mittelmeer. Sie weist große Tempelbauten des 4. Jt. v. Chr. auf und gelangt nacheinander an Phönizier/Punier/Karthager (7. Jh. v. Chr.), Römer (218 v. Chr.), Ostrom (395 n. Chr.), Vandalen, Ostgoten, Muslime (870), Nor- mannen (1091), den Johanniterorden (1530), Frankreich (1798) und Großbritannien 472 (1800/1802). 1964 wird es unabhängig, 1974 parlamentarische Republik und zum 1. 5. 2004 Mitgliedstaat der Europäischen Union. Lit.: Betz, W., Malta, 1994 mamluk (arab.) weißer Sklave Lit.: Brandes, J., Die Mameluken, 1996 Manchester beruht auf dem römischen Kastell Mancunium. 1229 erhält M. Marktrecht, 1838 Stadtrecht. 1851 wird es Sitz einer Universität. Mancipatio (lat. [F.]) ist bereits im altrömischen Recht ein allgemeines Geschäft für die Überführung aus der Gewalt eines Hausvaters in die eines anderen. Dabei ergreift jemand eine handgreifbare Sache (lat. res [F.] mancipi) eines anderen vor fünf mündigen Bürgern als Zeugen und einem Waagehalter (lat. [M.] libripens) und lässt den tatsächlichen Betrag ihres Wertes dem anderen in Erz (lat. aes [N.] Kupfer) in einer Waage (lat. [F.] libra) zuwägen, wobei dieser das Metall unter schweigender Duldung der Handgreifung annimmt, so dass ein eigentliches positives einverständliches Zusammenwirken nicht ausgedrückt wird. Der bisherige Gewalthaber ist danach Vormann (lat. [M.] -> auctor) des neuen Gewalthabers. Später wird die m. dadurch fortgebildet, dass das Erz nicht mehr tatsächlich, sondern nur noch sinnbildlich in der Form einer einzigen kleinen Münze (lat. nummo uno) zugewogen wird. Diese m. nummo uno dient dann der Erlangung der Gewalt über handgreifbare Sachen und Personen in einer Vielzahl von Fällen (z. B. Kreditkauf, Treuhand, Mitgift, Adoption, Eheschließung [lat. coemptio], Emanzipation usw.). Im spätantiken römischen Recht ist die m. verschwunden, in den Juristenschriften der Digesten m. durch (lat. [F.]) -> traditio ersetzt. Lit.: Kaser § 7 I, 24 II, 27 I 2, 38 II 1a, 41 I 1; Söllner §§ 8, 12, 18, 24; Köbler, DRG 22ff., 40, 61f.; Randazzo, S., Leges mancipii, 1998 mancipium (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Handgreifung, die dadurch erlangte, der Herrenstellung über Sklaven ähnliche Gewalt über ein fremdes Hauskind und übertragen der Sklave. Im Mittelalter ist m. der Unfreie. Lit.: Kaser §§ 7 I 1d, 16 III 1, 60 I 3b; Söllner §§ 8, 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21; Köbler, LAW; Dubled, H., Mancipium au Moyen Age, Revue du Moyen Age Latin 5 (1949), 51; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Köbler, G., Lateinisch- germanistisches Lexikon, 2. A. 1984 Mandat als Lehnwort zu lat. mandatum (N.) erscheint im 14. Jh. Im Prozessrecht bezeichnet es das Verhaltensgebot des Gerichtes an eine Partei oder einen Dritten, aber auch den Auftrag einer Partei für einen Vertreter. Daneben wird später auch vom M. eines Abgeordneten einer Volksvertretung und vom M. als internationalem Auftrag des Völkerrechts gesprochen. Lit.: Triepel, H., Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 52 Mandatsprozess ist in der frühen Neuzeit eine Form des -> summarischen Prozesses, bei dem auf Antrag des Klägers dem Beklagten durch gerichtliches Gebot (-> Mandat) ein be- stimmtes Verhalten auferlegt wird. Vorkommen gerichtlicher Anordnungen finden sich bereits im frühen und hohen Mittelalter, allgemeine Bedeutung erlangen sie aber erst mit dem Übergang der höchsten Gerichtsgewalt vom König auf das Reichskammergericht am Ende des Spätmittelalters (1495). Seit der Mitte des 16. Jh.s (1555) wird dabei zwischen bedingtem Mandat, bei dem sich der Empfänger auf alle rechtlichen Gegengründe stützen darf, und dem unbedingten Mandat, bei dem der Empfänger nur die Unrichtigkeit der tatsächlichen Mandatsgrundlagen vortragen darf, unterschieden. Vom -> Reichskammer- gericht geht der hierdurch geprägte M. in das partikulare Verfahrensrecht über. Hieraus entwickelt sich das 1833 bzw. 1846 in Preußen eingeführte -> Mahnverfahren und die mandatsähnliche -> einstweilige Verfügung (Hannover 1850, Baden 1851). Lit.: Bayer, H. v., Theorie der summarischen Processe, 7. A. 1859, 19; Skedl, A., Das Mahnverfahren, 1891; Poetsch, J., Die Reichsjustizreform von 1495, 1912; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts, in: Commémoration du 500e anniversaire de la création du Parlament, 1977, 343; Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der einstweiligen Anordnung, Diss. jur. Hamburg 1967, 148; Uhlhorn, M., Der Mandatsprozess, 1991 Mandatsverfahren -> Mandatsprozess Mandatum (lat. [N.]) ist im römischen Recht einerseits der unentgeltliche Auftrag (Konsensualkontrakt), der eine Tätigkeit jeder Art betreffen kann, andererseits seit etwa der 473 Zeitenwende die Dienstanweisung des Staatsoberhauptes (lat. [M.] princeps) beispielsweise an einen Provinzstatthalter, die bald als gesetzesgleich gilt. Dieser Sprachgebrauch setzt sich im lateinischen Frühmittelalter entsprechend fort. Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, 44 I; Söllner §§ 9, 17, 18; Köbler, DRG 31, 47, 64; Watson, A., Contract of Mandate in Roman Law, 1961; Klami, H., Mandatum and labour, ZRG RA 106 (1989), 575; Marotta, W., Mandata principum, 1991 Manegold von Lautenbach (Lautenbach nach 1030-nach 1103) wird nach Studien in Lautenbach und Paris Wanderlehrer in Frankreich. Nach 1080 wird er Mönch in Lautenbach und flüchtet von dort nach Rottenbuch. 1089 wechselt er als Propst nach Marbach. Seinen Streitschriften gegen Wenrich von Trier und Wolfhelm von Brauweiler wird der Gedanke der -> Volkssouveränität ent- nommen. Lit.: Koch, G., Manegold von Lautenbach und die Lehre von der Volkssouveränität, 1902; Laakmann, R., Die Königsgewalt bei Manegold von Lautenbach, Diss. jur. Hamburg 1969; Fuhrmann, H., Volkssouveränität und Herrschaftsvertrag bei Manegold von Lautenbach, FS H. Krause, 1975, 21 Mangel Lit.: Niedrig, H., Die Mängelrüge, 1994 Manifest (N.) Programm, Ankündigung, -> Kommunistisches Manifest Mannesvorzug ist die Bevorzugung von Männern insbesondere im Erbrecht. Der M. ist in älteren Zeiten weit verbreitet. Wegen seines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz wird er im 20. Jh. beseitigt. Lit.: Kroeschell, DRG 2 mannire, manire (lat.) mahnen (durch den Kläger im fränkischen Frühmittelalter) mannitio (lat. [F.]) Ladung (durch den Kläger im fränkischen Frühmittelalter) Lit.: Köbler, DRG 86; Köbler, LAW Mannlehen ist ursprünglich jedes Lehen (im Gegensatz zu anderen Leihen), in der frühen Neuzeit das allein männliche Nachkommen als Nachfolger zulassende Lehen im Gegensatz zum Weiberlehen u. a. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Homeyer, G., System des Lehnrechts der sächsischen Rechtsbücher, 1844, 279 Mannus (zu nhd. Mann) ist bei den Germanen der Sohn des Gottes Tuisto und der Vater dreier Söhne, von denen sich die germanischen Hauptstämme der Ingväonen (Friesen, Angeln, Sachsen), Istväonen (Weser-Rhein-Germanen) und Herminonen (Elbgermanen) herleiten. Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 3. A. 1967, 52 manor (engl.) Herrenhof mansio (lat. [F.]) Bleiben, Herberge Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968 mansus (lat. [M.]) Hof, Hufe, Ackermaß Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW Mantel als ein den Körper einhüllendes Kleidungsstück wird auch als Rechtssymbol verwendet (z. B. Mantelgriff bei Auflassung, Umhüllung mit dem Mantel bei Eheschließung zwecks Ehelicherklärung eines nichtehelichen Kindes, Niederlegung des Mantels zwecks Haftungsbefreiung). Lit.: Hübner 681; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994 Mantik Lit.: Hille, J., Die Strafbarkeit der Mantik von der Antike bis zum frühen Mittelalter, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977 Manufaktur ist die bereits dem römischen Altertum bekannte zentrale Produktionsstätte zur Herstellung von Waren (Textilien, Metallwaren, Keramik). Sie wird im 17. und 18. Jh. zu der vom Staat begünstigten modernen Betriebsform (-> Merkantilismus). Besonders bekannt ist die erste europäische staatliche Porzellanmanufaktur (Meißen 1710). Im 19. Jh. unterliegt die M. der Fabrik. Lit.: Köbler, DRG 28, 134, 175; Pfeiffer, H. v., Die Manufakturen und Fabriken Deutschlands, Teil 1f. 1781; Forberger, R., Die Manufaktur in Sachsen, 1958; Kermann, J., Die Manufaktur im Rheinland, 1972; Jansen, R., Die Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen des 18. Jahrhunderts, 1990; Flügel, A., Kaufleute und Manufakturen in Bielefeld, 1990 Manumissio (lat. [F.]) ist die Freilassung eines Sklaven oder Unfreien zum (freigelassenen) Freien. Für sie entwickeln sich im römischen Recht verschiedene Formen (m. in der Kirche, vor Freunden, durch Brief, durch Aufnahme an den Tisch, mit Stab), die im Frühmittelalter teilweise fortgeführt und teilweise ergänzt werden. Lit.: Kaser §§ 16 I 1, III 1, 60 I 3b; Köbler, DRG 57 manus (lat. [F.]) Hand, Schar, Hausgewalt 474 (über die Ehefrau) Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 12 I 2b, 58 II; Söllner §§ 8, 20; Köbler, DRG 21f., 71 Manus iniectio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Handanlegung, mit deren Hilfe beispielsweise im altrömischen Recht in einen Menschen vollstreckt wird (-> legis actio per manus iniectionem). Lit.: Kaser §§ 10 I 2a, 32 II 4, 39 I 1, 60 I 4, 81 III 1; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 20 Manzipation -> mancipatio Marburg an der Lahn gründet sich auf eine Burg wohl schon des 10. Jh.s und erhält 1527 die erste protestantische, am Beginn des 17. Jh.s calvinistische Universität. Lit.: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Marburg, hg. v. Küch, F., Bd. 1f. 1918ff.; Merk, W., Die Spruchtätigkeit der Marburger Juristenfakultät, in: Festzeitung der Universität Marburg 1527-1927, 1927; Pätzold, G., Die Marburger Juristenfakultät als Spruchkollegium, 1966; Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Die Philipps- Universität Marburg im Nationalsozialismus, hg. v. Nagel, A., 2000 Marburger Programm ist das von Franz von - > Liszt (1851-1919) 1882 formulierte Programm (Der Zweckgedanke im Strafrecht). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 204 marca (lat.-ahd. [F.]) Grenze, Grenzgebiet Lit.: Kroeschell, DRG 1 Marcellus (2. Jh. n. Chr.) ist der dem Rat der Kaiser Antonius Pius (138-161) und Marc Aurel (161-180) angehörige römische Jurist, von dem 31 zwischen 161 und 167 entstandene (lat.) libri (M.Pl.) digestorum (Bücher der Digesten) zu unterschiedlichsten Rechtsfragen sowie (lat.) notae (F.Pl. Anmerkungen) zu den Digesten -> Julians bekannt sind, deren Benützung durch -> Scaevola und -> Ulpian feststeht. Lit.: Krüger, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts, 2. A. 1912, 213; Rastätter, J., Marcelli Notae ad Iuliani Digesta, Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1981; Zülch, C., Der liber singularis responsorum des Ulpius Marcellus, 2001 Märchen ist die nicht sicher bezeugte und nicht sicher bezeugbare Erzählung. Das M. kann Rechtsfragen behandeln. Sie lassen sich zeitlich nicht zuverlässig einordnen. Lit.: Ludwig, O., Richter und Gericht im deutschen Märchen, 1935; Anger, S., Das Recht in den Sagen, Legenden und Märchen Schleswig-Holsteins, Diss. jur. Kiel 1947; Röhrich, L., Die Grausamkeit im deutschen Märchen, Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde 6 (1955), 176; Röhrich, Lutz, Märchen und Wirklichkeit, 1956; Scherf, W., Das Märchenlexikon, Bd. 1f. 1995; Laeverenz, J., Märchen und Recht, 2001 Marchfutter ist eine mittelalterliche Abgabe. Marculf ist der Verfasser einer frühmittelalterlichen, durch 5 Handschriften des 9. Jh.s überlieferten Sammlung von 40 Königsurkundenformularen und 52 Privatur- kundenformularen, die vermutlich am Ende des 7. Jh.s im westlichen Frankenreich im Auftrag eines nicht sicher feststellbaren Bischofs Landerich verfertigt ist. Die Sammlung ist nachweislich spätestens 743/747 in einer Königsurkunde und 731/732 in einer Privaturkunde benutzt. Verschiedene jüngere Urkundensammlungen berücksichtigen sie. Lit.: Formulae, hg. v. Zeumer, K., 1886; Marculfi Formularum libri duo, rec. Uddholm, A., 1962; Nonn, U., Merowingische Testamente, Archiv f. Diplomatik 18 (1972), 110 marescalcus (lat.-ahd. [M.] Marschall) ist ein Hofamt der fränkisch-deutschen Könige. Lit.: Köbler, DRG 83 marginal (am Rande befindlich) wie z. B. die Marginalglosse, d. h. Randglosse Maria Theresia (Wien 13. 5. 1717-29. 11. 1780) ist die Erbtochter des Habsburgers Karl VI., der am Ende des spanischen Erb- folgekrieges die Erbfolge in den habsburgischen Erblanden 1713 durch die -> Pragmatische Sanktion zu sichern versucht. 1740 tritt sie das Erbe an (Pfalzerzherzogin von -> Österreich), von dem sie im österreichischen Erbfolgekrieg Schlesien (an Preußen) und Parma-Piacenza (an Karls III. von Spanien Bruder Philipp) verliert. Durch die Wahl ihres Mannes Franz I. Stephan von Lothringen zum deutschen Kaiser (1745) wird sie Kaiserin. Gegen den ständischen Widerstand setzt sie von 1749 bis 1761 den absolutistischen Staat mit landesfürstlicher Bürokratie und Zen- tralverwaltung durch. Auf Betreiben ihrer Ratgeber (Kaunitz, Joseph II.) erwirbt sie 1772 Galizien und Lodomerien, 1775 die Bukowina und 1779 das Innviertel. Gesetzgeberisch stellt die von ihr veranlasste (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Theresiana (1768, Theresianisches Kriminalgesetz) keinen Fortschritt dar, 475 während ein (lat.) Codex (M.) Theresianus (1766, Theresianisches Gesetzbuch) überhaupt bloßer Entwurf bleibt. Lit.: Köbler, DRG 131f., 142; Arneth, A. v., Geschichte Maria Theresias, Bd. 1ff. 1863ff.; Walter, F., Die theresianische Staatsform von 1749, 1958; Jessen, F., Friedrich der Große und Maria Theresia, 1965; Ogris, W., Maria Theresia iudex, Anz. d. österreich. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Kl. 110 1973, 232; Mraz, G./Mraz, G., Maria Theresia, 1979; Ogris, W., Recht und Macht bei Maria Theresia, 1980; Dillmann, E., Maria Theresia, 2000 Maritagium (lat. [N.]) ist eine mittelalterliche Heiratsabgabe von Hörigen. Mark ist ursprünglich das zur Kennzeichnung eines Gegenstandes verwendete Zeichen. Deswegen wird M. zur Grenze, zum Grenzland und zur Münze. Dementsprechend finden sich unter Karl dem Großen (795), den Ottonen und Heinrich III. (1039) Grenzmarken etwa in Spanien, an der Donau (Ostmark), an der Oder (965), in Karantanien (970), an der Eider oder in Böhmen, die meist Markgrafen unterstellt sind. Seit dem Hochmittelalter erscheint das um die Siedlung gelegene (Grenz-)Land als Dorfmark, das von einer -> Mark- genossenschaft gemeinschaftlich genutzt wird. Der mit einer Marke versehene Metallbarren tritt seit dem 9. Jh. als Münzgrundgewicht M. auf und verdrängt allmählich das ältere -> Pfund. 1524 wird die Kölnische M. (amtliche) Grundlage des Münzwesens im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Die von 1871/3 bis 1924 als Währungseinheit des Deutschen Reiches bestehende M. wird 1924 durch die Reichsmark ersetzt, der am 20. 6. 1948 die Deutsche M. folgt (Währungsreform), die 2002 von der europäischen Gemein- schaftswährung Euro (mit Cent) abgelöst wird. Lit.: Hübner; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Lipp, M., Das fränkische Grenzsystem, 1892; Haff, K., Geschichte einer ostalamannischen Gemeinlandsver- fassung, 1902; Dopsch, A. v., Die freien Marken in Deutschland, 1933; Ganahl, K., Die Mark in den älteren St. Galler Urkunden, ZRG GA 60 (1940), 97, 41 (161), 21; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Mitterauer, M., Karolingische Markgrafen im Südosten, 1963; Enzyklopädisches Lexikon des Geld-, Bank- und Börsenwesens, 3. A. 1967; Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; Fünfzig Jahre Deutsche Mark, hg. v. d. Deutschen Bundesbank, 1998; Meyer, W., Abschied von der Deutschen Mark, 1998 Mark ist die seit 1202 für eine Linie der Grafen von Berg namengebende Burg in Westfalen. 1614 kommt die Grafschaft an Brandenburg, 1946 das Gebiet zu Nordrhein- Westfalen. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Frisch, M., Die Grafschaft Mark, 1937; Goebel, J., Die Gerichtsverfassung des märkischen Süderlandes, Diss. jur. Bonn 1962; Die ältesten Lehnbücher der Grafen von der Mark (1392 und 1393), hg. v. Westerburg-Frisch, M., 1967 Markdorf Lit.: Prahl, H., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Markdorf im Linzgau, 1965 Marke ist das Zeichen und der damit gekennzeichnete Gegenstand. In Rom schützt das Namensrecht gegen Nachahmungen. Die M. findet sich bereits im Frühmittelalter an Vieh, Holz oder Haus. Mit der Zunahme der Schriftlichkeit kann sie zum Handzeichen werden. In der hochmittelalterlichen Stadt entwickelt sich die Handelsmarke des Kaufmannes zur Kennzeichnung seiner Ware. Die Zunft setzt sich für die M. ein und verbürgt die ordnungsgemäße Herstellung der markierten Ware. Diese M. wird vielfach registriert, ihr Missbrauch wird bestraft. Im 19. Jh. endet mit der Zunft die durch sie gewährleistete Sicherheit. Seit dem 18. Jh. (Frankreich 1787) wird die M. privatrechtlich geschützt (Bayern 9. 3. 1840/21. 12. 1862, Deutsches Reich Gesetz über Markenschutz vom 30. 11. 1874, 12. 5. 1894, 5. 5. 1936). Am Ende des 20. Jh.s wird dieser Schutz innerhalb der Europäischen Union vereinheitlicht (Bundesrepublik Deutschland Markenrechtsre- formgesetz BGBl. 1994, 3085). Danach erfolgt die gebührenpflichtige Eintragung einer schutzfähigen Marke durch das Patentamt auf jeweils 10 Jahre. Lit.: Hübner 13, 442; Meyer, C., Die historische Entwickelung der Handelsmarke in der Schweiz, 1905; Rehme, P., Geschichte des Handelrechts, 1913, 38ff., 161, 216; Gmür, M., Schweizerische Bauernmarken und 476 Holzurkunden, 1917; Meldau, R., Vor 1500 eingetragene Warenzeichen, GRUR 43 (1938), 302; Ruppel, K., Die Hausmarke, 1939; Ilgenfritz, H., Das Warenzeichenrecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1954; Leitherer, E., Die Entwicklung des Markenwesens, Diss. Erlangen-Nürnberg 1954; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Bd. 1f. 1977ff.; Schmieder, H., Neues deutsches Markenrecht, NJW 1994, 1241; Zentek, S., Produkt Prozesse, 1999; Zapfe, K., Die Ausgestaltung des Markenrechts in Deutschland seit 1847, 2002 Markebrief ist seit dem Hochmittelalter eine Ermächtigung zu einem Arrest. Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960 Markenrecht -> Marke, Recht Lit.: Köbler, DRG 272; Wadle, F., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, 1983; Schmieder, H., Neues deutsches Markenrecht, NJW 1994, 1241; Zapfe, K., Die Ausgestaltung des Markenrechts in Deutschland seit 1847, 2002; Hacker, F., Die ältere Geschichte des Markenrechts, in: NJW-Sonderheft 100 Jahre Markenverband, 2003 Markenschutz -> Marke Märker -> Mark, Markgenossenschaft Märkerding ist die Versammlung der Markgenossen oder Märker. Markfrevel ist die rechtswidrige Nutzung einer -> Mark seit dem Hochmittelalter. Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964 Markgenossenschaft ist die Genossenschaft der an einer -> Mark (Gemeinland) Nutzungsberechtigten seit dem Hochmittelalter (str.). Die M. entsteht auf Grund der mit dem Landesausbau eintretenden Güterverknappung. Die Nutzungsberechtigung an der Mark ist Zubehör zu einem Sondereigentum (z. B. Hof). Der einzelne Markgenosse (Märker) kann frei oder unfrei sein. Wichtigstes Organ der M. ist die Versammlung der Markgenossen (Märker- ding). Ihr sitzt der Märkermeister (oft ein Grundherr), Markmeister, Obermärker, Holzgraf oder Waldgraf vor. Urteile fällen Markschöffen oder Markgeschworene. Im 19. Jh. werden die meisten Markgenossenschaften durch den Liberalismus beseitigt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121; Thudichum, F. v., Die Gau- und Markenverfassung, 1860; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Varrentrapp, F., Rechtsgeschichte und Recht der gemeinen Marken in Hessen, 1909; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der älteren Markgenossenschaft, MIÖG 33, 553, 34, 1; Grosch, G., Markgenossenschaft und Großgrundherrschaft im früheren Mittelalter, 1911; Ehlert, H., Die Markgenossenschaft (Holtung) der 17 Dörfer um Amelinghausen, 1936; Wellmer, M., Zur Entstehungsgeschichte der Markgenossenschaften, 1938; Oechslin, M., Die Markgenossenschaften der Urschweiz, 1941; Grass, N., Comaun Kastelrut, ZRG GA 71 (1954), 353; Wernli, F., Zur Frage der Markgenossenschaften, 1961; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962; Olowson, A., Markgenossenschaftslehre und Marxismus, Diss. jur. Zürichj 1967; Schneider, W., Die Markgenossenschaften im frühmittelalterlichen Alamannien, 1997 Markgraf (lat. [M.] marchio) ist der Graf einer Grenzgrafschaft (Markgrafschaft). Über die Stellung und die Befugnisse eines Markgrafen vor dem 12. Jh. ist wenig bekannt, vermutlich waren sie von denen eines Grafen nicht wesentlich verschieden. Die Lage und die Größe der zunächst regelmäßig in ein Herzogtum eingebundenen Mark (z. B. Österreich, Steiermark) begründeten aber wohl eine größere Selbständigkeit. Deswegen wird der M. verschiedentlich Stammesherzog, der M. von Brandenburg sogar Kurfürst. Seit dem späten 11. Jh. wird M. auch ein Titel (z. B. Baden, Hachberg, Ansbach-Bayreuth). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84, 109; Baltl/Kocher; Hofmeister, A., Markgrafen und Markgrafschaften im italischen Königreiche, MIÖG Ergänzungsband 7, 2, 215; Gothein, E., Die badische Markgrafenschaft im 16. Jahrhundert, 1910; Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der Markgrafen von Meißen, 1956; Mitterauer, M., Karolingische Markgrafen im Südosten, 1963; Schmidt, M., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Müller, U., Die ständische Vertretung in den fränkischen Markgrafentümern, 1984 Markgrafentum ist die Stellung und das Gebiet eines -> Markgrafen. Markgrafschaft ist (die Stellung und) das Gebiet eines -> Markgrafen. Marklosung ist das Recht eines Markgenossen oder einer Markgenossenschaft, ein in der -> Mark gelegenes, an einen Fremden veräußertes Grundstück gegen Zahlung des Kaufpreises zu erwerben (und dadurch die bestehende Anwartschaft zum Vollrecht umzuwandeln). 477 Lit.: Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1 1868, 65f.; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962 Markmeister -> Markgenossenschaft Markt ist die zu bestimmter Zeit und an bestimmtem Ort abgehaltene Veranstaltung zum Zweck des Verkaufes und Kaufes von Waren. Der M. ist bereits dem römischen Recht bekannt (lat. [N.] forum, Marktplatz, nundinae [F.Pl.]). In karolingischer Zeit gewinnt der M. auch bei den Franken Bedeutung. Der König erringt in der zweiten Hälfte des 9. Jh.s für kurze Zeit ein Marktregal. Zwischen 900 und 1050 gründet er mehr als 100 Märkte durch Privileg und erhält dafür von den Begünstigten Abgaben. Später treten die Landesherren an seine Stelle (z. B. Freiburg 1120, Innsbruck 1180/1204, Jüterbog 1174). Es entwickeln sich Grundsätze für ein besonderes Recht des Marktes. Viele Marktorte werden bald zur -> Stadt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 113; Rietschel, S., Markt und Stadt, 1897, Neudruck 1965; Huvelin, P., Essai historique sur le droit des marchés et des foires, 1897; Groß, L., Stadt und Markt im späteren Mittelalter, ZRG GA 45 (1925), 65; Spieß, W., Das Marktprivileg, 1916; La foire, 1953; Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1961, 275; Endemann, T., Markturkunde und Markt in Frankreich und Burgund, 1964; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, 1973; Mitterauer, M., Markt und Stadt im Mittelalter, 1980; Ehmann, E., Markt und Sondermarkt, 1987 Marktbeherrschendes Unternehmen ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s ein Unternehmen, das den Handel mit einer bestimmten Warengattung maßgeblich gestalten kann. Aus Wettbewerbsgründen be- darf es besonderer Kontrolle. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Marktfriede ist der von einem Herrn (z. B. König) während der Marktzeit für Verkäufer und Käufer zugesicherte -> Friede. Lit.: Kroeschell, DRG 1 Marktkauf ist der auf dem jedermann zugänglichen -> Markt getätigte -> Kauf. Wegen der besonderen Gegebenheiten des Marktes darf sich seit dem Mittelalter der Erwerber einer gestohlenen oder geraubten Sache gegenüber dem Unrechtsvorwurf des Eigentümers dadurch reinigen, dass er schwört, die Sache auf dem Markt gekauft zu haben. Vielfach muss er die Sache auch nur gegen die Erstattung des ganzen oder halben Kaufpreises an den Berechtigten herausgeben. Dieses Lösungsrecht verliert mit der Aufnahme des römischrechtlichen Herausgabeanspruches (lat. -> rei vindicatio [F.]) an Bedeutung. Lit.: Hübner 440, 446; Kroeschell, DRG 2, 88; Köbler, DRG 125; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1952; Reinhard, H., Der Marktkauf in den schweizerischen Stadtrechten, Diss. jur. Zürich 1959; Jakab, E., Praedicere und cavere beim Marktkauf, 1997 Marktkreuz ist das seit dem Hochmittelalter zum Zeichen des Marktes aufgestellte Kreuz. Lit.: Kroeschell, DRG 1 Marktprivileg -> Markt Marktrecht -> Markt Marktregal -> Markt, Regal Marktwirtschaft ist die Wirtschaftsform, in der die wirtschaftlich relevanten Entscheidun- gen über Produktion, Investition, Distribution und Konsum dezentralistisch sind und den individuellen Wirtschaftssubjekten überlassen werden. In der älteren Zeit geht der M. die Hauswirtschaft voraus. In den größeren Orten des Altertums ist die M. bereits bedeutsam. In der Neuzeit wird ihr Gewicht immer größer. Der Sozialismus des 20. Jh.s stellt der M. die Planwirtschaft entgegen. Seit 1990 dringt die M. in sozialer Form wieder vor. Lit.: Köbler, DRG 96, 127, 249; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Nörr, K., Als die Würfel für die Marktwirtschaft fielen, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Löffler, B., Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis, 2002 Markwald -> Mark Marschall ist der Träger des im Frühmittelalter für das Transportwesen zuständigen Hofamtes (lat. comes [M.] stabuli). Seit dem 15. Jh. wird der besondere Feldmarschall Oberbefehlshaber der landesherrlichen Streitkraft. Sein Amtszeichen ist ein Stab. -> marescalcus Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Köbler, WAS; Strobl, E., Das Obersthofmarschallamt, 1908; Holtzmann, R., Der Kaiser als Marschall des Papstes, 1928; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485 Marsilius von Padua (Padua um 1290?- München 1342/1343), Sohn des Universitäts- 478 notars Bonmatteo dei Mainardini, wird nach dem Studium der freien Künste 1313 kurzzeitig Rektor der Universität Paris und danach höfischer Ratgeber. 1324 verfasst er den (lat.) - > Defensor (M.) pacis. Darin spricht er sich in der Nachfolge des Aristoteles für einen mit weitreichender Gewalt ausgestatteten Staat aus, der mit Hilfe einer rationalen Gesetzgebung das Wohl seiner Angehörigen erreichen soll. Der Kaiser wird auch der Kirche übergeordnet, als deren höchstes Organ M. v. P. im Übrigen nicht den Papst, sondern das -> Konzil (Konziliarismus) ansieht. Lit.: Köbler, DRG 107, 109; Stieglitz, L., Die Staatstheorie des Marsilius von Padua, 1914; Battaglia, F., Marsilio da Padova, 1928; Marsilio da Padova, hg. v. Checchini, A. u. a., 1942; Segall, H., Der ,,Defensor Pacis" des Marsilius von Padua, 1959; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960, 121; Löffelberger, M., Marsilius von Padua, 1992 Mars Thingsus (M.) germanischer Kriegsgott und vielleicht auch Dinggott Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Höfler, O., ,,Sakraltheorie" und ,,Profantheorie", FS S. Gutenbrunner, 1972, 71 Martens, Georg Friedrich von (Hamburg 22. 2. 1756-Frankfurt am Main 21. 2. 1821) wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (Pütter) 1783 Professor für Staatsrecht, -> Völkerrecht und -> Handelsrecht. 1808 wird er Verwaltungsjurist im Königreich Westphalen, 1815 in Hannover. 1785 verfasst er (lat.) Primae lineae (F.Pl.) iuris gentium Europaearum practici (Grundlinien eines praktischen europäischen Völkerrechts), deren Gliederung sich von herkömmlichen Vorgaben zu befreien versucht. Seit 1797 sammelt er die wichtigsten völkerrechtlichen Verträge. Gleichzeitig legt er einen Grundriss des -> Handelsrechts vor, das sich damit von Handlungswissenschaft einerseits und deutschem Privatrecht andererseits löst. Lit.: Figge, R., Georg Friedrich von Martens, Diss. jur. Breslau 1914; Köbler, G., Die Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrechts, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 277; Scherner, K., Anfänge einer deutschen Handelsrechtswissenschaft im 18. Jahrhundert, ZHR 136 (1972), 464 Martin von Tours (Sabaria 336?-Candes 8. 11. 397), nach dem Mars benannter Sohn eines römischen Militärtribuns, gründet nach der frühen Taufe 361 das erste gallische Kloster Ligugé und wird 371 Bischof von Tours. Er ist der erste Heilige der römischen Kirche mit öffentlicher Verehrung, vor allem im fränkischen Reich (Gedenktag am 11. 11.). Lit.: Nigg, W./Loose, H., Martin von Tours, 1977; Thull, M., Martin von Tours, 1985 Martini (zu Wasserberg), Karl Anton Freiherr von (Revo 15. 8. 1726-Wien 7. 8. 1800), Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Innsbruck (Riegger) und Wien 1753 Professor in Wien für -> Naturrecht, Institutionen und römische Rechtsgeschichte. 1767 verfasst er (lat.) De lege naturali positiones (Lehrsätze über Naturrecht). Seit 1771 wird er mit Vorarbeiten an einem Privatrechtsgesetzbuch betraut. 1782 gibt er die akademische Lehre auf. Sein 1793-1795 erarbeiteter Entwurf des Privatgesetzbuches in drei Teilen tritt 1797 nach dem Gewinn Galiziens aus der dritten polnischen Teilung als -> Westgalizisches Gesetzbuch in Kraft. Lit.: Köbler, DRG 142; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 77; Hebeis, M., Karl Anton von Martini, 1996 Martinus Gosia (Bologna um 1100- 1158/1166) ist einer der vier Doktoren, die 1158 auf dem Reichstag von -> Roncaglia auftreten. Er vertritt Gedanken der Billigkeit (lat. [F.] aequitas). Anscheinend stammen von ihm Glossenapparate zu Digesten, Codex und Institutionen. Lit.: Köbler, DRG 105; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani,1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Marx, Karl (Trier 5. 5. 1818-London 14. 3. 1883), Sohn eines zwischen 1819 und 1821 vom Judentum zum Protestantismus übergetretenen Rechtsanwalts, 1824 vom Judentum zum Protestantismus übergetreten, wird nach dem Studium von Recht und Philosophie in Bonn (1835) und Berlin (Savigny, Gans) Redakteur. Am 12. 6. 1843 geht er nach Paris, 1845 nach Brüssel und 1849 nach London. Im Auftrag des Londoner Bundes der Kommunisten veröffentlicht er mit Friedrich Engels 1848 das -> Kommunistische Manifest. Dem folgen 1859 ,,Zur Kritik der 479 politischen Ökonomie" und 1867 ,, Das Kapital", mit denen er den -> Marxismus begründet. Lit.: Köbler, DRG 178f., 189, 253; Vysinskij, A., Fragen des Rechts und des Staates bei Marx, 1938; Bloch, E., Karl Marx und die Menschlichkeit, 1969; Euchner, W., Karl Marx, 1983; Schefold, C., Die Rechtsphilosophie des jungen Marx von 1842, 1970; Landau, P., Karl Marx und die Rechtsgeschichte, TRG 41 (1973), 361; Cerroni, U., Marx und das moderne Recht, 1974; Magnis, F. v., Normative Voraussetzungen im Denken des jungen Marx, 1975; Szabó, I., Karl Marx und das Recht, 1981; Herferth, W., Sachregister zu den Werken Karl Marx, Friedrich Engels, hg. v. Sandmühler, J., 1983; Marx- Engels-Begriffslexikon, hg. v. Lotter, K., 1984; Schöncke, M., Karl und Heinrich Marx, 1993 Marxismus ist die von Karl -> Marx begründete Gesellschaftslehre. Der M. ist historischer Materialismus, dem es darum geht, die Sachverhalte daraufhin zu beurteilen, wie, zu welchen und zu wessen Zwecken sie herbeigeführt werden, und in der Geschichte die Entwicklung von sozialen Verhältnissen zu erkennen. Grundlegend für eine geschichtliche Entwicklungsstufe ist die Art und Weise wie (u. a. mit welchen Produktionsmitteln) die Menschen ihren Lebensunterhalt bewirken. Die Produktionsverhältnisse sind die tatsächliche (reale) Basis für einen geistigen (ideologischen) Überbau. Arbeitsteilung und Eigentumsbildung entfremden den Menschen von sich selbst. Die besitzende Klasse hält am jeweiligen Zustand der Produktionsverhältnisse fest, während die ausgebeutete Klasse nach seiner Veränderung strebt. Durch Revolution wird die jeweilige Basis und damit auch der Überbau verändert und eine jeweils höherwertige Stufe des sich nach exakten Gesetzen vollziehenden Ge- schichtsablaufs erreicht. Das Recht als Teil des Überbaus ist in der vom Sozialismus unter Führung der Kommunistischen Partei angestrebten klassenlosen Gesellschaft, in der es weder Not noch Unterdrückung gibt, ebenso überflüssig wie der Staat. Die Versuche des 20. Jh.s, die Vorstellungen des M. zu verwirklichen (1917 Sowjetunion), erweisen sich bis zum Ende des 20. Jh.s (1990) nicht als erfolgreich. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG 178f., 189, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 937; Paschukanis, E., Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1924, Neudruck 1966; Adler, M., Die Staatsauffassung des Marxismus, 1922, Neudruck 1973; Reich, N., Sozialismus und Zivilrecht, 1972; Reich, N., Marxistische Rechtstheorie, 1973; Paul, W., Marxistische Rechtstheorie als Kritik des Rechts, 1974; Probleme der marxistischen Rechtstheorie, hg. v. Rottleuthner, H., 1975; Nolte, E., Marxismus und industrielle Revolution, 1983; Fetscher, I., Karl Marx und der Marxismus, 1985; Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, hg. v. Haug, W., 1994ff.; Schröder, R., Marxismus und Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997 Märzverfassung ist in -> Österreich die vom Kaiser nach dem Sieg über die revolutionäre Bewegung des Jahres 1848 dem Reichstag in Kremsier am 4. 3. 1849 aufoktroyierte Verfassung, die erstmals die nichtdeutschen Gebiete Ungarn und Lombardo-Venetien einschließt. Sie stellt in einem Schein- konstitutionalismus dem Kaiser den aus Oberhaus und Unterhaus bestehenden -> Reichstag gegenüber. Hinzu kommt in einem eigenen Patent ein Grundrechtskatalog. Die gesamte Verfassung tritt allerdings trotz Verkündung nicht in Kraft und wird unter dem Druck von Adel und Verwaltung am 31. 12. 1851 (-> Silvesterpatent) als unangemessen und unausführbar aufgehoben. Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher; Brauneder, W. Österreichische Verfassungsgeschichte, 8. A. 2001 Mascov, Johann Jacob (Danzig 26. 11. 1689- Leipzig 21. 5. 1761), früh verwaister Kaufmannssohn, wird nach dem Studium der freien Künste und des Rechts in Leipzig und Halle 1719 außerordentlicher Professor in Leipzig. Daneben übt er zahlreiche praktische Aufgaben aus. 1729 veröffentlicht er die häufig aufgelegten, in sieben Bücher gegliederten (lat.) Principia (N.Pl.) iuris publici imperii Romano-Germanici (Grundsätze des öffent- lichen Rechts des römisch-deutschen Reiches). Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972, 284; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 307 Maß ist die Meßeinheit. Das M. findet sich bereits vielfach im Altertum. Ausgangspunkt ist das natürliche, vom menschlichen Körper abgeleitete M. (z. B. Fuß, Elle, Klafter, Schritt). In der Neuzeit wird dieses mehr und mehr vom künstlich-wissenschaftlichen, international ver- einbarten M. (z. B. Liter, Meter) verdrängt, das M. durch rechtliche Bestimmungen klar 480 festgelegt und gegen Missbrauch geschützt. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 176; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910; Alberti, H. v., Maß und Gewicht, 1957; Pfeiffer, E., Die alten Längen- und Flächenmaße, 1986 Maßnahme der Sicherung und Besserung ist die auf die strafrechtlichen Reformvorschläge Franz von -> Liszts (1882 Marburger Programm) zurückgehende Maßnahme, statt zu strafen, zu sichern und zu bessern. Sie wird (im Dritten Reich) durch das Gewohnheits- verbrechergesetz vom 24. 11. 1933 verwirklicht. Danach kann der Richter die Unterbringung eines Täters in einer Heil- und Pflegeanstalt, in einer Trinkerheilanstalt, in einem Arbeitshaus, in der Sicherungs- verwahrung oder die Entmannung, die Untersagung der Berufsausübung oder die Reichsverweisung anordnen. Später wird die Besserung der Sicherung vorangestellt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 237; Jelowik, L., Zur Geschichte der Strafrechtsreform in der Weimarer Republik, 1983; Werle, G., Zur Reform des Strafrechts in der NS-Zeit, NJW 1988, 2865; Elling-Ruhwinkel, E., Sichern und Strafen, 20 05 Maßnahmegesetz ist das offen oder verdeckt nur für einen oder wenige Einzelfälle bestimmte Gesetz. Es wird im 20. Jh. problematisch. Lit.: Huber, K., Maßnahmegesetz und Rechtsgesetz, 1963 Materialismus ist die geistesgeschichtliche Strömung, die das gesamte Weltgeschehen vom Stofflichen (Materiellen), nicht vom Geistigen (Ideellen), her zu erklären versucht. Eine bedeutsame Form des M. ist der historische M. (-> Marxismus). Lit.: Köbler, DRG 178; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1982, 977; Kautsky, K., Die materialistische Geschichtsauffassung, Bd. 1f. 1927; Kägi, P., Genesis des historischen Materialismus, 1965; Bloch, E., Das Materialismusproblem, 1985; Schermaier, M., Materia, 1993; Bund, E., Stoischer Materialismus und Dynamismus, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Wittkau-Horgby, A., Materialismus, 1998 Materielles Recht ist das den Gegenstand betreffende Recht (z. B. Privatrecht, Strafrecht) im Gegensatz zum formellen Recht (Verfahrensrecht). Lit.: Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht seit Savigny, 1965; Kollmann, Begriffs- und Problemgeschichte, 1996 Mater semper certa est, pater quem nuptiae demonstrant (lat.). Die Mutter ist immer gewiss, Vater ist, wen die Ehe ausweist. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Paulus, um 160-um 230, Digesten 2, 4, 5) Matthaeus, Antonius II. Lit.: Schlüter, F., Antonius Matthaeus II. aus Herborn, der Kriminalist des 17. Jahrhunderts, der Rechtslehrer Utrechts, 1929 Mathildische Güter sind die Güter der Markgräfin Mathilde von Tuszien-Canossa (1046-24. 7. 1117, bezüglich der 139 echte Urkunden, 15 gefälschte Urkunden und 115 verlorene Urkunden nachweisbar sind) in Reggio, Modena, Mantua, Bologna, Parma, Ferrara, Brescia, Verona usw., die bedeutender sind als alle anderen Güter einer hochadligen Familie in Reichsitalien im Hochmittelalter. Wohl 1080 gibt die Markgräfin ihre Güter an den Papst (1102 bestätigt). Im Frühjahr 1111 sichert sie Heinrich V. die Erbfolge in ihre Güter zu. Zwischen König und Kirche in der Folge umstritten, gelangen die mathildischen Güter im 12./13. Jh. unter die Herrschaft vieler Stadtkommunen. Lit.: Overmann, A., Gräfin Mathilde von Tuszien, 1895; Grimaldi, N., La contessa Matilde, 1928; Studi matildici, 1964; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, Bd. 1f. 1970f.; Groß, T., Lothar III. und die Mathildischen Güter, 1990; Golinelli, P., Mathilde und der Gang nach Canossa, 1998; Die Urkunden und Briefe der Markgräfin Mathilde von Tuszien, hg. v. Goez, E. u. a., 1998 Matriarchat ist das vom Vorrecht der Frau bzw. der Mutter geprägte Recht im Gegensatz zum Patriarchat. Eine Zeit des Matriarchates ist geschichtlich nicht bezeugt. Sie wird aber von Johann Jakob -> Bachofen (1815-87) angenommen (Über das Weiberrecht, 1856). -> Mutterrecht Lit.: Wesel, U., Der Mythos vom Matriarchat, 1980; Göttner-Abendroth, Das Matriarchat, Bd. 1f. 1988ff. Matrikel ist das bereits dem römischen Altertum bekannte Verzeichnis von Umständen, das die Kirche fortführt (-> Kirchenbuch). Im Hochmittelalter wird an den Universitäten die Eintragung in eine M. Voraussetzung für die Teilhabe an den 481 Vorrechten der Universitätsangehörigen (z. B. Exemtion vom Stadtgericht). Seit dem Hochmittelalter finden sich auch Listen über die von Fürsten und Städten für die Heereszüge des Königs zu erbringenden Leistungen, aus denen sich 1422 die -> Reichsmatrikel entwickelt. Lit.: Sieber, J., Zur Geschichte des Reichsmatrikel- wesens, 1910; Falckenheiner, W., Univeritätsmatrikel, 1928; Weißenborn, E., Quellen und Hilfsmittel der Familiengeschichte, 3. A. 1930, 77; Börsting, H., Geschichte der Matrikel, 1959 Matrikularbeitrag ist in der frühen Neuzeit der in der Reichsmatrikel des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) festgelegte Beitrag des einzelnen Reichsstandes zum Finanzwesen des Reiches. Auch im zweiten Deutschen Reich bilden die Matrikularbeiträge der Länder eine wichtige Grundlage für die Reichsfinanzverfassung. Insofern ist das Reich Kostgänger der Länder. Lit.: Köbler, DRG 150, 196 Matrimonial Causes Act (1965) ist die das Eherecht betreffende Zusammenfassung verstreuter gesetzlicher Vorschriften im englischen Recht. Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 Matrimonium (lat. [N.]) ist bei den Römern die als soziale Tatsache mit rechtlichen Wirkungen angesehene -> Ehe. Lit.: Kaser § 58; Köbler, LAW Matthaeus (II.), Antonius (Herborn 1601- Utrecht 1654), Rechtsprofessorssohn, wird nach dem Studium des Rechts in Marburg und Groningen Professor in Harderwijk (1629) und Utrecht (1634). In (lat.) De criminibus (1644, Von Verbrechen) behandelt er die Straftatbestände an Hand der Bücher 47, 48 der Digesten mit Hinweisen auf das zeitgenössische Recht. In einer systematischen Einleitung legt er allgemeine Sätze über übergreifende (allgemeine) Fragen (z. B. Schuld, Vorsatz usw.) dar. Lit.: Schlüter, F., Antonius Mattheus II. aus Herborn, 1929; Zestig Juristen, 1987, 166 Maunz, Theodor (Dachau 1. 9. 1901- Gräfelfing 10. 9. 1993) wird nach dem Rechtsstudium in München 1937 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau und 1952 in München (1943-1945 Wehrdienst, 1948 Mit- glied des Herrenchiemseer Verfassungskon- vents, 1957-1964 Kultusminister in Bayern). Wechselnden politischen Bedingungen angepasst verfasst er nach 1949 ein erfolgreiches Lehrbuch des Staatsrechts und begründet einen wichtigen Kommentar zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Lit.: Juristen im Portrait, 1988, 553; Stolleis, M., Theodor Maunz, Kritische Justiz 1993, 393 Maure (Mohr) ist in der Antike (lat. Maurus) der Bewohner Nordwestafrikas (Mauretaniens), im Mittelalter der von dort hauptsächlich nach Spanien ausgreifende Afrikaner (Araber). Lit.: Hottinger, A., Die Mauren, 2. A. 2005 Maurer, Georg Ludwig Ritter von (Erpolzheim 2. 11. 1790-München 9. 5. 1872) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg Richter in der Rheinpfalz, von 1826 bis 1832 Professor in München, von 1832 bis 1834 Mitglied des Regentschaftsrates Königs Otto von Griechenland (aus dem Hause Wittelsbach) und 1847 Verweser des bayerischen Justizministeriums und Außenministeriums. Er veröffentlicht umfangreiche Darstellungen zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte. Lit.: Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Dickopf, K., Georg Ludwig von Maurer 1790-1872, 1960 Maurer, Konrad von (Frankenthal 29. 4. 1823- München 16. 9. 1902), Sohn des Rechtshistorikers Georg Ludwig von Maurer, wird nach dem Studium des Rechts und der Geschichte in München, Leipzig und Berlin (Homeyer, Richthofen) 1847 außerordentlicher Professor, 1855 ordentlicher Professor in München. Er veröffentlicht zahlreiche Abhandlungen zur nordischen Rechtsge- schichte. Lit.: Mayer, E., Konrad Maurer, ZRG GA 24 (1903), V; Maurer, K. v., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1907ff., Neudruck 1965; Amira, K. v., Konrad von Maurer, SB. d. Akad. d. Wiss. München, 1903 Maut ist im südostdeutschen Sprachgebiet der -> Zoll. Mautern Lit.: Demelius, H., Aus dem Stadtbuch von Mautern an der Donau (1432 bis 1550), 1972 (SB Wien) Maximilian I. (Wiener Neustadt 22. 3. 1459- Wels 12. 1. 1519) ist der letzte mittelalterliche König (,,letzter Ritter") des Heiligen 482 Römischen Reiches (deutscher Nation) (1486/1493, 1508 erwählter römischer Kaiser). Er fasst seine habsburgischen Erbländer zusammen, vermehrt sie durch Heirat um -> Burgund (1477) und bereitet (1515) den Erwerb -> Ungarn-Böhmens (1526) und -> Spaniens vor. Auf wohl burgundischem Vorbild beruht seine Verwaltungsreform in Tirol und Österreich. Im Reich entstehen unter seiner Herrschaft -> Reichskammergericht, -> Reichskreise und -> Gemeiner Pfennig. Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 150f., 157; Schmidt, E., Die Maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Kaiser Maximilians I. Weißkunig, hg. v. Musper, H. u. a., 1956; Buchner, R., Maximilian I., 2. A. 1970; Ausstellung Maximilian I., hg. v. Kulturreferat des Landes Tirol, 1969; Wiesflecker, H., Kaiser Maximilian I., Bd. 1ff. 1971ff.; Wiesflecker, H., Maximilian I., 1991; Hollegger, M., Maximilian I., 2000 Maximilianische Verwaltungsreform ist die von König Maximilian I. wohl nach burgun- dischem Vorbild durchgeführte Verwaltungs- reform. In ihrem Verlauf bestellt Maximilian in -> Tirol 1490 ein Kollegium von 12 Statthaltern für Justiz und Verwaltung für die Zeit seiner Abwesenheit. 1491 schafft er für die Verwaltung der Einkünfte eine besondere -> Raitkammer. Beides findet wenig später auch in Niederösterreich Eingang. Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation, 1913; Mayer, T., Die Verwaltungsorganisationen Maximilians I., 1920, Neudruck 1973; Hollegger, M., Maximilian I. und die Entwicklung der Zentralverwaltung, 1983 Mayer, Otto (Fürth 29. 3. 1846-Hilpertsau 8. 8. 1924), Abgeordnetensohn, wird nach dem Rechtsstudium u. a. in Berlin (1866/1867) 1872 Rechtsanwalt in Mülhausen, 1882 außeror- dentlicher Professor und 1887 ordentlicher Professor für französisches Zivilrecht, internationales Privatrecht, allgemeine Staatslehre und Verwaltungsrecht in Straßburg und 1903 Professor in Leipzig. In seinem unter Übertragung der juristischen Methode (-> Gerber, -> Laband) aus dem Staatsrecht gewonnenen Lehrbuch Deutsches Verwaltungs- recht (1895/1896) bildet er ein nach rechtlichen Gesichtspunkten systematisch gegliedertes -> Verwaltungsrecht (vor allem der Eingriffs- verwaltung) aus (Vorrang des Gesetzes, Vorbehalt des Gesetzes). Im Mittelpunkt des durch Rechtsvergleichung geschaffenen allge- meinen Teiles des Verwaltungsrechts steht der (dem französischen Verwaltungsrecht nachgeformte) -> Verwaltungsakt. Lit.: Köbler, DRG 199; Die Rechtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Planitz, H., 1924, 153, 175; Dennewitz, B., Die Systeme des Verwaltungsrechts, 1948, 122; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Heyen, E., Otto Mayer, 1981; Hueber, A., Otto Mayer, 1982; Schmid-De Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, 1999; Dewitz, R., Der Vertrag in der Lehre Otto Mayers, 2004 Mazedonien -> Makedonien Mecheln, Mechelen erscheint im 9. Jh. (Malinas 870) und gelangt über das Hochstift Lüttich, Flandern (1357), Burgund (1369) an Habsburg (1477) und von dort über die Niederlande an Belgien (1830). 1490 wird die erste moderne Postverbindung von Innsbruck nach M. eingerichtet. Lit.: Maes, L., Vijf eeuwen stedelijk strafrecht, 1947; De Geschiedenis van Mechelen, hg. v. Uytven, R. van, 1991 Mecklenburg ist ein nach der 995 erstmals erwähnten Burg Michelenburg bei Wismar benanntes, dünn besiedeltes, 1701 in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg- Strelitz geteiltes, zum 1. 1. 1934 wieder zusammengefasstes Land, das 1945 mit Vorpommern verbunden wird und herkömmliche Zustände verhältnismäßig lang bewahrt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 176; Neue Sammlung Mecklenburgischer Landesgesetze, Bd. 1ff. 1769; Mecklenburger Urkundenbuch, Bd. 1ff. 1863ff.; Böhlau, H., Mecklenburgisches Landrecht, Bd. 1ff. 1871ff.; Buchka, G. v., Landesprivatrecht der Großherzogtümer Mecklen- burg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, 1905; Ihde, R., Amt Schwerin, 1912; Krause, H., System der landständischen Verfassung Mecklenburgs, 1927; Hoffmann, K., Die Stadtgründungen Mecklenburg- Schwerins, 1930; Mecklenburgische Bauernlisten des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. d. Urkundenbuchkom- mission, Heft 1f. 1937f.; Hamann, M., Das staatliche Werden Mecklenburgs, 1962; Molitor, E., Der Entwurf eines mecklenburgischen Landrechts, ZRG GA 61 (1941), 208; Ballschmieter, H., Andreas Gottlieb von Bernstorff und der mecklenburgische Ständekampf 1680- 1720, 1962; Die mecklenburgischen Kaiserbederegister, hg. v. Engel, F., 1968; Hamann, M., Mecklenburgische 483 Geschichte, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2908; Wieden, H. bei der, Grundriss zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815- 1945, B XII (Mecklenburg), 1976; Petersohn, J., Der südliche Ostseeraum, 1979; Stammer, M., Die Anfänge des mecklenburgischen Liberalismus, 1980; Moldenhauer, R., Grenzen und Grenzbeschreibungen in Mecklenburg, ZRG GA 98 (1981), 236; Moldenhauer, R., Terra deserta, ZRG GA 104 (1987), 190; 1000 Jahre Mecklenburg, 1995 mediani (lat. [M.Pl.]) mittlere ([als Stand] im alemannischen Volksrecht des Frühmittelalters) Mediatisierung ist die Mittelbarmachung reichsunmittelbarer Reichsglieder (z. B. Reichsstädte, Reichsritter) insbesondere durch den -> Reichsdeputationshauptschluss vom 25. 2. 1803. Die dabei mittelbar gemachten ehemaligen Reichsunmittelbaren behalten noch während des 19. Jh.s Vorrechte (z. B. -> Patri- monialgerichtsbarkeit, -> Familienfideikommiss). Lit.: Köbler, DRG 132, 149; Gollwitzer, H., Die Standesherren, 1957, 2. A. 1964; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Facius, C., Zwischen Souveränität und Mediatisierung, FS H. Tümmler, 1977, 163; Schier, R., Die Standesherren, 1978; Achtzehnhundertunddrei, hg. v. Schmid, P. u. a., 2003 Mediävistik (F.) Mittelalterkunde Lit.: Ius Romanum medii aevi, 1961ff.; Dilcher, H., Zur Einführung: Romanistische Mediävistik, JuS 6 (1966), 387; Lexikon des Mittelalters, Bd. 1ff. 1980ff.; Sachwörterbuch der Mediävistik, hg. v. Dinzelbacher, P., 1992; Goetz, H., Moderne Mediävistik, 1999; Mediävistik im 21. Jahrhundert, hg. v. Goetz, H., 2003 Medici ist die seit dem frühen 13. Jh. bezeugte, innerhalb dreier Generationen aufgestiegene, im 16. Jh. zu Herzögen von Florenz (1531) und Großherzögen von Toskana (1569) erhobene Geldwechslerfamilie in Florenz, die 1737 erlischt. Lit.: Rubinstein, N., The Government of Florence under the Medici, 1966; Clarke, P., The Soderini and the Medici, 1991; Brown, A., The Medici in Florence, 1992; Lorenzo de Medici, hg. v. Toscani, B., 1993; Reinhardt, V., Die Medici, 1998; Walter, I., Der prächtige Lorenzo de Medici, 2003; Martines, L., Die Verschwörung, 2004 Medium (N.) Mittel, insbesondere das Wissensverbreitungsmittel wie Buch, Zeitung, Rundfunk, Fernsehen Lit.: Faulstich, W., Die Geschichte der Medien, Bd. 1 1997; Geschichte der Medien, hg. v. Fassler u. a., 1998; Von Almanach bis Zeitung, hg. v. Fischer, E. u. a., 1999; Wilke, J., Grundzüge der Mediengeschichte, 2000 Medizin (Heilkunst) -> gerichtliche Medizin Lit.: Schmidt, A., Medizinisches aus deutschen Rechtsquellen, FS Benno Schmidt, 1896; Niederhellmann, A., Arzt und Heilkunde in den frühmittelalterlichen Leges, 1983; Die Geschichte des medizinischen Denkens, hg. v. Grmek, M., 1996; Porter, R., Die Kunst des Heilens, 2000; Pfeifer, K., Medizin der Goethezeit, 2000; Klee, E., Deutsche Medizin im Dritten Reich, 2001; Künzl, E., Medizin in der Antike, 2002; Jankrift, K., Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, 2003; Steger, F., Asklepiosmedizin, 2004; Bergdolt, K., Das Gewissen der Medizin, 2004; Antike Medizin, hg. v. Leven, K., 2005 medum (Ackerland, Ackerabgabe [in der Erzdiözese Trier zwischen 900 und 1300]) Lit.: Kienast, R., medum-land, in: Antiquitates Germanicae, 1974, 57 Meer ist allgemein der von Salzwasser bedeckte, größere Teil der Erdoberfläche. Das M. ist grundsätzlich frei (lat. mare [N.] liberum). Im römischen Recht steht auch die Meeresküste als (lat.) res (F.) communis (allgemeine Sache) dem Gebrauch aller Menschen offen. Im Mittelalter bewirkt die Zusammenfassung einzelner Herrschaftsrechte (Regalien) in der Hand der Landesherren die Beanspruchung der Meeresküste als Recht des Landesherrn. In der Neuzeit wird von hier aus weiter auf das Meer ausgegriffen (3 Seemeilen, 12 Seemeilen, 200 Seemeilen). Im Übrigen gilt für das M. das -> Völkerrecht. Lit.: [Grotius, H.,] Mare liberum, 1609; Fahl, G., Der Grundsatz der Freiheit der Meere in der Staatenpraxis von 1493-1648, 1969; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994 Meersburg Lit.: Widemann, B., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Meersburg, 1958 Megelle (Buch der Weisheit) ist das von 1869 bis 1876 in 16 Bänden herausgegebene und 1877 in Kraft gesetzte Zivilgesetzbuch des osmanischen Reichs auf der Grundlage des islamischen Rechts (Saria). Die M. gilt in der Türkei bis 1926, in Albanien bis 1928, im Libanon bis 1932, in Syrien bis 1949, im Irak bis 1953 und auf Zypern bis in die 60er Jahre des 20. Jh.s. Ihr wichtigster Redaktor ist der 484 Richter und Justizminister Ahmad Gawdat Pasa (1822-1895). Lit.: Dilger, K., Tendenzen zur Rechtsentwicklung, in: Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989, 170 Megenberg, Konrad von (1309-Regensburg 14. 4. 1374), Ministerialensohn (Mäbenberg?), wird nach der Schule in Erfurt und dem Studium der freien Künste in Paris Domherr in Regensburg. 1354 veröffentlicht er die Karl IV. gewidmete Schrift (lat.) De translatione imperii Romani (Von der Übertragung des römischen Reichs), in der er die Auffassung vertritt, dass der Papst die Wahl des deutschen Königs billigen müsse. Lit.: Ibach, H., Leben und Schriften des Konrad von Megenberg, 1938 Mehrer des Reiches (Lüs. von lat. [M.] Augustus) ist seit dem 14. Jh. ein Titel des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation). Lit.: Bucklisch, M., ,,Augustus", Diss. phil. Münster 1957; Wolfram, H., Intitulatio II, 1973, 174 Mehrheit (Majorität) ist der größere von zwei (oder mehr) Teilen einer Personengesamtheit. Der Grundsatz, dass eine M. von Stimmen einer von mehreren unterschiedlichen Meinungen zum Sieg verhilft, ist bereits in den Versammlungen in den Stadtstaaten Griechenlands und in Rom anerkannt. Die christliche Kirche übernimmt die auch in den - > Digesten Justinians vertretene Vorstellung (D. 50. 1. 19, 50. 17. 160. 1) zunächst nicht, sondern strebt die Einstimmigkeit an. Seit dem 4. Jh. zieht sie die M. in der Form der größeren Qualität vor (lat. sanior pars [F.]). Im 12. Jh. anerkennt sie den Grundsatz der M. Im deutschen, zunächst der Einstimmigkeit zuneigenden Recht ist der Grundsatz der M. bei der Königswahl seit der Mitte des 13. Jh.s bedeutsam und setzt sich 1338 durch. Im Reichstag gilt dies nur von Fall zu Fall. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 109; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1021; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2 1873, Neudruck 1954; Starosolskyj, W., Das Majoritätsprinzip, 1916; Elsener, F., Zur Geschichte des Majoritätsprinzips, ZRG KA 73 (1956), 73, 560; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, 1973; Schlaich, K., Maioritas, ZRG KA 94 (1977), 264; Battenberg, J., Das römisch-deutsche Königtum und die Legitimation mehrheitlicher Entscheidungen im Spätmittelalter, ZRG GA 103 (1986), 1; Mehrheitsprinzip, Konsens und Verfassung, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1986 Mehrheitswahlrecht ist das Wahlrecht, bei dem die Mehrheit der Stimmen (eines Wahlkreises) entscheidet und die für andere Bewerber abgegebenen Stimmen personell nicht berücksichtigt werden (z. B. England). Lit.: Köbler, DRG 257; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip, 1973 Meier (zu lat. maior [M.] der Größere) ist in der frühmittelalterlichen -> Grundherrschaft der Verwalter des Grundherrn (lat. villicus [M.]). Seit dem Hochmittelalter (12./13. Jh.) strebt er nach Selbständigkeit. Daraufhin ver- gibt der Grundherr (vor allem in Nordwestdeutschland) die Grundherr- schaft(sverwaltung) nur noch auf Zeit gegen festen Zins (Meierrecht). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2: Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer, 2 A. 1964; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991 Meiergericht ist das Gericht einer Grundherrschaft unter dem Vorsitz des -> Meiers. Das M. begegnet seit dem Hochmittelalter. In der Neuzeit wird es vom Landesherrn zurückgedrängt und endet im 19. Jh. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Höngger Meiergerichtsurteile, hg. v. Stutz, U., 1912; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962, 343; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970 Meierhof -> Meier, Hof Lit.: Kroeschell, DRG 2 Meierordnung ist ein partikulares Gesetz des 18. Jh.s über das -> Meierrecht (z. B. Paderborn 1765, Calenberg 1772, Entwurf Lüneburg 1799ff., Osnabrückische Eigentumsordnung 1722). Meierrecht ist ein gewohnheitsrechtlich entstandenes bäuerliches Besitzrecht in Nordwestdeutschland (Niedersachen, Westfa- len). Es ist ein (tatsächlich erbliches,) dingliches Recht zur Bewirtschaftung eines fremden Gutes gegen Abgaben (Meierzins) und zwar eine Form der Pacht. -> Abmeiern Lit.: Gesenius, C., Das Meyerrecht, Bd. 1f. 1801ff.; Pfeiffer, W., Das deutsche Meierrecht, 1848; Niemeyer, F., Das Meierrecht in der Grafschaft Hoya, 1862; Turner, 485 G., Das Calenberger Meierrecht, 1960; Illemann, H., Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim, 1969 Meiji-Verfassung (1889) -> Japan Lit.: Kroeschell, DRG 3 Meineid ist das vorsätzliche falsche Schwören des Täters vor Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle. Im römischen Recht wird, von bestimmten Sonderfällen (z. B. lat. -> falsum [N.], stellionatus [M.] oder -> crimen [N.] laesae maiestatis) abgesehen, der M. nicht rechtlich verfolgt. Ob die Germanen eine Strafe für M. kennen, ist zweifelhaft. Im Frühmittelalter folgt dem falschen Schwören überwiegend eine -> Buße oder das -> Wergeld. Die (lat.) Lex (F.) Saxonum sieht für den M. in der Kirche den Tod vor. In Kapitularien wird Handverlust angedroht. Dem folgt der Sachsenspiegel (1221-1224). Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) schreibt für den M. vor Gericht den Verlust der beiden Schwurfinger vor. In der zweiten Hälfte des 18. Jh.s werden christliche Aspekte zurückgedrängt und danach durch den Schutz der Allgemeinheit ersetzt. Das 19. Jh. schränkt den M. auf den gerichtlichen Falscheid ein. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hirzel, R., Der Eid, 1902, Neudruck 1966; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 9; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage, 1990; Ries, G., Zur Strafbarkeit des Meineids, FS D. Medicus, 1999, 457 Meinung (Ansicht) -> herrschende Meinung Meinungsfreiheit ist die Freiheit jedes Menschen, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Sie wird von der Aufklärung des 18. Jh.s (-> Kant) gefordert und im 19. Jh. als - > Grundrecht durchgesetzt. Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4., A. 2004; Meinungsfreiheit, hg. v. Schwartländer, J. u. a., 1986 Meißen Lit.: Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der Markgrafen von Meißen, 1956; Pannach, H., Das Amt Meißen, 1960 Meißener Rechtsbuch ist das zwischen 1357 und 1387 von einem unbekannten Verfasser (in Zwickau?) für Städte sächsischen und Magdeburger Rechts in der Markgrafschaft Meißen (mit Osterland, Pleißnerland und Vogtland), Sachsen, Thüringen, Westfalen, Brandenburg, Polen und Böhmen geschaffene, in 76 vollständigen und 21 teilweise erhaltenen Handschriften überlieferte Rechtsbuch (eyn buch dez rechten in wichbilde in sechsisszer art), das in der Literatur auch als Rechtsbuch nach Distinktionen, schlesisches Landrecht oder vermehrter Sachsenspiegel benannt wird. Es gliedert sich in 5 bis 8 Bücher, Kapitel und Distinktionen. Erfasst sind Privatrecht, Gerichtsverfassung, Strafrecht, Stadtver- fassung, Stadtrecht und Reichsrecht. Quellen sind -> Sachsenspiegel Landrecht, Magdebur- ger Weichbildrecht, Goslarer Stadtrecht und Zwickauer Rechtsbuch. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Ortloff, F., Das Rechtsbuch nach Distinktionen, 1836; Voltelini, H. v., Ein Bruchstück des Rechtsbuches nach Distinktionen im Landesarchiv in Klagenfurt, ZRG GA 44 (1924), 316; Weizsäcker, W., Zur Geschichte des Meißner Rechtsbuchs in Böhmen und Mähren, ZRG GA 58 (1938), 584; Ullrich, G., Zu den Quellen des Meißener Rechtsbuches, Deutschrechtl. Archiv 1 (1940), 87; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 55 Meister (zu lat. [M.] magister) ist allgemein der Könner und Lehrer, im besonderen der, welcher die Meisterprüfung in einem -> Handwerk bestanden hat. Lit.: Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985 Mejora (F.) im Frühmittelalter ausgebildeter, zugunsten der ehelichen Abkömmlinge frei verfügbarer Vermögensteil Lit.: Elfgen, A., Die Mejora, 1962 Melanchthon (Schwarzerd), Philipp (Bretten 16. 2. 1497-Wittenberg 19. 4. 1560) wird 1518 Professor für Griechisch in Wittenberg und entwickelt sich zu einem führenden lutherischen Humanisten. Er steht zwischen naturrechtlichen Vorstellungen des Mittelalters und dem Vernunftrecht der frühen Neuzeit und betont die relativ gute Verwirklichung natürlicher Rechtssätze im römischen Recht. Bei M. ist die -> lotharische Legende belegt. Lit.: Mayer, H., Die Strafrechtstheorie bei Luther und Melanchthon, FG J. Binder, 1930, 77; Bauer, C., Melanchthons Naturrechtslehre, 1951; Kisch, G., Melanchthons Rechts- und Soziallehre, 1967; Deflers, I., Lex und ordo, 2005 Melderecht ist die Gesamtheit der die 486 Anmeldung eines Menschen an einem Ort bei der staatlichen Verwaltung betreffenden Rechtssätze (z. B. Preußen 1842). Melfi in Süditalien ist ein bevorzugter Ort der Staufer, in dem 1231 Kaiser Friedrich II. die -> Konstitutionen von M. verkündet. Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie, 1975 melior (lat. [M.]) der Bessere Meliorat (N.) aus den (lat.) meliores (M.Pl.) gebildete Bevölkerungsgruppe Lit.: Planitz, H., Zur Geschichte des städtischen Meliorats, ZRG GA 67 (1950), 141 Melo Freire dos Reis, Pasco al José de (1738- 1798) wird nach dem Rechtsstudium in Coimbra (1757) Lehrer des Rechts (seit 1772 des vaterländischen Rechts [portug.] direito pátrio). Er verfasst das erste System des portugiesischen Rechts (lat. Historia [F.] iuris civilis lusitani, Geschichte des portugiesischen bürgerlichen Rechts, 1788, Institutiones [F.Pl.] iuris civilis lusitani tam publici quam privati, Einrichtungen des portugiesischen öffentlichen und privaten Rechts, 1789, Institutiones iuris criminalis lusitani, Einrichtungen des portugie- sischen Strafrechts, 1789). 1805 werden seine wichtigsten Schriften Pflichtgegenstand der selbständigen portugiesischen Rechtsausbil- dung. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,713, 3,2,2466 Memmingen Lit.: Blickle, P., Memmingen, 1967 Memoria Lit.: Iwanami, A., Memoria et oblivio, 2004 Menger (von Wolfensgrün), Anton (Maniow 12. 9. 1841-Rom 6. 2. 1906) wird nach dem Rechtsstudium in Krakau (1858) und in Wien (1860) Advokat und 1875 außerordentlicher Professor, 1877 ordentlicher Professor für Zivilprozessrecht in Wien. Bekannt wird er durch seine Kritik am ersten Entwurf des deutschen -> Bürgerlichen Gesetzbuches (Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1889/90). Eine gewisse tatsächliche Wirkung des bedeutenden Kathedersozialisten (Juristensozialisten) erfolgt über Franz -> Klein (24. 4. 1854-6. 4. 1926) auf das österreichische Zivilprozessrecht. Lit.: Köbler, DRG 183; Kästner, K., Anton Menger, 1974; Müller, E., Anton Mengers Rechts- und Gesellschaftssystem, 1975; Hörner, H., Anton Menger, 1977; Männer um die österreichische Zivilprozessordnung 1895, 1990, 11 Menhir (M.) Dolmen, vorgeschichtliche Steinsäule Menocchio, Jacopo (1532-1607), Steuerpäch- terssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Pavia (Alciat) Professor in Pavia (1556), Mondovi (1561), Padua (1566) und Pavia (1589). Er verfasst zahlreiche privatrechtliche Traktate. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1 1977, 326 Menschenraub ist die Straftat, bei der sich der Täter eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt. Bereits die römische (lat.) lex (F.) Fabia de plagiariis (nach 88 v. Chr.) stellt den M. (lat. [N.] plagium) unter Strafe (Geldstrafe, später Todesstrafe). Die frühmittelalterlichen -> Volksrechte sehen (mehrfaches) Wergeld für M. an einem Freien vor. Der -> Sachsenspiegel (1221-1224) setzt den M. dem Totschlag gleich. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (1871) droht (für bestimmte Fälle) Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr an. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 780; Nehlsen, M., Sklavenrecht, 1972, 263 Menschenrecht ist das dem Menschen als solches (gegenüber dem Staat) zustehende angeborene, unveräußerliche, unantastbare Recht. Als Vorläufer allgemeiner, dem Zugriff des Staates entzogener -> Grundrechte sehen nach dem Altertum (Stoiker, Cicero) schon im Mittelalter einzelne naturrechtliche Theoretiker (Thomas von Aquin 1225-1274) Leben, Freiheit und Eigentum. 1776 werden fundamentale Rechte in die amerikanische, von George Mason (1725-1792) entworfene -> Virginia Bill of Rights aufgenommen. Davon beeinflusst werden in Frankreich (26. 8. 1789) allgemeine Menschenrechte (Freiheit, Gleichheit, Weltbürgertum) proklamiert. Von den Vereinten Nationen wird (10. 12. 1948) eine (noch) nicht verbindliche (Deklaration) allgemeine Erklärung der Menschenrechte, von den Mitgliedstaaten des Europarates am 4. 11. 1950 eine nach Ratifizierung durch 10 Staaten am 3. 9. 1953 in Kraft getretene Europäische 487 Konvention der Menschenrechte beschlossen. Lit.: Köbler, DRG 191, 246, 255; Jellinek, G., Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 4. A. 1927; Hartung, F./Commichau, G./Murphy, R., Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 6. A. 1998; Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hg. v. Schnur, R., 2. A. 1974; Die Menschenrechte, hg. v. Heidelmeyer, W., 3. A. 1982; Thomann, M., Rechtsphilosophie und rechtsgeschichtliche Etappen der Idee der Menschenrechte, FS H. Thieme, 1983; Oestreich, G., Geschichte der Menschenrechte, 2. A. 1978; Begründung der Menschenrechte, hg. v. Müller- Schmid, P., 1986; Frowein, J., Der europäische Menschenrechtsschutz, JuS 1986, 845; Menschen- und Bürgerrechte, hg. v. Klug, U. u. a., 1988; Hofmann, H., Zur Herkunft der Menschenrechtserklärungen, JuS 1988, 841; Birtsch, G. u. a., Grundfreiheiten, Menschenrechte 1500-1850, Bd. 1ff. 1991f.; International Human Rights, hg. v. Ermacora, F. u. a., 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Brieskorn, N., Menschenrechte, 1996; Schmale, W., Archäologie der Grund- und Menschenrechte, 1997; Die Menschenrechte in Deutschland, hg. v. Hutter, F. u. a., 1997; Die Menschenrechte, hg. v. Heidelmeyer, W., 4. A. 1997; Müller, S., Gibt es Menschenrechte bei Samuel Pufendorf? 2000; Human rights and legal history, hg. v. O'Donovan, K. u. a. 2000; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2001; Lim, M., Der Begriff der Autonomie und des Menschenrechts bei Kant, 2002; Brade, L., Die Aberkennung der Menschenrechte In Deutschland zwischen 1933­1945, 2001; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten, 2003; Moorman van Kappen, O., Zur holländischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1795, ZRG GA 122 (2005), 318 Menschenrechtler ist, wer sich für die Menschenrechte anderer uneigennützig einsetzt, Menschenrechtstümler, wer die Menschenrechte nur als Mittel oder Vorwand für die Verfolgung eigennütziger Ziele verwendet. Beides ist seit Anerkennung der Menschenrechte möglich. Menschenwürde ist der innere und zugleich soziale Wert- und Achtungsanspruch, der dem Menschen um seinetwillen zukommt. Die M. schließt unmenschliche Behandlung eines Menschen aus. Sie wird seit dem 18. Jh. als Wert gefordert. -> Menschenrecht Lit.: Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988; Geddert- Steinacker, T., Menschenwürde, 1990; Dietz, G., Menschenwürde bei Homer, 2000 Mentalität (F.) Geisteshaltung Lit.: Mentalitäten im Mittelalter, hg. v. Graus, F., 1988; Europäische Mentalitätsgeschichte, hg. v. Dinzelbacher, P., 1993; Lepenies, W., Von der Geschichte zur Politik der Mentalität, HZ 261 (1995), 672; Wetz, F., Die Würde des Menschen, 1998 Mentalreservation (lat. reservatio [F.] mentalis) ist der geheime Vorbehalt. Die M. ist dem Altertum unbekannt. Sie wird im kirchlichen Eherecht des Mittelalters entwickelt (X 4, 1, 26) und geht von dort in das weltliche Recht über. Lit.: Kaser § 8, III; Holzhauer, H., Dogmatik und Rechtsgeschichte der Mentalreservation, FS R. Gmür, 1983, 119 mercatum (lat. [ N.]) Markt Lit.: Köbler, DRG 77; Köbler, LAW merces (lat. [F.]) Entgelt Lit.: Kaser § 42 II 1; Köbler, DRG 46 mercennarius (lat. [M.]) Lohnarbeiter Lit.: Köbler, DRG 57 Merkantilismus ist das wirtschaftspolitische System des 17.-18. Jh.s, in dem der Staat zur Füllung der Staatskasse erstmals aktive Wirtschaftspolitik treibt und dadurch die gewerbliche Tätigkeit fördert (England 1621ff.). Um seinen Reichtum und seine Macht zu stärken, strebt der Staat einen Handelsbilanzüberschuss an. Zu diesem Zweck werden ausländische Fertigwaren mit hohen Einfuhrzöllen abgewehrt und die eigene Ausfuhr von Waren, für deren Herstellung der Staat teilweise Geld, Gebäude oder Baumaterial zur Verfügung stellt, möglichst durch Subventionen unterstützt. Führend ist Frankreich unter dem Finanzminister (1661- 1672) Colbert (1619-1683). Der M. wird am Ende des 18. Jh.s vom -> Liberalismus abgelöst. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 133, 134; Mannert, L., Die öffentliche Förderung der gewerblichen Produktionsmethoden, 1930; Bog, I., Der Reichsmerkantilismus, 1959; Treue, W., Wirtschaft, Gesellschaft und Technik in Deutschland, 2. A. 1976; Städtewesen und Merkantilismus, hg. v. Press, V., 1982; Gömmel, R./Klump, R., Merkantilisten und Physiokraten, 1994; Gömmel, R., Die Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus, 1998; Wallerstein, I., Das moderne Weltsystem II, 1998; 488 Merkantilismus und Globalisierung, hg. v. Reinermann, H. u. a., 2000 Merkel, Paul Johannes (Nürnberg 01. 8. 1819- Halle 1861), Bürgermeisterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in München und Erlangen 1851 außerordentlicher Professor in Königsberg und 1852 ordentlicher Professor in Halle. Er gibt einige Volksrechte heraus. Lit.: Anschütz, A., Zur Erinnerung an Johannes Merkel, ZRG 3 (1864), 193 Merowinger ist der Angehörige eines von einem sagenhaften Vorfahren Mera bzw. von einem Stammvater Merowech hergeleiteten, fränkischen Königsgeschlechts. Merowechs Enkel Chlodwig eint seit 482 die -> Franken. Die Nachfahren teilen vielfach auf. 751 wird der merowingische König vom -> Hausmeier mit Einverständnis des Papstes entmachtet (-> Karolinger). Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG 76; Diplomata regum Francorum e stirpe Merowingica, hg. v. Pertz, K., 1872, Neudruck 1981; Sprandel, R., Der merovingische Adel, 1957; Kaufmann, E., Über das Scheren abgesetzter Merowingerkönige, ZRG GA 72 (1955), 177; Bergengrün, A., Adel und Grundherrschaft im Merowingerreich, 1958; Beyerle, F., Das legislative Werk Chilperichs I., ZRG GA 78 (1961), 1; Krüger, H., Das Merowingerreich als Herrschaftsordnung, Diss. jur. Köln 1964; Eckhardt, K., Merowingerblut, 1965; Fournier, G., Les Merovingiens, 1966; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Eckhardt, K., Studia Merovigica, 1975; Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, hg. v. Wolfram, H. u. a., 1982; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Diplomata regum Francorum e stirpe Merowingica, 1983; Hartung, W., Süddeutschland in der Merowingerzeit, 1983; Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988, 4. A. 2001; Kaiser, R., Das römische Erbe und das Merowingerreich, 1993, 2. A. 1997, 3. A. 2004; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Wood, I., Merovingian Kingdoms, 1994; Karl Martell, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1994; Esders, S., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997; Brühl, C., Merowingische Königsurkunden, 1998; Kölzer, T., Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.; Scheibelreiter, G., Die barbarische Gesellschaft, 1999; Fouracre, P., The Age of Charles Martel, 2000; Die Urkunden der Merowinger, hg. v. Kölzer, T., 2001; Geary, P., Die Merowinger, 2003; Hartmann, M., Aufbruch ins Mittelalter, 2003 Mesopotamien (Zwischenflussland, Zweistromland) ist das Gebiet zwischen Euphrat und Tigris, in dem im 3. Jt. v. Chr. die Keilschrift erfunden wird. Seine wichtigsten Herrschaften bestehen um Sumer (Sumerer), Akkad (Akkader), Ur, Elam (Elamiter), Assur (Assyrer), Urartu und Babylon (Babylonier). Über die Perser und Alexander den Großen gelangt das Gebiet an die Römer, verödet danach aber und wird erst im 20. Jahrhundert wegen seines Ölreichtums wieder bedeutsam. Lit.: Hrouda, B., Die antiken Kulturen zwischen Euphrat und Tigirs, 1997; Edzard, D., Mesopotamien, 2004; Korn, W., Mesopotamien, 2004 Messe ist der katholische Gottesdienst und davon ausgehend seit dem Mittelalter (Paris, St. Denis 10. Jh.), vor allem seit dem 11./12. Jh., der daran anschließende Markt. Im Spät- mittelalter entwickelt sich hieraus ein System von Messen (z. B. Champagne, Brügge, Genf, Frankfurt am Main, Leipzig). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 98; Huvelin, P., Essai historique sur le droit des marchés et des foires, 1897; Bassermann, E., Die Champagnermessen, 1911; Die Leipziger Messen und ihre Organisation, hg. v. Leipziger Messamt, 1929; Ammann, H., Neue Beiträge zur Geschichte der Zurzacher Messen, 1930; Döring, R., Handbuch der Messen und Ausstellungen, 1956; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A.1980; Europäische Messen, hg. v. Johanek, P. u. a., 1996; Rothmann, M., Die Frankfurter Messen im Mittelalter, 1998 Messina in Nordostsizilien ist die auf eine vorgriechische Siedlung zurückgehende, nach 490 von Zankle nach den neusiedelnden Messiniern umbenannte Stadt. Über Römer, Ostgoten, Oströmer und Sarazenen (843-1061) gelangt M. an die Normannen. 1548 erhält es eine Universität. 1908 wird es durch Erdbeben zu 90% zerstört. Lit.: Capitoli e privilegi di Messina, hg. v. Giardina, C., 1937; Pispisa, E., Messina, 1980 Meta Lit.: Stutz, U., Jacob Grimm über die meta des langobardischen Edikts, ZRG GA 44 (1924), 262 Methode ist das planmäßige Verfahren zur Erreichung eines bestimmten Zieles. Die M. der -> Rechtswissenschaft besteht im Auslegen von Texten und Erklärungen und im Zuordnen (Gleichsetzen) von Sachverhalten zu Tatbestän- den. Dabei entwickelt sich auf Grund zuordnender Maßstäbe der mittelalterlichen 489 Rechtswissenschaft zunächst eine Einteilung in authentische Interpretation der Gesetzgebung, usuale Interpretation der Rechtsprechung und doktrinale Interpretation der Rechtslehre, wobei der Wertbezug des geltenden Rechts noch nicht fraglich ist. In der Neuzeit wird das Gesetz zur beherrschenden Rechtsquelle und bedient sich die Rechtsprechung zunehmend wissenschaft- licher Vorgangsweisen, wobei im späteren 17. und im 18. Jh. Naturrecht als auf die Funktion rechtspolitischer Postulate beschränktes Recht und positives Recht als Ergebnis eines normsetzenden Willens voneiunander geschieden werden. Die doktrinale Auslegung wird in deklaratorische, extensive und restriktive Interpretation unterteilt. -> Thoma- sius und -> Buchner unterscheiden zwischen grammatischer Interpretation und logischer Interpretation, -> Savigny und -> Thibaut zwischen philologischer, historischer, systematischer und teleologischer Auslegung, mit deren Hilfe das Recht als autonome sittliche Ordnung begriffen werden soll. Die -> Rechtsgeschichte will als geschichtliche Wissenschaft vergangene rechtliche Umstände ermitteln, verstehen und erklären. Lit.: Köbler, DRG 2, 3; Meister, A., Grundzüge der historischen Methode, 3. A. 1923; Mitteis, H., Vom Lebenswert der Rechtsgeschichte, 1948; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Methode der Geisteswissenschaften, 1962; Janssen, A., Otto von Gierkes Methode, 1974; Wesel, U., Zur Methode der Rechtsgeschichte, Kritische Justiz 1974, 337; Coing, H., Aufgaben des Rechtshistorikers, 1976; Fikentscher, W., Methoden des Rechts, Bd. 1ff. 1975ff.; Rechtsgeschichte und quantitative Geschichte, 1977; Wieacker, F., Zur Methodik der Rechtsgeschichte, FS F. Schwind, 1978, 356; Öhler, H., Quantitative Methoden für Historiker, 1980; Landau, P., Bemerkungen zur Methode der Rechtsgeschichte, ZNR 1980, 117; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Otte, G., Leibniz und die juristische Methode, ZNR 1983, 1; Sternberg, T., Zur Methodenfrage der Rechtswissenschaft, hg. v. Rehbinder, M., 1988; Rückert, Methoden und Forschungspraxis in der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 272; Raisch, P., Juristische Methoden, 1995; Fälle und Fallen in der neueren Methodik, hg. v. Rückert, J., 1997; Entwicklung der Methodenlehre, hg. v. Schröder, R., 1998; Schott, C., Juristische Methodenlehre zwischen Humanismus und Naturrecht, ZNR 21 (1999), 3;Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001; Kurt, R., Hermeneutik, 2004; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004; Heine, S., Die Methodendiskussion nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2004 Methodenlehre -> Methode Metternich, Klemens Wenzel (Koblenz 15. 5. 1773-Wien 11. 6. 1859) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft, Staatswissenschaft und Geschichte Gesandter 1797 der westfälischen Grafenbank und 1801 des Kaisers sowie 1809 österreichischer Außenminister. 1814 fördert er die Schonung Frankreichs im Interesse des europäischen Gleichgewichts. Im -> Deutschen Bund unterdrückt er die freiheitlichen und nationalen Strömungen durch strenge Polizeimaßnahmen. Am 13. 3. 1848 muss er zurücktreten. Lit.: Köbler, DRG 170; Srbik, H. v., Metternich, Bd. 1ff. 1925ff.; Palmer, A., Der Staatsmann Europas, 1980; Seward, D., Metternich, 1993; Sternburg, W. v., Als Metternich die Zeit anhalten wollte, 2003 Mettlach Lit.: Raach, T., Kloster Mettlach/Saar und sein Grundbesitz, 1974 Metus (lat. [M.]) ist im römischen Recht die Furcht bzw. Drohung. Ein unter Furcht zustande gekommenes Geschäft ist nach römischem Bürgerrecht gültig, doch gewährt das prätorische Recht eine (lat.) -> in integrum restitutio (F.), mit der die eingetretenen Wirkungen wieder beseitigt werden sollen, eine Strafklage (lat. actio [F.] quod metus causa) auf den vierfachen bzw. einfachen Schadensbetrag und eine Einrede (lat. exceptio [F.] metus). Das nachklassische Recht formt die (lat.) in integrum restitutio in eine Art Anfechtung durch eine Klage auf Schadloshaltung. Justinian lässt die (lat.) in integrum restitutio in der (lat.) actio quod metus causa aufgehen. Lit.: Kaser § 8 IV; Köbler, DRG 42, 49 Metz an der Mosel ist der auf keltisch- römischer Grundlage im 6. Jh. Hauptort eines fränkischen Reichsteils (Arnulf von Metz) werdende Ort. 870 kommt es über Lotharingien (Lothringen) zu Ostfranken, 1552/1648 zu Frankreich. Im 13. Jh. entwickelt die zwischen 1180 und 1210 zur Rechtsstadt aufgestiegene Stadt mit Bannrollen eine Art -> Grundbuch. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, Historisches Lexikon; Die Metzer Bannrollen, hg. v. Wichmann, K., 1908; Le 490 droit coutumier de la ville de Metz, hg. v. Schneider, J. u. a., 1951; Hocquard, G. u. a., Metz 1961; Histoire de Metz, 1986; Pundt, M., Metz und Trier, 1998 Meum esse (lat.) ist im altrömischen Recht die Gewalt eines Menschen über Sachen. Das m. e. gestattet die Verfügung über die Sache. Es kann seinerseits vor allem auf Erbfolge, Aneignung, Manzipation oder (lat.) -> in iure cessio (F.) und -> Ersitzung (oder auch formloser Übergabe) beruhen. Im klassischen römischen Recht entsteht aus dem m. e. das -> Eigentum. Lit.: Köbler, DRG 24, 25, 40; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2. A. 1956 Meurer, Noe (Memmingen 1525/1528- Heidelberg 1583), Stadtschreiberssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Siena Advokat, Rat und (1557-63) Reichskammergerichtsassessor. 1566 behandelt er in seinen ,,Practica von der kaiserlichen Kammergerichtsordnung und Prozess" als erster den Prozess vor dem -> Reichskammergericht systematisch. Lit.: Hausrath, H., Zur Lebensgeschichte Dr. Noe Meurers, ZGO N.F. 21 (1906), 690 Meuterei ist die Vereinigung mehrerer Menschen zu Ungehorsam oder Empörung gegenüber Vorgesetzten. Sie wird in Rom mit der Todesstrafe bestraft. Danach tritt sie in der frühen Neuzeit wieder auf. Im 19 Jh. wird sie tatbestandlich schärfer erfasst. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002 Mevius, David (Greifswald 6. 12. 1609-14. 8. 1670), Professorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Greifswald 1634 Professor in Greifswald, 1637 Syndikus in Stralsund und 1653 Vizepräsident des schwedischen Ober- tribunals in Wismar. Einen Plan einer Zusammenfassung aller naturrechtlichen Regeln führt er nicht aus. Sein Entwurf eines mecklenburgischen Landrechts wird nicht Gesetz. 1642 kommentiert er das lübische Recht (lat. Commentarius [M.] in ius Lubicense). 1664ff. veröffentlicht er die Urteile seines Gerichts seit 1653. In beiden Fällen verbindet er rechtspraktische Erfahrung und wissenschaftliche Systematik in ansprechender Weise. Lit.: Köbler, DRG 144, 146, 215; Molitor, E., Der Entwurf eines mecklenburgischen Landrechts von David Mevius, ZRG GA 61 (1941), 208; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 423; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 218; Holthöfer, E., David Mevius, in: Biographisches Lexikon für Mecklenburg, 1999, 173; Holthöfer, E., David Mevius, in: Integration durch Recht, hg. v. Jörn, N. u. a., 2004, 277 Miete ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich der eine Teil (Vermieter) verpflichtet, dem anderen Teil (Mieter) den Gebrauch der vermieteten -> Sache (Sachteil, Sachgesamtheit) während der Mietzeit zu gewähren, und der Mieter sich verpflichtet, den vereinbarten Mietzins zu bezahlen. Die M. ist im klassischen römischen Recht ein Konsensualkontrakt (lat. locatio [F.] conductio rei). Sie findet sich danach unter Ablösung älterer Leiheverhältnisse wieder in der mittelalterlichen Stadt, in der bald bis zu 40% der Wohnungen zur M. gegeben werden. Dem Mieter wird eine -> Gewere an der Mietsache zuerkannt. Der Verkauf der Mietsache beendet die Miete nicht. Nach kirchlichem Recht kann auch ein höheres Mietangebot den Mieter nicht aus der Wohnung verdrängen. Seit dem 16. Jh. dringt das römische Recht vor. Im 19. Jh. führt die starke Bevölkerungszunahme zusammen mit der Landflucht zu Mietskasernen und Notlagen der Mieter, die sich seit 1914 verstärken. Aus sozialen Gründen schützt der Staat den Mieter (Kündigungsschutz, Mietpreisbindung, z. B. Mieterschutzver- ordnung vom 26. 7. 1917). Dieser Schutz wird während des gesamten 20. Jh.s verdichtet, wenn auch Wohnraumbewirtschaftungsmaß- nahmen nach Kriegszeiten wieder aufgegeben werden. Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, IV 3, 42 I, II; Söllner § 9; Hübner 582; Köbler, DRG 45, 127, 166, 227, 240, 270; Köbler, WAS; Brünneck, Zur Geschichte der Miete und Pacht, ZRG GA 1 (1880), 138; Heyne, M., Das deutsche Wohnungswesen, 1899; Schulin, P., Zur Geschichte der mittelalterlichen Miete, ZRG GA 41 (1920), 127; Ebel, M./Lilienthal, A., Mieterschutz und Mieteinigungsämter, 4. A. 1930; Biller, W., Das Mietrecht der Reichsstadt Regensburg, Diss. jur. Erlangen 1952; Jüttner, B., Zur Geschichte des Grundsatzes ,,Kauf bricht nicht Miete", Diss. jur. Münster 1960; Kaufmann, H., Die altrömische Miete, 1964; Genius, K., Der Bestandsschutz, 1972; Trenk-Hinterberger, P., Internationales Wohnungsmiet- 491 recht, 1977, 35; Wolter, U., Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984; Freiheit und Zwang bei der Wohnraummiete, 1996; Teigelack, L., Die Garantiehaltung des Vermieters, Diss. jur. Gießen, 1996; Hügemann, E., Die Geschichte des öffentlichen und privaten Mietpreisrechts, 1997; Calonge, A./Wacke, A., Die Kündigungsgründe für die Wohnungsmiete, ZEuP 1997, 1010; Hinkelmann, B., Die ortsübliche Miete, 1999; Schubert, W., Vom preußischen Mietrecht zum Mietrecht des BGB, Gedächtnisschrift für Jürgen Sonnenschein, 2002 Mieterschutz -> Miete Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 240; Petersen, J., Die Vorgeschichte und die Entstehung des Mieterschutzgesetzes von 1923, 1991; Lutz, H., Der Mieterschutz der Nachkriegszeit, 1998 Mietkauf Lit.: Fendel, R., Der Berliner Möbelleihvertrag. Geschichte und Entwicklung des Mietkaufs vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, 1991 Mietrecht -> Miete Lit.: Ruth, R., Das Mietrecht der Wohn- und Geschäftsräume, 1926; Wolter, U., Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984; Schubert, W., Die Diskussion über die Schaffung eines sozialen Dauermietrechts am Ende der Weimarer Republik, ZRG 106 (1989), 143 Mietverhältnis ist die -> Miete zwischen Vermieter und Mieter. Lit.: Genius, K., Der Bestandsschutz des Mietverhältnisses, 1972 Mietvertrag -> Miete Milano -> Mailand miles (lat. [M.]) Krieger, Ritter Lit.: Köbler, LAW; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 2. A. 1976 Militär (N.) Heerwesen, -> Heer, Krieg Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 1; The Oxford Companion to Military History, hg. v. Holmes, R., 2001; Frevert, U., Die kasernierte Nation, 2001; Broucek, P./Peball, K., Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, 2000; Nowosadtko, J., Krieg, Gewalt und Ordnung, 2002; Das Militär und der Aufbruch in die Moderne 1860-1890, hg. v. Epkenhans, M. u. a., 2003 Militärgrenze (confin) ist im österreichischen Recht die mit Siedlungsunternehmen seit 1522 begründete (Sicherung der) Grenzzone zwischen Österreich-Ungarn und den Türken von der Adria bis Siebenbürgen. In dem umfänglich wechselnden Gebiet gilt teilweise besonderes Recht. 1881 wird als letztes selbständiges Grenzgebiet die kroatisch- slawonische M. aufgehoben. Lit.: Baltl/Kocher; Amstatt, J., Die k.k. Militärgrenze 1522-1881, Diss. phil. Würzburg 1969; Die k. k. Militärgrenze, 1973; Militärkonvention ist der zwischen 1867 und 1886 zwischen Preußen und anderen Staaten bzw. Ländern des Norddeutschen Bundes bzw. des Deutschen Reiches geschlossene Vertrag über Militärangelegenheiten, durch den die Herrschaftsgewalt über Heereskontingente auf Preußen bzw. den Kaiser und damit das Reich übergeht. Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1 1963, 992 Militärregierung ist die -> Regierung durch Streitkräfte. Militärseelsorge ist die seit dem Spätmittelalter verstärkt organisierte kirchliche Betreuung der Angehörigen der Streitkräfte. Lit.: Bleese, J., Die Militärseelsorge, Diss. jur. Hamburg 1969; Rudolf, H., Das evangelische Militärkirchwesen in Preußen, 1973 Militärstrafrecht ist das im Spätmittelalter durch Vertrag zwischen Kriegsherrn und Söldnerführern geschaffene, in der frühen Neuzeit durch Kriegsartikel des Landesherrn festgelegte Strafrecht für Angehörige der Streitkräfte. Im 19. Jh. wird es liberalisiert, humanisiert und in besonderen Militärstraf- gesetzen konkretisiert (Bayern 1813, Württemberg 1818, Sachsen 1838, Oldenburg 1841, Preußen 1845, Österreich 1855, Oldenburg 1861, Sachsen 1867, Bayern 1869, Deutsches Reich 1872). Dem entspricht in der Bundesrepublik Deutschland das Wehrstraf- gesetz (1957). Lit.: His, R., Strafrecht des Mittelalters, Bd. 2 1935; Schmidt, E., Militärstrafrecht, 1936; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Malfér, S., Die Abschaffung der Prügelstrafe, ZGR GA 102 (1985), 206; Schölz, J./Lingens, E., Wehrstrafgesetz, 3. A. 1988; Walmrath, L., Iustitia et disciplina, 1998; Stecke, J., Die DDR-Militärjustiz, NJW 1998, 2570; Walmrath, L., Iustitia et disciplina, 1998; Prinz, O., Der Einfluss von Heeresverfassungen und Soldatenbild auf die Entwicklung des Militärstrafrechts, 2005 Militärstrafverfahren ist das in Militärstraf- angelegenheiten angewandte, seit dem 17. Jh. allgemeiner geregelte Strafverfahren (Württemberg 1692, Preußen 1712, Österreich 492 1697, 1723, Bayern 1748, Sachsen 1758, 1789). Im 19. Jh. wird teilweise das -> Inquisitionsverfahren fortgeführt (Preußen 1845), teils das mündliche öffentliche Anklageverfahren (Bayern 1869). Die Militärstrafgerichtsordnung des Reiches von 1898 verbindet beides. Im Dritten Reich erlassen etwa 2000 Militärrichter der Wehrmacht mindestens 25000-30000 Todesurteile, von denen vielleicht 18000-20000 vollstreckt werden. Lit.: Fleck, E., Das Strafverfahren der preußischen Mitiltärgerichte, 1854, 1864, 1870; Mark, H. v., Der Militärprozess in Deutschland, Bd. 1f. 1893; Schweling, O., Die deutsche Militärjustiz, hg. v. Schwinge, E., 2. A. 1978; Messerschmidt, M./Wüllner, F., Die Wehrmachtsjustiz im Dienste des Nationalsozilismus, 1987; Wüllner, F., Die NS-Militärjustiz, 1991, 2. A. 1997; Anker, J., Die Militärstrafgerichtsordnung, 1995; Schubert, W., Zur Entstehung der Militärstrafgerichtsordnung von 1898, ZRG GA 113 (1996), 1; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz 1939-1945, 2005 Militärverwaltung ist die von Streitkräften (als Leitungsorganen) durchgeführte -> Verwaltung. millenarius (lat. [M.]) Tausendschaftsführer bei Vandalen, Ostgoten und Westgoten, in der Herkunft und Bedeutung streitig Lit.: Rietschel, S., Die germanische Tausendschaft, ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181 Miltenberg Lit.: Störmer, W., Miltenberg, 1979 Minden Lit.: Das Mindener Stadtbuch von 1318, bearb. v. Krieg, M., 1931; Mindener Stadtrecht, bearb. v. Schroeder, J. v., 1997 Minderheit ist eine im Verhältnis zu einer -> Mehrheit geringere Zahl (von Menschen). Seit dem Mittelalter wird ansatzweise vereinzelt die Frage des Schutzes der M. gesehen. Verrechtlicht wird dies nur ganz allmählich. Seit dem 20. Jh. (vor allem nach dem Zusammenbruch der Vielvölkerreiche der Habsburger, der Osmanen und der Russen) werden die Bemühungen um völkerrechtlichen Schutz von Minderheiten verstärkt, ohne dass befriedigende Lösungen gelingen. Das Recht der M. darf von der Mehrheit nicht in seinem Wesenskern bedroht werden. Lit.: Jellinek, G., Das Recht der Minoritäten, 1898; Wintgens, H., Der völkerrechtliche Schutz der nationalen, sprachlichen und religiösen Minderheiten, 1930; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Nationale, ethnische Minderheiten und regionale Identitäten, 1994; Handbuch der mitteleuropäischen Sprachminderheiten, hg. v. Hinderling, R./Eichinger, L., 1996; Nationale Minderheiten, hg. v. Hahn, H. u. a., 1999; Fink, C., Defending the Rights of Others, 2004 Minderjährigkeit ist der Zeitraum von der Geburt eines Menschen bis zur Vollendung des für die -> Volljährigkeit erforderlichen (18., 19., 21., 24. oder 25.) Lebensjahres. Dem Minderjährigen fehlt die unbeschränkte -> Geschäftsfähigkeit. Soweit er nicht selbst wirksam handeln darf, handelt für ihn der gesetzliche Vertreter. Die M. ersetzt im Laufe der Aufnahme des römischen Rechts die -> Mündigkeit weitgehend. Lit.: Kaser § 14 II 3, 64 II; Hübner; Kroeschell, DRG 1 Minderung ist die Herabsetzung eines an sich vereinbarten Kaufpreises auf einen wirklich geschuldeten Kaufpreis einer mangelhaften Sache. Sie stammt aus dem klassischen römischen Recht. Hier verheißen die kurulischen Ädile als Marktaufseher beim Kauf von Sklaven und später auch Zugtieren dem Käufer bei gewissen Mängeln innerhalb kurzer Fristen neben der (lat.) -> actio (F.) redhibitoria (Wandelungsklaganspruch) die Rückgewäh- rung des Kaufpreises in Höhe der durch den Mangel begründeten Wertverringerung der Sache bei deren Behalten im Übrigen (lat. -> actio [F.] quanti minoris, Minderungsklag- anspruch). Dies wird in der frühen Neuzeit aufgenommen. In Deutschland wird 2002 die besondere Wandlung durch den allgemeinen Rücktritt ersetzt. Lit.: Kaser § 41 VI 2, 4; Söllner § 9; Hübner; Köbler, DRG 46, 165, 215; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Minima non curat praetor (lat.). Das Gericht kümmert sich nicht um Kleinigkeiten. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Cicero 106-43 v. Chr., vgl. Digesten 4, 1, 4) Minister ist der Leiter einer obersten Behörde einer Verwaltung. Er entwickelt sich in der frühen Neuzeit aus dem älteren Diener eines Herrn. Zuerst in England und Frankreich sind im 17. Jh. M. des Königs als Amtsträger des Herrschers an herausgehobener Stelle 493 verwaltend-ausführend tätig. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) wird M. im 18. Jh. für den das oberste Regie- rungsgeschäft erledigenden Staatsbeamten gebräuchlich. Sein Tätigkeitsbereich ist das -> Ministerium. Der M. ist weisungsgebunden. Im 19. Jh. erlangt er demgegenüber Selb- ständigkeit und Verantwortlichkeit (Gegen- zeichnung Preußen 1808, Belgien 1831, Preußen 1850). 1930 begründet das Reichsministergesetz für den M. im Deutschen Reich ein besonderes öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis außerhalb der Beamtenschaft, das nach Beseitigung im Jahre 1937 im Jahre 1953 wiederhergestellt wird. Lit.: Köbler, DRG 151, 193, 197, 230, 232, 248, 257; Neudecker, M., Geschichte des geheimen Rats und Ministeriums in Bayern, 1921; Frank, M., Das Justizministerium der DDR, Diss. jur. Regensburg 1988; Schröder, J., 40 Jahre Rechtspolitik, 1989; Das Bundesministerium des Inneren, hg. v. Pracht, H., 1993; Truhart, P., Internationales Verzeichnis der Außenminister (1589-1989), Bd. 1f. 1989ff. (Ergänzungsband 1945-1995); Hoffmann, H., Die Bundesministerien 1949-1999, 2003 Ministeranklage ist die gegen einen -> Minister gerichtete Anklage auf Amtsenthebung wegen fehlerhafter Tätigkeit. Sie entwickelt sich anscheinend in England (seit dem 12. Jh.) aus einer ursprünglich strafrechtlichen Klage wegen eines Verbrechens. 1791 wird die M. in Polen und Frankreich übernommen, 1814 in Nassau. Das deutsche Grundgesetz kennt die M. im Gegensatz zu Landesverfassungen nicht. Lit.: Constant de Rebecque, B., De la responsabilité des ministres, 1815; Kröger, K., Die Ministeranklage, 1972; Popp, P., Ministerverantwortlichkeit und Ministerankla- ge, 1996 Ministerialbürokratie (F.) in Ministerien beschäftigte Verwaltungsbedienstete Lit.: Teppe, K., Die NSDAP und die Ministerialbürokratie, Der Staat 15 (1976), 367 Ministeriale (lat. ministerialis [M.]) ist im Mittelalter der Diener eines Herrn. Er gehört zu den Unfreien, steigt aber im Herrendienst in den niederen Adel (Ritter) auf (Dienstmann). Ein besonderer Stand bildet sich seit der Wende vom 10. zum 11. Jh., zuerst erkennbar im Zusammenhang mit der Reichskirche. Seit dem 11. Jh. entwickelt sich für den Ministerialen das besondere Dienstrecht (Limburg 1035, Bamberg 1057). Später treten Freie in die Ministerialität ein. Seit dem 13. Jh. übernehmen die Ministerialen die wichtigsten Ämter des Landesherrn. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 79, 113, 120; Fressel, R., Das Ministerialenrecht der Grafen von Tecklenburg, 1907; Fajkmajer, K., Die Ministerialen des Hochstiftes Brixen, Zs. des Ferdinandeums, 3. Folge 52 (1908); Molitor, E., Der Stand der Ministerialen vornehmlich auf Grund sächsischer, thüringischer und niederrheienischer Quellen, 1913; Ganshof, F., Étude sur les ministeriales en Flandre et en Lotharingie, 1926; Schowingen, K. Frhr. v., Zum Ministerialenproblem, ZRG GA 61 (1941), 274; Bosl, K., Die Reichsministerialen, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Pötter, W., Die Ministerialität der Erzbischöfe von Köln, (um 1969); Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Zotz, T., Die Formierung der Ministerialen, in: Die Salier und das Reich, Bd. 3 1991, 3; Witzel, W., Die fuldischen Ministerialen, 1998; Derschka, H., Die Ministerialen des Hochstifts Konstanz, 1999; Keupp, J., Dienst und Verdienst, 2002 Ministerialität ist der Stand und die Gesamtheit der Ministerialen. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kluckhohn, O., Die Ministerialität in Südostdeutschland, 1910, Neudruck 1970; Kluckhohn, P., Die Ministerialität in Südostdeutschland, 1910; Müller, E., Die Ministerialität im Stift Sankt Gallen und in Landschaft und Stadt Zürich, 1911; Winter, G., Die Ministerialität in Brandenburg, 1922; Weimann, K., Die Ministerialität im späteren Mittelalter, 1924; Haendle, O., Die Dienstmannen Heinrichs des Löwen, 1930; Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der Markgrafen von Meißen, 1956; Ministerialitäten im Mittelrheinraum, hg. v. Gerlich, A., 1978; Jacobi, F., Ministerialität und ,,ius ministerialium", FS Schmidt- Wiegand, R., 1986, 263; Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in Sachsen, 1995; Trüper, H., Ritter und Knappen zwischen Weser und Elbe, 2000 Ministerium ist die oberste Behörde der Verwaltung. Im 18. Jh. ist das M. vielfach regional begrenzt. Im 19. Jh. ist darunter die für ein bestimmtes Sachgebiet (z. B. Auswärtige Angelegenheiten, Justiz (z. B. Preußen 1738), Finanz, Verteidigung, innere Angelegenheiten) zuständige, von einem Minister geleitete, bürokratisch organisierte Behörde oder die Gesamtheit der Minister bzw. Ministerien (z. B. 494 Preußen 1808) oder das Amt des -> Ministers zu verstehen. Lit.: Köbler, DRG 151, 197; Baltl/Kocher; Knischewsky, P., Das preußische Gesamtministerium, 1902; Neudegger, M., Geschichte des Geheimen Rats und Ministeriums in Bayern, 1921; 200 Jahre Dienst am Recht, hg. v. Gürtner, F., 1938; Frauendienst, W., Das preußische Staatsministerium, Z. f. d. ges. Staatswiss. 116 (1960), 114 Ministerrat ist der aus Ministern gebildete Rat als Regierungskollegium. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867, 1970ff.; Protokolle des Ministerrates der ersten Republik, hg. v. Neck, R. u. a., 1980ff.; Das geltende Recht (der DDR), hg. v. Sekretariat des Ministerrates, 1989 Ministerverantwortlichkeit ist die Verantwortung eines -> Ministers für seinen Aufgabenbereich. Sie entwickelt sich (anscheinend seit dem 12. Jh.) in England und wird 1791 in Polen und Frankreich übernommen (-> Ministeranklage), seit 1814 in den deutschen Staaten. Danach gilt die M. als notwendiger Ausgleich der Unverantwort- lichkeit des Monarchen, wenn auch tatsächliche Folgerungen selten bleiben. Lit.: Mohl, R. v., Die Verantwortlichkeit der Minister, 1837; Rassow, R., Das Wesen der Ministerverantwortlichkeit, Z. f. d. ges. Staatswiss. 59 (1903), 159; Hoffmann, P., Monarchisches Prinzip und Ministerverantwortlichkeit, 1911; Schnabel, F., Geschichte der Ministerverantwortlichkeit in Baden, 1922; Weckerle, F., Geschichte der Ministerver- antwortlichkeit in Bayern, 1930; Greve, F., Die Ministerverantwortlichkeit, 1977; Popp, P., Minister- verantwortlichkeit und Ministeranklage, 1996 Minne und recht ist eine mittelalterliche, häufig im Schiedsverfahren begegnende Paarformel unbekannter Herkunft für die gütliche oder entscheidungsweise Erledigung einer Streitigkeit. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Müller, M., Minne und Dienst in der altfranzösischen Lyrik, 1907; Gaisser, E., Minne und Recht, Diss. jur. Tübingen 1955 (masch.schr.); Hattenhauer, H., Minne und recht, ZRG GA 80 (1963), 325; Krause, H., Consilio et iudicio, FS J. Spörl, 1965, 416 Minoer ist der Angehörige des in Kreta von etwa 3200 v. Chr. bis zum Ende des 2. Jt.s v. Chr. herrschenden Volkes. Lit.: Lesley, F., Die Minoer, 2004 Minorat (N.) Jüngstenrecht Minorit ist der Angehörige eines 1517 von den Franziskanern (Franz von Assissi 1226) abgetrennten Ordens. Die minoritischen Franziskaner erteilen bereits im Hochmittelalter Rechtsunterricht an den Ordensschulen, von dem -> Deutschenspiegel und -> Schwaben- spiegel beeinflusst sein dürften. Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962, 116 Miquel, Johannes (Neuenhaus 19. 2. 1828- Frankfurt am Main 8. 9. 1901), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Göttingen und der Hinwendung zu demokratisch-sozialistischen Strömungen 1854 Rechtsanwalt und 1857 Kommunalbeamter. Im Reichstag des Deutschen Reichs setzt er sich für die nationalliberale Rechtsvereinheitlichung ein (Lex Miquel/Lasker 1873, Reichsjustiz- gesetze 1877/1879). 1890 wird er Finanzminister Preußens. Lit.: Köbler, DRG 183; Mommsen, W., Johannes Miquel, 1928; Herzfeld, H., Johannes von Miquel, Bd. 1f. 1938; Pausch, A., Johannes von Miquel, 1964; Kassner, T., Der Steuerreformer Johannes von Miquel, 2001 Mischna (hebr.), Lehre, Wiederholung, ist die aus 63 Traktaten in 6 Ordnungen gebildete Sammlung (gewohnheitsrechtlich erweiterte Wiederholung der alten Gesetze) des jüdischen Lehrstoffes der ersten zwei nachchristlichen Jahrhunderte, die um 200 n. Chr. abgeschlossen wird. Sie wird bis 500 n. Chr. durch Glossen erklärt (Gemara). Lit.: Wesel, U., Geschichte des Rechts, 2. A. 2001 Mischne Tora ist eine klare hebräische Zusammenfassung des jüdischen Rechts durch -> Moses -> Maimonides in Ägypten am Ende des 12. Jh.s. Lit.: The Code of Maimonides, 1949ff.; Mischne Tora hu ha-Yad ha-chazaqa, hg. v. Rabbinowitz, M. u. a., 6. A. 1985 miserabilis (lat.) beklagenswert (wie z. B. Waise, Witwe, Kranker, Pilger, Armer) misericordia (lat. [F.]) Barmherzigkeit Lit.: Rennefahrt, H., Grausamkeit und Mitleid im Rechtsleben des Mittelalters, 1949; Rohls, J., Geschichte der Ethik, 1991 Missetat (F.) Delikt, Unrechtstat, Straftat Lit.: Munske, E., Der germanische Rechtswortschatz, 1973 495 Missheirat ist die Ehe zwischen Angehörigen verschiedener Stände, wie sie sich bis in das 19. Jh. (Preußen 1869) bzw. 20. Jh. (1919, Preußen 1920) findet. Sie zieht teils rechtliche, teils nur gesellschaftliche Folgen nach sich. Lit.: Pütter, J., Über Missheiraten teutscher Fürsten, 1796; Abt, E., Missheiraten, 1911; Minnigerode, H. Frhr. v., Ebenburt und Echtheit, 1912; Hoyer, E., Die Ehen minderen Rechts, 1926 Missio (F.) canonica (lat.) ist im kirchlichen Recht die vom Papst oder Bischof übertragene Erlaubnis zur Verkündung des Wortes Gottes bzw. im älteren Recht die Übertragung von Rechtsprechungsbefugnissen an Geistliche. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Missio (F.) in bona (lat.) ist die im klassischen römischen Recht entwickelte Einweisung der siegreichen Partei eines Rechtsstreits in die Güter des Gegners, nach der es meist zum öffentlichen Aufgebot und zum Verkauf aller Güter zugunsten aller Gläubiger an einen einzigen Erwerber (Generalexekution) kommt. Ihr entspricht vielleicht im Frühmittelalter eine gleichartige -> Fronung. Seit dem Spätmittel- alter wird die m. i. b. im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen. Lit.: Kaser § 82 II 4e, 85 II 2b, 86 III, 87 I 10; Söllner § 8; Köbler, DRG 33 Missive (N.) Sendschreiben Misstrauensvotum ist seit der Ablösung Sir Robert Walpoles 1742 bzw. spätestens seit dem Sturz Melbournes in England 1841 das Aussprechen des Misstrauens durch die Parlamentsmehrheit gegenüber dem Regierungsführer in Form einer Abstimmungs- niederlage. Das Grundgesetz Deutschlands (1949) kennt nur das konstruktive M., das nur bei gleichzeitiger Wahl eines neuen Regierungsführers Erfolg haben kann. Lit.: Kroeschell, 20. Jh missus (M.) dominicus (lat.) -> Königsbote Lit.: Krause, V., Geschichte der Institution der missi dominici, MÖIG 11 (1890); Werner, K., Missus, marchio, comes, in: Histoire comparée de l'administration, 1980, 191; Hannig, J., Zur Funktion der karolingischen missi dominici in Bayern, ZRG GA 101 (1984), 256, Mitbestimmung ist im 20. Jh. die Teilhabe der Arbeitnehmer an Willensbildungsvorgängen (der Arbeitgeber) in der Wirtschaft. Im Bereich der Montanindustrie bringt das deutsche Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaues und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. 5. 1951 eine paritätische Mitbestimmung im Aufsichts- rat (5 Arbeitgebervertreter, 5 Arbeitnehmer- vertreter, ein gemeinsam bestimmtes weiteres Mitglied). Das Mitbestimmungsgesetz vom 4. 5. 1976 führt in der Bundesrepublik Deutsch- land für Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person mit mehr als 2000 Arbeitnehmern die paritätische Besetzung des Aufsichtsrates durch Anteilseigner einerseits und Arbeiter, Angestellte und besondere leitende Angestellte andererseits ein. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 273; Teuteberg, H., Geschichte der industriellen Mitbestimmung, 1961; Mayer, B., Die Vertrauensmännerausschüsse, 1996; Mitbestimmung und Betriebsverfassung, hg. v. Pohl, H., 1996; Rob, W., Mitbestimmung im Staatsdienst, 1999 Miteigentum ist das Eigentum mehrerer Personen an einer Sache. Es ist im altrömischen Recht zunächst wohl bei der Erbenge- meinschaft in der Form vorhanden, dass keine selbständigen Anteile an der Sache bestehen. Erst danach entsteht das M. nach Bruchteilen. Es setzt sich durch. Im deutschen Recht ist M. anfangs vermutlich in einer -> Gesamthand gebunden. Seit dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche Gestaltung aufgenommen. Die Gesamthand wird erst im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) und auch dort nur in Sonderbereichen wieder belebt. Lit.: Kaser § 23 IV; Hübner; Köbler, DRG 40, 61; Oppikofer, H., Eigentumsgemeinschaften im mittelalterlichen Recht, Beiheft 2 zu VSWG, 1924, 33; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Miterbe ist das Mitglied einer Erbenge- meinschaft. Lit.: Kaser § 73 I 1, 75 I 8; Hübner; Köbler, DRG 122 Mitgift (lat. dos [F.]) ist ein Vermögen, das einem Ehegatten von einem Dritten in die Ehe mitgegeben wird. Die M. wird meist einer vorweggenommenen Erbschaft gleichgestellt. Vielfach erfolgt die Leistung an einen Ehegatten (oder an eine aufnehmende Einrichtung wie z. B. an ein Kloster). Im 20. Jh. wird die M. meist durch eine Ausbildung ersetzt. Lit.: Kaser §§ 38 III 4, 59 II, 73 IV 1b; Söllner §§ 5, 8, 9, 496 12, 15, 18, 24; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Neubecker, F., Die Mitgift, 1909; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973 mithio (lat.-afrk.) Erwiderung, Antwort, Verantwortung Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 1 1931, 209 Mitsukuri, Rinsho (1846-1897) wird nach dem Studium des Chinesischen, Holländischen und Englischen mit der Übersetzung der französischen Gesetzbücher beauftragt. Hierbei bewältigt er die Aufgabe der Bildung japanischer Rechtswörter für westliche Rechtseinrichtungen. Lit.: Yamanaka, E., Mitsukuri Rinsho, in: Nihon no hôgakusha, hg. v. Ushiomi, T. u. a., 1975, 1 Mittäterschaft ist die gemeinsame Täterschaft mehrerer Menschen. Lit.: Kaser § 50 II 2; Winter, B., Die Entwicklung der Mittäterschaft, 1981 Mitteis, Heinrich (Prag 26. 11. 1889-München 23. 7. 1952), Rechtsprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig, Berlin (Brunner, Gierke) und Leipzig (Binding, Otto Mayer, Sohm) 1920 Professor in Köln, 1924 in Heidelberg, 1934 in München, 1935 in Wien, 1938 in Rostock, 1946 in Berlin, 1948 in München und 1952 in Zürich. In der mittelalterlichen Verfassungsgeschichte verbin- det er Politisches eindrucksvoll mit Juristischem. Seine beiden rechtsgeschicht- lichen Grundrisse sind in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s führend. Lit.: Bader, K., Heinrich Mitteis, ZRG GA 70 (1953), IX; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Mitteis, H., Die Rechtsidee in der Geschichte, 1957 (Gesammelte Abhandlungen, mit Schriftenverzeichnis); Brun, G., Leben und Werk des Rechtshistorikers Heinrich Mitteis, 1991; Heinrich Mitteis nach hundert Jahren, hg. v. Landau, P. u. a., 1991 Mittelalter ist der zwischen Altertum und Neuzeit befindliche zeitliche Abschnitt der (europäischen) Geschichte (476-1492 bzw. 500-1500). Lit.: Haskins, C., Studies in Medival Culture, 1929; Nord und Süd in der deutschen Geschichte des Mittelalters, hg. v. Paravicini, W., 1990; Schuler, P., Grundbibliographie Mittelalterliche Geschichte, 1990; Das Mittelalter als Epoche, hg. v. Lückerath, C. u. a., 1995; The New Cambridge Medieval History, hg. v. McKitterick, R., Bd. 1ff. 1995ff.; Boockmann, H., Einführung in die Geschichte des Mittelalters, 6. A. 1996; Fuhrmann, H., Überall ist Mittelalter, 1996, 2. A. 1997, 3. A. 1998; Goetz, H., Leben im Mittelalter, 7. A. 2002; Mittelalter und Moderne, hg. v. Segl, P., 1997; Heimann, H., Einführung in die Geschichte des Mittelalters, 1997; Fuhrmann, H., Einladung ins Mittelalter, 5. A. 1997; Knefelkamp, U., Das Mittelalter, 1999; Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs, hg. v. Borgolte, M., 2001; Endemann, T., Geschichte des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte, 2001; Leben im Mittelalter, hg. v. Leier, M. u. a., 2001; Schubert, E., Alltag im Mittelalter, 2002; Knefelkamp, U., Das Mittelalter, 2002; Dinzelbacher, P., Europa im Hochmittelalter, 2003; Jankrift, K., Das Mittelalter, 2004; Hartmann, M., Mittelalterliche Geschichte studieren, 2004; Schlotheuber, E., Das Mittelalter, 2004; Le Goff, J., Auf der Suche nach dem Mittelalter, 2004; Kaufhold, M., Wendepunkte des Mittelalters, 2004 mittelbarer Besitz -> Besitz Mittelhochdeutsch ist die zwischen 1050 und 1350 bzw. 1500 als der (zwischen Althochdeutsch und Neuhochdeutsch) mittleren deutschen Sprachperiode im südlichen (hochgelegenen) Deutschland gesprochene Sprache (z. B. -> Schwabenspiegel). Lit.: Köbler, DRG 10; Köbler, WAS; Lexer, M., Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 35. A. 1979; Jelinek, F., Mittelhochdeutsches Wörterbuch zu den deutschen Sprachdenkmälern Böhmens, 1911; Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache, erarb. v. Ohly, S. u. a., Bd. 1ff. 1986ff. (4190 Urkunden, 1 Million Belege, rund 10000 Stichwörter); Lexer, M., Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 3. A. 1885, 2. Neudruck, 1992; Hennig, B., Kleines mittelhoch- deutsches Wörterbuch, 3. A. 1998; Weddige, H., Mittelhochdeutsch, 5. A. 2003; Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund, hg. v. Burch, T. u. a., 2001 (CD-ROM) Mittellateinisch ist die zwischen dem 6. und 15. Jh. verwendete Form des Lateinischen. Lit.: Köbler, LAW; Löfstedt, B., Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Glossarium till medeltidslatinet i Sverige, Bd. 1ff. 1973ff.; Langosch, K., Lateinisches Mittelalter, 5. A. 1988; Niermeyer, J., Mediae Latinitatis Lexicon Minus, 2. A. 2002; Köbler, G., Liber exquisiti xenii, 1999 Mittelniederdeutsch ist die zwischen dem 12. 497 und 16. Jh. als der mittleren deutschen Sprachperiode (zwischen Altsächsisch und Altniederfränkisch einerseits und Neuniederdeutsch bzw. Plattdeutsch andererseits) im nördlichen (niedergelegenen) Deutschland gesprochene Sprache (z. B. -> Sachsenspiegel), die im Schriftdeutschen in der frühen Neuzeit (z. B. in Goslar zwischen 1519 und 1619) allmählich von der hochdeutschen Sprache (z. B. Juristensprache) verdrängt wird. Lit.: Köbler, DRG 10; Schiller, K./Lübben, A., Mittelniederdeutsches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1875ff.; Cordes, G., Schriftwesen und Schriftsprache in Goslar, 1934 Mittermaier, Carl Joseph Anton (München 5. 8. 1787-Heidelberg 28. 8. 1867) wird nach dem Rechtsstudium in Landshut, München und Heidelberg (Thibaut, Heise) 1807 Sekretär -> Feuerbachs, 1811 ordentlicher Professor in Landshut, 1819 in Bonn und 1821 in Heidelberg. Er setzt sich unter Verwendung der Rechtsvergleichung erfolgreich für ein modernes liberales Strafverfahrensrecht ein (Anklagegrundsatz, Staatsanwaltschaft, freie Beweiswürdigung). Er führt das Strafrechtslehrbuch Feuerbachs fort, schult Binding und veröffentlicht zwischen 1809 und 1867 867 größere und kleinere Werke (bis 1988 zehn zusätzliche postume Veröffentlichungen) Seine Bibliothek umfasst 8019 Bände und rund 6000 Dissertationen und Broschüren (270 Laufmeter). Lit.: Köbler, DRG 205; Stegemeier, L., Die Bedeutung Karl Joseph Anton Mittermaiers, Diss. jur. Göttingen 1945/8; Jammers, A., Die Bibliothek des Heidelberger Juristen Karl Joseph Anton Mittermaier, Bibliothek und Wissenschaft 3 (1966), 156; Neh, S., Die posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Carl Joseph Anton Mittermaier, hg. v. Küper, W., 1988; Hettinger, M., Carl Josph Anton Mittermaier (1787-1867), ZRG GA 107 (1990), 433; Neh, S., Die posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Malsack, B., Die Stellung der Verteidigung, 1992; Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier ­ Rudolf von Gneist, hg. v. Hahn, E., 2000; Briefe von Mitgliedern der badischen Gesetzgebungskommission an Karl Josef Anton Mittermaier, hg. v. Mussgnug, D., 2002; Bibliographie der Werke Karl Josef Anton Mittermaiers, bearb. v. Nuzzo, L., 2004; Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier Robert von Mohl, hg. v. Mußgnug, D., 2004; Briefe deutscher Strafrechtler an Karl Kosef Anton Mittermaier, hg. v. Jelowik, L., 2005; Riemer, L., Das Netzwerk der ,,Gefängnisfreunde", 2005 Mitverschulden ist die Außerachtlassung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten durch den Beschädigten, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Bei konkurrierendem Verschulden entfällt im gemeinen Recht seit dem Spätmittelalter die Ersatzpflicht völlig (-> Kulpakompensation), während es nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) auf das Maß der jeweiligen Verursachung ankommt. Lit.: Köbler, DRG 214; Aumann, Das mitwirkende Verschulden, 1964; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2 (1969), 187 Mobiliarsachenrecht (Recht der beweglichen Sachen) Lit.: Schubert, W., Die Diskussion über eine Reform des Rechts der Mobiliarsicherheiten in der späten Kaiserzeit und in der Weimarer Zeit, ZRG GA 107 (1990), 132 Modena wird auf römischer Grundlage Grafensitz und seit dem 12. Jh. Stadtkommune, 1452 unter der Herrschaft der Este Herzogtum. Um 1180 lehrt in M. -> Pillius, im 13. Jh. andere bekannte Juristen. 1682 erhält es eine Universität. 1859 fällt es von Österreich-Este an Italien. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,178, 3,1,291, 3,2,2362, 3,3,3230; Mor, C./Di Pietro, P., Storia dell'universit di Modena, 1975; Santini, G., Lo stato estense tra riforme e rivoluzione, 1983; Storia illustrata, hg. v. Golinelli, P. u. a., 1990; Rölker, R., Adel und Kommune in Modena, 1994; Faber, H., Modena ­ Austria, 1996; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Modestin (Modestinus), Herennius (1. H. 3. Jh.), Schüler des Ulpianus, ist der letzte spätklassische römische Jurist. Ihm misst das Zitiergesetz von 426 besondere Bedeutung zu. Zu seinen Werken zählen 10 Bücher (lat. [F.Pl.]) Regulae, Regeln, 12 Bücher (lat. [F.Pl.]) Pandectae, Pandekten, 9 Bücher (lat. [F.Pl.]) Differentiae, Unterschiede, 19 Bücher Gutachten (lat. [N.Pl.] responsa) sowie ver- schiedene kleinere Abhandlungen. Lit.: Söllner §§ 16, 19; Köbler, DRG 30, 52; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; 498 Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 259 modius (lat. [M.]) Scheffel modus (lat. [M.]) Maß, Weise (z. B. modus acquirendi, Erwerbsart wie [lat.] -> traditio). Lit.: Kaser § 20; Köbler, DRG 163; Hofmann, F., Die Lehre vom titulus und modus acquirendi, 1873 Mohammed (Abul Kasim Muhammad Ibn Abd Allah, Mekka um 569-Medina 8. 6. 632) ist der aus führender Familie (Haschimiden) stammende Stifter des -> Islam (20. 9. 622 Hedschra von Mekka nach Medina), der seine Offenbarungserlebnisse im Koran niederschreibt. Lit.: Köbler, DRG 76; Watt, W., Muhammad at Medina, 1956; Lüling, G., Die Wiederentdeckung des Propheten Mohammed, 1981; Mohammed in Europa, hg. v. Gabrieli, F., 1997; Bobzin, H., Mohammed, 2000; Lings, M., Muhammad, 2000; Hotz, S., Mohammed und seine Lehre in der Darstellung abendländischer Autoren vom späten 11. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, 2002 Mohl, Robert von (Stuttgart 17. 8. 1799-Berlin 5. 11. 1875), Konsistorialpräsidentensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Heidelberg (Thibaut, Zachariae) 1824 außerordentlicher Professor für Staatsrecht in Tübingen, 1827 ordentlicher Professor in der staatswirtschaftlichen Fakultät, 1847 Professor in Heidelberg. Seine von klarer Syste- matisierung, Einbeziehung der Rechtswirklich- keit und rechtsstaatlichem Grundverständnis geprägten Hauptwerke sind das Staatsrecht des Königreichs Württemberg (1829ff.) und die Polizeiwissenschaft nach den Grundsätzen des Rechtsstaates (1832ff.), in denen Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht trotz Trennung aufeinander bezogen werden. 1846 verlangt er die Regierungsbildung durch die Mehrheit der Volksvertretung. Lit.: Köbler, DRG 193; Angermann, E., Richard von Mohl 1799-1875, 1962; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2 1992, 172; Schroeder, K., Robert von Mohl, NJW 1998, 1518; Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier Robert von Mohl, hg. v. Mußgnug, D., 2004 Moldawien (Moldau) ist ein schon mittelalterliches osteuropäisches Fürstentum längs des Flusses Pruth, das 1359 von Ungarn unabhängig wird, 1504 die Osmanen (Türkei) als Schutzherren anerkennen muss (1817 Zivilgesetzbuch unter dem Einfluss Franz von Zeillers) und 1862 zusammen mit der Walachei -> Rumänien bildet bzw. 1918 von Russland, das seit 1814 Deutsche ansiedelt (1940/1942 umgesiedelt, 1945 geflüchtet), an Rumänien kommt. Die aus der von der Sowjetunion im ukrainischen Transnistrien gebildeten Autonomen Moldauischen Sowjetrepublik und dem größten Teil Bessarabiens 1945 gebildete Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik verselbständigt sich mit der Auflösung der Sowjetunion 1991. Lit.: Mantzuphas (Mantzoufas), G., He hermeneia Zeiller, 1955; Mantzuphas (Mantzoufas), G., Die Gründe für die absichtliche Verschweigung der österreichischen Vorlagen des moldauischen Codex Civilis vom Jahre 1817, ZRG GA 82 (1965), 326; Völkl, E., Das rumänische Fürstentum Moldawien, 1975; Spinel, V., Moldavia, 1986; Galizien, Bukowina, Moldau, hg. v. Glassl, H., 1994; Röskau-Rydel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; King, C., The Moldovans, 2000 Molina, Luis de (1535-1600) wird nach kurzem Studium des Rechts in Salamanca und dem Studium der Logik, Philosophie und Theologie Theologe und Naturrechtler in Evora, Coimbra, Lissabon, Madrid, Cuenca und Madrid. Sein juristisches Hauptwerk (De iustitia et de iure, 1593ff., Von Gerechtigkeit und Recht) stellt das (ortsverschiedene und zeitverschiedene) Naturrecht (göttliche Recht) und das (das [lat.] ius gentium, Völkerrecht, einschließende) positive Recht (römisches, kirchliches, katholisches Recht) dar. Lit.: Weber, W., Wirtschaftsethik am Vorabend des Liberalismus, 1959, 69; Krause, O., Naturrechtler des 16. Jahrhunderts, 1982, 48 Molinaeus -> Du Moulin Molsheim im Elsass ist von 1618 bis 1701 Sitz einer Universität. Mommsen, Theodor (Garding 30. 11. 1817- Charlottenburg 1. 11. 1903, Vater Pfarrer) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel (Falck, Kierulff) 1843 Lehrer, Auslandsaufenthalt in Frankreich und Italien, 1848 Journalist, 1848 außerordentlicher Professor des römischen Rechts in Leipzig (1850 wegen seiner Beteiligung an der Maierhebung 1849 entlassen), 1852 Professor in Zürich, 1854 Breslau und 1861 Professor für alte Geschichte in Berlin. Sein berühmtestes Werk ist seine römische Geschichte (Bd. 1ff. 1854ff., 1902 Literaturnobelpreis). In der Rechtswissenschaft 499 hat er sich durch sein römisches Staatsrecht (Bd. 1ff. 1871, Neudruck 1955, 1963), sein römisches Strafrecht (1899, Neudruck 1955, 1961) und seine grundlegende Neuausgabe der Digesten und anderer Quellen (Codex Theodosianus usw.) herausragende Verdienste erworben. Lit.: Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 193; Hartmann, L., Theodor Mommsen, 1908; Heuß, T., Theodor Mommsen und das 19. Jahrhundert, 1956, Neudruck 1996; Wucher, A., Theodor Mommsen, 2. A. 1968; Theodor Mommsen, Römische Kaisergeschichte, hg. v. Demandt, B. u. a., 1992; Behne, F., Heinrich Siber und das römische Staatsrecht von Theodor Mommsen, Diss. jur. Göttingen 1998; Rebenich, S., Theodor Mommsen, 2002; Mommsen, T., Römische Geschichte und römisches Recht, hg. v. Damken, M., 2002 (CD-ROM) mompar (mhd.) Vormund Mömpelgard (Montbéliard) ist die westlich von Basel gelegene reichsunmittelbare Grafschaft des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation), die im 18. Jh. von Frankreich annektiert wird. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kläui, P., Hochmittelalterliche Adelsherrschaft im Zürichgau, 1960; Johann Mosers mömpelgardisches Staatsrecht, hg. v. Stein, W., 1983 Monarchie ist die Staatsform, bei der ein einzelner Mensch als Träger der Staatsgewalt an der Spitze des Staates steht. Sie ist bereits bei Aristoteles neben Aristokratie und Demokratie als eine Staatsform bezeugt. Seit dem Hochmittelalter kann die M. ständisch beschränkt werden. Seit 1688 entwickelt sich in England die konstitutionelle Monarchie. Ihr folgt am Ende des 19. Jh.s die parlamentarische M. (England 1834/1835, Deutscher Bund theoretisch ab 1840, Dänemark 1907, Deutsches Reich 28. 10. 1918). Am Ende des ersten Weltkrieges werden verschiedene europäische Monarchien in Republiken verwandelt. Lit.: Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 133; Martitz, F. v., Die Monarchie als Staatsform, 1903; Löwenstein, K., Die Monarchie im modernen Staat, 1952; Benedikt, H., Die Monarchie des Hauses Österreich, 1968; Kammler, H., Die Feudalmonarchien, ZRG GA 93 (1976), 367; Aretin, K. Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Giesey, R., Le roi ne meurt jamais, 1987; Dreitzel, H., Monarchiebegriffe in der Fürstengesellschaft, 1991; European Monarchy, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1992; Wienfort, M., Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft, 1993; Kirsch, K., Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999 Monarchisches Prinzip ist das den Monarchen als alleinigen Träger der Staatsgewalt betrachtende Prinzip, das von der Wiener Schlussakte des Deutschen Bundes 1820 zum Verfassungsgrundsatz erhoben wird. Es entsteht um 1800 (1804/1806) als Schlagwort. In einer Rezension in den Göttinger gelehrten Anzeigen vom 21. 9. 1837 entzieht Wilhelm Albrecht, indem er den Monarchen als Organ der juristischen Person Staat einordnet, dem monarchischen Prinzip erstmals die Legitima- tionsgrundlage. Seit 1848 wird das monarchi- sche Prinzip zurückgedrängt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 192; Kaufmann, E., Studien zur Staatslehre des monarchischen Prinzips, 1906; Hoffmann, P., Monarchisches Prinzip und Ministerverantwortlichkeit, 1911; Meisner, H., Die Lehre vom monarchischen Prinzip, 1913; Göcken, G., Friedrich von Gentz, Diss. jur. Bonn 1962; Die Entstehung des modernen Staates, hg. v. Hofmann, H., 1967, 115; Frotscher, W., Monarchisches Prinzip kontra liberale Verfassungspositionen, JuS 2000, 943 Monarchomache (M.) Königsbekämpfer (2. H. 16. Jh.) Lit.: Stricker, G., Das politische Denken der Monarchomachen, Diss. phil. Heidelberg 1967 Mönch ist der Angehörige einer religiösen Gemeinschaft. Das Mönchtum innerhalb des Christentums erscheint schon im Altertum. Es verbreitet sich rasch in Ägypten, Palästina und Syrien und dringt seit etwa 370 n. Chr. auch im Westen ein. Der erste bedeutsame Orden sind die Benediktiner Benedikts von Nursia. Lit.: Herwegen, I., Das pactum des hl. Fruktuosus von Braga, 1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Laske, W., Das Problem der Mönchung in der Völkerwanderungszeit, 1973; Prinz, F., Frühes Mönchtum im Frankenreich, 2. A. 1988; Semmler, J., Mönche und Kanoniker im Frankenreich, 1980; Penco, G., Medioevo monastico, 1988; Monks, Nuns, and Friars, hg. v. King, E. u. a., 1990; Frank, K., Geschichte des christlichen Mönchtums, 5. A. 1993; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 3. A. 1998; Mönchtum, Kirche, Herrschaft 750-1000, 1998; Füser, T., Mönche im Konflikt, 2000 Mönchengladbach Lit.: Brasse, E., Geschichte der Stadt und Abtei Gladbach, Bd. 1ff. 1914ff. 500 Mongole ist der Angehörige eines zunächst am oberen Amur nomadisierenden, unter Dschingis Khan (1155-1227) weit nach Westen (Russland 1223, Schlacht bei Liegnitz 1241) und Süden (China 1211ff.) ausgreifenden Volkes, dessen Großreich 1260 (u. a. Niederlage in Palästina) zerfällt. Lit.: Die Mongolen in Asien und Europa, hg. v. Conermann, S./Kusber, J., 1997; Weiers, M., Geschichte der Mongolen, 2004 Monopol ist die Marktform, bei der Angebot (Angebotsmonopol) oder Nachfrage (Nachfragemonopol) in einer Person vereinigt sind. Das M. wird in der frühen Neuzeit zum Rechtsproblem, mit dem sich die Gesetzgebung des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) befasst. Der Liberalismus wendet sich gegen das M. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 150; Höffner, J., Wirtschaftsethik und Monopole, 2. A. 1969; Mertens, B., Im Kampf gegen die Monopole, 1996 Montanunion ist die 1951/2 von Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg begründete Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, in der eine besondere Form der -> Mitbestimmung gilt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Gillingham, J., Coal, Steel and the Rebirth of Europe, 1991; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996 Montenegro (Name seit dem 16. Jh. gebräuchlich) ist das unzugängliche Gebirgsland östlich der mittleren Adria, das seit dem 13./14. Jh. als Einheit erscheint, bis es 1528 an die Osmanen (Türkei) fällt. Hier wird es unter einem Metropoliten verhältnismäßig selbständig. 1798 erhält es ein Staatsgesetz. 1852 wird es weltliches Fürstentum. 1878 wird M. unabhängig (Allgemeines Vermögensge- setzbuch von Montenegro 1888), 1910 Königreich. 1918 schließt es sich Jugoslawien an, bei dem es nach 1990 unter stärkererer Autonomie verbleibt. Lit.: Istorija Crne Gore, Bd. 1f. 1967ff.; Petit, C., The Code and the goats, ZNR 1998, 212 Montesquieu, Charles de Secondat Baron de la Brde et de (La Brde 18. 1. 1689-Paris 10. 2. 1755) wird nach dem Rechtsstudium in Bordeaux 1714 Rat und 1726 Parlamentspräsident. Seit 1721 kritisiert er in den anonymen persischen Briefen (Lettres persanes) die politischen und gesellschaftlichen Zustände Frankreichs. 1748 entwickelt er in seinem anonym veröffentlichten Hauptwerk De l'esprit des lois (Vom Geist der Gesetze) zum Schutz der persönlichen Freiheit des Einzelnen gegen ein Gewaltmonopol auf Grund des englischen Vorbildes die Lehre von der Dreiteilung der Staatsgewalt (-> Gewalten- teilung) in Ausführung (Exekutive), Gesetzgebung (Legislative) und Rechtspre- chung (Judikative). Das an die Zustimmung des Volkes gebundene und damit Willkür ausschließende Gesetz soll der Gerechtigkeit entsprechen, vom gesamten jeweiligen Volk verstanden werden, für alle einheitlich sein und den gesamten Stoff umfassen (Kodifikation). Weil Religion, Sitten und Geschichte des jeweiligen Volkes sowie Lage und Klima des besonderen Landes zu beachten seien, lehnt M. ein absolutes, überall in gleicher Weise geltendes -> Naturrecht ab. Lit.: Köbler, DRG 139, 146, 190, 199; Shackleton, R., Montesquieu, 1961; Montesquieu, C., Vom Geist der Gesetze, hg. v. Forsthoff, E., 2. A. 1992; Desgraves, L., Montesquieu, 1986; Gewaltentrennung im Rechtsstaat, hg. v. Merten, D., 1989; Schlosser, H., Montesquieu, 1990; Herdmann, F., Montesquieurezeption in Deutschland, 1990; Goyard-Fabre, S., Montesquieu, 1993; Kondylis, P., Montesquieu und der Geist der Gesetze, 1996; Desgraves, L., Montesquieu, 1996; Mass, E., Der Einfluss Montesquieus, in: Wandel von Recht und Rechtsbewusstsein, 1999, 107; Cattaneo, M., Montesquieus Strafrechtsliberalismus, 2002 Montgelas, Maximilian Joseph Freiherr von (München 12. 5. 1759-14. 6. 1838), Generalssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg Hofrat in München, 1799 Außenminister in Bayern. Er gestaltet eine moderne, einheitliche und zentralisierte Verwaltung nach dem Vorbild Frankreichs in Bayern. In der Konstitution von 1808 beseitigt er die ständischen Vorrechte. Lit.: Weis, E., Montgelas, 1971 Montpellier in Südfrankreich ist seit etwa 1170 Ort rechtlicher Lehrveranstaltungen (-> Placentinus), seit dem 13. Jh. Sitz einer Universität, später dreier Universitäten. Lit.: Köbler, DRG 100; Wieacker, F., Privatrechts- geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Gouron, A., La science du droit dans le midi, 1984; Histoire de Montpellier, hg. v. Cholvy, G., 1984; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 501 Monumenta (N.Pl.) Germaniae Historica (lat.) (1819 von Freiherr Karl vom Stein ins Leben gerufene Veröffentlichungsreihe der bedeutendsten älteren) deutsche(n) Geschichtsquellen Lit.: Köbler, DRG 6; Breßlau, H., Geschichte der Monumenta Germaniae historica, 1921; Grundmann, H., Monumenta Germaniae Historica, 1969 Monzambano, Severinus de (Pseudonym -> Pufendorfs 1667) Moorleiche ist die im Moor aufgefundene Leiche. Sie kommt als rechtsgeschichtliche Erkenntnisquelle in Betracht (-> Sittlichkeits- verbrechen). Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden infolge des Übergangs von der händischen Torfgewinnung zum Einsatz von Maschinen Moorleichen kaum mehr gefunden. Lit.: Pappenheim, M., Moorleichen, ZRG GA 22 (1901), 354; Eckhardt, K., Ein neuer Moorleichenfund, ZRG GA 60 (1940), 252; Dieck, A., Die europäische Moorleichenfunde, 1965 Moosburg Lit.: Hiereth, S., Mossburg 1950; Hiereth, S., Moosburg, 1986 mora (lat. [F.]) Verzug Lit.: Kaser §§ 37 III 1, 51 I 4; Köbler, DRG 44 Moral (F.) Gesamtheit der Sitten Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 863; Rohls, J., Geschichte der Ethik, 1991; Baurmann, M., Der Markt der Tugend, 1996 Morastein ist der südöstlich von Uppsala gelegene Ort (Steinring) der Erhebung der mittelalterlichen Könige in Schweden. Lit.: Holmgren, G., Gamla Uppsala och Mora äng, 1937; Hoffmann, E., Königserhebung und Thronfolgeordnung, 1976 Moratorium (N.) Zahlungsaufschub Lit.: Kaser § 53; Oberndorff, L. Graf v., Das vom Landesherrn oder von Staatswegen erteilte Moratorium, Diss. jur. Greifswald 1905; Eberle, H., Die Begründung des Moratoriums, Diss. jur. Jena 1937 Mord ist die Tat des Mörders. Der M. ist ein Fall qualifizierter Tötung eines anderen Menschen. Im Frühmittelalter und vermutlich auch in germanischer Zeit ist M. die beispielsweise durch Zudecken verheimlichte Tötung. Seit dem Spätmittelalter ist M. die vorbedachte, in bestimmter Weise besonders qualifizierte Tötung. Lit.: Söllner §§ 8, 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 119, 158; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 76, Neudruck 1964, Bd. 2 1935, 90; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973; Der Mord der Juden, hg. v. Jäckel-Rohwer, 1985; Thomas, S., Geschichte des Mordparagraphen, 1985; Gschwend, L., Der Studentenmord von Zürich, 2002; Reuber, I., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002; Wittke, M., Mord und Totschlag? 2002; Nolde, D., Gattenmord, 2003 Mordbrand ist die heimlich verübte -> Brandstiftung, als deren Strafe im Sachsenspiegel (1221-1224) das Rädern erscheint. Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964 More geometrico (lat.) auf geometrische Art (z. B. durch Pufendorf [1672] erfolgende Rechtswissenschaft) -> mos geometricus Lit.: Köbler, DRG 146 Mores (lat. [M.Pl.], Sg. mos) sind im römischen Recht die (hergebrachten) Sitten (der Väter [lat. maiorum]). Sie beeinflussen vor allem das altrömische Recht. Lit.: Söllner § 6; Köbler, DRG 17, 51; Kaser, M., Mores maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA 59 (1939), 52 Morganatisch ist eine von der -> Morgengabe abgeleitete Bezeichnung. Die morganatische Ehe (Ehe zur linken Hand) ist eine zuerst im spätmittelalterlich-oberitalienischen Recht (Mailand) bezeugte, bis 1875/1918 (für den Adel) zulässige Form der -> Ehe. Zwischen Mann und Frau tritt keine Rechtsgemeinschaft ein. Die Kinder werden, obwohl der Vater die väterliche Gewalt über sie hat, nur der Mutter zugerechnet. Lit.: Geschichte morganatischer und legitimierter Fürsten- und Grafenehen in Deutschland, 1874; Weyhe- Eimke, A. v., Die rechtmäßigen Ehen des hohen Adels, 1895; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Morgengabe ist spätestens seit dem Früh- mittelalter eine Gabe (meist) des Mannes an die Frau nach der Hochzeitsnacht. Sie wird vom Mann verwaltet. Das an der M. entwickelte besondere Erbrecht schwindet zuerst in den Städten des hohen Mittelalters. Lit.: Hübner 665; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 88, 123; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechtes in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff.; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973, 45, 124 Morgensprache (F.) eine Zunftversammlung mors (F.) civilis (lat.) -> bürgerlicher Tod 502 Lit.: Borgmann, B., Mors civilis 1969 ; Borgmann, B., Mors civilis, Ius commune 4 (1972), 81 Mortgage ist im mittelalterlichen französischen Recht das zur Fruchtziehung am Pfandgrundstück berechtigende Pfandrecht. Lit.: Hübner 405; Viollet, P., Droit privé, 1905, 784 mortuarium (lat. [N.]) Sterbefallabgabe Mortuus redhibetur (lat.). Der Tote wird zurückgewährt (gemeint ist der zufällig untergegangene Sachgegenstand eines Aus- tauschgeschäftes). Lit.: Caemmerer, E. v., Mortuus redhibetur, FS K. Larenz, 1973, 621; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Ulpian, um 170-223, Digesten 21, 1, 31 § 11) Morus (More), Thomas Sir (London 7. 2. 1478-6. 7. 1535), Juristensohn, wird nach dem Studium der alten Sprachen und des Rechts in London 1501 Rechtsanwalt, 1504 Parlamentarier im Unterhaus, 1510 undersheriff und 1529 als erster Laie Lordkanzler. Befreundet mit Erasmus von Rotterdam verfasst er, beeinflusst von der Entdeckung Amerikas, 1516 eine zeitkritische Beschreibung eines idealen Staates (Utopia, Nirgendland). Weil er nach der Scheidung Heinrichs VIII. von Katharina von Aragon und der daraufhin erfolgenden Trennung Englands von der katholischen Kirche einen Eid auf den anglikanischen König Heinrich VIII. verwei- gert, wird er 1535 wegen Hochverrats hingerichtet. Lit.: Chambers, R., Thomas More, 1935; Guy, J., Sir Thomas Morus, 1979; Trapp, J., Erasmus, Colet and More, 1991; Ackroyd, P., The Life of Thomas More, 1999 mos (lat. [M.]) Sitte -> mores (M. Pl.) Lit.: Gehrke, H., Römischer mos und griechische Ethik, HZ 258 (1994), 593; Mos maiorum hg. v. Linke, B. u. a., 2000 mosaisches Recht -> biblisches Recht, jüdi- sches Recht Lit.: Smend, R., Mose als geschichtliche Gestalt, HZ 260 (1995, 1 Mosbach (976 Reichsabtei, um 1241 Siedlung im Reichssteuerverzeichnis) Lit.: Mosbacher Urkundenbuch, bearb. v. Krimm, K., 1986 Moser (von Filseck und Weilerberg), Johann Jakob (Stuttgart 18. 1. 1701-30. 9. 1785), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen außerordentlicher Professor in Tübingen (1720-1721), dann freier Berater, 1726 Regierungsrat, 1727 Titularprofessor in Tübingen, 1734 Regierungsmitglied, 1736 Universitätsdirektor in Frankfurt an der Oder, 1739 Privatgelehrter, 1745 Berater, 1745 geheimer Rat, 1749 Akademiegründer, 1751 Landschaftskonsulent, 1759 verhaftet und nach 1764 wieder Privatgelehrter. In 500 bis 600 Bänden sammelt er hauptsächlich staatsrechtliches Material (Teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1737ff., Neues teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1766ff.), wobei er die Geschichte als objektive Hilfswissenschaft für das Staatsrecht versteht. Das Völkerrecht gewinnt er vor allem aus Vertrag und Herkommen. Lit.: Moser, J., Grundriss der heutigen Staatsverfassung des teutschen Reiches, 7. A. 1754, Neudruck 2001; Moser, J., Lebensgeschichte Johann Jacob Mosers, 1768; Schmid, A., Das Leben Johann Jacob Mosers, 1868; Wächter, O., Johann Jacob Moser, 1885; Schulze, H., Johann Jacob Moser, 1869; Leschhorn, A., Johann Jakob Moser und die Eidgenossenschaft, 1965; Rürup, R., Johann Jacob Moser, 1965; Schömbs, E., Das Staatsrecht Johann Jacob Mosers, 1968; Johann Mosers mömpelgardisches Staatsrecht, hg. v. Stein, W., 1983; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 258 Möser, Justus (Osnabrück 14. 12. 1720-8. 1. 1794), Kanzleidirektorssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena und Göttingen Sekretär (1741), Rechtsanwalt (1744), Syndikus (1756), Justitiar (1762) und 1764 Konsulent im Osnabrückischen. Er wirkt in vielfältiger Weise als aufgeklärter konservativer Schriftsteller. Sein Hauptwerk sind seine patriotischen Phantasien (Bd. 1ff. 1774ff.). Lit.: Hatzig, O., Justus Möser, 1909; Brünauer, U., Justus Möser, 1933; Klassen, P., Justus Möser, 1936; Maußer, E., Das Rechtsdenken Justus Mösers, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1942; Möser, J., Sämtliche Werke, Bd. 1ff. 1943ff.; Fiebig, B., Justus Mösers Staatslehre, Diss. jur. Köln 1953; Sheldon, W., The intellectual development of Justus Möser, 1970; Schmidt, P., Studien über Justus Möser als Historiker, 1975; Schmelzeisen, G., Justus Mösers Aktientheorie, ZRG GA 97 (1980), 254; Schröder, J., Justus Möser als Jurist, 1986; Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995; Welker, K., Rechtsgeschichte als Rechtspolitik, 1996; Möser- Bibliographie 1730-1990, hg. v. Woesler, W., 1997; Möser, J., Politische und juristische Schriften, hg. v. 503 Welker, K., 2001; Oestmann, P., Wahre deutsche Denkungsart, ZRG GA 121 (2004), 283; Domack, O., Vorarbeit für eine historisch-kritische Ausgabe der Patriotischen Phantasien von Justus Möser, 2004 Mos (M.) Gallicus (lat.) (Tanner 1556 Gallica ratio) ist die zu Beginn des 16. Jh.s entstehende gallische (französische) Art der Rechts- wissenschaft, welche die römischen Quellen stärker humanistisch (sprachwissenschaftlich- geschichtlich) betrachtet und die einzelnen Stellen textkritisch untersucht (bessere Interpretation besserer Texte). Die bekanntesten Vertreter des m. G. sind -> Alciatus (1492-1550), -> Budaeus (1467-1540), -> Cuiacius (1522-1590), -> Donellus (1527- 1591), Dionysius -> Gothofredus (1549-1622) und Jacobus Gothofredus (1587-1652) sowie nach Vertreibung der führenden französischen, calvinistisch-hugenottischen Juristen (1562- 1598) spätere niederländische Juristen (elegante Jurisprudenz). Bedeutung gewinnt dabei allmählich auch die Ermittlung allgemeiner Grundsätze und deren Verbindung zu einem systematischen Ganzen. Lit.: Köbler, DRG 143; Astuti, G., Mos italicus e mos gallicus, 1937; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967 Mos (M.) geometricus (lat.) ist die geometrische oder mathematische Art der Darstellung und Beweisführung in Wissenschaftsfächern der frühen Neuzeit (Simon Grynaeus 1533). In der Rechtswissenschaft sprechen zuerst Budaeus 1557 und Valentin Forster (1613) diese Frage ansatzweise an. Eine umfassende Darstellung des Naturrechts -> more geometrico erfolgt aber erst durch -> Pufendorf (1672). Dem folgen -> Leibniz und vor allem Christian -> Wolff in leicht eingängiger Darstellungsform. Mit Wolff endet der m. g. ziemlich unvermittelt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Röd, W., Geometrischer Geist und Naturrecht, 1970; Stupp, H., Mos geometricus, Diss. jur. Köln 1970; Otte, G., Der sog. mos geometricus, Quaderni Fiorentini 9 (1979), 179 Mos (M.) Italicus (lat.) (Mopha 1541) ist die aus dem Mittelalter überkommene italienische Art der Rechtswissenschaft. Darunter ist die juristische Ausprägung des scholastischen Unterrichtssystems und des damit verbundenen wissenschaftlichen Begründungssystems und Erkenntnissystems zu verstehen. In ihrem Mit- telpunkt stehen Worterklärungen, Herstellung logischer und systematischer Zusammenhänge in kleineren Bereichen, Zusammenstellungen von Parallelstellen aus allen Teilen des römischen (lat.) corpus (N.) iuris civilis, Bildung von Parallelfällen, Auflösung von Widersprüchen und Sammlung von Argu- menten für die dem Text entnommene Lösung. Der m. I. wird seit Beginn des 16. Jh.s vom -> mos Gallicus abgelöst. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Astuti, G., Mos italicus e mos gallicus, 1937; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Carpintero, F., Mos italicus, Ius commune 6 (1977), 108 Moskau an der Moskwa erscheint 1147 als Landsitz und 1156 als eine mit einem Zaun befestigte Stadt. Nach ihrer Zerstörung durch die Mongolen (1237) wird sie 1263 Sitz eines Teilfürstentums, 1326 Sitz des Metropoliten von Russland und wenig später Vorort des Großfürstentums Moskau. 1755 erhält sie eine Universität. Lit.: Luppi, A./Biagi, E., Moskau, 1981; Crummey, R., The Formation of Muscovy, 1987 Motivirrtum ist der unbeachtliche -> Irrtum über den Beweggrund für eine Willenserklärung. Lit.: Kroeschell, DRG 3 Mozaraber ist der unter der Herrschaft der -> Araber auf der iberischen Halbinsel lebende Christ. Mpalés, Geórgios (1879-1957) wird nach dem Rechtsstudium in Athen und Berlin 1925 Professor für Zivilrecht in Athen. Er beeinflusst das griechische Zivilgesetzbuch von 1940 maßgeblich und verfasst die führende Kommentierung. Lit.: Kallias, K., Geórgios Mpalés, 1960 Msida auf Malta erhält 1572 bzw. 1769 eine Universität. Mucius Scaevola, Quintus (um 140-82 v. Chr.), Juristensohn, Konsul 95 v. Chr., ist ein bedeutsamer Vertreter der vorklassischen römischen Rechtswissenschaft. Sein Haupt- werk sind 18 Bücher (lat.) De iure civili (Vom römischen Recht), in denen er das Recht der römischen Bürger systematisch zusammenfasst. 504 Auf ihn zurückgeführt werden die (lat.) -> cautio (F.) Muciana, die eine unter der Bedingung, etwas Bestimmtes nicht zu tun, ausgesetzte Zuwendung absichern soll, und die (lat.) -> praesumptio (F.) Muciana, nach der bis zum Beweis des Gegenteils alles Vermögen einer Ehefrau als vom Mann herrührend gilt. Auf M. S. greift vor allem -> Sabinus wieder zurück. Lit.: Köbler, DRG 29; Behrends, O., Die Wissenschaftslehre im System des Quintus Mucius Scaevola pontifex, 1976; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 597 Mühldorf Lit.: Stahleder, H., Mühldorf, 1976 Mühle ist die Vorrichtung zum mechanischen Zerkleinern von Gegenständen, vor allem von Pflanzenteilen (Getreidekörnern). Die technisch der einfachen Handmühle überlegene Wassermühle ist bereits dem römischen Alter- tum bekannt und gelangt von dort nach Germanien. Seit dem 12. Jh. wird die ursprüngliche Freiheit der Errichtung einer M. von einem landesherrlichen Mühlenregal überlagert. Dementsprechend entstehen in der frühen Neuzeit besondere Mühlenordnungen (z. B. Hessen 1615). Die M. genießt eigenen Friedensschutz. Das Gewerbe des Müllers gilt seit dem Spätmittelalter vielfach als unehrlich. Lit.: Koehne, C., Das Recht der Mühlen, 1904; Koehne, C., Mühlenbann und Burgenbau, ZRG GA 28 (1907), 63; Schulte, E., Das Gewerberecht, 1909; Kisch, G., Das Mühlenregal im Deutschordensgebiete, ZRG GA 48 (1928), 176; Wiemann, H., Beiträge zur Geschichte des Mühlenrechts, ZRG GA 66 (1948), 477; Moldenhauer, R., Mühlen und Mühlenrecht in Mecklenburg, ZRG GA 79 (1962), 195; Kohl, W., Recht und Geschichte der alten Münchner Mühlen, 1969; Kropaè, I., Mühlen und Mühlenrecht in der Steiermark, 1981; Holt, R., The Mills of Medieval England, 1988; Stürmer, S., Mühlenrecht im Herzogtum Zweibrücken, 1998 Mühlhäuser Reichsrechtsbuch ist das um 1225 (1224-30) in Mühlhausen im Eichsfeld von einem unbekannten Verfasser in mitteldeutscher Sprache hergestellte, in 3 Handschriften überlieferte Stadtrechtsbuch mit zahlreichen fränkischen Rechtssätzen. Es bezieht auch Landrecht ein und erfasst unterschiedliche Sachgebiete (Delikte, Verfah- ren, Gewere, Gericht, Schaden). Es wird in Nordhausen und teilweise in Eschwege (nach 1344) aufgenommen. Daneben sind seit 1311 Statuten aufgezeichnet. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch, hg. v. Meyer, H., 1923, 2. A. 1934, 3. A. 1936, Neudruck 1969; Adenauer, G., Das Ehe- und Familienrecht im Mühlhauser Reichsrechtsbuch, Diss. jur. Bonn 1963; Günther, G./Korf, W., Mühlhausen, 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lau, T., Bürgerunruhen und Bürgerprozesse, 1999; Die Statuten der Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen, bearb. v. Weber, W., 2003 Mülhausen im -> Elsass ist ein 803 erstmals erwähnter Ort, der nach 1221 -> Reichsstadt wird. Seit 1515 ist es zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der -> Schweiz. 1798 schließt es sich Frankreich an. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,454; Oberlé, R./Livet, G., Histoire de Mulhouse, 1977 Mulefe Lit.: Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291 Mulier taceat in ecclesia (lat.). Die Frau schweige in der Kirche. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Apostel Paulus, 64 n. Chr., 1. Korinther 14,34) Müll ist der trockene Abfall, dessen Beseitigung seit dem 19. Jh. ein allgemeines Verwaltungsproblem wird. Lit.: Kroeschell, DRG 3 Müller-Arnold-Prozess ist der Prozess des Wassermüllers Christian Arnold im Kreis Züllichau, der 1774 gegen seinen Erbverpächter auf Erlass der Mühlenpacht wegen Schwächung des Zuflusses durch einen Oberlieger klagt und 1778 die Mühle durch Versteigerung verliert. Am 11. 12. 1779 bzw. 1. 1. 1780 greift König Friedrich der Große von Preußen selbst in die Angelegenheit ein, lässt Räte des 1779 tätigen Justizkollegiums verhaften, verurteilt sechs zu Festung und weist den Müller und seine Frau wieder in die Mühle ein. Sein Nachfolger entschädigt die Räte, belässt aber die Mühle dem Müller. Der königliche Machtspruch wird nunmehr als Missbrauch der Herrschaftsgewalt verstanden. Im 19. Jh. setzt sich die dadurch beeinträchtigte Unabhängigkeit der Gerichte durch. 505 Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Schmidt, E., Rechtssprüche und Machtsprüche, 1943; Dießelhorst, M., Die Prozesse des Müllers Arnold und das Eingreifen Friedrichs des Großen, 1984 München an der Isar erhält 1157/1158 von Herzog Heinrich dem Löwen einen Markt, wird seit 1255 allmählich Sitz des Herzogtums Oberbayern bzw. Bayern und erlangt 1840 von Landshut die ursprünglich in Ingolstadt eingerichtete Universität. Sein Recht wird 1340 von Ludwig dem Bayern bestätigt. Am 29./30. 9. 1938 wird in München zwischen dem Deutschen Reich, Großbritannien, Italien und Frankreich das Münchener Abkommen geschlossen, das die deutschsprachigen Sudetengebiete der Tschechoslowakei (28643 qkm, 3,63 Mill. Menschen) dem Deutschen Reich zuteilt und dadurch die Kriegsgefahr in Mitteleuropa für kurze Zeit bannt. Im Sommer 1947 gelangt eine gesamtdeutsche Ministerprä- sidentenkonferenz in M. zu keiner Einigung. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, 20. Jh.; Rehme, P., Geschichte des Münchener Grundbuchs, FS Hermann Fitting, 1903; Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs von Bayern, 1911; Denkmäler des Münchner Stadtrechts, hg. v. Dirr, P., Bd. 1f. 1934ff; Reinecke, G., Münchener Privatrecht im Mittelalter, 1936; Bärmann, J., Die Verfassungsgeschichte Münchens im Mittelalter, 1938; Müller-Faßbender, Rolf-Peter, Die Rechtsstellung der städtischen Amtsträger in München, Diss. jur. München 1960; Das Abkommen von München, hg. v. Král, V., 1968; Dölker, W., Das Herbergsrecht in der Münchner Au, 1969; Kohl, W., Recht und Geschichte der alten Münchner Mühlen, 1969; Schattenhofer, M., Das alte Rathaus in München, 1972; Kempter, F., Die Gutachten- und Urteilstätigkeit der Juristenfakultät Ingolstadt - Landshut - München, Diss. jur. Mannheim 1976; Rauschhofer, H., Völkerbund und Münchener Abkommen, 1976; München, hg. v. Prinz, F. u. a., 1988; Maier, L., Stadt und Herrschaft, 1989; Zerback, R., Stadt und Bürgertum in München, 1997; Bauer, R., Geschichte Münchens, 2003 Mund ist der zum Essen, Trinken und Sprechen nötige menschliche Körperteil, der in der Paarformel Mund und Hand für zu- sprechende Wörter steht. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994 Mündel ist der unter Vormundschaft stehende Mensch. Lit.: Hübner Mündelgut ist das Vermögen des -> Mündels. Es wird vom Vormund verwaltet und meist auch genutzt. Nach einem mittelalterlichen Rechtssprichwort soll M. (während der Verwaltung) weder wachsen noch schwinden. Über bewegliche Sachen (Fahrnis) darf der Vormund frei verfügen, über unbewegliche Sachen (Liegenschaften) nur mit Zustimmung des Mündels oder gar nicht. Bei Erreichung der Mündigkeit kann der Mündel ein von ihm oder vom Vormund vorgenommenes Geschäft widerrufen. Seit dem Spätmittelalter wird der Vormund zu einem der Vormundschaftsbehör- de verantwortlichen Vertreter des Mündels, der für und gegen den Mündel rechtsgeschäftlich handeln kann. Zum Ausgleich dafür wird die behördliche Aufsicht verstärkt. Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 62 III 3; Hübner, 729; Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 2 1847; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. mundiburdium -> mundoburdium Mündigkeit ist der Zustand der Eigenverantwortlichkeit. Im altrömischen Recht verschafft der Eintritt der (lat.) pubertas (F.) die volle Geschäftsfähigkeit und Deliktsfähigkeit, bis um 200 v. Chr. eine (lat.) lex (F.) Laetoria die mündigen, noch nicht 25jährigen gegen Übervorteilung zu schützen beginnt. Die M. wird dabei zunächst bei Männern von Fall zu Fall beurteilt, von der Schule der Prokulianer aber mit Vollendung des 14. Lebensjahres anerkannt, bei Frauen schon von Anfang an mit Vollendung des 12. Lebensjahres angenommen. Dem entspricht wohl im Kern auch das germanische Recht. Im Frühmittelalter werden als fester Zeitpunkt der M. die Vollendung des 12. oder 10. oder auch 14. Lebensjahres genannt. Im Laufe des Mittelalters rückt die Zahl auf 18, 20, 21, 24 oder bei Aufnahme des römischen Rechts auf 25 Lebensjahre hinauf. Volle Eigenverant- wortlichkeit erlangen dabei nur die vaterlosen Waisen. Bei den übrigen tritt die M. mit Abschichtung (bzw. Eheschließung) ein. Seit dem Spätmittelalter setzen sich die Altersstufen des römischen Rechts durch. Zwischen sieben und 25 wird der Mensch im Wesentlichen gleich behandelt. Deswegen wird die M. vielfach mit der Volljährigkeit gleichgesetzt und danach von dieser weitgehend verdrängt (anders Ehemündigkeit, Eidesmündigkeit). 506 Lit.: Kaser § 14 II 2, 58 IV 1; Köbler, DRG 88, 120, 160; Distel, T., Zur Mündigkeit in Sachsen a. L. (1537, 1541), ZRG GA 16 (1895), 216; Ebersold, G., Mündigkeit, 1980 mundium (lat.-afrk.) -> munt Mündlichkeit ist die durch Sprechen und Hören im Gegensatz zu Schreiben und Lesen geprägte Kennzeichnung. Deshalb unterliegt das gesamte Recht anfangs der M. Mit der Erfindung und Verallgemeinerung der Schrift wird die M. aber zurückgedrängt. Dabei können nach dem Schwinden der Schriftkultur des Altertums im Frühmittelalter nur wenige Geistliche schreiben. Im 13. Jh. steigt die Schriftlichkeit sprunghaft an. Erst im 19. Jh. wird demgegenüber der Versuch unternommen, der M. im Verfahrensrecht bewusst wieder einen festen Platz zu sichern (z. B. Code de procédure civile 1806, österreichisches Verfahren in Ehesachen 1819, österreichisches Verfahren in summarischen Sachen 1845, Hannover 1850, Baden 1864, Württemberg 1868, österreichisches Verfahren in Rechts- streitigkeiten mit geringem Streitwert 1873, Reichszivilprozessordnung des Deutschen Reichs 1877/1879). Lit.: Kaser § 80 I 2, 87 I 6; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 155, 201f.; Scholz, M., Hören und Lesen, 1980 mundoburdium (lat.-afrk. [N.]) Schutzgewalt, Vormundschaft municipium (lat. [N.]) Stadt Lit.: Kaser § 17 II 2; Köbler, DRG 32, 36; Simshäuser, W., Iuridici und Munizipalgerichtsbarkeit in Italien, 1973; Galsterer, H., Herrschaft und Verwaltung im republikanischen Italien, 1976 Münnerstadt Lit.: Dinklage, K., Fünfzehn Jahrhunderte Münnerstädter Geschichte, 1983 Münster an der Aa wird 793 Ausgangsstelle der Friesenmission des Bischofs Liudger und entwickelt sich von hier aus seit dem Hochmittelalter zum größten geistlichen Fürstentum in Deutschland, für das am 3. 10. 1571 eine Landgerichtsordnung und eine Hofgerichtsordnung verkündet werden. Das vor den Landgerichten um Münster angewendete Recht ist nur vereinzelt aufgezeichnet. Es ist überwiegend deutsches, vom sächsischen Recht nur wenig beeinflusstes Recht. 1780 wird in M. eine Universität (bis 1818) eingerichtet. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der Münsterischen Landgerichtsordnung, 1908; Meisterernst, B., Die Grundbesitzverhältnisse in der Stadt Münster im Mittelalter, 1910; Hövel, E., Das Bürgerbuch der Stadt Münster 1538-1660, 1936; Friemann, H., Die Territorialpolitik des münsterischen Bischofs Ludwig von Hessen, 1937; Hermann, J., Die Universität Münster, 2. A. 1950; Krogmann, W., Zur Überlieferung der Bischofssühne, ZRG GA 76 (1959), 338; Prinz, J., Mimigernaford ­ Münster, 1960; Münsterisches Urkundenbuch, Bd. 1, hg. v. Prinz, J., 1960; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Knemeyer, F., Das Notariat im Fürstbistum Münster, 1964; Schmitz, H., Die hochstift- münsterische Regierung von 1574-1803, Westfäl. Zs. 116 (1966), 27; Koehler, B., Münster, HRG, Bd. 3 1980, 746; Nabrings, A., Strafrecht und Strafverfolgung, Westfäl. Z. 135 (1985), 9; Walter, A., Die Beamtenschaft in Münster, 1987; Kirchhoff, K., Forschungen zur Geschichte von Stadt und Stift Münster, 1988; Klötzer, R., Die Täuferherrschaft von Münster, 1992; Kirchhoff, K., Forschungen zur Geschichte von Stadt und Stift Münster, 1988; Michaelis, K., Die Universität Münster 1945-1955, 1998; Oer, R. Freiin v., Der münsterische Erbmännerstreit, 1998; Steveling, L., Juristen in Münster, 1999; Westfälische Jurisprudenz, hg. v. Großfeld, B. u. a., 2000; Schumacher. S., Das Rechtssystem im Stift Münster in der frühen Neuzeit, 2004 Munt (ahd. [F.], zu lat. manus [F.], Hand) ist im Mittelalter die Gewalt eines Menschen über einen anderen Menschen (z. B. Vater über Kind, Vormund über Mündel, Mann über Frau, Herr über Gesinde). Die m. über ein Kind entsteht mit der Aufnahme nach der Geburt und endet mit der Verselbständigung (Abschichtung, Verheiratung). In der Neuzeit wird die m. von der (väterlichen) Gewalt (lat. [F.] potestas) verdrängt. Lit.: Hübner 615; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 88, 160; Köbler, WAS; Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1ff. 1835ff.; Köstler, R., Muntwalt und Ehebewilligung, ZRG GA 29 (1908), 78; Eckhardt, K., Beilager und Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Molitor, E., Zur Entwicklung der Munt, ZRG GA 64 (1944), 112; Cortese, E., Per la storia del mundio in Italia, Rivista Italiana per le scienze giuridiche 91 (1955/1956), 323; Klug, D., Die Munt im Münchner Stadtrecht, Diss. jur. München 1958; Hlawitschka, E., Eine oberitalienische 507 Muntverkaufsurkunde aus dem Jahre 975 in der Stiftsbibliothek Sankt Gallen, ZRG GA 76 (1959), 328; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft, 1968 Muntat (F.) ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) vor allem das Immunitätsgebiet (im engeren Sinn). Lit.: Hofmann, K., Die engere Immunität, 1914; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957 Muntbrief (M.) Schutzurkunde Muntehe ist im Mittelalter die -> Ehe, bei der die Frau in die -> munt des Mannes fällt. Den Gegensatz bildet die muntfreie Ehe. Muntschatz (M.) Heiratsgut Münze ist ein nach Zusammensetzung und Gewicht genau bestimmtes, in Metall geprägtes Geldstück, wie es im 1. Jt. v. Chr. erscheint. Der Name leitet sich davon her, dass die Münzprägewerkstatt der Römer sich im Tempel einer Sondergöttin der etruskischen (lat.) gens (F.) Moneta befindet. In Rom wird das zuerst gewichtsmäßig gehandelte Rohkupfer im 4. Jh. v. Chr. in feste Größen mit zugehörigen Gewichtsangaben gebracht. Um 300 v. Chr. werden dabei Münzen von 300 g (1 Pfund, lat. [F.] libra) verwendet. Seit 187 v. Chr. erscheint der Silberdenar (lat. denarius [M.] argenteus) mit 10 As von 4,55 Gramm Gewicht, seit Caesar die Goldmünze (lat. [M.] aureus, Konstantin lat. [M.] solidus). Die Germanen kennen zunächst nur römische Münzen als Kostbarkeiten. Das Frühmittelalter verwendet zwar Pfennig (denarius), Schilling (solidus) und Pfund als Rechnungseinheit, prägt aber trotz etwa 800 bekannter merowingischer Münzstätten bald nur noch den königlichen Silberdenar auch wirklich aus (62 Fundstätten frühkarolingischer Prägungen aus mehr als 50 Prägeorten mit jeweils weiniger als 100 Denaren). Das Recht zur Münzprägung wird vom König als -> Regal in Anspruch genommen, das er durch Privileg verleihen kann. Im Hochmittelalter geht dieses Recht tatsächlich auf die Landesherren über. Im 19. Jh. wird das dadurch weitgehend partikularisierte und auch durch Münzverträge nur ansatzweise vereinheitlichte Münzwesen auf übereinstimmende Größen umgestellt (Preußen 1821 Taler, Süddeutschland 1837 Gulden, Deutsches Reich 1871/3 -> Mark). Wegen der andauernden Geldentwertung im 20. Jh. tritt die Münze als Währungseinheit gegenüber dem Papiergeld zurück. Beide verlieren gegenüber der Forderung gegen Geldinstitute (elektronisches Geld) an Bedeutung. Als europäische Währung erscheint zunächst der bzw. die ECU (European Currency Unit) und 1995 rechnerisch bzw. seit 1. 1. 2002 tatsächlich der Euro. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 3, 16, 97, 113, 176; Baltl/Kocher; Klimpert, R., Lexikon der Münzen, Maße, Gewichte, 1896, Neudruck 1972; Luschin von Ebengreuth, A., Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte, 2. A. 1926; Friedensburg, F., Münzkunde und Geldgeschichte der Einzelstaaten, 1926; Jesse, W., Der wendische Münzverein, 1928; Jesse, W., Die deutschen Münzer-Hausgenossen, Wiener numismatische Zeitschrift 63 (1930), 47; Wagner, G., Münzwesen und Hausgenossen in Speyer, 1931; Wörterbuch der Münzkunde, hg. v. Schroetter, F. v. 1932; Troe, H., Münze, Zoll und Markt, 1937; Löning, G., Das Münzrecht im Erzbistum Bremen, 1937; Kamp, N., Moneta regis, 1957; Wielandt, F., Badische Münz- und Geldgeschichte, 1955; Völckers, H., Karolingische Münzfunde der Frühzeit, 1965 (SB Göttingen); Der Schatzfund von Corcelles-prs-Payerne, vergraben um 1034, 1969 (rund 1000 Münzen); Suhle, A., Deutsche Münz- und Geldgeschichte, 1970; Kahl, H., Hauptlinien der deutschen Münzgeschichte vom Ende des 18. Jahrhunderts bis 1878, 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Grierson, P., Münzen des Mittelalters, 1976; Wadle, E., Münzwesen, HRG, Bd. 3 1981, 770; Rey, M. van, Einführung in die rheinische Münzgeschichte, 1983; Christmann, T., Das Bemühen von Kaiser und Reich um die Vereinheitlichung des Münzwesens, 1988; Kluge, B., Deutsche Münzgeschichte, 1991; Grierson, P., Coins of Medieval Europe, 1991; Morrison, C., La numismatique, 1992; Howgego, C., Ancient History from Coins, 1995; Haertle, C., Karolingische Münzfunde, 1997; Wolters, R., Nummi signati, 1999; Derschka, H., Die münzrechtlichen Bestimmungen des Schwabenspiegels, ZRG GA 120 (2003), 91 Münzfälschung ist die unerlaubte Verwendung fremder Münzbilder und die Prägung unterwertiger oder untergewichtiger Münzen. Die M. wird im ausgehenden Altertum bestraft, bei Goldmünzen sogar mit der Todesstrafe. Im Frühmittelalter begegnen als Folgen Handverlust, Prügel und Brandmarkung, seit dem 13. Jh. Sieden oder Verbrennen. Bis in das 19. Jh. ist dennoch die M. ein Fall der 508 allgemeinen Fälschung. Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 274 Münzregal -> Münze Lit.: Volz, P., Königliche Münzhoheit und Münz- privilegien, 1967 Muratori, Lodovico Antonio (Vignola 21. 10. 1672-Modena 23. 1. 1759) wird nach dem Theologiestudium Bibliothekar in Mailand und 1700 in Modena. Mit zahlreichen kritischen Ausgaben italienischer Geschichtsquellen begründet er die neuere italienische Geschichtswissenschaft. Lit.: Carli, F. de, Lodovico Antonio Muratori, 1955 Murner, Thomas (Oberehnheim 24. 12. 1475- Heidelberg um 1537) durchzieht als Wandergeistlicher Mitteleuropa. 1515 hält er in Trier deutsche Rechtsvorlesungen. 1518 veröffentlicht er lateinisch-deutsche (lat.) Utriusque iuris tituli (M.Pl.) et regulae (F.Pl.) (Beider Rechte Titel und Regeln). 1519 übersetzt er die Institutionen Justinians ins Frühneuhochdeutsche und erwirbt in Basel das juristische Lizentiat. Lit.: Erler, A., Thomas Murner als Jurist, 1956 Muromcev, Sergej Andreevic (1850-1910) wird nach dem Rechtsstudium u. a. in Göttingen (Ihering) 1875 Professor für römisches Recht in Moskau. Im Einsatz für die Verfassungsbewegung erarbeitet er einen liberalen Entwurf. Er sieht Recht als Verwirklichung gesellschaftlicher Interessen und macht die Rechtswissenschaft in Russland zu einer das alltägliche Leben bestimmenden Wissenschaft. Lit.: Leontovich, V., Geschichte des Liberalismus in Russland, 1957; Zor'kin, V., Muromcev, 1980 Murray, Sir William (1705-1793), Peerssohn aus Schottland, wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Lincoln's Inn 1730 Anwalt, 1742 Kronanwalt, 1754 Justizminister, 1756 Oberrichter (Lord Chief Justice) (1776 Earl of Mansfield). In seiner richterlichen Tätigkeit stärkt er die Stellung des Richters zu Lasten der Jury, fördert die Einbeziehung des Handelsrechts in das -> common law und unterstützt die Rechtsfort- bildung durch Urteile. Lit.: Fifoot, C., Lord Mansfield, 1936; Heward, E., Lord Mansfield, 1979; Oldham, J., The Murray Manuscript, 1993 Murten Lit.: Welti, E., Das Stadtrecht von Murten, 1925 Museum Lit.: Waidacher, F., Museologie knapp gefasst, 2004 Muspilli ist ein althochdeutsches Stabreimgedicht der 2. Hälfte des 9. Jh.s über das Weltende durch Feuer (jüngstes Gericht). Lit.: Mohr, W./Haug, W., Zweimal Muspilli, 1977; Köbler, G., Sammlung kleinerer althochdeutscher Denkmäler, 1986 Musteil (Speisevorrat) ist im mittelalterlichen Recht ein Vermögensteil, den die Witwe beim Tod des Mannes teilweise behalten darf. Lit.: Hübner § 95c Muster Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,3, 1986 Musterung ist die Untersuchung (auf Kriegstauglichkeit) seit dem Spätmittelalter. Eine besondere Bedeutung erwirbt die M. im Seerecht (Anmusterung, Abmusterung). Lit.: Helfritz, H., Geschichte der preußischen Heeresverwaltung, 1938 Mutschierung ist im Mittelalter (13. Jh.) die Teilung eines Gesamteigentums durch Vertrag (auf Zeit) im Erbrecht und im Lehnsrecht. Lit.: Hübner; Heusler, A., Institutionen des deutschen Privatrechts, Bd. 1 1885, 247; Müller, E., Die Mutschierung von 1513, Jb. f. RegionalG. 14 (1987), 173 Mutterrecht ist die Bezeichnung für eine Familienstruktur, in der das Gut sich in mütterlicher Linie vererbt. Das M. wird als eine Kulturstufe von Johann Jakob -> Bachofen behauptet, lässt sich aber nirgends tatsächlich überzeugend nachweisen. Lit.: Köbler, DRG 15; Bachofen, J., Das Mutterrecht, 1861; Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883; Dargun, L., Studien zum ältesten Familienrecht, 1892; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA 47 (1927), 198; Schmidt, W., Das Mutterrecht, 1955; Bachofen, J., Das Mutterrecht. Eine Auswahl, hg. v. Heinrichs, H., 3. A. 1980 Mutterschutz ist der Schutz der arbeitstätigen Mutter in der Zeit vor und nach der Geburt. Der M. entwickelt sich am Ende des 19. Jh.s. Lit.: Schmitz, E., Mutterschutz und Mutterpflichten, Diss. jur. Köln 1992; Hauser, K., Die Anfänge der Mutterschaftsversicherung, 2004 Mutterstadt ist im Mittelalter eine Stadt, deren Recht auf eine andere Stadt übertragen wird 509 und die deshalb für Auskünfte in Rechtsstreitigkeiten wieder befragt wird. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2 Mutung ist allgemein das Begehren, insbesondere im Mittelalter das Begehren auf Erneuerung des Lehens, das Gesuch um Zulassung als Meister und im Bergrecht der Antrag auf Verleihung des Bergwerkeigentums in einem bestimmten Fall (bis 1980). Lit.: Heusler, A., Institutionen des Deutschen Privatrechts, Bd. 1 1885, 243, Bd. 2 1886, 169; Wissel, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, 2. A. 1981 Mutuum (lat. [N.]) ist bereits im altrömischen Recht das formfreie Haftungsgeschäft des (auf Tausch gegebenen) -> Darlehens. Es ist Realvertrag und entsteht mit der Hingabe einer vertretbaren Sache in das Eigentum mit der Verpflichtung zur Rückgabe einer gleichen Menge. Zinsen müssen meist besonders vereinbart werden. Lit.: Kaser § 39 I 2; Söllner §§ 9, 16, 18; Köbler, DRG 27, 45, 63; Köbler, LAW Muwatta ([M.] arab. geebneter Pfad) ist das älteste erhaltene, von Malik ibn Anas (8. Jh.) auf der Grundlage des -> Korans und des Gewohnheitsrechtes in Medina geschaffene Rechtsbuch des -> Islam. Lit.: Schacht, J., Malik b. Anas, in: Enzyklopädie des Islam, 2. A. Bd. 1f. 1960ff., 6, 262 Mynsinger von Frundeck, Joachim (Stuttgart 13. 8. 1514-Großalsleben 3. 5. 1588), Adliger, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen, Padua und Freiburg (Zasius) 1536 bzw. 1543 Professor in Freiburg im Breisgau, 1548 Assessor am Reichskammergericht und 1556 Kanzler in Braunschweig-Wolfenbüttel (1576 Gründung der Universität Helmstedt). 1563 veröffentlicht er als erster unsystematisch bei Gericht angelegte kurze Notizen zu Entscheidungen des Reichskammergerichts (lat. Singularium observationum iudicii imperialis camerae centuriae [F.Pl.] quattuor, Vierhundert einzelne Beobachtungen des Reichskammergerichts). Lit.: Köbler, DRG 144; Schreiber, H., Joachim Mynsinger, 1834; Schumann, S., Joachim Mynsinger, 1983; Zippelius, K., Ein Juristenleben im 16. Jahrhundert, in: Mélanges Sturm, F., 1999, 959 N Nabburg Lit.: Müller-Luckner, E., Nabburg, 1981 Nachbar ist der unmittelbar neben einem Menschen wohnende oder begüterte Mensch. Schon im römischen Recht entwickelt sich aus der Nachbarschaft ein -> Nachbarrecht. Im Mittelalter haben Nachbarn verschiedentlich ein -> Näherrecht (Nachbarlosung). Im Übrigen kommen Nachbarn häufig als Zeugen in Betracht. Lit.:Kroeschell, DRG 1; Kramer, K., Die Nachbarschaft, 1954; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Bauer, hg. v. Wenskus, R. u. a., 1975, 230; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Hildebrandt, F., Die Nachbarschaften in Angeln vom 17. bis 19. Jahrhundert, 1985; In Europas Mitte, hg. v. Duchhardt, H., 1988; Sutter, P., Von guten und bösen Nachbarn, 2002 Nachbarrecht ist die Gesamtheit der für die Eigentümer von benachbarten Grundstücken im Verhältnis zueinander geltenden Rechtssätze. Sie betreffen bereits im römischen Recht den Überhang von Zweigen, den Überfall von Früchten, den Notweg, das Eindringen von Rauch, Wasser usw., die Ausbuchtung einer Mauer, die Einsturzgefahr von Gebäuden, die Untersagung von Bauführung und die Feststellung der Grenze. Im nachklassischen römischen Recht wird des öfteren fälschlich von Legalservituten gesprochen. Teils auf einheimischer, teils auf aus dem römischen Recht übernommener Grundlage findet das N. teils Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900), bleibt aber zum anderen Teil Landesrecht. Lit.: Kaser § 23 III; Hübner 280; Köbler, DRG 40; Hitz, J., Das Nachbarrecht des Kantons Graubünden, Diss. jur. Bern 1912; Ogorek, R., Actio negatoria und industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Carlen, L., Bäuerliches Nachbarrecht in Schweizer Städten, FS G. Schmelzeisen, 1980; Dehner, W., Nachbarrecht im Bundesgebiet, 7. A. 1991; Schmidt, B., Pflugwende und Anwenderecht im Westfälischen, 1989; Uwer, D., Zur Entwicklungsgeschichte, Jb. d. Umwelt- und Technikrechts, 1997, 303 Nacherbe ist der in der Weise eingesetzte Erbe, dass dieser erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt (Nacherbfall) Erbe wird, 510 nachdem zunächst ein anderer Erbe (Vorerbe) geworden ist. Im römischen Recht schließt der Rechtssatz (lat.) semel heres semper heres (einmal Erbe, immer Erbe) ein Hintereinander mehrerer Testamentserben und damit Nacherben aus. Einen Ausweg eröffnet das Erbschaftsfideikommiss, bei dem Erbe zwar der erste Nachfolger des Erblassers wird, diesem aber auferlegt werden kann, die Erbschaft ganz oder teilweise als Fideikommiss einem weiteren Nachfolger herauszugeben. Im Mittelalter ist seit dem ausgehenden 13. Jh. die Einsetzung eines Nacherben zulässig. Die Gestaltung behauptet sich gegen das aufgenommene römische Recht. Lit.:Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Söllner § 11; Köbler, DRG 9; Schartl, R., Das Privatrecht der Reichsstadt Friedberg, Diss. jur. Gießen 1987; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 2 1989, 613, 629; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse, 1992; Straub, S., Zur Entstehung der Vor- und Nacherbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch, ZRG 120 (2003), 235 Nachlass ist das Vermögen des Erblassers im Zeitpunkt des Erbfalls. Im römischen Recht ist der N. eine Einheit, im mittelalterlichen Recht eine Mehrheit von Sondervermögen (z. B. Gerade, Heergewäte). Verschiedentlich wird der N. zwischen Erbfall und davon getrenntem Erbschaftserwerb als juristische Person angesehen (lat. hereditas [F.] iacens, ruhende Erbschaft). Lit.: Kaser §§ 65 I 2, 66 VI, 72 I; Hübner; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 21; Repertorium der handschriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und Archiven der Schweiz, hg. v. Schmutz- Pfister, A., 1967; Mannheims, H./Roth, K., Nachlassverzeichnisse, internationale Bibliographie, 1984; Krenz, U., Modell der Nachlassteilung, 1994 Nachrezeption ist die im 19. Jh. erfolgende Aufnahme des römischen Rechts durch vertiefte Befassung mit den römischen Rechtsquellen (Pandektistik). Lit.: Köbler, DRG 205 Nachrichter ist eine Bezeichnung für den -> Henker. Lit.: Kroeschell, DRG 2 Nachtwächter Lit.: Sommer, P., Hört ihr Herrn und lasst euch sagen, 1968 Nachzettel ist in der frühen Neuzeit die ein Testament ergänzende formlose Schrift. Die Möglichkeit des Nachzettels wird im Allge- meinen Landrecht Preußens (1794) und in der Rechtsprechung des 19. Jh.s eingeschränkt. Nacktheit Lit.: Duerr, H., Nacktheit und Scham, 1988 Näherrecht oder Retraktrecht ist das Anrecht bestimmter nahestehender Personen auf ein Gut für den Fall der Vererbung oder Veräußerung. Berechtigt können Verwandte, Nachbarn, Herren und andere sein. Das N. kann an die Zahlung eines Geldausgleichs gebunden sein. Schon seit dem Hochmittelalter wird das N. zugunsten der Freiheit des Eigentümers zurückgedrängt. Seit dem 18. Jh. wird es verstärkt bekämpft und im 19. Jh. beseitigt. Lit.: Hübner 422; Köbler, DRG 124, 163, 211; Gierke, O., Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1905, 766; Wesener, G., Vorkaufs- und Einstandsrecht der ,,gesippten Freunde", in: Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 535; Carlen, L., Näherrechte im Wallis, in : Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 52 Name ist die Bezeichnung einer einzelnen Person oder eines einzelnen Gegenstandes (für Orte -> Ortsname) zum Zweck der Heraushebung aus einer Gattung bzw. der Unterscheidung von anderen Personen und Gegenständen. Die Vergabe von Namen steht vermutlich am Beginn der menschlichen Sprachentwicklung. Während anfangs meist ein einziges Wort als Name genügt, wird bereits im römischen Altertum der Mensch häufig durch mehrere Namensbestandteile individuell gekennzeichnet (lat. praenomen [N.], nomen gentile, cognomen z. B. Gaius Iulius Caesar, in Spätantike aber wieder Tendenz zur Einnamigkeit). Bei den römischen Senatoren des spätantiken Gallen tragen von 411 Personen 5 bzw. 8 germanische Namen. Im deutschen Mittelalter wird zwecks erforderlich werdender Unterscheidung nach ersten Anfängen in Venedig (9. Jh.), Norditalien und Südfrankreich (10. Jh.) für den Adel im 10. Jh. bzw. seit dem 12. Jh. (z. B. Zürich 1150/1170, Frankfurt am Main Anfang 13. Jh., Esslingen 13. Jh., - in Wien seit 1288 kein Rufname mehr ohne Beiname -, Friesland 19. Jh.) in etwa vom Süden und Westen nach Norden und Osten fortschreitend dem Namen (Vornamen) allmählich allgemein ein Zuname (Familienname) beigefügt, was andernorts erst viel später geschieht (Japan 1875, Bulgarien 511 1878, Türkei 1934). Durch Verordnungen seit dem 17. Jh. wird bis zum Ende der frühen Neuzeit die ursprüngliche Freiheit der Namensänderung beseitigt. Seit 14. 6. 1976 kann in der Bundesrepublik Deutschland auch der Name der Frau Familienname sein, seit 1995 ist kein gemeinsamer Familienname mehr nötig. Im einzelnen ist ein detailliertes Namensrecht entwickelt. Danach bestimmen grundsätzlich die Eltern den oder die Vornamen (und den Familiennamen) eines Kindes. Häufigster der mehr als 150000 verschiedenen deutschen Familiennamen der Gegenwart ist Müller (ca. 10%), häufigster Familienname der Welt der chinesische Name Lit: Köbler, DRG 120, 160, 267; Levi, S. Vorname und Familienname, Diss. jur. Gießen 1888; Schulze, W., Zur Geschichte lateinischer Eigennamen, 1904; Volckmann, E., Rechtsaltertümer in Straßennamen, 1920; Brechenmacher, J., Etymologisches Wörterbuch der deutschen Familiennamen, 1957ff.; Schönfeld, W., Wörterbuch der altgermanischen Personen- und Völkernamen, 1911, 2. A. 1965; Polenz, P. v., Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen Deutschland, 1961; Berger, F./Etter, O., Die Familiennamen der Reichsstadt Esslingen, 1961; Klippel, D., Der zivilrechtliche Schutz des Namens, 1985; Thoma, G., Namensänderungen in Herrscherfamilien des mittelalterlichen Europa, 1985; Internationales Handbuch der Vornamen, 1986; Reichert, H., Lexikon der altgermanischen Namen, 1987; Hanks, P./Hodges, F., A Dictionary of Surnames, 1988; Seibicke, W., Historisches deutsches Vornamenbuch, 1996ff.; Namenforschung, hg. v. Eichler, E. u. a., 1996; Nomen et gens, hg. v. Geuenich, D. u. a., 1997; Dumoulin, K., Die Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen Recht, 1997; Berger, E., Name und Recht, ZRG GA 117 (2000), 564; Kunze, K., dtv-Atlas Namenkunde, 4. A. 2003; Berger, E., Erwerb und Änderung des Familiennamens, 2001; Wagner-Kern, M., Staat und Namensänderung, 2002; Person und Name, hg. v. Geuenich, D. u. a., 2002; Glasner, P., Die Lesbarkeit der Stadt, 2002; Dictionnaire historique de l'anthroponymie romane, hg. v. Cano González, A., u. a., Bd. 1ff. 2003ff.; Grahn-Hoek, H., Zu Mischehe, Namengebung und Personenidentität im frühen Frankenreich, ZRG GA 121 (2004), 100; Deutsches Namenslexikon, 2004; Lochner von Hüttenbach, F., Frühmittelalterliche Namen in der Steiermark, 2004 Namur Lit.: Roland, J., Le comté et la province de Namur, 1959 Nancy in Frankreich ist seit 947 bezeugt. Es erhält 1265 Stadtrecht. 1766 gelangt es mit Lothringen zu Frankreich. 1768 wird es Sitz einer Universität, 1777 Sitz eines Bischofs. Lit.: Fray, J., Nancy-le-Duc, 1986 Napoleon Bonaparte (Ajaccio 15. 8. 1769- Longwood 5. 5. 1821), niederadliger Juristen- sohn, wird nach Offiziersausbildung und militärischen Erfolgen 1796 Oberbefehlshaber der Armee Frankreichs in Italien. 1799 wird er unter Sturz der Direktorialregierung erster Konsul, am 18. 5. 1804 erblicher Kaiser der Franzosen. Binnen weniger Jahre (1804-1810) lässt er das Recht Frankreichs in fünf modernen Codes (Gesetzbüchern) erfassen und gestaltet die europäische Staatenwelt nach seinen Vorstellungen um. 1813 bei Leipzig und 1815 bei Waterloo wird er von Russland, Österreich und Preußen bzw. England und Preußen geschlagen. Er stirbt in der Verbannung auf St. Helena. Lit.: Köbler, DRG 132, 141, 169; Dunan, M., Napoléon et l'Allemagne, 1942; Andreas, W., Das Zeitalter Napoleons, 1956; Andreas, W., Napoleon, 1962; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des Code Napoleon in den Rheinbundstaaten, 1973; Ludwig, E., Napoleon, 1977; Die Erhebung gegen Napoleon 1806- 1814/15, hg. v. Spies, H., 1981; Theewen, E., Napoléons Anteil am Code civil, 1991; Dufraisse, R., Napoleon, 1994; Napoleonische Herrschaft in Deutschland und Italien, hg. v. 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Jh. an der unteren Lahn erscheinende Familie, die von 1292 bis 1298 512 den deutschen König stellt und 1815 das Königtum in den Niederlanden erlangt. Ihr seit dem 12. Jh. an der Lahn enstehendes Herrschaftsgebiet wird als 1814 mit einer Verfassung versehenes Herzogtum (1806) 1866 von Preußen annektiert und geht 1945 in Hessen auf. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 192; Meister, R., Nassau und die Reichsritterschaft vom Reichsdeputationshauptschluss bis zum Wiener Kongress, 1923; Marner, W., Die Verfassung des Herzogtums Nassau von 1814, 1953; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 3,3,2878; Münzing, H., Die Mediatisierung der ehemaligen reichsunmittelbaren Standesherren und Reichsritter im Herzogtum Nassau, Diss. jur. Mainz 1980; Herzogtum Nassau 1806-1866, Ausstellungskatalog (Neudruck) 1981; Renkhoff, O., Nassauische Biographie 1985, 2. 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[F.]) Geburt, Geschlecht, Lands- mannschaft, Volk Lit.: Hugelmann, G., Stämme, Nation und Nationalstaat, 1955; Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter, 1978; Eichenberger, T., Patria, 1991 Nation ist die durch die Einheit von Sprache und Kultur bzw. durch die Gleichheit der politischen Entwicklung zusammengeschlos- sene Gesamtheit von Menschen. Bedeutsam wird die Nation vor allem im 19. Jh. Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141; Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Zeumer, K., Heiliges Römisches Reich deutscher Nation, 1910; Hugelmann, G., Stämme, Nation und Nationalstaat, 1955; Plessner, H., Die verspätete Nation, 4. A. 1966; Schröcker, A., Die deutsche Nation, 1974; Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter, hg. v. Beumann, H. u. a., 1978; Landwehr, G., ,,Nation" und ,,Deutsche Nation", FS W. 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Jh.s findet im deutschen Sprachraum ein Streit um ein N. statt (-> Kodifikationsstreit). Das N. löst sowohl das partikulare Recht wie auch das subsidiäre gemeine Recht ab. Lit.: Wieacker, F., Der Kampf des 19. Jahrhunderts um die Nationalgesetzbücher, in: Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974, 55; Dölemeyer, B., Der Kampf des 19. Jahrhunderts um die National- gesetzbücher, in: Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974, 79 Nationalismus ist das in der Mitte des 18. Jh.s vom Gedankengut der studentischen Lands- mannschaften und der Romantik ausgehende Denken in -> Nationen. Es führt in Europa im 19. Jh. zu nationalen, im Kulturellen beginnenden und danach politisierten Gegensätzen. Diese entladen sich im ersten Weltkrieg und im zweiten Weltkrieg. Lit.: Il nazionalismo in Italia e in Germania fino alla prima guerra mondiale, hg. v. Lill, R. u. a. 1983; Dann, O., Nation und Nationalismus, 1993, 2. A. 1994, 3. 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In der frühen Neuzeit versteht sich die Kirche in Frankreich und in England in unterschiedlich starkem Ausmaß als Nationalkirche. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, hg. v. Fuchs, W., 1966 nationalliberal (national und liberal) Nationalökonomie (F.) Volkswirtschaft Lit.: Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 1999 Nationalrat ist eine Bezeichnung für eine Volksvertretung (z. B. Österreich 1920). Lit.: Köbler, DRG 248; Baltl/Kocher nationalsozial (national und sozial), 1896 als Bezeichnung einer von Friedrich Naumann begründeten Arbeiterpartei auf christlicher Grundlage und monarchischem, nationalem Boden verwendet Nationalsozialismus ist eine vielleicht schon in der fortschrittlichen Ordnung der französischen Revolution von 1789 angelegte, im frühen 20. Jh. (in Böhmen 1903 und) in Deutschland auf der Grundlage von Nationalismus und Sozialismus entstandene, unter Adolf -> Hitler von 1933 bis 1945 in -> Deutschland die Macht ausübende politische Bewegung. Der N. weist keine eigentliche rechtstheoretische Grundhaltung auf. Er geht lediglich von der Vorstellung aus, dass er die richtige Weltanschauung sei, die mit allen Mitteln, und deshalb auch mit dem Mittel des Rechts, verwirklicht werden müsse. Das an vorgegebenen konkreten Lebensordnungen des völkischen Gemeinschaftswillens auszurichten- de Recht ist ihm nur ein Kampfinstrument zur Durchsetzung der vom Führer ohne Kontrolle aus seinem Charisma heraus geschaffenen Weltanschauung in der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Da der Positivismus des ausgehenden 19. Jh.s alle außerjuristischen Gehalte ausgesondert hat, sind die während seiner Vorherrschaft entstandenen Gesetze dem N. nicht abträglich. Er braucht lediglich die bestimmten, ursprünglich als selbstverständlich mitgedachten Voraussetzungen, dass der Staat sittlichen Prinzipien folgt und die Macht nicht rechtswidrig anwendet, aufzugeben und die ausgeschiedenen außerjuristischen Inhalte durch sein Gedankengut zu ersetzen. Das Gesetz kann bei dieser Auslegung formal völlig unverändert bleiben. Im äußersten Fall gerät es, weil es ,,dem gesunden Volksempfinden ins Gesicht schlägt", außer Anwendung. Bemerkenswert ist dabei, dass insbesondere Fachvertreter des öffentlichen Rechts und der deutschen Rechtsgeschichte an den Universi- täten Schlüsselbegriffe der nationalsozialisti- schen Weltanschauung übernehmen und geschichtlich zu belegen versuchen. Soweit auf Grund des N. strafgerichtliche Verurteilungen aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen unter Verstoß gegen Grundgedanken der Gerechtigkeit (Unrechtsurteile) ergangen sind, sind diese durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 25. 8. 1998 aufgehoben. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221, 226, 228, 248; Jung, R., Der nationale Sozialismus, 1919; Neurohr, R., Der Mythos vom Dritten Reich, 1957; Nationalsozialismus und die deutsche Universität, 1966; Brodersen, C., Gesetze des NS-Staates, 1968; Justiz und NS-Verbrechen, Bd. 1ff. 1968ff.; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7. A. 1993; Schulz, Der Aufstieg des Nationalsozialismus, 1975; Bayern in der NS-Zeit, hg. v. Institut für Zeitgeschichte, Bd. 1ff. 1977ff.; NS-Verbrecher vor Gericht, hg. v. 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Sie bestimmt, gegliedert in Ortsgruppen (mit ehrenamtlichen Leitern) und Gaue, das politische Geschehen im Deutschen Reich von 1933 bis 1945. Am 10. 10. 1945 wird sie durch das Gesetz Nr. 2 des -> Alliierten Kontrollrats aufgelöst. -> Nationalsozialismus Lit.: Der Aufstieg der NSDAP, hg. v. Deuerlein, E., 1980; Pätzold, K., Geschichte der NSDAP, 1998; Block, N., Die Parteigerichtsbarkeit der NSDAP, 2002; Rösch, Mathias, Die Münchener NSDAP, 2002; Reibel, C., Das Fundament der Diktatur. Die NSDAP-Ortsgruppen 1932- 1945, 2002 Nationalsozialistisches Recht ist das vom -> Nationalsozialismus geprägte bzw. geschaffene bzw. angewandte Recht. Neu geschaffen wird dabei in erster Linie das Verfassungsrecht, welches das parlamentarische System in eine -> Diktatur verwandelt. Durch Verordnungen des Reichspräsidenten vom 4. 2. 1933 und 28. 2. 1933 werden die wichtigsten Grundrechte außer Kraft gesetzt. Durch das -> Ermächtigungsgesetz vom 24. 3. 1933 überträgt der Reichstag seine Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung. Das vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länderparlamente mit dem Reich (31. 3. 1933) überlässt den Landes- regierungen Gesetzgebungszuständigkeit und setzt die Länderparlamente entsprechend der Sitzverteilung des Reichstages zusammen. Das unmittelbar anschließende Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich (7. 4. 1933) stellt an die Spitze der nichtpreußischen Länder einen Reichsstatt- halter, der die Landesregierung ernennt. Seit Mai 1933 werden verschiedene Parteien verboten oder aufgelöst. Mit Gesetz vom 30. 1. 1934 werden die Landesparlamente aufgehoben und die Landesregierungen der Reichs- regierung unterstellt. Am 14. 2. 1934 wird der - > Reichsrat aufgelöst. Nach dem Tod des Reichspräsidenten (12. 8. 1934) übernimmt Adolf -> Hitler dessen Amt. Daneben werden Minderheiten, vor allem die -> Juden, entrechtet (Nürnberger Gesetze). Rechtsstaat- liche Verfahrensregeln werden eingeschränkt. Bedeutendere Einzelgesetze sind im Übrigen selten und führen teilweise auch ältere Ansätze weiter (Ehegesetz, Testamentsgesetz, Reichs- erbhofgesetz, Deutsche Gemeindeordnung). Der Versuch einer völligen Neugestaltung des bürgerlichen Rechts in einem -> Volksgesetzbuch misslingt. Soweit die älteren Gesetze erhalten bleiben, werden sie durch ,,unbegrenzte Auslegung" verändert. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 226ff.; Schmitt, C., Nationalsozialistisches Rechtsdenken, Deutsches Recht 1934, 225; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Schorn, H., Die Gesetzgebung des Nationalsozialismus, 1963; Echthölter, K., Das öffentliche Recht im nationalsozialistischen Staat, 1970; Jäger, H., 516 Verbrechen unter totalitärer Herrschaft, 1967; Justiz und NS-Verbrechen, red. v. Bauer, F. u. a., Bd. 1ff. 1986; Bucheit, G., Richter in roter Robe, 1968; Stolleis, M., Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, 1974; Anderbrügge, K., Völkisches Rechtsdenken, 1978; Meinck, J., Weimarer Staatsrechtslehre und Nationalsozialismus, 1978; Nationalsozialistisches Recht in historischer Perspektive, hg. v. Hattenhauer, H., 1981; Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, hg. v. Walk, J., 1981; Stolleis, M., Nationalsozialistisches Recht, HRG, Bd. 3 1981, 873; Fieberg, G., Justiz im nationalsozialistischen Deutschland 1984; Ramm, T., Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984; Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz, 1985; Popp, H., Die nationalsozialistische Sicht, 1986; Majer, D., Die Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems, 1987; Brenzina, M., Ehre und Ehrenschutz im nationalsozialistischen Recht, 1987; Werle, G., Zur Reform des Strafrechts in der NS-Zeit, NJW 1988, 2865; Rüthers, B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825; Stolleis, M., Recht im Unrecht, 1994; Reiter, R., Nationalsozialismus und Moral, 1996; Vogl, R., Stückwerk und Verdrängung, 1997; Faupel, R./Eschen, K., Gesetzliches Unrecht, 1998; Dörner, B., ,,Heimtücke", 1998; Friedrich, J., Freispruch für die Nazi-Justiz, 1998; Dokumentation des NS-Strafrechts, hg. v. Ostendorf, H. 2000; Spoerer, M., Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001; Enzyklopädie des Nationalsozialismus (1997) CD-ROM, hg. v. Benz, W. u. a. 2000; Feldman, G., Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft, 2001 Nationalstaat ist der die Einheit der -> Nation und die Abgrenzung gegenüber anderen Nationen besonders betonende Staat seit dem 19. Jh. (z. B. Frankreich), verstärkt seit 1918. Lit.: Köbler, DRG 205; Hugelmann, K., Stämme, Nation und Nationalstaat im deutschen Mittelalter, 1955; Meinecke, F., Weltbürgertum und Nationalstaat, 7. A. 1963; Huber, E., Nationalstaat und Verfassungsstaat, 1965; Schöllgen, G., Determinanten deutscher Identität, Hist. Jb. 105 (1985), 455; Angermeier, H., Deutschland zwischen Reichstradition und Nationalstaat, ZRG GA 107 (1990), 19; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus, Nationalstaat, 2000 Nationalversammlung ist eine die -> Nation vertretende Versammlung von Abgeordneten. In Frankreich ist N. das Parlament. Im Deutschen Bund bereitet die deutsche N. die Verfassung vor. Auf Grund von Wahlen in den Einzelstaaten wird sie am 18. 5. 1848 in der Frankfurter Paulskirche eröffnet und nach dem 28. 4. 1849 infolge Scheiterns der politischen Bewegung aufgelöst. Daneben tagt auch eine preußische N. Am 6. 2. 1919 wird in Weimar eine verfassunggebende N. eröffnet, die den Entwurf einer Reichsverfassung am 31. 7. 1919 verabschiedet. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 171, 221, 256; Aktenstücke und Aufzeichnungen zur Geschichte der Frankfurter Nationalversammlung aus dem Nachlass von Johann Gustav Droysen, hg. v. Hübner, R., 1924; Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, hg. v. Wigard, F., Bd. 1ff. 1948/9; Schrader, R., Die Fraktionen der preußischen Nationalversammlung von 1848, Diss. phil. Leipzig 1923; Ziegler, W., Die deutsche Nationalversammlung 1919/29, 1932; Mann, B., Das Ende der Natio- nalversammlung im Jahre 1849, HZ 214 (1972), 265; Siemann, W., Die Frankfurter Nationalversammlung, 1976; Laufs, A., Recht und Gericht im Werk der Paulskirche, 1978; Fiedler, W., Die erste deutsche Nationalversammlung, 1980; Diestelkamp, B., Nationalversammlung, HRG, Bd. 3 1980; Nörr, K., Die Weimar Nationalversammlung und das Privatrecht, Gedächtnisschrift W. Kunkel, 1984, 317; Meinerzhagen, U., Möglichkeiten und Grenzen sozialpolitischen Handelns in der Frankfurter Nationalversammlung, Diss. jur. Heidelberg 1987; Die Frankfurter National- versammlung 1948/49, hg. v. Koch, R., 1989 Naturalersatz (Naturalrestitution) ist der Ersatz eines Schadens in Natur. Lit.: Köbler, DRG 166, 217 Naturalisation (Einbürgerung) ist die seit dem 19. Jh. gesetzlich genau festgelegte Verleihung der Staatsbürgerschaft. Lit.: Rehm, H., Der Erwerb der Staats- und Gemeindeangehörigkeit, Ann. d. Dt. Reichs- Gesetzgebung 25 (1892), 137; Zenthöfer, E., Zur Geschichte des Begriffs der Staatsangehörigkeit, Diss. jur. Königsberg 1938; Grawert, R., Staat und Staatsangehörigkeit, 1973 Naturalis obligatio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die natürliche, unvollkommene Verbindlichkeit (z. B. Geschäftsschuld eines Sklaven oder Hauskindes). Sie kann freiwillig erfüllt, ihre Erfüllung kann aber nicht erzwungen werden. In der Neuzeit gelten Spielschulden und Ehemäklerlohn als nicht erzwingbare Verbindlichkeiten. Lit.: Kaser §§ 15 I 4c, 33 II, 49 II 1a, 60 II 3c; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Landolt, P., 517 Naturalis obligatio and bare social duty, 2000 Naturalleistung ist die Leistung in Natur. Im spätantiken römischen Recht ist der Inhalt des Leistungsurteils wegen der wirtschaftlichen Verschlechterung grundsätzlich auf N. gerichtet. Geldersatz ist nur zu erbringen, wenn die an sich geschuldete Leistung unmöglich oder ungenügend ist. Im Mittelalter sind Leistungen weitgehend als N. zu bewirken. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. Lit.: Köbler, DRG 63, 166, 217; Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. I 2 1886, 944; Haussherr, H., Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, 4. A. 1970, 4, 378 Naturalrestitution -> Naturalersatz, Natural- leistung Naturalwirtschaft ist die geldlose Wirtschaft. Sie findet sich dort, wo Geld völlig fehlt oder keinen wirtschaftlichen Wert hat (z. B. Germanen, Spätantike). Sie ist der Geldwirtschaft an Beweglichkeit unterlegen. Lit.: Köbler, DRG 57, 77; Dopsch, A., Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft, 1930 Natur der Sache ist das Wesen eines Gegenstandes. Unter (lat.) natura (F.) rei verstehen die klassischen römischen Juristen eine Schranke rechtlicher Gestaltungsmög- lichkeit. Demgegenüber wird die N. d. S. in der 2. Hälfte des 18. Jh.s bei ->Pütter (1725-1807) und -> Runde (1741-1807) als Rechtsquelle (des gesamten -> deutschen Privatrechts) verwendet. Mit dem Naturrecht wird dies als nicht überzeugend wieder aufgegeben. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Dreier, R., Zum Begriff der Natur der Sache, 1965; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Dießelhorst, M., Die Natur der Sache, 1968; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970; Sprenger, G., Naturrecht und Natur der Sache, 1976; Holzhauer, H., Natur als Argument in der Rechtswissenschaft, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997 Natürliche Grenze ist die von der Natur durch Wasser, Sümpfe, Wälder, Gebirge oder Wüsten gebildete -> Grenze eines Gebietes. Sie verliert im Laufe der menschlichen Geschichte ihre Bedeutung gegenüber der künstlichen Grenze. Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994 Naturrecht ist die Gesamtheit der der Natur innewohnenden, zeitlos gültigen, vernunftnot- wendigen und vom Menschen nicht geschaffenen Rechtssätze. Das N. ist bereits der griechischen Philosophie (griech. physei dikaion [N.]) als Gegensatz zum vom Menschen gesetzten Recht (griech. thesei dikaion [N.]) bekannt. Danach ist von Natur aus rechtens, was überall und schon unabhängig von menschlicher Zustimmung gilt. Dieses N. wird von den Römern als von der (lat.) naturalis ratio (F.) beherrschtes ius (N.) naturale übernommen (z. B. Verbindung von Mann und Frau und Aufzucht von Kindern) und dem (lat.) ius (N.) gentium zur Seite gestellt. Nach christlicher Ansicht stammt es (als [lat.] lex [F.] aeterna, vom Menschen erkennbar in der [lat.] lex [F.] naturalis) von Gott. Demgegenüber sehen die Glossatoren das römische Recht als gegeben an und stellen die Frage nach einem übergeordneten Naturrecht nicht. In der frühen Neuzeit betonen spanische Spätscholastiker (z. B. Francisco de Vitoria 1493-1546, Fernando Vasquez 1512-1569) und deutsche Reformierte (z. B. Johann Oldendorp 1486-1567, Johannes Althusius 1557-1638) erneut die besondere Bedeutung des Naturrechts. Der in Leiden und Orléans am gemeinen Recht geschulte Niederländer Hugo - > Grotius (1583-1645) überführt in (lat.) De iure praedae (1606-8) und in (lat.) De iure belli ac pacis tres (Drei Bücher Kriegs- und Friedensrecht, 1624) die Naturrechtslehren aus der Moraltheologie in die Rechtswissenschaft. Ihm folgt in Deutschland zunächst Samuel Pufendorf (1632-1694, [lat.] De iure naturae et gentium libri octo, Acht Bücher Natur- und Völkerrecht, 1672), der in Heidelberg im Jahre 1661 (außerhalb der juristischen Fakultät) den ersten Lehrstuhl für N. erhält. Weil das N. jetzt besonders auf die Vernunft abstellt, bezeichnet man es auch als -> Vernunftrecht. Klassischer Vertreter des deutschen Vernunftrechts ist der im Wesentlichen mit der Reformuniversität -> Halle verbundene Christian -> Thomasius (1655-1720, [lat.] Fundamenta [N.Pl.] iuris naturae et gentium, 1705, Grundlagen des Natur- und Völkerrechts), der das Recht endgültig von Theologie und Moral befreit. Sein Schüler Christian -> Wolff (1679-1754) schließlich stellt unter starkem Rückgriff auf das im usus modernus pandectarum verwendete gemeine Recht seiner Zeit ein geschlossenes 518 System naturrechtlicher Sätze insgesamt auf ([lat.] Ius [N.] naturae methodo scientifica pertractatum, 1740-1749, Naturrecht wissen- schaftlich durchgeführt), mit dem er jedoch, weil er in konstruktiver Überspitzung etwa für einen einzigen einzelnen Folgesatz bis zu 300 Obersätze voraussetzt, zugleich die Ablösung des (in Frankreich und England sowie im positivistisch-historisch bestimmten Kirchen- recht der frühen Neuzeit fremd bleibenden) Naturrechts als in der Rechtswirklichkeit nicht brauchbar einleitet. Unmittelbare Übernahme von behaupteten Naturrechtssätzen in die Rechtspraxis finden sich kaum. Bei Darjes und Nettelbladt geht das N. bereits in der Dogmatik des geltenden Rechts auf. Nach 1945 werden kurzfristig naturrechtliche Gedanken wieder aufgegriffen. Problematisch ist das N. deswegen, weil es mit bereits vorausgesetzten ethischen Kriterien an die Wirklichkeit herantritt und aus ihr auswählt, was es für maßgeblich hält. Lit.: Kroeschell, DRG 2,3; Köbler, DRG 31, 144, 145; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 245; Schubert, A., Augustins Lex-aeterna-Lehre, 1924; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932, Neudruck 1973; Arnold, F., Zur Frage des Naturrechts bei Martin Luther, 1937; Thieme, H., Die Zeit des späten Naturrechts, ZRG GA 56 (1936), 202; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte, 1947, 2. A. 1954; Krause, O., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen 1949 (gedruckt 1982); Stratenwerth, G., Die Naturrechtslehre des Johannes Duns Scotus, 1951; Thieme, H., Natürliches Privatrecht und Spätscholastik, ZRG GA 70 (1953), 230; Flückiger, F., Geschichte des Naturrechts, 1954; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte, 1947, 2. A. 1954; Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Wieacker, F., Vom heutigen Stand der Naturrechtsdiskussion, 1965; Weigand, R., Die Naturrechtslehre der Legisten und Dekretisten, 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius, 1968; Wunner, S., Christian Wolff und die Epoche des Naturrechts, 1968; Weinkauff, H., Der Naturrechtsgedanke in der Rechtsprechung, NJW 13 (1969), 1689; Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des Naturrechts in Europa, 1970; Röd, W., Geometrischer Geist und Naturrecht, 1970; Rüping, H., Gottlieb Gerhard Titius und die Naturrechtslehre, ZRG GA 87 (1970), 314; Luig, K., Zur Verbreitung des Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; Naturrecht in der Kritik, hg. v. Böckle, F. u. a., 1973; Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974; Nörr, K., Naturrecht und Zivilprozess, 1976; Sprenger, G., Naturrecht und Natur der Sache, 1976; Carpintero-Benitez, F., Del derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Luig, K., Der Einfluss des Naturrechts auf das positive Privatrecht im 18. Jahrhundert, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung der allgemeinen Lehren, 1980; Christian Wolff 1679-1754, hg. v. Schneiders, W., 1983; Klippel, D., Naturrecht als politische Theorie, in: Aufklärung als Politisierung, hg. v. Bödeker, H. u. a. 1987, 267; Christian Thomasius 1655-1728, hg. v. Schneiders, W., 1989; Bühler, C., Die Naturrechtslehre und Christian Thomasius 1655-1728, 1989; Doe, N., Fundamental Authority in Late Medieval English Law, 1990; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Naturrecht - Spätaufklärung - Revolution, hg. v. Dann, O., 1995; Voppel, D., Der Einfluss des Naturrechts auf den usus modernus, 1996; Naturrecht im 19. Jahrhundert, hg. v. Klippel, D., 1997; Recht zwischen Natur und Geschichte, hg. v. Kerregan, F. u. a., 1997; Bruch, R., Ethik und Naturrecht, 1997; Seelmann, K., Theologie und Jurisprudenz, 1997; Wie erkennt man Naturrecht, hg. v. Seifert, J., 1998; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechts in der frühen Neuzeit zwischen Humanismus und Naturrecht, ZNR 21 (1999), 7; Hammerstein, N., Die Naturrechtslehre an den deutschen, insbesondere den preußischen Universitäten, in: Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft, 1998, 3; Scattola, M., Das Naturrecht vor dem Naturrecht, 1999; Drescher, A., Naturrecht als utilitaristische Pflichtenethik?, 1999; Die Hallesche Schule des Naturrechts, hg. v. Rüping, H., 2002; Streidl, P., Naturrecht, 2003; Ulmschneider, C., Eigentum und Naturrecht, 2003; Otte, G., Die Naturrechtsrechtsprechung der Nachkriegszeit, 2004 Naturrechtler ist der Vertreter des -> Naturrechts. Lit.: Krause, D., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1982 Naturrechtskodifikation ist die auf -> Naturrecht gegründete -> Kodifikation an der Wende vom 18. zum 19. Jh. (preußisches Allgemeines Landrecht 1794, französischer Code civil 1804, österreichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch 1811/1812) Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 519 1952, 2. A. 1967 Naturschutz ist der Schutz der Natur (natürlichen Landschaft) durch den Staat. Der N. entsteht im 20. Jh. und wird in dessen zweiter Hälfte vom allgemeineren Umweltschutz eingeschlossen. Lit.: Lorz, A., Naturschutzrecht, 1985; Wettengel, M., Staat und Naturschutz, HZ 1993, 2, 335; Naturnutzung und Naturschutz in der europäischen Rechts- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Heyen, V., 1999; Naturschutz und Nationalsozialismus, hg. v. Radkau, J. u. a., 2003; Natur- und Umweltschutz nach 1945, hg. v. Brüggemeier, G. u. a., 2005 Naturwissenschaft ist die auf die Natur im Gegensatz zum menschlichen Geist und die menschliche Gesellschaft oder insgesamt den Menschen bezogene Wissenschaft. Sie beginnt bereits bei den Griechen und gewinnt seit dem 19. Jh. überragende Bedeutung. Lit.: Fried, J., Aufstieg aus dem Untergang, 2001 Navarra ist das Gebiet zwischen Pyrenäen und Ebro, das hauptsächlich von Basken besiedelt wird. 905 wird es Königreich, fällt aber 1026 kurzfristig an Kastilien und gerät seit 1234 unter den Einfluss Frankreichs (1234-1274 Grafen der Champagne, 1284/1291-1328 Frankreich, 1329-1425 Grafen von Evreux). Der südliche Teil wird 1512 von Aragonien erobert und zu Kastilien gezogen. Der nördliche Teil kommt 1589 zu Frankreich. Lit.: Schramm, P., Der König von Navarra (1035-1512), ZRG GA 68 (1951), 110; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge- schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,251 Naziregime -> Nationalsozialismus Neapel beruht auf einer im 8./7. Jh. v. Chr. von Cumae aus eingerichteten Kolonie, neben der im 5. Jh. eine Neustadt (griech. Neapolis) gebaut wird. Über Römer und Oströmer gelangt es 1057 bzw. 1139 an die Normannen (-> Sizilien). 1224 wird es durch Kaiser Friedrich II. Sitz einer Universität. Über Anjou (1266/8), Aragonien (1435), Piemont (1713), Österreich (1720), die Bourbonen (1735) kommt N. 1860 an Sardinien-Piemont und danach 1861 zu Italien. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gunn, P., Neapel, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren, europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,97, 3,1,233, 3,2,2359, 3,3,3218; Rovito, P., Respublica dei togati, 1982; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Kiesewetter, A., Die Anfänge der Regierung König Karls II. von Anjou (1278-1295), 1999 Ne bis in idem (lat.) Nicht zweimal in derselben (Sache) Lit.: Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes "ne bis in idem", Diss. jur. Zürich 1970 Necessitas non habet legem (lat.). Not kennt kein Gebot. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Glosse Expedire zu Digesten 1, 10, 1, § 1) Ne eat iudex ultra petita partium (lat.). Der Richter soll nicht über die Anträge der Parteien hinausgehen. Lit.: Liebs, D. Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Neglegentia (lat. [F.]) ist die Nachlässigkeit im spätantiken römischen Schuldrecht. Lit.: Köbler, DRG 63; Negligence, hg. v. Schrage, E., 2001 Negotiorum gestio (lat. [F.]) oder negotium gestum ist die bereits dem klassischen römischen Schuldrecht bekannte, vielleicht aus der Verfahrensführung eines (lat. [M.]) procurator und der Geschäftsführung eines (lat. [M.]) curator entstandene -> Geschäftsführung ohne Auftrag, die als kontraktähnliches Verhältnis für den Geschäftsherrn einen Herausgabeanspruch und möglicherweise einen Schadensersatzanspruch gegen den Ge- schäftsführer und umgekehrt möglicherweise einen Aufwendungserstattungsanspruch des Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn begründet. Lit.: Kaser §§ 8 I 2e, 44 II; Söllner §§ 9, 18; Köbler, DRG 47; Seiler, H., Der Tatbestand der negotiorum gestiorum gestio, 1968; Wollschläger, C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Nehrman-Ehrenstrale, David (1695-1769), Malmöer Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Lund, Rostock, Halle (Thomasius, Gundling) und Leiden 1720 Professor, 1721 ordentlicher Professor für schwedisches und römisches Recht in Lund und hält als erster schwedische Vorlesungen. 1729 veröffentlicht er die erste, vom römischen Recht gelöste wissenschaftliche Darstellung des Privatrechts Schwedens (Inledning til then swenska iurisprudentiam civilem). Seit 1734 folgt er dem neuen schwedischen Gesetzbuch. Lit.: Modéer, K., Einleitung zu: David Nehrman- 520 Ehrenstrale, Inledning .., 1979, 26 Neidingswerk ist im mittelalterlichen nordgermanischen Recht die Missetat oder verächtliche Handlung. Voraussetzung und Folgen sind unterschiedlich. Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Hemmer, R., Die Missetat im altschwedischen Recht, 1965 Nekrolog (M. bzw. N.) Totenbuch Lit.: Das Necrolog des Klosters Michelsberg in Bamberg, hg. v. Nospickel, J., 2004 Nemo iudex in causa sua (lat.). Niemand sei Richter in eigener Sache. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Codex Justinianus 3,5 Rubrik, 534) Nemo iudex sine actore (lat.). Kein Richter ohne Kläger. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse habet (lat.). Niemand kann mehr Rechte auf einen anderen übertragen, als er selbst hat. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Ulpian, um 170-223, Digesten 50, 17, 54) Nemo simul actor et iudex (lat.). Niemand kann zugleich als Kläger und Richter auftreten. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Burchard von Worms, 965-1025, Decretum 16, 15) Neoabsolutismus ist der der Verfassungsbewegung des frühen 19. Jh.s. und besonders des Jahres 1848 folgende Abschnitt des -> Absolutismus (in Österreich besonders 1851 [Silvesterpatent] ­ 1860 [Oktoberdiplom] bzw. 1861 [Februarpatent] bzw. 1867 [Dezemberverfassung]). Im N. werden die Ge- schworenengerichte, der liberale Strafprozess, das liberale Prozessrecht, Vereinsrecht und Gemeinderecht wieder aufgegeben. Lit.: Köbler, DRG 171, 193; Baltl/Kocher; Brandt, H., Der österreichische Neoabsolutismus, Bd. 1f. 1878 Nepotismus ist die Begünstigung von nahestehenden Menschen durch Machthaber, besonders in der katholischen Kirche des 15. bis 17. Jh.s. Lit.: Reinhard, W., Nepotismus, ZKG 86 (1975), 145; Die Kreise der Nepoten, hg. v. Büchel, D./Reinhardt, V., 2001 Neratius (Saepinum 55/60-nach 133) wird nach langjähriger Ämterlaufbahn von dem römischen Kaiser Trajan (98-117) in den kaiserlichen Rat aufgenommen. Er ist ein führender Vertreter der -> Prokulianer. Sein Hauptwerk sind 7 Bücher (lat. [F.Pl.]) membranae, in denen Streitfragen oder allgemeine Rechtssätze und Begriffserklä- rungen erörtert werden. Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 144, 410; Maifeld, J., Die aequitas bei Lucius Neratius Priscus, 1991 Nerva filius (1. Jh. n. Chr.) ist der römische Jurist, dessen Sohn Kaiser (96-98) wird. Er ist - > Prokulianer. Von ihm ist der Buchtitel (lat.) libri (M.Pl.) de usucapionibus überliefert. Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 130 Nerva pater (-33 n. Chr.) ist der römische Jurist, dessen Enkel Kaiser (96-98) wird. Er ist Haupt der -> Prokulianer. Die Titel seiner durch die Digesten überlieferten Schriften sind nicht bekannt. Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 120 Nettelbladt, Daniel (Rostock 14. 1. 1719-Halle 4. 9. 1791), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium (der Theologie und) des Rechts in Rostock, Marburg (Wolff) und Halle 1746 Professor in Halle. 1749 veröffentlicht er eine Übersicht über das Naturrecht ([lat.] Systema [N.] elementare universae iurisprudentiae naturalis, Grundsystem der gesamten Naturrechtswissenschaft) und das geltende Recht ([lat.] Systema elementare universae iurisprudentiae positivae, Grundsystem der gesamten positiven Rechtswissenschaft), in denen er die Rechte und Pflichten betreffenden Wahrheiten (objektive Rechtswissenschaft) unter Bildung allgemeiner Teile vermitteln will. In seinen Werken geht das -> Naturrecht in gewisser Weise in der Dogmatik des positiven Rechts auf. Als Einzelheit erwähnenswert ist die Entwicklung des allgemeinen prozessrechtswissenschaftlichen Begriffes der Prozesshandlung. Zu Nettelbladts Schülern gehören von Carmer, Svarez und Klein, die das preußische Allgemeine Landrecht (1794) maßgeblich prägen. Lit.: Köbler, DRG 156, 159; Schwarz, B., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 321; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970, 52 521 Neubruch (lat. [N.] novale) ist das neugerodete Land. Von ihm wird seit dem 8. Jh. ein ->Zehnt gefordert. Lit.: Pöschl, A., Der Neubruchzehnt, AKKR 98 (1918), 3 Neuenburg (Neuchâtel) erscheint auf der Grundlage älterer Siedlungen 1101 als neue Burg, die 1032/1033 zum deutschen Reich gelangt. Am 12. 9. 1814 schließt sich N. als 21. Kanton der -> Schweiz an. 1838 erhält es eine Universität. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Elert, K., Die Behördenorganisation von Neuchâtel, 1914; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 2,2,455, 3,2,1879; Bachmann, A., Die preußische Sukzession in Neuchâtel, 1993; Stribrny, W., Die Könige von Preußen als Fürsten von Neuenburg-Neuchâtel (1707-1848), 1998 Neuhegelianismus ist die Fortführung der Gedanken -> Hegels im späten 19. und frühen 20. Jh. Lit.: Kroeschell, DRG 3 Neukantianismus ist die Fortführung der Ge- danken Kants im späten 19. und frühen 20. Jh. Lit.: Kroeschell, DRG 3 Neumarkt in der Oberpfalz Lit.: Heinloth, B., Neumarkt, 1967 Neumarkter Rechtsbuch ist das für Neumarkt in Schlesien aus der vierten deutschen Fassung des Sachsenspiegels und dem 1235 verfassten Schöffenbrief Halles an Neumarkt wohl in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (1327/35) hergestellte, in einer unvollständigen Handschrift (des ersten Drittels?) des 14. Jh.s überlieferte Rechtsbuch. Das davon verschiedene Neumarkter Recht ist in zahlreichen Orten Schlesiens und Polens nachzuweisen. 1352 schließt sich Neumarkt dem Magdeburg-Breslauer Recht an. Lit.: Meinardus, O., Das Neumarkter Rechtsbuch, 1906; Kötzschke, R., Der hallische Schöffenbrief für Neumarkt in Schlesien und das älteste Neumarkter Recht, ZRG GA 31 (1910), 137; Sandow, E., Das Halle-Neumarkter Recht, 1932; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 60; Kannowski, B./Dusil, S, Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235 und der Sachsenspiegel, ZRG GA 120 (2003) 61 Neumünstersche Kirchspielbräuche sind gewohnheitsrechtliche, spät aufgezeichnete Rechtssätze des Kirchspiels Neumünster in Holstein. Lit.: Seestern-Pauly, F., Die Neumünsterschen Kirchspielgebräuche und die Bordesholmischen Amts- gebräuche, 1824; Sievers, H., Die Neumünsterschen Kirchspielbräuche und die Bordesholmischen Amtsgebräuche, Diss. jur. Kiel 1956 Neun Bücher des Magdeburger Rechts sind das zwischen 1400 und 1402 von dem seit 1385 in Thorn als Stadtschreiber nachweisbaren Walter Ekhardi aus der systematischen Fassung der -> Magdeburger Fragen, dem alten -> Kulm, dem glossierten -> Sachsenspiegel, dem Magdeburger Weichbild, dem Lehnrecht in Distinktionen und dem -> Meißner Rechtsbuch zusammengestellte Rechtsbuch. Um 1408 werden die Neun Bücher des Magdeburger Rechts unter Verwendung des Richtsteig Landrechts und des Schwabenspiegels auf die Hälfte gekürzt. Diese Fassung wird 1574 von dem Notar Albert -> Poelmann (Königsberg) in Magdeburg herausgegeben. Lit.: Amira, K. v. /Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 171; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 51 Neuostpreußen ist ein von Preußen bei den Teilungen -> Polens 1793/1795 erlangtes Gebiet. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon (Preußen); Bussenius, C., Die preußische Verwaltung in Süd- und Neuostpreußen 1793-1806, 1960 Neuß Lit.: Entner, G., Neuß, 1926 Neustadt an der Waldnaab Lit.: Sturm, H., Neustadt an der Waldnaab, 1978 Neustadt an der Weinstraße Lit.: Spieß, P., Die Stadtordnung Philipps des Aufrichtigen für Neustadt aus dem Jahre 1493, Mitt. d. hist. Ver. d. Pfalz 66 (1968), 197; Der Oberhof zu Neustadt an der Weinstraße 1, hg. v. Erler, A., 1968; Spieß, P., Verfassungsentwicklung der Stadt Neustadt, 1970 (Diss.) Neustrien (Westgebiet ?) ist ein Teil des fränkischen Reiches vom späten 6. Jh. (um 600 ?) bis zum 8. Jh. Lit.: Kretschmer, P., Das Rätsel des Namens Neustria, Forschungen und Fortschritte 14 (1938), 114; Lugge, M., Gallia und Francia im Mittelalter, 1960; La Neustrie, hg. v. Atsma, H., 1989 Neutralität ist die Nichtbeteiligung eines Staates an einer kriegerischen Ausei- nandersetzung. Sie findet sich seit dem ausgehenden Mittelalter, als bewaffnete N. seit 522 dem späten 18. Jh. 1856 begründet die Pariser Seerechtsdeklaration das moderne Neutralitäts- recht. Die Schweiz behauptet seit 1815, Österreich seit 1955 N. (2001 Allianzfreiheit). Lit.: Köbler, DRG 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 315; Bergbohm, C., Die bewaffnete Neutralität 1780-1783, 1884; Verosta, S., Die dauernde Neutralität, 1967; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Chevallez, G., Die Herausforderung der Neutralität, 1997; Setzen, F., Neutralität im zweiten Weltkrieg, 1997; Neff, S., The rights and duties of neutrals, 2000; Fischer, T., Die Grenzen der Neutralität, 2004 Neuwied Lit.: Stupp, H., Die rechtsgeschichtliche Entwicklung der Stadt Neuwied, Diss. jur. Bonn 1959 Neuzeit ist der dem Mittelalter folgende, durch zahlreiche Neuerungen (z. B. Entdeckung Amerikas 1492, neues heliozentrisches Weltbild, neues Verhältnis zu Gott, neue Beziehung zum Altertum usw.) gekennzeichnete Abschnitt der menschlichen Geschichte (Christoph Cellarius [Keller] [1634- 1707], Historia tripartita). Lit.: Köbler, DRG 129; Quellenkunde zur deutschen Geschichte der Neuzeit, Bd. 1ff. 1982ff.; Friedell, E., Kulturgeschichte der Neuzeit, Neudruck 1996; Skalweit, S., Der Beginn der Neuzeit, 1982; Spezialforschung und ,,Gesamtgeschichte", hg. v. Klingenstein, G. u. a., 1982; Handbook of European History 1400-1600, hg. v. Brady, T. u. a., Bd. 1f. 1994; Leimgruber, N., Die frühe Neuzeit, 1997; Vogler, G., Europas Aufbruch in die Neuzeit, 2003; Enzyklopädie der Neuzeit, hg. v. Jaeger, F., Bd. 1ff. 2004 Nevolin, Konstantin Alekseevic (1806-1855) wird nach dem Rechtsstudium in Sankt Petersburg und Berlin (Savigny) Professor in Kiew und seit 1843 in Sankt Petersburg. Er wirkt an der Abfassung des -> Svod Zakonov mit. In seiner Geschichte der juristischen Zivilgesetze setzt er sich für die Übernahme der Gedanken der -> historischen Rechtsschule in - > Russland ein. Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule Russlands, 1961; Wortman, R., The Development of a Russian legal Consciousness, 1976 Nexti canthichio ist eine salfränkische Wendung des (lat.-afrk.) -> thunginus des frühen 6. Jh.s (ich verstricke den Streitgegner [im Rahmen der Vollstreckung]?). Lit.: Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, 285 Nexum (lat. [N.] Verknüpfung) ist ein umstrittenes, vermutlich schon im 4. Jh. v. Chr. verbotenes Haftungsgeschäft des altrömischen Rechts, bei dem durch Erz und Waage, also wohl zunächst gegen tatsächliches Entgelt (Darlehen), jemand einem anderen eine Zugriffsmacht mit der Möglichkeit der Enthaftung durch Rückzahlung einräumt. Lit.: Kaser §§ 6 II, 7 I 3, 32 II 3b, 4c, 39 I 1; Söllner § 8; Köbler, DRG 27 Nichtanzeige geplanter Straftaten (§§ 138, 139 StGB) ist in Deutschland seit dem 20. Jh. hinsichtlich bestimmter schwerer Straftaten eine eigenständige Straftat. Lit.: Grunert, H., Die Strafbarkeit der Nichtanzeige geplanter Straftaten, 1943; Kisker, S., Die Nichtanzeige geplanter Straftaten, 2002 Nichtberechtigter ist die Person, der ein Recht (bzw. die Verfügungsmacht) zu dem von ihr geübten Verhalten fehlt. Nach dem römischen Recht kann von einem Nichtberechtigten grundsätzlich nicht erworben werden (lat. -> nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet). Dagegen eröffnet das mittelalterliche Recht den -> gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten. Lit.: Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in romanistischer Sicht, FS H. Coing, 1982, 363 Nichteheliche Lebensgemeinschaft ist die ohne Eheschließung ausgeübte Lebensgemein- schaft eines Mannes und einer Frau. Ursprünglich vor allem von der Kirche als -> Konkubinat oder Verhältnis bekämpft, setzt sich die n. L. seit etwa 1980 allmählich durch. Für sie gelten im Wesentlichen die allgemeinen Regeln, nicht dagegen die besonderen Bestimmungen über die eheliche Lebensgemeinschaft. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schwab, D., Eheschließungs- recht und nichteheliche Lebensgemeinschaft, FamRZ 1981, 1151; Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, hg. v. Landwehr, G., 1978; Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, hg. v. Eser, A., 1985; Schreiber, C., Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1995 Nichteheliches Kind ist in der Bundesrepublik Deutschland seit 19. 8. 1969 das uneheliche Kind. Dieses ist auch mit seinem Erzeuger verwandt. Gegenüber dem früheren Recht ist sein Unterhaltsanspruch erweitert und durch die Regelunterhaltsverordnung (27. 6. 1970) präzisiert. Dennoch bestehen nach 1969 weiter 523 Unterschiede zum ehelichen Kind (Feststellung der Vaterschaft, Name, elterliche Sorge, Unterhalt, Erbrecht). Am 12. 6. 1991 entscheidet das Bundesverfassungsgericht, dass den Eltern eines nichtehelichen Kindes gemeinsam das Sorgerecht zustehen kann. 1998 wird in Deutschland die Unterscheidung zwischen nichtehelichen Kindern und ehelichen Kindern beseitigt (Spanien 1979/1981). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 267; Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes, 1978; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und Ehescheidungsrechts, 1986; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 214; Heinrich, T., Das preußische Nichtehelichenrecht, 1993; Winkler, W., Nichteheliche Kinder und landwirtschaftliches Erbrecht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Arends Olsen, L., La femme et l'enfant, 1999; Schmitz, U., Der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger, 2000; Die Reform des Nichtehelichenrechts (1961-1969), hg. v. Schubert, W., 2003; Spaethe, J., Spaniens Abstammungsrecht, 2004 Nichterfüllung ist das Ausbleiben der Leistung eines Schuldners. Hier kennt bereits das römische Recht in vielen Fällen die Verurteilung zum Sachwert bzw. später den Schadenersatz. Dieses römische Recht wird seit dem Spätmittelalter weitgehend übernommen. Hieraus entwickelt sich das Leistungsstörungs- recht für -> Verzug, -> Unmöglichkeit und sonstige Pflichtverletzung (-> positive Forderungsverletzung). Die Einrede des nichterfüllten Vertrags entwickelt sich dabei aus römischem Recht und kirchlichem Recht im 15./16. Jh. Lit.: Kaser § 37; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung, 1965; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969; Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2000; Roos, C., Die Grundlagen und die dogmatische Entwicklung der Vorschriften zur Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2004; Seong, S., Der Begriff der nicht gehörigen Erfüllung, 2004 Nichtigkeit ist die völlige Unwirksamkeit einer an erheblichen, nicht billigenswerten Mängeln leidenden Handlung. Sie ist schon dem römischen Recht bekannt, ohne dass dieses eine durchgehende Begrifflichkeit ausbildet. Im Prozess betrifft sie das Urteil. Auch im seit dem Spätmittelalter aufgenommenen römischen Recht fehlt noch eine allgemein anerkannte Lehre der Unwirksamkeit von Verträgen, doch wird die Unwirksamkeit bereits als (lat. [F.]) nullitas bezeichnet. Lit.: Kaser §§ 9 I, 84 II 31; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 413; Kriechbaum, M., Teilnichtigkeit und Gesamtnichtigkeit, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 39 Nichtigkeitsbeschwerde ist die Nichtigkeit behauptende Beschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung. Sie wird auf umstrittener Grundlage in Italien seit dem 12. Jh. für grobe Verfahrensfehler (bei einer [lat.] sententia [F.] nulla) allmählich entwickelt (lat. querela [F.] nullitatis). Seit dem 16. Jh. wird sie im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) in unklarer Abgrenzung zur -> Appellation aufgenommen. Seit 1877/1879 kann eine Nichtigkeit nur in den gesetzlich fest umrissenen Fällen der -> Wiederaufnahme des Verfahrens geltend gemacht werden (Nichtigkeitsklage). Im Strafverfahren des Nationalsozialismus kann ein rechtskräftiges Urteil vom Oberreichsanwalt mit der N. angegriffen werden. -> Nichtigkeitsklage Lit.: Köbler, DRG 156, 235; Kroeschell, 20. Jh.; Skedl, A., Die Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 395; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 46 Nichtigkeitsklage ist die Klage, mit der die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens angestrebt werden soll. Sie wird im römisch-kanonischen Verfahren seit dem 12./13. Jh. in bestimmten Fällen zulässig (lat. actio [F.] nullitatis). Die Abgrenzung zu Appellation und Nichtigkeitsbeschwerde ist unscharf. Seit 1877/1879 kann eine N. nur in den gesetzlich fest umrissenen Fällen der -> Wiederaufnahme des Verfahrens erhoben werden. Eine besondere Ehenichtigkeitsklage ist in Deutschland seit 1. 7. 1998 nicht mehr vorgesehen. -> Nichtigkeitsbeschwerde Lit.: Köbler, DRG 117; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 393; Endemann, W., Das deutsche Zivilprozessrecht, 1868, Neudruck 1969, 937 Nichtschuld ist das Fehlen einer Verbindlichkeit. Bereits das klassische römische Recht gewährt bei Leistung auf eine N. einen Ausgleichsanspruch (lat. condictio 524 [F.] indebiti). Dieser wird seit dem Spätmittelalter im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen (Worms 1499). -> Bereicherung Lit.: Köbler, DRG 47, 166 Nicolai, Pierre-Thomas (Aubel 1763-1836), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Reims Advokat in Limburg, danach Richter im französisch gewordenen Gebiet, 1800 in Lüttich und seit 1820 Politiker. Er bewirkt, dass 1821 der bereits von -> Napoleon (1811) eingeführte französische -> Code civil die Grundlage der Beratung für das erst 1838 in Kraft getretene Burgerlijk Wetboek der -> Niederlande wird und damit die Niederlande im französischen Rechtskreis verbleiben und das 1830 verselbständigte -> Belgien vom neuen niederländischen Privatrechtsgesetzbuch erst gar nicht erfasst wird. Lit.: Dievoet, E. van, Het burgerlijke recht, 1943, 23 Niebuhr, Barthold Georg (Kopenhagen 27. 8. 1776-Bonn 2. 1. 1831), Geographensohn, wird nach dem Studium in Kiel, London und Edinburgh Staatsbediensteter in Dänemark (1800) und Preußen. Sein Hauptwerk ist die ,,Römische Geschichte" (Bd. 1ff. 1811ff.). 1816 entdeckt er auf einen Hinweis Savignys in der Bibliothek des Domkapitels von Verona eine Handschrift der Institutionen des -> Gaius (Palimpsest des 8. Jh.s einer Handschrift des 5./6. Jh.s.). Lit.: Söllner § 16; Gaius, Institutionum commentarii quattuor, hg. v. Studemund, G., 1874; Rytkönen, S., Barthold Georg Niebuhr, 1968; Wilte, B., Der preußische Tacitus, 1979 Niederdeutsch ist das nicht von der (althochdeutschen) Lautverschiebung erfasste, räumlich den niedrig liegenden Norden betreffende Deutsche (altniederfränkisch, altsächsisch, mittelniederdeutsch [z. B. -> Sachsenspiegel]), das in der Neuzeit schriftsprachlich dem Hochdeutschen unterliegt und nur noch umgangssprachlich fortbesteht (Plattdeutsch). Lit.: Köbler, G., Altniederdeutsch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altniederdeutsches Wörterbuch. 2. A. 1982; Niederdeutsche Sprache und Literatur der Gegenwart, hg. v. Stellmacher, D., 2004 Niederer Adel ist in neuzeitlich-abwertender Bezeichnung der nur ritterbürtige, teils aus der Unfreiheit aufgestiegene -> Adel im Gegensatz vor allem zum Landesherrschaft habenden Adel. Lit.: Stutz, U., Zum Ursprung und Wesen des niederen Adels, 1937; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Rödel, V., Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel, 1979 Niedere Vogtei ist im deutschen Südwesten der frühen Neuzeit ein aus dem Niedergericht hervorgegangenes Bündel grundherrschaft- licher und gerichtsherrlicher Rechte (des Reichssteuern einsammelnden Grundherrn?). Lit.: Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 78, 198 Niedergericht ist das für Klagen um -> Schuld und bewegliche -> Sachen sowie für leichtere Straffälle zuständige -> Gericht im Gegensatz zum -> Hochgericht und Blutgericht. N. ist etwa das Zentgericht, Gogericht, Schulzen- gericht, Vogteigericht, Erbgericht, Dorfgericht, Hofmarkgericht oder teilweise auch das Landgericht. Den Ausgangspunkt bildet wohl die Aussonderung einfacher Sachen aus dem Grafengericht bereits im Frühmittelalter. Im 13. Jh. steht das N. allgemein dem Landesherrn zu. Danach geht es weitgehend auf die Grundherren über (Patrimonialgericht). Die genaue Zuständigkeitsabgrenzung erfolgt zeitlich-räumlich nicht gleichmäßig. Lit.: Grosch, G., Das spätmittelalterliche Niedergericht auf dem platten Lande am Mittelrhein, 1906; Weimann, K., Das tägliche Gericht, 1913; Goetz, G., Niedere Gerichtsherrschaft und Grafengewalt im badischen Linzgau, 1913; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 1922, Neudruck 1958, 50; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergerichte, 1929; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 6; Linderkamp, H., Niedergerichtliche Strafformen und ihre Anwendung nach Quellen der Rechtspraxis, 1985; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000 Niederlagsrecht ist das Recht eines Ortes, von durchreisenden Händlern die Niederlage ihrer Waren zum Verkauf am Ort zu verlangen. Es ist beispielsweise im 13. Jh. für Breslau bezeugt. Es wird meist durch stadtherrliches Privileg erlangt. Es endet im Liberalismus des 18./19. Jh.s (Hannoversch-Münden 1823, Köln 1831). Lit.: Gönnenwein, O., Das Stapel- und Niederlagsrecht, 1939; Henning, F., Handelsordnungen des Mittelalters, in: Scripta mercaturae, Bd. 2 1970, 41 525 Niederlande sind der am Einfluss des Rheins in das Meer gelegene nordwestmitteleuro- päische Staat. Das betreffende, ursprünglich von Franken, Friesen und wohl auch Sachsen besiedelte Gebiet (anfangs zwischen Somme und Ems) gelangt nach dem Aussterben der für die N. 1473 in Mecheln einen obersten Gerichtshof errichtenden Herzöge von Burgund (1477) an die -> Habsburger, die es 1548 im Augsburger Vertrag vom Reich verselbständigen und 1555, nun als N. (frz. Pays d'en Bas) bezeichnet, in der spanischen Linie an Philipp II. geben. Seit 1565 wehren sich Adlige in dem seit etwa 1540 zunehmend zum Calvinismus bekehrten Gebiet (von insgesamt 17 Landen) gegen die Verdichtung der habsburgisch-spanischen Herrschaft, unter der 1570 Criminele Ordonnantië das Strafrecht festlegen. Mit dem 1. 4. 1571 beginnt ein Aufstand, in dessen Verlauf am 18. 7. 1572 zwölf Städte in Seeland und Holland Wilhelm von Oranien zum königlichen Statthalter wählen (1650-1672, 1702-1747, ab 1795 statthalterlos). 1581 entsteht daraus ein loser Staatenbund der sog. Generalstaaten (Republik der Vereinigten Niederlande). 1648 werden die seit 1635 mit Frankreich verbündeten Generalstaaten als eigener, vom Reich gelöster Staat (Republik) anerkannt. In ihm wählen die Stände den Statthalter, dessen Amt im Hause Oranien eine gewisse Erblichkeit erlangt. Zugleich erwerben die N. umfangreiche Kolonien. Seit 1798 beginnt unter der Herrschaft Frankreichs (1795) die Vereinheitlichung des bis dahin sehr zersplitterten (z. B. friesischen, holländischen, seeländischen, geldrischen), subsidiär gemeinrechtlich orientierten Rechts (1. 5. 1798 Staatsregelung für das batavische Volk [Verfassung], 1799 Entwurf einer Zivilprozessordnung und Kriminalprozessord- nung, 1801/1804 Entwurf eines peinlichen Gesetzbuchs, ab 1806/1807 Arbeiten an einem Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs). 1806 wandelt Napoleon die Republik in ein Königreich um (König Louis Bonaparte 1806- 1810). Zum 1. 2. 1809 wird nach dem Vorbild Frankreichs ein Kriminalgesetzbuch für das Königreich Holland und am 1. 5. 1809 das Gesetzbuch Napoleons (Code Napoleon, Bürgerliches Gesetzbuch) für das Königreich Holland in Kraft gesetzt. Am 9. 7. 1810 wird Holland mit Frankreich vereinigt. 1811 wird das Recht Frankreichs im ehemaligen Holland eingeführt. Mit Napoleons Niederlage lösen sich die N. 1813 als Fürstentum wieder von Frankreich. Im März 1814 wird eine Verfassung (Grundgesetz für die Vereinigten Niederlande) verkündet. Zur gleichen Zeit werden südliche Gebiete, die 1713/1714 von Spanien an Österreich gelangen, und das Hochstift Lüttich dem aus dem Fürstentum sich bildenden Königreich der Vereinigten N. angefügt. 1830 lösen sich diese teilweise frankophonen Gebiete im selbständig werdenden -> Belgien von den Niederlanden. Am 1. 10. 1838 erhalten die N. nach dem Vorbild des -> Code civil ein Bürgerliches Gesetzbuch (1970ff. erneuert), ein Handels- gesetzbuch, eine Zivilprozessordnung und eine Strafprozessordnung (1926 erneuert), 1881/- 1886 ein Strafgesetzbuch. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG; Köbler, DRG 129, 130, 170, 256; Fockema-Andreae, S., Overzicht van oud-nederlandsche Rechtsbronnen, 1881; Gratama, M., Het onuitgegeven Landrecht van Drenthe, 1883; Westerkamp, J., Das Bundesrecht der Republik der vereinigten Niederlande, 1890; Turba, G., Über das rechtliche Verhältnis der Niederlande zum deutschen Reich, 1903; Andreae, F., Über den Ursprung der niederländischen Rechte, ZRG GA 30 (1909), 1; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges, 1913; Gossen, J., De rechterlijke Organisatie van Zeeland, 1917; Müller, E., Eine niederländische Sachsenspiegelhand- schrift, ZRG GA 38 (1917), 305; Van Apeldoorn, Geschiedenis van het nederlandische huwelijksrecht voor de invoering van de fransche wetgeving, 1925; Blécourt, A., Kort begrip van het oud-vaderlandsch burgerlijk Recht, 1922, 2. Druk 1924 (mit Bewijsstukken, 1924, 1926), 6. A. 1950; Bijnkershoek, C. van, Observationes tumultuariae, hg. v. Meijers, E. u. a., Bd. 1f. 1926ff.; Gosses, J., Welgeboren en Huislieden, 1926; Schaap, H., Philips Wielant en diens Corte Instructie, 1927; Monté ver Loren, J. de, De historische ontwikkeling van de begripen bezit en eigendom, 1929 (Diss. jur. Utrecht); Fischer, H., De geschiedenis van de reëlle executie bij koop, 1934; Pitlo, R., De ontwikkeling der esecuteele, 1941; Dievoet, E. van, Het burgerlijk recht, 1943; Huizinga, J., Herbst des Mittelalters, 1945; Overdiep, G./Tjessinga, J. C., De Rechtsomgang van Franekeradeel 1406-1438, 1950; Aubin, H./Menzel, E., Die niederländischen Ansprüche auf die Emsmündung, 1951; 526 Feenstra, R., A quelle époque les Provinces-Unies sont- elles devenues indépentes, TRG 20 (1952), 30, 182; Vries, K. de, Bijdrage tot de kennis van het strafprocesrecht in de Nederlandse steden, (1956); Lademacher, H., Die Stellung des Prinzen von Oranien als Statthalter in den Niederlanden von 1572 bis 1584, 1958; Schneppen, H., Niederländische Universitäten und deutsches Geistesleben, 1960; Westerink, G., Doornspijk en Elburg, 1961; Andreae, F., De Nederlandse staat, 1961; Costumen van's-Gravenhage 1451-1609, hg. v. Hart, G. t' u. a., 1963; Petri, F., Die Kultur der Niederlande, Handbuch der Kulturgeschichte, Lieferungen 68-72, 80-84, 1964; Wedelind, W.-, Bijdrage tot de kennis van de ontwikkeling van de procesgang in civiele zaken, 1971; Bibliografie Nederlandse rechtsgeschiedenis, hg. v. 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Es steht am Beginn der Geschichte von (ahd.) ostarrihhi (996). Zeitweise besteht eine erweiterte Ländergruppe N. Nach der Herausnahme Wiens aus N. als eigenes Bundesland gibt sich N. eine eigene Hauptstadt in St. Pölten. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Motloch, T., Bericht des Dr. Wolfgang Püdler über den Entwurf einer Landtafel, ZRG GA 21 (1900), 235; Von der Ennswaldsiedlung zur niederösterreichischen Stadt Haag, bearb. v. Frieß, E. u. a., 1957; Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherrschaft, 1964; Mitterauer, M., Zollfreiheit und Marktbereich, 1969; Feigl, H., Der niederösterreichische Bauernaufstand 1596/97, 1972; Brauneder, W., Zur Gesetzgebungsgeschichte der niederösterreichischen Länder, FS H. Demelius, 1973, 1; Die Rechtsquellen der Stadt Weitra, hg. v. Knittler, H., 1975; Wesener, G., Das Verfahren vor der niederöster- reichischen und innerösterreichischen Regierung, Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 27 (1979), 181; Die Auswirkungen der theresianisch-josephinischen Reformen auf die Landwirtschaft, hg. v. Feigl, H., 1982; Schmitz, C., Die Anfänge des Parlamentarismus in Niederösterreich, 1985; Feigl, H., Recht und Gerichtsbarkeit in Niederösterreich, 1989; Kohl, G., Die Anfänge der modernen Gerichtsorganisation in Niederösterreich, 2000 Niederrhein (Rhein in seinem der Mündung in die See nahen Verlauf samt dem umliegenden 527 Gebiet) Lit.: Becker, N., Das Land am unteren Niederrhein, 1992 Niedersachsen ist ein am 1. 11. 1946 vor allem aus dem Land Hannover Preußens, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg- Lippe gebildetes deutsches Bundesland. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Roshop, U., Die Entwicklung des ländlichen Siedlungs- und Flurbildes in der Grafschaft Diepholz, 1932; Niedersächsischer Städteatlas, Abt. 2 Einzelne Städte, hg. v. Meiler, P, 1933ff.; Mauersberg, H., Beiträge zur Bevölkerungs- und Sozialgeschichte Niedersachsens, 1938; Angres, D., Die Geschichte der Vogtei in der Stadt Hameln, 1951; Niedersächsisches Städtebuch, hg. v. Keyser, E., 1952; Schnath, G., Das Sachsenross, 1958; Hagemann, A., Um die Fohlentheorie, ZRG GA 81 (1965), 365; Schnath, G. u. a., Geschichte des Landes Niedersachsen, 2. A. 1973, Neudruck 1988; Geschichte Niedersachsens, hg. v. Patze, H., Bd. 3, 1 1988; Hucker, B. u. a., Geschichte Niedersachsens, 1997; Übergang und Neubeginn, hg. v. Merker, O., 1997; Niedersächsische Juristen, hg. v. Rückert, J. u. a., 2003 Niederschlesien -> Schlesien Lit.: Kroeschell, DRG 3 Niemand kann zwei Herren dienen. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. von R. Schmidt-Wiegand, 1996, 177 (Matthäus 6,24) Nießbrauch (lat. [F.] ususfructus) ist die Belastung einer Sache in der Weise, dass der, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzung (z. B. Mietzinsen) der Sache zu ziehen. Der N. entwickelt sich in Rom wohl seit dem 3. Jh. v. Chr. zur Versorgung von Witwen und Töchtern. Dem entspricht auch das deutsche Recht (-> Leibgeding u. a.). Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen und ususfructus als N. übersetzt. Lit.: Kaser § 29 I; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 41, 61; Hübner, R., Donationes post obitum, 1888; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Deichmann, P., Das Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher, Diss. jur. Bonn 1998; Heger, M., Der Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht, 2004 Niftelgerade -> Gerade Nihil obstat (lat.). Es steht nichts entgegen Nikolaus de Tudeschis (Catania 1386-Palermo 1445 [Panormitanus]) wird nach dem Studium des Kirchenrechts in Bologna 1412 Professor in Bologna, danach in Parma und Siena, 1434 Erzbischof von Palermo. Vielfach wird er im Rahmen des Konzils von Basel tätig (1432- 1433, 1436-1439). Zwischen 1420 und 1430 verfasst er die (lat.) Commentaria (N.Pl.) in quinque decretalium libros (Kommentare in die fünf Bücher Dekretalen). In dieser bedeu- tendsten Leistung der Kirchenrechtswissen- schaft des 15. Jh.s übernimmt er bereits in Bezug auf allgemeine Rechtsbegriffe Vorstellungen aus dem weltlichen Recht der Kommentatoren (-> Bartolus). Lit.: Nörr, K., Kirche und Konzil bei Nicolaus de Tudeschis, 1964 Nikolaus von Kues (Kues 1401-Todi 11. 8. 1464), Sohn des Schiffers Johann Cryftz (Henne Krebs), wird nach dem Studium der freien Künste in Heidelberg und des Kirchenrechts in Padua Berater des Erzbischofs von Trier, 1448 Kardinal und 1450 Bischof von Brixen. Er ist in Abkehr von der -> Scholastik einer der ersten Humanisten Deutschlands. Für die Verfassungsgeschichte ist seine (lat.) Concordantia (F.) catholica (1433, Katholische Konkordanz) von großer Bedeutung, in der er aus dem Gesichtspunkt des Ausgleichs von Gegensätzlichkeiten ein Reformprogramm für das Reich vorschlägt. Lit.: Köbler, DRG 99, 110; Molitor, E., Nikolaus von Cues und die deutsche Rechtsgeschichte, ZRG 40 (1919), 273; Nicolai de Cusa opera, hg. Meiner, F., Bd. 1ff. 1932ff.; Cusanus-Gedächtnisschrift, hg. v. Grass, N., 1970; Grass, N., Cusanus und das Volkstum der Berge, 1972; Meuthen, E., Nikolaus von Kues, 6. A. 1985; Flasch, K., Nikolaus von Kues, 1988; Flasch, K., Nicolaus Cusanus, 2001; Nikolaus von Kues, hg. v. Winkler, N., 2001 Nimwegen (Nijmegen) am südlichen Waalufer erscheint auf der Grundlage älterer Siedlungen 69/70 n. Chr. als römisches Batavodurum, das um 104 n. Chr. in Ulpia Noviomagus (Neumarkt) umbenannt wird. 1230 wird es Reichsstadt. 1577 gelangt es an die Nieder- lande. 1923 erhält es (nach einem frühneuzeitlichen Vorläufer) eine (katholische) Universität (2004 Radboud-Universität). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Leupen, R./Thissen, B., Bronnenboek van Nijmegen, 1981; Clevis, H., Nijmegen, 1990 nobilis (lat.) adelig -> Adel Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Nobiles und Gemeinfreie, ZRG GA 19 (1898), 76; Stadtadel und 528 Bürgertum, hg. v. Elze, R. u. a., 1991; Nobilitas, hg. v. Oexle, G. u. a., 1997 Noblesse de robe ist eine Bezeichnung für die in der frühen Neuzeit einsetzende Gleichstellung der Inhaber hoher Ämter in Recht und Verwaltung mit dem Adel (z. B. Edikt Ludwigs XIV. von 1644). Den (lat.) doctor (M.) iuris stellt bereits -> Bartolus im 14. Jh. dem Adligen gleich. Lit.: Bluche, F./ Durye, P., L'anoblissement par charges avant 1789, Bd. 1f. 1962 nocivi (M.Pl.) terrae (lat.) -> landschädliche Leute Lit.: Köbler, DRG 117 nominatio (lat. [F.]) Benennung (eines Bewerbers für ein Amt) nomos (griech. [M.]) Gesetz Lit.: Nomos und Gesetz, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995 Nona (lat. [F.] Neunte) ist eine im Frühmittelalter kurzzeitig bestehende Abgabe des Zehntels der Erträge neben dem -> Zehent. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kotte, R., Studien zum Einfluss des Alten Testamentes, 2. A. 1970, 57 Nonne (F.) Ordensangehörige Lit.: Weinhandl, M., Deutsches Nonnenleben, 1921; Parisse, M., Les nonnes, 1983; Medieval religions Women, 1984ff. Noodt, Gerard (Nijmegen 1647-Leiden 1725) wird nach dem Rechtsstudium im Nijmegen, Leiden und Franeker Advokat und 1671 Professor in Nijmegen, 1679 in Franeker, 1684 in Utrecht und 1686 in Leiden. Seine meist kleineren Schriften weisen ihn als antiquarischen Humanisten aus, der durch seine kritisch-vernünftige Grundhaltung die Aufklärung vorzubereiten hilft. Lit.: Bergh, G. van den, The Life and Work of Gerard Noodt, 1988 Nordatlantische Verteidigungsorganisation (North Atlantic Treaty Organization, NATO) Lit.: Masala, C., Den Blick nach Süden?, 2003 Norddeutscher Bund ist ein auf Vorschlag -> Preußens am 18. 8. 1866 an Stelle des aufgelösten -> Deutschen Bundes tretender Bundesstaat (22) norddeutscher Staaten (Preußen mit Lauenburg, die nördlich des Mains gelegenen Teile des Großherzogtums Hessen, 17 Monarchien, 3 Stadtrepubliken). Seine Verfassung vom 16. 4. 1867 tritt am 1. 7. 1867 in Kraft (Präsidium [König von Preußen] mit gegenzeichnungsberechtigtem Bundeskanz- ler, Reichstag, Bundestag, 1869 Bundes- oberhandelsgericht in Leipzig). Nach dem mit süddeutscher Waffenhilfe errungenen Sieg über Frankreich treten Baden, Hessen-Darmstadt (15. 11. 1870), Bayern (23. 11. 1870) und Württemberg (25. 11. 1870) durch Verträge dem zum 1. 1. 1871 zum -> Deutschen Reich umgeformten Norddeutschen Bund bei. Der Norddeutsche Bund erlässt u. a. ein Gesetz über die Freizügigkeit (1. 11. 1867), über die Gleichberechtigung der Konfessionen (3. 6. 1869), eine Gewerbeordnung (21. 6. 1869), ein Strafgesetzbuch (31. 5. 1870) und ein Bundes- und Staatsangehörigkeitsgesetz (1. 7. 1870). Lit.: Köbler, DRG 172, 194; Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Hiersemenzel, E., Die Verfassung des Norddeutschen Bundes, 1867; Binding, K., Die Gründung des Norddeutschen Bundes, 1889; Wilhelm R., Das Verhältnis der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund, 1978; Schubert, W., Der Ausbau der Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund, FS R. Gmür, 1983, 149; Pollmann, Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985 Norddeutscher Reichsbund ist ein im August 1806 von Preußen geplanter, spätestens am 9. 7. 1807 verhinderter Bund norddeutscher Staaten unter einem Direktorium des Kaiser- tums Preußen und der Königtümer Sachsen und Hessen. Lit.: Conrad, H., Rheinbund und Norddeutscher Reichsbund, in: Gedächtnisschrift H. Peters, 1967, 50 Nordeuropa -> Skandinavien Lit.: Dethlefsen, O., Die nordische Einheitsbewegung, 1941 Nordhausen Lit.: Meißner, G., Das Kriegswesen der Reichsstadt Nordhausen, 1939 Nordhorn Lit.: Specht, H., Stadt- und Wirtschaftsgeschichte von Nordhorn, 1941 Nordisches Recht ist die Gesamtheit des älteren skandinavischen (altnorwegisch- isländischen, altschwedischen und altdänischen) Rechts. Es ist seit dem 12. Jh. in zahlreichen volkssprachigen Rechtsbüchern Norwegens ([ostnorwegisch] Borgarthingsbok, Eidsivathingsbok, [westnorwegisch] Frosta- thingsbok, Gulathingsbok, Hirdskra), Islands (Ulfljots log, Haflidaskra 1117/1118, Gragas 1258/1271), Schwedens (Westgötalagh 1220-2. H. 13. Jh., Ostgötalagh um 1300, Gutalagh 529 1285, Södermannalagh Ende 13. Jh.s?, Westmannalagh um 1330, Helsingelagh 1329/1350, Uplandslagh 1296) und Dänemarks (Skanske Lov 1200/1210, Liber legis Scaniae, Sialanzfarae logh vor 1241, Jyske Lov bzw. Jydske Lov 1241) überliefert, die öfter einen eigenen Abschnitt Christenrecht enthalten. Dazu kommen als Gesetzbücher das Landrecht (Landslög) König -> Magnus Hakonarsons von 1274, das Stadtrecht von Bergen (1276), die Jarnsida (1271/1273), die Jonsbok (1281) und das schwedische Landrecht König Magnus Erikssons (1347). Die älteren Verhältnisse um die Jahrtausendwende bezeugen die Isländersagas. Die Gegebenheiten am Königshof lässt der altnordische Königsspiegel (1260/1265) erkennen. -> Dänemark, -> Finnland, -> Island, ->Norwegen, -> Schweden Lit.: Grenander, B., Ur förhandlingsprincipens historia, 1879; Amira, K. v., Nordgermanisches Obligationenrecht, Bd. 1f. 1882ff.; Brandt, F., Forelsninger over den norske Retshistorie, 1883; Lehmann, K., Verzeichnis der Literatur der nordgermanischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 7 (1886), 205; Lehmann, K., Zur Abwehr, ZRG GA 8 (1887), 165; Lehmann, K., Zweiter Nachtrag, ZRG GA 8 (1887), 170; Lehmann, K., Verzeichnis der von 1887 bis 1888 erschienenen Literatur, ZRG GA 10 (1889), 246; Vleuten, M. van, Die Grunddienstbarkeiten nach altwestnordischem Rechte, 1902; Maurer, K., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1907ff.; Motzfeldt, U., Den norske Vasdragsrets Historie, 1908; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Lehmann, K., Zum altnordischen Kriegs- und Beuterecht, 1913; stberg, K., Norsk Bonderet If., 1914ff.; Pappenheim, M., Rasengang und Fußspurzauber, ZRG GA 40 (1919), 70; Bull, E., Leding, (um 1922); Taranger, A., Norsk familierett, 2. A. 1926; Schultze, A., Die Rechtslage des alternden Bauers nach den altnordischen Rechten, ZRG GA 51 (1931), 258; Vogt, W., Fluch, Eid, Götter ­ altnordisches Recht, ZRG GA 57 (1937), 1; Schwerin, C. Frhr. v., Dänische Rechte, 1938; Schultze, A., Zum altnordischen Eherecht, 1939 (SB Leipzig); Eckhardt, K., Nordische Chronologie, 1940; Eckhardt, K., Der Wanenkrieg, 1940; Eckhardt, K., Bragi, der Alte, ZRG GA 62 (1942), 1; Erler, A., Das Ritual der nordischen Geschlechtsleite, ZRG GA 64 (1944), 86; Rehfeldt, B., Saga und Lagsaga, ZRG GA 72 (1955), 34; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1f. 4. A. 1960; See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Nordisk rättshistorisk litteratur 1956-1965, zusammengestellt v. Carlsson, S., 1972; Forssell, H., Tredjemansskydetts gränser, 1976; Ehrhardt, H., Der Stabreim in altnordischen Rechtstexten, 1977; Modéer, K., Nordische rechtshistorische Literatur, ZNR 1 (1979); Nordisk rättshistorisk litteratur 1966-1975, zusammengestellt v. Carlsson, S., 1980; Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Dübeck, J., De nordiske lovböger, in: Rättshistoriska studier II 4, 1988; Rechtsgeschichte und theoretische Dimension, red. v. Peterson, C., 1990; Björne, L., Nordisk Rättskällelära, 1991; Grönberg, L., Nordisk rättshistorisk litteratur 1976-1980, 1991; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993; Björne, L., Patrioter och institutionalister, Den nordiska rättsvetenskapens historia del I 1995 (bis 1815); Björne, L., Brytningstiden, Den nordiska rättsvetenskapens historia del II 1998 (1815-1870), Björne, L., Den konstruktiva riktningen. Den nordiska rättsvetenskapens historia del III 1871-1910, 2002; Tamm, D., Justizforschung, germanisches Recht und nordische Rechtsgeschichte, ZRG 120 (2003), 347; Ruthström, B., Land och f, 2003; Sandström, M., Rättsvetenskapens Princip, 2004 Nördlingen Lit.: Nördlinger Stadtrechte des Mittelalters, hg. v. Müller, K., 1933; Kudorfer, D., Nördlingen, 1974 Nordrhein-Westfalen ist ein vor allem aus Teilen Preußens am 23. 8. 1946 gebildetes deutsches Land. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hundert Jahre Kreisordnung in Nordrhein-Westfalen, 1988; Romeyk, H., Kleine Verwaltungsgeschichte Nordrhein- Westfalens, 1988; Freis, G., Die Reform der Gemeindeverfassung, 1998 Nordsee Lit.: Aubin, H., Rechtsgeschichtliche Betrachtungen zum Norseeraum, ZRG GA 72 (1955), 1 Noricum ist eine nach ihren zwischen 12 und 9 v. Chr. von den Römern unterworfenen, vorrömischen Bewohnern (Norer, Noriker) und deren Reich (um 200 v. Chr.) benannte römische Provinz (50 n. Chr.-5. Jh.) in den Alpen. In der Folge wird bis in das 15. Jh. Bayern auch als N. bezeichnet. Lit.: Köbler, DRG, 28, 50; Baltl/Kocher; Zibermayr, I., Noricum, Baiern und Österreich, 1944, 2. A. 1956; Alföldy, G., Noricum, 1974 Norm ist eine seit dem 13. Jh. aus dem Lateinischen aufgenommene Bezeichnung für Regel, Vorschrift oder Rechtssatz. Lit.: Beyerle, F., Über Normtypen und Erweiterungen 530 der Lex Salica, ZRG 89 GA (1972), 1; Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281; Wesener, G., Die privatrechtlichen Normen des usus modernus, in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, 279; Heidemann, C., Die Norm als Tatsache, 1997; Norm und Tradition, 1998; Brinkmann, B., Varietas und veritas. Normen und Normativität in der Zeit der Renaissance, 2001 Normaljahr ist ein für eine rechtliche Folge als normal zugrunde gelegtes Jahr (z. B. 1624 für den Bekenntniszustand im Westfälischen Frieden von 1648). Lit.: Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, Diss. jur. Frankfurt am Main, 1973 Normandie ist die östlich an den Kanal zwischen dem europäischen Festland und England angrenzende, im 9. Jh. von den -> Normannen eroberte Landschaft. Von hier aus wird 1066 der Herzog der N. König von -> England. Über Heinrichs I. von England Tochter Mathilde kommt die N. an die Anjou bzw. Plantagenets (1144/1150), die auch Anjou (1151), Aquitanien (1152) und England (1154) beherrschen. 1204 erobert der König von Frankreich die N. zurück. Nach ihrer Wiedergewinnung durch England (1417-1420) gelangt sie 1450 endgültig an Frankreich zurück. 1199/1200 bzw. 1220 entsteht der Trs ancien -> coutumier de Normandie, zwischen 1254 und 1258 der Grand coutumier de Normandie ([lat.] Summa [F.] de legibus Normannie). Lit.: Le trs ancien coutumier de Normandie, hg. v. Tardif, E., 1881; La Summa de legibus Normannie in curia laicali, hg. v. Tardif, E., 1896; Arresta communia Scacarii, hg. v. Perrot, E., 1910; Pissard, H., La clameur de haro dans le droit normand, 1911; Instrucions et ensaignements, hg. v. Besnier, G. u. a., 1912 ; Atiremens et jugiés d'échiquiers, hg. v. Génestal, R. u. a., 1921 ; Plaids de la sergenterie de Mortemer 1320-1321, hg. v. Génestal, R., 1924; Yver, J., Les contrats dans le trs ancien droit normand, 1926; Yver, J., L'interdiction de la guerre privée, in : Travaux de la semainde d'histoire du droit Normand 1927, 1928 ; Besnier, R., La représentation successorale, 1929 ; Index des termes juridiques et économiques contenus dans le recueil des jugements de l'echiquier de Normandie au 13e sicle v. Delisle, L./Génestal, R., 1929; Génestal, R., Études de droit privé normand, 1 La tutelle, 1930; Le Foyer, J., L'offoce héréditaire du Focarius regis Angliae, 1931; La Besnier, R., Coutume de Normandie,, 1935; Besnier, R., Les donations entre époux, RHDFE 1936, 701 ; Histoire de la Normandie, 1970; Le Patourel, J., The Norman Empire, 1976; England and Normandy, hg. v. Bates, D. u. a., 1994; Musset, J., Le régime des biens entreépoux, 1997 ; Neveux, F., La Normandie, 1998 Normanne (Nordmann) ist der in Nordfrankreich (Normandie) im 9./10. Jh. sesshaft werdende -> Wikinger. Von dem 911 an der unteren Seine auf überlassenen Land gegründeten Fürstentum (nach 987 Herzogtum) aus greifen die bald christianisierten und romanisierten Normannen 1066 nach England aus. Die seit 1016 in Unteritalien als Söldner verwendeten Normannen erhalten von Kaiser Konrad II. 1038 die Grafschaft Aversa und erobern zwischen 1057 und 1085 die Güter Byzanz` und langobardischer Fürsten sowie 1061-1091 von den Arabern (Sarazenen) -> Sizilien. 1130 wird Roger II. König von Sizilien und verbindet normannisch-romanische Gegebenheiten mit griechischen und arabischen. Bis zum 13. Jh. gehen die Normannen in der unterworfenen Bevölkerung auf. Lit.: Köbler, DRG 94; Haskins, C., The Normans, 1915; Kehr, P., Die Belehnungen der süditalienischen Normannenfürsten durch die Päpste (1059-1192), 1934 (SB Berlin); Guillaume de Poitiers, Histoire de Guillaume le Conquérant, hg. v. Foreville, R., 1952; Norwich, J., Die Normannen in Sizilien, 2. 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Ihre ersten Ansätze finden sich vielleicht noch im Heiligen römischen Reich (bzw. 1803 in den Vereinigten Staaten von Amerika in der Entscheidung Marbury vs. Madison), jedenfalls im 19. Jh., während die N. in Frankreich weitgehend fehlt. Im Deutschen Reich erfolgt sie zuerst durch das Obergericht Danzig ab 1923. Für die N. des bundesdeutschen Rechts ist hauptsächlich das - > Bundesverfassungsgericht zuständig. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Die amerikanische Verfassung und deutsch-amerikanisches Verfassungsdenken, hg. v. Wllenreuther, H. u. a., 1987; Herrmann, N., Entstehung, Legitimation und Zukunft der konkreten Normenkontrolle im modernen Verfassungsstaat, 2001; Hoffmann-Riem, W., Das Ringen um die verfassungsgerichtliche Normenkontrolle, JZ 2003, 269; Wittreck, F., Die Anfänge der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle in Deutschland, ZRG GA 121 (2004), 415 Northeim Lit.: Lange, K., Der Herrschaftsbereich der Grafen von Northeim 950-1144, 1969 Norwegen ist der im Westen der skandinavischen Halbinsel gelegene Staat. Um 900 (872) überwindet hier König Harald I. das Kleinkönigtum. Um 1000 erfolgt die Christianisierung. 1274 schafft König Magnus Lagaboetir ein Landrecht (landslög) in neun Teilen sowie ein allgemeines Stadtrecht (bjarkeyjar réttr). Von 1319 (Aussterben des Königshauses im Mannesstamm) bis 1355 (Magnus VII. Eriksson, 1343 Hakon VI.) und von 1380 (Olaf IV. Hakonsson, 1397 Kalmarer Union von Norwegen, Dänemark und Schweden) bis 1435 bzw. 1521 ist N. (auch) mit Schweden verbunden. Von 1387 bis 1814 ist der König von Dänemark König von N. Seit 1536 ist N. überhaupt Teil Dänemarks. Von 1814 bis 1905 ist der König von Schweden nach der Loslösung Norwegens von Dänemark König von Norwegen. 1905 wird ein dänischer Prinz zum König des durch Volksabstimmung von Schweden verselbständigten N. gewählt. Lit.: Norges gamle Love, 1. Abteilung (bis 1387) 1846ff., 2. Abteilung (1388-1604) 1904ff.; Boden, F., Das Urteil im altnorwegischen Recht, ZRG GA 24 (1903), 1; Aubert, L., Grund bgernes Historie i Norge Danmark og tildels Tyskland, 1892; Bugge, A., Studier over de norske byers selvstyre, 1899; Boden, Das altnorwegische Stammgüterrecht, ZRG GA 22 (1901), 109; Haff, K., Volksgericht und Repräsentationsgericht in Norwegen, ZRG GA 42 (1921), 464; Rynning, L., Allemandsret, 1928; Taranger, A., Trondheimens Forfatningshistorie, 1929; Vogt, W., Zum altnorwegi- schen Königsfrieden, ZRG GA 52 (1932), 1; Norwegisches Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings, übersetzt v. Meißner, R., 1935; Vogt, W., Altnorwegens Urfehdebann und der Geleitschwur, 1936; Meißner, R., Das norwegische Gefolgschaftsrecht, 1938; Hirskrá, hg. v. Meißner, R., 1938; Frost, J., Das norwegische Bauernerbrecht, 1938; Johnsen, O., Norwegische Wirtschaftsgeschichte, 1939; Frost, J., Über das Alter des norwegischen Aasätesrechts, ZRG GA 61 (1941), 250; Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des Eidsivathings, hg. v. Meißner, B., 1942; Authén-Blom, G., Kongemakt og privilegier i Norge inntil 1387, 1967; Gureviè, A., (Die freie Bauernschaft des feudalen Norwegens), 1967 (russisch mit englischer Zusammenfassung); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,991, 2,2,517, 4,4,375; Ekbom, C., Viennetionden i Norge, 1976; Holmsen, A., Norges historie, 1977; Merzbacher, F., Das Landrecht des Königs Magnus Hakonarson lagaboetir, ZRG GA 99 (1982), 252; Danske og Norske Lov i 300 r, hg. v. Tamm, D., 1987; Lindemann, R., Norwegen 1986; Austrup, G./Quack, U., Norwegen, 1989; Berge, F., Norsk historie 1905-1990, 1992; Aschehougs Norgeshistorie, Bd. 1ff. 1994ff.; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Bohn, R., Reichskommissariat Norwegen, 2000; Dänemark, Norwegen und Schweden im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, hg. v. Asche, M. u. a., 2003; Historia Norwegie, hg. v. Ekrem, I. u. a., 2003; Iversen, T., Knechtschaft im mittelalterlichen Norwegen, 2004 Not (Zwangslage) -> echte Not Notar ist ein (vom Staat) zur Wahrnehmung bestimmter Rechtspflegeaufgaben bestelltes unabhängiges Organ der Rechtspflege. Der N. entwickelt sich aus dem spätantiken Schreiber (Schnellschreiber) bzw. Tabellionar. Er erscheint am Beginn des Hochmittalters (10./11. Jh.) in Oberitalien (in Bologna ab etwa 1030 tabellio statt notarius, in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s Rückbindung an die Autorität des Kaisers oder der Kommune, 1283 umfasst die Bologneser Notarsmatrikel 1059 Namen, im 13. Jh. werden in Lucca [bei einem Notar auf rund 100 Bewohner] vielleicht 532 1000000 Urkunden ausgefertigt, von denen noch 10000 erhalten sind), im frühen 13. Jh. in Frankreich und ab 1275 auch im deutschen Reich. N. ist zunächst kein ausschließlicher Beruf. Der N. wird vor allem vom Kaiser (1186, 1191), Papst oder Hofpfalzgrafen ernannt. 1512 erlässt das Reich eine Reichsnotariatsordnung. Seit 1701 versucht Preußen, kaiserliche Notare aus seinem Hoheitsgebiet fern zu halten und verlangt eine besondere Immatrikulation an einem Justizkollegium in Preußen. 1771 verzichtet es auf ein kaiserliches Notariatsdiplom als Voraussetzung für die Immatrikulation als Notar in Preußen. 1780 erhalten Advokaten, für die keine Assistenzratstelle vorhanden ist, ein Notariat. Später entwickeln sich Gebiete des Nurnotariates (z. B. Bayern, Österreich) neben Gebieten des Anwaltsnotariates (z. B. Hessen) oder des beamteten Bezirksnotariates (Württemberg). 1849 benennt Preußen den Aufgaben der Notare und Advokaten wahrnehmenden Justizkommissar in Anwalt um und schafft damit nominell das Anwaltsnotariat. 1934 erhalten die Notare in Preußen die Möglichkeit der Aufnahme der Auflassung. Seit 28. 8. 1969 ist in der Bundesrepublik Deutschland die Beurkundung allgemein den Notaren vorbehalten. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 117, 270; Weißler, A., Zur Geschichte des preußischen Notariats, 1914; Petrucci, A., Notarii, 1958; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Gerig, H., Los signos notariales mas antiguos de Colonia, Centenario de la ley del notariado 4, 2, 2 (1963), 145; Amelotti, M./Costamagna, G., Alle origini del notariato italiano, 1975; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977; Krause, H., Zur apostolisch-kaiserlichen Doppelautorisation öffentlicher Notare in der Oberpfalz, ZRG GA 95 (1978), 244; Marti, H., Die ersten Notare im Berngebiet, Der bernische Notar 46 (1985); Schuler, P., Die Notare Südwestdeutschlands, 1987 (mehr als 1500 Personen); Bautier, R., Chartes, sceaux et chancelleries, 1990; Cheney, C. u. a., Notai in Inghilterra, 1991; Frischen, H., Die 44. Novelle, Dt. Notarzs. 1992, 403; Nve, P., Schets van een geschiedenis van het notarisambt, 1995; Notar- und Rechtsgestaltung, hg. v. d. rheinischen Notarkammer, 1998; Schüler, H., Die Entstehungsgeschichte der Bundesnotarordnung vom 24. Februar 1961; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Osterburg, D., Das Notariat in der DDR, 2004 Notariat ist das Amt und der Amtsraum eines - > Notars sowie eine Gesamtheit von Notaren. Lit.: Kroeschell, DRG 1,2; Oesterley, F., Das deutsche Notariat, Teil 1f. 1842ff., Neudruck 1975; Weißler, A., Zur Geschichte des preußischen Notariats, 1914; Koechling, L., Untersuchungen über die Anfänge des Notariats in Deutschland, 1925; Luschek, F., Notariatsurkunde und Notariat in Schlesien, 1940; Petrucci, A., Notarii, 1958; Conrad, H., Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, Deutsche Notarzs. 55 (1960), 3; Schultze- von Lasaulx, H., Geschichte des hamburgischen Notariats, 1961, 2. A. 1980; Schiltkamp, J., De geschiedenis van het notariaat in het octrooigebied van de west-indische compagnie, 1964; Knemeyer, F., Das Notariat im Fürstbistum Münster, Diss. jur. Münster 1964 = Westfäl. Zs. 114 (1964), 1; Meyer, A., Die Notariatsordnungen von 1512 und 1871, 1971; Laske, W., Das österreichische Notariat im Zeitalter des Absolutismus bis 1806, ZRG GA 92 (1975), 132; Amelotti, M./Costamagna, G., Alle origini del notariato italiano, 1975; Schuler, P., Geschichte des südwestdeutschen Notariats, 1976; Carlen, L., Notariatsrecht in der Schweiz, 1976; Trusen, W., Zur Geschichte des mittelalterlichen Notariats, ZRG RA 98 (1981), 369; Sibler, G., Entwicklung des Zürcher Notariats, 1983; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat der Stadt Limburg, Diss. jur. Gießen 1988; Lönnecker, H., Das Notariat in Hessen, Diss. phil. Marburg 1989; Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, hg. v. Grziwotz, H., 1995; Neschwara, C., Geschichte des österreichischen Notariats, 1996; Notar und Rechtsgestaltung, 1998; Meyer, A., Felix et inclitus notarius, 2001; Neschwara, C., Österreichs Notariatsrecht in Mittel- und Osteuropa, 2000; Het notariaat in de Lage Landen ( 1250-1842), hg. v. Gehlen, A. u. a., 2005 Notariatsimbreviatur -> Notariat, Imbreviatur Notariatsinstrument ist im Mittelalter die vom -> Notar ausgestellte -> Urkunde. In Bologna erscheint die erste als -> instrumentum bezeichnete Urkunde 1041. Um die Mitte des 11. Jh.s verschwinden nach Ausweis rund 1300 bis 1150 überlieferter Zeugnisse die Unter- schriften von Ausstellern und Zeugen, als es dem Notar gelingt, die Beglaubigungskraft auf sich zu beziehen. Ab etwa 1114/1115 erscheint römische Rechtsterminologie in den Texten (u. a. Renuntiationen). In Oberitalien setzt sich das instrumentum in der ersten Hälfte des 12. Jh.s 533 durch. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Meyer, A., Felix et inclitus notarius, 2001; Schulte, P., Scripturae publicae creditur, 2003 Notariatsordnung (z. B. 1512, 1871) -> Notar, Notariat, Ordnung Lit.: Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, hg. v. Grziwotz, H., 1995 notarius (M.) sacri palatii (lat.) (8.-11. Jh.) Pfalznotar Notarsignet ist das persönliche, anfangs frei gewählte, später verliehene Zeichen eines Notars, das der öffentliche (kaiserliche bzw. päpstliche) Notar neben seine Unterschrift setzt. Das erste bisher bekannte deutsche N. stammt vom 13. 1. 1274 (Roger von Lüttich). Nicht sicher geklärt ist, weswegen der Notar nicht ein Siegel, sondern das N. verwendet. Seit 1806 verschwindet das N. (in Bayern seit 1861). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leist, F., Die Notariats-Signete, 1897; Schmidt-Thomé, W., Vom Notarsignet zum Notarsiegel, Dt. Notarzs. 15 (1964), 455; Gerig, H., Frühe Notariats-Signete in Köln, 1971; Schuler, P., Südwestdeutsche Notarszeichen, 1976; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat der Stadt Limburg, Diss. jur. Gießen 1988; Karg, H., Notariatszeichen in reußischen Archiven (1518-1757), 2004 Notbede -> Not, Bede Notenbank ist die Papiergeldstücke (Banknoten, engl. banknote 17. Jh.) ausstellende Bank. Lit.: Fengler, H., Geschichte der deutschen Notenbanken, 1992 Noterbe ist der Erbe, der wegen Enterbung nur den Pflichtteilsanspruch erhält. Der N. entwickelt sich im römischen Recht, in dem die formelle Nichterwähnung der (lat.) sui heredes (M.Pl.) das Testament ungültig werden oder den Übergangenen am Erbe teilhaben lässt, bzw. die materielle Nichtberücksichtigung die (lat.) querela (F.) inofficiosi testamenti gewährt. Justinian verbindet beides 542 miteinander. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen. Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten (Noterben) und der Umfang des Pflichtteils (Noterbrechts) schwankt. Lit.: Kaser § 69 I; Hübner 776, 795; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 170; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Notgeld ist das bei Mangel an Zahlungsmitteln in Krisenzeiten behelfsmäßig ausgegebene -> Geld. Es findet sich bereits im 15. Jh. Bedeutung erlangt es vor allem nach dem ersten Weltkrieg. Nötigung ist das Zwingen eines anderen mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer nicht gewollten Handlung, Duldung oder Unterlassung. Gegenüber verschiedenen Einzelfällen wird die N. als allgemeiner Straftatbestand erst spät erfasst. Lit.: His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina 1928, Neudruck 1967, 138; Balthasar, S., Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Offenloch, W., Erinnerung an das Recht ­ Der Streit um die Nachrüstung, 2005 Notitia (lat. [F.] Nachricht) ist im Frühmittelalter die objektiv gefasste, nach Heinrich Brunner angeblich im Gegensatz zur dispositiven, subjektiv gefassten (lat.) carta (F.) nur beweisbedeutsame Urkunde. Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., Bd. 1 1931, 458; Johanek, P., Zur rechtlichen Funktion von Traditionsnotiz, Traditionsbuch und früher Siegelurkun- de, in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 131 Notker (der Deutsche) von St. Gallen (um 950- Sankt Gallen 29. 6. 1022) ist der bedeutendste Schriftsteller des Althochdeutschen. In deutschlateinischer Mischprosa übersetzt er verschiedene geistliche und weltliche Schriften aus dem Lateinischen. Dabei erfasst er auch rhetorische Grundfiguren (z. B. in der Gerichtsrede) und zeigt damit eine Vorstufe der Rechtswissenschaft in Deutschland auf. Lit.: Köbler, DRG 79, 82; Die Schriften Notkers und seiner Schule, hg. v. Piper, P., Bd. 1ff. 1982ff.; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Ochsenbein, P./Schmuki, K., Die Notkere im Kloster St. Gallen, 1992; Scherabon Firchow, E., Notker der Deutsche, 2000 Notorietät (F.) Offenkundigkeit Notstand ist der Zustand gegenwärtiger Gefahr für rechtlich geschützte Interessen, dessen Abwendung nur auf Kosten fremder Interessen 534 möglich ist. Schon im römischen Recht befreit der N. in Einzelfällen von Strafe. Ähnliches gilt im Mittelalter. Danach befasst sich Art. 166 der CCC (1532) mit dem Stehlen in Hungersnot. Erst im 20. Jh. wird der N. strafrechtlich schärfer erfasst. Privatrechtlich schließt schon das römische Recht einzelne Handlungen von einer Ersatzpflicht aus. Erst im 19. Jh. wird dies wissenschaftlich verallgemeinert und danach in den §§ 228, 904 in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Der übergesetzliche N. wird 1927 vom Reichs- gericht Deutschlands für den medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch aner- kannt. Staatsrechtlich wird in Deutschland der N. in der Verfassung 1968 gesetzlich geregelt. Seit 1975 enthält das Strafgesetzbuch Deutschlands (aus utilitaristischen Erwägun- gen) eine Vorschrift über den rechtfertigenden Notstand. Lit.: Kaser § 36 II 5; Kroeschell, DRG 2; Titze, H., Die Notstandsrechte, 1897; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 653, 830; Curschmann, F., Hungersnöte im Mittelalter, 1900, Neudruck 1970; Würzburger, J., Das Recht des strafrechtlichen Notstandes, 1903; Janka, K., Der strafrechtliche Notstand, 1878; Rabe, K., Die Entwicklung des Notstands, Diss. jur. Göttingen 1930; Henkel, H., Der Notstand, 1932; Walter, H., Das Staatsnotrecht, Diss. jur. Göttingen 1937; Benda, E., Die Notstandsverfassung, 10. A. 1968; Ungern-Sternberg von Pürkel, J., Untersuchun- gen zum spätrepublikanischen Notstandsrecht, 1970; Wacke, A., Notwehr und Notstand, ZRG RA 106 (1989), 469; Blomeyer, P., Der Notstand in den letzten Jahren von Weimar, 1999; Esklony, D., Das Recht des inneren Notstands, 2000; Pawlik, M., Der rechtfertigende Notstand, 2002 Notstandsgesetze ist die Sammelbezeichnung für die Gesamtheit der 1968 in Zusammenhang mit einer Verfassung für den Fall eines Staatsnotstandes geschaffenen einfachen Bundesgesetze der Bundesrepublik Deutschland (z. B. Ernährungssicherstellungs- gesetz, Schutzbaugesetz, Abhörgesetz). Lit.: Bender, E., Die Notstandsverfassung, 10. A. 1968 Nottestament ist ein in besonderer Gefahrensituation in vereinfachter Form zu errichtendes -> Testament, das seit 1888 als N. bezeichnet wird. Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Nottingham am Trent erscheint im 6. Jh. (Snotingaham). 1155 wird sein Stadtrecht bestätigt. 1881/1948 erhält es eine Universität. Lit.: Barley, M./Straw, I., Nottingham, 1969 Notverordnung ist die -> Verordnung mit Gesetzeskraft. Sie findet sich bereits im ausgehenden 18. Jh. (England 1766, Baden 1818, Württemberg 1819), danach sehr häufig beispielsweise auf Grund des deutschen Ermächtigungsgesetzes vom 4. 8. 1914 in der Zeit des ersten Weltkrieges und auf Grund des Art. 48 II der Weimarer Reichsverfassung in der Weimarer Republik (1931 41, 1932 60 Notverordnungen). Lit.: Köbler, DRG 174, 231, 243; Kroeschell, 20. Jh.; Spiegel, L., Die kaiserlichen Verordnungen, 1893; Friedmann, A., Geschichte und Struktur der Notstandsverordnungen, 1903; Gather, Das Notstandsrecht, Diss. jur. Köln 1963; Hasiba, G., Das Notverordnungsrecht in Österreich, 1985; Maltschew, R., Der Rückerwerb eigener Aktien, 2004 Notweg ist die Verpflichtung eines Eigentümers eines Grundstücks, die Benutzung seines Grundstücks zum Durchgehen, Durchfahren oder Durchreiten durch den Eigentümer eines anderen Grundstücks, dem ohne Verschulden seines Eigentümers die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt, gegen Entschädigung zu dulden. Der N. ist als nachbarrechtliche Eigentumsbeschränkung bereits dem römischen Recht bekannt. Er findet sich auch im Mittelalter und in der Neuzeit. Lit.: Kaser § 23 III 3; Hübner § 37; Buch, G., Der Notweg, 1919; Caroni-Rudolf, K., Der Notweg, Diss. jur. Bern 1969; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 3 1973, 192; Eggensperger, A., Notwegrecht, Diss. jur. Würzburg 2000 Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren. Bereits im römischen Recht ist es erlaubt, Gewalt mit Gewalt zurückzuweisen. Im Frühmittelalter erscheint die N. ansatzweise, im Hochmittelalter und Spätmittelalter häufiger (- > Schwabenspiegel um 1275). Seit dem Ende des 18. Jh.s wird die N. von der Verteidigung von Leib und Leben auf jedes Rechtsgut ausgedehnt (Preußen 1794). Lit.: Kaser § 36 II 5; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 87, 119, 158, 208; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 535 1899, Neudruck 1961; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 34; Hellbling, E., Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Wacke, A., Notwehr und Notstand, ZRG RA 106 (1989), 469 Notzivilehe ist die bei Verweigerung der Eheschließung wegen eines kirchenrechtlichen Ehehindernisses mögliche weltliche Eheschließung (z. B. in Österreich 25. 5. 1868 Eherechtsgesetz). Lit.: Floßmann, U., Österreichische Privatrechts- geschichte, 5. A., 2005; Hoke, R., Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 2. A., 1996 Notzucht ist eine ältere, in Deutschland 1973, in Österreich 1989 und in der Schweiz 1992 aufgegebene Bezeichnung für die Vergewalti- gung einer Frau (lat. oppressio [F.], violentia [F.]), die ihrerseits seit dem 16. Jh. das noch ältere (ahd.) notnumft verdrängt. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 664; Wahl, G., Zur Geschichte des Wortes Notzucht, Z. f. d. P. 9 (1907), 7; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 150; Brundage, J., Law, Sex and Christian Society, 1987; Künzel, C., Unzucht ­ Notzucht ­ Vergewaltigung, 2003 novale (lat. [N.]) Neubruch novatio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die -> Novation, Schuldneuschaffung oder Schulderneuerung. Lit.: Kaser § 54 I; Tolkmitt, W., Die Theorie der Novation im gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen 1968 Novation (lat. [F.] -> novatio) ist bereits im klassischen römischen Recht die Schulderneuerung, bei der infolge einer -> Stipulation die alte Schuld (Obligation) mit allen Nebenrechten erlischt und durch eine neue Schuld (Obligation) ersetzt wird (z. B. Auswechslung des Gläubigers oder Schuldners, eine Sonderform ist die [lat.] stipulatio [F.] Aquiliana). Die N. wird seit dem Hochmittelalter wieder belebt. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird sie nicht mehr erwähnt. Lit.: Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 43, 215; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 432, 449, 530 Novel disseisin ist im englischen Recht die von König Heinrich II. (1133-1189) eingeführte Klage des widerrechtlich aus seinem Besitz Vertriebenen (disseised). Lit.: Sutherland, D., The Assize of Novel Disseisin, 1973; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 Novelle (lat. [F.] novella [lex]) ist das ein Gesetz in Einzelfragen ergänzende oder abändernde neue Gesetz. Insbesondere werden die nach dem -> Codex des Jahres 534 von -> Justinian erlassenen (neuen), durch drei verschiedene Sammlungen überlieferten Gesetze als Novellen (zitiert z. B. als Nov. 99,2) bezeichnet. Lit.: Söllner §§ 22, 23; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG 54; Noailles, P., Les collections de novelles, Bd. 1f. 1912ff.; Wal, N. v. d., Manuale novellarum, 1964; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung, 1975; Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB durch die drei Teilnovellen, Ius commune 6 (1977), 274; Novella Constitutio, hg. v. Loken, J. u. a., 1990; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Novemberrevolution ist die Revolution im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn im November 1918. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Elben, W., Das Problem der Kontinuität in der deutschen Revolution, 1965; Kittel, E., Novembersturz 1918, Bll. f. dt. LG. 104 (1968), 42; Görlitz, W., November 1918, 1968; Halmen, R., Staatstreue und Interessenvertretung, 1988 Nowgorod Lit.: Novgorod ­ Markt und Kontor der Hanse, hg. v. Angermann, N./Friedland, K., 2002 noxae datio (lat. [F.], auch noxae deditio) ist bereits im altrömischen Recht die Hingabe des Schädigers (z. B. Hauskind, Sklave, Tier), durch die sich der Hausvater (außer durch Leistung) von seiner grundsätzlich bestehenden Haftung für einen auf deren Verhalten beruhen- den Erfolg befreien kann (Noxalhaftung). Sie wird in der Spätantike bei Hauskindern und Sklaven eingeschränkt, im Hochmittelalter nicht aufgenommen. Lit.: Kaser §§ 7 I 1e, 15 I 4d, 36 V, 50 II 4a, Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 49, 65; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972 NS (Nationalsozialismus) NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) Lit.: Pätzold, K., Geschichte der NSDAP, 1998; Block, N., Die Parteigerichtsbarkeit der NSDAP, 2002 nuda proprietas (lat. [F.]) bloßes Eigentum 536 Lit.: Köbler, DRG 124 nudum pactum (lat. [N.]) bloßer Vertrag (ohne besondere Formen) Nulla poena sine culpa (lat.). Keine Strafe ohne Schuld. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Nulla poena (F.) sine lege, nullum crimen sine lege (lat.) ist der strafrechtliche Grundsatz, dass niemand bestraft werden darf, wenn nicht zuvor ein Gesetz Verhalten der entsprechenden Art mit einer Strafe bedroht hat. Das Verbot der Rückwirkung von neuen oder veränderten Strafgesetzen zum Nachteil des Täters ist dabei bereits ansatzweise dem klassischen römischen Recht bekannt und wird in der Spätantike durch kaiserliche Gesetze mit gewissen Einschrän- kungen sogar ausgesprochen. Dem folgen an sich auch das Mittelalter und die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532), während das gemeine Recht den Grundsatz bis zum ausgehenden 18. Jh. nur wenig beachtet. Erst mit der Aufklärung entsteht der Grundsatz in voller Gestalt des Rückwirkungsverbots, des Analogieverbots und des Bestimmtheitsgebots (Vereinigte Staaten von Amerika bis 1787, Frankreich, Josephinisches Gesetzbuch 1787, preußisches Allgemeines Landrecht 1794, Feuerbach, Weimarer Reichsverfassung 1919, - > Grundgesetz 1949), wobei die Vorstellung besonderes Gewicht erhält, dass ein Eingriff des Staates in die Freiheit des Bürgers die Gestattung durch Gesetze voraussetzt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 204; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998, (Ulpian, um 170- 223, Digesten 50, 16, 131, § 1 S. 1 Halbsatz 2); Bopp, G., Die Entwicklung des Gesetzesbegriffs, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Schöckel, G., Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbotes, 1968; Schreiber, H., Gesetz und Richter, 1976; Schünemann, B., Nulla poena sine lege?, 1978; Bohnert, J., P. J. A. Feuerbach, 1982; Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983 Nulli res sua servit (lat.). Niemand dient die eigene Sache. Lit.: Kaser § 28 I 3; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Paulus, um 170-um 230, Digesten, 8, 2, 26 nullum crimen sine lege -> nulla poena sine lege Lit.: Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983 Nullum crimen sine poena (lat.). Kein Verbrechen ohne Strafe. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Numerius Negidius (N.N.) ist der abstrakte Beklagte des römischen Verfahrensrechts. Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 33 numerus (M.) clausus (lat.) geschlossene Zahl (z. B. der Ausbildungsplätze oder der zulässigen Sachenrechte) Lit.: Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623 Numismatik (Münzkunde) -> Münze Lit.: Morrisson, C., La numismatique, 1992; Wissenschaftsgeschichte der Numismatik, hg. v. Albert, R. u. a., 1995; Bompaire, M./Dumas, F., Numismatique médiévale, 2000; Geldgeschichte vs. Numismatik, hg. v. Kaenel, H. u. a., 2004 nummo uno (lat.) mit einer -> Münze Lit.: Köbler, DRG 25 nuncupatio (lat. [F.]) Verkündung Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 67 I 2b; Söllner § 8; Köbler, DRG 38 Nuntius (zu lat. [M.] nuntius, Bote) ist seit dem ausgehenden Spätmittelalter der ständige Gesandte des Heiligen Stuhles bei einem anderen Staat. Lit.: Kaser §§ 11 II, 58 III 2; Pieper, A., Zur Entstehungsgeschichte der ständigen Nuntiaturen, 1894; Biauchet, H., Les nonciatures apostoliques, 1910; Walf, K., Die Entwicklung des päpstlichen Gesandtschafts- wesens, 1966; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 553; Köck, H., Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhles, 1975 Nürnberg ist die um eine 1050 erstmals erwähnte, anscheinend vorsalische Grundlagen aufweisende Reichsburg auf ursprünglich bayerischem Siedlungsboden an der Pegnitz erwachsende Reichsstadt. In der -> Goldenen Bulle von 1356 belohnt Kaiser Karl IV. die Treue der Stadt mit der Verpflichtung jedes neugewählten Königs, seinen ersten Reichstag in N. abzuhalten. Von 1424 (Privileg vom 19. 9. 1423) bis 1796 und von August 1938 bis 1945 (Anfang 1946) ist N. Aufbewahrungsort der Reichskleinodien (Reichserzschatzkästlein). 1479/1484 erneuert N. durch die römisches Recht gemäßigt aufnehmende (Neue) -> Reformation sein Stadtrecht. Im Dritten Reich hält Adolf Hitler in N. die Reichsparteitage ab. 1935 werden in N. auf dem Reichsparteitag vom nach Nürnberg einberufenen Reichstag die gegen die Juden gerichteten sog. Nürnberger Gesetze verabschiedet (Reichsbürgergesetz 537 vom 15. 9. 1935, Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. 9. 1935) (und am folgenden Tag im Reichsgesetzblatt verkündet. Vom 18. 10./14. 11. 1945-1. 10. 1946 finden in N. die Prozesse gegen (24 bzw.) 22 nationalsozialistische Hauptkriegsverbrecher statt ([12] Todesurteile für Hermann Göring, Joachim von Ribbentrop, Wilhelm Keitel, Ernst Kaltenbrunner, Alfred Rosenberg, Hans Frank, Wilhelm Frick, Julius Streicher, Fritz Sauckel, Alfred Jodl, Arthur Seyß-Inquart, Martin Bormann]), denen bis 1949 12 weitere Verfahren in N. gegen 182 Angeklagte folgen (24 Todesurteile). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 139; Bremer, F., Dr. Claudius Cantiunculas Gutachten über das Nürnberger Stadtrecht, ZRG GA 15 (1894), 123; Knapp, H., Das alte Nürnberger Kriminalrecht, 1896; Werminghoff, A., Conrad Celtis und sein Buch über Nürnberg, 1921; Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, 1928; Franz, E., Nürnberg, Kaiser und Reich, 1930; Nordmann, C., Nürnberger Großhändler im spätmittelalterlichen Lübeck, 1933; Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, Bd. 1ff. 1947ff., Neudruck 1984; Ellinger, W., Die Juristen der Reichsstadt Nürnberg, in: Genealogica, Heraldica, Juridica, 1954; Veit, L., Nürnberg und die Feme, 1955, Pitz, E., Die Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg, 1956; Schultheiß, W., Geschichte des Nürnberger Ortsrechtes, 1957; Gedeon, A., Zur Rezeption des römischen Privatrechts in Nürnberg, 1957; Nürnberger Urkundenbuch, Bd 1ff. 1959ff.; Schultheiß, W., Die Acht-, Verbots- und Fehdebücher von 1285-1400, 1960; Das Urteil von Nürnberg 1946, 1961; Satzungsbücher und Satzungen, hg. v. Schultheiß, W., 1963; Kunstmann, H., Zauberwahn und Hexenprozess in der Reichsstadt Nürnberg, 1970; Geschichte Nürnbergs in Bilddokumenten, hg. v. Pfeiffer, G., 1970; Schall, K., Die Genannten in Nürnberg, 1971; Nürnberg ­ historische Entwicklung einer deutschen Stadt in Bildern, 4. Aufl. 1971; Nürnberg, hg. v. Pfeiffer, G., 1971; Wachauf, Helmut, Nürnbergs Bürger als Juristen, 1972 (141 urkundlich nachgewiesene Juristen); Schmid, Hans- Dieter, Täufertum und Obrigkeit in Nürnberg, 1972; Hirschmann, Gerhard, Das Nürnberger Patriziat im Königreich Bayern, 1971; Die Nürnberger Bürgerbücher 1 (1302-1448), hg. v. Stadtarchiv Nürnberg, 1974; Pütz, K., Heischurteile, 1977; Leiser, W., (Die Stadtrechtsreformation der Stadt Nürnberg), Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 67 (1980); Reformation der Stadt Nürnberg, hg. v. Köbler, G., 1984; Nürnberg _ Kaiser und reich (Ausstellung), 1986; Schüßler, M., Statistische Untersuchung des Verbrechens in Nürnberg im Zeitraum von 1285 bis 1400, ZRG GA 108 (1991), 117; Jung, S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, 1992; Endres, R., Grundzüge der Verfassung der Reichsstadt Nürnberg, ZRG GA 111 (1994), 405; Rethmeier, A., ,,Nürnberger Rassegesetze", 1995; Wirtschaft, Gesellschaft und Staat im Umbruch, hg. v. Schachtschneider, K., 1995; Taylor, Die Nürnberger Prozesse, 3. A. 1997; Schieber, M., Nürnberg, 2000; Kastner, K., Von den Siegern zur Rechenschaft gezogen, 2001; Essner, C., Die Nürnberger Gesetze, 2002; Henselmeyer, U., Ratsherren und andere Delinquenten, 2002; Schubert, A., Der Stadt Nutz oder Notdurft?, 2003; Nürnberg und das Griechentum, hg. v. Konstantinou, E., 2003; Hamm, B., Lazarus Spengler (1479-1534), 2004; Finger, T., Die Nürnberger Gesetze, JURA 27 (2005), 161; Hansmann, U., Die Nürnberger Rassegesetze vom 15. September 1935, NJW 2005, 2648 Nutzpfand oder Nutzungspfand (sog. ältere Satzung) ist im Hochmittelalter das Pfand, bei dem der Gläubiger unmittelbaren Besitz an der verpfändeten Sache (Grundstück) hat und die Nutzungen aus ihr ziehen darf. Lit.: Kaser § 31 III 5a; Hübner 402; Viollet, P., Histoire du droit civil français, 1905, Neudruck 1966, 784; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936 Nutzung ist die Frucht einer Sache oder eines Rechtes sowie der Vorteil, den der Gebrauch der Sache oder des Rechtes gewährt. Lit.: Hübner; Baltl/Kocher; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Nutzungspfand -> Nutzpfand Nutzungsrecht ist das Recht, eine Sache zu nutzen. Es findet sich bereits im altrömischen Recht und begegnet bis zur Gegenwart in unterschiedlichen Gestalten. Insbesondere bestehen in der Grundherrschaft unzählige Nutzungsrechte an Grundstücken. -> Nieß- brauch Lit.: Hübner 549, 786; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 26, 125, 163; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961 O Oberappellationsgericht ist in der frühen 538 Neuzeit der drittinstanzliche Gerichtshof eines Landes. Das O. ersetzt das auf Grund von Nichtappellationsprivilegien nicht mehr zuständige Reichsgericht (-> Reichskammer- gericht). Es entscheidet als dritte Instanz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nichtprivile- gierter Parteien und als zweite Instanz bei schweren Strafsachen. 1877/1879 wird das O. allgemein (durch das -> Oberlandesgericht) beseitigt. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 26; Greb, H., Die Verfassung des Oberappellationsgerichts der vier freien Städte Deutschlands zu Lübeck, Diss. jur. Göttingen 1967; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 291; Eisenhardt, U., Die kaiserlichen privilegia de non appellando, 1980; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986; Gesamtinventar der Akten des Oberappellationsgerichtes der vier Freien Städte Deutschlands, hg. v. Lorenzen- Schmidt, K. u. a., Bd. 1ff. 1996ff. Oberbayerisches Landrecht ist das in mehr als 100 Handschriften des 14. und 15. Jh.s überlieferte Landrecht für Oberbayern von 1346. Ihm geht eine verschollene Fassung von etwa 1335 voraus. Veranlasst ist es vermutlich von Kaiser Ludwig dem Bayern. Es ist in 28 Titel mit 350 Artikeln gegliedert. Im Mittelpunkt stehen Privatrecht, Strafrecht und Verfahrensrecht. Unmittelbare Vorlagen sind nicht erkennbar. Römischrechtliche oder kir- chenrechtliche Einflüsse sind nicht bestimmend, vielmehr wird im Wesentlichen das einheimische Gewohnheitsrecht wiederge- geben. 1518 wird das Landrecht reformiert. 1616 wird für Oberbayern und Niederbayern ein gemeinsames Landrecht geschaffen. Lit.: Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs des Bayern, 1911; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959), 173; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Schlosser, H./Schwab, I., Oberbayerisches Landrecht Kaiser Ludwigs des Bayern von 1346, 2000; Das Landrecht von 1346 für Oberbayern, hg. v. Schwab, I., 2002; Schwab, I., Die Georgenberger Handschrift, ZRG GA 119 (2002), 326 Obereigentum (lat. dominium [N.] directum) ist im gelehrten Recht vom Hochmittelalter bis zum 19. Jh. die Rechtsstellung des Obereigentümers (z. B. Lehnsherrn) eines im geteilten -> Eigentum stehenden Gegenstandes (z. B. Lehen). Es wird in verkennender Ausdehnung einer römischen Quellenstelle über einen Herausgabeanspruch des Erbpächters entwickelt. Es entspricht Bedürfnissen der Rechtswirklichkeit. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Haff, K., Zur Theorie eines allgemeinen Obereigentums des fränkischen Königs, ZRG GA 32 (1911), 325; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 f. 1985ff. Oberhaus -> House of Lords Oberhof ist seit dem Spätmittelalter (ein Gericht als) eine Auskunftsstelle für Gericht und Einzelmenschen. Oberhöfe finden sich sowohl in Städten wie auch auf dem Land. Ihre Ausbildung beruht anfangs auf Freiwilligkeit. Mit der längerdauernden Übung der Erteilung von Auskünften entwickelt sich ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis. Allmählich dringt Schriftlichkeit in das Verfahren ein. Bekannte Oberhöfe sind etwa Magdeburg, Lübeck, Krakau, Iglau, Kulm, Aachen, Dortmund, Frankfurt am Main, Ingelheim, Neustadt an der Weinstraße, Speyer, Freiburg im Breisgau oder Nürnberg. Mit dem Vordringen des römischen Rechts und der Ausbildung des Instanzenzuges in der erstarkenden landesherrlichen Verwaltung verschwindet der O. vom 16. bis in das 18. Jh. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Der Oberhof Iglau in Mähren, hg. v. Tomaschek, J., 1868; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Kulmer Oberhofes, ZRG GA 34 (1913), 1; Stutz, U., Der Oberhof zu Eltville, ZRG GA 43 (1922), 303; Schwabe, W., Der Aachener Oberhof, 1924; Bastian, J., Der Freiburger Oberhof, 1934; Goerlitz, T., Die Oberhöfe in Schlesien, 1938; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.; Mertz, W., Der Frankfurter Oberhof, Diss. jur. Frankfurt am Main 1954; Gudian, G., Der Oberhof Ingelheim, ZRG GA 81 (1964), 267; Müller, H., Oberhof und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981; Schott, C., Die Wolfacher Fragen und die Freiburger Oberhofurteile, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 390; Zwerenz, G., Der Rechtswortschatz der Urteile des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Gießen 1988 Oberlandesgericht ist seit 1808 das bisherige preußische Landesjustizkollegium und danach das 1877/1879 geschaffene, zwischen Reichsgericht bzw. Bundesgerichtshof und Landgericht (bzw. oberstem Gerichtshof und 539 Landesgericht in Österreich seit 1852) stehende Gericht (1893 im Deutschen Reich 28 Oberlandesgerichte mit 548 Richtern). -> Oberappellationsgericht Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Baltl/Kocher; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; 250 Jahre Oberlandesgericht Celle, 1961; Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969; Festschrift zum 150-jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Hamm, 1970; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landesgerichtes von Oldenburg, 1974; Zimmer, E., Die Geschichte des Ober- landesgerichts in Frankfurt am Main, 1976; Festschrift zum 275-jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle, 1986; 175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg, 1989; 50 Jahre Oberlandesgericht und Generalstaats- anwaltschaft Koblenz 1996; Schiller, C., Das Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, 1997; Haehling von Lanzenauer, R., Das badische Oberlandesgericht in Freiburg, ZRG GA 119 (2002), 343; Passek, I., Die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in Staatsschutzstrafsachen, 2003 Obermärker ist der Leiter der -> Markgenossenschaft. Oberösterreich ist in allmählicher Entwicklung seit der Erstnennung von ahd. ostarrihhi (996) das ob (westlich) der Enns gelegene (Bundesland) -> Österreich(s). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Schmidt, F., Die freien bäuerlichen Eigengüter in Oberösterreich, 1941; Hoffmann, A., Das Wappen des Landes Oberösterreich, 1947; Hoffmann, A., Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich, 1952; Pfeffer, F., Das Land ob der Enns, 1958; Grüll, G., Das Linzer Bürgermeisterbuch, 2. A. 1959; Probleme der Entstehung des Landes ob der Enns, Mitteilungen des oberösterreichischen Landesarchivs 7 (1960), 125; Grüll, G., Der Bauer im Lande ob der Enns, 1969; Sturmberger, H., Der Weg zum Verfassungsstaat, 1972; Feigl, H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs, 1974; Sturmberger, H., Adam Graf Herberstorff, 1976; Feigl, H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs im Spiegel der Weistümer, 1974; Putschögl, G., Die landständische Behördenorganisation in Österreich ob der Enns, 1977; Slapnicka, H., Oberösterreich unter Kaiser Franz Joseph, 1982; Strätz, H., Die oberösterreichische Landtafel von 1616/1629, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Lohner, J. Das landeshauptmannschaftliche Gericht in Oberösterreich, 1988; Landtafel des Erzherzogtums Österreich ob der Enns, Bd. 1 hg. v. Strätz, W., 1990 Oberpfalz ist der um Neumarkt gelegene (obere) Teil der Pfalz(grafschaft bei Rhein), die durch Erbteilung im Hause Wittelsbach zeitweise vom übrigen -> Bayern abgeteilt wird. Für die O. wird 1657/1659 ein -> Landrecht geschaffen. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bosl, K., Das kurpfälzische Territorium ,,Obere Pfalz", Z. f. bay. LG. 26 (1963), 3; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Dittrich, H., Die Entstehung des Oberpfälzischen Landrechts, Diss. jur. Regensburg 1991; Schroeder, F., Das Oberpfälzer Landrecht von 1657/1659, ZRG GA 110 (1993), 482 Oberpräsident ist der leitende Beamte der zivilen Provinzialverwaltung (zwischen 4 und 12 Provinzen) in Preußen von 1806 bis (1933 bzw.) 1945 mit drei unterschiedlichen Funktionen. Lit.: Kube, H., Die geschichtliche Entwicklung der Stellung des preußischen Oberpräsidenten, Diss. jur. Berlin 1939; Die preußischen Oberpräsidenten 1815- 1945, hg. v. Schwabe, K., 1985 Oberrechnungskammer (1802) ist die sich seit 1713 entwickelnde Zentralbehörde des Rechnungswesens in Preußen. Die O. ist selbständig und unabhängig. Sie wird 1869 zum -> Rechnungshof des Norddeutschen Bundes. Lit.: 250 Jahre Rechnungsprüfung, hg. v. Bundesrechnungshof, 1964; Bachmann, M., Der Bundesrechnungshof, 1967, 90 Oberschlesien -> Schlesien Oberste Justizstelle ist das auf erste Ansätze des Jahres 1501 zurückgehende, am 1. 5. 1749 von Maria Theresia eingerichtete Höchstgericht (mit Präsidenten, Vizepräsidenten, Senaten und Räten) Österreichs (oberste Revisionsinstanz in Justizsachen und oberste Justizverwaltungsbe- hörde), das 1848 zum Obersten Gerichtshof wird. Die o. J. wendet subsidiär gemeines Recht an. Mit ihr wird die Rechtsprechung aus der Verwaltung in der obersten Instanz ausgesondert Lit.: Kocher, G., Die Zivilgesetzgebung und die Oberste Justizstelle bis zum ABGB, FS H. Baltl, 1978, 309; Kocher, G., Höchstgerichtsbarkeit und Privatrechts- kodifikation, 1979; Maasburg, F. v., Geschichte der obersten Justizstelle in Wien, 2. A. 1981; Ratsprotokolle Oberste Justizstelle Tyrol-Vorarlberg. Senat 1814-1844, Bd. 1 hg. v. Faistenberger, C., red. v. Niedermayr, M., 540 2003 Oberster Gerichtshof für die britische Zone ist der von 1948 bis 1950 für die britische Besatzungszone des Deutschen Reiches eingerichtete oberste Gerichtshof. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische Zone, ZNR 3 (1981), 158 Oberstes bayerisches Landesgericht in München ist ein 1877/1879 aus dem 1808 in Bayern eingerichteten Oberappellationsgericht abgeleitetes Gericht, dem die Verhandlung und Entscheidung der sonst im Deutschen Reich dem Reichsgericht zustehenden Revisionen und Beschwerden in bürgerlichen Rechtsstreitig- keiten und die weitere Beschwerde der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen ist. Seine Aufgaben werden zum 31. 12. 2004 den drei Oberlandesgerichten Bayerns (München, Nürnberg, Bamberg) übertragen. Lit.: 350 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, hg. v. Bayerischen Staatsministerium der Justiz, 1975, 15 Oberstes Gericht ist das Höchstgericht der -> Deutschen Demokratischen Republik. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Das Oberste Gericht der DDR, 1989 Obertribunal (1772) ist das 1703 als Oberappellationsgericht preußischer Landestei- le geschaffene, im 19. Jh. zum höchsten Gericht Preußens aufsteigende Gericht, das 1877/1879 weitgehend im Reichsgericht aufgeht. Lit.: Sonnenschmidt, F., Geschichte des königlichen Obertribunals zu Berlin, 1879; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner Obertribunals im Juni 1879, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 419 Oberverwaltungsgericht (OVG) ist das Obergericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s, das später teilweise auch Verwaltungsgerichtshof genannt wird. Lit.: Pauly, S., Organisation, Geschichte und Praxis der Gesetzesauslegung des königlich preußischen Oberverwaltungsgerichts 1875-1933, 1987; Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des sächsischen Oberverwaltungsgerichts, hg. v. Reich, S., 2002 Obervormundschaft ist die aufsichtliche Stellung der Obrigkeit bzw. Kirche über den -> Vormund, wie sie sich seit der karolingischen Zeit entwickelt und im Vormundschaftsgericht endet. Lit.: Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1 1835; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. oblatio (lat. [F.]) Gabe, Opfer, Spende (z. B. auch von Kindern in ein Kloster) Lit.: Kaser § 37 II 1; Seidl, J., Die Götterverlobung von Kindern, 1872; Laske, W., Das Problem der Mönchung, 1973 Obligatio (lat. [F.]) ist seit dem altrömischen Recht das Schuldverhältnis. Es geht vermutlich auf den Ausgleich von Unrechtserfolgen (später sog. [lat.] delicta [N.Pl.]) zurück. Das bei ihnen zunächst regelmäßig bestehende Racherecht des Verletzten oder seiner Verwandtschaft wird im Interesse der Allgemeinheit allmählich eingeschränkt und durch die Hingabe von Vermögensgegenständen (Sühneleistung) ein- verständlich abgelöst. Sobald eine Leistung durch den Verursacher, seine Verwandten oder Gentilen üblich und im Rahmen eines vielleicht nach griechischem Vorbild erstellten festen Kataloges von Vergleichssätzen (fester Metallwert oder vielfacher Sachwert) ver- bindlich wird, dient der Zugriff auf die Person des Verursachers nicht mehr der unmittelbaren Vergeltung, sondern wohl der mittelbaren Erzwingung der Leistung. Seine Zulässigkeit entfällt mit der Leistung, zu welcher der Verursacher aber anfangs nicht verpflichtet ist. Später tritt die Befreiung von der Haftung durch Leistung immer stärker in den Vordergrund, so dass allmählich eine Verpflichtung zur Leistung entsteht, welche die ursprüngliche Haftung mehr und mehr in den Hintergrund drängt. Vermutlich früh ist außerdem ein Geschäft möglich, durch das jemand sich zur Haftung verpflichtet, wobei die Leistung bald wichtiger wird als die Haftung. Im weiteren Verlauf werden zahlreiche verschiedene Obligationen entwickelt (Kontrakt, Quasikontrakt, Delikt, Quasidelikt). Lit.: Kaser §§ 4 I 2, 32 I, 33 I, 38 IV, 56 I, 61, 84; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 26, 42, 62; Kuntze, J., Die Obligation, 1856; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Watson, A., The Law of Obligations, 1965; Hochstein, R., Obligationes quasi ex delicto, 1971; Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1992; Hartung, G., Die Naturrechtsdebatte, 2. A. 1999 Obligatio (F.) civilis (lat.) ist im römischen Recht die auf (lat.) ius (N.) civile gegründete, mit (lat.) actio (F.) civilis ausgestaltete -> obligatio. 541 Lit.: Kaser § 33 II; Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1992 obligatio (F.) ex contractu (lat.) Verbindlichkeit aus Vertrag Lit.: Kaser § 38 I obligatio (F.) ex delicto (lat.) Verbindlichkeit aus Delikt Lit.: Kaser §§ 38 I, 50 I obligatio (F.) ex variis causarum figuris (lat.) Verbindlichkeit aus verschiedenen Gründen Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler, DRG 62 Obligatio (F.) honoraria (lat.) ist im römischen Recht die erst vom Prätor oder Ädil klagbar gemachte Verbindlichkeit. Lit.: Kaser § 33 I Obligation ist die aus der römischen (lat.) -> obligatio (F.) entwickelte Verbindlichkeit (Schuld, Schuldverhältnis). Sie wird im Spätmittelalter mit dem römischen Recht aufgenommen und mit den einheimischen Schuldverhältnissen verbunden. Lit.: Kaser §§ 33, 38, 56; Kuntze, J., Die Obligation, 1856; Roussier, J., Le fondement de l'obligation, Thse Paris 1933; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 393 Obligationenrecht ist das im 19. Jh. zunehmend als besonderes Rechtsgebiet erkannte Schuldrecht. In der -> Schweiz ist das O. mit Einschluss der Gesellschaften und der Wertpapiere in einem besonderen Gesetz vom 30. 11. 1911, das den fünften Teil des Zivilgesetzbuches bildet, geregelt. Lit.: Kaser §§ 32ff.; Köbler, DRG 182, 184, 229, 255; Savigny, F., Das Obligationenrecht, Bd. 1f. 1851ff.; Hundert Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, hg. v. Peter, H. u. a., 1982; Das Obligationenrecht 1883-1983, hg. v. Caroni, P., 1984; Anhäuser, V., Das internationale Obligationenrecht in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts, 1986; Handels- und obligationenrechtliche Materialien, hg. v. Fasel, U., 2000; Ranieri, F., Europäisches Obligationenrecht, 2. A. 2004 obligatio (F.) quasi ex contractu (lat.) Verbindlichkeit aus vertragsähnlichem Tatbe- stand Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler DRG, 62 obligatio (F.) quasi ex delicto (lat.) Verbindlichkeit aus deliktsähnlichem Tatbestand Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler DRG 62 Obligatio (F.) re, verbis, litteris, consensu contracta (lat.) ist die römische Bezeichnung für eine Verbindlichkeit aus Realvertrag, Verbalvertrag, Litteralvertrag oder Konsensualvertrag, wobei das beurkundete Darlehen im nachklassischen römischen Recht als (lat.) obligatio (F.) re et verbis aufgefasst wird. Lit.: Kaser §§ 38 I, 39 I 2 Obrigkeit ist die vom 15. bis zum 17. Jh. bestimmende Bezeichnung für den Träger von Herrschaftsrechten. Ihr entspricht die Untertänigkeit. Der O. steht das Recht zu, durch Gebote die gute -> Polizei bzw. -> Ordnung zu sichern. Lit.: Naujoks, E., Ordnungsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Willoweit, D., Gebot und Verbot im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94; Willoweit, D., Gesetzgebung und Recht, in: Zum römischen und neuzeitlichen Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O. u. a., 1987, 123; Friedeburg, R. v., Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit, 1997 obsequium (lat. [N.]) Nachgiebigkeit, Gehorsam Lit.: Kroeschell, DRG 1 Observanz ist das örtlich oder persönlich (z. B. Orden) begrenzte Gewohnheitsrecht. Lit.: Petersen, R., Die Observanz, Diss. jur. Leipzig 1848; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo, Hist. Jb. 89 (1969), 337 obstagium (lat. [N.]) -> Einlager Occupatio (lat. [F.]) ist die schon dem altrömischen Recht bekannte -> Aneignung einer von Anfang an oder durch Eigentumsaufgabe herrenlosen Sache. Lit.: Kaser § 26 I; Köbler, DRG 24, 40 Ochsenfurt Lit.: Wenisch, S., Ochsenfurt, 1972 Ockham, Wilhelm (von) (Occam/Surrey 1280/1285-München 9./10. April 1347 [Sterbedatum ungewiss]) wird nach dem Studium der Theologie in Oxford der Ketzerei verdächtig und flieht zu Ludwig dem Bayern. Neben vielen Gutachten verfasst er hier wohl um 1340 seinen (lat.) Dialogus (M.) de potestate imperiali et papali (Zwiegespräch über kaiserliche und päpstliche Gewalt) zugunsten des Kaisers. Lit.: Köbler, DRG 107; Heinen, E., Reich und Kirche bei Wilhelm von Ockham, Diss. jur. Bonn 1955; Kölmel, W., Wilhelm Ockham, 1962; Miethke, J., Ockhams Weg zur Sozialphilosophie, 1969; Wilhelm von Ockham, 542 Texte zur politischen Theorie, hg. v. Miethke, J., 1995; Leppin, V., Wilhelm von Ockham, 2003 odal (an.) Erbgut, Gut, Heimat Lit.: Behaghel, O., Odal, SB. d. Akad. d. Wiss. München phil.-hist. Abt. 1935, 3; Störmer, W., Früher Adel, 1973, 116, 155; Danielsen, R. u. a., Grunntrekki i norsk historie, 1991, 49 Odofredus de Denariis (Bologna um 1200-3. 12. 1265 oder 1264) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Azo, Jacobus Balduini) wohl 1231 Rechtslehrer in Bologna. Er verfasst Glossen, Summen, Quaestiones, Gutachten und Monographien. Lit.: Köbler, DRG 107; Tamassia, N., Odofredo, in: Azzi e memorie, 1894; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; La Pace di Costanza 1183, 1984; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Odowakar (um 433-493) ist ein germanischer (skirischer) Söldnerführer, der 476 n. Chr. mit der Absetzung des Romulus Augustulus das weströmische Reich beendet. Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 50, 67; Chastagnol, A., Le senat romain sous le rgne d'Odoacre, 1966; Wes, M., Das Ende des Kaisertums, 1967, 149 Oesfeld -> Hermann von Oesfeld Ofen (Buda) an der Donau ist heute Teil von Budapest. Sein in deutscher Sprache verfasstes, in 3 Handschriften überliefertes Stadtrechts- buch wird vermutlich zwischen 1403 und 1439 (1405-21) von dem Stadtrichter Johannes Siebenlinder verfasst. Es gliedert sich in fünf Teile mit 445 Artikeln (Stadtverfassung, Kaufleuterecht). Es zeigt Beziehungen zum Sachsenspiegel, zum Magdeburger, Iglauer und Wiener Recht. Das Recht von O. wird an zahlreiche Städte in Ungarn verliehen. Lit.: Das Ofener Stadtrecht, hg. v. Mollay, K., 1959; Kubinyi, A., Die Anfänge Ofens, 1972; Rady, M., Medieval Buda, 1985; Gönczi, K., Ungarisches Stadtrecht, 1996; Buda város jogkönyve (Das Rechtsbuch der Stadt Ofen), hg. v. Blazovich, L-. u. a., 2001 Offene Handelsgesellschaft ist die Handelsgesellschaft mit unbeschränkter Haftung aller Gesellschafter. Sie erscheint in der hochmittelalterlichen Stadt und bildet sich in der frühen Neuzeit stärker durch. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 167, 217; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Hagemann, H., Basler Handelsgesellschaften, FS F. Vischer, 1983, 557; Servos, R., Die Personalhandelsgesellschaften und die stille Gesellschaft, Diss. jur. Köln 1984 Offenes Haus ist das einem anderen zur (kriegerischen) Benutzung offenstehende Haus. -> Öffnungsrecht Lit.: Pfeiffer, G., Die Offenhäuser der Reichsstadt Nürnberg, Jb. f. fränk. LG. 14 (1954), 153 Öffentlicher Dienst ist seit dem 19. Jh. der Staatsdienst. Lit.: Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980; Schneider, O., Rechtsgedanken und Rechtstechniken totalitärer Herrschaft, 1988 Öffentlicher Glaube ist das Vertrauen der Allgemeinheit in ein öffentliches Register (z. B. Grundbuch, Handelsregister). Anfangs gewähren diese Register nur einen Beweisvorteil im Streit um Grundstücksrechte. Seit dem 18. Jh. (Preußen 1783) ermöglichen sie allmählich den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten (um 1870). Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts, Bd. II 2, 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Hofmeister, H., Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbes, 1977; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobilienrecht, 1978 Öffentliches Recht sind alle Rechtssätze, bei denen Berechtigter oder Verpflichteter ausschließlich ein Träger öffentlicher Gewalt (z. B. Staat, Gemeinde) in seiner Eigenschaft als solcher ist. Zum öffentlichen Recht zählen etwa Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht und Strafrecht. Seinen Ausgang nimmt die Aufteilung des Rechtes in privates Recht und öffentliches Recht im römischen Altertum, in dem nach einer -> Ulpian zugeschriebenen Wendung ö. R. ist, was die Verhältnisse des römischen Gemeinwesens betrifft (lat. ad statum rei Romanae spectat). Diese Einteilung ist zwar dem Mittelalter bekannt, hat dort aber keine grundsätzliche Bedeutung. Erst um das Jahr 1600 findet sich das öffentliche Recht (lat. ius [N.] publicum) als besonderes Sachfach an der Universität (Staatsrecht). Die ersten bekannten Vertreter des selbständigen Staatsrechts (Reichsstaats- rechts) sind (-> Bodin [1530-1596],) -> Limnaeus (1592-1663) und -> Pufendorf (1632-1694). Seit Beginn des 19. Jh.s wird 543 dann eine grundsätzliche dogmatische Trennung von öffentlichem Recht (Machtbereich des souveränen Fürstentums) und privatem Recht (Freiheitsraum des Einzelnen) deutlich. Innerhalb des öffentlichen Rechts entwickelt sich im 19. Jh. das -> Verwaltungsrecht (Otto -> Mayer). Lit.: Kaser § 3 II; Söllner § 18; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 54, 143, 147, 189; Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852; Schöne, L., Privatrecht und öffentliches Recht, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Bussi, E., Il diritto pubblico del Sacro Romao impero, Bd. 1f. 1957ff., 2. A. 1970; Müllejans, H., Publicus und privatus im römischen Recht, 1961; Bullinger, M., Öffentliches Recht und Privatrecht, 1968; Echterhölter, R., Das öffentliche Recht im nationalsozialistischen Staat, 1970; Hoke, R., Die Reichsstaatslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Grimm, D., Zur politischen Funktion der Trennung, in: Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 224; Wyduckel, D., Jus publicum, 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1988ff.; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Stolleis, M., Konstitution und Intervention, 2001 Öffentlichkeit ist die Zugänglichkeit eines Vorgangs für einen nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis. Die Ö. ist insbesondere im Verfahrensrecht bedeutsam. Hier drängen das Inquisitions- verfahren seit dem Hochmittelalter und der gelehrte Prozess seit dem Spätmittelalter die Ö. zurück. Der Liberalismus erreicht im 19. Jh. die Rückkehr zur grundsätzlichen Ö. des Prozesses (Frankreich 1806/1808, deutsche Bundesstaa- ten ab 1848). Umgekehrt versucht der Staat eine Überwachung der Ö. im Sinne der Allgemeinheit. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 201, 202; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 413; Alber, P., Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1971; Fögen, M., Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, 1974; Becher, U., Politische Gesellschaft, 1978; Haber, G., Strafgerichtliche Öffentlichkeit und öffentlicher Ankläger in der französischen Aufklärung, 1979; Siemann, W., Der ,,Polizeiverein" deutscher Staaten, 1983; Körber, E., Öffentlichkeiten der frühen Neuzeit, 1998; Weitzel, J., Gerichtsöffentlichkeit, in: Information u. a., hg. v. Haverkamp, A., 1998, 71; Das Öffentliche und Private in der Vormoderne, hg. v. Melville, G. u. a., 1998; Zwischen Gotteshaus und Taverne, hg. v. Rau, S. u. a., 2004; Moos, P. v., Öffentlich und privat im Mittelalter, 2004 Öffentlichkeitsgrundsatz -> Öffentlichkeit Öffentlichrechtlicher Vertrag ist der Vertrag mindestens eines Hoheitsträgers mit einem Vertragspartner über einen Gegenstand des öffentlichen Rechts. Er wird im 20. Jh. anerkannt. Lit.: Köbler, DRG 259; Dewitz, R., Der Vertrag in der Lehre Otto Mayers, 2004 officier (M.) civil (franz.) (1787/92) -> Standesbeamter officium (lat. [N.]) Amt, Pflicht officium (N.) pietatis (lat.) sittliche Pflicht Lit.: Köbler, DRG 38 Offizial ist im katholischen Kirchenrecht der vereinzelt seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allgemein seit 1246 erscheinende, gelehrte Vorsitzende der bischöflichen Gerichtsbehörde, der als ständiger ordentlicher berufsmäßiger Einzelrichter selbst entscheidet (Meißen 1316, Merseburg 1330, Naumburg- Zeitz 1340). Später ist O. ein einfacher Beamtentitel. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 115; Steins, A., Der ordentliche Zivilprozess vor dem bischöflichen Offizial, Diss. jur. Bonn 1972 Offizialat ist im katholischen Kirchenrecht die bischöfliche Gerichtsbarkeit. -> Offizial Lit.: Eisenhardt, U., Die weltliche Gerichtsbarkeit der Offizialate in Köln, Bonn und Werl, 1966; Trusen, W., Die gelehrte Gerichtsbarkeit der Kirche, in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 476; Paarhammer, H., Rechtsprechung und Verwaltung des Salzburger Offizialates, 1977; Johanek, I., Geistlicher Richter und geistliches Gericht, Diss. phil. Würzburg 1981; Buchholz-Johanek, I., Geistlicher Richter und geistliches Gericht, 1988; Schwab, C., Das Augsburger Offizialatsregister 1348-1352, 2001 Offizialmaxime ist im Prozessrecht der Grundsatz des Amtsprinzips. Die O. erscheint in den hochmittelalterlichen Städten, in denen der Richter zur Unrechtsverfolgung verpflichtet wird. Sie gilt im -> Inquisitionsprozess. Lit.: Köbler, DRG 117, 156 Offizier ist der Führer einer Anzahl von Soldaten. Er ist im klassischen und spätantiken Rom bekannt. Danach erscheint er wieder seit 544 dem Ende des 16. Jh.s. Im 19. Jh. wird er vom Diener des Fürsten zum Diener des Staates. Danach wird der Adel ganz allmählich durch Bürger zurückgedrängt. Voraussetzung wird ein höherer Bildungsstand (Abitur), eine gewisse Dienstzeit und die Ablegung einer Prüfung. Lit.: Sossidi, E., Die staatsrechtliche Stellung der Offiziere, 1939; Beyer, P., Das Leitbild des deutschen Offiziers, 1964; Demeter, K., Das deutsche Offizierskorps, 4. A. 1965; Untersuchungen des Offizierskorps, 1962 Öffnung ist eine frühneuzeitliche Bezeichnung für ein -> Weistum. Öffnungsrecht ist seit dem Hochmittelalter das Recht, von einem Inhaber eines befestigten Ortes die Öffnung und die Einräumung der Nutzung zu verlangen. Träger des Öffnungs- rechts ist vor allem der Lehnsherr, später der Landesherr. -> offenes Haus Lit.: Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Hillebrand, F., Das Öffnungsrecht, Diss. phil. Tübingen 1967 Ofner, Julius (Horschenz 1845-Wien 1924) wird nach dem Rechtsstudium in Prag und Wien Anwalt, Richter und Politiker. Er setzt sich für eine soziale Fortentwicklung des Rechts ein. Lit.: Brauneder, W., Leseverein und Rechtskultur, 1992 OGH -> Oberster Gerichtshof Okkupation (F.) Besetzung Lit.: Latour-Vogelsang, Okkupation und Wiederaufbau, 1973 Ökonomie (F.) Wirtschaft Lit.: Kroeschell, DRG 3; Marx, K., Zur Kritik der politischen Ökonomie, 1859; Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 1999; Sandi, M., Ökonomie des Raumes, 1999; Schefold, B., Beiträge zur ökonomischen Dogmengeschichte, 2004 Ökonomische Analyse des Rechts ist eine von den Vereinigten Staaten von Amerika im späten 20. Jh. (1975ff.) übernommene Betrach- tungsweise des Rechts, die über die Einbeziehung der Wirklichkeit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Grundlage der Rechtsordnung zu verändern versucht. Lit.: Horn, N., Zur ökonomischen Rationalität des Privatrechts, AcP 176 (1976), 307; Posner, R., Economic Analysis of Law, 1977; Assmann, u. a., Ökonomische Analyse des Rechts, 1993; Schäfer, H./Ott, C., Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2. A. 1995; Eidenmüller, H., Effizienz als Rechtsprinzip, 2. A. 1998 Oktoberdiplom ist das nach der Niederlage gegen die italienische Einigungsbewegung am 20. 10. 1860 gewährte neue Staatsgrundgesetz in -> Österreich, demzufolge die Gesetzgebung unter Mitwirkung der Landtage oder des Reichsrates ausgeübt werden soll. Es will die Vollgewalt des Kaisers wahren, die Bildung eines allgemeinen Parlamentes umgehen und die Stellung des Adels stärken. Es findet aber weder in Ungarn noch in Böhmen Billigung. Seinem Scheitern folgt am 26. 2. 1861 das -> Februarpatent. Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher Oktroi ist die Verleihung, Bewilligung oder Bevorrechtung. Im 19. Jh. wird O. eine Möglichkeit der Verfassungsgewährung (z. B. Bayern 1808/1818, Nassau 1814, Waldeck 1814, Württemberg 1815-1818, Kurhessen 1815/1816, Baden 1818, Lippe-Detmold 1819, Hessen-Darmstadt 1820, Sachsen-Meiningen 1829, Preußen 1848, Österreich 4. 3. 1849). Lit.: Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005 Oktroisystem ist das im frühneuzeitlichen Recht herrschende System der Verleihung von Rechten durch staatliche Urkunde. Es wirkt sich insbesondere auch auf die Entstehung juristischer Personen aus. Hier wird es im 19. Jh. durch das System der Konzession und danach der Normativbestimmungen (1870) ersetzt. Lit.: Köbler, DRG 161, 167, 217 oktroyierte Verfassung -> Oktroi, Verfassung Olaus (Olavus) Petri (Örebro 6. 1. 1493?- Stockholm 19. 4. 1552) wird nach dem Theologiestudium in Wittenberg (Melanchthon, Luther) Diakon in Strängnäs, 1524 Sekretär in Stockholm und Pfarrer der Stadtkirche sowie 1531 (bis 1533) Kanzler. Er verfasst (43) bedeutende Richterregeln (domarereglerna) (mit 21 Rechtssprichwörtern). Lit.: Schmidt, G., Die Richterregeln des Olavus Petri, 1966 Oldenburg ist seit der Mitte des 12. Jh.s eine nach der Burg O. an der Hunte benannte Grafschaft, die 1774 Herzogtum und 1918 Freistaat wird und 1946 in -> Niedersachsen aufgeht. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kohl, D., Das 545 Oldenburger Stadtrecht, Oldenburger Jahrbuch 34 (1930), 415; Krahnstöver, H., Die Entwicklung der oldenburgischen Justizorganisation von 1699 bis 1879, 1955 (masch.schr.); Sellmann, M., Entwicklung und Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Oldenburg, 1957; Hartong, K., Beiträge zur Geschichte des oldenburgischen Staatsrechts, 1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3698; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landesgerichts von Oldenburg (1573 bis 1935), 1975; Hülle, W., Geschichte der oldenburgischen Anwaltschaft, 1977; Rössler, L., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, 1985; Geschichte des Landes Oldenburg, hg. v. Eckhardt, A. u. a., 3. A. 1988; 175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg, 1989 Oldenburger Bilderhandschrift -> Bilderhandschrift Oldendorp, Johannes (Hamburg um 1488- Marburg 3. 6. 1567), Kleinkaufmannssohn, wird nach dem von seinem Onkel Albert Krantz geförderten Rechtsstudium in Rostock und Bologna 1516 Rechtslehrer in Greifswald, 1520 in Frankfurt an der Oder, 1521 Professor in Greifswald, 1526 in Rostock, 1536 in Köln und 1543 in Marburg. Bekannt wird er durch verschiedene Schriften zur Ausbildung, in denen er früh naturrechtliche Gedankengänge aufgreift. Bedeutsam ist auch sein Einsatz zugunsten der freien Beweiswürdigung des Richters. Lit.: Dietze, H., Johannes Oldendorp, 1933; Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 138; Mack, P., Das Rechts- und Staatsdenken des Johannes Oldendorp, Diss. jur. Köln 1966 Oléron ist die vor der französischen Westküste gelegene Insel, nach der das in den privat aufgezeichneten, durch 30 Handschriften des 14. und 15. Jh.s bezeugten Rôles d'Oléron niedergelegte Seerecht benannt ist. Dieses weistumsartige Seerecht stammt sowohl aus mittelmeerischen wie auch aus nordwesteuro- päischen Gewohnheiten. Nach Oléron hat es wohl den Namen, weil dort das vielleicht kurz vor 1286 geschaffene Original der Aufzeich- nung aufbewahrt wurde. Das Seerecht gliedert sich in 24 Artikel und behandelt Reeder, Schiffer, Schiffsmannschaft, Lotsen und Befrachter. Seit dem 14. Jh. wirken sich die Rôles d'Oléron an vielen Orten aus ( -> Siete Partidas, Vonnisse von Damme, hansische Ordinancie, Liber Horn in London, Amsterdamer Ordonnantie, Seerecht von Visby, Gotlands Waterrecht, Frankreich 1681). Lit.: Das Seerecht von Oléron nach der Handschrift Troyes (1386), hg. v. Zeller, H., 1906; Perels, L., Das Seerecht von Oléron, ZRG GA 32 (1911), 246; Krieger, K., Ursprung und Wurzeln der Rôles d'Oléron, 1970; Shephard, J., Les Rôles d'Oléron, 1985 Oligarchie (F.) Herrschaft weniger Lit.: Ostwald, M., Oligarchia, 2000 Olmütz an der March westlich des sog. niederen Gesenkes in Mähren erhält 1351 auf Befehl Kaiser Karls IV. von den Schöffen von Breslau das Recht Magdeburgs mitgeteilt und wird 1352 als -> Oberhof für alle mährischen Orte sächsisch-magdeburgischen Rechts bestätigt (ab 1343 Stadtbuch des Schreibers Johann, ab 1430 Stadtbuch des Schreibers Wenzel von Iglau). Für mehr als 30 Städte und 80 kleinere Orte wirkt sich dies in allmählicher Abnahme bis 1705 aus. In der Mitte des 16. Jh.s wird nach dem Vorbild Breslaus von dem Stadtschreiber Heinrich Polanus (aus Polans- dorf) die Olmützer Gerichtsordnung schriftlich niedergelegt, die Vogt und Schöffen kennt und vom gelehrten Prozess nur geringfügig beeinflusst ist. 1569/1576 erhält O. eine Universität (bis 1782). Am 29. 11. 1859 verzichtet -> Preußen angesichts der Überlegenheit Russlands in der mit Österreich geschlossenen sog. Olmützer Punktation auf die Verwirklichung der deutschen Einheit unter seiner Führung. Lit.: Bischoff, F., Deutsches Recht in Olmütz, 1855; Fischel, A., Die Olmützer Gerichtsordnung, 1903; Weizsäcker, W., Breslau als Oberhof mährischer Städte, Z. d. Vereins f. Gesch. Schlesiens 72 (1938), 25; Schüßler, M., Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111 (1994), 148; Spáèilová, L./Spáèil, V., Památná kniha olomoucká (kodex Václava z Jihlavy) z let 1430-1492, 1528, 2004 Olympia Lit.: Günther, R., Olympia. Kult und Spiele in der Antike, 2004; Sinn, U., Das antike Olympia, 2004; Swaddling, J., Die olympischen Spiele in Athen, 2004 Ombudsmann ist der Mensch, der als Verfassungsorgan den Einzelnen gegen staatlich-behördliche Rechtsverletzung schützen soll. Der O. erscheint zuerst im Stadtrecht des Königs -> Magnus Hakonarson (1263-1280) für Bergen als Bevollmächtigter 546 des Königs. 1809 wird er in Schweden in die Verfassung aufgenommen. Seit dem 20. Jh. wird er im Interesse des Einzelnen tätig. Seitdem breitet sich die Einrichtung des Ombudsmanns unter verschiedenen Bezeichnungen (z. B. Volksanwalt, Wehrbeauf- tragter) weiter aus (Finnland 1919, Israel 1950, Deutschland 1957, Dänemark 1962, Großbri- tannien 1967, Österreich 1977, Rumänien 1978). Lit.: Hansen, J., Die Institution des Ombudsmannes, 1972; Wild, E., Der Ombudsmann in Deutschland, Diss. jur. Würzburg 1972; Rowat, D., The Ombudsmann plan, 1973 Opera (N.Pl.) publica (lat.) sind seit der frühen Neuzeit als Strafen verhängte öffentliche Arbeiten (z. B. Festungsbau, Karrenziehen, Schiffsziehen, Galeerenrudern, Straßenkehren). Lit.: Bohne, G., Die Freiheitsstrafe, Bd. 2 1925, 275; Franke, H., Die Gefängnisarbeit, Diss. jur. Würzburg 1926; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002 Operis novi nuntiatio (lat. [F.]) ist im römischen, teilweise später aufgenommenen Recht die Untersagung fremder Bauführung durch einen Beeinträchtigten. Lit.: Kaser § 23 III 8; Kroeschell, DRG 2 Opfer ist zunächst die Darbietung einer Sache, dann die Erduldung eines Übels und schließlich der dadurch Beeinträchtigte. Während sich das herkömmliche Strafrecht hauptsächlich mit dem Täter und seiner Bestrafung beschäftigt, gewinnt in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s auch das O. an Bedeutung (Viktimologie). Seit 1976 verpflichtet ein Gesetz in Deutschland den Staat zur Entschädigung der O. eines Gewaltverbrechens. Zunehmend wird auch ein Täter-Opfer-Ausgleich angestrebt. Lit.: Köbler, DRG 263; Schulte, R., Die Messe als Opfer der Kirche, 1959; Kunz, E./Zeller, G., Opferentschädigungsgesetz, 3. A. 1995 Oppidum (lat. [N.]) Siedlung, Stadt, im Mittelalter auch Dorf. Geschichtlich bemerkenswert sind die (etwa 170 bekannten) oppida (N.Pl.) der Kelten (der Zeitenwende) (z. B. Manching bei Ingolstadt). Lit.: Köbler, DRG 32; Köbler, LAW; Dehn, W., Die gallischen oppida bei Cäsar, Saalburg-Jahrbuch 10 (1951), 36; Krämer, W./Schubert, F., Die Ausgrabungen in Manching, 1970 Opportunitätsprinzip ist der Zweckmäßig- keitsgrundsatz des staatlichen Handelns. Dem O. steht das Legalitätsprinzip gegenüber. Die Staatsanwaltschaft darf nach Beseitigung der unterschiedlichen Regelungen des früheren 19. Jh.s (Preußen 3. 1. 1849, Baden 6. 3. 1854, Frankfurt am Main 13. 5. 1856 u. a.) seit 1877/1879 (§ 152 StPO) nur in bestimmten Grenzen das O. anwenden (anders z. B. Vereinfachungsverordnung vom 13. 12. 1944). Lit.: Hertz, J., Die Geschichte des Legalitätsprinzips, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1935; Schurer, K., Die Entwicklung des Legalitätsprinzips, Diss. jur. Hamburg 1965; Schroeder, F., Legalitätsprinzip und Opportunitätsprinzip heute, in: FS K. Peters 1974, 411 Opposition ist die Gesamtheit der einer Regierung gegenüberstehenden politischen Kräfte. Die in der ersten Hälfte des 18. Jh.s in England entwickelte O. ist wesentlicher Bestandteil der freiheitlichen Demokratie seit der Mitte des 19. Jh.s. Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 469; Rothfels, H., Die Opposition gegen Hitler, 3. A. 1969; Hoffmann, P., Widerstand-Staatsstreich-Attentat, 1969; Barth, R., Argumentation und Selbstverständnis, 1976; Brunner, K., Oppositionelle Gruppen im Karolingerreich, 1979 Oratio (F.) Severi (lat.) ist der übliche Name für ein an Vormünder gerichtetes Verbot des römischen Kaisers Septimius Severus des Jahres 195 n. Chr., ländliche oder stadtnahe Grundstücke eines -> Mündels zu veräußern oder zu verpfänden. Lit.: Kaser § 62 III 3; Söllner § 15 Ordal ist die dem vom Altfränkischen beeinflussten Altenglischen entnommene wissenschaftliche Bezeichnung für das früh- mittelalterliche -> Gottesurteil seit dem 19. Jh. Lit.: Liebermann, F., Ordalien heißen und kalten Wassers vermengt, ZRG GA 41 (1920), 382; La preuve, Bd. 2 1965; ®ontar, J., Ein Kerzenordal aus Kamnik (Stein) in Oberkrain vom Jahre 1398, ZRG GA 92 (1975), 194 Orden ist die dem römischen Gesellschaftswesen nachgebildete christliche Menschengemeinschaft und seit dem 17. Jh. das auszeichnende Ehrenzeichen. Von Mönchsorden lässt sich dabei entweder seit dem frühen 9. Jh. (Synode von Aachen 816) oder seit dem 12. Jh. (-> Zisterzienser) sprechen. Im 12. Jh. entstehen geistliche Ritterorden (1190 -> Deutscher Orden) und 547 weltliche Ritterorden (Kastilien 1158). Nach Gnadenpfennigen des 16. Jh.s erscheinen militärische Verdienstorden in der zweiten Hälfte des 17. Jh.s. Das Recht, O. zu verleihen und zu stiften ist Hoheitsrecht, das seit dem 19. Jh. zunehmende gesetzliche Regelung erfährt. Der Orden pour le mérite für Wissenschaften und Künste stammt von 1842. Lit.: Gritzner, M., Handbuch der Ritter- und Verdienstorden, 1893, Neudruck 1962; Heimbucher, M., Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche, Bd. 1f. 1933f., Neudruck 1965; Gordon, L., British orders and awards, 1959; Heydenreich, B., Ritterorden und Rittergesellschaften, Diss. phil. Würzburg 1961; Höhne, H., Der Orden unter dem Totenkopf, Bd 1f. 1969; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 80; Werlech, R., Orders and decorations, 2. A. 1974; Boockmann, H., Der Deutsche Orden, 1981; Orden pour le mérite, 1984; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2. A. 1994; Kulturgeschichte der christlichen Orden, hg. v. Dinzelbacher, P., 1997; Kirchner, H., Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 5. A. 1997; Nimmergut, J., Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 5. A. 2000; Ballweg, J., Konziliare oder päpstliche Ordensreform, 2001; Lehmann, F., Der rote Adlerorden (1705-1918), 2002; Schwaiger, G./Heim, M., Orden und Klöster, 2002 Ordenaçoes Afonsinas ist die nach König Alfons V. von Portugal benannte, 1448 bzw. 1454 fertiggestellte Sammlung von Rechtsquellen (königliche Regierung und Verwaltung 62 Titel, Kleriker, Lehen, Mauren und Juden 123 Titel, Zivilverfahren 128 Titel, Privatrecht 112 Titel, Strafe 121 Titel). Lit.: Albuquerque, M. de/Albuquerque, R. de, Historia do Direito Portugues, 1983; Wolf, A., Gesetzgebung in Europa, 2. A. 1996, 195 Ordenaçoes Filipinas ist die Sammlung des portugiesischen Rechts von 1603. Ordenaçoes Manuelinas ist die Überarbeitung der -> Ordenaçoes Afonsinas unter König Manuel I. von 1521. Lit.: Wolf, A., Gesetzgebung in Europa, 2. A. 1996, 196 Ordensregel ist die die Verhältnisse in einem - > Orden bestimmende, meist vom Ordensstifter stammende Regel. Sie beruht auf der Gesamtheit der Erfahrungen des seit dem 4./5. Jh. entstehenden Mönchtums, die Augustinus und Benedikt von Nursia bereits in Regeln fassen. Von ihnen weichen die Ordensregeln des 12. Jh.s ab, weswegen das Laterankonzil des Jahres 1212 die Zahl der zulässigen Ordensregeln auf die Regeln der heiligen Basilius, Augustinus, Benedikt und Franziskus begrenzt. Lit.: Holste, L., Codex regularum monasticarum et canonicarum, Bd. 1ff. 1661; Balthasar, H. v., Die großen Ordensregeln, 2. A. 1961; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Handbuch des katholischen Kirchenrechts, hg. v. Listl, J., 1983, 476 Ordensschule ist vor allem seit dem Hochmittelalter die für einen bzw. von einem - > Orden geführte -> Schule (z. B. der Franziskaner, Dominikaner usw.). Lit.: Kroeschell, DRG 2 Orderpapier ist das Wertpapier, das zwar eine bestimmte, namentlich bezeichnete Person als berechtigt benennt, aber den Aussteller auch verpflichtet, an eine vom Benannten durch -> Indossament bestimmte Person zu leisten. Orderpapiere finden sich schon seit dem Altertum, werden als besondere Art der Wertpapiere aber erst im 19. Jh. zusammengefasst. Dazu zählen Wechsel, Scheck, die Papiere der §§ 300ff. ADHGB (1861) bzw. 363 HGB (1897/1900), Namensaktie und Reichsbankanteilsschein. Die namengebende Orderklausel erscheint im 12. Jh. und gelangt über Italien und Frankreich im 17. Jh. nach Deutschland. Lit.: Hübner 597; Mann, Mecklenburgische Rentenbriefe, ZRG GA 7 (1886), 116; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, 385ff., Neudruck 1957; Behrend, F., Die unvollkommenen Orderpapiere, Diss. jur. Berlin 1892; Schultze-v. Lasaulx, H., Beiträge zur Geschichte des Wertpapierrechts, 1931; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen Funktion mittelalterlicher Urkunden, FS H. Eichler, 1977, 645 Ordinancie (unde insettinge) ist die Aufzeichnung der von den niederländischen Hafenstädten im Seehandel angewandten Rechtssätze aus dem Ende des 14. Jh.s. Ihr liegt die -> Vonnisse von Damme und damit mittelbar die -> Rôles d'Oléron zugrunde. Lit.: Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a. , 1997 Ordinarius (lat. [M.]) ist der ordentliche Universitätsprofessor. Ursprünglich ist der o. anscheinend der Vorsitzende des Spruchkollegiums einer Fakultät. Auch nach 548 Abschaffung dieser Einrichtung (1877/1879) bleibt der Name für den berufenen und zum ordentlichen Professor ernannten Gelehrten erhalten, tritt aber in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s im Kampf vieler gegen die Ordinarienuniveristät (1968, ,,Hinter den Talaren steckt der Muff von 1000 Jahren") zurück und wird im Zuge der Demokratisierung der Universität als amtliche Bezeichnung mehr und mehr aufgegeben. Lit.: Trier, J., De officio ordinarii, 1743; Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834, Neudruck 1961, 262; Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Universität, Bd. 2 1896, Neudruck 1958, 210 Ordinatio (F.) de inquisitione consue- tudinem facienda ist das französische Gesetz von 1270, das königliches Verfahrensrecht auch im örtlichen Gericht anwendbar macht und das mündliche Verfahren teilweise in ein schriftliches Verfahren umwandelt. Ordnung ist der geregelte Zustand. Von Vorstellungen des Altertums und der Christenheit über regelmäßige Abläufe ausgehend besteht bereits im Frühmittelalter eine O. etwa des Gottesdienstes oder auch der Krönung. Anscheinend seit dem 9. Jh. erörtert, greift im 12. Jh. der Gedanke der O. auf das Verfahren über. Seit dem Spätmittelalter wird die Herstellung der O. ganz allgemein zur Aufgabe des Herrschaftsträgers, der durch ordnende Vorschriften für den guten Zustand (- > Polizei) des Gemeinwesens sorgen soll. Von daher wird die Polizei zur Wahrung von Sicherheit und O. bestimmt. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird die Verwaltung entpolizeilicht, so dass besondere Ordnungsbehörden entstehen. Lit.: Köbler, DRG 151, 198, 259; Schmidt, E., Die maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Schmelzeisen, G., Polizeiordnung und Privatrecht, 1955; Recktenwald, W., Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung, Diss. jur. Bonn 1956; Landes- und Polizeiordnungen, hg. v. Schmelzeisen, G., 1968; Götz, V., Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1971; Bauer, V., Kleiderordnungen in Bayern, 1975; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Die Ordnungen des Reichshofrates 1550-1766, hg. v. Sellert, W., Bd. 1 1981; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Ordnung und Aufruhr im Mittelalter, hg. v. Fögen, T., 1995; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93; Schröder, J., Wissenschaftliche Ordnungsvorstellungen, Ius commune 24 (1997), 25; Köbler, G., Wie der Streit die Ordnung fand und so die Prozessordnung entstand, in: Gedächtnisschrift W. Litewski, 2003 Ordnungsrecht ist in Deutschland seit der Entpolizeilichung der Verwaltung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die Gesamtheit der die öffentliche -> Ordnung betreffenden Rechtssätze. Lit.: Götz, V., Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1971 ordo (lat. [M.]) Reihe, Stand, Reihenfolge, Aufeinanderfolge, Ordnung Lit.: Manz, L., Der Ordogedanke, 1937; Die ordines für die Weihe, hg. v. Elze, R., 1960; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u.a, 1996, 93; Schneider, H., ein unbekannter Ordo ad principem consecrandum aus dem süditalienischen Normannenreich, DA 60 (2004), 54 Ordo (M.) decurionum ist in der Spätantike der Gemeinderat. Lit.: Köbler, DRG 32, 55, 58 ordo (M.) equester (lat.) Ritterstand (der Römer) Lit.: Köbler, DRG 32 ordo (M.) iudiciarius (lat.) -> ordo (M.) iudicii (lat.) Ordo (M.) iudicii (lat.) ist die seit dem 9. Jh. erörterte und nach ersten Vorläufern des 11. Jh.s (Notum fieri volumus [Pavia?, 1. H. des 11. Jh.s], Imperator Iustinianus omnibus [Pavia?, um 1050], Libellus conventionis [Norditalien?, drittes Viertel des 11. Jh.s], De actionum varietate) seit dem 12. Jh. unter verschiedenen Bezeichnungen erscheinende Gerichtsordnung bzw. Prozessordnung (vgl. noch -> Zivilprozessordnung, -> Strafprozess- ordnung). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Haubrichs, W., Ordo als Form, 1969; Fowler-Magerl, L., Ordo iudiciorum vel ordo iudiciarius, 1984; Litewski. W., Mündliche Klage und Klageschrift in den ältesten ordines iudiciarii, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Litewski, W., Der römisch-kanonische Zivilprozess nach den älteren ordines iudiciarii, 1999; Köbler, G., Wie der Streit die Ordnung fand und so die Prozessordnung entstand, in: Gedächtnisschrift W. Litewski, 2003 Ordo (M.) iudicii terre Boemie ist die Privatarbeit der Mitte des 14. Jh.s, die in der -> 549 Maiestas Carolina (vor 1355) Böhmens Verwendung findet. Lit.: Werunsky, E., Der Ordo iudicii terre Boemie, ZRG GA 10 (1889), 98 Ordonnance (lat. [F.] ordinatio) ist das in Frankreich im 12. Jh. erscheinende königliche oder fürstliche Gesetz. Als älteste o. wird das von König Ludwig VII. von Frankreich allein aus königlicher Gewalt erlassene (lat. [N.]) edictum angesehen, in dem 1144 die Verbannung getaufter, aber ins Judentum zurückgefallener Juden angeordnet wird. Im 13. Jh. nimmt die Zahl der ordonnances, die der König allein erlassen kann, mit der starken Vermehrung des Königsgutes (Krondomäne) zu. In der Folge ergehen zahlreiche wichtige ordonnances. Nach 1629 sind dabei die Stände von der Mitwirkung in allen ordonnances ausgeschlossen. Fürstliche ordonnances haben besondere Bedeutung etwa für Normandie, Anjou, Bretagne, Burgund, Brabant, Savoyen oder Flandern. Lit.: Recueil général des anciennes lois françaises, hg. v. Isambert, F., 1822ff.; Petiet, R., Du pouvoir législatif en France, 1891; Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.; Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 1948, Neudruck 1988, 348; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts- geschichte, hg. v. Coing, H., 1ff. 1973ff., Bd. 1 639ff., II 3, 187; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93 Ordonnance civile touchant la réformation de la justice ist das französische Gesetz von 1667 über die Gerichtsverfassung. Ordonnance criminelle ist das französische Gesetz von 1670, das die ordonnance de Villers-Cotterets zu Lasten des Angeklagten abändert. Ordonnance de la marine ist das französische Gesetz des Jahres 1681, das in fünf Büchern das Seehandelsrecht gesetzlich festlegt. Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine, 1996 Ordonnance de Montils-les-Tours ist das französische Gesetz von 1454, das die Sammlung, Aufzeichnung und Überprüfung der -> coutumes anordnet. Ordonnance de Orléans ist das französische Gesetz von 1439, das dem König ein stehendes Heer zugesteht und den kleinen Baronen das Recht der Fehde entzieht. Ordonnance de Villers-Cotterets sur le fait de la justice ist das französische Gesetz von 1539, welches das Verfahren beschleunigt, weltliche Gerichtsbarkeit und kirchliche Gerichtsbarkeit trennt, Zivilstandsregister vorsieht, den Staatsanwalt zur Partei des Strafverfahrens macht und Schriftlichkeit und Vertraulichkeit regelt. Ordonnance du commerce ist das französische Gesetz von 1673 über Kaufleute, Handelsgeschäfte und Handelsgerichte. Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff. Ordonnance sur les donations ist das fran- zösische Gesetz von 1731 über Schenkungen. Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff. Ordonnance sur les testaments ist das französische Gesetz von 1735 über das Testamentsrecht. Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff. Ordonnance sur les substitutions ist das französische Gesetz von 1747/1748 über die Einsetzung eines Ersatzerben. Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff. Ordonnance von Paris (Réformation de moeurs dans le Languedoc et le Languedoil) ist das französische Gesetz von 1254, das die baillis an die örtlichen Rechte bindet und dem König die Möglichkeit der Änderung vorbehält. Ordre public (frz.) ist die Gesamtheit der die öffentliche Ordnung eines Gemeinwesens bestimmenden Grundsätze. Der o. p. wird im 19. Jh. aus dem französischen Recht als Bezeichnung der älteren guten Ordnung übernommen. Im internationalen Privatrecht ist ein den o. p. verletzender ausländischer Rechtssatz nicht anwendbar. Lit.: Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Simitis, K., Gute Sitten und ordre public, 1960 Organ ist (in menschliche Gegebenheit auf juristische Kunstfiguren übertragender Betrachtungsweise) der für eine als solche nicht handlungsfähige juristische Person (wie ein menschliches Körperorgan) handelnde Mensch (z. B. handelt der Verein nicht durch einen Vertreter, sondern durch ein Organ). 550 Lit.: Köbler, DRG 257; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 519 Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Lit.: Leue, N., Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, 1999 Organklage ist die -> Klage eines -> Organs zur Durchsetzung der von ihm beanspruchten Rechte gegenüber der umfassenderen Gesamteinheit. Sie entsteht erst in der jüngeren Vergangenheit. Organschaft ist die Stellung und Tätigkeit als - > Organ. Lit.: Kaser §§ 11 II, 17 I Oriflamme (F.) ist die Kirchenfahne der Abtei St. Denis bzw. Heeresfahne Frankreichs vom 11. bis 15. Jh. Lit.: Lombard-Jourdan, A., Fleur de lis et oriflamme, 1991 originär (ursprünglich) Orléans -> Kapetinger Orléans an der Loire geht auf das Cenabum der keltischen Karnuten zurück. Als Aurelianorum civitas wird es im 4. Jh. Sitz eines Bischofs. 1107 wird es Stadt. Um 1230 erscheint die Möglichkeit eines Rechtsunterrichts in O. (Jacques de Revigny, Pierre de Belleperche). 1306/1312 erhält es eine bis 1792 bestehende Universität. Lit.: Premier Livre des Procurateurs de la Nation Germanique 2, 1 bearb. v. Ridder-Symoens, H. u. a., 1978; Histoire d'Orléans, hg. v. Debal, J., Bd. 1 1983; Feenstra, R., L'École de droit d'Orléans, Revue d'histoire des facultés de droit 13 (1992), 15; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Ornat (M.) Festkleidung eines Amtsträgers z. B. Pallium, Soutane, Talar Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, 1954ff.; Hargreaves-Mawdsley, W., A History of Academical Dress, 1963 orphanus (lat. [M.]) Waise Örsted, Anders Sandoe (Langeland 1778- Kopenhagen 1860), Apothekerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Kopenhagen Richter, Beamter und Politiker, der in Kenntnis deutscher Entwicklungen (Feuerbach, Savigny, Gönner) die Rechtswissenschaft in Dänemark in vielen Bereichen beeinflusst (Haandbog over den danske og norske Lovkyndighed, 1818ff.). Lit.: Dahl, F., L'oeuvre juridique d' A. S. Örsted, 1934; Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940, 34; Anders Sandoe Örsted 1778-1978, hg. v. Tamm, D., 1978 Ort Lit.: Kläui, P., Ortsgeschichte, 1942, 2. A. 1957 Ortsname ist der -> Name einer Siedlung oder geographischen Gegebenheit. Die Ortsnamen reichen vielfach in die älteste Überlieferung zurück (, rund 4600 Namen für 295 Straßen in Köln sind seit dem 10. Jh. belegt). Sie können auch Rechtsverhältnisse widerspiegeln. Lit.: Förstemann, E., Altdeutsches Namenbuch, Bd. 2 3. A. 1913, Neudruck 1983; Frölich, K., Die Goslarer Straßennamen, 1949; Rasch, G., Die bei den antiken Autoren überlieferten geographischen Namen, Diss. phil. Heidelberg 1950; Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Bd. 1ff.; Christmann, E., Von Gaudingstatt und Hundo (Hunno), ZRG GA 70 (1953), 312; Christmann, E., Flurnamen zwischen Rhein und Saar, 1965; Bibliographie der Ortsnamenbücher, hg. v. Schützeichel, R., 1988; Berger, D., Geographische Namen in Deutschland, 1993; Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, hg. v. Eichler, E. u. a., 2001; Glasner, P., Die Lesbarkeit der Stadt, 2002; Casemir, K., Die Ortsnamen des Landkreises Wolfenbüttel und der Stadt Salzgitter, 2003; Casemir, K./Ohainski, U./Udolph, J., Die Ortsnamen des Landkreises Göttingen, 2003; Siedlungsnamen im oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bamberg, 2001; Siedlungsnamen im oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bayreuth, 2005 Osenbrüggen, Eduard (Uetersen 24. 12. 1809- Zürich 9. 6. 1879) wird nach dem Studium der Philologie in Leipzig und Kiel Mitarbeiter an der Ausgabe der justinianischen Novellen durch Albert/Kriegel und 1843 Professor für Strafrecht, Rechtsgeschichte und juristische Literatur in Dorpat, 1851 in Zürich. 1860 veröffentlicht er im Anschluss an Wilda das alemannische Strafrecht im deutschen Mittelalter, 1863 das Strafrecht der Langobarden. Lit.: Pözl, J., Zur Erinnerung an Eduard Osenbrüggen, KRV 22 (1880), 321 Oslo am Oslofjord wird auf älterer Grundlage 1048 vom König von Norwegen angelegt. 1066/1093 wird O. Sitz eines Bischofs. 1624 wird O. von König Christian IV. von Dänemark und Norwegen als Christiania (bis 1924) neu aufgebaut. 1811 erhält es eine Universität. 1905 wird O. Hauptstadt Norwegens. Lit.: Nedkvitne, A./Norseng, P., Oslos bys historie, Bd. 1 551 1991 Osmane ist der Angehörige der von Osman I. Ghasi (1258-1326) begründeten ogusischen Dynastie, deren Sultane vom Beginn des 14. Jh.s bis 1922 ein von der Türkei (Bithynien) ausgehendes Reich beherrschen (1453 Eroberung Konstantinopels, 17. Jh. Vormacht von Ägypten bis Persien), das seit 1683 an Bedeutung verliert. Lit.: Matuz, J., Das osmanische Reich, 3. A. 1994; Palmer, A., Verfall und Untergang des osmanischen Reiches, 1994; Buchmann, B., Österreich und das osmanische Reich, 1999; Faroqhi, S., Geschichte des osmanischen Reichs, 2000; Kreiser, K., Der osmanische Staat, 2000; Auf den Spuren der Osmanen in der österreichischen Geschichte, hg. v. Feigl, I. u. a., 2002; Heinzelmann, T., Heiliger Kampf oder Landesverteidigung?, 2004 Osnabrück an der Hase entwickelt sich aus einer vor 787 gegründeten Kirche zum Mittelpunkt eines eigenen Bistums. 1630 bis 1633 und) 1974 erhält es eine Universität. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Prinz, J., Das Territorium des Bistums Osnabrück, 1934; Haase, K., Recht und Verfassung der Stadt Osnabrück, Onsnabrücker Mitteilungen 65 (1952), 96; Renger, R., Landesherr und Landstände, 1968; Hirschfelder, H., Herrschaftsordnung und Bauerntum, 1971; Stebel, Die Osnabrücker Hexenprozesse, Diss. jur. Bonn 1968; Heuvel, C. van den, Beamtenschaft und Territorialstaat, 1984; Haack, G., Das Landgericht Osnabrück, 1989; Mercatum et monetam, hg. v. Schlüter, W., 2002 Osse, Melchior von (Ossa 1506/7-Frauenfels 1557), aus niederem Adel, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (seit 1518) 1534 Professor und Rat, 1542 bis 1543 ernestinischer Kanzler, 1547 in Leipzig Hofrichter und 1549 bis 1554 Statthalter von Meiningen. Er zählt zu den frühen Kameralisten. In seinem ,,poli- tischen Testament" beschreibt er eindrucksvoll den Zustand der Verwaltung zu seiner Zeit und setzt sich für die Bewahrung der überkommenen Verhältnisse (u. a. [lat.] -> mos [M.] Italicus) ein. Lit.: Langenn, F. v., Dr. Melchior von Ossa, 1858; Schriften Dr. Melchiors von Osse, hg. v. Hecker, O., 1922, Weber, P., Die Bedeutung der alten deutschen Kameralisten, Diss. jur. Bonn 1942; Behr, H., Politisches Ständetum und landschaftliche Selbstverwaltung, 1970; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980, 113 Ostarstoufa (ahd. [F.]) ist eine frühmittelalterliche (830-850), zu Ostern fällige Abgabe. Lit.: Köbler, WAS; Gallmeister, E., Königszins und westfälisches Freigericht, Diss. phil. Tübingen 1946; Köbler, G., Taschenwörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994 Ostblock ist die Gesamtheit der seit 1939 bzw. 1945 (bis 1990) politisch an die Sowjetunion angeschlossenen osteuropäisch-eurasiatischen Staaten. Lit.: Hacker, J., Der Ostblock, 1983 Österreich ist der aus dem südöstlichen Teil des Herzogtums der -> Bayern erwachsene, seit 1806 verselbständigte, von 1815 bis 1866 mit den anderen deutschen Staaten im -> Deutschen Bund vereinte und 1919 von nichtdeutschen Staaten Europas gegen seinen Willen vom -> Anschluss an -> Deutschland ferngehaltene Staat. Das Gebiet zwischen mittlerer Donau und Alpen wird zunächst von Kelten, seit 29/15 v. Chr. von Römern (Noricum, Raetia), seit etwa 500 von Germanen, dann von Slawen und seit dem 8. Jh. von den Bayern beherrscht. Im fränkischen Reich entsteht an der Donau eine eigene Mark. 976 wird die Mark an die -> Babenberger zu Lehen gegeben. In einer Urkunde Kaiser Ottos III. vom 1. 11. 996 für das Hochstift Freising wird die seit dem 9. Jh. belegte Bezeichnung ostarrihhi (Ostgebiet) (auch) für das Gebiet um Neuhofen an der Ybbs verwendet. 1139 gibt König Konrad III. zwecks Schwächung der mächtigen Welfen das Herzogtum Bayern mit Ö. an die Babenberger, doch entzieht es 1156 der um Ausgleich bemühte Friedrich I. Barbarossa wieder und löst dabei im -> privilegium minus Ö. aus Bayern heraus und erhebet es zum territorialen Herzogtum der Babenberger, denen 1192 auch die -> Steiermark anfällt. 1246 sterben die Babenberger aus. Nach dem Sieg über Ottokar von Böhmen, der zunächst die Nachfolge antritt, belehnt Rudolf von -> Habsburg 1282 seine Söhne mit Ö., das im 13. Jh. zwei eigene Landrechte erhält, sowie Steiermark und Krain. 1335 fällt Kärnten, 1363 Tirol, 1368 der Breisgau an das sich im (von Rudolf IV.) gefälschten -> privilegium maius (1358/1359) selbst zum Pfalzerzherzogtum erhebende Land des Heiligen Römischen Reiches. 1526 552 kommen Böhmen und Ungarn, 1713 italienische Gebiete (Mailand, Mantua, Mirandola, kurzzeitig Neapel, Sardinien, Sizilien, Parma, Piacenza, Toskana) und danach vor allem polnische und ehemals osmanische Güter (Ostgalizien, Bukowina, Westgalizien) sowie am Beginn des 19. Jh.s durch Säkularisierung das Erzstift Salzburg zur Herrschaft der Habsburger hinzu. 1804 erhebt sich Ö. nach dem Vorbild Frankreichs innerhalb des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) zum Kaiserreich. 1806 wird es mit dem Ende dieses Reiches selbständig. 1811 gibt es sich zum 1. 1. 1812 das -> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch. Ein daneben seit 1780 geplanter politischer Kodex für das öffentliche Recht (nach Joseph von Sonnenfels' Grundsätzen der Polizey, Handlung und Finanz) scheitert 1818 endgültig. 1815 wird Österreich weitgehend nach dem Gebietsstand von 1797 restituiert. Im Deutschen Bund (1815-1866) ist es Präsidialmacht. Von 1848 bis 1867 setzt sich trotz des -> Neoabsolutismus (1851- 1860/1861/1867) allmählich der Verfassungs- gedanke durch. Zu dieser Zeit (1851) beträgt die Zahl der Deutschen innerhalb der Habsburgermonarchie 7870719 Menschen (21,6 Prozent [davon 3,41 % israelitischer Konfgession] der Gesamtbevölkerung, 1880 25,6 %, 1910 23,4 %). 1859/1866 gehen Gebiete in Italien (Lombardei, Venetien) verloren. 1866 löst sich der Deutsche Bund auf. 1867 erreicht Ungarn im sog. Ausgleich eine gewisse Eigenständigkeit. Dem 1871 unter Führung Preußens geschaffenen (zweiten) Deutschen Reich (Bismarcks) gehört Ö. nicht an (kleindeutsche Lösung). 1878 okkupiert Ö. Bosnien und die Herzegowina. 1895 verabschiedet es eine seit 1898 geltende Zivilprozessordnung mit Jurisdiktionsnorm. 1908 annektiert es Bosnien und die Herzegowina. Nach der der Ermordung des österreichischen Thronfolgers (durch Gavrilo Princip) in Sarajewo am 28. 6. 1914 folgenden Kriegserklärung an Serbien verliert das auf diesen lokalen Krieg unter Inkaufnahme eines Kontinentalkriegs hinarbeitende Ö. am Ende des ersten Weltkrieges die Gebiete der -> Tschechoslowakei, -> Ungarns , -> Jugo- slawiens und -> Südtirols und wandelt sich am 30. Oktober 1918 oder nach eingebürgerter Ansicht am 12. November 1918 von der Monarchie zur Republik (,,Deutschösterreich"). Am 11. 3. 1938 schließt sich Ö. auf Druck des aus Ö. (Braunau) kommenden Adolf -> Hitler dem Deutschen Reich an (Anschluss). Am 1. 5. 1945 kehrt es, besetzt von den Alliierten (Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich), zur Selbständig- keit zurück. Die Besatzung endet mit dem Abschluss eines zur -> Neutralität ver- pflichtenden Staatsvertrags (15. 5. 1955). 1974 reformiert Ö. das Strafgesetzbuch (mit einheitlicher Freiheitsstrafe), 1975 die Strafprozessordnung. Zum 1. 1. 1994 wird Ö. Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes, zum 1. 1. 1995 Mitglied der -> Europäischen Union. 1999 erregt es durch die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei Jörg Haiders das Missfallen der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,969, 2,2,419, 3,2,1775,2699, 3,3,3042,3602,3716,3821,3866,4037,- 4172; Bidermann, H., Geschichte der österreichischen Gesamtstaatsidee, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1972; Dopsch, A., Entstehung und Charakter des österreichischen Landrechtes, Archiv f. österreichische Geschichte 69 (1892); Schwind, E. v./Dopsch, A., Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte der deutsch-österreichischen Erblande im Mittelalter, 1895; Beidtel, J., Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung, 1898; Huber, A., Österreichische Reichsgeschichte, 1895, 2. A. 1901; Srbik, H. Ritter von, Die Beziehungen von Staat und Kirche in Österreich während des Mittelalters, 1904; Dopsch, A., Steuerpflicht und Immunität im Herzogtum Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Die landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs, hg. v. Dopsch, A., 1904; Fischel, A., Studien zur österreichischen Reichsgeschichte, 1906; Historischer Atlas der österreichischen Alpenländer, hg. v. d. kais. Ak. d. Wiss. 1906ff. (mit Erläuterungen); Stieber, M., Das österreichische Landrecht und die böhmischen Einwirkungen auf die Reformen König Ottokars in Österreich, 1905; Pribram, Geschichte der österreichischen Gewerbepolitik, 1907; Bernatzik, E., Die österreichischen Verfassungsgesetze, 2. A. 1911; Adler, S., Das adelige Landrecht in Nieder- und 553 Oberösterreich, 1912; Luschin von Ebengreuth, A., Österreichische Reichsgeschichte des Mittelalters, 2. A. 1914; Steinacker, H., Über die Entstehung der beiden Fassungen des österreichischen Landrechts, Jahrbuch des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich 1916/1917, 230; Adler, Sigmund, Die Unterrichtsverfassung Kaiser Leopolds II., 1917; Dopsch, A., Neue Forschungen über das österreichische Landesrecht, Archiv für österreichische Geschichte 106 (1918); Luschin von Ebengreuth, A., Grundriss der österreichischen Reichsgeschichte, 2. A. 1918; Steinacker, H., Zur Frage des österreichischen Landrechts, MIÖG 39 (1922); Stowasser, O., Zwei Studien zur österreichischen Verfassungsgeschichte, ZRG GA 44 (1924), 114; Werunsky, E., Kritische Bemerkungen zur österreichischen Landrechtsfrage, Archiv für österreichische Geschichte 110 (1924); Stowasser, O., Das Land und der Herzog in Bayern und Österreich, 1925; Hoffmann, A., Die oberöster- reichischen Städte und Märkte, Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereins 84 (1932); Ganahl, H., Versuch einer Geschichte des österreichischen Landrechts im 13. Jahrhundert, MIÖG Erg.bd. 13, 1935, 231; Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, hg. v. Bittner, L., Bd. 1ff. 1935ff.; Lechner, K., Besiedlungs- und Herrschaftsgeschichte des Waldviertels, Das Waldviertel 7 (1937); Mitteis, H., Zur Geschichte der Rezeption in Österreich, ZRG GA 66 (1948), 524; Stolz, O., Grundriss der österreichischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, (1951); Österreichische Rechts- und Staatswissenschaft in Selbstdarstellungen, 1952; Preradovich, N. v., Die Führungsschichten in Österreich und Preußen (1804- 1918), 1955; Ebner, H., Von den Edlingern in Innerösterreich, 1956; Hellbling, E., Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1956; Staat und Land, 1957; Burian, P., Die Nationalitäten in Cisleithanien und das Wahlrecht der Märzrevolution 1848/49, 1962; Thienen-Adlerflycht, C., Graf Leo Thun im Vormärz, 1967; Ebert, K., Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, ZRG GA 85 (1968), 104; Winter, E., Frühliberalismus in der Donaumonarchie, 1968; Tremel, Wirtschafts- und Sozialgeschichte Österreichs, 1969; Texte zur österreichischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Fischer, H. u. a., 1970; 100 Jahre Bezirks- hauptmannschaften, hg. v. Gründler, J., 1970; Janák, J., Pøíèiny vzniku pøedlitavské sociální správy (Die Entstehungsgründe der zisleithanischen sozialen Verwaltung), 1970; Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867, 1970ff.; Der Anteil der Bundesländer an der Nationswerdung Österreichs, hg. v. Jambor, W., 1971; Fichtenau, H., Das Urkundenwesen in Österreich vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert, 1971; Flossmann, U., Regnum Austriae, ZRG GA 89 (1972), 78; Koller, H., Das ,,Königreich" Österreich, 1972; Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Slapnicka, H., Österreichs Recht außerhalb Österreichs, 1973; Das Nationalitätenproblem in Östrreich 1848-1918, hg. v. Lehmann, H. u. a., 1973; Ebert, K., Die Anfänge der modernen Sozialpolitik in Österreich, 1975; Strakosch, H., Privatrechtskodifiaktion und Staatsbildung in Österreich, 1976; Holl, B., Hofkammerpräsident Gunaker Thomas Graf Starhemberg und die österreichische Finanzpolitik der Barockzeit, 1976; Brauneder, W., Österreichische Verfassungsgeschichte 1976, 2. A. 1980, 3. A. 1983, 4. A. 1978, 5. A. 1989, 6. A. 1992, 8. A. 2001; Carlen, L., Österreichische Einflüsse auf das Recht in der Schweiz, 1977; Forschungen zur Geschichte der Städte und Märkte Österreichs 1, hg. v. Rausch, W., 1978; Bibliographische Einführung in die Rechtsgeschichte, hg. v. Gilissen, J., Teil D/4 Österreich, bearb. v. Grass, N., 1979; Quarthal, F., Landstände und landständisches Steuerwesen in Schwäbisch-Österreich, 1980; Schmitz, G., Die Vorentwürfe Hans Kelsens für die österreichische Bundesverfassung, 1981; Österreichische Fabriksprivi- legien vom 16. bis ins 18. Jh., hg. v. Otruba, G., 1981; Goldinger, W./Binder, D., Geschichte der Republik Österreich 1918-1938, 1992; Österreichischer Städteatlas, 1982ff.; Stelzer, W., Gelehrtes Recht in Österreich, 1982; Heindl, W., Österreich und die deutsche Frage, 1982; Die Rechtsquellen der Freistadt Rust, hg. v. Berger, M., 1983; Floßmann, U., Österreichische Privatrechtsgeschichte, 1983, 2. A. 1992, 3. A. 1996, 4. A. 2001, 5. A. 2001; Zöllner, E., Geschichte Österreichs, 8. A. 1990; Bibliographie zur Geschichte der Städte Österreichs, hg. v. Rausch, W., 1984; Österreich 1934-1984, hg. v. Desput, J., 1984; Walter, R., Die Entstehung des Bundesver- fassungsgesetzes 1920, 1984; Österreich im Europa der Aufklärung, red. v. Plaschka, R. u. a. 1985; Megner, K., Beamte, 1985; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985; Buzás, J., Zur Geschichte des österreichisch-ungarischen öffentlich-rechtlichen Ver- hältnisses, ZRG GA 102 (1985), 269; Baltl, H., Dr. August Chabert und die österreichische Rechtsge- schichte, ZRG GA 103 (1986), 276; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987; Schoibl, N., Die Entwicklung des österreichischen Zivilverfahrensrechts, 1987; Owerdieck, Reinhard, Parteien und Verfassungs- frage in Österreich, 1987; Wolfram, H., Die Geburt Mitteleuropas, 1987; Lehner, O., Familie ­ Recht- 554 Politik. Die Entwicklung des österreichischen Familienrechts im 19. und 20. Jahrhundert, 1987; Die bevormundete Nation. Österreich und die Alliierten 1945-1949, hg. v. Bischof, G. u. a., 1988; Lewisch, P., Der Wandel von Arbeitsethos und Arbeitsrecht in Österreich in der Zeit von Maria Theresia bis zum ABGB, 1988; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern, 1989; Bielefeldt, S., Die deutsch- österreichische Rechtsvereinheitlichung, Diss. jur. Kiel 1989; Landtafel des Erzherzogtums Österreich ob der Enns, bearb. v. Strätz, H., Bd. 1 1990; Österreichs Integration in Europa, hg. v. Hummer, W., 1990; Langer, A., Männer um die österreichische Zivilprozessordnung 1895, 1990; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991; Die österreichische Rechtsgeschichte, 1991; Schröcksnadl, T., Die Entstehung des österreichischen Kartellgesetzes von 1972, Diss. jur. Münster 1992; Winkelbauer, T., Und sollen sich die Parteien gütlich miteinander vertragen, ZRG GA 109 (1992), 129; Polaschek, M., Die Rechtsentwicklung in der ersten Republik - Die Gesetzgebung im Verfassungs- und Strafrecht von 1918- 1933, 1992; Hoke, R., Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 1992, 2. A. 1996; Lehner, O., Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1992; Quellensammlung zur österreichischen und deutschen rechtsgeschichte, hg. v. Hoke, R. u. a., 1993; Hispania ­ Austria, hg. v. Kohler, A. u. a., 1993; Hanisch, E., Österreichische Geschichte 1890-1990, 1994; Was heißt Österreich?, hg. v. Plischka, R. u. a., 2. A. 1995; Österreichische Geschichte, hg. v. Wolfram, H., Bd. 1ff. 1994ff.; Wagner, W., Der große Bildatlas zur Geschichte Österreichs, 1995; 75 Jahre Bundesverfassung, red. v. Schefbeck, G., 1995; Hellbling, E., Grundlegende Strafrechtsquellen der österreichischen Erbländer, hg. v. Reiter, 1996; Österreichisch-deutsche Rechtsbeziehungen I, hg. v. Brauneder, W., 1996; Bielefeldt, S., Österreichisch- deutsche Rechtsbeziehungen, 1996; Die österreich- ungarischen Strafrechtskodifikationen, hg. v. Mathé, G. u. a., 1996; Steininger, R./Gehler, M., Österreich im 20. Jahrhundert, Geschichte der österreichischen Bundesländer, hg. v. Kriechbaumer, R. u. a., Bd. 1f. 1997; Stimmer, G., Eliten in Österreich, Bd. 1f. 1997; Handbuch des politischen Systems Österreichs, hg. v. Dachs, H., 3. A. 1997; Österreichisches Recht in seinen Nachbarstaaten, hg. v. Nowotny, E., 1997; Texte zur österreichischen Verfassungsentwicklung, hg. v. Reiter, I., 1997; Haider, B., Die Protokolle des Verfassungsausschusses des Reichsrates vom Jahre 1867, 1997; Kocher, G., Grundzüge der Privatrechtsentwicklung, 2. A. 1997; Stourzh, G., Um Einheit und Freiheit, 4. A. 1998; Berchtold, K., Verfassungsgeschichte der Republik Österreich, 1998; Neschwara, C., Die Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Wiesflecker, H., Österreich im Zeitalter Maximilians I., 1999; Engel, R./Radzyner, J., Sklavenarbeit unterm Hakenkreuz, 1999; Österreichische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Eigner, P. u. a., 1999; Scheuch, M., Österreich im 20. Jahrhundert, 2000; Brauneder, W., England als Vorbild in der österreichischen Verfassungsentwicklung des 19. Jahrhunderts, FS Quaritsch, H., 2000, 511; Brauneder, W., Deutsch-Österreich 1918, 2000; Grenze und Staat. Passwesen, Staatsbürgerschaft, Heimatrecht und Fremdengesetzgebung in der österreichischen Monarchie 1750-1867, hg. v. Heindl, W. u. a. 2000; Kolm, E., Die Ambitionen Österreich-Ungarns im Zeitalter des Hochimperialismus, 2001; Österreich und der Heilige Stuhl im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Paarhammer, H. u. a., 2001; Felder, N., Die historische Identität der österreichischen Bundesländer, 2002; Lackner, C., Hof und Herrschaft, 2002; Gehler, M., Der lange Weg nach Europa, Bd. 1f. 2002; Österreichische Rechtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Jabloner, C. u. a., 2003; Rill, G., Fürst und Hof in Österreich, 2003; Kronenbitter, G., Krieg im Frieden, 2003; Meissel, Franz-Stefan/Olechowski, Thomas/Gnant, Christoph, Untersuchungen zur Praxis der Verfahren vor den Rückstellungskommissionen, 2004; Selles-Ferrando, X., Spanisches Österreich, 2004; Fritsche, M., Entziehungen, 2004; NS-Justiz in Österreich, hg. v. Form, W. u. a., 2004; Wagner, S., Der politische Kodex, 2004; Wagner, W., Bildatlas der österreichischen Zeitgeschichte, 2004; Vocelka, K., Geschichte Österreichs, 2005; Mantl, W., Der österreichische Rechtsstaat, ZRG GA 122 (2005), 367; Kulenkampff, A., Österreich und das alte Reich, 2005 Österreichisches Landrecht ist das in einigen Handschriften des 15. Jh.s überlieferte, in zwei Fassungen mit 70 bzw. 92 Artikel gegliederte Landrecht des Herzogtums -> Österreich aus dem 13. Jh. (1237/1298?, um 1230/um 1298?, 1278/1298?). Erfasst werden Landrecht und Lehnrecht bzw. Ständerecht, Eherecht, Vormundschaftsrecht, Gewererecht, Erbrecht, Strafrecht und Verfahrensrecht. Lit.: Hasenöhrl, V., Österreichisches Landrecht im 13. und 14. Jahrhundert, 1867; Steinacker, H., Zur Frage des österreichischen Landrechts, MIÖG 39 (1922); Werunsky, E., Kritische Bemerkungen zur österreichischen Landrechtsfrage, Archiv für 555 österreichische Geschichte 110 (1924); Ganahl, K., Versuch einer Geschichte des österreichischen Landrechts, 1935; Weltin, M., Das österreichische Landrecht, in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 381 Österreich-Ungarn -> Österreich, Ungarn Osteuropa ist die Gesamtheit der im Osten gelegenen Staaten Europas (z. B. Polen, Russland, Weißrussland, Ukraine, Bulgarien, Rumänien). Lit.: Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Simek, E., Velka Germanie Klaudia Ptolemaia, 1953 (deutsche Zusammenfassung); Ludat, H., Vorstufen und Entstehung des Städtwesens in Osteuropa, 1955; Klocke, F. v., Wesrfalen und Nordosteuropa, 1964; Dralle, L., Die Deutschen in Ostmittel- und Osteuropa, 1991; Boockmann, H., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1992; Conze, W., Ostmitteleuropa, 2. A. 1993; Geyer, D., Osteuropäische Geschichte und das Ende der kommunistischen Zeit, 1996; Der Riese erwacht, hg. v. Olt, R., 1996; Neue Regierungssysteme in Osteuropa und der GUS, hg. v. Luchterhandt, O., 1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, hg. v. Mohnhaupt, H. u. a., 1997; Der Osten Europas im Prozess der Differenzierung, hg. v. Bundesinstitut für ostwissenchaftliche und internationale Studien, 1997; Suppan, A., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1998; Entwicklung des Zivilrechts in Osteuropa, hg. v. d. juristischen Fakultät der Universität Dresden, 1998; Studienhandbuch östliches Europa, hg. v. Roth, H., 1999; Grenzen in Ostmitteleuropa, hg. v. Lemberg, H., 2000; Minderheiten, Regionalbewusstsein und Zentralismus in Ostmitteleuropa, hg. v. Löwe, H., 2000; Transformation und historisches Erbe in den Staaten des europäischen Ostens, hg. v. Goehrke, C. u. a., 2000; Giaro, T., Westen im Osten. Modernisierung osteuropäischer Rechte bis zum zweiten Weltkrieg, Rechtsgeschichte 2 (2003); Lübke, C., Das östliche Europa, 2004; Schorkowitz, D., Clio und Natio im östlichen Europa, HZ 279 (2004), 1; Der EU-Beitritt der Länder Ostmitteleuropas, hg. v. Hess, A. u. a., 2004; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005 Ostfalen ist im Mittelalter (im Gegensatz zu Westfalen und Engern) der östliche Teil des Siedlungsgebietes der Sachsen. Ihm entstammt der -> Sachsenspiegel. Lit.: Rosenstock, E., Ostfalens Rechtsliteratur, 1912; Meister, E., Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, 1912 Ostfriesland Lit.: His, R., Untersuchungen zu den älteren Rechtsquellen Ostfrieslands, ZRG GA 57 (1937), 58; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938; Engelberg, G., Ständerechte im Verfassungsstaat, 1979; Wiemann, H., Materialien zur Geschichte der ostfriesischen Landschaft, 1982; Kappelhoff, A., Die Münzen Ostfrieslands, 1982; Kappelhoff, B., Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft ?, 1982 Ostgalizien -> Galizien Ostgötalagh ist ein Rechtsbuch des spätmittelalterlichen Rechts der schwedischen Landschaft Östergötaland und angrenzender Gebiete (u. a. Öland). Es ist in zwei vollständigen Handschriften (1350, um 1600), einem Druck und verschiedenen Bruchstücken überliefert. Vielleicht wird es zwischen 1286 und 1303 aufgezeichnet. Es beginnt mit dem Christenrecht, dem Landfriedensrecht, Ehe- recht, Erbrecht, Verkehrsrecht, Verfahrensrecht und Dorfrecht folgen. Die Gesetzgebungs- tätigkeit des Königs ist jeweils unter Namensnennung verzeichnet. In der Mitte des 14. Jh.s wird das O. in -> Magnus Erikssons Landrecht (1347) verwertet. Lit.: Westman, K., De svenska rättskällornas historia, 1912; Strauch, D., Das Ostgötenrecht, 1971 Ostgote ist der Angehörige eines Teiles des an der Völkerwanderung beteiligten germanischen Volkes der -> Goten. Vermutlich überliefert das (lat.) -> Edictum (N.) Theoderici (um 500) Recht der Ostgoten und Römer. Im Kampf um Rom (551) werden die O. weitgehend aufge- rieben. Lit.: Köbler, DRG 80, 87; Pflugk-Harttung, J., Die Thronfolge im Reiche der Ostgoten, ZRG GA 10 (1889), 203; Amira, K./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Vismara, G., Edictum Theoderici, 1967, in: Ius Romanum medici aevi I 2 b aa; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989; Stüven, A., Rechtliche Ausprägungen der civilitas im Ostgotenreich, 1995 Ostgötenrecht -> Ostgötalagh Ostkolonisation -> Ostsiedlung Ostmark ist zu verschiedenen Zeiten eine Bezeichnung für ein Grenzgebiet der Deutschen im Osten. Lit.: Baltl/Kocher; Pfeifer, H., Die Ostmark, 1941 Ostpreußen ist das nach den baltischen Pruzzen (um 965 Brus) bezeichnete Gebiet 556 zwischen Weichselmündung und Memelmündung. Über den die Ostsiedlung betreibenden -> Deutschen Orden gelangt es 1618 in Personalunion an Brandenburg. 1701 wird es als einziges voll souveränes Land der Kurfürsten von -> Brandenburg zur Keimzelle des Königreichs -> Preußen, indem der Kurfürst sich selbst zum König in Preußen krönt. Seit dem späten 18. Jh. wird das Gebiet zur Abgrenzung von Westpreußen als O. benannt. 1945 bzw. 1990 kommt O. im Norden an die Sowjetunion, im Süden an Polen. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Merinlit, W., Die fridericianische Verwaltung in Ostpreußen, 1956; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Ost- und Westpreußen, bearb. v. Stüttgen, D., 1975; Ambrassat, A., Die Provinz Ostpreußen, 1988; Groeben, K. v. d., Das Land Ostpreußen, 1993; Kibelka, R., Ostpreußens Schicksalsjahre 1944-1948, 2000 Ostrakismus (M.) oder Scherbengericht ist die (vor allem) in Athen seit dem 5. vorchristlichen Jh. (ca. 486 v. Chr.) nachweisbare Abstimmung der Bürger durch Tonscherben über die zehnjährige Verbannung eines die politische Ordnung gefährdenden Bürgers (durch einfache Mehrheit bei mindestens 6000 Beteiligten). Lit.: Ostrakismos-Testimonien I, hg. v. Siewert, P. u. a., 2002 Ostrom ist die Bezeichung für die östliche Hälfte des römischen Reiches (293/395) mit der Hauptstadt Konstantinopel (330) bzw. -> Byzanz. 1453 wird das stetig verkleinerte oströmische Reich von den Türken (-> Osmanen) erobert und als im osmanischen Reich aufgegangen betrachtet, wobei der Sultan erst 1606 zur Anerkennung des westlichen Kaisertums und nur unter dem Vorbehalt des Vorrangs Byzanzs bereit ist. Lit.: Köbler, DRG 50, 76, 95; Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von 565- 1453, bearb. v. Dölger, F., Teil 1f. 1924 f.; Thorau, P., Von Karl dem Großen zum Frieden von Zsitva Torok, HZ 279 (2004), 289 Ostrowski, Teodor (1750-1802) wird nach dem Studium der Theologie in Warschau Geschichts- und Naturrechtsdozent am dortigen Adelskolleg. Er veröffentlicht 1784 ein eigenes Zivilrecht oder Sonderrecht der polnischen Nation, legt 1786 eine Übersetzung der strafrechtlichen Teile von -> Blackstones Commentaries on the Law of England vor und beteiligt sich an den Vorbereitungen zu einem Gesetzbuch -> Polens. Lit.: Zdrójkowski, Z., Teodor Ostrowski, 1956 Ostsee ist das zwischen Deutschland, Polen, Russland, den baltischen Staaten und den skandinavischen Staaten liegende, im Mittelalter vor allem von der Hanse beherrschte Meer. Lit.: Mare Balticum, hg. v. Paravicini, W., 1992; Geschichte und Perspektiven des Rechts im Ostseeraum, hg. v. Eckert, J. u. a., 2002 Ostsiedlung oder Ostkolonisation ist die hochmittelalterliche Siedlungsbewegung der Deutschen zwischen Elbe und Weichsel. Sie beginnt im 12. Jh. und führt etwa 400000 Menschen in die nach der Völkerwanderung von Slawen besetzen Gebiete. Mit nach Osten genommen wird das deutsche (sächsische, lübische, magdeburgische) Recht. Eine wirt- schaftliche Folge der O. ist die Entstehung der - > Gutsherrschaft. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Kaindl, R., Zur Geschichte des deutschen Rechtes im Osten, ZRG GA 40 (1919), 275; Kötzschke, R./Ebert, W., Geschichte der ostdeutschen Kolonisation, 1937; Aubin, H., Zur Erforschung der deutschen Ostbewegung, 1939; Ost, H., Die zweite deutsche Ostsiedlung im Drage- und Klüddowgebiet, 1939; Krannhals, D., Die Weichsel, 1942; Conrad, H., Die mittelalterliche Besiedlung des deutschen Ostens und das deutsche Recht, (1955); Urkunden und Quellen zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter, hg. v. Helbig, H. u. a., Bd. 1f. 1968ff.; Die Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europäischen Geschichte, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Higounet, C., Die deutsche Ostsiedlung, 1986; Dralle, L., Die Deutschen in Ostmittel- und Osteuropa, 1991; Schulze, H., Siedlung, Wirtschaft und Verfassung im Mittelalter, 2003; Ludwig, C., Die nationalpolitische Bedeutung der Ostsiedlung in der Weimarer Republik, 2004 Ostverträge sind die seit 1970 von der sozialliberalen Regierung der Bundesrepublik Deutschland mit osteuropäischen Staaten abgeschlossenen, dem Ausgleich dienenden Verträge (12. 8. 1970/23. 5. 1972 Moskauer Vertrag mit der -> Sowjetunion, 7. 12. 1970 Warschauer Vertrag mit -> Polen, 21. 12. 1972/6. 6. 1973 Grundlagenvertrag mit der -> Deutschen Demokratischen Republik, 1974 Vertrag mit der -> Tschechoslowakei, 9. 10. 1975/12. 3. 1976 Rentenvereinbarung mit -> 557 Polen). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 246 Öttingen Lit.: Das älteste Lehenbuch der Grafschaft Öttingen, Einleitung v. Grünenwald, E., 1975; Das älteste Lehenbuch der Grafschaft Öttingen, bearb . v. Grünen- wald, E., 1976 (/6 Vasallenfamilien) Otto I. -> Ottone Ottobeuren Lit.: Die Urkunden des Reichsstiftes Ottobeuren 764- 1460, bearb. v. Hoffmann, H., 1991 Ottone ist der Angehörige des frühmittelalterlichen, aus Sachsen kommenden deutschen Herrschergeschlechts (919-1024). Sein bedeutendster Vertreter ist Otto I. (der Große, 23. 11. 912-7. 5. 973). Mit ihm verbindet sich das ottonische (ottonisch- salische) -> Reichskirchensystem, nach dem der König die ihm wegen des Fehlens der Erblichkeit kirchlicher Ämter für die Ausübung von Herrschaft vorteilhaft erscheinende Reichskirche zur Ausführung weltlicher Herrschaftsaufgaben verwendet (Belehnung von Bischöfen mit Grafschaften) und mit der dafür nötigen Personenauswahl in die inneren Angelegenheiten der Kirche eingreift. Lit.: Köbler, DRG 76, 85; Wenskus, R., Studien zur historisch-politischen Gedankenwelt Bruns von Querfurt, 1956; Wolf, G., Über die Hintergründe der Erhebung Liudolfs von Schwaben, ZRG GA 80 (1963), 315; Santifaller, L., Zur Geschichte des ottonisch-salischen Reichskirchensystems, 2. A. 1964; Schmid, K., Die Thronfolge Ottos des Großen, ZRG GA 81 (1964), 80; Bornscheuer, L., Miseriae regum, 1968; Otto der Große, hg. v. Zimmermann, H., 1976; Beumann, H., Die Ottonen, 5. A. 2000; Fried, J., Otto III. und Boleslav Chrobry, 1989; Hlawitschka, E., Der Thronwechsel des Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149; Görich, K., Otto III. Romanus Saxonicus et Italicus, 1993; Althoff, G., Otto III., 1996; Herrschaftsrepräsenta- tion im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u. a., 1998; Eickhoff, E., Kaiser Otto III., 1999; Althoff, G., Die Ottonen, 2000, 2. A. 2005; Bührer-Thierry, G., Évques et pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997; Ottonische Neuanfänge, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2000; Keller, H., Die Ottonen, 2001; Laudage, J., Otto der Große, 2001; Ottonische Neuanfänge, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2001; Keller, H., Ottonische Königsherrschaft, 2002; Körntgen, L., Ottonen und Salier, 2002 OVG -> Oberverwaltungsgericht Oxford an der Themse, vielleicht im 8. Jh. begründet, 912 erstmals erwähnt, ist seit dem 12. Jh. Sitz der ältesten englischen Universität (nach 1139). Von seinen in der Gegenwart etwa 45 Colleges ist das Merton College (1264) am ältesten, das Christ Church College am größten. Lit.: Köbler, DRG 100; Leef, G., Paris und Oxford, 1963; Cobban, A., The Medieval English Universities, 1988; The History of the University of Oxford, Bd. 1ff. 1984ff.; Sager, P., Oxford and Cambridge, 2003 P Paarformel ist die zweigliedrige, zu einer Einheit verknüpfte Sprachformel, die durch Stabreim, Endreim, Rhythmus und andere sprachliche Mittel verstärkt sein kann (z. B. Haus und Hof, Gut und Blut, Mund und Halm). Nach Jakob -> Grimm gehört die P. zu den ältesten Schichten der von Anfang an poetisch gehaltenen Rechtssprache. Dies lässt sich bei genauerer Untersuchung nicht erweisen. Vielmehr lassen sich viele Paarformeln erst spät, nicht häufig und als nicht besonders bedeutsam nachweisen. Der Gesamtbestand beruht vermutlich auf sehr unterschiedlicher Herkunft. In der wissenschaftlichen Rechtssprache ist die P. selten. Lit.: Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft 2 (1816), 25; Dilcher, G., Paarformeln, 1961; Matzinger-Pfister, P., Paarformel, Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972; Baum, B., Der Stabreim im Recht, 1986 Pacht (zu lat. pactum [N.] Vereinbarung) ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich der eine Teil (Verpächter) verpflichtet, dem anderen Teil (Pächter) den Gebrauch des gepachteten Gegenstandes und den Genuss der Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind, während der Pachtzeit zu gestatten, und der andere Teil sich verpflichtet, den vereinbarten Pachtzins zu zahlen. Die P. ist den Römern als Fall der (lat.) locatio (F.) conductio bekannt. Ihr entsprechen im Frühmittelalter im Ergebnis die verschiedenen Formen der (bäuerlichen) -> Leihe von Grundstücken. Seit dem 13./14. Jh. finden sich immer mehr freie Landpachtverhältnisse unter unterschiedlichen Bezeichnungen. Mit der 558 Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird auch die P. aufgenommen. Seit dem 16. Jh. setzt sich dabei die Bezeichnung P. durch. Zeitweise wird dann die P. als dingliches Recht angesehen. Sonderfälle sind Landpacht und Jagdpacht. Lit.: Kaser § 42 I II; Söllner § 9; Hübner 582; Kroeschell, DRG 2, 139; Köbler, DRG 127; Brünneck v., Zur Geschichte der Miete und Pacht, ZRG GA 1 (1880), 138; Scherner, K., Zur Pacht im Frankenspiegel, FS J. Bärmann, Bd. 2 1967, 208; Schubert, W., Zur Entwicklung und Reform des Landpachtrechts, ZRG GA 108 (1991), 237; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern, 2002 Pacta (N.Pl.) sunt servanda (lat.) ist der im mittelalterlichen Kirchenrecht formulierte Rechtssatz, nach dem Verträge grundsätzlich zu halten sind. Demgegenüber geht das römische Recht anfangs davon aus, dass aus einem einfachen Vertrag grundsätzlich nicht geklagt werden kann (lat. ex nudo pacto actio non oritur, aus einer bloßen Vereinbarung entsteht kein Klaganspruch). Allerdings mehren sich bereits im Altertum die hiergegen zugelassenen Ausnahmen. Die Kirche zieht dagegen schon früh den Standpunkt vor, dass ein gegebenes Wort nur unter besonderen Voraussetzungen nicht eingehalten zu werden brauche, so dass man auch aus einem einfachen Versprechen klagen können müsse. Seit der frühen Neuzeit setzt sich der kirchliche Standpunkt gegenüber dem römischen Grundsatz durch. Dem pflichten auch die Vertreter naturrechtlicher Überlegungen bei. Lit.: Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 126; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Ulpian, um 170-223, Digesten 2, 14, 7 § 7, vgl. Gregor IX., um 1170-1241, Dekretalen, 1, 35, 1 Summarium); Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975, 100; Feenstra, R./Ahsmann, M., Contract, 1980 pactio (lat. [F.]) Abrede, Vereinbarung Lit.: Söllner §§ 9, 18; Leisching, P., Die Ehe als pactio und societas, FS W. Plöchl, 1977, 117 Pactum (lat. [N.]) ist seit dem römischen Recht eine Bezeichnung für die Vereinbarung, für die allgemeine Regeln erst später entwickelt werden. -> pacta sunt servanda Lit.: Kaser §§ 5 II, 38 III, 52 II 1, 53 I 3a; Söllner §§ 8, 9, 18; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 43, 62, 126, 163; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Hohlweck, M., Nebenabreden: pacta, 1996; Pacte, convention, contrat, hg. v. Dufour, A., 1998 pactum (N.) adiectum (lat.) Nebenabrede Lit.: Kaser §§ 33 IV 3, 38 pactum (N.) de non petendo (lat.) (formloser) Erlass Lit.: Kaser §§ 53 II 3b, 56; Söllner §§ 9, 18 pactum (N.) fiduciae (lat.) Treuabrede, welche die Wirkungen eines an sich weiterreichenden Geschäftes einschränkt Lit.: Kaser § 24 II 2, 31 Pactum (N.) legitimum ist die jüngere Bezeichnung für das von Justinian (527-565) klagbar gemachte unentgeltliche Leistungsver- sprechen (Mitgift, Schenkung). Lit.: Kaser §§ 38 II 1, 47, 59 pactus (lat. [M.] Nebenform zu pactum) Vereinbarung Pactus (M.) Alamannorum (lat.) ist die bruchstückhaft überlieferte Fassung des alemannischen Volksrechts (Vereinbarung der Alemannen) von etwa 600 n. Chr. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler DRG 81; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960 Pactus (M.) legis Salicae (Vereinbarung des salfränkischen Rechts) ist die älteste, 65 Titel enthaltende Fassung der Lex Salica (507/511?). Lit.: Köbler, DRG 80, 84; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979 Pactus (M.) pro tenore pacis (Vereinbarung über den Lauf des Friedens) ist das der (lat.) Lex (F.) Salica angefügte merowingische Kapitular vermutlich der merowingischen Könige Childebert I. und Chlothar I. betreffend die Verfolgung von Unrechtserfolgen. Lit.: Capitularia regum Francorum, hg. v. Boretius, A., 1883, 3; Rietschel, S., Der Pactus pro tenore pacis, ZRG GA 27 (1906), 253; Brunner, H., Über das Alter der Lex Salica und des Pactus pro tenore pacis, ZRG GA 29 (1908), 136; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960 Paderborn an den Quellen der Pader ist wahrscheinlich seit 800 Sitz eines Bischofs. Von 1614 bis 1819 ist es Sitz einer Universität. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Aubin, H., Die Verwaltungsorganisation des Fürstbistums Paderborn, 1911; Honselmann, K., Von der carta zur Siegelurkunde, 1939; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Die Urkunden des Bistums Paderborn 1301-1325 559 (Westfälisches Urkunenbuch 9); Bannasch, H., Das Bistum Paderborn unter den Bischöfen Rethar und Meinwerk (983-1036), 1972; Balzer, M., Untersuchungen zur Geschichte des Grundbesitzes in der Paderborner Feldmark, 1977; Brandt, H. u. a., Das Erzbistum Paderborn, 1989; Das Hochstift Paderborn, hg. v. Drewes, J., 1997; Paderborn, hg. v. Göttmann, F. u. a., Bd. 1ff. 1999 Padua westlich von Venedig, seit 1164 Stadtkommune, ist seit 1222 Sitz einer von Bologna abgespalteten Universität. 1405 fällt es an Venedig, 1797 mit diesem an -> Österreich und 1866 an -> Italien. Lit.: Belloni, A., Professori giuristi a Padova nel secolo XV, 1986; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Paenitentia (F.) Reue Lit.: Riechelmann, A., Paenitentia, 2005 Paenitentiale (N.) Theodori (lat.) ist die in verschiedenen Fassungen verbreitete Sammlung von Bußsätzen, die dem in Kilikien geborenen Erzbischof Theodor von Canterbury (669-690) zugeschrieben wird. Lit.: Finsterwalder, P., Die Canones Theodori Cantuariensis, 1929; Kottje, R., Überlieferung und Rezeption der irischen Bußbücher, in: Die Iren in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982, 519; Payer, P., Sex and the Penitentials, 1984 pagus (lat. [M.]) Gau Pairsgericht (lat. iudicum [N.] parium) ist seit dem Mittelalter (Frankreich 12. Jh.) das -> Ebenbürtigkeit voraussetzende Gericht der Standesgenossen. -> Magna Charta libertatum Lit.: Köbler, DRG 110, 120; Buchner, M., Die Entstehung der Erzämter, 1911; Mayer, E., Pairs, ZRG GA 41 (1920), 376 Paläographie (F.) Wissenschaft der älteren Handschriften Lit.: Prou, M., Manuel de paléographie latine et française, 1890; Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 2. A. 1986; Hoffmann, H., Bernhard Bischoff und die Paläographie des 9. Jahrhunderts, DA 55 (1999), 549; Schneider, K., Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten, 1999 Palatinus ist der Hügel in Rom, auf dem der römische Prinzeps Augustus (44 v.-14 n. Chr.) und viele seiner Nachfolger ihren Sitz nehmen. -> Pfalz Lit.: Haugwitz, E. Graf v., Der Palatin, 1901; Brühl, C., Palatium, Bd. 1ff. 1975ff. Palatium Lit.: Brühl, C., Palatium und civitas, 1975 Palermo in Nordsizilien wird als Panormus von den Puniern gegründet. 254 v. Chr. fällt es an die Römer, 831 n. Chr. an die Sarazenen, 1072 an die Normannen. Unter den Bourbonen erhält es 1781 eine Universität. 1861 kommt P. zu Italien. -> Panormitanus Palimpsest (N.) Wiederabgeschabtes (und erneut beschriebenes Pergament) Lit.: Hoeflich, M., Law beyond Byzantium, ZRG GA 104 (1987), 261 Pandekten ([F.Pl.] Allesumfassendes) ist der griechische Name der -> Digesten. Lit.: Kaser; Söllner § 22; Köbler, DRG 50, 53, 80; Glück, C., Ausführliche Erläuterung der Pandekten, Bd. 1ff. 1797ff.; Bluhme, F., Die Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft 4 (1818), 257; Bekker, E., System des heutigen Pandektenrechts, Bd. 1f. 1886ff., Neudruck 1978; Windscheid, B., Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 1ff. 1862ff., 7. A. 1891; Bauer, A., Libri Pandectarum, Bd. 1 2005 Pandektensystem ist die systematische Gliederung des Privatrechtes in grundsätzlich fünf Teile. Das P. geht vom Institutionensystem (Personen, Sachen, Klagansprüche) aus, fasst bestimmte allgemeine Begriffe mit dem Personenrecht zu einem allgemeinen Teil zusammen und verselbständigt die schlecht einzugliedernden Materien des Familienrechts und des Erbrechts. Es wird auf Grund des naturrechtlichen Systemdenkens (-> Pufendorf, Dabelow, Nettelbladt) von Gustav -> Hugo (Institutionen des römischen Rechts, 1799) angeregt, von Georg Arnold Heise in seinem Grundriss des Systems des gemeinen Zivil- rechts zum Behuf von Pandektenvorlesungen (1807) ausgeführt und durch -> Savigny, der ihm in seiner Pandektenvorlesung folgt, allgemein verbreitet. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 206; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578 Pandektenwissenschaft -> Pandektistik Pandektistik (Pandektenwissenschaft) ist die Wissenschaft vom römischen Privatrecht im 19. Jh. Ihre Grundgedanken finden sich bei -> Savigny (Privatautonomie [Kant], Grundsätze, System, Vorrang der Wissenschaft). Das Hauptwerk stammt von Georg Friedrich -> 560 Puchta (1798-1846), der darin eine zusammenfassende Darstellung der gesamten Regeln des Privatrechts auf der Grundlage auch der nichtrömischen Quellenbereiche als dem Gegenstand nicht angemessen ablehnt. Ungeklärt ist die Frage, ob die P. eher der Beibehaltung des Überkommenen gedient hat oder der freiheitlichen Veränderung. Lit.: Kaser § 1 III 3; Söllner §§ 3, 25; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 186, 188, 205; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974; Wissenschaft und Kodifi- kation im 19. Jh., hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der ,,praktischen Jurisprudenz", 1979; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Polay, E., Ursprung, Entwicklung und Untergang der Pandektistik, 1981; Brauneder, W., Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR 1983, 22; Wagner, H., Die politische Pandektistik, 1985 Panisbrief ist das seit dem 14. Jh. (21. 1. 1360) nachweisbare Schreiben, in dem der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) einem Laien das Recht verleiht, lebenslänglich von einer kirchlichen Anstalt mit Unterhaltsleistungen versorgt zu werden. Lit.: Hirschmann, H., Vom kaiserlichen Recht der Panisbriefe, Diss. jur. Marburg 1973 Pankarte (lat. [F.] pancarta) ist nach spätantiken Ansätzen seit der Mitte des 9. Jh.s die frühmittelalterliche Urkunde, mit der nach Verlust von Urkunden allgemein der bisherige Besitzstand bestätigt wird. Lit.: Zeumer, K., Über den Ersatz verlorener Urkunden im fränkischen Reiche, ZRG GA 1 (1880), 89 Pannonien ist das zwischen Alpen, Donau und Save gelegene, 14-9 v. Chr. von den Römern unterworfene Gebiet, das in der Völkerwanderung zunächst von germanischen Stämmen, danach von Awaren bzw. -> Ungarn erobert wird. Panormitanus (lat. [Adj.]) von Palermo, -> Nikolaus de Tudeschis Papianus ist die ältere, auf einem Missverständnis der Zusammengehörigkeit von Stücken von Handschriften beruhende Bezeichnung der -> Lex Romana Burgundionum. Papinianus, Aemilius (Afrika ? um 150-Rom 212), vielleicht Schüler und Nachfolger (als lat. advocatus [M.] fisci) des Cervidius Scaevola, wird unter dem mit ihm eng befreundeten Kaiser Septimius Severus (193-211) (lat.) assessor (M.) der Gardepräfekten, Leiter einer kaiserlichen Kanzlei (lat. magister [M.] libellorum) und Gardepräfekt (mit Paulus und Ulpian als Assessoren). Seine bedeutendsten Werke sind 27 Bücher (lat.) quaestionum (Fragen) und 19 Bücher (lat.) responsorum (Antworten), die durch Kürze, Scharfsinnigkeit und Eigenständigkeit ausgezeichnet sind. 212 wird P. von Kaiser Caracalla wegen des Hinweises, ein Brudermord lasse sich leichter begehen als rechtfertigen, hingerichtet. Nach dem Zitiergesetz von 426 soll bei Stimmengleichheit der sog. Zitierjuristen P. den Ausschlag geben. In den Digesten stehen Auszüge aus Schriften des P. so, dass sie den Studierenden des dritten Jahrganges treffen. Lit.: Söllner §§ 5, 16, 19; Köbler, DRG 30, 52; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 224 Papirius ist ein im Übrigen unbekannter römischer Oberpriester (lat. [M.] pontifex), der am Ende des 6. Jh.s zweifelhafte Königsgesetze als (lat.) ius (N.) Papirianum (Recht des Papirius) veröffentlicht haben soll. Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 Papirius, Iustus, ist der römische Jurist der zweiten Hälfte des 2. Jh.s n. Chr., der Entscheidungen, Antworten, Dienstanwei- sungen und Festsetzungen (Konstitutionen) der Kaiser in 20 Büchern gesammelt haben soll, von denen 18 Bruchstücke in den Digesten aufgenommen werden. Lit.: Köbler, DRG 31; Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 4 1975, 493 Papst ist im katholischen Kirchenrecht der Träger der obersten Gewalt der Kirche mit Sitz im Vatikan in Rom (Heiliger Stuhl). Der Titel P. (lat. papa) ist seit der zweiten Hälfte des 4. Jh.s für den Bischof von Rom als den Nachfolger des Apostels Petrus bezeugt. Seit dem 5. Jh. wird er ihm allmählich vorbehalten. 1075 bestimmt P. Gregor VII. im (lat.) -> Dictatus (M.) papae, dass der Titel P. nur dem Bischof von Rom zustehe. Als oberster Hirte der Kirche ist der P. Bischof von Rom. Seit dem Ende des 5. Jh.s sieht der P. sich als eine der beiden nebeneinander stehenden Gewalten. 561 751 verbindet sich der karolingische König mit ihm. Infolge der ottonischen Reichskirchen- politik und kirchlicher Reformüberlegungen kommt es seit 1073/1075 zum -> Investiturstreit und weiteren Auseinander- setzungen zwischen Kaiser und P. Der in deren Gefolge vom P. zu Hilfe gerufene König von Frankreich verbringt den P. von 1309 bis 1376 nach Avignon. 1517 löst Luther die Spaltung der Kirche in Katholiken und Protestanten aus, auf die der P. u. a. mit der -> Gegenreformation reagiert. Der Abwendung von der Kirche infolge von Aufklärung und Liberalismus stellt der P. 1869/1870 das Unfehlbarkeitsdogma entgegen. Die Aufhebung des Kirchenstaates (am 20. 9. 1870) durch das Königreich - >Italien beschneidet seine weltlichen Möglichkeiten. Gewählt wird der P. im sog. Konklave von den dazu berechtigten Kardinälen, die das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen. Wählbar ist jeder katholische Christ. Erforderlich ist grundsätzlich eine Zweidrittelmehrheit (bis zum 28. Wahlgang). Seit 1389 werden nur Kardinäle gewählt. Der 269. P. (Johannes Paul II.) ist seit langem der erste Nichtitaliener. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93, 109, 129; Weyl, R., Die Beziehungen des Papsttums zum fränkischen Staats- und Kirchenrecht unter den Karolingern, 1892; Domeier, V., Die Päpste als Richter über die deutschen Könige, 1897, Neudruck 1969; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Päpste und Papsttum, hg. v. Denzler, G., Bd. 1ff. 1971ff.; Fritze, W., Papst und Frankenkönig, 1973; Köck, H., Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhles, 1975; Drabek, A., Die Verträge der fränkischen und deutschen Herrscher mit dem Papsttum, 1976; Fuhrmann, H., Von Petrus zu Johannes Paul II., 2. A. 1984; Zimmermann, H., Das Papsttum im Mittelalter, 1981; Fichtinger, C., Lexikon der Heiligen und Päpste, 1983; Frenz, T., Papsturkunden,2. A. 2000; Schimmelpfennig, B., Das Papsttum, 4. A. 1996; Fischer-Wollpert, R., Lexikon der Päpste, 2. A. 1988; Wucher, A., Von Petrus zu Paul, 1997; Zapperi, R., Die vier Frauen des Papstes, 1997; Fuhrmann, H., Die Päpste, 1998; Duffy, E., Die Päpste, 1999; Papsturkunde und europäisches Urkundenwesen, hg. v. Herde, P. u. a., 1999; Weber, C., Genealogien zur Papstgeschichte, 1999; Miethke, J., De potestate papae, 2000; Hirschmann, S., Die päpstliche Kanzlei und ihre Urkundenproduktion (1141-1159), 2001; Jasper, D./Fuhrmann, H., Papal letters in the Early Middle Ages, 2001; Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts, hg. v. Hehl, E. u. a., 2002; Hundert Jahre Papsturkundenforschung, hg. v. Hiestand, R., 2003; Fuhrmann, H., Die Päpste, 2004; Johrendt, J., Papsttum und Landeskirchen im Spiegel der päpstlichen Urkunden (896-1046), 2004; Schwaiger, G./Heim, M., Kleines Lexikon der Päpste, 2005 Papyrus ist der aus dem Mark eines Riedgrases (Papyrusstaude) in Ägypten hergestellte beschreibbare Stoff. Die älteste erhaltene Papyrusrolle stammt von etwa 3000 v. Chr. Vom 3. Jh. v. Chr. bis zum 7. Jh. n. Chr. werden in Ägypten zahlreiche, seit dem späten 18. Jh. allmählich in Europa bekannt werdende Papyrusurkunden hergestellt. Seit dem Frühmittelalter wird P. als Beschreibstoff von Pergament und seit dem 11. Jh. n. Chr. von Papier verdrängt. Aus dem Mittelalter sind nur wenig mehr als 100 Papyrusurkunden erhalten. Lit.: Tjäder, O., Die nichtliterarischen lateinischen Papyri Italiens, Bd. 1ff. 1955ff.; Seidl, E., Ptolomäische Rechtsgeschichte, 2. A. 1962; Rupprecht, A., Kleine Einführung in die Papyruskunde, 1994; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 2. A. 2001; Wolff, H., Vorlesungen über juristische Papyrusurkunde, hg. v. Wolf, J., 1998 Paradies ist nach biblischer Ansicht der Lebensraum des Menschen zwischen Schöpfung und Sündenfall, in dem das Recht noch keine tatsächliche Bedeutung hat, weil der Mensch es (zunächst) nicht bricht. Lit.: Krauss, H., Das Paradies, 2004 Paragraph (§) ist (das Zeichen für) ein(en) Abschnitt hauptsächlich eines Gesetzes. Die Herkunft des Zeichens ist streitig (aus c bzw. cc für [lat.] capitulum [N.] bzw. capitulum capituli?). Lit.: Köbler, DRG 107, 140; Weidmüller, W., Paragraphzeichen, Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel, Frankfurter Ausgabe 22 (1966), 2041; Harder, M., Der Paragraph, in: Tradition und Fortentwicklung im Recht, hg. v. Slapnicar, K., 1991 Parangaria (lat.[F.]) ist eine mittelalterliche Abgabe. Parapherna (lat.) sind im spätrömischen Recht Ausstattungsgegenstände. Lit.: Kaser § 59 IV; Köbler, DRG 58 Paraveredus (lat.[M.]) (Postnebenpferd) ist eine frühmittelalterliche Leistungsverpflichtung. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Dannenbauer, H., Paraveredus - 562 Pferd, ZRG GA 71 (1954), 55 Parentel ist die von einem Stammelternpaar und deren Abkömmlingen gebildete Familienschaft. Dabei stammt die erste P. vom Erblasser, die zweite von seinen Eltern, die dritte von seinen Großeltern usw. Nach einem Teil der Meinungen ist das Denken in Parentelen germanistischer Herkunft. Dem steht allerdings die Uneinheitlichkeit der Gesamtheit der späteren Quellen gegenüber. Systematisch entwickelt sind die Parentelen 1740 von -> Darjes (1717-1791). In Ablehnung anderer erbrechtlicher Vorstellungen (Vier- klassensystem Justinians, Dreiliniensystem u. a.) bewirken Martini und Horten die Aufnahme der P. in das österreichische -> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811/1812. Auch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) und das Schweizer Zivilgesetzbuch entscheiden sich für die P. Dem entspricht im Ergebnis auch der amerikanische Uniform Probate Code von 1969/1975. Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 210; Darjes, J., Institutiones jurisprudentiae universales, 1740; Majer, J., Germaniens Urverfassung, 1798; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge, 1970, 41; Mertens, H., Überlegungen zur Herkunft des Parentelensystems, ZRG GA 90 (1973), 149; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Parentelensystem -> Parentel Paris an der Seine, 54 v. Chr. als Lutetia erstmals erwähnt, ist der Hauptort der keltischen Parisier, den die merowingischen Herrscher der -> Franken übernehmen. Mit der Durchsetzung der Grafen von P. 987 als Könige des westfränkischen Reichs wird der Grund für P. als Hauptstadt Frankreichs gelegt. 1219 wird das wohl kurz zuvor aufgenommene Studium des Rechts in P. vom Papst erfolglos untersagt. 1250 wird das Parlament de Paris als Obergericht des Königs sichtbar. Die coutumes von P. erlangen besondere Bedeutung. Mit dem Sturm auf die Bastille in P. beginnt 1789 die französische Revolution. Lit.: Köbler, DRG 100; Bourjon, F., Le droit commun de la France et la coutume de Paris, 1747; Glasson, Le parlement de Paris, 1901; Gallion, W., Der Ursprung der Zünfte in Paris, 1911; Martin, O., Histoire de la coutume de la Prévôté et Vicomté de Paris, Bd. 1f. 1922ff.; Martin, O., La coutume de Paris, 1925; Lemercier, P., Les justices seigneuriales de la région Parisienne, 1933; Leff, G., Paris and Oxford, 1968; Nve, P., Recent work on the superior courts, The Irish Jurist, 23 1988, 129; Paris, Gense d'un paysage, 1989; Geschichte der Universitäten in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1 1993; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Sälter, G., Polizei und soziale Ordnung in Paris, 2004 Pariser Edikt ist das unter dem fränkischen König Chlothar II. in Paris am 18. 10. 614 entstandene Kapitular mit 24 Kapiteln verschiedensten Inhaltes. Lit.: Kocher, G., Das Pariser Edikt von 614, 1976 Pariser Übereinkunft ist die völkerrechtliche Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. 3. 1883. Parität (F.) Gleichheit (der Konfessionen) Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961; Heckel, M., Parität, ZRG KA 80 (1963), 261; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, Diss. jur. Frankfurt am Main 1973 Parlament ist das dem Besprechen von Angelegenheiten dienende Beratungsgremium, insbesondere die zur Gesetzgebung berufene Volksvertretung. Das P. findet sich in England in Anfängen seit 1100, in entwickelter Form seit 1295, in Italien und Spanien seit der Mitte des 12. Jh.s und in Frankreich seit dem 14. Jh. Ihm gehören gewisse -> Stände an. Es befasst sich mit Beilegung von Streitigkeiten, Erbringung von Leistungen und Erörterung sonstiger bedeutsamer Fragen. Aus dem ständischen P. wird durch Aufklärung und Revolution oder Evolution seit dem späten 18. Jh. die durch Indemnität, Immunität und Redefreiheit geschützte Vertretung des gesamten Volkes (-> Volkssouveränität) zum Zweck der -> Gesetzgebung bzw. umfassenden politischen Gestaltung. Besonders bedeutsam ist dabei die Wahlrechtsreform in England von 1832. Die Veranwortlichkeit der Staatsführung gegenüber dem P. wird im frühen 20. Jh. durchgesetzt. Seit dieser Zeit wird auch die Frau über das Wahlrecht in das P. einbezogen. Durch -> Ermächtigungsgesetz kann das P. ausgeschaltet werden. Lit.: Köbler, DRG 191, 230; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 649; Registre des Parlements de Beaune et de Saint-Laurent-ls-Chalon (1357-1380), hg. v. Petot, P., 1927; Marongiu, A., Medieval 563 Parliaments, 1968; Achterberg, N., Grundzüge des Parlamentsrechts, 1971; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Teil 1 1974; Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, hg. v. Rausch, H., Bd. 1 1980, Bd. 2 1974; Jekewitz, J., Der Grundsatz der Diskontinuität der Parlamentsarbeit, 1977; Der Reichstag, 1981; Von der Ständeversammlung zum Parlament, 1982; Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989; Wirsching, A., Parlament und Volkes Stimme, 1990; Hilgendorf, E., Die Entwicklungsgeschichte der parlamentarischen Redefreiheit, 1991; Loach, J., Parliament under the Tudors, 1991; Schönberger, C., Das Parlament im Anstaltsstaat, 1997; Kirsch, M., Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; L'istituzione parlamentare nel XIX secolo, hg. v. Manca, A., 2000; Boetticher, C., Parlamentsverwaltung und parlamentarische Kontrolle, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik, 2002; Parlamento e Costituzione nei sistemi costituzionali europei ottocenteschi ­ Parlament und Verfassung in den konstitutionellen Verfassungssystemen Europas, hg. v. Manca, A. u. a., 2004 Parlamentarischer Rat in Bonn ist ein von den Landtagen der westlichen Besatzungszonen des -> Deutschen Reiches gewähltes Beratungsgremium von 65 Abgeordneten (Konrad Adenauer, Hannsheinz Bauer, Ludwig Bergsträßer, Paul Binder, Adolf Blomeyer, Heinrich von Brentano, Johannes Brockmann, Paul de Chapeaurouge, Thomas Dehler, Georg Diederichs, Fritz Eberhard, Adolf Ehlers, Hermann Fecht, Albert Finck, Andreas Gayk, Otto Heinrich Greve, Rudolf Heiland, Wilhelm Heile, Hubert Hermans, Theodor Heuss, Anton Hilbert, Fritz Hoch, Hermann Höpker Aschoff, Werner Hofmeister, Rudolf Katz, Theophil Kaufmann, Gerhard Kroll, Adolf Kühn, Karl Kuhn, Wilhelm Laforet, Robert Lehr, Lambert Lensing, Fritz Löwenthal, Friedrich Maier, Hermann von Mangoldt, Karl Sigmund Mayr, Walter Menzel, Willibald Mücke, Friederike Nadig, Erich Ollenhauer, Hugo Paul, Anton Pfeiffer, Max Reimann, Heinz Renner, Heinrich Rönneburg, Albert Roßhaupter, Hermann Runge, Hermann Schäfer, Kaspar Gottfried Schlör, Carlo Schmid, Adolph Schönfelder, Josef Schrage, Carl Schröter, Josef Schwalber, Hans-Christoph Seebohm, Kaspar Seibold, Josef Seifried, Elisabeth Selbert, Jean Stock, Walter Strauß, Adolf Süsterhenn, Friedrich Wilhelm Wagner, Felix Walter, Helene Weber, Helene Wessel, Ernst Wirmer, Friedrich Wolff, Hans Wunderlich, Gustav Zimmermann, Georg August Zinn, beratend Jakob Kaiser, Paul Löbe, Hans Reif, Ernst Reuter, Otto Suhr) das den vom Herrenchiemseer Konvent erarbeiteten Entwurf einer Verfassung der Bundesrepublik Deutschland (-> Grundgesetz) seit 1. 9. 1948 unter dem Präsidium von Konrad Adenauer überarbeitet und am 8. 5. 1949 mit 53 zu 12 Stimmen annimmt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 256; Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Bd. 1ff. 1975ff.; Buchner, P., Der Verfassungskonvent auf Herren- chiemsee, Bd. 2 1981; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Lange, E., Die Würde des Menschen ist unantastbar, 1993 (mit Überblick über die Mitglieder des parlamentarischen Rates); Feldkamp, M., Der Parlamentarische Rat, 1998; Lange, E., Gestalter des Grundgesetzes, 1999; Der Parlamentarische Rat 1948- 1949. Akten und Protokolle hg. v. deutschen Bundestag, Bd. 1ff. Parlamentarisches System ist die politische Gestaltung, bei der die Regierung vom Vertrauen des -> Parlaments abhängt. Das parlamentarische System zeigt sich in England 1834/1835, in Deutschland theoretisch seit 1840 und praktisch am 28. 10. 1918. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bagehot, W., The English Constitution, 1867, Neudruck 1963; Beyme, K. v., Die parlamentarischen Regierungssysteme in Europa, 1970; Parlamentarismus, hg. v. Kluxen, K., 3. A. 1971; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie, HZ 216 (1973), 553; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Bd. 1 1974; Thaysen, J., Parlamentarisches Regierungssystem, 2. A. 1976; Botzenhardt, M., Deutscher Parlamentarismus 1848-1850, 1977; Der moderne Parlamentarismus, hg. v. Bosl, K. u. a., 1977; Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985; Parlamentarismus in Tirol, hg. v. Kathrein, I. u. a., 1988; Schumacher, M., Kommission für Geschichte des Parlamentarismus, 1988; Goldt, C., Parlamentarismus im Königreich Sachsen, 1996; Pahlmann, M., Anfänge des städtischen Parlamentarismus, 1997; Zeh, W., Parlamentarismus, 6. A. 1997 Parlamentarismus -> parlamentarisches System Lit.: Christern, H., Deutscher Ständestaat und englischer 564 Parlamentarismus, 1939; Der moderne Parlamentarismus und seine Grundlagen in der ständischen Repräsentation, hg. v. Bosl, K., 1977; Obenaus, H., Anfänge des Parlamentarismus in Preußen bis 1848, 1984; Pollmann, K., Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985; Möller, H., Parlamentarismus in Preußen 1919-1932, 1985; Brandt, H., Parlamentarismus in Württemberg 1819-1870, 1987; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001 Parlament de Paris -> Parlament, Paris Lit.: Rogister, J., Louis XV and the Parlament of Paris, 1995 Parma am Nordfuß des Apennins kommt über Etrusker, Römer und Langobarden an die Franken. Im 12. Jh. erlangt es gewisse Selbständigkeit, fällt aber 1322 an den päpstlichen Kirchenstaat. 1545 wird es Teil des von Papst Paul III. geschaffenen Herzogtums Parma und Piacenza, das 1860 Sardinien- Piemont und 1861 damit -> Italien eingegliedert wird. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pighini, G., Storia di Parma, 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff., 2, 2, 183, 3, 1, 254, 3, 2, 2361 Parömie (F.) Sprichwort, Regel parricidium (lat. [N.]) arge Tötung Lit.: Kaser § 36 II 2; Söllner § 8; Köbler, DRG 28, 34, 35 pars (F.) sanior (lat.) klügerer Teil (bei einer Abstimmung), -> Mehrheit Parsberg Lit.: Jehle, M., Parsberg, 1981 Partei ist im Verfassungsrecht die Vereinigung von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Parlament teilnehmen wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bietet. Im Verfahrensrecht ist P., von wem und gegen wen Rechtsschutz begehrt wird. Im Privatrecht ist P. des Schuldverhältnisses der Gläubiger und der Schuldner. Der Begriff der P. ist ansatzweise bereits im Altertum vorhanden (lat. [F.] factio), im Verfahrensrecht und im Schuldrecht stehen sich Parteien von Anfang an gegenüber. Als Fremdwort erscheint P. als Übernahme aus dem Altfranzösischen im Mittelhochdeutschen. In England sind um 1680 Tories und Whigs ne. parties, in Deutschland 1784. Die politische P., der parteiähnliche Vorläufer (z. B. Illuminaten) vorausgehen, bestimmt seit dem 19. Jh. maßgeblich das öffentliche Leben (England Carlton Club 1832, Deutschland um 1848). Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 18 IV, 27 IV; Kroeschell, 20. Jh.; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 735; Bachem, K., Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck 1968; Mommsen, W., Deutsche Parteiprogramme, 1952; Deutsche Parteiprogramme 1861-1956, hg. v. Treue, W., 1954, 4. A. 1968; Bergsträßer, L./Mommsen, W., Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, 11. A. 1965; Diehl- Thiele, P., Partei und Staat im Dritten Reich, 1960, 2. A. 1971; Boldt, W., Die Anfänge des deutschen Parteiwesens, 1971; Brandt, D., Die politischen Parteien und die Vorlage des Bürgerlichen Gesetzbuches im Reichstag, 1974; Ritter, G., Die deutschen Parteien 1830- 1914, 1985; Sellert, W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, in: Recht, Gericht, Genossenschaft und Policey, 1986, 97; Lang, J. v., Die Partei, 1989; Lösche, P., Kleine Geschichte der deutschen Parteien, 2. A. 1994; Dittmer, L., Beamtenkonservatismus und Modernisierung, 1992; Fenske, H., Deutsche Parteiengeschichte, 1994; Soug, S., Politische Parteien und Verbände, 1996; Stein, K., Parteiverbote, 1999; Parteien im Wandel vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, hg. v. Dowe, D. u. a., 1999; Olzog, G., Die politischen Parteien, 25. A. 1999; Grießmer, A., Massenverbände und Massenparteien im wilhelminischen Reich, 2000; Stalmann, V., Die Partei Bismarcks, 2000; Alexander, M., Die freikonservative Partei 1890-1918; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001; Richter, L., Die Deutsche Volkspartei 1918-1933 Parteibetrieb ist das Betreiben eines Verfahrens durch eine -> Partei. Der Verfahrensgrundsatz des Parteibetriebs beherrscht das Verfahren von Anfang an. Vor allem im Strafverfahren ist der P. aber vom Amtsbetrieb weitgehend verdrängt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 201; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975 Parteieid ist der von der -> Partei zu leistende Eid. Er ist ein problematisches Aussagebekräftigungsmittel. Dennoch findet er sich sowohl im römischen Recht wie auch im deutschen Recht. -> Reinigungseid Lit.: Kaser; Kroeschell, DRG 2; Cappelletti, La testimonianza della parte, 1962; Münks, Vom Parteieid 565 zur Parteivernehmung, 1991 Parteivernehmung ist das seit 27. 10. 1933 zulässige Beweismittel der Vernehmung einer Partei im deutschen Zivilprozess. Partenreederei ist die -> Reederei, bei der das einzelne Schiff im anteiligen Eigentum mehrerer Reeder steht. Die P. wird im römischen Recht als (lat. [F.]) societas angesehen. Sie ist im Mittelalter allgemein verbreitet. Das -> Consolat (N.) del Mar (Barcelona 1348) regelt sie sehr ausführlich. Besonders zum Ende des 19. Jh.s wird die P. überwiegend als Innengesellschaft betrieben, bei der nach außen nur einer der Reeder auftritt. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die P. eine Gesellschaft, deren Gesellschaftsvermögen ein Schiff voraussetzt und deren Anteile (Parten) nach festen Quoten bemessen und grundsätzlich veräußerlich und vererblich sind. Diese Gesellschaft ist regelmäßig Außengesellschaft. Lit.: Ruhwedel, E., Die Partenreederei, 1973 Partikularismus Lit.: Rörig, F., Ursachen und Auswirkungen des deutschen Partikularismus, 1937 Partikularrecht ist das in einem beschränkten Bereich geltende Recht im Gegensatz zu einem allgemeinen Recht. Schon im Frühmittelalter stehen im fränkischen Reich die verschiedenen Volksrechte nebeneinander. Seit dem Hochmittelalter werden sie allgemein durch zahlreiche Landrechte, Stadtrechte und auch Dorfrechte abgelöst. 1495 stellt die Reichskammergerichtsordnung den gemeinen Rechten des Reiches die redlichen, ehrbaren und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der (ungezählten) Fürstentümer, Herrschaften und Gerichte gegenüber. Seit dem 17. Jh. versucht die Wissenschaft, das einheimische P. zu einem gemeinen deutschen (Privat-)Recht zusammenzufassen, das sich aber weder gegenüber dem P. noch gegenüber dem gemeinen (römischen) Recht durchzusetzen vermag. Am Ende des 19. Jh.s gilt für etwa 20 Millionen Deutsche das Allgemeine Landrecht Preußens, für etwa 17 Millionen das gemeine Recht, für etwa 8 Millionen das französische Recht (Code civil), für etwa 3,5 Millionen das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens und für weniger als 0,5 Millionen sonstiges Recht. Seit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist das P. im Bereich des bürgerlichen Rechts bis auf geringe Reste zugunsten einer neuen Rechtseinheit beseitigt (ähnlich im Strafrecht, Strafprozess- recht und Zivilprozessrecht), doch besteht das Grundproblem auf europäischer Ebene fort. Lit.: Köbler, DRG 137; Nahmer, W. v. d., Handbuch des rheinischen Partikularrechts, Bd. 1ff. 1831ff.; Bluhme, F., Übersicht der in Deutschland geltenden Rechtsquellen, 3. A. 1863, 162; Deutsche Rechts- und Gerichtskarte 1896, Neudruck 1996; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 189; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 586; Kroeschell, K., Universales und partikulares Recht, in: Vom nationalen zum transnationalen Recht, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1995, 265; Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor Gericht, 2002 Partnerschaft ist eine seit 1994 zulässige registerfähige Gesellschaft für die gemeinsame Berufsausübung mehrerer freiberuflich tätiger Menschen (z. B. Rechtsanwälte). Lit.: Seibert, Die Partnerschaft, 1994 Partnership Act (1980) ist das das Gesellschaftsrecht ordnende Gesetz des englischen Rechts. Partsch, Joseph (Breslau 2. 9. 1882-Berlin 30. 3. 1925), Sohn eines Geographen, wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Genf, Breslau und Leipzig (Mitteis, Strohal) 1906 außerordentlicher Professor in Genf, 1910 Professor in Göttingen, 1911 in Freiburg im Breisgau, 1920 in Bonn und 1921 ordentlicher Professor in Berlin. Wissenschaftlich widmet er sich unterschiedlichen Gegenständen der Rechtsgeschichte des Altertums. Lit.: Lenel, O., Josef Partsch, ZRG RA 45 (1925), V pascuarium (lat. [N.]) Weideabgabe Pass ist die zum Ausweis eines Menschen bei Einreise, Ausreise und Aufenthalt im Ausland grundsätzlich erforderliche öffentliche Urkunde. Der P. ist dem Altertum und dem Mittelalter im Ansatz bekannt (746 König Ratchis der Langobarden mit persönlichem Brief für fremde Reisende). Seit dem Hochmittelalter gewinnt er mit der Territorialisierung des Rechtes an Bedeutung. Besonders gefördert wird der P. in Frankreich (1464 passeport für Briefboten, später auch 566 Soldaten), wo er seit 1791 ausgebaut und mit Passzwang versehen wird. Seit 1815 ist auch im Deutschen Bund im Gegensatz etwa zu England der P. rechtstatsächlich nahezu unabdingbar. Seit dem ersten Weltkrieg herrscht allgemein Passzwang, doch wirkt die europäische Einigungsbewegung erneut auf Beseitigung der damit verursachten Einschränkungen hin (u. a. Abkommen von Schengen). Der Inhaber eines Passes steht im Ausland unter diplomatischem und konsularischem Schutz. Daneben ist Pass auch der Übergang über ein Gebirge. Lit.: Hübner § 11; Laur-Belart, R., Studien zur Eröffnungsgeschichte des Gotthardpasses, 1924; Krause, J., Das deutsche Passrecht, 1925; Medert, K./Süßmuth, W., Pass- und Personalausweisrecht, 2. A. 1992; Fahrmeir, A., Citizens and Aliens, 2000; Fahrmeir, A., Passwesen und Staatsbildung im Deutschland des 19. Jahrhunderts, HZ 271 (2000), 57; Groebner, V., Der Schein der Person, 2004 Passau Lit.: Maidhof, A., Das Passauer Stadtrecht, 1927; Maidhof, A., Das Passauer Gültenwesen, Die ostbairischen Grenzmarken 16 (1927), 313, 358; Veit, L., Passau. Das Hochstift, 1978; Breinbauer, J., Otto von Lonsdorf, 1992; Passau in der Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. Becker, W., 1999 Pasukanis, Evgenij Bronislavovic (1881-1937) ist einer der Begründer der sowjetischen Rechtstheorie (Allgemeine Rechtstheorie und Marxismus, 1924). Er vertieft die Ansicht, dass das bürgerliche Recht mit der bürgerlichen Gesellschaft absterbe. Bereits 1931 muss er sich wegen der Notwendigkeit von Gesetzen auch im Sowjetstaat hiervon lossagen. 1937 wird er als Volksschädling beseitigt. Lit.: Law and Marxism, hg. v. Arthur, C., 1978; Reich, N., Sozialismus und Zivilrecht, 1972, 194 Pataria ist eine in Mailand, Cremona, Piacenza und Brescia im dritten Viertel des 11. Jh.s bedeutsame religiös-soziale, die Entwicklung zur Stadtgemeinde beschleunigende Reformbe- wegung. Lit.: Violante, C., La pataria milanese, 1955; Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973, 321; Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, in: Die Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001 Pate ist der den kindlichen Täufling der christlichen Kirche vertretende, neben den Eltern stehende erwachsene Christ. Nach älteren Anfängen wird er seit dem 3. Jh. bedeutsam. Lit.: Dick, E., Das Pateninstitut, Z. f. kath. Theologie 63 (1939), 1; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Jussen, B., Patenschaft und Adoption, 1991 Patent ist allgemein der offene Brief und seit dem 19. Jh. das einem Erfinder bzw. dem für ihn wirtschaftlich tätigen Verwerter (z. B. Verleger) (durch eine solche Urkunde) vom Staat ausschließlich erteilte, zeitlich (auf 20 Jahre) begrenzte Recht, eine Erfindung gewerbsmäßig zu nutzen. Die ersten Ansätze hierzu erscheinen im Spätmittelalter (König Edward III. von England [1327-1377] zugunsten des flämischen Webers Johann Kempe, Venedig 1469). Seitdem erteilen Landesherren Schutzprivilegien für Erfindungen. In Venedig begegnet bereits 1474 in Verfestigung des gewohnheitsrechtlichen Zustandes das erste Patentgesetz, das Neuheit, Ausführbarkeit und Nützlichkeit der Erfindung voraussetzt und zeitlich befristeten Schutz gegen unerlaubte Nachahmung gewährt. 1623/4 lässt das englische Statute of Monopolies zeitlich befristete Ausnahmen vom Monopolverbot für Privilegien bzw. Patente zu. In Frankreich wird nach Aufhebung des Privilegienwesens (1789) 1791 ein vom -> geistigen Eigentum des Erfinders ausgehendes Patentgesetz erlassen, in den deutschen Staaten seit 1820 (Österreich, Bayern 1825, Württemberg 1828). Damit wird das Privilegienwesen endgültig abgelöst. 1903 tritt das Deutsche Reich der Pariser Verbandsübereinkunft bei. 1973 wird eine europäische Übereinkunft über die Erteilung europäischer Patente erreicht, auf deren Grundlage in München 1977 ein europäisches Patentamt errichtet wird. Lit.: Wehr, J., Die Anfänge des Patentwesens in Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1936; Zycha, A., Beiträge zur Frühgeschichte des deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 62 (1942), 295; Berkenfeld, E., Das älteste Patentgesetz der Welt, GRUR 1949, 139; Silberstein, M., Erfindungsschutz und merkantilistische Gewerbeprivilegien, 1961; Heß, G., Die Vorarbeiten zum deutschen Patentgesetz, Diss. jur. Frankfurt am Main 1966; Beier, F., Gewerbefreiheit und Patentschutz, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., 567 Bd. 4 1979, 183; Öhlschlegel, H., Das Bergrecht als Ursprung des Patentrechts, 1978; Hundert Jahre Patentamt, 1977; Wadle, E., Gewerbliche Schutzrechte und Unternehmensorganisation, in: Recht und Entwicklung der Großunternehmen, hg. v. Horn, N. u. a., 1979, 343; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,4067; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Kinkeldey, M., Der Ausschluss der Juden aus der Patentanwaltschaft, 1998; Feldmann, K., Die Geschichte des französischen Patentrechts und sein Einfluss auf Deutschland, 1998; Patentschutz und Innovation, hg. v. Boch, R., 1999; Gehm, M., Das Patentwesen in der bayerischen Pfalz, ZRG GA 120 (2003), 216; Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004 Pater (M.) familias ist im römischen Recht der Hausvater, der über das eheliche Kind, das eheliche Kind des Sohnes usw., die Frau und den aufgenommenen gewaltfreien Haus- fremden die im privaten Bereich bedeutsame Hausgewalt (lat. potestas [F.]) hat. Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 12 I, 60; Söllner §§ 4, 5, 8, 12; Köbler, DRG 21 Paternalismus Lit.: Gutmann, T., Paternalismus ­ eine Tradition deutschen Rechtsdenkens?, ZRG GA 122 (2005), 150 Pater semper incertus (lat.). Der Vater ist immer ungewiss. -> mater semper certa est Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Patria potestas (lat. [F.]) ist die im altrömischen Recht nahezu unbeschränkte Hausgewalt des (lat.) -> pater (M.) familias über Kinder und Frau (in manu). Sie schwächt sich allmählich ab. Seit dem Spätmittelalter wird sie in dieser veränderten Form im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) allmählich aufgenommen und mit dem heimischen Recht verschmolzen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) teilt in unterschiedlicher Ausgestaltung beiden Eltern die elterliche Gewalt zu. Lit.: Kaser §§ 4 I 1, 58 IV 2, 60; Hübner; Thomas, A., Die Anschauungen der Naturrechtslehrer über die Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern, Diss. jur. Rostock 1915; Wacke, A., ,,Elterliche Sorge", FamRZ 27 (1980), 205 Patriarchat ist die von den Anfängen bis in das 20. Jh. erkennbare Vorrangstellung von Vätern bzw. Männern im Familienrecht im Gegensatz zum -> Matriarchat und der partnerschaftlichen Gleichberechtigung. Im Kirchenrecht ist P. ein kirchenrechtliches Zuständigkeitsgebiet (z. B. des Patriarchen von Antiochia, Alexandria, Jerusalem, Konstan- tinopel, Rom). Lit.: Mitterauer, M./Sieder, R., Vom Patriarchat zur Partnerschaft, 2. A. 1980; Lerner, G., Die Entstehung des Patriarchats, 1991; Schweizer, C., Hierarchie und Organisation, 1991 Patricius (lat. [M.] Väterlicher) ist seit dem frühen 4. Jh. (Kaiser Konstantin) ein römischer Ehrentitel, der bis zum 12. Jh. begegnet. Lit.: Weyl, R., Bemerkungen über das fränkische Patrizieramt, ZRG GA 17 (1896), 85; Heil, W., Der konstantinische Patriziat, 1966; Winkelmann, F., Byzantinische Rang- und Ämterstruktur, 1985 Patrimonialgerichtsbarkeit ist die sich schon im Mittelalter allmählich entwickelnde, dem Gerichtsherrn unverzügliche Vollstreckung eigener Forderungen gegenüber Eingesessenen ermöglichende Gerichtsbarkeit des -> Grundherrn, die durch Verleihung von Gerichtsrechten seitens der Landesherrn zustande kommt. Gegen sie (1837 in Preußen 6597 Patrimonialgerichte mit 3,28 Millionen Gerichtszugehörigen = 23,9 Prozent der Bevölkerung, 970 an preußischen Patrimo- nialgerichten tätige Juristen, 1849 Patrimonialrichter) richtet sich trotz ihrer (geringfügigen) Kostengünstigkeit der politische Liberalismus des 19. Jh.s. Nach zahlreichen kleineren Veränderungen (Einführung obergerichtlicher Approbation für Justiziare, Durchsetzung ihrer Unkündbarkeit, Besoldung mit festem Gehalt, Abschaffung der Kammerjustiz, Eingliederung in den Instanzen- zug, Zunahme der Visitationen) verschwindet sie seit 1848 ganz (Preußen 2. 1. 1849 bzw. 1851, zuletzt 1879 in Mecklenburg, Lippe und in der Grafschaft Schönburg in Sachsen). Lit.: Wachsmuth, C., Versuch einer systematischen Darstellung der Patrimonialgerichtsverfassung, 1808; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungs- rechts, 1954; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Tütken, H., Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Werthmann, S., Vom Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit, 1995; Thauer, J., Gerichtspraxis in der ländlichen Gesellschaft, 2001; Wienfort, M., Patrimonialgerichte in Preußen, 2001 568 patrimonium (lat. [N.]) Erbgut, Gut Lit.: Kaser §§ 18 I 1, 30 I 2; Köbler, DRG 36; Köbler, LAW Patriziat ist die Gesamtheit der Angehörigen der römischen und der mittelalterlich- städtischen Oberschicht. Lit.: Roth v. Schreckenstein, K. Frhr. v., Das Patriziat in den deutschen Städten, 1856, Neudruck 1970; Keller, S., Patriziat und Geschlechterherrschaft in der Reichsstadt Lindau, 1908; Pfeiffer, G., Das Breslauer Patriziat, 1929; Klocke, F. v., Das Patriziatsproblem und die Werler Erbsälzer, 1965; Deutsches Patriziat 1433-1740, hg. v. Rössler, H., 1968; Heers, J., La ville au Moyen Age, 1990 Patrizier ist im altrömischen Recht der Angehörige einer durch Vermögen und Ansehen gekennzeichneten Familie im Gegensatz zum Plebejer. Seit dem 16. Jh. versteht man unter P. auch den Angehörigen der eine Oberschicht der (mittelalterlichen) Stadt bildenden regierenden Familien. Diese Oberschicht entsteht aus Ministerialen des Stadtherrn, aus Kaufleuten und teilweise auch aus aufsteigenden Handwerkern. Mit dem Ausgang des Mittelalters ist das -> Patriziat weitgehend abgeschlossen. Es vermag sich seine Vorrechte bis in das 19. Jh. zu erhalten. Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 7; Kroeschell, DRG 2; Pitz, E., Die Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg, 1956; Dreher, A., Das Patriziat der Reichsstadt Ravensburg, 1966; Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Deutsches Patriziat, hg. v. Rössler, H., 1968; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Bechtold, D., Zunftbürgerschaft und Patriziat, 1981 patrocinium (lat. [N.]) Schutzpflicht Lit.: Beck, M., Die Patrozinien der ältesten Landkirchen im Archidiakonat Zürichgau, 1933 Patron (lat. [M.] patronus) ist im römischen Recht der Schutzherr eines Freigelassenen, dem gewisse Rechte auch nach der Freilassung zustehen, im Kirchenrecht der die Kirche schützende Heilige. Lit.: Kaser § 4 1b; Söllner §§ 4, 5, 12; Brown, P., Die Heiligenverehrung, 1991 Patronat ist die Gesamtheit der Rechte und Pflichten des Schutzherrn einer meist auf dessen Grund und Boden gebauten mittelalterlich-frühneuzeitlichen Kirche in Bezug auf diese. Das P. entsteht im 12./13. Jh. aus der Ablehnung des Laieneigentums an Kirchen in der kirchlichen Reformbewegung des 11. Jh.s. Seitdem ist die Fürsorge für die Kirche entscheidend. Der Patron hat ein Vorschlagsrecht für das vom Bischof verliehene geistliche Amt. Das P. wirkt sich in Form der Kirchenbaulast bis in die Gegenwart aus. Seit dem (lat.) Codex (M.) iuris canonici (1917) können neue Patronate nicht mehr entstehen. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Wahrmund, L., Das Kirchenpatronatsrecht, Bd. 1f. 1894ff.; Gilgen, H. zur, Das Patronatsrecht im Kanton Luzern, 1923; Stutz, U., Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 3. A. 1972; Landau, P., Jus patronatus, 1975; Church and Society in England, hg. v. O'Day, R. u. a., 1977; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Landau, P., Patronat, Theologische Realenzyklopädie, Bd. 26 1996, 106 Patrozinium ist im Kirchenrecht seit dem 4. Jh. das Schutzverhältnis eines Heiligen (z. B. - > Martin) zu einer einzelnen, später meist nach ihm benannten Kirche. Das P. lässt für quellenarme Zeiten Rückschlüsse auf die Zeit oder auf andere Umstände der Entstehung einer Kirche zu. Lit.: Deinhardt, W., Patrozinienkunde, Hist. Jb. 56 (1936), 174; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Prinz, F., Askese und Kultur, 1980, 75 Paulskirche in Frankfurt am Main ist der Ort der deutschen Nationalversammlung von 1848/9 (18. 5. 1848-28. 4. 1849). Hier wird eine formelle -> Verfassung beschlossen, die nicht in die Rechtswirklichkeit umgesetzt zu werden vermag. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 171; Wesenberg, G., Die Paulskirche und die Kodifikationsfrage, ZRG RA 72 (1955), 359; Die Grundrechtsdiskussion in der Paulskirche, hg. v. Scholler, H., 1973; Wollstein, G., Das ,,Großdeutschland" der Paulskirche, 1977; Laufs, A., Recht und Gericht im Werk der Paulskirche, 1978; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. A. 1998; Bert, H./Weege, W., Biographisches Handbuch der Abgeordneten, 1996; Jansen, C., Einheit, Macht und Freiheit, 1999 Paulskirchenverfasssung ist die von der in der Frankfurter Paulskirche tagenden verfassunggebenden Nationalversammlung beschlossene Verfassung. Sie enthält einen am 27. 12. 1848 verabschiedeten Katalog der Grundrechte (Reichsbürgerrecht, Unverletz- lichkeit, Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit, Gewerbefreiheit, Berufsfrei- 569 heit, Lehrfreiheit, Wissenschaftsfreiheit, Vereinsfreiheit, Petitionsrecht, Eigentums- schutz, Wohnungsschutz, Schwurgericht). Der organisatorische Teil vom 27. 3. 1849 sieht einen Bundesstaat mit einem erblichen Kaiser und einen Reichtstag mit Staatenhaus und Volkshaus vor. Lit.: Köbler, DRG 194; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. A. 1998 Paulus, Iulius (3. Jh. [ 222-235]), ein Schüler des Cervidius Scaevola, erscheint zuerst als Advokat, dann (neben -> Ulpian) als Assessor des Gardepräfekten -> Papinianus und als Leiter einer kaiserlichen Kanzlei und Mitglied des kaiserlichen Rates. Seiner sammelnden, sichtenden und einheitlich darstellenden Tätigkeit werden 86 Titel mit 305 Büchern zugeschrieben, von denen Kommentare zum prätorischen Edikt, zu den drei Büchern Zivilrecht des Sabinus, Responsen und Quaestionen die wichtigsten sind. Nicht von ihm stammen die sog. -> Paulussentenzen. P. ist einer der fünf Zitierjuristen des Zitiergesetzes (426). Die -> Digesten bestehen zu 1/6 aus Auszügen aus seinen Werken. Lit.: Söllner §§ 15, 16, 19; Köbler, DRG 30, 52, 53; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Schmidt-Ott, J., Pauli Quaestiones, 1993; Spengler, H., Dogmatik, Systematik, Polemik, 2000 Paulus de Castro (1360/13622-1441) wird nach dem Rechtsstudium in Perugia (Baldus) und Pavia Professor in Avignon, Siena, Florenz, Bologna und Padua. Von ihm stammen Kommentare zu Digesten und Codex Justinians sowie viele Gutachten. Lit.: Lange, H., Die Rechtsquellenlehre in den Consilien Paul de Castros, Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 421; Romano, A., La giurisprudenza consulente e Paolo di Castro, in: Rivista di storia del diritto italiano 61 (1988), 141 Paulussentenzen (lat. Pauli sententiae [F.Pl.]) sind eine im späten 3. Jh. entstandene, dem Juristen -> Paulus fälschlich zugeschriebene, aber aus seinen Werken hervorgehende einflussreiche Juristenschrift in fünf Büchern, von der Bruchstücke vor allem in den -> Digesten Justinians und in der (lat.) -> Lex (F.) Romana Visigothorum erhalten sind. Lit.: Kaser § 2 II 5a; Söllner §§ 14, 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2 a; Kaser, M./- Schwarz, F., Die Interpretatio zu den Paulussentenzen, 1956 Pauperismus ist die Bezeichnung für die im späteren 18. Jh. aus dem Bevölkerungswachstum bei stagnierender Wirtschaft infolge kräftiger Preissteigerungen bei geringer Reallohnzunahme entstehende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten. Lit.: Köbler, DRG 135; Matz, K., Pauperismus und Bevölkerung, 1980 Pavia am Tessin wird nach Umbenennung aus Ticinum 572 von den Langobarden erobert und allmählich zur Hauptstadt des langobardischen Reiches gemacht. Vielleicht aus einer Schule der freien Künste (825) entwickelt sich eine spärlich bezeugte Rechtsschule, in der (lat.) -> Liber (M.) Papiensis (11. Jh.), (lat. [F.]) -> Lombarda (Ende 11. Jh.) und (lat.) Expositio (F.) ad librum papiensem (um 1100) entstehen, die aber die rechtswissenschaftliche Tätigkeit in -> Bologna kaum beeinflusst. 1356 gelangt P. an Mailand. 1361 wird eine Universität errichtet. 1393 werden 1470 überarbeitete (lat.) Statuta (N.Pl.) regiminis potestatis Papiensis aufgezeichnet. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 102; Storia della Universit di Pavia, 1925; Vaccari, P., Pavia, 1956; Vaccari, P., Storia della universit di Pavia, 2. A. 1957; Zorzoli, M., Le tesi legali all' universit di Pavia, 1980; Storia di Pavia, 1987ff.; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 pax (lat. [F.]) Friede, -> Gottesfriede, Landfriede pax (F.) Dei (lat.) Friede Gottes pecia (lat. [F.]) Handschriftenteil als Schreibvorlage im 12.-14. Jh. Lit.: Destrez, J., La pecia, 1935; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 67,153 Peculium (lat. [N.], Kleintierherde) ist schon im altrömischen Recht das vom Herrn eines Sklaven diesem zur tatsächlichen Bewirt- schaftung überlassene Sondergut. Lit.: Kaser §§ 11 II 1a, 12 III, 15 I 3, 49 II, 60; Söllner § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21; Wesener, G., Peculia ­ bona adventicia ­ freies und unfreies Kindesgut, in: Iuris vincula Studi in onore di M. Talamanca, 2002, 393 pecunia (lat. [F.]) Geld 570 Lit.: Kaser § 32 II 2b; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983 peer (engl., zu lat. par, gleich) Adliger, Lord (14. Jh.) peinlich (zu lat. [F.] poena, Strafe) die Strafe vor allem an Leben und Leib betreffend Lit.: Köbler, DRG 115, 119; Feuerbach, P., Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 1800; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher Frage, 1971; Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe, FS A. Erler, 1977, 273 Peinliche Gerichtsordnung Karls V. -> Constitutio Criminalis Carolina Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 138, 156, 158; Meier, A., Die Geltung der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V., 1929; Weber, H. v., Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288 Peira, Pira (griech. [F.], Erprobung, Unternehmen, Kenntnis) ist ein zu Beginn des 11. Jh.s entstandenes, aus 75 unsystematischen Titeln gebildetes praktisches Lehrbuch des byzantinischen Rechtes. Die P. beruht teilweise auf Gutachten, Urteilen und Abhandlungen des Richters am byzantinischen Hofgericht Eustathios Rhomaios, die sein Sekretär verarbeitet (lat. Practica [F.] ex actis Eustathii Romani, Praktisches aus den Akten des Eustathius Rhomaius). Sie ist noch im 14. Jh. (- > Harmenopulos) bekannt. Lit.: Oikonomides, N., The Peira of Eustathios Rhomaios, in: Fontes minores, hg. v. Simon, D., 7 1986, 169; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 2. A. 2001 Peloponnes ist die griechische Halbinsel südlich der Landenge von Korinth. In griechischer Zeit sind Argos, Korinth und Sparta die wichtigsten Orte. 395 n. Chr. wird der P. Teil Ostroms, in der ersten Hälfte des 15. Jh.s fällt er weitgehend an die Osmanen, gegen die 1821 ein Unabhängigkeitskrieg beginnt. -> Griechenland Pene -> lat. (F.) poena Pension (F.) Ruhegehalt des Beamten, Unterkunft Pepo (2. Hälfte des 11. Jh.s) ist ein nicht näher bekannter Vorläufer des Irnerius in Bologna. Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 per aes et libram (lat.) mit Kupfer und Waage, -> Manzipation, mancipatio Lit.: Kaser § 7 I 3; Söllner § 8 perduellio (lat. [M.]), arger Krieg, ist im altrömischen Recht der mit einer öffentlichen Strafe belegte Landesverrat bzw. Volksverrat. Lit.: Köbler, DRG 20, 31; Söllner § 8 Perestroika (russ.) Umbau (1985-1990 in der Sowjetunion) Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Modrow, H., Die Perestroika, 1998 Pergament ist die abgeschabte Tierhaut als Beschreibstoff vor allem im frühen und hohen Mittelalter (ältestes erhaltenes Exemplar 3./2. Jh. v. Chr.). Das P. verdrängt den Papyrus und unterliegt seinerseits dem Papier. Lit.: Pergament, hg. v. Rück, P., 1991 Periculum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Gefahr der Tragung eines Verlustes. Insbesondere trägt der Käufer die Gefahr des zufälligen Untergangs der Kaufsache nach Vertragsabschluss, so dass er zahlen muss, auch wenn er nichts erhält. Lit.: Kaser §§ 34 III 2, 41 IV, 42 II 2, 62 IV 4; Köbler, DRG 46; Bauer, M., Periculum emptoris, 1998 Periculum est emptoris (lat.). Die Preisgefahr trägt der Käufer. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Paulus, um 170-um 230, Digesten 18, 6, 8, pr.) Perneder, Andreas (Ried um 1499-München 1543) wird nach dem Rechtsstudium in Ingolstadt Richter und Rat in München. Sein Versuch eines großen praktischen Handbuches des geltenden Rechts ist nicht ganz vollendet. Dazu gehören deutsche (F.Pl.) Institutiones (unter Berücksichtigung des deutschen allgemeinen Rechts, des bayerischen Landrechts und der Stadtrechtsreformationen von Nürnberg, Worms und Freiburg im Breisgau), Gerichtlicher Prozess, Lehenrecht, Von straff und Peen und schließlich (lat.) Summa (F.) Rolandina (Bearbeitung der Summa artis notariae des Rolandus Passagerii). Sie werden anscheinend 16mal aufgelegt. Dennoch unterliegen sie letztlich der lateinisch bleibenden Rechtsliteratur. Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 172; Söllner, A., Die Literatur zum gemeinen und partikularen Recht, in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1 1977, 556; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977, 167 Perpetuatio (F.) obligationis ist im römischen 571 Recht die noch von den Juristen des 1. Jh.s entwickelte Fiktion der Fortdauer einer Verbindlichkeit trotz Unterganges der geschuldeten bestimmten Sache für den Zeitpunkt der (lat.) litis contestatio (F.). Lit.: Kaser § 37 I, II Perser ist der Angehörige des persisch sprechenden, aus den Indogermanen hervorgegangenen, westlich Indiens ansässigen Volks. Lit.: Winter, E./Dignas, B., Rom und das Perserreich. 2001 Person ist, wer Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Seit neben dem Menschen auch weitere Träger von Rechten und Pflichten anerkannt werden, entwickelt sich P. zu einem Oberbegriff sowohl des Menschen als der natürlichen P. wie auch der juristischen P. In diesem Sinn spricht Papst Innozenz IV. 1245 erstmals von einer (lat. [F.]) persona ficta (erdachten P.) der (lat. [F.]) -> universitas, die aber noch keine vollständige P. ist. Im 16. Jh. entsteht der allgemeine Begriff der P. Lit.: Kaser § 13 I; Hübner; Köbler, DRG 121; Coing, H., Zur Geschichte des Privatrechtssystems, 1962; Watson, A., The Law of Persons, 1967; Henkel, W., Zur Theorie der juristischen Person im 19. Jahrhundert, 1973; Der beurkundete Mensch, hg. v. Füchtner, H., 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Person und Gemeinschaft im Mittelalter, hg. v. Althoff, G. u. a., 1988; Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; Ueberschär, E., Die Entwicklung der bürgerlichen Rechtsperson, Diss. jur. Jena 1993; Kobusch, T., Die Entdeckung der Person, 1993 Personalarrest ist die vorläufige Festnahme eines Menschen zur vorläufigen Sicherung einer gefährdeten Vollstreckung in das Vermögen. Der P. als ein Fall des -> Arrestes entwickelt sich aus dem Handhaftverfahren. Er wird seit dem Hochmittelalter sichtbar. In der Gegenwart ist der P. statthaft, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass die Zwangsvollstreckung in vorhandenes Vermö- gen gefährdet wird. Lit.: Planitz, H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922, 25 Personalfolium ist das über mehrere Grundstücke desselben Eigentümers, deren Grundbücher von demselben Grundbuchamt geführt werden, geführte gemeinschaftliche Grundbuchblatt. Es ist gegenüber anderen Grundsätzen der Grundbuchführung (-.> Realfolium) die Ausnahme. Lit.: Hübner 235 Personalitätsprinzip ist der auf personale Merkmale im Gegensatz beispielsweise zu territorialen Gegebenheiten abstellende Grundsatz. Das P. gilt im römischen Recht, doch unterstehen die Rechtsbeziehungen zwischen Römern und Fremden, zwischen Fremden verschiedener Völker und zwischen den Abkömmlingen unterworfener Völker (lat. [M.Pl.] dediticii) dem römischen (lat.) ius (N.) gentium (Fremdenrecht). Vielleicht bei den Germanen, jedenfalls im Frühmittelalter gilt ebenfalls meist das P. (der -> Volksrechte). Seit dem 12. Jh. wird dieses aber zunehmend vom Grundsatz der Territorialität (der -> Landrechte) abgelöst. Es wirkt jedoch im Personalstatut des internationalen Privatrechts fort. Lit.: Kaser § 3 III 2a; Söllner §§ 18, 25; Kroeschell, DRG 1; Stouff, L., tude sur le principe de la personnalité des lois, 1894; Schönbauer, E., Studien zum Personalitätsprinzip im antiken Recht, ZRG RA 49 (1929), 345; Gualazzini, U., La fine della personalit della legge nel cremonese, Bollettino storico cremonese 2, 1, (1931), 94; Gutermann, S., The Principle of the Personality of Law, University of Miami Law Review 21 (1966), 259; Köbler, G., Land und Landrecht im Frühmittelalter, ZRG GA 86 (1969), 2, 30; Guterman, S., The Principle of the Personality of Law, 1990 Personalkredit ist das personal gesicherte Darlehen. Die Sicherung durch einen -> Bürgen oder durch -> Einlager reicht dabei weit zurück. Eine starke Belebung erfährt der P. seit dem 19. Jh. Lit.: Les suretés personelles, Recueils de la société Jean Bodin 29ff. 1971ff. personal property (N.) Fahrnis, bewegliche Sache Personalservitut ist die nur einer bestimmten Person zustehende persönliche -> Dienstbarkeit im Gegensatz zum Realservitut (Grunddienstbarkeit). Lit.: Kaser §§ 28 I 1, 29 I Personalunion ist die (zufällige, seit dem 18. Jh. als solche erkannte) politische Verbindung zweier oder mehrerer monarchischer -> Staaten unter einem Herrscher (z.B Spanien/Heiliges Römisches Reich [deutscher Nation] 1519- 1556, Sachsen/Polen 1697-1763, Groß- 572 britannien/Hannover 1714-1837, Nieder- lande/Luxemburg 1815-1890, Preußen/Neuen- burg 1707-1857). -> Staatslehre Lit.: Jellinek, G., Allgemeine Staatslehre, 3. A. 1914, Neudruck 1959, 759; Lewy, H., Personalunion und Realunion, Diss. jur. Greifswald 1918; Favre, H., Neuenburgs Union mit Preußen, 1932 Personalvollstreckung ist die Vollstreckung in die Person des Schuldners. Sie ist im altrömischen Recht mit Hilfe der (lat.) -> legisactio (F.) per manus iniectionem möglich. Sie findet sich auch im Mittelalter. Erst 1868 wird die Schuldknechtschaft gesetzlich im Norddeutschen Bund und in Österreich beseitigt. Lit.: Kaser §§ 81 III 1, 85 II 2, 87 I 10; Köbler, DRG 20, 86; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004 Personenname ist der -> Name einer -> Person im Gegensatz z. B. zum Ortsnamen. Personennamen erscheinen (einnamig - mehrgliedrig) in den frühesten Quellen. Sie können rechtlich bedeutsame Aufschlüsse bieten. Lit.: Förstemann, E., Altdeutsches Namenbuch, Bd. 1 2. A. 1901, Neudruck 1966; Socin, A., Mittelhochdeutsches Namenbuch, 1903, Neudruck 1966; Schönfeld, W., Wörterbuch der altgermanischen Personen- und Völkernamen 1911, 2. A. 1965; Lutz, O., Recht in Familiennamen, 1925; Leiß, L., Bayerische Familiennamen und Rechtsgeschichte, 1934, Bach, A., Deutsche Namenkunde, Teil 1 Bd 1f. 2. A. 1952f.; Scheffer-Erhardt, C., Alt-Nürnberger Namenbuch, 1959; Kaufmann, H., Untersuchungen zu altdeutschen Rufnamen, 1965; Geuenich, D., Die Personennamen der Klostergemeinschaft von Fulda, 1976; Meyerholz, H., Bodenständige Familien in den Grafschaften Hoya und Diepholz, 1976; Reichert, H., Lexikon der altgermanischen Namen, 1987; Sonderegger, S., Prinzipien germanischer Personennamengebung, in: Nomen et gens, hg. v. Geuenich, D. u. a., 1997, 1; Personennamen des Mittelalters, hg. v. d. Bayerischen Staatsbibliothek, 2. A. 2000 (Namensformen für 13000 Personen, 3500 Personennamen); Dictionnaire historique de l'anthroponymie romane (Patronymica Romanica) hg. v. Cano González, A. u. a., Bd. 1ff. 2003ff. Personenrecht ist das die -> Person betreffende Recht im Gegensatz etwa zum -> Sachenrecht (oder zum -> Schuldrecht). Auf der Grundlage der griechischen Philosophie unterscheidet für das römische Recht nach Quintus Mucius Scaevola vor allem -> Gaius (um 160 n. Chr.) zwischen (lat.) personae (F.Pl.) und res (F.Pl.) sowie actiones (F.Pl.). Dem folgt man seit der Aufnahme des römischen Rechts im Spätmittelalter zunehmend. Erst im -> Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811 wird das P. aber einer der drei Teile der Kodifikation. Lit.: Mühlpfort, W., Disputatio de iure personarum, 1611; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des Institutionensystems, ZRG RA 70 (1953), 93; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung der allgemeinen Lehren, 1980; Quin, E., Personenrechte und Widerstandsrecht, 1999 Personenstandsgesetz von 6. 2. 1875 ist das im Kulturkampf die weltliche Zuständigkeit für das Personenstandswesen durchsetzende Gesetz des Deutschen Reiches. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 209; Schubert, W., Zur Vorgeschichte und Entstehung der Personenstandsgesetze, ZRG GA 97 (1908=, 43 Personenverband ist die zu einer Einheit tendierende Mehrheit von Menschen. Sie findet sich seit dem Altertum und dem Frühmittelalter. Sie bildet eine Vorform der -> juristischen Person. Lit.: Hübner 57, 121; Köbler DRG 36, 57, 238, 266 Persönlichkeitsmissachtung wird im klassischen römischen Recht als (lat. [F.]) -> iniuria erfasst. Lit.: Köbler, DRG 27 Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen gegenüber jedermann auf Achtung seiner Menschenwürde und auf Entfaltung seiner einzelmenschlichen Besonderheit. Als besondere Persönlichkeitsrechte werden das Recht am Namen seit längerer Zeit und das Recht am eigenen Bild seit kürzerer Zeit (vgl. RGZ 45,170 zu zwei Fotografien Bismarcks auf dem Totenbett) geschützt. 1954 anerkennt der Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland ein allgemeines P. (BGHZ 13, 334). Als seine geschichtlichen Vorläufer können dabei Hugo Donellus (1590), die Naturrechtler und eine Mindermeinung des 19. Jh.s (Puchta, Gierke, Windscheid) angesehen werden. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 206, 266, 271; Scheyhing, R., Zur Geschichte des Persönlichkeitsrechts, AcP 158 (1959/60), 503; Leuze, D., Die Entwicklung des 573 Persönlichkeitsrechts, 1962; Hamprecht, K., Persönlichkeitsrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Würzburg 1965; Herrmann, M., Der Schutz der Persönlichkeit, 1968; Klingenberg, E., Vom persönlichen Recht zum Persönlichkeitsrecht, ZRG GA 96 (1979), 183; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1981; Klippel, D., Historische Wurzeln und Funktionen, ZNR 1982, 132; Coing, H., Die Entwicklung der Persönlichkeitsrechte, in: Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988, 75; Seifert, F., Postmortaler Schutz des Persönlichkeitsrechts, NJW 1999, 1899; Klippel, D./Lies-Benachib, G., Der Schutz von Persönlichkeitsrechten um 1900, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 343; Austermühle, G., Zur Entstehung und Entwicklung eines persönlichen Geheimsphärenschutzes, 2002; Kastl, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 2004 pertinentiae (lat. [F.Pl.]) Zubehörstücke Perugia am oberen Tiber beruht auf dem etruskischen Perusia. 1549 kommt es an den Kirchenstaat, mit diesem 1870 an Italien (1861). Es ist Sitz einer Universität. Lit.: Ermini, G., Storia della universit di Perugia, 2. A. 1971; Valleranci, M., Il sistema giudiziario, 1991; Stader, I., Herrschaft durch Verflechtung, 1997 Peterspfennig ist der aus England seit dem 8. Jh. dem Papst als dem Nachfolger des Petrus geleistete Abgabe, die im Hochmittelalter und im Spätmittelalter auch in Norwegen, Schweden, Finnland, Island, Polen und Ungarn entrichtet wird. Seit 1871 ist der P. eine freiwillige Spende der Bistümer. Lit.: Jensen, O., Der englische Peterspfennig, 1903; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A., 1972, 307; Maschke, E., Der Peterspfennig in Polen, 2. A. 1980 Peter von Andlau (Andlau ? um 1420-Basel 5. 3. 1480) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Pavia 1444 Kaplan in Basel und 1460 Professor. Mit dem 1460 erschienenen (lat.) Libellus (M.) de Caesarea monarchia (De imperio Romano, Büchlein über die kaiserliche Monarchie bzw. Über das römische Reich) verfasst er unter kurialistischer Sicht die erste zusammenhängende Darstellung des deutschen Staatsrechts. Auf der Grundlage der Bibel, des gelehrten Rechtes, der Schriften des Jordanus von Osnabrück, des Thomas von Aquin, Felix Hemmerlins und Enea Silvio Piccolominis sowie der Goldenen Bulle schlägt er Aufnahme des römischen Rechts durch engen Anschluss der Fürsten an den Kaiser und durch gelehrte Richter vor. Lit.: Hürbin, J., Eine Ergänzung des ,,Libellus de Caesarea monarchia" Peters von Andlau, ZRG GA 16 (1895), 41; Hürbin, J., Peter von Andlau, 1897; Hürbin, H., Die Quellen des ,,Libellus de Cesarea monarchia", ZRG GA 18 (1897), 1; Scheffels, G., Peter von Andlau, Diss. phil. Berlin 1955; Schubert, H., Die deutschen Reichstage, 1966; Peter von Andlau, Kaiser und Reich, hg. v. Müller, R., 1998 Petition ist seit dem frühen 19. Jh. die Bittschrift an eine amtliche Stelle. Ein Recht zu einer P. ist zunächst ein Recht des Parlamentes gegenüber dem Fürsten (Bayern 1818). Daneben kommt schon seit 1689 in England dem Einzelnen ein Recht zu, sich mit einer P. an den König, die Regierung, die Volksvertretung oder eine Behörde zu wenden. Hieraus wird im frühen 19. Jh. ein Mittel zur öffentlichen Erbringung politischer For- derungen, das die Reaktion seit 1819 zu unterdrücken versucht. 1848 wird das allgemeine Petititionsrecht durchgesetzt. Lit.: Becker, K., Die Entwicklung des Petitions- und Beschwerderechts, Diss. phil. Greifswald, 1913; Gisiger, W., Das Petitionsrecht in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Hoffmann, D., Das Petitionsrecht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Pistottnik, K., Das Petitionsrecht, Diss. jur. Wien 1969; Kumpf, J., Petitionsrecht und öffentliche Meinung, 1983; Mohme, D., Das Petitionsrecht, 1992 petitorisch (begehrend [aus dem Eigentum]) Lit.: Fiedler, A., Der petitorische Rechtsschutz, 1995 Petrus Crassus (2. Hälfte 11. Jh.) verteidigt in Ravenna Heinrich IV. 1084 in der (lat.) Defensio (F.) Heinrici IV. regis mit Hilfe des römischen Rechts gegen die Behauptung, dass der König sein Amt durch Wahl erlangen müsse. Lit.: Fauser, A., Die Publizisten des Investiturstreites, Diss. phil. München 1934, 905 Petrus de Bellapertica (Pierre de Belleperche) (Lucenay-les-Aix-Jan. 1308) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans um 1280 Professor, 1296 Bediensteter des Königs und 1306 Bischof von Auxerre sowie Kanzler von Frankreich. Überliefert sind von ihm Vorlesungen, Repetitionen und Distinktionen. Lit.: Feenstra, R., L'Ecole de droit d'Orléans, Revue d'histoire des Facultés de droit 13 (1992), 36 Petrus de Vinea (Capua vor 1190-San Miniato April 1249), Richterssohn, wird nach dem 574 Rechtsstudium in Bologna 1221 Notar (?) und 1224 Richter Friedrichs II. Von ihm stammen die Novellenregeln der Konstitutionen von Melfi. Wahrscheinlich wegen Amtsmiss- brauchs wird er im März 1249 geblendet. Lit.: Huillard-Bréholles, J., Vie et correspondance de Pierre de la Vigne, 1865, Neudruck 1966; Baethgen, F., Dante und Petrus de Vinea, 1955; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des Petrus de Vinea, 2002 Petschaft (N.) Siegel Pfahl ist der festere, längere Holzstock. Pfählen ist im Spätmittelalter und in früher Neuzeit eine seltene, durch Durchbohren mit einem P. vollzogene Todesstrafe (z. B. CCC Art. 131 für Kindestötung). Lit.: Baltl/Kocher; Brunner, H., Über die Strafe des Pfählens, ZRG GA 26 (1905), 258; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 499, Neudruck 1964; Meyer, H., Menschengestaltige Ahnenpfähle aus germanischer und indogermanischer Frühzeit, ZRG GA 58 (1938), 42 Pfahlbürger ist der außerhalb der Stadtmauer lebende, durch die Pfähle einer Vorstadtbefestigung geschützte (str.) Bürger der mittelalterlichen Stadt (1231/2). Da der P. die Rechte eines Bürgers beansprucht, entsteht vielfach Streit mit Landesherren. Mit Abschluss der Landesherrschaft verschwinden die P. wieder. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schmidt, M., Die Pfahlbürger, Z. f. Kulturgeschichte 9 (1902), 241; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Schröder, E., Pfahlbürger, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 52; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980 Pfählen ist eine mittels Durchbohrens des menschlichen Körpers mit einem hölzernen Pfahl vollzogene, an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit (z. B. in Art. 131 der Constiutito Criminals Carolina von 1532) sichtbare Art der Todesstrafe. Lit.: Brunner, H., Über die Strafe des Pfählens im älteren deutschen Recht, ZRG GA 26 (1905), 258 Pfalz ist der Palast der Herrschers im Mittelalter. Die P. nimmt ihren Ausgang von dem Hügel Palatinus, auf dem in Rom das Haus des Prinzeps Augustus (44 v. Chr.-14 n. Chr.) steht. Seit dem Frühmittelalter beherrscht der fränkische bzw. deutsche König sein Reich durch Ziehen von P. zu P. Lit.: Köbler, DRG 83; Buchner, M., Zur Interpretation des palatinus regalis aulae, ZRG GA 35 (1914), 441; Schaller-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt, 1969; Brühl, C., Palatium, Bd. 1f. 1975ff.; Die deutschen Königspfalzen, hg. v. Max-Planck-Institut für Geschichte, Bd. 1ff. 1983ff.; Binding, G., Deutsche Königspfalzen, 1996; Orte der Herrschaft, hg. v. Ehlers, C., 2002; Splendor palatii, hg. v. Fenske, L. u. a., 2002 Pfalz ist das aus dem Herrschaftsgebiet des fränkischen Pfalzgrafen Lothringens nach der Belehnung Konrads von Staufen durch Kaiser Friedrich I. (1155/1156) entstehende Land am mittleren Rhein. Nach dem Übergang an die Wittelsbacher (1214) kommt 1329 die obere P. (Oberpfalz) zwischen Regensburg und Fichtelgebirge zur P. hinzu. 1945 wird die linksrheinische P. von Bayern getrennt und mit anderen Gebieten zu -> Rheinland-Pfalz vereinigt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Lossen, R., Staat und Kirche in der Pfalz, 1907; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in der Kurpfalz, 1937; Pfalzatlas, hg v. Alter, W., Bd. 1 1964, 393; Karst, T., Das kurpfälzische Oberamt Neustadt an der Haardt, 1960; Cohn, H., The government of the Rhine Palatinate, 1965; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung Kurfürst Philipps für die Pfalzgrafschaft bei Rhein, 1967; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Press, V., Die Grundlagen der kurpfälzischen Herrschaft in der Oberpfalz, Verh. d. hist. Ver. Oberpfalz 117 (1977), 31; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen, 1978; Kern, B., Das Pfälzer Landrecht und die Landesordnung von 1582, ZRG GA 100 (1983), 274; Lillig, K., Rechtssetzung im Herzogtum Pfalz- Zweibrücken, 1985; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Schaab, M., Geschichte der Kurpfalz, 1988; Lenz, R., Kellerei und Unteramt Dilsberg, 1989; Rose, M., Das Gerichtswesen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken im 18. Jahrhundert 1994; Kurpfalz, hg. v. Schweickert, A., 1997 Pfalzgraf ist ein Titel im fränkisch-deutschen Reich im Mittelalter und in der Frühneuzeit. Zuerst wird ein (lat.) comes (M.) palatii bei Gregor von Tours genannt (577, 587), der vermutlich den Hof des Königs leitet, aber bald vom Hausmeier verdrängt wird. Als der Hausmeier 751 zum König aufsteigt, wird der P. wieder oberster Amtsträger in weltlichen Sachen und vertritt vor allem den König im Gericht. Seit dem frühen 9. Jh. erscheint ein 575 (vom König eingesetzter) P. der einzelnen Völker oder Stämme, aus dem sich der P. bei Rhein zum Landesherrn (der -> Pfalz) und Kurfürsten entwickelt, während die Stellung und die Rechte der anderen Pfalzgrafen bereits im 10. Jh. weitgehend verlorengehen. Im Reich bleibt lange der -> Hofpfalzgraf. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Meyer, H. E., Die Pfalzgrafen der Merowinger und Karolinger, ZRG GA 42 (1921), 380; Litzel, M., Der Ursprung der deutschen Pfalzgrafschaften, ZRG GA 49 (1929), 233; Gerstner, R., Die Geschichte der lothringischen und rheinischen Pfalzgrafschaft, 1942; Arndt, J., Hofpfalzgrafenregister, Bd. 1ff. 1964ff.; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen, 1978; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Eberl, I., Die Entwicklung des Pfalzgrafen, 1995 Pfalzgrafen bei Rhein -> Pfalzgraf, Pfalz Pfand (lat. [N.] pignus) ist schon im römischen Recht die zur Sicherung eines Anspruchs dienende Sache bzw. das an ihr bestehende Recht. Im engeren Sinn wird aus dem P. das Grundpfand (an unbeweglichen Sachen) ausgeschieden. Am P. besteht das -> Pfandrecht. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 41, 45, 62, 74, 91, 125, 163, 213; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Reifenberg, W., Die kurpfälzische Reichspfandschaft Oppenheim, Gauodernheim, Ingelheim 1375-1648, 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Pfandbrief ist eine festverzinsliche, unkündbare Schuldverschreibung eines Kreditinstitutes (Pfandbriefanstalt), durch deren Ausgabe dieses sich Mittel verschafft, die es unter hypothekarischer Sicherung als Darlehen ausgibt. Der P. beruht auf einer Kabinettsorder König Friedrichs II. von Preußen (1769). Erst seit der Mitte des 19. Jh.s haftet dabei der Grundstückseigentümer dem Inhaber des Pfandbriefes nicht mehr. Aus Ausgleich hierfür wird in der Folge nach französischem Vorbild dem Inhaber ein Vorzugsrecht im Konkurs (Insolvenz) des Kreditinstitutes gewährt. Lit.: Rabe, H., Darstellung des Wesens der Pfandbriefe, 1819; Pavlicek, A., Das Pfandbriefrecht, 1895; Wegener, E., Zur Vorgeschichte des Pfandbriefes, in: Schmollers Jb. 44 (1920), 172; Geiecke, E., Die Entstehung und Entwicklung der ritterschaftlichen Kreditinstitute, Diss. jur. Bonn 1978; Marzi, L., Das Recht der Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002 Pfandlehen ist das seit dem 12. Jh. sichtbare, in der Zulässigkeit umstrittene Lehen eines Pfandes, bei dem der Pfandgläubiger eine Sache nicht nur als Pfand, sondern zugleich als Lehen erhält. Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1967, 252; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 243; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung, 1978, 230 Pfandleihunternehmer ist der Darlehensgeber, der gewerbsmäßig Darlehen gegen Verpfändung beweglicher Gebrauchsge- genstände gibt. Im Mittelalter betreiben die Juden das Pfandleihgeschäft. In der Neuzeit bestehen Pfandleihbanken (Berlin 1717, Hanau 1738), deren Stellung ab dem späten 18. Jh. gesetzlich geregelt wird (Preußen 1787, Bundesrepublik Deutschland 1961). Der Pfandleihunternehmer ist seit 1939 nicht mehr Kreditinstitut (Bank). Lit.: Loeffler, F., Die gewerbliche und private Pfandleihe, 1929; Burchard, J., Der Begriff des Pfandleihgewerbes, Diss. jur. Göttingen 1929; Lenzen, G., Das deutsche Pfandleihrecht, 1929 Pfandrecht ist objektiv die Gesamtheit der für das -> Pfand geltenden Rechtssätze und subjektiv das zur Sicherung einer Forderung (z. B. Rückzahlung eines Darlehens) bestimmte dingliche Recht an einem Gegenstand, kraft dessen der Gläubiger berechtigt ist, sich aus dem belasteten Grundstand (vorzugsweise) zu befriedigen. Im altrömischen Recht ist (bei handgreifbaren Sachen) die (lat. [F.]) -> mancipatio oder -> in iure cessio (F.) unter der Bestimmung der Rückübertragung gegen spätere Leistung, bei nicht handgreifbaren Sachen vermutlich eine formlose Bestellung des Pfandes (lat. [N.] pignus) durch später entbehrliche Sachhingabe nötig bzw. möglich. Im klassischen römischen Recht verbleibt der Besitz beim Schuldner, wird das P. vom Bestand der Forderung abhängig und entstehen Pfandrechte kraft Rechtssatzes und öffentlicher Einzelanordnung. Vermutlich gibt es auch bei den Germanen ein P. zur Sicherung einer Leistung. Der Pfandgläubiger erhält die Sache bis zur Leistung. Erfolgt diese nicht, behält der Besitzer die Sache. Im Frühmittelalter können 576 allmählich auch Liegenschaften als Pfand gegeben werden. Im Hochmittelalter kann das Pfand an Liegenschaften bloßes Substanzpfand sein, wobei seit dem 14. Jh. der anfängliche Verfall bei Nichtauslösung durch den Verkauf ersetzt wird und an die Stelle der tatsächlichen Übertragung die Eintragung in ein Buch tritt. Ist das Liegenschaftspfand Nutzpfand, so werden die nach der tatsächlichen Übertragung gezogenen Nutzungen nicht auf die Lösungssumme angerechnet. Das Fahrnispfand ist meist Faustpfand, wobei die Übergabe in der spätmittelalterlichen Stadt durch Eintragung in das Stadtbuch (evtl. Pfandbuch) ersetzt werden kann und bei Pfandreife regelmäßig Pfandverkauf erfolgt. Die Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter entwertet das P., so dass für das Grundpfand besondere -> Hypothekenbücher entwickelt werden (Berlin 1693, Preußen 1722) und das Fahrnispfand wieder allgemein Faustpfand wird. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist das Grundpfand an Einigung und Eintragung bzw. Eintragungsersatz gebundene Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, das Fahrnispfand grundsätzlich Faustpfand, wenngleich besitzlose Pfandrechte immer mehr die Oberhand gewinnen. Lit.: Kaser §§ 22 II, 1, 31; Söllner § 18; Hübner 402, 469; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 26, 41, 45, 62, 74, 91, 125, 163, 213; Meibom, V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867; Kohler, J., Pfandrechtliche Forschungen, 1882; Meyer, H., Neuere Satzung von Fahrnis und Schiffen, 1902; Kapras, J., Das Pfandrecht im böhmisch-mährischen Stadt- und Bergrechte, 1906; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936; Lieberwirth, R., Die gesetzlichen Pfandrechte, Diss. jur. Halle 1952 (ungedruckt); Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzipes 1971; Wesener, G., Zur Entwicklung des Pfandrechts, FS H. Demelius, 1973, 257; Klink, R., Die Behandlung des Pfandrechts, Diss. jur. Tübingen 1975; Wiegand, W., Zur Entwicklung der Pfandrechtstheorie im 19. Jahrhundert, ZNR 1981, 1; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, besitzloses Pfandrecht und Eigentum, 1984; Mincke, W., Die Akzessorietät des Pfandrechts, 1987; Schanbacher, D., Die Konvaleszenz von Pfandrechten, 1987; Repgen, T., Das Vermieterpfandrecht im Kaiserreich, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 231 Pfandsatzung -> verpfänden, Pfandrecht Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2 Pfandschaft ist im Hochmittelalter und Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die Verpfändung von Herrschaftsrechten. Sie wird seitens des Königs 1171, seitens der Landesherren 1197 sichtbar und hält seitens des Königs bis 1628 und seitens der Landesherren bis 1803 an. Bis 1500 verpfänden die Könige in mehr als 1000 Fällen Reichsgut (Herzogtümer, Grafschaften, Herrschaften, Vogteien, Gerichte, Städte, Dörfer, Höfe usw.). Die P. gewährt dem Pfandnehmer Pfandherrschaft. Sie endet mit der Auslösung durch den Schuldner oder durch die Ablösung durch einen Dritten. Der König ist vielfach zur Auslösung nicht in der Lage. Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1987; Krause, H., Pfandherrschaften als verfasssungsgeschichtliches Problem, Der Staat 9 (1970), 387, 515; Tewes, L., Die Amts- und Pfandpolitik der Erzbischöfe von Köln, 1987 Pfändung ist die in der Gegenwart grundsätzlich dem Staat vorbehaltene Beschlagnahme eines Gegenstands zwecks Sicherung oder Befriedigung eines Gläubigers wegen einer Geldforderung. Im altrömischen Recht ist die außergerichtlich, aber förmlich vollzogene private Pfändung (lat. legis actio [F.] per pignoris capionem) als Ausnahme neben der allgemeinen Personalvollstreckung möglich. Im Kognitionsverfahren werden bei Geldschulden Gegenstände gepfändet und versteigert. Im Frühmittelalter ist die außergerichtliche P. beweglicher Sachen in den Volksrechten erkennbar. Die P. zwecks Verwirklichung (Vollstreckung) des Urteils wird aber bald von der Genehmigung des Richters abhängig oder überhaupt Amtsträgern überlassen. Die Nichtauslösung des Pfandes hat den Verfall zur Folge. Im Hochmittelalter und Spätmittelalter erfolgt vor allem in der Stadt die Vollstreckung durch Büttel oder Fronboten durch öffentliche Pfändung von beweglichen Sachen und Grundstücken, während die außergerichtliche Pfändung durch einen Verfahrensbeteiligten zurücktritt. Allerdings ist die Gestaltung sehr unterschiedlich. In der Neuzeit entwickelt sich das unter dem Einfluss des gelehrten Rechts stehende moderne Vollstreckungsverfahren, das 1877/1879 im Deutschen Reich vereinheitlicht wird. Lit.: Kaser §§ 81 III 2, 87 I 10; Hübner 170; Kroeschell, 577 DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116; Meibom, V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867; Nägeli, A., Das germanische Selbstpfändungsrecht, Diss. jur. Zürich 1876; Bayer, W., Das Recht aus erlaubter eigenmächtiger Pfändung, Diss. jur. Berlin 1899; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Steiger, M., Das Pfändungsrecht der bayerischen Städte und Märkte auf dem Land, 1987; Schildt, B., Die Pfändung um Schaden und Schuld, in: Recht und Rechtswissenschaft im mitteldeutschen Raum, hg. v. Lück, H., 1998, 41; Fecht, W. v. d., Die Forderungspfändung im römischen Recht, 1999; Ludwig, M., Der Pfändungsschutz für Lohneinkommen, 2001; Schubert, W., Das Zwangsvollstreckungsrecht im Entwurf einer Zivilprozessordnung von 1931, ZRG GA 121 (2004), 351 Pfändungsklausel ist die in Urkunden seit dem Hochmittelalter enthaltene Vereinbarung der Berechtigung des Gläubigers, bei Nichtleistung den Schuldner ohne vorheriges Verfahren zu pfänden. Die P. geht in der Neuzeit in der Unterwerfung unter die sofortige -> Zwangs- vollstreckung auf. Lit.: Kisch, G., Die Pfändungsklausel, ZRG GA 35 (1914), 41 Pfandverfall ist die Umwandlung des Pfandrechts des Pfandgläubigers in das Vollrecht (Eigentum) bei Nichtauslösung im Zeitpunkt der Fälligkeit. Der P. tritt allmählich hinter dem Pfandverkauf zurück. Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Meibom, V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867, 248 Pfarrei -> Pfarrer, Pfarrgemeinde Pfarrer ist der Leiter einer christlichen Gemeinde mit eigener Kirche. Seit dem Konzil von Reims (630) soll eine Pfarre einen Pfarrer haben. Der P. spendet anstelle des Bischofs das Taufsakrament, bringt die Eucharistie dar und erteilt das Bußsakrament. Im 8. Jh. wird er zum Herrn des von den Gemeindeangehörigen zu leistenden Zehnten. In der Folge wird die Stellung des Pfarrers rechtlich genauer festgelegt. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hagen, A., Pfarrei und Pfarrer nach dem Codex iuris canonici, 1935; Kurze, D., Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Arend, S., Zwischen Bischof und Gemeinde, 2003 Pfarrgemeinde ist die von einem -> Pfarrer zu betreuende christliche Gemeinde. Nach frühen Gemeindebildungsansätzen entsteht im 5./6. Jh. die Verpflichtung der P., an den höheren Festtagen den Gottesdienst des Pfarrers zu besuchen. Die Zugehörigkeit zur P. wird durch den Wohnsitz bestimmt und in der frühen Neuzeit genau festgelegt. Lit.: Haff, K., Die Urpfarreien in Ostschwaben und Tirol als Markgenossenschaften und Siedlungsverbände, ZRG GA 65 (1947), 234; Grass, F., Pfarrei und Gemeinde im Spiegel der Weistümer Tirols, 1950; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983, 180; La parrocchia, hg. v. Paravicini Bagliani, A., 1995 Pfarrkirche ist die planmäßig mit einem -> Pfarrer zu besetzende Kirche einer Pfarrgemeinde. Sie entsteht im 5. Jh. Für ihre Baulast sind Kirchengut, Patron und Pfarrgemeinde zuständig. Lit.: Noser, H., Pfarrei und Kirchengemeinde, 1957; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Vogt, H., Bilder der frühen Kirche, 1993 Pfarrsprengel ist das örtliche Zuständigkeitsgebiet eines Pfarrers. Der P. entsteht noch im Altertum (z. B. Rom Mitte 4. Jh.s). Im Frühmittelalter bilden sich zunächst große Urpfarreien. Seit dem 8. Jh. verfeinert und verfestigt sich die Einteilung. Lit.: Stutz, U., Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 1895; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Pfeffinger, Johann Friedrich (Straßburg 5. 5. 1667-Lüneburg 27. 8. 1730), Lehrer der Ritterakademie Lüneburg, gibt in der Bearbeitung von Vitrarius, P., Institutiones iuris publici (1686, Einrichtungen des öffentlichen Rechts) ein nach dem Institutionenschema (Personen, Sachen, Rechte) gegliedertes Handbuch des öffentlichen Rechtes des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation). Lit.: Bleeck, K., Adelserziehung auf deutschen Ritterakademien, 1977 Pfeifergericht heißt das Verfahren der Erneuerung eines Rechtes auf Zollfreiheit (in Frankfurt am Main) seitens des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation). Lit.: Wyss, A., Ein Mainzer Seitenstück zum Frankfurter Pfeifergericht, ZRG GA 22 (1901), 356; Reuter, F., Zollfreiheit und Pfeifergericht, Archiv f. hess. Gesch. N.F. 33 (1975) 578 Pfennig (lat. [M.] denarius) ist seit dem Frühmittelalter eine kleine Münze (264 Pfennige pro Pfund von 327 Gramm, E. 8. Jh. 240 Pfennige pro Pfund von 367 Gramm, 11. Jh. 320 Pfennige pro Mark, 15. Jh. 1200-1400 Pfennige pro Mark, E. 19. Jh. 100 Pfennige pro Mark), die 2002 dem (europäischen) Cent weicht. Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 1896, Neudruck 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484- 1914, 1975; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986 Pflanzenschutz Lit.: Sucker, U., Die biologische Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft und die Entstehung eines reichseinheitlichen Pflanzenschutzgesetzes (1914-1937), 1999 Pflegekind ist das auf Grund einer Erlaubnis (des Jugendamtes) von einer Pflegeperson in Familienpflege aufgenommene Kind. Die Rechtsverhältnisse der bereits dem römischen Recht bekannten Pflegekinder sind erst in der jüngeren Vergangenheit stärker verrechtlicht. Lit.: Tirey, A., Das Pflegekind in der Rechtsgeschichte, 1996 Pfleger (lat. [M.] curator) ist der Verwalter einer Angelegenheit. Im Mittelalter werden beispielsweise der Vormund oder auch ein Amtsträger P. genannt. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird (lat.) -> curator (M.) durch P. wiedergegeben. Im Zusammenhang damit ist die Pflegschaft im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein durch das Vormundschaftsgericht zu begründendes Fürsorgeverhältnis eines Menschen (Pflegers) für einen anderen (Pflegebefohlenen) zur Besorgung einer besonderen Angelegenheit. Lit.: Kaser § 64; Hübner; Schott, C., Der Träger als Treuhandform, 1975 Pflegeversicherung ist die in Deutschland durch Gesetz vom 22. 4. 1994 zum 1. 1. 1995 eingeführte Sozialversicherung für den Pflegefall Pfleghafter ist der Angehörige eines im Sachsenspiegel (1221/4) besonders genannten, sonst nur selten (1214, 1219, 1250, Anfang 15. Jh.s) bezeugten Standes von abgabepflichtigen Freien. Lit.: Amira, K. v., Pfleghafte, ZRG GA 28 (1907), 435; Molitor, E., Pfleghafte, ZRG GA 32 (1911), 330; Beyerle, K., Die Pfleghaften, ZRG GA 35 (1914), 212; Heck, P., Pfleghafte und Grafschaftsbauern, 1916; Molitor, E., Die Pfleghaften des Sachsenspiegels, 1941; Hagemann, A., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111 Pflegschaft -> Pfleger Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 36, 210 Pflicht ist die Anforderung eines bestimmten Verhaltens. Die P. ist das Gegenstück zu einem (subjektiven) -> Recht und vielfach die Auswirkung von (objektivem) Recht. Lit.: Köbler, WAS; Grundrechte und Grundpflichten in der Reichsverfassung, hg. v. Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schreiber, H., Der Begriff der Rechtspflicht, 1966; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue, 1973; Mors, A., Die Entwicklung der Schulpflicht, Diss. jur. Tübingen 1986; Luchterhandt, O., Grundpflichten als Verfassungsproblem, 1988 Pflichtteil ist der unentziehbare Mindestanteil naher Angehöriger am Nachlass eines Erbteils. Bereits im klassischen römischen Recht engt im 1. Jh. v. Chr. die Einführung der (lat.) querela (F.) inofficiosi testamenti die Freiheit des Erblassers ein. Kinder, Eltern und Geschwister eines frei geborenen Erblassers können nämlich ein Testament anfechten, wenn es gegen die sittliche Pflicht verstößt, dem Berechtigten mindestens ein Viertel des ihm nach natürlicher Erbfolge zustehenden Anteils zu hinterlassen. Im spätantiken römischen Recht muss nahen Angehörigen (seit Konstantin [306-337] Abkömmlinge, Vorfah- ren und durch den Vater verwandte Brüder des Erblassers) ein Viertel des gesetzlichen Erbteils zugewendet werden. Ist der Angehörige ganz übergangen, kann er das Testament angreifen. In anderen Fällen kann er Ergänzung auf das ihm zustehende Viertel verlangen. Justinian erhöht den P. bei mehr als vier Kindern auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (536) und ordnet wenig später das Pflichtteilsrecht umfassend. Mit dem Testament wird im Spätmittelalter auch der P. des römischen Rechts aufgenommen. Das französische und spanische Recht lassen nur eine beschränkte Vergabe durch Testament zu. Das englische Recht gewährt bedürftigen Angehörigen einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Nachlass. Lit.: Kaser §§ 65 II 2, 69 I 2, 70; Köbler, DRG 38; Heuberger, W., Geschichtliche Entwicklung des 579 Pflichtteilsrechts, Diss. jur. Leipzig 1912; Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970; Wacke, A., Die Rechtswirkungen der lex Falcidia, FS M. Kaser, 1973, 209; Wesener, G., Pflichtteilsrecht und Unterhaltsanspruch, FS Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz, 1979, 95; Coing, H., Zur Entwicklung des Pflichtteilsrechtes, Gedächtnisschrift W. Kunkel, 1984, 25; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Jaeschke, F., Pflichtteilsentzug, 2002 Pflugschar ist der zum Aufreißen der Erde bestimmte Teil des Pfluges. Das Schreiten über (9) glühende Pflugscharen ist im Mittelalter eine Form des -> Gottesurteils. Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956 Pfründe ist die einem kirchlichen Amtsträger zustehende Unterhaltsleistung aus den Erträgnissen eines Vermögens. Die Verdinglichung des Unterhaltsanspruchs erfolgt dabei nach Ansätzen im Altertum seit dem Frühmittelalter. Im Laufe des Mittelalters wird die P. zu einer eigenen (Vorform der) -> juristischen Person (ausgestattetes Kirchen- amt). Lit.: Groß, C., Das Recht an der Pfründe, 1887; Stutz, U., Lehen und Pfründe, ZRG GA 20 (1899), 213; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 203; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Willich, T., Wege zur Pfünde, 2002 Pfund (lat. [F.] libra) ist im Mittelalter eine Gewichtseinheit, die seit dem 7. Jh. auch als Rechnungsmünze (264 bzw. 240 Pfennige) Verwendung findet und in der Lira Italiens (bis 2002) und dem Pfund Großbritanniens fortlebt. Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 2. A. 1896, Neudruck 1972; Spufford, P., Money, 1988 Philipp von Leyden (Leiden 1326/7?-9. 6. 1382) wird nach dem Studium der freien Künste, Theologie und (1339/4) des Rechts in Orléans 1351/1352 Kanzleimitarbeiter der Grafen von Holland und nach anderen Tätigkeiten 1371 Vikar des Bischofs von Utrecht. In seinem Hauptwerk ([85 ,,casus" in] De cura reipublicae, Von der Pflege des Staates) verwendet er das römische Staatsrecht zugunsten der Grafen von Holland. Lit.: Berges, W., Die Fürstenspiegel, 1938, Neudruck 1952, 249; Wilfert, H., Philipp von Leyden, 1925; Feenstra, R., Philipp of Leyden, 1970; Leupen, P., Philipp of Leyden, 1981; Feenstra, R., Philip of Leyden en zijn bibliotheek, 1994 Phillipe de Beaumanoir -> Beaumanoir Phillips, George (Königsberg 6. 1. 1804-Aigen bei Salzburg 6. 9. 1872), englisch-schottischer Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny) und Göttingen (Eichhorn) 1827 außerordentlicher Professor in Berlin, 1834 Professor in München, 1849 in Innsbruck und 1851 in Wien. Er veröffentlicht eine englische Rechtsgeschichte (1825, 1827/8), ein gemeines deutsches Privatrecht (1830), eine deutsche Rechtsgeschichte (1845) und ein siebenbändiges Kirchenrecht (1845ff.). Lit.: Lentze, H., Phillips, FS F. Loidl, Bd. 1 1970, 160 Philosophie ist die gedankliche Beschäftigung des Menschen mit dem Sein. Als rationale Bemühung um Orientierung durch Theorie wird sie zuerst im griechischen Altertum (Thales, Anaximander, Anaximenes, Pythagoras, Heraklit, Parmenides, Melissos, Zenon, Empedokles, Anaxagoras, Sokrates, Plato, Aristoteles) sichtbar. Seit der Neuzeit verselbständigen sich aus der P. besondere Fachwissenschaften. Im 19. Jahrhundert steigt die Zahl der Vorlesungen in Vergangenes in seiner noch nicht aufgebrauchten Bedeutung neu verstehender und damit hermeneu- tisierender Philosophiegeschichte sehr stark an und sinkt dementsprechend in Ethik und Naturrecht. Eine Unterart der P. ist die -> Rechtsphilosophie. Lit.: Maurach, G., Geschichte der römischen Philosophie, 2. A. 1997; Philosophische Jurisprudenz, hg. v. Pieper, A., 1998; The Cambridge History of Seventeenth-Century Philosophy, hg. v. Garber, D. u. a., 1998; Schneider, U., Philosophie und Universität, 1999; Solomon, R./Higgins, K., Eine kurze Geschichte der Philosophie, 2000; Höffe, O., Kleine Geschichte der Philosophie, 2001; Fleischer, M., Anfänge europäischen Philosophierens. Heraklit ­ Parmenides ­ Platons Timaios, 2001; Handbuch Frühe griechische Philosophie, hg. v. Long, A., 2001; Wechselseitige Beeinflussungen und Rezeptionen von Recht und Philosophie in Deutschland und Frankreich, hg. v. Kervégan, J. u. a., 2001; Helferich, C., Geschichte der Philosophie, 3. A. 2001; Hirschberger, J., Geschichte der Philosophie, 2003; Libera, A. de, Denken im Mittelalter, 2003; Schupp, F., Geschichte der Philosophie im Überblick, Bd. 1ff. 2003; Philosophen, hg. v. Lutz, B., 2004; Ries, W., Philosophie der Antike, 2005; Decorte, J., Eine kurze Geschichte der mittelalterlichen Philosophie, 2005 Phönizier ist der Angehörige eines zwischen 580 1500 v. Chr. und 300 v. Chr. am östlichen Mittelmeerufer sichtbaren Volks. Vermutlich entwickeln die P. die Buchstabenschrift. Handeltreibend erreichen sie wohl England und umschiffen vielleicht Afrika. Als Punier erscheinen sie im westlichen Mittelmeer, wo sie von den Römern in den punischen Kriegen (Hannibal) besiegt und eingegliedert werden. Lit.: Markoe, G., Die Phönizier, 2003 Physiokrat -> Physiokratismus Physiokratismus ist die wirtschaftspolitische Strömung des 18. Jh.s (François Quesnay 1694- 1774), die den Boden als eigentliche Quelle des Reichtums ansieht, den Ackerbau zum wichtigsten Berufszweig erklärt, zur Verbesserung des Ertrages das Eigentum der Bauern am bewirtschafteten Land befürwortet und sich später gegen die zunehmenden Eingriffe des Staates, die eine Verbesserung der Einnahmen, die Sicherung der allgemeinen Versorgung und dann auch die Einordnung des Bauern in die Gesamtgesellschaft anstreben, wendet. Obwohl der P. das Interesse einiger Landesherren findet, bewirkt er kaum praktische Veränderungen. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Köbler, DRG 133, 134, 174, 192; Guyot, Y., Quesnay et la physiokratie, 1896; Beer, M., An inquiry into physiocracy, 1939; Woog, H., Le tableau économique of François Quesnay, 1950; Klippel, D., Der Einfluss der Physiokraten, Der Staat 23 (1984), 205; Gömmel, R./Klump, R., Merkantilisten und Physiokraten, 1994 Piacenza -> Parma Lit.: Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001 Piast ist der Angehörige einer sich auf einen Bauern Piast aus Kruschwitz zurückführenden, geschichtlich am Ende des 10. Jh.s nach- weisbaren Familie, die unter Boleslaw I. Chrobry ihre Herrschaft von Kiew bis zur Mark Meißen ausdehnt. Ihre polnische, seit 1320 königliche Linie wird 1370 von den Jagiellonen beerbt. Die herzögliche Linie in Massowien erlischt 1526, die schlesische 1625/1675. Lit.: Balzer, O., Genealogia Piastow, 1895; Jasinski, K., Rodowod pierwszych Piastow, 1992 Picard, Edmond-Désiré (Brüssel 1836-1924), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Brüssel Advokat, 1884 Professor und Politiker. 1878 gründet er die 136 Bände umfassende Rechtsenzyklopädie Pandectes Belges. Beeinflusst ist er von Rudolf von -> Ihering. Lit.: Pasquier, A., Edmond-Désiré Picard, 1945 Piccolomini, Enea Silvio Lit. : Meusel, A., Enea Silvio als Publizist, 1905; Battaglia, F., Enea Silvio Piccolomini e Francesco Patrizi, 1936; Kallen, G., Aeneas Silvius Piccolomini als Publizist, 1939; Kisch, G., Enea Silvio Piccolomini und die Jurisprudenz, 1967 Piemont ist das Gebiet der westlichen Poebene und der Westalpen. Über Römer, Ostgoten, Oströmer, Langobarden und Franken fällt es um 1046 an die Grafen von Savoyen. Seit dem frühen 18. Jh. benennt sich P. nach dem 1717/1720 erlangten Sardinien. Aus ihm entwickelt sich 1859/1861 das Königreich Italien. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Viora, M., Le costituzioni piemontesi, 1928; Beltrutti, G., Storia del Piemonte, 1976; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,146, 3,1,264; Nada Patrone, A., Il medioevo in Piemonte, 1986; Tabacco, G., Piemonte medievale, 1985 pietas (lat. [F.]) richtiges Verhalten, Frömmigkeit Lit.: Ulrich, T., Pietas (pius) als politischer Begriff, Diss. phil. Breslau 1929; Dürig, W., Pietas liturgica, 1958; Frömmigkeit im Mittelalter, hg. v. Schreiner, K. u. a., 2002 Pignus (lat. [N.]) ist schon im altrömischen Recht das -> Pfand. Die Hingabe einer Sache zur Sicherung einer Schuld geschieht bei handgreifbaren Sachen durch (lat. [F.]) -> mancipatio oder (lat. [F.]) -> in iure cessio unter der Bestimmung, dass die hingegebene Sache gegen eine spätere Leistung zurückzuübertragen ist. Bei nicht handgreifbaren Sachen ist vermutlich eine formlose Bestellung eines Pfandes (p.) durch später entbehrlich werdende Sachhingabe möglich. Unterbleibt die Auslösung, so behält der Pfandnehmer die Sache (Verfall). Im klassischen römischen Recht ist p. ein Realkontrakt, bei dem die Sache hingegeben wird unter der Abrede, dass der Pfandgläubiger sie als Pfand besitzen und je nach dem Verhalten der Gegenseite verwerten oder zurückgeben soll. Lit.: Kaser §§ 31 I 2, III IV; Söllner § 9, 18; Köbler, DRG 26, 45; Köbler, LAW; Schanbacher, D., Beobachtungen zum sog. pignus Gordianum, ZRG RA 581 114 (1997), 233 Pilius (da Medicina), Pillius (Medicina um 1150-nach 1207) ist um 1180 Rechtslehrer in (Modena und) Bologna? und 1192 Hofrichter Kaiser Heinrichs VI. Er verfasst zahlreiche verschiedene Werke (Summe, Glossen zum [lat.] Liber [M.] feudorum, [lat.] Libellus [M.] disputatorius, Disputationen, Quaestionen, Distinktionen, Einzeluntersuchungen). Lit.: Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974; Santini, G., Universit e societ nel XII secolo, 1979; Conte, E., Tres libri Codicis, 1990, 71; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Pillersdorf (Pillersdorff), Franz Xaver von (1786-1862) ist 1848 Innenminister - >Österreichs. Nach ihm wird vielfach die erste, in seiner Amtszeit erarbeitete österreichische Verfassung benannt. Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 193 Pillersdorfsche Verfassung (Aprilverfassung) ist die nach dem damaligen Innenminister benannte, am 25. 4. 1848 von Kaiser Ferdinand I. von -> Österreich für die nichtungarischen Länder gewährte Verfassung. Sie kennt Gewal- tenteilung, Gegenzeichnung der Vollzugshand- lungen des Kaisers durch den verantwortlichen Minister, Reichstag bestehend aus Senat und Abgeordnetenkammer sowie einen Grundrechtskatalog. Auf Forderungen von Demonstranten hin wird sie abgeändert (Einkammersystem ohne Steuerzensus) bzw. nach der Erhebung vom 15. 9. 1848 zurückgezogen. Inhaltlich entspricht ihr der ihr zeitlich folgende, vom österreichischen Reichstag in Kremsier erarbeitete, aber auf dem Grundsatz der Volkssouveränität aufbauende -> Kremsierer Entwurf. Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 171, 193 Pillius -> Pilius pincerna (lat. [M.]) Schenk Lit.: Köbler, DRG 83 pipe roll (engl.) Schatzkammerrolle des Königs (seit 1130) Pippin ist der Leitname der austrasischen Hausmeier des merowingischen Königs bzw. der karolingischen Könige. Nach Pippin dem Jüngeren (714/715-24. 9. 768) ist die pippinische Schenkung benannt. Lit.: Köbler, DRG 82; Schieffer, R., Die Karolinger 1992, 50 Pippinische Schenkung ist die an die päpstliche Salbung (751?, 754) anschließende ,,Gabe" (Rückgabe) des fränkischen Königs Pippin des Jüngeren an Papst Stephan II. im Jahre 754 (756). Sie umfasst das (von den Langobarden entzogene) Gebiet von Luni, Parma, Reggio und Mantua bis Monselice, den Exarchat Ravenna, Venetien, Istrien, Benevent und Spoleto. Die Überlieferung der Gabe ist teils lückenhaft, teils unklar. Die p. S. legt, auch wenn sie nicht vollständig verwirklicht wird, den Grundstein für die Entstehung des -> Kirchenstaates (Vatikan). Lit.: Köbler, DRG 82; Sybel, H. v., Die Schenkungen der Karolinger an die Päpste, HZ 44 (1880), 47; Gundlach, W., Die Entstehung des Kirchenstaates, 1899; Quellen zur Entstehung des Kirchenstaates, hg. v. Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The Lands of St. Peter, 1972; Jarnut, J., Quierzy und Rom, HZ 220 (1975), 265; Noble, T., The Republic of St. Peter, 1984 Pirckheimer, Willibald (Eichstätt 5. 12. 1470- Nürnberg 22. 12. 1530) wird nach dem Rechtsstudium in Padua und Pavia Ratsherr in Nürnberg. 1528/1529 befürwortet er für die Ausgabe der -> Digesten durch Haloander einen Zuschuss Nürnbergs. Lit.: Thieme, H., Willibald Pirckheimers Corpus iuris, Festgabe A. Bruckner, Basler Z. f. Altertumskunde 74 (1974), 259; Holzberg, N., Willibald Pirckheimer, 1981 Pisa am unteren Arno kommt im 3./2. Jh. von den Etruskern an die Römer. Im 4. Jh. wird es Sitz eines Bischofs. Im 12. Jh. wird es freie Kommune, fällt aber 1406 an Florenz und 1860/1861 an Italien. Seine Universität wird um 1395 gegründet. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Tolaini, E., Pisa, 1992 Pisanelli, Giuseppe (1812-1879) wird nach dem Rechtsstudium in Neapel 1839 Rechtslehrer in Neapel und später einer der führenden Rechtspolitiker Italiens. Er beeinflusst die 1865 veröffentlichten itali- enischen Gesetzbücher für Privatrecht und Zivilprozessrecht maßgeblich. Lit.: Lettere inedite di Giuseppe Pisanelli, hg. v. Confessore, O., 1979 Pithou (Pithoeus), Pierre (1539-1596) wird nach dem Rechtsstudium in Bourges und Valence (Cujas) Anwalt in Paris, Berater und Privatgelehrter, 1573 Amtmann und 1582 Generalprokurator. Er bearbeitet und veröffentlicht unterschiedliche Quellen (Edic- 582 tum Theoderici, Leges Visigothorum, 1579, Codex canonum vetus Ecclesiae Romanae, 1609). Lit.: Grosley, J., Vie de Pierre Pithou, Bd. 1f. 1756 Placentinus (Piacenza 1130?-Montpellier 12. 11. 1192) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Lehrer des weltlichen Recht in Mantua, Montpellier (1163-1184/1185, 1190/1191-1192), Bologna und Piacenza. Er verfasst Summen (z. B. Summa codicis), Distinktionen, Disputationen, Glossen, Monographien und Kommentierungen. Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts, 2. A. 1834ff., Neudruck 1956, 4, 244ff., 537ff.; Tourtoulon, P. de, Placentinus, 1896, Neudruck 1972; Conte, E., Tres libri Codicis, 1990; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Placitum (lat. [N.]) ist im Frühmittelalter der Beschluss und die ihn fassende Versammlung (Ding). Lit.: Köbler, LAW; Manaresi, C., I placiti del Regnum Italiae, Bd. 1ff. 1955ff. (484 Nummern bis 1100); Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985 Plädoyer (N.) Schlussvortrag im Strafprozess plagium (lat. [N.]) Anmaßung des Herrenrechts Lit.: Köbler, DRG 35 Planck, Gottlieb (Göttingen 24. 6. 1824-20. 5. 1910), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen und Berlin (Puchta) Richter (1859-1863 infolge der Auflösung des Obergerichts Dannenberg ohne Amt, 1879 Ruhestand) und Rechtspolitiker. Trotz Erblindung bearbeitet er von 1874 an den ersten Teilentwurf des Familienrechts des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900). Seit 1889 lehrt er als ordentlicher Honorarprofessor in Göttingen. Lit.: Köbler, DRG 183; Frensdorff, F., Gottlieb Planck, 1914; Schubert, W., Beratung des BGB. Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, 1978, 80; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 299; Schroeder, K., Gottlieb Planck, JuS 2000, 1046 Planiol, Marcel (1853-1931) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Grenoble (1880), Rennes (1881) und Paris (1887). Seit 1894 veröffentlicht er den (franz.) Traité élémentaire de droit civil (Grundriss des bürgerlichen Rechts), durch den er den -> Code civil erfolgreich in die gesamtfranzösische Entwicklung einbindet. Lit.: Marcel Planiol, hg. v. Berhélemy, H. u. a., 1931 Planitz, Hans (Kaditz bei Dresden 4. 5. 1882- Wien 16. 1. 1954), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium von Recht und Geschichte in Tübingen und Leipzig (Lamprecht) 1909 außerordentlicher Professor in Leipzig, 1913 ordentlicher Professor in Basel, 1914 in Frankfurt am Main, 1919 in Köln und 1941 in Wien. Seine Arbeiten betreffen vor allem das Vollstreckungsrecht, das Sachenrecht und die Stadtgeschichte. Lit.: Planitz, H., Die Pfändung, 1912; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980; Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., Bd. 2 1951, 126 Plantagenet ist die in der Mitte des 12. Jh.s nach dem Ginster (lat. planta [F.] genista) als Helmzier (oder zum Sichtschutz bei der Jagd) benannte Familie (-> Anjou), die nach der Verbindung mit der Erbtochter des Königs von England (1128) 1144 das Herzogtum der -> Normandie und 1154 in Verfolgung eines durch Mathilde von England vermittelten Erbanspruchs das Königtum in -> England erreicht und einschließlich der Nebenlinien Lancaster und York bis 1485 herrscht (offizieller Beiname Plantaginet seit 1460 durch Herzog Richard von York). Lit.: Fowler, K., The Age of Plantagenet and Valois, 1967; Lauffray, C./Lauffray, P., Die Plantagenets, 1984; La cour Plantagent, hg. v. Aurell, M., 2000; Berg, D., Die Anjou-Plantagenets, 2003 Plantagenwirtschaft ist eine landwirtschaftliche Bewirtschaftungsform (z. B. im römischen Weltreich, in den neuzeitlichen Kolonien). Lit.: Köbler, DRG 28 Planwirtschaft ist die vom (zentralstaatlichen) Plan bestimmte Wirtschaft (z. B. seit 1918 in der Sowjetunion, seit 1945 in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der Deutschen Demokratischen Republik). Die Entschei- dungsfreiheit von Unternehmern entfällt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 249; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Lindner, N., Der Übergang des Rechts der Wirtschaft von der Plan- zur Marktwirtschaft in Ostdeutschland, 1996; Hoffmann, D., Aufbau und Krise der Planwirtschaft, 2002 Plea rolls (engl. [N.Pl.]) sind die seit dem Jahre 583 1194 fast lückenlos erhaltenen Prozessrollen des -> englischen Rechts. Lit.: Select pleas in manorial and other seignorial courts, hg. v. Maitland, F., 1889; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 Plebejer ist im altrömischen Recht der Angehörige des einfachen, nichtpatrizischen Volkes. Die anfänglichen Unterschiede werden in der Republik eingeebnet und verschwinden durch jüngere gesellschaftliche Gegensätze. Lit.: Söllner §§ 4, 5, 8 Plebiscitum (lat. [N.]) ist seit dem altrömischen Recht die Entscheidung der Versammlung der (lat. [F.]) plebs, die als Rechtsquelle anerkannt ist (287 v. Chr. lex Hortensia). -> Plebiszit Lit.: Kaser §§ 2 II 2a, 3 II 1; Söllner §§ 6, 15; Köbler, DRG 13, 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 Plebiszit ist in der Neuzeit der Volksentscheid bzw. die Volksabstimmung. -> plebiscitum Lit.: Mittenberger-Huber, A., Das Plebiszit in Bayern, 2000 plebs (lat. [F.]) Volk Plenipotenz (F.) Gewaltenfülle (z. B. des Papstes) Lit.: Wyduckel, D., Princeps legibus solutus 1979, 88 plenitudo (F.) potestatis (lat.) Gewaltenfülle - > Plenipotenz Lit.: Kroeschell, DRG 2 Pluralismus ist die Lehre vom Nebeneinander mehrerer Verschiedenheiten. Mit der Lösung von einer einzigen Einheit ist der P. möglich. Weltanschaulich gründet sich der P. des ausgehenden 20. Jh.s auf die Aufgabe der Unbedingtheit der christlichen Tradition in der abendländischen Kultur. Lit.: Köbler, DRG 253; Le pluralisme juridique, hg. v. Gilissen, J., 1972; Bast, J., Totalitärer Pluralismus, 1999; The Adventure of Religious Pluralism in Early Modern France, hg. v. Cameron, K. u. a., 2000 Pluris petitio (lat. [F.]) ist die Zuvielforderung im römischen Recht, die zeitweise eine Straffolge wegen unbedachter Verfahrensfüh- rung nach sich zieht. Lit.: Kaser §§ 34 II, 53 III, 83 I, 87 I, II; Köbler, DRG 62 Podest (M.) Machtinhaber der hochmittelalterlichen Stadt Italiens Poena (lat. [F.]) ist im altrömischen Recht die Vermögensleistung, durch die bei einem Unrechtserfolg das Racherecht des Verletzten oder seiner Verwandtschaft abgelöst werden kann. Dabei soll, wer einem anderen (nur ?) ein Bein bricht, (nur) die feste und daher bei Währungsverfall gefährdete Summe von 300 Pfund Kupfer (p.) entrichten, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer, bei sonstigem Unrecht 25 Pfund Kupfer. In der Spätantike ist die dem Ersatz des Schadens dienende Leistung (lat.) p., damnum, satisfactio oder compositio. Dagegen bezeichnet Tacitus (98 n. Chr.) den Ausgleich eines Unrechtserfolges durch Pferde und Rinder bei den Germanen auch als p. Seit dem Hochmittelalter ist p. die peinliche Strafe an Leben oder Leib. Lit.: Kaser §§ 32 II, 35 II, 50 I; Köbler, DRG 26, 27, 65, 74, 119; Köbler, LAW Poena (F.) arbitraria (lat.) ist auf Grund hochmittelalterlicher Ansätze (Vincentius Hispanus, Papst Innozenz IV.) in der frühen Neuzeit die der (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Carolina von 1532 bekannte Ermessensstrafe oder auch außerordentliche Strafe (lat. poena extraordinaria). Über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus findet sie Anwendung bei ungeregelten strafwürdigen Geschehnissen (z. B. Abschneiden vom Galgen) und bei Sonderfällen geregelter Tatbestände. Mit der Aufklärung wird die p. a. zurückgedrängt (z. B. Josephinisches Gesetz- buch 1787). Lit.: Schaffstein, F., Die europäische Strafrechtswissenschaft, 1954, 29; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000 Poena (F.) dupli (lat.) ist im römischen Recht die in bestimmten Fällen eintretende Verdoppelung einer Schuld (z. B. Leugnen bei Klage aus unerlaubter Handlung). Verschiedentlich greift späteres Recht hierauf zurück. Lit.: Köbler, DRG 27 poena (F.) extraordinaria (lat.) außerordentliche Strafe -> poena arbitraria Lit.: Söllner §§ 8; Kroeschell, DRG 3 poena (F.) ordinaria (lat.) ordentliche (gesetzlich festgelegte) Strafe Lit.: Kroeschell, DRG 3 Poenitentiale -> Paenitentiale Polen ist ein mitteleuropäischer, von Slawen gebildeter Staat zwischen Karpaten und Ostsee, dessen Anfänge um 960 sichtbar werden. Im 12. und 13. Jh. zerfällt P., das vor 1200 nur 584 wenige Urkunden überliefert (1189 erstes schriftliches Urteil) in mehrere Herzogtümer verschiedener Linien der Piasten. 1320 finden Großpolen (Posen, Kalisch, Gnesen) und Kleinpolen (Krakau, Sandomir) wieder zusammen, während Schlesien sich an Böhmen anschließt und Masowien (Warschau) bis 1526 selbständig bleibt. Im 14. Jh. erhält das Königreich P. ein Landrecht. 1386 folgt im Königtum der Familie der -> Piasten bis 1572 die der Jagiellonen (-> Litauen). 1772, 1793 und 1795 wird P. zwischen -> Russland, -> Preußen und -> Österreich aufgeteilt, im 19. Jh. (1807 Errichtung eines Herzogtums Warschau aus preußischen Gebieten durch Napoleon, das 1815 in veränderter Gestalt als Kongresspolen mit Russland in Personalunion vereinigt wird, Großherzogtum Posen Preußens, Republik Krakau) aber teilweise wiederhergestellt. Am 11. 11. 1918 wird das seine Unabhängigkeit ausrufende P. in eine Republik umgewandelt. Bis 1921 gewinnt es Westpreußen, Posen, Westfalen und russische Gebiete im Osten, bis 1923 das Wilnagebiet und Ostgalizien. 1939 wird P. zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion geteilt, 1945 aber unter Verschiebung nach Westen (1990 Oder/Neiße) und Entdeutschung erneuert. Seit 1. 5. 2004 ist Polen Mitgliedstaat der Europäischen Union.-> polnisches Recht Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 191, 223, 246; Beer, A., Die erste Teilung Polens, 1873; Lord, H., The Second Partition of Poland, 1916; Handelsman, M., Die mittelalterliche polnische Sozialgeschichte, 1920; Grünenthal, O., Das Statut von Wi¶lica in polnischer Fassung, 1925; Pta¹nik, J., Städte und Bürgerschaft im alten Polen, 1934 (polnisch); Schaeder, H., Geschichte der Pläne zur Teilung des alten polnischen Staates seit 1386, 1937; Wojciechowski, Z., L'état polonais au moyen-âge, 1949; Tischer, K., Das älteste polnische Gewohnheitsrechtsbuch, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Luciñski, J., (Die Entwicklung des Königsguts in Polen), 1970; Meyer, E., Grundzüge der Geschichte Polens, 3. A. 1990; Kossmann, O., Polen im Mittelalter, Bd. 1f. 1971ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,551, 3,2,2099,2111,2119,2805, 3,3,3506,3509,3745; Rhode, G., Geschichte Polens, 3. A. 1980; Jedruch, J., Constitutions, elections and legislatures of Poland 1493-1977, 1982; Ludwig, M., Besteuerung und Verpfändung königlicher Städte im spätmittelalterlichen Polen, 1984; Schnur, R., Einflüsse des deutschen und des österreichischen Rechts in Polen, 1985; Urban, T., Deutsche in Polen, 4. 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Wiss. 13 (1937); Schmidt, E., Die Justizpolitik Friedrichs 585 des Großen, 1962; Kunisch, J., Staatsverfassung und Mächtepolitik, 1979; Fricke, K., Politik und Justiz in der DDR, 1979; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1981; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984; Classen, C., Recht ­ Rhetorik - Politik, 1985; Karniel, J., Die Toleranzpolitik Kaiser Josephs II., 1986; Ribhegge, W., Konservative Politik in Deutschland, 1989; Lexikon der Politik, hg. v. Nöhlen, D. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Angermeier, H., Politik, Religion und Reich bei Kardinal Melchior Khlesl, ZRG GA 110 (1993), 249; Das Publikum politischer Theorie im 14. Jahrhundert, hg. v. Miethke, J., 1992; Althoff, G., Spielregeln der Politik im Mittelalter, 1997; Henning, O., Geschichte des politischen Denkens, 1998; Klassiker des politischen Denkens, hg. v. Maier, H. u. a., Bd. 1f. 2001; Bleek, W., Geschichte der Politikwissenschaft in Deutschland, 2001; Berg-Schlosser, D./Stammen, T., Einführung in die Politikwissenschaften, 7. A. 2003; Schultheiß-Heinz, S., Politik in der europäischen Publizistik, 2004; Geschichte des politischen Denkens, 2004; Porträtgalerie der politischen Denker, hg. v. Mayer-Tasch, P. u. a., 2004; Biographisches handbuch der deutschen Politik, hg. v. Jahn, B., 2004; Botsch, G., Politische Wissenschaft im zweiten Weltkrieg, 2005 Politische Justiz ist allgemein die nach politischen Gesichtspunkten handelnde, partei- politsch abhängige -> Justiz, im engeren Sinn die den Prozess zu politischen Zwecken missbrauchende Justiz. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz 1918-1933, 1966; Politische Strafjustiz 1951-1968, hg. v. Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 1998; Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000 Politische Klausel ist seit dem 19. Jh. die Klausel in Konkordat oder Kirchenvertrag, die es dem Staat ermöglicht, staatspolitische Einwendungen gegen einen von der Kirche für ein Führungsamt in Aussicht Genommenen zu erheben. Lit.: Weber, W., Die politische Klausel in den Konkordaten, 1940; Kaiser, J., Die politische Klausel der Konkordate, 1949; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 737; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983, 105 Politische Partei ist die auf Teilhabe an der -> Politik ausgerichtete -> Partei. Sie tritt in England seit 1832 deutlicher hervor (Carlton Club 1832, Reform Club 1836, Complete Suffrage Union 1865). Im -> Deutschen Bund erscheinen örtliche Vereinigungen zur Unterstützung von Kandidaten bereits vor 1848, doch zeigen sich fraktionsähnliche Clubs erst in der Frankfurter Paulskirchenver- sammlung von 1848 (Demokratische Linke, liberale Mitte, Konservative). Lit.: Bergsträsser, L./Mommsen, W., Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, 11. A. 1965; Seifert, K., Die politischen Parteien, 1975 politischer Prozess ist der zu politischen Zwecken missbrauchte Prozess. Er findet sich schon sehr früh an vielen Orten. Üblich wird die Benennung im 19. Jh. Lit.: Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz 1918- 1933, 1966; Jacta, M. [Schwinge, E.], Berühmte Strafprozesse, 1967ff.; Tolksdorf, M., Politische ,,Prozesse" der Merowinger, 1980 Polizei, Policey, ist im klassischen Sinn die Gesamtheit der auf Abwehr von Gefahren und Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerichteten Staatstätigkeit, im institutionellen Sinn die Gesamtheit der durch die im Vollzugsdienst beschäftigten Dienstkräfte ausgeführten Staatstätigkeiten. Um 1500 (1464) wird P. (Policey) als zu (griech. [F.]) politeia gebildetes Fremdwort (aus Frankreich [14. Jh., Übersetzung Aristoteles' durch Nicolas Oresme 1371], unmittelbare Übernahme in ordonnances des Königs) über die burgundische Kanzlei (?) in die deutsche Sprache eingeführt. Unter der guten Ordnung und P. ist dabei alle auf die Wahrung und Förderung des geordneten Zustandes des Gemeinwesens gerichtete, sich im Absolutismus erheblich verdichtende Staatstätigkeit zu verstehen. Darunter können die verschiedensten Angelegenheiten vereinigt werden. Allerdings engt sich bereits im 18. Jh. dieser Polizeibegriff wohl unter dem Einfluss des Physiokratismus institutionell auf eine Behörde und deren Mitglieder ein. Johann Stephan -> Pütter (1725-1807) beschränkt die Zuständigkeit der P. auf die Abwehr von Gefahren. Dem folgt das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II, 17 § 10). Dieser aufgeklärte Polizeibegriff wird in Preußen aber schon 1808 wieder aufgegeben. Dagegen erlassen Bayern (1861), Baden (1863) und Württemberg (1871) rechtsstaatlich geprägte Polizeistrafgesetzbücher. In Preußen spricht das Oberverwaltungsgericht 1882 im 586 sog. -> Kreuzbergurteil der P. die Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege, sofern nicht eine spezielle rechtliche Grundlage vorliegt, ab. Nach dem Polizeibeamtengesetz (1927), dem Polizeikostengesetz (1929) und dem Gesetz über die Aufhebung veralteter Polizei- und Strafgesetze von 1931 schafft Preußen am 31. 1. 1932 mit seinem Polizeiverwaltungsgesetz einen wichtigen einheitlichen modernen Baustein für deutsches Verwaltungsrecht. Im Dritten Reich dient die P. der Durchsetzung totalitärer Herrschaft. Nach 1945 wird unter dem Einfluss der alliierten Besatzungsmächte die innere Verwaltung entpolizeilicht und weitgehend neuen Ord- nungsbehörden übertragen. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 134, 151, 198, 203, 233, 234; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 875; Delamare, N., Traité de la police, 1705ff.; Westphal, E., Das deutsche Staatsrecht, 1784, 358; Berg, H. v., Handbuch des deutschen Polizeirechts, Bd. 1ff. 1799ff.; Mayer, H., Polizeigewalt in Hessen, 1951 (Diss.); Schmucker, H., Das Polizeiwesen im Herzogtum Württemberg, Diss. jur. Tübingen 1957; Knemeyer, F., Polizeibegriffe, Archiv f. öff. Recht 92 (1967), 153; Lieberich, H., Die Anfänge der Polizeigesetzgebung, FS M. Spindler, 1969, 307; Götz, V., Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1971; Schulze, R., Die Polizeigesetzgebung, 1978; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980, 98; Schulze, R., Policey und Gesetzgebungslehre im 18. Jahrhundert, 1982; Kroeschell, K., Justizsachen und Polizeisachen, FS H. Thieme, 1983; Preu, P., Polizeibegriff und Staatszwecklehre, 1983; Der ,,Polizeiverein" deutscher Staaten, hg. v. Siemann, W., 1983; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung. Die Anfänge der politischen Polizei 1806- 1866, 1985; Gessner, K., Geheime Feldpolizei, 1986; Harnischmacher, R./Semerak, A., Deutsche Polizeigeschichte, 1986; Naucke, W., Vom Vordringen des Polizeigedankens im Recht, FS A. Erler, 1986, 177; Schulze, R., Polizeirecht im 18. Jh., FS A. Erler, 1986, 199; Leßmann, P., Die preußische Schutzpolizei, 1989; Just, S., Polizeibegriff und Polizeirecht im National- sozialismus, Diss. jur. Würzburg 1990; Härter, K., Entwicklung und Funktion der Policeygesetzgebung, Ius commune 20 (1993), 61; Gebhardt, H., Die Grazer Polizei 1786-1850, 1992; Philipp, M., Das Regentenbuch des Mansfelder Kanzlers Georg Lauterbeck, 1996 (erste umfassende Lehre der guten policey); Policey in Europa, hg. v. Stolleis, M., 1996; Die deutsche Polizei und ihre Geschichte, hg. v. Nitschke, P., 1996; Durand, B., La notion de police en France, 1996; Wilhelm F., Die Polizei im NS-Staat, 1997; Hachenberg, K., Die Entwicklung der Polizei in Köln, 1997; Knöbl, W., Polizei und Herrschaft im Modernisierungsprozess, 1998; Banach, J., Heydrichs Elite, 3. A. 2002; Winter, M., Politikum Polizei, 1998; Kissling, P., ,,Gute Policey" im Berchtesgadener Land, 1999; Jäger, J., Die informelle Vernetzung politischer Polizei nach 1848, ZRG GA 116 (1999), 266; Matsumoto, N., Polizeibegriff im Umbruch, 1999; Wilhelm, F., Die Polizei im NS-Staat, 2. A. 1999; Stahlschmidt, J., Policey und Fürstenstaat, Diss. jur. Bochum 1999; Jäger, J., Die informelle Vernetzung politischer Polizei, ZRG 116 (1999), 266; Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft, hg. v. Härter, K., 2000; Landwehr, A., Policey im Alltag, 2000; Wüst, W., Die ,,gute" Policey im Reichskreis, Bd. 1ff. 2001ff.; Policey in lokalen Räumen. Ordnungskräfte und Sicherheitspersonal in Gemeinden und Territorien vom Spätmittelalter bis zum frühen 19. Jahrhundert, hg. v. Holenstein, André u. a., 2002; Wagner, P., Hitlers Kriminalisten, 2002; Gute Policey als Politik im 16. Jahrhundert, hg. v. Blickle, P. u. a., 2003; Naas, S., Die Entstehung des preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, 2003; Lindenberger, T., Volkspolizei, 2003; Holenstein, A., Gute Policey und lokale Gesellschaft, 2003; Iseli, A., Bonne police, 2003; Gut, F., Mit der Pranke und dem Zürcher Schild, 2003; Napoli, P., La naissance de la police moderne, 2003; Weinhauer, K., Schutzpolizei in der Bundesrepublik, 2003; Simon, T., Gute Policey, 2004; Eibich, S., Polizei, ,,Gemeinwohl" und Reaktion, 2004; Sälter, G., Polizei und soziale Ordnung in Paris, 2004; Schmelz, C., Die Entwicklung des Rechtswegestaates, 2004; Curilla, W., Die deutsche Ordnungspolizei und der Holocaust im Baltikum und in Weißrussland 1941-1944, 2005; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005; Schwegel, A., Der Polzeibegriff im NS-Staat, 2005; Möller, C., Medizinalpolizei, 2005 Polizeigesetzgebung -> Polizei, Polizeiordnung Polizeiordnung ist die in der frühen Neuzeit zur Wahrung der guten -> Polizei erlassene -> Ordnung. Sie findet sich in Ansätzen bereits in der spätmittelalterlichen Stadt (Nürnberg 1281). Durch sie sorgt die Obrigkeit für gute -> Ordnung und -> Polizei, sei es bewahrend, sei es gestaltend. Einer ihrer wichtigsten Gegenstände sind die Luxusverbote. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 113, 138, 139; 587 Segall, Geschichte und Strafrecht der Reichspolizeiordnungen, Diss. jur. Gießen 1914; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Quellen zur neueren deutschen Privatrechts- geschichte, Bd. 2 Landes- und Polizeiordnungen, hg. v. Schmelzeisen, G., 1968ff.; Dorf-Policey-Ordnung und Instruction für die Dorf-Scholzen für das Herzogthum Schlesien, hg. v. Wacke, G., 1971; Brauneder, W., Das Strafrecht in den österreichischen Polizeiordnungen, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 1; Buchholz, W., Anfänge der Sozialdisziplinierung, ZHF 18 (1991); Härter, K., Entwicklung und Funktion der Policeygesetzgebung, Ius commune 20 (1993), 61; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, hg. v. Härter, K. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Rigaudire, A., Les ordonnances de police, 1996; Weber, M., Die schlesischen Polizei- und Landesordnungen, 1996; Weber, M., Bereitwillig gelebte Sozialdisziplinierung, ZRG GA 115 (1998), 420; Linck, S., Der Ordnung verpflichtet, 2000; Weber, M., Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, 2002; Brück, A., Die Polizeiordnung Herzog Christians von Braunschweig-Lüneburg vom 6. Oktober 1618, 2003 Polizeirecht ist das die -> Polizei betreffende - > Recht. Lit.: Köbler, DRG 259; Berg, H. v., Handbuch des deutschen Polizeirechts, Bd. 1ff. 1799ff.; Schulze, R., Polizeirecht im 18. Jahrhundert, FS A. Erler, 1986, 199; Geschichte der deutschen Volkspolizei, 2. A. 1987; Hartleif, W., Das Polizeirecht in Düsseldorf, Diss. jur. Köln 1990; Just, S., Polizeibegriff und Polizeirecht im Nationalsozialismus, Diss. jur. Würzburg 1990; Popp, R., Disziplinierung durch Polizeirecht, Diss. jur. Regensburg 1995; Handbuch des Polizeirechts, hg. v. Lisken, H. u. a., 2. A. 1996; Weber, M., Bereitwillig gelebte Sozialdisziplinierung, ZRG GA 115 (1998), 420; Pauly, J., Die Entstehung des Polizeirechts als wissenschaftliche Disziplin, 2000 Polizeistaat ist in jeweils verschiedenem Sinn der von der -> Polizei geprägte Staat des aufgeklärten Absolutismus (Wohlfahrtsstaat) wie der totalitären Diktatur (Unrechtsstaat). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Vollmer, B., Volksopposition und Polizeistaat, 1957; Strafjustiz und Polizei im Dritten Reich, hg. v. Reifner, U. u. a., 1984; Gutmann, T., Paternalismus, ZRG GA 122 (2005) 150 Polizeiwissenschaft ist die in der späteren Aufklärung erwachsende Wissenschaft von der -> Polizei (bzw. Verwaltung). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Justi, J. v., Ausführliche Vorstellung der gesamten Polizeiwissenschaft, Bd. 1f. 1760f., Neudruck 1965; Pfeiffer, J. v., Polizeiwissenschaft, 1779, Neudruck 1970; Maier, H., Die ältere deutsche Verwaltungslehre (Polizeiwissenschaft), Politica 13 (1966) Pollock, Sir Frederick (1845-1937) wird nach dem Studium in Cambridge und der Rechtsausbildung in Lincoln's Inn 1871 Anwalt. 1876 veröffentlicht er (engl.) Principles of Contract (Vertragsgrundsätze). Von 1883 bis 1903 ist er Professor in Oxford und lehrt zeitweise auch an den Inns of Court und in Indien. 1895 verfasst er ein Kapitel von -> Maitlands History of English Law. Lit.: Simpson, A., Biographical Dictionary of the Common Law, 1984, 421 Polnisches Recht ist das in -> Polen geltende Recht. Es ist lange Zeit ein niemals vollständig aufgezeichnetes Gewohnheitsrecht (Landrecht), zu dem nur wenige privatrechtliche Gesetze (z. B. [lat.] Formula [F.] processus 1523, Hypothekengesetz 1588, Wechselgesetz 1775), aber mehrere partikulare Rechtsfestlegungen (z. B. Statuten Masowiens 1532, 1540, preußische Korrektur 1598, litauische Statuten 1529, 1566, 1588) kommen. Streitig ist dabei die Frage des Einflusses des -> deutschen Rechts. Jedenfalls in den Städten ist er nachweisbar (Magdeburger Recht, Neumarkter Recht, Kulmer Recht, Lübecker Recht). Im 16. Jh. stellt der Krakauer Jurist Bartholomäus Groicki aus dem heimischen, römischen und sächsischen Recht ein (lat.) ius (N.) municipale Polonicum (polnisches Stadtrecht) zusammen und bearbeitet 1559 die (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532) für Polen. 1772 wird Polen geteilt. Am 3. 5. 1791 gibt sich Polen ein grundlegendes Verfassungsgesetz, wird aber 1793 und 1795 zwischen Russland, Preußen und Österreich weiter aufgeteilt. 1807- 15 gilt im Herzogtum Warschau französisches Recht. Das 1818 geschaffene Strafgesetzbuch des Königreichs Polen folgt österreichischem Vorbild, das gleichzeitige Hypothekengesetz preußischem. 1847 wird das Strafgesetzbuch erneuert. Im Übrigen gelten die bisherigen Regeln fort. 1928 wird durch ein Straf- prozessgesetzbuch, 1930 durch ein Zivilpro- zessgesetzbuch, 1932 durch ein Strafgesetzbuch und 1933 durch ein Obliga- tionengesetzbuch und ein Handelsgesetzbuch das Recht vereinheitlicht und neu gestaltet. 588 1945/1946 wird das Privatrecht vereinheitlicht und 1964 in einem Zivilgesetzbuch sowie einem Familien- und Vormundschaftsgesetz- buch neu gefasst. Lit.: Kutrzeba, S., Geschichte der Quellen des alten polnischen Rechts, 1926 (polnisch); Koranyi, K., Podstawy ¶redniowiecznego prawa spadkowego (= Die Grundlagen des mittelalterlichen Erbrechts), 1930; Wojciechowski, Z., Das Ritterrecht in Polen, 1930; Matuszewski, J., Das älteste polnische Gewohnheits- rechtsbuch, 1959 (mitteldeutsch um 1300?); (Urteile der Obergerichte großpolnischer Städte aus dem 15. und 16. Jahrhundert), hg. v. Maisel, W., 1959; Bardach, J., Historia panstwa i prawa Polski, 2. A. 1964; Polish Law throughout the Ages, hg. v. Wagner, W., 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 2 1976, 3,2,1982; Bardach, J. u. a., Historia panstwa i prawa polskiego, 1976; Sporn T., Die Stadt zu polnischem Recht, 1978; Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. v. Willoweit, D./Schick, W., 1980; Maisel, W., Archelogia prawna Polski (Polnische Rechtsarchäologie), 1982; Sliwowski, J., Der Einfluss der Franziskana auf das erste polnische Strafgesetzbuch von 1818, ZRG GA 100 (1983), 284; Kren, J., Polnisches Recht und preußisches Recht, ZNR 1983, 147; Schnur, R., Einflüsse des deutschen und österreichischen Rechts in Polen, 1985; Ebel, F., Poloniae historia iuris ­ Neuere Literatur zur polnischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 105 (1988), 331; Matuszewski, J., Chan (der Adelserschleichung Überführter), 1991; Lityñski, A., Die Kodifikationskommission und ihre Arbeiten am Strafgesetzbuch der zweiten polnischen Republik, ZRG GA 112 (1995), 382; Najstarszy zwod prawa polskiego, hg. v. Matuszewski, J. u. a., 1995; Die polnische Verfassung vom 3. Mai 1791, hg. v. Reinalter, H., 1997; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 3, hg. v. Mohnhaupt, H., 1997 Polygamie ist die Mehrehe. Sie ist bei den Germanen zulässig. Das Christentum schließt sie aus. Lit.: Freisen, J., Geschichte des kanonischen Eherechts, 2. A. 1893, Neudruck 1963, 364; Joyce, G., Die christliche Ehe, 1934; Müller-Lindenlauf, H., Germanische und spätrömisch-christliche Eheauffassung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Mildenberger, G., Sozial- und Kulturgeschichte der Germanen, 1972, 63; Brundage, J., Law, Sex and Christian Society, 1987 Polyptychon (N.) vielfältiges (Verzeichnis z. B. St. Germain-des-Prés 825/828) Lit.: Das Polyptychon von Saint-Germain-des-Prés, hg. v. Hägermann, D., 1993; Elmshäuser, K./Hedwig, A,, Studien zum Polyptychon von Saint-Germain-des-Prés, 1993 Pommerellen Lit.: Kasiske, K., Das deutsche Siedelwerk des Mittelalters in Pommerellen, 1938 Pommern ist das beiderseits der Mündung der Oder in die Ostsee liegende, zu 1046 als P. benannte Gebiet, das nach Abzug der Germanen im 6./7. Jh. von -> Slawen besiedelt wird und in dem die Herrschaft der -> Greifen 1181 als Herzogtum des deutschen Reiches anerkannt wird. 1648 bzw. 1815 gelangt es an Brandenburg, 1945/1990 im östlichen Teil an Polen. Besonders bedeutsam sind dement- sprechend nacheinander lübisches, gemeines und preußisches Recht. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Pommern,, ZRG GA 9 (1888), 104; Linke, L., Die pommerschen Landesteilungen im 16. Jahrhundert, Diss. phil. Greifswald 1935, Dokumentation der Vertreibung der Deutschen, hg. v. Schieder, T., 1953f.; Grundriss der deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, hg. v. Hubatsch, W., 1975f.; Benl, R., Die Gestaltung der Bodenrechtsverhältnisse in Pommern, 1986; Buchholz, W., Öffentliche Finanzen und Finanzverwaltung, 1992; Pommern, hg. v. Lucht, D., 1995; Pommern, hg. v. Buchholz, W., 1999 Pomponius, Sextus (Mitte des 2. Jh.s n. Chr.) ist ein römischer, über seine 300 Bücher hinaus kaum bekannter Jurist. Drei Kommentare betreffen die Darstellung des römischen Rechts durch Mucius Scaevola (39 Bücher), durch -> Sabinus (35 bzw. 36 Bücher) und das -> Edikt. In dem auszugsweise in den -> Digesten überlieferten Einführungslehrbuch Enchiridion stellt P. kurz und klar die Geschichte der römischen Rechtsquellen bis zur eigenen Gegenwart, die römischen Ämter und die römischen Juristen bis Julian dar. Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 39; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 170; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 203 Pönformel ist eine in Urkunden des Mittelalters enthaltene Klausel, die nach antikem Vorbild einen Rechtsnachteil (Pön [lat. poena], meist Geldsumme) für den Fall des 589 Zuwiderhandelns (eines Dritten) festlegt. Lit.: Voltelini, H., Die Fluch- und Strafklauseln, MIÖG Ergänzungsband 11 (1929), 64; Studtmann, J., Die Pönformeln der mittelalterlichen Urkunden, AUF 12 (1932), 252 Pontes de Miranda, Francisco C. (1893-1979) wird nach dem Rechtsstudium in Recife in Brasilien Richter in Rio de Janeiro. In den 60 Bänden seines Tratado de Direito Privado (1954ff.) stellt er fast das gesamte, in erheblichem Umfang europäisch geprägte Recht Brasiliens dar. Lit.: Menezes, D., A Teoria cientifica do direito de Pontes de Miranda, 1934; En homenagem a Pontes de Miranda, 1988 pontifex (lat. [M.]) Brückenbauer, Priester Lit.: Söllner §§ 5, 6, 7, 9, 11, 14; Schieffer, R., Der Papst als pontifex maximus, ZRG KA 57 (1971), 300 Pontifikalien sind die Insignien des Bischofs (Mitra, Stab, Ring, Brustkreuz, Dalmatik, Tunika, Handschuhe, Sandalen). Sie stehen seit dem 14. Jh. im Wesentlichen fest. Ihr Gebrauch ist sorgfälig geregelt. Lit.: Wickham, L., Church Ornaments, 1917; Klauser, T., Der Ursprung der bischöflichen Insignien, 1960; Nabuco, J., Ius pontificalium, 1956 Populäre Rechtsliteratur ist der Name für die das römische Recht seit dem Spätmittelalter vereinfachend einführende Literatur (z. B. Übersetzungen [-> Murner 1519, -> Perneder 1544, Gobler -> 1551], Formelbücher oder Prozessschriften [-> Klagspiegel 1415, -> Laienspiegel 1495/1509]). Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, § 9 populus (lat. [M.]) Volk Lit.: Köbler, DRG 18, 36; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Millar, F., The Crowd in Rome, 1998 Pornographie ist die aufreizende Darstellung geschlechtlicher Erscheinungen. Lit.: Scholz, S., Die Entwicklung der österreichischen Pornographiegesetzgebung, 1999 Portalis, Jean-Etienne-Marie (1745-1807) wird nach dem Rechtsstudium Advokat in Aix-en- Provence. Seit 1794 kommt er im Zuge der französischen Revolution (1789) in hohe Ämter und wird 1804 in das Redaktionsgremium des - > Code civil berufen. Er setzt sich an vielen Stellen erfolgreich für die Lösungen des römischen Rechts ein. Lit.: Portalis, J., De l'usage et de l'abus de l'esprit philosophique, 1820; Lavollée, R., Portalis, 1869; Schimséwitsch, L., Portalis, 1936; Plesser, M., Jean Etienne Marie Portalis und der Code civil, 1997 Portugal (benannt nach dem porto [Hafen] von Cale) ist der südwesteuropäische Staat, dessen Gebiet nacheinander von Lusitaniern, Römern (139 v. Chr., 27 v. Chr. von [lat.] Hispania [F.] ulterior abgesonderte Provinz [lat.] Lusitania), Sweben/Westgoten (5. Jh.) und Arabern (712) beherrscht wird. Nach der Rückeroberung des Nordens erreicht die Grafschaft um Porto am Ende des 11. Jh.s (1095) weitgehende Unabhängigkeit von Leon und -> Kastilien. 1139 nimmt Alfons I. nach einem Sieg über die Araber (Mauren) den Königstitel an. Bis zur Mitte des 12. Jh.s wird die christliche Rückeroberung (1147 Lissabon) weitgehend, bis 1249 gänzlich abgeschlossen. Um die Wende vom 14. zum 15. Jh. wird im königlichen Auftrag mit der Zusammenstellung des Rechts begonnen (Livro das Leis e Posturas, Ordenaçes de D. Duarte, Ordenaçes Afonsinas [um 1454 bzw. 1446/1447], Ordenaçes Manuelinas 1512/1513 bzw. 1521). Seit dem 15. Jh. wird P. mit Unterstützung Englands Weltmacht, die 1494/1529 die Interessensphären mit -> Spanien aufteilen kann. Für kurze Zeit fällt P. dann an Spanien (1580/15811-1640). In dieser Zeit (1603 Ordenaçes Filipinas) werden Gesetze erneut gesammelt und 1769 in der Lei da Boa Razo aktualisiert. Im 19. Jh. wird unter dem Einfluss Frankreichs das Recht kodifiziert (Código comercial/Handelsgesetzbuch 1833 bzw. 1888, Codigo civil/Bürgerliches Gesetzbuch 1867, Código do processo civil/Zivilprozessordnung 1876, Código do processo comercia 1896, Código de fallncias 1897). 1910 wird Portugal Republik, steht aber lange Jahre unter diktatorischer Herrschaft. 1939 wird der (port.) Codigo do processo civil (Zivilprozessgesetzbuch) erneuert. Nach 1945 gehen die Kolonien verloren. 1965 wird ein neuer Codigo civil mit einem allgemeinen Teil nach deutschem Vorbild geschaffen. Seit 1. 1. 1986 ist P. Mitglied der Europäischen Gemeinschaft(en) bzw. der Europäischen 590 Union (1993). Lit.: Mera, M., O mais antigo morado de Portugal? 1921; Cabral de Moncada, L., A reserva hereditária, 1916f.; Cabral de Moncada, L., A ,,traditio" e a transferncia da propriedade imobiliária, 1921; Mera, P., Die Erforschung der nationalen Rechtsgeschichte in Portugal, Zeitschrift für vergleichende Rechtswis- senschaft 40 (1923), 339; Mayer, E., Historia de las instituciones sociales y politicas de Espaa y Portugal, Bd. 1f. 1925f.; Cabral de Moncada, L., O tempo o trastempo e a prescriço, 1929; Mera, P., Novos estudos de história do direito, 1937; Mera, P., Sôbre a palavra angueira, Biblos 16, 2 (1940); Mera, P., Sôbre as origens da terça, (um 1943); Mera, P./Giro, A., Territorios portugueses no século 11(, um 1950); Almeida Costa, M., Raízes do censo consignativo, 1961; Scholz, J., Literaturgeschichtliche und vergleichende Anmerkungen zur portugiesischen Rechtsprechung im ancien régime, Revista Portuguesa de historia 14 (1973), 95; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,55,242,896, 2,2,282,893,1319, 3,1,687, 3,2,2443, 3,3,3494,3743,3847,3921,4000,4131; Braga da Cruz, G., O direito subsidiário na história do direito portugus, Revista Portuguesa de História 14 (1974); Almeida Costa, M., Die Verträge über Rechte an Grund und Boden und das Wirtschaftsleben Portugals im Mittelalter, ZRG GA 95 (1978), 34; Thomashausen, A., Verfassung und Verfassungswirklichkeit im neuen Portugal, 1981f.; Julio de Almeida Costa, M., Historia do Direito Portugues, 1982; Albuquerque, M. de/Albuquerque, R. de, Historia do Direito Portugues, 1983; Espinosa Comes de Silva, N., Historia do Direito Portugues, 1985; Decker, G./Decker, A., Portugal, 2. A. 1992; Vones, L., Geschichte der iberischen Halbinsel, 1993; Sänger, R., Portugals langer Weg nach Europa, 1994; Fallstudien zur spanischen und portugiesischen Justiz, 15. bis 20. Jahrhundert, hg. v. Scholz, J., 1994; Auf dem Weg zu einem gemeineuropäischen Privatrecht, hg. v. Jayme, E. u. a., 1997; Oliveira Marques, A. de, Geschichte Portugals, 2000; Bernecker, W./Pietschmann, H., Geschichte Portugals, 2001; Oliveira Marques, A. de, Geschichte Portugals, 2001; Rechtsentwicklungen in Portugal, Brasilien und Mácau, hg. v. Jayme, E. u. a., 2002; Diccionario crítico de juristas espaoles, hg. v. Peáez, M. Bd. 1f. 2005ff. Posen an der mittleren Warthe erhält 1253 Magdeburger Stadtrecht und kommt 1793 an Preußen. Seit dem Übergang an Polen (1919) ist es Sitz einer Universität. Zwischen 1389 und 1419 verfasst der Stadtschreiber Heinrich von Peisern auf deutsch das in einer einzigen Handschrift überlieferte, in vier Bücher (Verfassung und Verfahren, Strafe, Erbe, Schulden und Familie) mit 163 Kapiteln bzw. fünf Bücher geteilte Rechtsbuch Posens nach Magdeburger Recht. Lit.: Friese, V., Zur Gründungsurkunde von Posen, ZRG GA 26 (1905), 91; Schmidt, E., Geschichte des Deutschtums im Lande Posen unter polnischer Herrschaft, 1904; Ereciñski, T., Das Gewerberecht der Stadt Posen im Mittelalter, 1934 (polnisch); Goerlitz, T., Das Rechtsbuch der Stadt Posen, ZRG GA 60 (1940), 143; Die Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, 1944; Maisel, W., S±downictwo miasta Poznania do koñca XVI wieku (Das Gerichtswesen der Stadt Posen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts), 1961. 413 (deutsche Zusammenfassung S. 351-358); Maisel, W., Poznañskie prawo karne do koñca XVI wieku (Das Posener Strafrecht bis zum Ende des 16. Jahrhunderts), 1963 (deutsche Zusammenfassung S. 315- 318); Poznañska ksiêga prawa Magdeburskiego i Mi¶nieñskiego (Das Posener Buch des Magdeburger und Meißner Rechts), hg. v. Maisel, W., 1964; Grundriss der deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, hg. v. Hubatsch, W., 1975f.; Wilkierze Poznañskie, hg. v. Maisel, W., Bd. 1ff. 1966ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 53 positio (lat.[F.]) Tatsachenbehauptung, Artikel (im gelehrten Prozess) Lit.: Köbler, DRG 117, 155 Positive Forderungsverletzung ist die seit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) anscheinend nicht unter Unmöglichkeit und Verzug fallende sonstige Pflichtverletzung des Schuldners. Seit 1902 (Staub) wird sie als besondere Leistungsstörung anerkannt. Lit.: Kaser §§ 33 III IV 3, 37 I, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 214; Harting, F., Die positiven Vertragsverletzungen, Diss. jur. Hamburg 1967; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Kotulla, M., Die historischen Voraussetzungen für die Entstehung des Rechtsinstituts der positiven Forderungsverletzung, ZRG GA 108 (1991), 358; Glöckner, H., Die positive Vertragsverletzung, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 155 Positives Recht ist das vom Menschen geschaffene Recht im Gegensatz zum -> Naturrecht. Lit.: Kroeschell, DRG 3 Positivismus ist die geistesgeschichtliche Strömung, welche die übernatürliche Erklärung der Welt durch die Theologie für ebenso unzutreffend hält wie die philosophische 591 Erklärung mit Hilfe von abstrakten Ideen. Entscheidend ist dieser von Auguste Comte (1798-1857, Discours sur l'esprit positif, 1844) begründeten Sicht die wissenschaftliche Zusammenfassung der tatsächlichen Erschei- nungen (des durch Beobachtung Erfahrbaren, Gegebenen, Wirklichen oder Positiven) in Gesetzen, durch die der Gesellschaft ein glückliches Leben gesichert werden soll. Dies wirkt sich im Recht durch die Suche nach einem System rein juristischer, positiver und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie der Geschichte) gelöster Begriffe aus, die im letzten Drittel des 19. Jh.s durch einen Gesetzespositivismus abgelöst wird. Umstritten ist die Bedeutung des P. für den Nationalsozialismus. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 179, 188, 228, 254; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. A. 1981; Oertzen, P. v., Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, 1974; Dilcher, G., Der rechtswissenschaftliche Positivismus, ARSP 61 (1975), 497; Tripp, D., Der Einfluss des naturwissenschaftlichen, philosophischen und historischen Positivismus, 1983; Rottleuthner, H., Rechtspositivismus und Nationalsozialismus, in: Recht und Politik, 1983, 195; Tripp, D., Der Einfluss des naturwissenschaftlichen, philosophischen und historischen Positivismus auf die deutsche Rechtslehre im 19. Jahrhundert, 1983; Fuchs-Heinritz, W., Auguste Comte, 1998; Repplinger, R., Auguste Comte und die Entstehung der Soziologie, 1999 Possessio (lat. [F.]) ist im römischen Recht der Besitz. Er nimmt seinen Ausgang davon, dass jemand ein der Allgemeinheit gehöriges Stück Land zu Gebrauch und Nutzen übernimmt. Seine Stellung wird durch -> Interdikte des Magistrats gesichert. Lit.: Kaser § 19; Köbler, DRG 2, 39, 162; Link, M., Possession, possessio und das Schicksal des Common Law, 2003 Possessio (F.) civilis (lat.) ist im klassischen römischen Recht der Besitz nach zivilem Recht, der seinen Ausgang von der tatsächlichen Herrschaft über eine Sache nimmt, die beim Herausgabeverfahren (Vindikation) auf Seiten des Gegners vorausgesetzt wird. Lit.: Kaser §§ 19 II, 25 II; Köbler, DRG 39 Possessio (F.) corporalis (lat.) ist im spätantiken römischen Recht der körperliche Besitz ohne den Willen, wie ihn der Eigentümer hat. Lit.: Kaser § 19 VI Possessio (F.) iuris (lat.) ist im späteren römischen Recht der Rechtsbesitz dessen, der einen (lat. [M.]) -> ususfructus oder eine Prädialservitut tatsächlich ausübt. Lit.: Kaser §§ 19 IV, 28 III, 29 I 5 Possessio (F.) triduana (lat.) ist im Frühmittelalter das dreitägige Haben einer Sache. Pößneck Lit.: Die Schöffenspruchsammlung der Stadt Pößneck, Bd. 1ff. 1957ff. Post ist die schriftliche Nachricht, die Beförderung von Menschen und Sachen sowie die dahinterstehende Organisation. Die P. ist schon dem Altertum bekannt, wenn auch nicht jedermann eröffnet. Erst im Spätmittelalter aber entwickelt sich die P. im modernen Sinn. Ihre erste feste Route (1490) betrifft die Verbindung von Innsbruck nach Brüssel (Mecheln). Zu deren Sicherung erteilt Kaiser Karl V. den von Taxis ein Monopol für eine allgemein zugängliche P. Seit dem Ende des 16. Jh.s beansprucht der Kaiser die P. als -> Regal, ohne das ausschließlich durchsetzen zu können. Demzufolge ist die P. im 19. Jh. nicht einheitlich. 1867 gelingt es Preußen, von dem Haus Thurn und Taxis das Postregal zu erwerben. 1871 wird das Postwesen in der Verfassung des Deutschen Reiches grundsätzlich geregelt. Am Ende des 20. Jh.s wird die Post (und Telekommunikation) unter dem Einfluss der Vereinigten Staaten von Amerika privatisiert. Lit.: Köbler, DRG 148, 233; Hudemann, E., Geschichte des römischen Postwesens, 2. A. 1878; Obmann, F., Die Anfänge des Postwesens und die Taxis, 1909.; Kießkalt, E., Die Entstehung der Post, 1930; Münkler, W., Entwicklungsgeschichte des Postregals in Hessen- Darmstadt, Diss. jur. Marburg 1973; Dallmeier, M., Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, 1987; Wyss, A., Die Post in der Schweiz, 1987; La circulation des nouvelles au moyen âge, 1994; Krauß, M., Das kursächsische Postrecht, 1998; Lotz, W., Die Deutsche Reichspost 1933-1945, 1999; Ueberschär, G., Die Deutsche Reichspost 1933-1945, 1999; Kolb, A., Transport und Nachrichtentransfer im römischen Reich, 2001; Klaes, S., Die Post im Rheinland, 2001; Hesse, J., 592 Im Netz der Kommunikation, 2001; Die deutsche Reichspost 1933-1945, bearb. v. Lotz, W., 2002; Behringer, W., Im Zeichen des Merkur, 2003 Postgeheimnis ist die den Befördernden obliegende Geheimhaltungspflicht der in der -> Post enthaltenen Nachrichten. Die Frage des Postgeheimnisses wird vereinzelt schon früh gesehen. 1690 wird die Unverletzlichkeit auf allen Postwegen im Reich garantiert. 1848 wird das P. in die Verfasssung einbezogen. 1919 wird dies durch die Weimarer Reichsver- fassung wiederholt. Lit.: Bohley, E., Die Verletzung des Post-, Telegraphen- und Fernmeldegeheimnisses, Diss. jur. Frankfurt am Main 1927; Schötz, H., Die Verletzung des Postgeheimnisses durch Beamte, Diss. jur. Erlangen 1933; Melzer, W., Das Post- und Fernmeldegeheimnis, 1971 Postglossator ist der dem -> Glossator zeitlich folgende spätmittelalterliche Jurist. -> Konsiliator, Kommentator Lit.: Söllner §§ 2, 25; Kroeschell, DRG 2; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 6ff., 2. A. 1850f.; Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Fränkel, R., Zur Zessionslehre der Glossatoren und Postglossatoren, ZHR 66 (1910), 305; Stampe, E., Das Zahlkraftrecht der Postglossatorenzeit, 1928 Postliminium (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Rückkehr in den früheren Rechtszustand nach Ende der Kriegsgefangen- schaft. Lit.: Kaser §§ 15 II 2, 26 I 1, 58 VII 1b Postregal -> Post Lit.: Waitz, W., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, 1939 Postumus (lat. [M.]) (, posthumus) ist der nach dem Tod des Vaters Geborene. Er wird, soweit dies seinem Vorteil dient, während der Schwangerschaft als bereits geboren betrachtet (lat. -> nasciturus pro iam nato habetur). Lit.: Kaser §§ 13 II 1, 66 I 1, 68 III 3, 69 II 3 Postwertzeichen ist das dem Nachweis der Entrichtung der Beförderungsgebühr dienende Wertzeichen. Es erscheint in Ansätzen in Paris seit 1653, danach in England 1840 sowie im Deutschen Bund in Bayern am 1. 11. 1849. Lit.: Kohler, J., Die Briefmarke im Recht, Archiv f. bürgerl. Recht 6 (1892), 316; Andrae, W., Die privatrechtliche Natur der Briefmarke, Diss. jur. Jena 1933; Müller, W., Die Briefmarke, Diss. jur. Erlangen 1958 potens (lat.) mächtig potestas (lat. [F.]) Gewalt, Macht Pothier, Robert-Joseph (Orléans 9. 1. 1699­2. 3. 1772) Präsidialgerichtsratssohn, wird nach dem Rechtsstudium 1720 Präsidialgerichtsrat in Orléans, 1743 Rat der Domänenkammer, 1746 Magistratsbeamter und 1749 Professor für französisches Recht in Orléans. Von -> Domat beeinflusst fasst er als Vertreter der -> eleganten Jurisprudenz des späten -> usus modernus pandectarum in den Pandectae Justineanae (1748) die römischen Digesten zu einem systematisch neugeordneten kurzen Werk zusammen. Danach stellt er die 1740 von ihm erstmals herausgegebene Coutume dÓrléans dem römischen Recht gegenüber (1760). Schließlich veröffentlicht er Abhandlungen zum Zivilrecht (z. B. traité des obligations 1761) und zum Prozessrecht, mit denen er die Systematik und das Schuldrecht des Code civil (1804) und damit die Rechtseinheit Frankreichs vorbereitet. Lit.: Fenet, P., Pothier analysé, 1826; Arnaud, A., Les origines doctrinales, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; König, H., Pothier und das römische Recht, 1971; Zimmermann, R., Der Einfluss Pothiers auf das römisch- holländische Recht in Südafrika, ZRG GA 102 (1985), 168 Potsdam an der Havel wird 993 urkundlich erwähnt. Das Edikt von P. vom 8. 11. 1685 gewährt französischen Hugenotten Aufnahme in Preußen. Das Potsdamer Abkommen vom 2. 8. 1945 erfasst Beschlüsse der (zunächst 3) Alliierten über die Zukunft des besiegten Deutschen Reiches. Lit.: Übersicht über die Bestände des brandenburgischen Landeshauptarchivs Potsdam, Teil 1f., bearb. v. Beck, F. u. a., 1964ff.; Meissner, B./Veiter, T., Das Potsdamer Abkommen, 1986; Hahn, P., Geschichte Potsdams, 2003 Pound, Roscoe (1870-1964) wird nach dem Studium von Botanik und Rechtswissenschaft in Harvard Anwalt, 1899 Assistant Professor in Nebraska, danach Professor in Nebraska, an der Northwestern University (1907), Chicago (1909) und in Harvard (1919). Er ist der führende Vertreter der (engl.) -> sociological jurisprudence mit dem Ziel, das Recht als (engl.) social engineering (gesellschaftliche Verbesserungstätigkeit) zu verstehen. Ihm 593 zufolge müssen Gesetzgeber wie Richter stets die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen ihres Handelns beachten. Lit.: Sayre, P., The Life of Roscoe Pound, 1948; Fikentscher, W., Roscoe Pound, FS K. Larenz, 1973, 93 Präambel (F.) Vorspruch Lit.: Dietze, H., Der Gesetzesvorspruch, 1939; Papenheim, A., Präambeln in der deutschen Verfassungsgeschichte, Diss. jur. Münster 1998 Practica nova imperialis Saconica rerum criminalium - > Carpzov praebenda (lat. [N.Pl. bzw. später F.]) Pfründe Praeceptio Chlotharii II. ist das Kapitular des merowingischen Königs Chlothar II. (584­629) von etwa 600 (616?, 617?, 586-600), das sich mit Verfahren, Erbe, Ehe, Ersitzung sowie Kirche befasst. Lit.: Boretius, A., Capitularia regum Francorum, Bd. 1 1883, Neudruck 1969, 18; Kocher, G., Das Pariser Edikt, 1976; Esders, S., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997 praeda Lit.: Redlich, Fritz, De praeda militari, 1956 praefectus (M.) praetorio (lat.) Prätorianer- präfekt Lit.: Kaser § 87 I 2; Söllner 14, 16, 17; Köbler, DRG 55 praefectus (M.) urbi (lat.) Stadtpräfekt Lit.: Kaser § 87 I 2, II 2; Söllner §§ 14, 17; Köbler, DRG 55 praeiudicium (lat. [N.]) Vorentscheidung, Vorbescheid Lit.: Kaser §§ 60 I 4, 83 II 10 praes (lat. [M.]) Bürge Lit.: Kaser §§ 7 III, 1, 57 II 1 praescriptio (lat. [F.]) Vorschrift, Vor- schreibung Lit.: Kaser §§ 4 II 2, 25 IV 1, 83 II 12, 87 praeses (lat. [M.]) Vorsitzender praestare (lat.) leisten Lit.: Kaser § 34 I 1; Köbler, DRG 43 praesumptio, praesumtio (lat. [F.]) Vermutung Lit.: Kaser §§ 84 I 1, 87 II 6; Köbler, DRG 29 praesumptio (F.) Muciana (lat.) -> Vermu- tung des -> Mucius Lit.: Kaser § 59 I 3; Köbler, DRG 29 Praetor (lat. [M.]) ist im altrömischen Recht der beim Sturz des Königs 509 v. Chr. diesem folgende höchste römische Amtsträger, der 367 v. Chr. die Zuständigkeit für die Streitverfahren errringt. 242 v. Chr. wird eine zweite Prätorenstelle geschaffen, zu der später weitere Provinzpräturen hinzukommen. An der Wende des 2. zum 1. Jh. v. Chr. werden die Prätoren an die Stadt Rom gebunden. Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 80 II 3; Köbler, DRG 18, 31, 32; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kunkel, W./Wittmann, R., Die Magistratur, 1995; Brennan, T., The Praetorship in the Roman Republic, 2000 Praetor (M.) peregrinus (lat.) ist im klassischen römischen Recht der seit 242 v. Chr. (Eroberung Siziliens) für Streitigkeiten mit einem Fremden (lat. [M.] peregrinus) zuständige -> praetor. Lit.: Kaser § 80 II; Söllner §§ 6, 9; Köbler, DRG 32; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 Praetor (M.) urbanus (lat.) ist der seit der Aufteilung der Prätur 242 v. Chr. für Streitigkeiten römischer Bürger untereinander zuständige -> praetor. Lit.: Kaser § 80 II 3a, 4a; Söllner §§ 6, 9, 15; Köbler, DRG 18, 32; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 Präfekt Lit.: Eckhardt, K., Präfekt und Burggraf, ZRG GA 46 (1926), 163 Präfektur ist der in Anlehnung an den römischen (lat. [M.]) praefectus geschaffene Zuständigkeitsbereich eines Amtsträgers, wobei in der Spätantike das römische Reich in vier Präfekturen mit je einem Prätorianer- präfekten geteilt ist. Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 52; Claude, D., Niedergang, Renaissance und Ende der Präfekturverwaltung, ZRG, GA 114 (1997), 352 Prag an der Moldau entsteht (als Burg) vermutlich im späten 9. Jh. 973 wird es Sitz eines Bistums, das Karl IV. 1344 zum Erzbistum erheben lässt. Um 1235 ist die vorstädtische Zeit abgeschlossen. 1348 richtet er in P. eine Universität ein (, aus der 1881/1882 je eine deutsche Universität und eine böhmische Universität werden). 1918 wird die auch wegen der beiden Prager Fensterstürze vom 30. 6. 1419 und 23. 5. 1618 bekannte Stadt, deren einzelne Teile erst 1781 rechtlich zusammengefasst werden, Hauptstadt der -> Tschechoslowakei bzw. 1993 der Tschechei. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 100; Tomek, W., Geschichte der Stadt Prag, Bd. 1. 1857, Neudruck 1972; Zycha, A., Prag, 1912; Weizsäcker, W., Die Altstadt Prag und das Nürnberger Recht, ZRG GA 594 60 (1940), 117; Schlüter, O., Prag, 5. A. 1943; Dejiny Prahy, hg. v. Janácek, J., 1964; Fiala, Z., Die Anfänge Prags, 1967; Seibt, F., Von Prag bis Rostock, FS W. Schlesinger, Bd. 1 1973, 406; Die Universität zu Prag, 1986; Mezník, J., Praha pred husitskou revolucí, 1990; Oberkofler, G., Die Vertreter des römischen Rechts, 1991; Nebor, L./Rohan, B., Prag, 1993; Fuchs, M., Die Prager Rechtsfakultät, Monatshefte für osteurop. Recht 1998, 3, 167; Universitäten in nationaler Konkurrenz, hg. v. Lemberg, H., 2003 Prägestätte ist der Ort, an dem eine -> Münze hergestellt wird (z. B. für die Deutsche Mark A Berlin, D München, E Muldenhütten, F Stuttgart, G Karlsruhe, J Hamburg). Lit.: Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte, 1975 Pragmatische Sanktion (lat. sanctio [F.] pragmatica) ist allgemein das bedeutende kaiserliche Gesetz. In der pragmatischen Sanktion von Bourges (1438, aufgehoben 1461) führt König Karl VII. von Frankreich Teile der Beschlüsse des Konzils von Basel durch Gesetz in Frankreich ein. 1549 gestaltet Karl V. in einer pragmatischen Sanktion die Erbfolge für das burgundisch-niederländische Erbe. Am 19. 4. 1713 erlässt Karl VI. ein Hausgesetz der Habsburger als p. S. Dieses geht von der Unteilbarkeit und Untrennbarkeit der habsburgischen Länder aus. Weiter bestimmt es die -> Primogenitur im männlichen und hilfsweise weiblichen Stamm sowie den Vorrang der ehelichen Söhne und Töchter Karls VI. vor den ehelichen Söhnen und Töchtern Josephs I. Seit 1720 wird die p. S. den Ständen der habsburgischen Länder, danach europäischen Staaten und 1732 dem Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) zur Billigung vorgelegt. Ihre Geltung endet 1918. Lit.: Köbler, DRG 131; Baltl/Kocher; Mommsen, T., Sanctio pragmatica, ZRG RA 25 (1904), 51; Valois, N., Histoire de la Pragmatique Sanction de Bourges, 1906; Die pragmatische Sanktion, hg. v. Turba, G., 1913; Michael, W., Das Original der pragmatischen Sanktion Karls VI., 1929 (SB Wien); Schönbauer, E., Die pragmatische Sanktion, Forschungen und Fortschritte 35 (1961), 179; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1979 Präjudiz ist das Vorurteil oder die Vorentscheidung. Insbesondere in einem richterlichen Fallrecht (z. B. England) ist das P. außerordentlich bedeutsam ([lat.] stare decisis, bei Entschiedenem bleiben). In der Rechts- wirklichkeit halten sich aber auch sonst Untergerichte regelmäßig an die vorliegenden Entscheidungen von Obergerichten. Lit.: Esser, J., Grundsatz und Norm, 1956, 73ff.; Cross, R., Precedent in English Law, 2. A. 1968; Dawson, J., The Oracles of Law, 1968; Schlüter, W., Das obiter dictum, 1973; Weller, H., Die Bedeutung der Präjudizien, 1979 Prälat ist im katholischen Kirchenrecht der hohe kirchliche Amtsträger, der kraft seines Amtes Leitungsgewalt hat oder aus anderen Gründen den Titel P. ehrenhalber führt (z. B. Erzbischof, Bischof, Abt). Der P. zählt im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) teilweise zu Kurfürsten und Reichsfürsten, in den Ländern zu den Landständen. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 111, 149; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Aulinger, R., Das Bild des Reichstages im 16. Jahrhundert, 1980, 106 Prälatenbank ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das Kollegium der nichtfürstlichen Geistlichen im Reichstag und Kreistag und die Gesamtheit der Geistlichkeit im Landtag. Lit.: Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968 Prälegat Lit.: Wimmer, M., Das Prälegat, 2004 Prämonstratenser ist der Angehörige des von Norbert von Xanten in Prémontré bei Laon 1120 begründeten -> Ordens, der 1122 in Cappenberg seine erste deutsche Niederlassung errichtet. Lit.: Winter, F., Die Praemonstratenser, 1865; Grassl, B., Der Praemonstratenserorden, 1934; Horstkötter, L., Der heilige Norbert und die Praemonstratenser, 1974; Gehle, B., Die Praemonstratenser in Köln, 1978; Backmund, N., Geschichte des Prämonstratenserordens, 1986; Penth, S., Prämonstratenser und Staufer, 2003 Pranger ist im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit eine Einrichtung (z. B. Halseisen, Schandpfahl), mit deren Hilfe ein Mensch wegen eines Verstoßes öffentlich zur Schau gestellt werden kann (Ehrenstrafe). Der P. ist seit dem 13. Jh. unter verschiedenen Namen und in verschiedenen Formen bezeugt. Vielleicht stammt er aus dem kirchlichen Bereich. Verwendet wird er bei Friedensbruch, (kleinem) Diebstahl, Betrug, Lästerung, 595 Unzucht, Beleidigung, falschem Maß und Gewicht usw. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119; Wielandt, F., Pranger und Prangerstrafe in Konstanz, ZRG GA 54 (1934), 253; Bader-Weiß, G./Bader, K., Der Pranger, 1935; Hefele, F., Vom Pranger, Schau-ins-Land 62 (1935), 56; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Horna, R., Pranýø, 1941 (tschechisch); Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege, 1946; Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur. Erlangen 1949; Carlen, L., Der Pranger im Wallis, ZRG GA 73 (1956), 396; Horna, R., Der Pranger in der Tschechoslowakei, 1965; Maisel, W., Der Pranger in Posen, ZRG GA 93 (1976), 340; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Präsentationsrecht ist das Recht, einen Kandidaten für ein Amt vorzuschlagen. Lit.: Kroeschell, DRG 2 Präsidialsystem ist das politische System, in dem ein Präsident die wesentlichen Entscheidungen trifft, wobei er sich auch eines Präsidialkabinetts oder einer Präsidialregierung bedienen kann. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Gessner, D., Agrardepression und Präsidialregierung in Deutschland 1930-1933, 1978 Prätor -> praetor Prävention (F.) Zuvorkommen, Verhütung Precaria (lat. [F.]) ist im Frühmittelalter die Leihe von Grundstücken. Sie gewährt dem Leihenehmer ein Nutzungsrecht und dem Leihegeber eine Gegenleistung (Abgabe, Dienst). Sie kann frei widerruflich, auf Zeit vereinbart oder vererblich sein. Das Leihegut kann vom Leihenehmer stammen (sog. precaria oblata), vom Leihegeber (sog. precaria data) oder zu je einem Teil von beiden (sog. precaria remuneratoria). Ein Zusammenhang mit dem (lat. [N.]) -> precarium ist unsicher. Lit.: Hübner 348; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 91; Haff, K., Die königlichen Prekarien im Capitulare Ambrosianum, ZRG GA 33 (1912), 453; Levy, E., Vom römischen precarium zur germanischen Landleihe, ZRG RA 66 (1948), 1; Voltelini, H., Precaria und Benefizium, VSWG 16 (1922), 259 precaria (F.) data (lat.) gegebene -> precaria precaria (F.) oblata (lat.) empfangene -> precaria precaria (F.) remuneratoria (lat.) belohnte -> precaria precario ([lat.] durch Bittleihe) -> Interdikt Precarium (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Bittleihe. Das p. betrifft die Leihe einer beweglichen oder unbeweglichen Sache zu Gebrauch oder Nutzung unter der Möglichkeit des jederzeitigen freien Widerrufs des Gebers. Dritten gegenüber ist der Empfänger durch ein Interdikt geschützt. Das p. ist grundsätzlich unentgeltlich. Ein Zusammenhang mit der (lat. [F.]) -> precaria ist unsicher. Lit.: Kaser §§ 19 II 2, 19 IV 2, 39 II, 42 II 6; Köbler, DRG 40, 63, 64; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956, 264; Kaser, M., Zur Geschichte des precarium, ZRG RA 89 (1972), 45 Preis ist der Gegenwert für die Erlangung einer Leistung, insbesondere für den Verkauf einer Ware, der nach (bereits seit Plato) umstrittener Ansicht auch gerechter P. sein soll. -> iustum pretium Lit.: Kaser § 41; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 240; Crebert, H., Künstliche Preissteigerung durch Für- und Aufkauf, 1916; Trusen, W., Äquivalenzprinzip und gerechter Preis, FS G. Küchenhoff, 1967, 247; Welti, M., Der gerechte Preis, ZRG GA 113 (1996), 424 Preisbindung ist die Bindung der Verkäufer bestimmter Waren an einheitliche Festpreise. Sie wird in verschiedenen Zeiten versucht (Spätantike, Spätmittelalter, Merkantilismus, 20. Jh. [10. 4. 1948]). Das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 7. 1957 erlaubt die vertikale Preisbindung für Markenartikel, Verlagserzeugnisse und land- wirtschaftliche Erzeugnis. 1973 wird sie grundsätzlich aufgegeben, für Bücher aber beibehalten. Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Kelter, E., Die obrigkeitliche Preisregelung, 1935; Bog, I., Der Reichsmerkantilismus, 1959; Aubin, H./Zorn, W., Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1 1971, 486 Premis (Bremse) ist die von dem magdeburgischen Bürger Hermann von Oesfeld um 1350 verfasste, handschriftlich seit 1408 belegte kurze Anweisung, wie man vor Gericht den Gegner zu eindeutigen Erklärungen veranlassen kann. -> Cautela Lit.: Oppitz, K., Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66 Premysl -> Przemyslide Presbyter (Älterer) ist in den Anfängen des Christentums der Angehörige eines kollegialen Gemeindeleitungsorganes. Später setzt sich der Bischof als Erstverantwortlicher durch, doch 596 bilden Bischof und P. (-> Priester) gemeinsam ein Presbyterium. Die Weihe zum P. ist eine besondere kirchenrechtliche Handlung. In der protestantischen Kirche ist P. ein von der Gemeinde in den Gemeindekirchenrat gewählter Vertreter. Lit.: Campenhausen, H. v., Kirchliches Amt, 2. A. 1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Pressburg (Bratislava), nördlich von Wien, wird nach der Neugründung um die Jahrtausendwende von -> Bayern besiedelt. Nach der 1217 erfolgten Verleihung des Stadtrechts wird es 1405 Freistadt Ungarns. Etwa zu dieser Zeit entwickelt sich ein besonderes Grund- und Satzbuch in P. (1439). Zwischen 1467 und 1471 hat P. eine juristische Fakultät an der 1467 bis 1490 bestehenden, danach wegen fehlender materieller Grundlagen verfallenden Universität. Von 1526 bis 1784 ist P. Hauptstadt des habsburgischen Ungarn. Am 26. 12. 1805 verliert Österreich im Frieden von P. für kurze Zeit große Gebiete. 1918 fällt P. an die Tschechoslowakei. 1919 wird P. Sitz einer Universität, 1993 Hauptstadt der Slowakei, mit der es 2004 in die Europäische Union gelangt. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kovats, F., Pressburger Grundbuchführung, ZRG GA 39 (1918), 45, 40 (1919), 70; Oer, R. Freiin v., Der Friede von Pressburg, 1965; Städte im Donauraum, hg. v. Marsina, R., 1993 Presse ist seit dem Anfang des 16. Jh.s die Druckmaschine und dem folgend seit der Mitte des 16. Jh.s die Gesamtheit der zur Verbreitung geeigneten und bestimmten Druckerzeugnisse (1650 Leipziger Einkommende Zeitungen sechsmal wöchentlich). Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 899; Groth, O., Die unerkannte Kulturmacht, Bd. 1ff. 1960ff.; Rohls, J., Der Begriff der Presse, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über den Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970; Eisenhardt, U., Der Deutsche Bund und das badische Pressegesetz von 1832, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1980; Fischer, H., Handbuch der politischen Presse in Deutschland, 1981; Knüpfer, V., Presse und Liberalismus in Sachsen, 1996; Kurzweg, M., Presse zwischen Staat und Gesellschaft, 1999; Stöber, R., Deutsche Pressegeschichte, 2000; Pressewesen der Aufklärung, hg. v. Doering-Manteuffel, S. u. a., 2001; Spiegel, S., Pressepolitik und Presspolizei in Bayern, 2001; Unter Druck gesetzt, hg. v. Wilke, J., 2002 Pressefreiheit ist die Freiheit der Verbreitung von Meinungen, Nachrichten, Mitteilungen und sonstigem Gedankengut durch Druckerzeug- nisse. Ihr geht die von der Kirche nach Erfindung des Buchdruckes (in Mainz 1485 und) allgemein 1487 den Bischöfen übertragene Vorzensur voraus, in deren Gefolge es der Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) den Reichsfürsten 1530 zur Pflicht macht, den Druck und die Verbreitung von Neuem in Sachen des Glaubens zu verhindern. Demgegenüber beseitigt England 1695 die -> Zensur (Licensing Act von 1662). 1776 verlangen die Virginia Bill of Rights und 1789 die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich, einige deutsche Landesver- fassungen (Nassau 1814, Sachsen-Weimar- Eisenach 1816, Bayern 1818) und 1848 die Frankfurter Paulskirchenverfassung P. (Pressfreiheit). Seitdem wird die P. durch politische Beeinflussung und mehrfach durch Gesetz eingeschränkt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 171, 193; Krempel, O. Das Zensurrecht, Diss. jur. Würzburg 1921; Scheuner, U., Pressefreiheit, 1965; Czajka, D., Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, 1968; Eisenhardt, U., Die Garantie der Pressefreiheit in der Bundesakte von 1815, Der Staat 10 (1971), 339; Schwab, D., Pressefreiheit als Menschenrecht, FS W. Mallmann, 1978, 245; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981, 205; Kaller, P., Druckprivileg und Urheberrecht, 1992; Mann, R., Die Garantie der Pressefreiheit, 1993; Schroeder-Angermund, C., Von der Zensur zur Pressefreiheit, 1993; Westerkamp, D., Pressefreiheit und Zensur im Sachsen des Vormärz, Diss. jur. Hagen 1999; Blumenauer, E., Journalismus zwischen Pressefreiheit und Zensur, 2000; Spiegel, S., Pressepolitik und Presspolizei in Bayern, 2001; Rumphorst, R., Journalisten und Richter, 2001; Arnold, M., Pressefreiheit und Zensur im Baden des Vormärz, 2003 Presserecht ist die Gesamtheit der die -> Presse betreffenden Rechtssätze. Damit beginnt das P. in der Kirche bereits seit 1485, im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) mit einem Edikt Karls V. von 1521. Mit dem 18. Jh. verlagert sich das Schwergewicht von den religiösen Schriften auf die politischen Schriften (z. B. 1715). Allerdings ist das P. 597 partikular unterschiedlich. Einheitlich bleibt es aber bis 1848 im Großen und Ganzen bei einem Pressepolizeirecht. Eine freiheitliche Regelung bringt erst das Pressegesetz Badens vom 28. 12. 1831 (bis 5. 7. 1832) und 1. 3. 1848 bzw. 10. 4. 1849, in dem jede Zensur beseitigt ist. Am 17. 5. 1874 schafft das Deutsche Reich ein einheitliches Reichspressgesetz, das seit 1949 durch Landespressegesetze ersetzt wird. Lit.: Mannheim, H., Preßrecht, 1927; Löffler, M./Ricker, R., Handbuch des Presserechts, 1978; Dunkhase, D., Das Pressegeheimnis, 1998; Olechowski, T., Die Entwicklung des Pressrechts in Österreich bis 1918, 2004 pretium (lat. [N.]) Preis, -> iustum p. Preuß, Hugo (Berlin 28. 10. 1860-9. 10. 1925), wohlhabender Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin und Heidelberg Privatgelehrter und Politiker, 1906 Professor an der Handelshochschule in Berlin. 1918 beruft ihn der die Geschäfte des Reichskanzlers ausführende Vorsitzende der Sozialdemo- kratischen Partei (Ebert) als Innenminister und beauftragt ihn mit dem Entwurf einer -> Verfassung. Lit.: Köbler, DRG 227, 230; Schmoller, G., W. Rathenau und H. Preuß, 1920; Feder, E., Hugo Preuß, 1926; Schmitt, C., Hugo Preuß, 1930; Gillessen, G., Hugo Preuß, 1955, Neudruck 2000; Grassmann, S., Hugo Preuß und die deutsche Selbstverwaltung, 1965; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 428; Faatz, A., Hugo Preuß, Diss. jur. Trier 1999; Immel, J., Hugo Preuß und die Weimarer Reichsverfassung, 2002 Preußen ist zunächst das nach den baltischen Pruzzen (um 965 Brus) bezeichnete Gebiet zwischen Weichselmündung und Memelmün- dung. Über den die -> Ostsiedlung betreiben- den -> Deutschen Orden gelangt P., dessen Gewohnheitsrecht (lat. Jura Prutenorum) ein Unbekannter um 1340 auf Deutsch aufzeichnet und das am 8. 4. 1525 zum weltlichen Herzogtum (unter Lehnshoheit Polens) wird,, 1618 in Personalunion an Brandenburg. 1620 erhält es auf Grund eines Entwurfes des Königsberger Professors Levin Buchius' ein vereinheitlichtes Landrecht. 1701 wird es als einziges voll souveränes Land der Kurfürsten von Brandenburg zur Keimzelle des Königreichs P., in dem der Kurfürst sich selbst zum König in P. krönt. Im 18. Jh. wird P. vor allem unter Friedrich dem Großen europäische Großmacht. 1794 kodifiziert (dieses vor allem Brandenburg fortsetzende) P. sein Recht im -> Allgemeinen Landrecht. Im 19. Jh. ringt es mit Österreich im -> Deutschen Bund um den Vorrang. 1867 schafft es den -> Norddeutschen Bund, dem 1871 das zweite -> Deutsche Reich folgt. In ihm hat P. eine dominierende Stellung. 1920 wird es Freistaat. Mit Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrates vom 25. 2. 1947 wird es wegen seiner durch die beiden Weltkriege bezeugten Gefährlichkeit unter Aufteilung seiner Gebiete auf zum Teil neue Länder als Staat aufgelöst. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 93, 131, 132, 140, 149, 155, 169, 170, 171, 172, 186, 193, 206, 211, 232, 245, 256; Voigt, J., Geschichte Preußens, 1827ff., Neudruck 1968; Codex diplomaticus Prussicus, Bd. 1ff., 1826ff.; Ranke, L. v., Zwölf Bücher preußischer Geschichte, 2. A. 1874ff.; Neues preußisches Urkundenbuch, 1882ff.; Bornhak, C., Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, 1903, Neudruck 1979; Die preußischen Landeskulturgesetze, hg. v. 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Barmeyer, H., 2002; Päsler, R., Deutschsprachige Sachliteratur im Preußenland bis 1500, 2003; Dierk, W., Preußische Heeresreformen 1807-1870, 2003; Kittstein, L., Politik im Zeitalter der Revolution, 2003; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Kotulla, M., Das konstitutionelle Verfassungswerk Preußens, 2003; Preußen in Ostmitteleuropa, hg. v. Weber, Matthias, 2003; Neugebauer, W., Geschichte Preußens, 2004; Kulturgeschichte Preußens königlich polnischen Anteils, hg. v. Beckmann, S. u. a., 2005; Haas, S., Die Kultur der Verwaltung, 2005 Priester ist allgemein der mit der Vornahme kultischer Handlungen besonders betraute 599 Mensch. -> Presbyter Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 14; Schröder, R., Gesetzessprecheramt und Priestertum bei den Germanen, ZRG GA 4 (1883), 215; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Groenbech, W., Kultur und Religion der Germanen, Bd. 1f. 9. A. 1980; Köbler, G., Ewart. Ein Beitrag zur Lehre vom altgermanischen Priesteramt, ZRG KA 89 (1972), 306; Zollitsch, R., Amt und Funktion des Priesters, 1974; Godding, R., Prtres en Gaule mérovingienne, 2001; Stepper, R., Augustus et sacerdos, 2003 Priesterweihe ist im katholischen Kirchenrecht das Sakrament, in dem in einer rituellen Handlung der Bischof einem Menschen den Heiligen Geist und die Befähigung zur Vornahme heiliger Handlungen (amtliche Verkündigung des Wortes Gottes, Spendung von Sakramenten, unterstützende Leitung des Volk Gottes) vermittelt. Die P. kann nur einem Mann gespendet werden, der dafür geeignet, befähigt und vorgebildet ist, vorher die Diakonatsweihe erhalten hat und sich zu einem ehelosen Leben verpflichtet. Die P. unterscheidet den Amtsträger wesentlich vom einfachen Gläubigen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hinschius, P., System des katholischen Kirchenrechts, Bd. 1 1869, 1; Müller, H., Zum Verhältnis zwischen Episkopat und Presbyterat, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Primas (Oberbischof) ist der hervorragende Bischof (z. B. Karthago 4. Jh., Thessaloniki, Arles 5. Jh., Toledo, Pisa, Canterbury, York, St. Andrews, Armagh, Reims, Rouen, Lyon, Narbonne, Bourges, Vienne, Lund, Gnesen, Gran, Prag, Mainz, Trier, Köln, Hamburg, Bremen, Magdeburg, Salzburg, Tarragona, Mecheln, Warschau 19. Jh.), seit 1971 nur noch der Papst. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Primogenitur (Erstgeburt, Erstgeburtsrecht) (Ansätze in Flandern, Brabant, Savoyen 1252, Henneberg 1310, Hessen 1311, Katzenelnbogen 1331, Bayern 1341, Holland 1347, Braunschweig 1351, Württemberg 1361, Lippe 1368, Hanau 1375, Baden 1380) Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982 Princeps (lat. [M.]) ist im klassischen römischen Recht der von Augustus (63 v. Chr.- 14 n. Chr.) angenommene Titel und im germanisch-deutschen Bereich der Erste, Große oder Fürst. Lit.: Söllner § 14; Köbler, DRG 29, 30, 69, 71, 83, 311; Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Koller, H., Die Bedeutung des Titels ,,princeps" in der Reichskanzlei, MIÖG 68 (1960), 75; Bleicken, J., Prinzipat und Dominat, 1978 Princeps legibus solutus est (lat.) ist die lateinische Formulierung des Satzes, dass der Fürst nicht an die Gesetze gebunden ist. In Rom gibt es eine Freistellung von Gesetzen bereits in vorchristlicher Zeit. In Digesten 1. 3. 31 wird die auf Ulpian zurückgeführte Formel princeps legibus solutus von Justinian übernommen. Kaiser Friedrich II. greift hierauf 1245 wieder zurück. Dem folgen Rudolf von Habsburg 1282 oder der König von Frankreich, so dass -> Baldus den König im Königreich dem Kaiser gleichstellen kann. In der frühen Neuzeit ist die Bedeutung umstritten. Teils hält man im Anschluss an Jean -> Bodin (1576) an der Formel fest, teils schwächt sich ihre Geltungskraft unter dem Einfluss von Jacques Cujas und danach der Aufklärung ab. Im 19. Jh. wird der Herrscher an die Gesetze gebunden (Bayern 1818, Württemberg 1819, Preußen 1850). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Wyduckel, D., Princeps legibus solutus, 1979; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Vespasian, 69-79, Ulpian, um 170-223, Digesten 1, 3, 31) Prinz (M.) Fürstensohn, Prinz, Fürst Prinzeps -> princeps, Prinzipat Prinzgemahl Lit.: Rassow, P., Der Prinzgemahl, 1950 Prinzipalkommissar ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der seit dem 15. Jh. erscheinende Vertreter des Kaisers auf dem Reichstag seit der Einrichtung des immerwährenden (ständig tagenden) Reichstages in Regensburg (1663). Lit.: Moser, J., Deutsches Staatsrecht, Bd. 44 1751, 145; Bussi, E., Il diritto pubblico del Sacro romano impero, Bd. 2 1959, 9 Prinzipat ist im römischen Recht die Herrschaft des princeps (Augustus 27 v. Chr.- 14 n. Chr.) vom Ende der Republik bis zum Übergang zum Dominat. Lit.: Söllner §§ 14, 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 25ff.; Köbler, DRG 32; Schönbauer, E., Wesen und Ursprung des römischen Prinzipats, ZRG RA 47 (1927), 600 264; Kornemann, Doppelprinzipat und Reichsteilung, 1930; Nörr, D., Imperium und Polis, 2. A. 1969; Volkmann, H., Zur Rechtsprechung im Prinzipat des Augustus, 2. A. 1969; Prinzipat und Kultur, hg. v. Kühnert, B. u. a., 1995 Prinzregent ist der regierende -> Prinz. Lit.: Schamari, H., Kirche und Staat, Bd. 1f. 1983 Prior (M.) Stellvertreter, Abt Prior tempore potior iure (lat.). Wer zuerst kommt, hat das bessere Recht. Lit.: Kaser § 31 III 3; Wacke, A., Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, JA 1981, 94; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Prise Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur. Fankfurt am Main 1970 Pristavel (M.) slawischer Ortsvorsteher, Fischereiaufseher (1375-1907) Lit.: Vogel, W., Der Verbleib der wendischen Bevölkerung, 1960, 83 Privatautonomie ist der Grundsatz, dass der Einzelne berechtigt ist, seine Lebensverhältnisse im Rahmen der Rechts- ordnung eigenverantwortlich zu gestalten. Die P. ist der Ausgangspunkt menschlichen Lebens. Sie wird mit zunehmender Verstaatlichung eingeschränkt und deswegen in der Aufklärung als allgemeiner Grundsatz (lat. autonomia [F.] privata) hervorgehoben und vom Liberalismus betont. Lit.: Köbler, DRG 214, 270; Püls, J., Parteiautonomie, 1995 Privatfürstenrecht ist das den Fürsten als Privatperson betreffende Recht, das nach älteren Ansätzen bei Grotius und Pufendorf im 18. Jh. als eigenes Rechtsgebiet erkannt wird. Es betrifft vor allem Erbrecht und Familienrecht, nach 1806 die Standesherren. Es endet in Deutschland mit dem Übergang zur Republik (Art. 109 II WRV). Lit.: Struve, B., Jurisprudentiae heroicae, Bd. 1ff. 1743ff.; Mayer, C., Allgemeine Einleitung ins Privatfürstenrecht, 1783; Rehm, H., Modernes Fürstenrecht, 1904; Albers, B., Begriff und Wirklichkeit des Privatfürstenrechts, 2001; Mizia, R., Der Rechtsbegriff der Autonomie und die Begründung des Privatfürstenrechts, 1995 Privatgerichtsbarkeit ist die Gerichtsbarkeit im grundherrschaftlichen Hofgericht, Märker- ding, Niedergericht und Patrimonialgericht. Sie endet spätestens 1877/1879. Privatrecht ist die Gesamtheit aller Rechtssätze, bei denen Berechtigter oder Verpflichteter nicht ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt in seiner Eigenschaft als solcher ist. Ein (lat.) -> ius (N.) privatum (privates Recht) unterscheidet bereits das römische Recht. Zu einer Herausbildung eines besonderen (lat.) ius (N.) publicum (öffentlichen Rechts) kommt es danach erst seit dem 16. Jh. Eine grundsätzliche Trennung zwischen öffentlichem Recht und P. erfolgt im 18. und 19. Jh. Sachlich zählen zum P. Personenrecht, Schuldrecht, Sachenrecht, Erbrecht und Familienrecht sowie Handelsrecht und (teilweise) Arbeitsrecht. Geprägt ist das P. besonders durch die Aufnahme römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter. Lit.: Kaser § 3 II; Söllner § 18; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 1, 8, 54, 159, 184, 189; Eichhorn, H., Einleitung in das deutsche Privatrecht, 5. A. 1845; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1910ff., Neudruck 1963; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, 1953; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Kaser, M., Römisches Privatrecht, 1960, Kaser, M./Knütel, R., Römisches Privatrecht, 18. A. 2005; Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius commune 1 (1967), 195; Nolte, J., Burchard Wilhelm Pfeiffer, 1969; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Steindl, H., Zur Genese des Privatrechts als ,,allgemeinem Wirtschaftsrecht", in: FG H. Coing, 1982, 349; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux du 12e au 18e sicle, 1987; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 8. A. 1996; Schröder, J., Privatrecht und öffentliches Recht, FS J. Gernhuber, 1993, 961; Kocher, G., Privatrechtsentwicklung und Rechtswissenschaft, 1997; Auf dem Wege zu einem gemeineuropäischen Privatrecht, hg. v. Jayme, E. u. a., 1997; Wolf, W., Vom alten zum neuen Privatrecht, 1998; Das Öffentliche und Private in der Vormoderne, hg. v. Melville, G., 1998; Repgen, T., Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 2001; Hamza, G., Die Entwicklung des Gelöscht: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; 601 Privatrechts auf römischrechtlicher Grundlage, 2003 Privatrechtsgeschichte ist die Geschichte des - > Privatrechts. Sie wird als P. der Neuzeit 1935 besonders eingerichtet. Sie ist Teil der umfassenden -> Rechtsgeschichte. Lit.: Quellen zur neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands, hg. v. Beyerle, F. u. a., 1936ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte (begründet vo. Molitor, Erich 1949), 2. A. 1975, 2. A. 1979, 3. A. 1979, 4. A. 1982, 5. A. 1985, 6. A. 1988, 7. A. 1993, 8. A. 1996, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Gmür, R., Über das Coingsche Handbuch, ZRG GA 102 (1985), 283; Ourliac, P./Gazzaniga, J., Histoire du droit privé, 1985; Floßmann, U., Österreichische Privatrechtsgeschichte, 5. A. 2005; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Kocher, G., Privatrechtsentwicklung, 2. A. 1997; Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 2. A. 2002 Privatrechtssystem ist die Erfassung des Privatrechts in einem System. Ein solches P. ist dem römischen Recht höchstens in Ansätzen bekannt (z. B. -> Gaius) und auch dem Mittelalter fremd. Erst die Naturrechtslehrer des 17. Jh.s versuchen, (lat.) more geometrico (in geometrischer Art) ein P. zu entwickeln (-> Grotius, -> Pufendorf, -> Wolff, -> Nettelbladt), auf dessen Grundlage Kodifikationen geschaffen werden. Im 19. Jh. entstehen zeitgebundene geschlossene Systeme des Privatrechts (-> Savigny, -> Puchta, -> Gerber). Lit.: Coing, H., Bemerkungen zum überkommenen Zivilrechtssystem, FS H. Dölle Bd. 1 1963, 25; Luig, K., Die Theorie der Gestaltung eines nationalen Privatrechtssystems, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 217; Leiser, W., Schichtspezifisches Privatrecht, ZRG GA 93 (1976), 1; Schlosser, H., Das wissenschaftliche Prinzip der germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491; Otte, G., Der sog. Mos geometricus in der Jurisprudenz, Quaderni Fiorentini 8 (1979), 179; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung der Allgemeinen Lehren des deutschen Privatrechts, 1980; Moos, P. v., Öffentlich und privat im Mittelalter, 2004 Privatstrafe ist die privat verhängte Strafe. Sie kommt dem Verletzten zugute oder wird von ihm vollzogen. Die P. wird mit der Verstaatlichung des gesellschaftlichen Lebens durch die öffentliche Strafe abgelöst. Lit.: Levy, E., Privatstrafe und Schadensersatz im klassischen römischen Recht, 1915; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe in der mittelalterlichen Rechtstheorie, 1955; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe vom Mittelalter bis zum BGB, 1970; Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004 Privaturkunde ist für das Mittelalter die nicht von Kaiser, König oder Papst ausgestellte Urkunde, im heutigen Verständnis die von einer nicht hoheitlich tätigen Person ausgestellte Urkunde. Nach Brunner ist im Frühmittelalter (lat. [F.]) notitia die schlichte, objektiv gehaltene Beweisurkunde, (lat. [F.]) carta die dispositive, subjektiv gehaltene Konstitutivurkunde. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 4; Brunner, H., Carta und notitia, FS T. Mommsen 1877, 570; Posse, O., Die Lehre von den Privaturkunden, 1887, Neudruck 1974; Redlich, O., Die Privaturkunden des Mittelalters, 1911, Neudruck 1969; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1967; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977 Privileg ist das einem oder mehreren Einzelnen von einem Zuständigen im Gegensatz zur Allgemeinheit eingeräumte Vorrecht. Im altrömischen Recht ist (lat. [N.]) privilegium das Sondergesetz für den einzelnen dadurch nicht benachteiligten Menschen, später das Sonderrecht zugunsten bestimmter Menschen- gruppen. Im Mittelalter ist P. die begünstigende, als ausschließlich behauptete Herrschaftsrechte gewissermaßen weiterrei- chende Herrschaftshandlung zugunsten eines Einzelnen, die meist in einer Urkunde festgehalten wird (z. B. etwa 900 Königs- urkunden zur Immunität, 1400 Königsurkunden zur Gerichtsbarkeit). Die Gewährung eines Privilegs verändert Recht zugunsten des Empfängers. Seit dem 12. Jh. führt man die Befugnis zur Privilegierung auf die Gesetzgebungszuständigkeit zurück. In der französischen Revolution (1789) werden in Frankreich alle Privilegien beseitigt. Im 602 Übrigen wird das P. im 19. Jh. durch den -> Gleichheitsgrundsatz eingeschränkt. Diese Entwicklung verstärkt sich im 20. Jh. noch Lit.: Kaser § 3 VI; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 102, 104, 114, 153, 167; Lindner, D., Die Lehre vom Privileg, 1917; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988, 39; Mohnhaupt, H., Untersuchungen zum Verhältnis Privileg und Kodifikation, Ius commune 5 (1975), 71; Krause, H., Der Widerruf von Privilegien im frühen Mittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 118; Eisenhardt, U., Die kaiserlichen privilegia de non appellando, 1980; Schulze, R., Geschichte der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 185; Österreichische Fabriksprivilegien, hg. v. Otruba, G. 1981; Diestelkamp, B., Einige Beobachtungen zur Geschichte des Gesetzes, ZHF 1983, 396; Dölemeyer, B., Vom Privileg zum Gesetz, Ius commune 15 (1988), 57; Lucha, G., Kanzleischriftgut, 1993; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1995; Das Privileg im europäischen Vergleich, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., Bd. 1f. 1997ff.; Lieb, T., Privileg und Verwaltungsakt, 2004 privilegium (N.) de non appellando (lat.) Privileg des Ausschlusses der -> Appellation an die Reichsgerichtsbarkeit (bis zur Mitte des 15. Jh.s im weitem Umfang erteilt) Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3 privilegium (N.) de non evocando (lat.) Privileg des Ausschlusses der Ansichziehung (Evokation) eines Rechtsstreites seitens des Königs (bis 1487 bedeutsam) privilegium (N.) dotis (lat.) Vorrecht der Mitgift nach römisch-gemeinem Recht Lit.: Kaser § 31 III 3; Hübner 413, 689 privilegium (N.) impressorium (lat.) Druckprivileg Privilegium (N.) maius (lat.) sind die 1358/1359 unter Herzog Rudolf IV. von -> Österreich hergestellten, fünf falschen Urkunden, in denen zwecks Gleichstellung mit den Kurfürsten und Benachteiligung der Brüder vom Fälscher Österreich bzw. seinem Herrscher zahlreiche Rechte gewährt werden (Erhebung zum Pfalzerzherzog, Unteilbarkeit, Ältestenerbrecht [des Sohnes und hilfsweise der Tochter], Belehnung in Österreich, Ausschließung des königlichen Hofgerichts, Beschränkung der Heerfolge auf eine symbolische Handlung, Beseitigung der Hoffahrtspflicht). Das auch für die zukünftig beherrschten Länder Österreichs gelten wollende (gefälschte) p. m wird von Kaiser Karl IV. nicht anerkannt. Die Anerkennung erfolgt aber unter den Habsburgern Friedrich III. (1442, 1453), Karl V. (1530) und Karl VI. (1729). Im 19. Jh. wird die plumpe Fälschung entlarvt und als p. m. (1852) bezeichnet. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 95, 111; Baltl/Kocher; Erben, W., Das Privilegium Friedrichs I. für das Herzogtum Österreich, 1902; Lhotsky, A., Privilegium maius, 1957; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A. 1977; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 3 1988, 201 Privilegium (N.) minus (lat.) ist das am 17. 9. 1156 von -> Friedrich I. Barbarossa dem Babenberger Heinrich Jasomirgott erteilte, seit 1852 als p. m. bezeichnete Privileg. Es beruht darauf, dass der nach dem Tod des aus Sachsen kommenden Kaisers Lothar von Süpplin- genburg 1138 als Enkel Kaiser Heinrichs IV. zum König gewählte -> Staufer Konrad III. dem unterlegenen, mit einer Tochter Lothars verheirateten Mitbewerber Heinrich dem Stolzen aus der Familie der -> Welfen aus machtpolitischen Überlegungen das Herzogtum Bayern mit der Begründung entzieht, dass niemand gleichzeitig Herzog in zwei Herzogtümern sein könne, und es seinem Stiefbruder Leopold IV. aus der Familie der -> Babenberger als dem Markgrafen der Markgrafschaft -> Österreich zuteilt, Friedrich I. aber als Nachfolger Konrads III. den gegen den Entzug aufbegehrenden, inzwischen mündig gewordenen welfischen Vetter -> Heinrich den Löwen zufriedenstellen will. Zu diesem Zweck gewährt er trotz Widerspruchs des Babenbergers Heinrich Jasomirgott 1154 Bayern den Welfen zurück, löst hieraus aber 1156 Österreich als selbständiges, territorial (nicht völlig klar) gekennzeichnetes -> Herzogtum heraus. Der neue Herzog und seine Gattin werden gemeinsam belehnt. Es wird ihnen und ihren Nachfolgern die Erblichkeit im männlichen und im weiblichen Stamm (Weiberlehen) zugesichert. Bei Kinderlosigkeit sollen der belehnte Herzog und seine Gattin das Recht (lat. [N.] ius) haben, den Nachfolger frei zu bestimmen (lat. [Gen. Sg.] affectandi). Ohne Zustimmung des Herzogs soll niemand eine Gerichtsbarkeit im neuen Herzogtum ausüben. Die Pflicht des Herzogs, zu Hoftagen zu erscheinen, wird auf Hoftage in Bayern und die 603 Pflicht zur Heerfolge auf Kriegszüge in benachbarten Ländern des Herzogtums beschränkt. Die notwendigen lehnrechtlichen Handlungen werden feierlich vollzogen (Rückgabe von sieben Fahnen für Bayern und Österreich durch Heinrich Jasomirgott an Friedrich I., Hingabe dieser sieben Fahnen durch Friedrich I. an Heinrich den Löwen, Rückgabe von zwei Fahnen durch Heinrich den Löwen an Friedrich I., Erhebung Österreichs zum Herzogtum, Überreichung zweier dies versinnbildlichender Fahnen durch Friedrich I. an Heinrich Jasomirgott). Vom p. m. ist das Original nicht erhalten, da es vermutlich 1358/1359 bei der Erstellung des gefälschten privilegium maius durch Herzog Rudolf IV. vernichtet wird. Erhalten ist eine Abschrift der Mitte des 13. Jh.s aus Klosterneuburg. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher; Tangl, M., Die Echtheit des österreichischenj Privilegium minus, ZRG 25 (1904), 258; Schrader, E., Zur Gerichtsbestimmung des Privilegium minus, ZRG GA 69 (1952), 371; Fichtenau, H., Von der Mark zum Herzogtum. 1958; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A.1977 Privilegium (N.) Ottonianum (lat.) ist das in einer gleichzeitigen Prunkausfertigung erhaltene, die Rechte des Papstes einschließlich der karolingischen Schenkungen und der Vereinbarungen über die Papstwahl bestätigende Privileg Kaiser Ottos I. für Papst Johannes XII. Lit.: Sickel, T., Das Privilegium Ottos I., 1983; Zimmermann, H., Das dunkle Jahrhundert, 1971, 134 probatio (lat. [F.]) Beweis proceres (lat. [M.Pl.]) Vornehme, Große Proculus (20/10 v. Chr.-50/70 n. Chr.) ist ein römischer Jurist, der seit 33 n. Chr. Haupt der nach ihm benannten Rechtsschule ist, zu der -> Labeo filius und -> Nerva pater zählen und der die Rechtsschule des -> Sabinus gegenübersteht. Sein wichtigstes Werk sind (lat. [F.Pl.]) epistulae in wohl 12 Büchern. Daneben wird er von vielen bekannten Juristen zitiert. Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 123; Krampe, C., Proculi Epistulae, 1970 Procurator (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Prozessvertreter oder Verwalter. Lit.: Kaser §§ 11 II 1b, 20 I 1, 44 II 1, 49 II 4, 82 IV; Köbler, DRG 33, 44, 47, 57; Köbler, LAW Prodigus (lat. [M.]) ist bereits im altrömischen Recht der vom Magistrat durch Interdiktion entmündigte Verschwender, für den ein (lat. [M.]) curator (Pfleger) treuhänderisch handelt. Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Köbler, DRG 22 Produkthaftung ist die in Deutschland ab 1. 1. 1990 geltende, durch eine Richtlinie der -> Europäischen Gemeinschaft veranlasste -> Gefährdungshaftung des Herstellers eines Produktes. Sie steht neben der von der Rechtsprechung entwickelten Produzentenhaftung, ohne sie verdrängen zu können. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 271; Bartl, H., Produkthaftung nach neuen EG-Recht, 1989; Honsell, H., Produkthaftungsgesetz und allgemeine Deliktshaftung, JuS 1995, 211 Produzentenhaftung ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s von der Rechtsprechung nach amerikanischem sowie französischem Vorbild entwickelte deliktische Haftung (Verschuldenshaftung) des Produzenten für von seinen Erzeugnissen verursachten Schaden (vgl. BGHZ 51, 91 Hühnerpest). Für bestimmte Pflichtverletzungen besteht dabei eine Verschuldensvermutung, wodurch die Bejahung von Schadensersatzansprüchen erleichert wird. Seit 1990 ist die P. durch eine Produkthaftung ergänzt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 271 Profess (lat. professio [F.] religiosa) ist die Ablegung des Ordensgelübdes (Armut, Keuschheit, Gehorsam). Bestimmte kirchenrechtliche Wirkungen (z. B. Erwerbs- unfähigkeit, Ehehindernis, Erbunfähigkeit) treten seit dem 18./19. Jh. nach weltlichem Recht nicht mehr ein. Lit.: Hübner 57; Martin, A., Die Bedeutung des Ordensgelübdes, 1924; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 professio (F.) iuris (lat.) Bekenntnis zu einem für den Bekennenden anwendbaren Recht (vor allem zu einem -> Volksrecht im Frühmittel- alter) Lit.: Calasso, F., Medio evo del diritto, 1954, 117f., 186, 259 Professor ist seit dem Hochmittelalter (13. Jh.) vor allem der Universitätslehrer. Dabei ist in der Rechtswissenschaft im 15. Jh. noch der erste Dekretalist der vornehmste Rechtslehrer, 604 in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s dagegen der Lehrer des weltlichen Codex. Die Versorgung erfolgt noch im 15. Jh. überwiegend durch Benefizien (Pfründen). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 143, 186; Schwarz, A., Der Einfluss der Professoren auf die Rechtsentwicklung, in: Rechtsgeschichte und Gegenwart, 1960, 181; Ebel, W., Catalogus professorum Gottingensium 1734-1962, 1962; Pick, E., Die Professoren des Rechts, FS O. v. Mühl, 1981, 509; Belloni, A., Professori giuristi a Padova, 1986; Geschichte der Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1 1993, 139; Schmeiser, M., Akademischer Hasard, 1994; Baumgarten, M., Professoren und Universitäten, 1997; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001; Irrgang, S., Peregrinatio academica, 2002 Profos (zu lat. [M.] praepositus) Ankläger im Heer, Vollstreckungsbediensteter Pro herede gestio (lat [F.]) ist im klassischen römischen Recht das Verhalten wie ein Erbe, durch das die Außenerben die Erbschaft annehmen. Lit.: Kaser § 71 II 2a; Köbler, DRG 38 Prokulianer -> Proculus Prokura ist die seit der Neuzeit vom Inhaber eines Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen Vertreter erteilte besondere Ver- tretungsmacht. Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913 Prokurator (lat. [M.] procurator) ist der Vertreter einer Partei in einem gerichtlichen Verfahren bezüglich der formgerechten Vornahme der Prozesshandlungen vor Gericht. Der vom Advokaten geschiedene P. ist dem römischen Recht wie dem kirchlichen Recht bekannt. Beim Reichskammergericht wird nach 1521 die Trennung beseitigt. Allgemein wird sie in Deutschland 1877/1879 aufgegeben. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 43, 117, 153; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 119; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 156, 453; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 161, 207, 211, 217; Baumann, A., Das Reichskammergericht in Wetzlar, ZRG GA 115 (1998), 498; Baumann, A., Anwälte am Reichskammerericht, 2001 Proletariat (N.) besitzlose Klasse Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 17, 177; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984 promissio (lat. [F.]) Versprechen Promotion (F.) Vorwärtsbewegung, Qualifika- tionsverfahren zum Erwerb des Doktorgrads Lit.: Münch, I. v., Promotion, 2. A. 2003 Promptuarium (N.) iuris (lat.) ist das alphabetisch geordnete, 1408 bis 1422 von Ulrich von Albeck verfasste Rechtslexikon, dessen Handschrift in Graz liegt. Lit.: Pfaff, I., Das promptuarium iuris des Reichskanzlers und Bischofs Ulrich von Albeck, ZRG RA 42 (1921), 158 Property Acts (1922-5) sind neun das Sachenrecht betreffende Einzelgesetze des -> englischen Rechts. Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 proprietas (lat. [F.]) Eigentum Lit.: Kaser § 22 II 2; Köbler, DRG 60, 124; Köbler, G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1 Propst ist im frühmittelalterlichen Kloster der dem Abt folgende Vorgesetzte, der teils vom -> Prior verdrängt wird, teils das Amt des -> Archidiakons erlangt. In der evangelischen Kirche lebt der P. bis zur Gegenwart fort. Lit.: Merzbacher, F., Johann von Allendorf, 1955; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Rauch, G., Pröpste, Propstei und Stift von S. Bartholomäus in Frankfurt, 1975 proscriptio (lat. [F.]) Ächtung Prostitution (F.) ist die gewerbsmäßige Hingabe des Körpers zu geschlechtlichen Zwecken. Sie findet sich als naheliegende Folge bereits bei den monogamen Kulturvölkern des Altertums. Vom Christentum wird die P. bekämpft und zurückgedrängt. Mit der Geldwirtschaft entstehen in den mittelalterlichen Städten Frauenhäuser, in denen die P. erlaubt ist. Im 19. Jh. setzt sich der Grundsatz der Gewerbefreiheit auch für die P. durch. 1927 wird in Deutschland ein Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten eingeführt. Bestimmte Formen der Förderung der P. sind strafbar. Am Beginn des 21. Jahrhunderts wird in Deutschland (2001) die P. legalisiert. Lit.: Dufour, F., Weltgeschichte der Prostitution, 1905; Schuster, B., Die unendlichen Frauen, 1996; Stumpp, B., Prostitution in der römischen Antike, 1998; Falck, U., VEB Bordell, 1998; Gleß, S., Die Reglementierung von Prostitution, 1999; Stumpp, E., Prostitution in der römischen Antike, 2001; Malkmus, K., Prostitution in Recht und Gesellschaft, 2005 Protektorat ist seit dem 19. Jh. die Formatiert: Schriftart: 12 pt 605 Schutzherrschaft eines Staates oder mehrerer Staaten über einen Staat bzw. dessen Gebiet (z. B. 1806 Rheinbund, 1815 Republik Krakau, 1881 Tunesien, 1912 Marokko, 1914 Ägypten). Lit.: Kienz., J., Die Staatenverbindungen, 1929, 288; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994 Protest ist allgemein die Rechtsverwahrung, die bis zu einem Akt politischer Opposition reichen kann (Hannover 1837). Im Wechselrecht ist P. seit der frühen Neuzeit die öffentliche Beurkundung der Verweigerung der Annahme oder Zahlung bei Vorlage bestimmter Wertpapiere. Lit.: Kück, H., Die ,,Göttinger Sieben", 1934; Becker, H., Protestatio, Protest, ZHF 5 (1978), 385; Ehls, M., Protest und Propaganda, 1997 Protestant ist allgemein der Protestierende, insbesondere der gegen die kaiserliche Religionspolitik des 16. Jh.s und einen Beschluss der katholischen Reichstagsmehrheit im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) (in Speyer am 19. 4. 1529) für eine bestimmte religiöse Einstellung Protestierende. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Hinschius, P., Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck 1959; Reingrabner, G., Protestanten in Österreich, 1981; Graf, E., Der Protestantismus, 2000; Greschat, M., Protestantismus in Europa, 2005 Protestatio facto contraria non valet (lat.) Die im Widerspruch zum Handeln stehende Verwahrung gilt nicht. Lit.: Teichmann, A., Protestatio facto contraria, FS K. Michaelis, 1972, 294; Köhler, H., Kritik der Regel, JZ 1981, 454; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Glosse Protestetur zu Liber sextus 1, 6, 25) Protokoll ist im engeren Sinn ein Teil einer Urkunde, im weiteren Sinn eine durch Unterschrift oder Genehmigung als richtig anerkannte Niederschrift über eine Verhand- lung. Lit.: Kaser § 87 II 6; Kroeschell, DRG 2, 3; Protocolle der deutschen Bundesversammlung, 1816-1848, 1851- 1866; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, Dresden 1866, 1984; Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bearb. v. Achilles, A. u. a., Bd. 1ff. 1987ff., Neudruck 1984; Frenz, T., Papsturkunden, 1986 Protonotar (M.) oberster Schreiber Protonotarius (lat. [M.]) ist der oberste Schreiber, der im Deutschen Reich seit dem 12. Jh. (1150 Reichskanzlei) erscheint. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912 Provence ist das die älteste römische Provinz in Gallien bildende Gebiet zwischen Mittelmeer, Rhone, Var und Alpen. Die P. kommt 1032 an das -> Deutsche Reich, 1481 an -> Frankreich. Sie ist dort ein Gebiet des Schriftrechts (droit écrit, römischen Rechts). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Buchner, R., Die Provence in merowingischer Zeit, 1933 ; Busquet, R., Histoire de la Provence, 4. A. 1966; Poly, J., La Provence, 1976 Provinz ist ein räumlicher Teil eines Staates oder einer sonstigen Einrichtung (z. B. nach römischem Vorbild seit dem 4. Jh. die christliche Kirche) seit dem römischen Altertum (227 v. Chr.). In Rom steht ein Statthalter an der Spitze der 297 n. Chr. mehr als 100 Provinzen. Im Frühmittelalter entspricht die P. dem Siedlungsgebiet eines Volkes. In der Neuzeit teilen verschiedene Staaten ihr Gebiet in Provinzen (Frankreich bis 1789, Preußen 1815). Lit.: Söllner §§ 12, 14; Holtzmann, R., Französische Verfassungsgeschichte, 1910; Wagner, P., Die geschichtliche Entwicklung der Metropolitangewalt, Diss. phil. Bonn 1917 masch.schr.; Jeserich, K., Die preußischen Provinzen, 1931; Metz, W., Bemerkungen über Provinz und Gau, ZRG GA 73 (1956), 361; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Die Provinzen des römischen Reiches, hg. v. Bechert, T., 1998 Provinziallandtag ist der Landtag einer Provinz. Lit.: Croon, G., Der rheinische Provinziallandtag bis zum Jahre 1874, 1918; Schubert, W., Preußen im Vormärz, 1999 Provinzialrecht ist das besondere Recht einer Provinz im Verhältnis zum allgemeinen Recht. Lit.: Kamptz, v., Die Provinzial- und statutarischen Rechte der preußischen Monarchie, Bd. 1ff. 1804ff. Provinzialstand ist der eine -> Provinz betreffende -> Stand (Landstand, z. B. in Preußen). Lit.: Stephan, J., Die Entstehung der Provinzialstände in Preußen 1823, Diss. phil. Berlin 1914; Roebers, R., Die Einrichtung der Provinzialstände in Westfalen, Diss. phil. Münster 1915; Birtsch, G., Gesetzgebung und Repräsentation, HZ 208 (1969), 265 606 pro viribus hereditatis (lat.) (für die Mittel der Erbschaft) ist die Beschränkung der Haftung des Erben auf den Wert des Nachlasses. Lit.: Köbler, DRG 162 Provision ist im Kirchenrecht seit dem Mittelalter die Übertragung eines freien Kirchenamtes durch die zuständige Stelle an einen geeigneten Menschen. Lit.: Bauer, H., Päpstliche Provisionen für niedere Pfründen, 1911; Schmidt-Rimpler, W., Geschichte des Kommissionsgeschäfts, 1915; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 provocatio (lat. [F.]) Anrufung der Volksversammlung gegen ein magistratisches Strafurteil Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 Prozess ist ein rechtlich geordneter, von Lage zu Lage sich entwickelnder Vorgang zur Gewinnung einer (richterlichen) Entscheidung über ein behauptetes materielles Rechtsver- hältnis. Das gerichtliche Verfahren entsteht vermutlich aus der rechtlichen Ordnung des außergerichtlichen Streites wegen der mit der - > Selbsthilfe verbundenen schädlichen Folgen ganz allmählich. Bereits das altrömische Recht verlangt dabei, dass in allen nicht ganz eindeutigen Streitfällen eine Überprüfung in einem öffentlichen Verfahren (Erkenntnis- verfahren) stattfindet und dass der verfolgende Zugriff (Vollstreckungsverfahren) nur in bestimmten Formen erfolgt. Kennzeichnend ist die wohl der Entlastung der Höchstmagistrate und zugleich der Rechtssicherheit der Betroffenen dienende Zweiteilung des Verfahrens in zwei Abschnitte (lat. in iure, vor Gericht bzw. apud iudicem, vor dem Richter). In Fällen allgemeiner Bedeutung befindet vielleicht anfangs der König, danach ein einzelner Magistrat, gegen deren Entscheidung jeder männliche freie Bürger die Volksversammlung anrufen kann (lat. [F.] -> provocatio). Später wird das Legisaktionen- verfahren (-> legisactio) zum -> Formularverfahren und dieses zum -> Kog- nitionsverfahren. Über Verfahren bei den Germanen berichtet Tacitus (98 n. Chr.) in Umrissen. Das Frühmittelalter überliefert eine Reihe von Berichten über einzelne Verfahren, die das Nebeneinander von Richtern und Urteilern (Rachinburgen, Schöffen) erkennen lassen. Seit dem 12. Jh. wird in Anknüpfung an das römische Recht Prozessrechtsliteratur sichtbar. Seit dem Spätmittelalter wird der in Oberitalien ausgebildete römisch-kanonische P. (-> Schriftlichkeit, tatsächlicher Anwalts- zwang, Artikulierung, -> Berufsrichter, -> Ap- pellation, Reichskammergerichtsprozess, Reichshofratsprozess, sächsischer Prozess) aufgenommen und der Strafprozess verselbständigt. Im 19. Jh. setzt sich der in Frankreich ausgebildete liberale P. durch. Die Zahl der Prozesse ist groß. Lit.: Kaser §§ 80ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 19f. u. ö.; Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893; Quellen zur Geschichte des römisch-kanonischen Prozesses, hg. v. Wahrmund, L., Bd. 1ff. 1905ff.; Gál, A., Die Prozessbeilegung nach den fränkischen Urkunden des 7.-10. Jahrhunderts, 1910; Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform, 1925; Mitteis, H., Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich, 1927 (SB Heidelberg); Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Nörr, K., Die Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Buchda, G., Über die ,,Vorrede" im sächsischen Prozess des 15. Jahrhunderts, ZRG GA 91 (1974), 90; Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974; Battenberg, F., Herrschaft und Verfahren. Politische Prozesse im mittelalterlich römisch-deutschen Reich, 1995; Werkmüller, D., ,,Et ita est altercatio finita", in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592; Macht und Recht, hg. v. Demandt, A., 1990; Prozessflut?, hg. v. Blankenburg, E., 1989; Große Prozesse, hg. v. Schultz, U., 3. A. 2001; Große Prozesse der römischen Antike, hg. v. Manthe, U. u. a., 3. A. 2001; Dubischar, R., Prozesse die Geschichte machten, 1997; Ferrari Zumbini, R., La lotta contro il tempo nel processo altomedievale, 1997; Prozessakten als Quelle, hg. v. Baumann, Anette, 2001; Zwicky, M., Prozess und Recht im alten Zug, 2002; Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005 Prozessbuße ist die Buße einer Partei, eines Richters, Urteilers, Zeugen oder Schelters bei Verletzung einer Regel im -> Prozess. Sie findet sich vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit. Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867, Neudruck 1971; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 5 1873, 176; Lampe, W., Die dilatura im germanischen Recht, Diss. 607 jur. Göttingen 1921 masch.schr.; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 435; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess am Ende des alten Reiches, Diss. jur. Münster 1966; Wesener, G., Römisch-kanonisches Prozessrecht, FS G. Schmelzeisen, 1980, 360 Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit Prozesshandlungen selbst oder durch einen Prozessbevollmächtigten wirksam vorzuneh- men oder entgegenzunehmen. Sie wird erst im 19. Jh. von der Parteifähigkeit und der Postulationsfähigkeit getrennt. Im älteren Recht ist sie entsprechend der Geschäftsfähigkeit ständisch geprägt und im Einzelnen örtlich und zeitlich verschieden gestaltet. Lit.: Kaser § 82 II 3e; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167; Etzbach, E., Die Stellung der Parteien im Prozess, Diss. jur. Köln 1973 Prozessformel ist bereits im altrömischen Recht die zu jeder -> Legisaktion gehörige, genau vorgeschriebene Spruchformel. Sie besteht nach ihrer Vermehrung im Formularprozess aus (lat. [F.]) praescriptio, intentio und condemnatio. Auch das englische Prozessrecht kennt seit dem Hochmittelalter eine beschränkte Zahl von Formularen des -> writ. Lit.: Kaser § 83; Köbler, DRG 19, 33 Prozessgefahr ist im Hochmittelalter die Gefahr (mhd. vare), den -> Prozess durch bloßes Versprechen beim Vortrag vor Gericht zu verlieren. Ihre Herkunft ist unklar (germanisch?, gelehrt). Zur Umgehung bedient man sich des -> Fürsprechers als eines Vertreters im Wort, dessen Vortrag die Partei genehmigen muss. Sichtbar wird die P. in Stadtrechten, die ihren Ausschluss als Privilegierung erwähnen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116; Siegel, H., Die Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, 1866 Prozesshandlung ist die prozessgestaltende Beteiligung der Partei und der Streitgehilfen bzw. ihrer Vertreter an einem -> Prozess (z. B. Klage). Als allgemeiner Begriff wird die P. von Daniel -> Nettelbladt (1719-1791) erkannt. Lit.: Köbler, DRG 156; Grunst, B., Prozesshandlungen im Strafprozess, 2002 Prozesskosten sind die bei einem -> Prozess entstehenden Kosten. Sie trägt bereits im spätantiken römischen Recht die unterliegende Partei. Seit dem Spätmittelalter lösen die dem Staat zustehenden P. die dem Richter unmittelbar anfallenden Ansprüche ab. Dabei wird der Grundsatz, dass der Unterliegende die Kosten zu tragen habe, durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen. Seit dem Ende des 18. Jh.s werden diese Ausnahmen zurückgedrängt. Lit.: Kaser § 87 I 8; Köbler, DRG 56; Weber, A., Über die Prozesskosten, 5. A. 1811; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965, 333; Sellert, W., Die Akzessorietät von Kostentragung und Prozesserfolg, FS A. Erler, 1976, 509 Prozesskostenhilfe ist die in Deutschland 1980 das ältere -> Armenrecht ablösende finanzielle Unterstützung einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Führung eines Prozesses nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Lit.: Köbler, DRG 263; Birkl, N., Prozesskosten- und Beratungshilfe, 2. A. 1981 Prozessmaxime ist der leitende Grundsatz des Verfahrensrechts (z. B. Mündlichkeit/- Schriftlichkeit, Öffentlichkeit/Heimlichkeit, Parteibetrieb/Amtsbetrieb, Verhandlungsgrund- satz, Untersuchungsgrundsatz, Instruktions- maxime, Eventualmaxime, Unmittelbarkeit, Konzentrationsmaxime). Bewusst formuliert werden die Prozessmaximen erst im 19. Jh. Lit.: Gönner, N., Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses, 1801; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Jauernig, O., Verhandlungs- maxime, Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, 1967; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 332; Caenegem, R., History of European Civil Procedure, 1973; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975 Prozessordnung ist die gesetzliche Ordnung des -> Prozesses auf der Grundlage des seit dem 12. Jh. erscheinenden Schriftums. -> Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung -> Gerichtsordnung Lit.: Marquordt, G., Vier rheinische Prozessordnungen, 1938 Prozesspartei ist die -> Partei im -> Prozess. Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1 608 Prozessrecht ist das für den -> Prozess geltende Recht. Es ist in der älteren Zeit vielfach Gewohnheitsrecht, seit dem Spätmittelalter zunehmend gesetztes Recht. Im 19. Jh. werden P. und materielles Recht stärker getrennt. Lit.: Söllner §§ 8, 9, 16; Kroeschell, DRG 2; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht, 1965; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Endres, P., Die französische Prozessrechtslehre, 1985; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat, Diss. jur. Gießen 1988 Prozessverschleppung ist die gewollte Verzögerung eines Rechtsstreits durch verspätetes Vorbringen von Behauptungen und Beweismitteln. Sie ist bereits für den spätantiken römischen Prozess ein Problem. Dieses wird auch im mittelalterlichen gelehrten Prozessrecht erkannt. Die im 16./17. Jh. zur Abhilfe eingeführte -> Eventualmaxime erreicht ihren Zweck ebensowenig wie preußische Beschleunigungsmaßnahmen von 1781 und 1793. Auch die deutsche Zivilprozessordnung von 1877/1879 löst die Frage nicht erfolgreich. Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 413, 496; Schubert, W., Das Streben nach Prozessbeschleunigung, ZRG GA 85 (1968), 127; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975 Prozessvertretung ist die Vertretung des Klägers oder des Beklagten im -> Prozess. Sie ist im römischen Recht zulässig, doch wirkt der im Namen eines anderen geführte Prozess nicht ohne weiteres für und gegen den Vertretenen, so dass die vom (lat. [M.]) cognitor oder procurator erzielten Wirkungen besonders auf den Vertretenen übergeleitet werden müssen. Im Mittelalter wird zur Vermeidung der -> Prozessgefahr ein -> Fürsprecher und allmählich auch ein Vertreter in der Sache zugelassen (Königsgericht, Stadtrechte 13. Jh., Kammergerichtsordnung 1471). Seit der Wiederentdeckung des römischen Rechts zieht dabei der gelehrte Jurist als -> Advokat oder -> Prokurator die P. mehr und mehr an sich. Lit.: Kaser § 82 IV; Köbler, DRG 116; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1989, Neudruck 1973 Prügelstrafe ist die mit einem Prügel vollzogene Leibesstrafe. Sie ist anscheinend in älterer Zeit eine auf Unfreie und später auch niedrige Freie beschränkte Maßnahme. Seit dem Hochmittelalter wird sie auch allgemeiner an Freien vollzogen. Im 19. Jh. wird die P. beseitigt (Nassau 1809, Baden 1831, Braunschweig 1837, Darmstadt 1841, Preußen 1848, Österreich 1848 [bis 1852] bzw. 1867, Bayern 1861, Mecklenburg 1871). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 983; Quanter, R., Die Leibes- und Lebensstrafen, 2. A. 1906, Neudruck 1970, 329; Malfér, S., Die Abschaffung der Prügelstrafe, ZRG GA 102 (1985), 206; Gebhardt, J., Prügelstrafe und Züchtigungsrecht, 1994 Przemyslide (Pøemyslide) ist der Angehörige eines sich auf einen Przemysl bzw. Pøemysl (den Pflüger) zurückführenden, vor 890 sichtbaren Geschlechts, das die Herrschaft in -> Böhmen erlangt, aber 1306 erlischt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wegener, W., Die Pøemysliden, 1957; Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1 1966; Zemlicka, J., Pøemysl Otakar I., 1990 Pseudoisidorische Fälschungen (Isidor Mercators) sind mehrere (zugunsten der Bischöfe) fälschende Sammlungen kirchenrechtlicher Bestimmungen der Mitte des 9. Jh.s mit rund 10000 Einzelteilen (unter Verwendung etwa der Historia tripartita des Epiphanius-Cassiodor der einstmals Corbier Handschrift Sankt Petersburg, Russische Nationalbibliothek Lat. F. v. I. 11 oder der Konzilsakten von Chalkedon in der Version des Rusticus der einstmals Corbier Handschrift Paris, Bibliothque Nationale Lat. 11611). Vermutlich werden die pseudoisidorischen Fälschungen (auf dem politischen Hintergrund des Streits um die Einheit des Karolingerreichs zwischen 829 und 835 unter dem kaiserfeindliche Bischöfe maßregelnden Kaiser Ludwig dem Frommen) im westfränkischen Gebiet zwischen 847 und 852 von mehreren Verfassern (unter Abt Paschasius Ratbertus von Corbie an der Somme?) hergestellt. Der Gesamtnachweis der Fälschung gelingt erst der 609 neuzeitlichen Wissenschaft. Lit.: Fuhrmann, H., Einfluss und Verbreitung der pseudoisidorischen Fälschungen, Bd. 1ff. 1972ff.; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 2 1988, 111; Zechiel-Eckes, K., Fälschung hinter Klostermauern, 2001 (Konstanzer Arbeitskreis); Fortschritt durch Fälschungen?, hg. v. Hartmann, W. u. a. 2002 Publicanus (lat. [M.]) ist im klassischen römischen Recht der wohl seit dem 4. Jh. zur Verwirklichung eines Systems indirekter Finanzverwaltung tätige, im Prinzipat durch öffentliche Verwaltung ersetzte Steuerpächter. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 18; Köbler, DRG 32; Baldian, E., Zöllner und Sünder, 1997 publicum ius (N.) -> ius publicum, Recht Publikation (F.) Veröffentlichung (von Gesetzen) Lit.: Liebenow, W., Die Promulgation, Diss. jur. Greifswald 1901; Englisch, P., Die Publikation der Gesetze und Verordnungen, Diss. jur. Breslau, 1912; Hubrich, E., Die Entwicklung der Gesetzespublikation in Preußen, 1918; Wolf, A., Gesetzgebung und Stadtverfassung, 1968; Holzborn, T., Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003 Publizistik (F.) Veröffentlichungskunde, Gesamtheit der Veröffentlichungen, Staatsrechtslehre Lit.: Wende, P., Die geistlichen Staaten, 1966; Darmstadt, R., Der deutsche Bund in der zeitgenössischen Publizistik, 1971; Roeck, B., Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Das Publikum politischer Theorie, hg. v. Miethke, J., 1992 Publizität ist die Offenkundigkeit bzw. die mit einer jedermann erkennbaren Eintragung in ein öffentliches Register verbundene Rechts- wirkung. Das Prinzip der P. findet sich in verschiedener Gestalt in fast allen Zeiten. Seine Zurückdrängung in der frühen Neuzeit wird im 19. Jh. wieder beseitigt. Lit.: Kaser §§ 18 I 3a, 22 II 2b, 24 II 1, 32 II 4c, 76 II 2; Hübner 15f., 147; Ramella, A., La publicit nel diritto moderno, 1901; Meyer, H., Das Publizitätsprinzip, 1909; Keim, O., Das sog. Publizitätsprinzip, 1930; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936 Puchta, Georg Friedrich (Cadolzburg 31. 8. 1798-Berlin 8. 1. 1846), Justizamtmannssohn, wird nach der Schule in Nürnberg (Hegel) und dem Rechtsstudium in Erlangen 1823 außerordentlicher Professor in Erlangen (, wo er 1827 eine Neuausrichtung seines Forschungsprogramms von der römischen Rechtsgeschichte zur Praxis des zeitgenös- sischen römischen Rechts ankündigt), 1828 ordentlicher Professor in München, 1835 in Marburg, 1837 in Leipzig und 1842 als Nachfolger Savignys in Berlin. Nach dem in langen Gedankenketten durchkonstruierten, philosophisch und politisch klar durchdachten, im Wesentlichen auf Schelling gründenden und deshalb bald nicht mehr verstandenen Gesamtkonzept Puchtas ist der von den -> Juristen geprägte -> Volksgeist die Quelle des zugleich geschichtlichen und vernünftigen Rechts. Da das Recht vernünftig ist, bildet es ein System. In Erkenntnis dieses Systems fördert die Wissenschaft durch Deduktion neu entstehende Rechtssätze zutage (-> Begriffsjurisprudenz). In seinen Lehrbüchern stellt P. allerdings im Wesentlichen nur das geltende Recht systematisch dar. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s wird seine zeitgebundene, Außerjuristisches ausschlie- ßende Betrachtungsweise zunehmend abge- lehnt. Lit.: Köbler, DRG 185, 186, 188; Puchta, G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Puchta, G., Lehrbuch der Pandekten, 1838; Puchta, G., Cursus der Institutionen, Bd. 1f. 1841f., 10. A. 1893ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Bohnert, J., Über die Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Bohnert, J., Beiträge zu einer Biographie Georg Friedrich Puchtas, ZRG 96 (1979), 229; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986, 198; Landau, P., Puchta und Aristoteles, ZRG RA 109 (1992), 1; Hannes, F., Puchta als Kirchenrechtler, Diss. jur. Bonn 1995; Haferkamp, H., Georg Friedrich Puchta und die Begriffsjurisprudenz, 2004 puer (lat. [M.) Knabe, Knecht Pufendorf, Friedrich Esajas von (Bückeburg 12. 9. 1707-Celle 25. 8. 1785), Oberappellationsgerichtsratssohn und Großneffe Samuel von Pufendorfs, wird nach dem Rechtsstudium in Halle (Böhmer, Thomasius, Wolff) Advokat in Celle und 1739 Richter. Neben Anderem verfasst er (bis 1772?) einen Entwurf eines Landrechtes von -> Hannover in 128 Titeln und 1570 Paragraphen. Lit.: Pufendorf, Friedrich Esajas, Entwurf eines hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970 Pufendorf, Samuel von (Dorfchemnitz bei Sayda 8. 1. 1632-Berlin 26. 10. 1694), 610 Pfarrerssohn, wird nach der Schule in Grimma und einem mehrseitigen Studium in Leipzig und Jena Hauslehrer, 1661 Professor des Naturrechts und Völkerrechts der philo- sophischen Fakultät in Heidelberg, 1670 Professor in Lund, dann Hofgeschichts- schreiber in Stockholm und 1688 in Berlin. 1667 veröffentlicht er unter dem Namen Severinus de Monzambano das kritische Werk (lat.) De statu imperii Germanici (Vom Zustand des deutschen Reichs), 1672 De iure naturae et gentium libri octo (Vom Naturrecht und Völkerrecht acht Bücher) und in kürzerer Fassung 1673 De officio hominis et civis (Von der Pflicht des Menschen und Bürgers). Dabei verwertet er die neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse umfassend und bildet in geometrischer Art für das private Recht ein Gesamtsystem von Vernunftsätzen, die dem vernünftigen Einzelnen einleuchten müssen (Naturrecht als Pflichtenlehre). Lit.: Köbler, DRG 144, 146, 147, 148, 159, 165, 166, 206; Severinus de Monzambao (Samuel von Pufendorf), De statu imperii Germanici, hg. v. Salomon, F., 1910; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Platz, J., Das Sachenrecht Pufendorfs, Diss. jur. Kiel 1961; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 306; Denzer, H.,, Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel von Pufendorf, 1972; Randelzhofer, A., Die Pflichtenlehre bei Samuel von Pufendorf, 1983; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988, 232, 282; Döring, D., Pufendorf-Studien, 1992; Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers, hg. v. Luig, K., 1994; Behme, T., Samuel von Pufendorf, 1995; Samuel Pufendorf und die Frühaufklärung, hg. v. Palladini, F. u. a., 1996; Samuel Pufendorf, Gesammelte Werke, hg. v. Schmidt- Biggemann, W., Bd. 1ff 1996ff.; Samuel Pufendorf und seine Wirkungen, hg. v. Geyer, B. u. a., 1997; Palladini, F., La Biblioteca di Samuel Pufendorf, 1999; Müller S., Gibt es Menschenrechte bei Samuel Pufendorf? 2000 Pulltag (M.) Zinshühnertag Lit.: Loch, A., Der Pulltag, ZRG GA 48 (1928), 448 Punitur ne peccetur (lat.). Bestraft wird, damit kein Unrecht geschieht. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Punitur quia peccatum est (lat.). Bestraft wird, weil Unrecht begangen wurde. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Pupillarsubstitution ist im klassischen römischen Recht die Bestimmung eines Erben für einen als Ersatzerben eingesetzten Abkömmling durch den Erblasser. Lit.: Kaser § 68 II 5b; Söllner § 11; Köbler, DRG 38 Purgold, Johannes (um 1470-Eisenach nach 1534) ist von 1490 bis 1534 Stadtschreiber von -> Eisenach. 1503/1504 bearbeitet er das Eisenacher Rechtsbuch des Johannes Rothe in einem in 3 Handschriften erhaltenen, in 12 Bücher eingeteilten Rechtsbuch, das er später ergänzt. Er hat juristische Kenntnisse, ohne dass er als Student der Rechtswissenschaft nachweisbar ist. Lit.: Das Rechtsbuch Johannes Purgoldts, hg. v. Ortloff, F., 1860, Neudruck 1967; Johannes Rothe, Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Rondi, P., 1950, XIV; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 57f. Pütter, Johann Stephan (Iserlohn 23. 6. 1725- Göttingen 12. 8. 1807), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg (1738, Wolff), Halle (Heineccius, Böhmer, Ludewig), Jena (Estor) und Marburg 1744 Rechtslehrer in Marburg und 1746 Professor in -> Göttingen. Dort wird er der bedeutendste Staatsrechtslehrer seiner Zeit. Daneben ist er der erste wirkliche Verfassungsgeschichtler, gibt den Anstoß zu Überlegungen zu juristischer Systematik, bereitet die moderne Rechtsvergleichung vor und legt mit dem -> geistigen Eigentum den Grund für ein fortschrittliches -> Urheberrecht. Lit.: Pütter, J., Neuer Versuch einer juristischen Encyclopädie und Methodologie, 1767; Pütter, J., Institutiones iuris publici Germanici, 1770; Pütter, G., Der Büchernachdruck, 1774; Pütter, G., Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung, Teil 1ff. 1786, Neudruck 2001; Mohl, R. v., Die Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. 2 1856, 425; Schlie, U., Johann Stephan Pütters Reichsbegriff, 1961; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung, Diss. jur. Göttingen 1967; Ebel, W., Der Göttinger Professor Johann Stephan Pütter, 1975; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 75 Q Quadripartitus ist das um 1114 entstandene, in vier Teile gegliederte, in zwei Teilen erhaltene anglolateinische Rechtsbuch, in dem ein Weltgeistlicher kontinentaler Herkunft 611 angelsächsische Gesetze in die lateinische Sprache übersetzt und um 1100 entstandene Staatsschriften sammelt. Teil 3 ist vermutlich in den (lat.) -> Leges (F.Pl.) Henrici Primi erhalten. Lit.: Liebermann, F., Quadripartitus, 1892; Richardson, H./Sayles, G., Law and Legislation, 1966 quadrupes (lat. [Adj., M., F.]) vierfüßig, Vierfüßler Lit.: Köbler, DRG 27, 48 quadruplum (lat. [N.]) Vierfaches Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 48, 65 quaestio (lat. [F.]) Frage, Untersuchung Lit.: Köbler, DRG 34; Bazan, B./Wippel, J., Les questions disputées, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Quaestiones ac monita (lat.) ist der Name für eine vielleicht zwischen 967 und 1019 entstandene, in einer Handschrift des 11. Jh.s der Abtei Susa (Piemont) gefundene Sammlung von kurzen Stücken des salfränkischen, langobardischen und römischen Rechts. Lit.: Conrat, M., Geschichte der Quellen, 1891, 67, 274 quaestor (lat. [M.]) Sucher, Frager, Ermittler (von Vermögenswerten) Lit.: Söllner § 6; Köbler, DRG 18 quanti interest (lat.) was es ihm wert ist Lit.: Köbler, DRG 42 Quantifizierung Lit.: Schüßler, M., Quantifizierung, Impressionismus und Rechtstheorie, ZRG GA 116 (1999), 482 quanto locupletior (lat.) um wieviel reicher Lit.: Köbler, DRG 36 Quarta (F.) Falcidia (lat.) ist im klassischen römischen Recht das falzidische Viertel des Vermögens, das nach einer lex Falcidia (40 v. Chr.) der Erblasser zugunsten der Erben von Belastungen durch Vermächtnisse unberührt lassen muss. Lit.: Kaser §§ 67 II 3, 76 V 2, 77 II 6; Söllner § 15; Köbler, DRG 39 Quartierlast ist die nach Anfängen in Spätantike und Frühmittelalter seit dem 15. Jh. deutlicher erkennbare Belastung der Bevölkerung mit einer Unterbringungslast zugunsten von Soldaten. Lit.: Löbel, K., Naturalleistungen, Diss. jur. Leipzig 1908; Böhmert, H., Die Quartierleistungspflicht, Diss. jur. Leizpig 1937; Paetzold, F., Das Bundesleistungsgesetz, Diss. jur. Göttingen 1961 Quasidelikt ist das dem Delikt nahestehende Schuldverhältnis des spätantiken römischen Rechts (z. B. Schädigung durch Übernahme einer überfordernden Aufgabe). Lit.: Kaser §§ 36 IV, 46 III 3, 51 VI; Köbler, DRG 62; Feenstra, R., Die Quasi-Delikte bei Hugo Grotius, in: Iurisprudentia universalis, 2002, 175 Quasikontrakt ist das dem Vertrag nahestehende Schuldverhältnis des spätantiken römischen Rechts (z. B. Gemeinschaft). Lit.: Kaser §§ 38 I 2, 43 II 2, 44 II 1; Köbler, DRG 62 Quattuor doctores (lat. [M.Pl.) sind (die) vier (besonders bekannten) Lehrer des römischen Rechts im 12. Jh. (Bulgarus, Hugo, -> Jacobus, -> Martinus). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 106; Pace, G., Garnerius Theutonicus, Rivista internazionale di diritto comune 2 (1991), 123; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Quedlinburg Lit.: Quedlinburgische Geschichte, Bd. 1f. 1922; Militzer, K./Przybilla, P., Stadtentstehung, 1980 Querela (F.) inofficiosi testamenti (lat.) ist seit dem klassischen römischen Recht die Beschwerde des pflichtwidrigen Testamentes, mit der Kinder und Geschwister eines freigeborenen Erblassers ein Testament vor den Zentumviri, später im Kognitionsverfahren, anfechten können, wenn es gegen die sittliche Pflicht verstößt, dem Berechtigten mindestens ein Viertel des ihm nach natürlicher Erbfolge zustehenden Anteils zu hinterlassen. Lit.: Kaser §§ 9 I 1, 59 I, 65 II 2, 70 I; Köbler, DRG 38, 60 Quesnay, François (1694-1774) ist der bekannteste Vertreter des -> Physiokratismus. Lit.: Köbler, DRG 134; Guyot, Y., Quesnay et la physiocratie, 1896 Quidquid non agnoscit glossa, non agnoscit curia (lat.). Was die -> Glosse (als Ergebnis der Tätigkeit der -> Glossatoren) nicht anerkennt, anerkennt das Gericht nicht. Lit.: Landsberg, E., Über die Entstehung der Regel Quicquid non agnoscit glossa, nec agnoscit forum, 1880 Qui tacet consentire videtur (lat.). Wer schweigt, scheint zuzustimmen. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Bonifaz VIII. um 1235-1303, Liber sextus 5, 13, 43) Quittung ist das bereits dem klassischen römischen Recht bekannte schriftliche Empfangsbekenntnis des Gläubigers einer Schuld. 612 Lit.: Kaser § 53 I 1; Dilloo, W., Die Quittung, Diss. jur. Berlin 1895; Dryander, G., Die rechtliche Bedeutung der Quittung, Diss. jur. Greifswald 1899 Quod non est in actis non est in mundo (lat.). Was nicht in den Akten ist, ist nicht auf der Welt (frühe Neuzeit). Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Quod omnes tangit debet ab omnibus approbari (lat.). Was alle betrifft, muss von allen gutgeheißen werden. Lit.: Post, G., Studies in Medieval Legal Thought, 1964, 163; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Codex Justinianus 5, 59, 5 § 2 am Ende, 534) Quot homines tot sententiae (lat.). Wie viele Menschen, so viele Meinungen. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Terenz, 2. Jh. n. Chr., Phormio 454) Quote (F.) Anteil Lit.: Honsell, T., Die Quotenteilung im Schadensersatzrecht, 1977 R Rabel, Ernst (Wien 28. 1. 1874-Zürich 27. 9. 1955), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Studium in Wien (Ludwig Mitteis) und einer kurzen Tätigkeit als Anwalt außerordentlicher Professor in Leipzig, ordentlicher Professor in Basel (1906), Kiel (1910), Göttingen (1911), München (1916) und Berlin (1926), ehe er unter dem Druck des -> Nationalsozialismus 1939 in die Vereinigten Staaten von Amerika auswandert. Von der vergleichenden Rechts- geschichte herkommend fördert er maßgeblich die Rechtsvergleichung zwecks Findung allgemein annehmbarer Lösungen moderner Rechtsprobleme. Lit.: Rabel, E., Das Recht des Warenkaufs, Bd. 1f. 1936ff.; Wolff, H., Ernst Rabel, ZRG RA 73 (1956), XI; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 571ff.; Kunze, R., Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 2004 Rache ist die Vergeltung einer tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsverletzung durch den Verletzten. Sie ist -> Selbsthilfe (-> Fehde). Sie wird seit dem frühen Recht vom staatlichen Gewaltmonopol zurückgedrängt und allmählich vollständig ausgeschlossen. Lit.: Kaser § 32 II 1; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 26, 70, 71, 74, 91; Günther, L. Die Idee der Wiedervergeltung, 1889; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Genzmer, F., Rache, Wergeld und Klage im altgermanischen Rechtsleben, Wiss. Ak. des NSD. Dozentenbundes 1941, 280 Rachinburge (lat.-afrk. rachinburgius [M.]) ist vom 6. bis zum 8. Jh. der erfahrene Franke, der auf dem Malberg gemeinschaftlich mit meist 6 anderen Rachinburgen das Urteil findet. Er wird teils als Ratsbürge, teils als Rechenbürge erklärt. Zwischen 770 und 780 ersetzt König Karl der Große die Rachinburgen durch ständige -> Schöffen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Hübner, R., Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit, 1891; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines, 1981, 50; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Köbler, G., Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993 Radbruch, Gustav Lambert (Lübeck 21. 11. 1878-Heidelberg 23. 11. 1949), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in München, Leipzig (Sohm, Binding) und Berlin in Heidelberg (Lilienthal) außerordentlicher Professor, danach ordent- licher Professor in Königsberg, 1919 in Kiel, 1926 in Heidelberg sowie nach Ende der im Mai 1933 angeordneten Entlassung aus dem öffentlichen Dienst 1945 wieder in Heidelberg. 1921/2 und 1923 wirkt er als sozialdemo- kratischer Reichsjustizminister, der sich für Sicherung und Resozialisierung als Strafzwecke einsetzt. In seinen neu- kantianischen Grundzügen der Rechtsphiloso- phie betont er zunächst unter Verneinung des Naturrechts Rechtssicherheit, Gerechtigkeit und soziale Zweckmäßigkeit, nach 1945 vor allem den Vorrang des übergesetzlichen Rechtes vor dem mit Hilfe eines Gesetzes geschaffenen Unrecht. Lit.: Köbler, DRG 236; Radbruch, G., Rechtsphilosophie, 8. A. 1973; Spendel, G., Gustav Radbruch, 1967; Otte, H., Gustav Radbruchs Kieler Jahre 1919-1926, 1982; Radbruch, G., Gesamtausgabe, Bd. 1ff. 1987ff.(Bd. 20 Gesamtregister 2003); Adomeit, K., Gustav Radbruch, NJW 1999, 3465; Wiegand, M., Unrichtiges Recht, 2004 Rädelsführer ist, wer eine führende Rolle in einer Gruppe von Menschen einnimmt. Der R. 613 wird in der Neuzeit in einzelnen Straftatbeständen besonders hervorgehoben. Rädern ist die jedenfalls bereits im Frühmittelalter bezeugte, unter Verwendung eines Rades entweder durch Brechen des Rückgrates oder der Körperglieder erfolgende - > Todesstrafe. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, H., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 496; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922, 106, 204; Scheele, F., di sal man alle radebrechen, Bd. 1 1992; Am Anfang war das Rad, hg. v. Kemper, P., 1997 Radfahrer Lit.: Schubert, W., Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 194 Radizierung (F.) Verdinglichung, Verknüpfung mit einem Recht an einer Liegenschaft Radolfzell am Bodensee wird 1100 Begünstigter eines von Kaiser Heinrich IV. dem Abt von Reichenau für R. verliehenen Marktrechts. 1267 wird es Stadt. Am 18. 12. 1506 erlässt König Maximilian für die im 14. Jh. an Habsburg gelangte Stadt eine handschriftlich überlieferte, die malefitz-Recht benannte Halsgerichtsordnung, die eine Indizienlehre für die Folter noch nicht kennt. Lit.: Albert, P., Geschichte der Stadt Radolfzell, 1896; Ruoff, F., Die Radolfzeller Halsgerichtsordnung von 1506, 1912; Die maximilianischen Halsgerichtsordnungen, hg. v. Schmidt, E., 1949; Geschichte der Stadt Radolfzell, hg. v. Götz, F., 1967 Raetia -> Rätien Ragusa Lit.: Bjelovuèiè, H., The Ragusan republic, 1970; Mitiæ, I., Die Republik Ragusa, ZRG GA 101 (1984), 301; Steindorff, L., Noch einmal Dubrovnik, ZRG GA 103 (1986), 248 Raiffeisengenossenschaft ist die von Friedrich Wilhelm Raiffeisen (Hamm/Sieg 30. 3. 1818- Neuwied 11. 3. 1888) nach 1847 gegründete ländliche Selbsthilfekreditgenossenschaft. Lit.: Köbler, DRG 174, 177; Werner, W., Zur Vorgeschichte der österreichischen Raiffeisenbewegung, 1993; Klein, W., Werk und Nachwirkung des Genossenschaftsgründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen, 1997 Raimund von Peniaforte -> Raymundus de Penyafort Raitkammer (Rechnungskammer, Finanzbehörde [König Maximilians in Tirol]) Raleigh, William (1250) wird 1214 Schreiber bei dem Richter Martin Pateshul, 1229 Richter, 1234 Richter an King's Bench, 1239 Bischof von Norwich und 1252 Bischof von Winchester. Er gilt teilweise als bedeutendster Richter des mittelalterlichen -> England. Lit.: Meekings, C., Studies in the 13th Century justice, 1981 Randa, Antonín (1834-1914) wird nach dem Rechtsstudium in Prag dort 1862 außerordentlicher Professor, 1868 ordentlicher Professor und 1904 Minister. Er ist der wichtigste Vertreter der tschechischen Rechtswissenschaft des 19. Jh.s. Lit.: Randa jubilejni památnik, 1934; Antologie ceské právní vedy, 1993, 113 Rang ist die bestimmte Stufe innerhalb einer Ordnung. Bedeutsam ist dabei vor allem auch ein R. eines Sachenrechtes für die Reihenfolge der Befriedigung bei zur Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreichendem Vermögen des Schuldners in der Einzelzwangsvollstreckung. Hier gilt bereits im römischen Recht der Grundsatz der Priorität (einer bestimmten vom Recht dafür festgelegten Handlung), der allerdings durchbrochen werden kann. Im geltenden deutschen Recht dient auch die -> Vormerkung der Sicherung des Ranges. Lit.: Kaser §§ 31 I 1c, 31 III 3; Hübner; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 2, 1935, 5, 21, 78 u. ö.; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Ranshofen am Inn ist Ort einer bayerischen Pfalz, in der 985/995 ein Gesetz (lat. [F.] constitutio) des Herzogs erlassen wird, das sich mit der Flucht und den Handlungen Unfreier befasst. Lit.: Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht, 1929, 167 Rantzau bei Plön ist Sitz einer reichsun- mittelbaren Grafschaft, in deren Gut Ascheberg der Graf 1739 mit der Abschaffung der Leibeigenschaft beginnt. Lit.: Köbler, DRG 174; Ranert, M., Die Grafschaft Rantzau, 1840 Ranulf de -> Glanvill rapina (lat. [F.]) Raub Lit.: Kaser § 51 IV; Köbler, DRG 49, 65; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961 614 raptus (lat. [M.]) Raub, Vergewaltigung Rasen ist die grasbewachsene Erde. Der R. kann als Rechtssymbol Verwendung finden. Im altnordischen Recht erscheint das Gehen unter den R. bei der Begründung der Blutsbrüderschaft, beim Gottesurteil und bei der Sühne eines Unrechtserfolges. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 163; Maurer, K., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 5 1910, 672 Rasse ist die durch kennzeichnende gleiche Merkmale abgrenzbare Art einer Gattung von Lebewesen. In Anlehnung an die Vererbungslehre Gregor Mendels entwickelt Adolf -> Hitler die ideologische Vorstellung vom Vorzug der arischen Rasse insbesondere gegenüber den Juden und ,,Nichtariern". Die Anwendbarkeit der Vorstellung der R. auf den Menschen ist in der Gegenwart zweifelhaft geworden. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 135; Nicolai, Grundsätzliches über das Verhältnis von Rasse und Recht, Deutsches Recht 1934, 74; Stuckart/Globke, H., Reichsbürgergesetz, Blutschutzgesetz, Ehegesundheits- gesetz, 1936; Meyer, H., Rasse und Recht bei den Germanen und Indogermanen, 1937; Schmuhl, H., Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rüthers, B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825; Weingart, P./Kroll, J./Bayertz, K., Rasse, Blut, Gene, 1988; Historische Rassismusforschung, hg. v. Danckwortt, B. u. a., 1995; Hetzel, M., Die Anfechtung der Rassenmischehe, 1997; Zwerger, J., Was ist Rassismus? 1997; Senn, M., Die Verrechtlichung der Volksgesundheit, ZRG 116 (1999), 407; Puschner, U., Die völkische Bewegung, 2001; Simon, J., Kriminalbiologie und Zwangssterilisation, 2001; Essner. C., Die Nürnberger Gesetze, 2002; Przyrembel, A., Rassenschande, 2003; Huonker, T., Diagnose Moralisch defekt, 2003; Rassenforschung a Kaiser-Wilhelm- Instituten, hg. v. Schmuhl, H., 2003; Fredrickson, G., Rassismus, 2004 Rat ist der Vorschlag für ein Verhalten und von dort abgeleitet eine Gruppe beratender Menschen. In der Stadt erscheint nach antikem und italienischem Vorbild (Pisa, Mailand, Asti, Genua, Arezzo, z. T. noch 11. Jh.) seit dem Ende des 12. Jh.s ein R. (Speyer 1188, Basel 1190) als oberstes, den Stadtherrn ablösendes oder ergänzendes Herrschaftsgremium der ratsfähigen Geschlechter (mit meist zwischen 12 und 20, gelegentlich aber auch bis zu 400 Ratsherren, sowie dem -> Bürgermeister als Vorsitzendem). Wenig später umgeben sich auch König und Landesherren mit einem R. (Hofrat, Reichshofrat, Staatsrat). Verstärkt werden dabei seit 1430 Juristen einbezogen. In der späteren Neuzeit entwickelt sich etwa auch ein Bundesrat, Reichsrat, Nationalrat, Ministerrat, Rat der Volksbeauftragten, Parlamentarischer Rat, Zentralrat oder Europa- rat. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 11, 112, 113, 115, 149, 150, 153; Winter, G., Geschichte des Rates in Straßburg, 1878; Hoch, C. Frhr. v., Der österreichische Staatsrath, 1879, Neudruck 1972; Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Koehne, C., Der Ursprung der Stadtverfassung, 1890; Feine, H., Der goslarische Rat, 1913; Tait, J., The origin of town councils, English Historical Review 44 (1929), 177; Tait, J., The common council of the borough, The English Historical Review 46 (1931), 1; Köthe, J., Der fürstliche Rat, 1938; Vogelgesang, G., Kanzlei- und Ratswesen, 1939; Schlotterose, B., Die Ratswahl in den deutschen Staaten des Mittelalters, Diss. phil. Münster 1953 masch.schr.; Pitz, E., Die Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg, 1956; Hess, U., Geheimer Rat, 1962; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Laufs, A., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Rottweil, 1963; Lieberich, H., Die gelehrten Räte, Zs. f. bay. LG. 27 (1964), 120; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Moraw, P., Beamtentum und Rat König Ruprechts, ZGO 116 (1968), 59; Becker, W., Der Kurfürstenrat, 1973; Histoire comparée de l'Administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Heydenreuter, R., Der landesherrliche Hofrat, 1981; Schulten, G., Entstehung und Entwicklung des Ratswesens, Diss. phil. Tübingen 1982; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen, 1986; Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig, 1986; Die Rolle der Juristen, hg. v. Schnur, R., 1986; Fischer, S., Der Geheime Rat, 1987; Rosch, G., Der venezianische Adel, 1989; Engel, E., Die deutsche Stadt des Mittelalters, 1993; Reinle, C., Ulrich Riederer (ca. 1406-1462), 1993; Koch, B., Räte auf deutschen Reichsversammlungen, 1999; Noflatscher, H., Räte und Herrscher, 1999; Godding, P., Le Conseil de Brabant sous le rgne de Philippe le Bon (1430-1467), 1999; Ratsprotkolle der Stadt Kaiserslautern 1566-1571, hg. v. 615 Dolch, M. u. a., 2002; Poeck, D., Rituale der Ratswahl, 2003 Rat der Volksbeauftragten ist das am 10. 11. 1918 gebildete vorläufige Regierungsorgan des Deutschen Reiches mit 6 Mitgliedern, das am 11. 11. 1918 mit den alliierten Siegermächten des ersten Weltkrieges einen Waffenstillstand schließt und am 10. 2. 1919 die Macht an die Nationalversammlung abgibt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 221; Hock, K., Die Gesetzgebung des Rates der Volksbeauftragten, 1987; Melzer, L., Die Gesetzgebung des Rates der Volksbeauftragten, Diss. jur. Hamburg 1988; Roß, S., Biographisches Handbuch der Reichsrätekongresse, 2000 Rätebewegung ist eine politische Bewegung des 20. Jh.s, welche die Lenkung eines Gemeinwesens durch Räte (Arbeiterräte usw.) anstrebt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Tormin, W., Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie, 1951; Kolb, E., Die Arbeiterräte, 1962; Oertzen, P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Der Zentralrat der Deutschen Sozialistischen Republik, hg. v. Kolb, E. u. a., 1968; Matthias, E., Zwischen Räten und Geheimräten, 1970; Die Rätebewegung, hg. v. Hillmann, 1970; Dähn, Rätedemokratische Modelle, 1975 Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe -> Comecon Rathaus ist das vom Rat der Stadt für seine Bedürfnisse seit dem 13. Jh. geschaffene Haus (z. B. Volterra, Siena, Florenz, Lübeck, Stralsund, Brügge, Brüssel, Goslar, Paderborn, Rothenburg, Nürnberg, Schwäbisch Hall oder Augsburg). Lit.: Stiehl, O., Das deutsche Rathaus, 1905; Gruber, K., Das deutsche Rathaus, 1943; Schattenhofer, M., Das alte Rathaus in München, 1972; Das Rathaus im Kaiserreich, hg. v. Mai, E. u. a., 1982; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Albrecht, S., Mittelalterliche Rathäuser in Deutschland, 2004 Rätien ist das Siedlungsgebiet der nichtindo- germanischen Räter um den oberen Inn, das 15 v. Chr. von den Römern erobert wird und im 5. Jh. an die Alemannen übergeht. Im Frühmittelalter gilt dort die (lat.) -> Lex (F.) Romana Curiensis. Lit.: Köbler, DRG 28; Baldauf, O., Das karolingische Reichsgut in Unterrätien, 1930; Heuberger, R., Raetia, Klio 24 (1931), 348; Heuberger, R., Rätien im Altertum und Frühmittelalter, 1932; Clavadetscher, O., Das churrätische Reichsgutsurbar, ZRG GA 70 (1953), 1; Clavadetscher, O., Nochmals zum churrätischen Reichsgutsurbar aus der Mitte des 9. Jahrhunderts, ZRG G 76 (1959), 319; Dilger, A., Textkritische Untersuchungen einer Handschrift aus der römischen Provinz Raetia II, ZRG GA 88 (1971), 172; Müller, I., Glanz des rätischen Mittelalters, 1971; Die Bayern und ihre Nachbarn, Bd. 1 1985; Clavadetscher, O., Rätien im Mittelalter, 1994 (Aufsätze) Ratingen Lit., Redlich, O. u. a., Geschichte der Stadt Ratingen, 1926; Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte, Bergische Städte, Ratingen, bearb. v. Redlich, O., 1928 Rationalismus ist die von René Descartes (1596-1650) begründete Denkhaltung, die allein von der Vernunft und von allgemeinen logischen Ableitungen aus Grundeinsichten (Axiomen) her deduktiv zur Wahrheit gelangen will. Lit.: Köbler, DRG 136; Cassirer, E., Descartes, 1939; Schmidt, G., Aufklärung und Metaphysik, 1965; Flasch, K., Das philosophische Denken im Mittelalter, 1986; Engfer, H., Empirismus versus Rationalismus? 1996 Ratsgerichtsbarkeit ist die seit dem ausgehenden 12. Jh. vom -> Rat der Stadt von der niederen Strafgerichtsbarkeit her allmählich erlangte Zuständigkeit in Gerichtsangelegen- heiten. Sie ist in den Einzelheiten örtlich ziemlich verschieden gestaltet. Lit.: Wackernagel, J., Die Entstehung der städtischen Ratsgerichtsbarkeit im Mittelalter, FG der Basler Juristenfakultät zum Schweizer Juristentag, 1920, 113; Ebel, W., Bürgerliches Rechtsleben, 1954; Lübecker Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch, 1961; Wiener Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v. Demelius, H., 1980 Ratsherr ist das einzelne Mitglied des -> Rates einer -> Stadt. Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980; Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Spieß, W., Die Ratsherren der Hansestadt Braunschweig 1231-1671, 2. A. 1970 Ratsurteil -> Ratsgerichtsbarkeit Ratsverfassung -> Rat Raub (lat. [F.] rapina) ist die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache mit Gewalt gegen einen Menschen oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben in der Absicht, sich dieselbe 616 rechtswidrig zuzueignen. Im Mittelalter gilt der R. als weniger verbrecherisch als der Diebstahl. Rechtsfolge ist meist die Enthauptung. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 49, 123, 158; Köbler, WAS; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Radbruch, G., Der Raub in der Carolina, FS M. Pappenheim, 1931, 37; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens, 1931, 482; Leesment, L., Pflugraub im Mittelalter, ZRG GA 58 (1938), 534; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951; Landmesser, M., Der Raub, Diss. jur. Mainz 1966; Küther, C., Räuber und Gauner in Deutschland, 1976; Danker, U., Räuberbanden im alten Reich, 1988; Lange, K., Gesellschaft und Kriminalität, 1994; Danker, U., Die Geschichte der Räuber und Gauner, 2001; Schüßler, M., Raubüberfälle auf Hansekaufleute, ZRG 120 (2003), 355 Raubehe ist die angeblich durch -> Raub einer -> Frau begründbare -> Ehe. Lit.: Hübner 626; Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883 Räuber -> Raub Lit.: Danker, U., Räuberbanden im alten Reich um 1700, 1988; Schurke oder Held?, hg. v. Siebenmorgen, H., 1995 Raubritter ist der im Spätmittelalter nach Verlust seiner Bedeutung im Heereswesen Raub als Unterhaltsgewinnungsmittel betreibende Ritter (z. B. Eppelein von Gailingen in Franken). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Rösener, W., Zur Problematik des spätmittelalterlichen Raubrittertums, FS B. Schwineköper, 1982, 469; Görner, R., Raubritter, 1987; Andermann, U., Ritterliche Gewalt und bürgerliche Selbstbehauptung, 1991; Raubritter, hg. v. Andermann, K, 1997 Ravanis -> Jacobus de Ravanis Ravenna im Mündungsdelta des Po ist im 5. Jh. Residenz des weströmischen Kaisers und seiner Nachfolger (u. a. Theoderichs des Großen). Vielleicht besteht dort im 11. Jh. eine Rechtsschule. 1440 gelangt R. an Venedig, 1509 an den Kirchenstaat und 1870 an -> Italien (1861). Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 1 2. A. 1834, 337; Deichmann, F., Ravenna, Bd. 1ff. 1969ff.; Storia di Ravenna, hg. v. Susini, G. u. a., Bd. 1ff. 1990ff.; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Ravensberg Lit.: Riepenhausen, H., Die bäuerliche Siedlung des Ravensberger Landes bis 1770, 1938 Ravensburg an der Schussen wird vielleicht schon vor 1276 Reichsstadt. Zwischen 1380 und 1530 ist R. Sitz der großen Ravensburger Handelsgesellschaft der Patrizier Humpiß, Mötteli und Muntprat, die Leinwandhandel im Süden und Westen Europas betreibt. Sie unterliegt am Beginn der Neuzeit der neueren Wirtschaftsgesinnung der Augsburger Kaufleute. Lit.: Heyd, W., Beiträge zur Geschichte des deutschen Handels, 1890; Schulte, A., Geschichte der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1ff. 1923, Neudruck 1964; Die älteren Stadtrechte der Reichsstadt Ravensburg, bearb. v. Müller, K., 1924; Rehme, P., Das rechtliche Wesen der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, ZRG GA 47 (1927), 487; Steiner, H., Das Familien- und Erbrecht der Stadt Ravensburg, Diss. jur. München 1959; Dreher, A., Geschichte der Stadt Ravensburg, 1972; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Eitel, P., Die große Ravensburger Handelsgesellschaft, 1985 Raymundus de Penyafort (Raimund von Peniaforte) (Villafranca de Penades bei Barcelona um 1180-Barcelona 6. 1. 1275), hochadliger Katalane, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Rechtslehrer in Bologna, Dominikaner und Pönitentiar an der Kurie, 1238 Generalmagister der Dominikaner. 1222/1229 verfasst er eine (lat.) Summa (F.) de casibus conscientiae (Summe über Fälle des Gewissens) bzw. Summa de poenitentia, mit der er die Entwicklung des Strafrechts beeinflusst, und 1230/1234 den die nachgrati- anischen -> Dekretalen der Päpste sammelnden (lat.) -> Liber (M.) extra. Lit.: Köbler, DRG 102; Schwertner, T., St. Raymond of Pennafort, 1935; Valls Taberner, F., San Ramon de Peniaforte, 1936; Kuttner, S., Zur Entstehungsgeschichte der Summa de casibus poenitentiae, ZRG KA 70 (1953), 419; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 287 Raymund von Wiener Neustadt (?) ist der unbekannte Verfasser einer (lat.) Summa (F.) legum brevis levis et utilis (Kurze, leichte und nützliche Gesetzessumme) des ausgehenden 13. oder frühen 14. Jh.s, die das römische Privatrecht, Staatsrecht, Strafrecht und Strafverfahrensrecht im dreigeteilten Schema von Personen, Sachen und Klagansprüchen 617 populär darstellt. Die Summe stammt vielleicht aus Italien (Neapel?). Die Mehrheit der in der Gegenwart bekannten 15 Handschriften ist im polnisch-slowakischen Gebiet erhalten, zu dem auch sachlich gewisse Bezüge bestehen könnten. Lit.: Tomaschek, J., Über eine in Österreich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts geschriebene Summa legum, 1883; Bartsch, R., Das eheliche Güterrecht in der Summa Raymunds von Wiener Neustadt, 1912; Die Summa legum brevis levis et utilis, hg. v. Gál, A., 1926 real (sachlich, körperlich, tatsächlich) Realfolium ist das für ein Grundstück unabhängig von der Person des jeweiligen Eigentümers angelegte Blatt des -> Grundbuches. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125 Realkontrakt -> Realvertrag Reallast ist die dingliche Belastung eines Grundstücks mit aus dem Grundstück zu entrichtenden wiederkehrenden Leistungen (z. B. Verköstigung). Sie ist zwar dem klassischen römischen und justinianischen Privatrecht unbekannt, findet sich aber im gesamten römischen öffentlichen Recht und auch im Frühmittelalter. Seit dem Spätmittelalter nähert sich die R. der Darlehenshypothek. In der frühen Neuzeit wird die R. teilweise als hypothekarisch gesichertes Forderungsrecht angesehen, teils als deutschrechtliche -> Dienstbarkeit. In Frankreich wird die mit feudalem Herrschaftsrecht zusammenhängende R. durch Dekret vom 17. 7. 1793 entschädigungslos aufgehoben. Im Gegensatz zum österreichischen Allgemeinen Bürgerli- chen Gesetzbuch (1811/2) nimmt das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) die R. als beschränktes dingliches Recht auf. Lit.: Kaser § 28 I 3; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 125, 213; Schwind, E. v., Die Reallastenfrage, Jh. Jb. f. d. Dogmatik 33 (1894), 1; Rehme, P., Die Lübecker Grundhauern, 1905; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961 real property (engl. [N.]) Liegenschaft, unbewegliche Sache Realteilung (F.) tatsächliche Aufteilung Realunion ist die verfassungsmäßig festgelegte Vereinigung zweier selbständiger Staaten unter einheitlichem Staatsoberhaupt und mit gemeinschaftlichen Einrichtungen bzw. Orga- nen (z. B. Norwegen-Island seit 1263, Österreich-Ungarn seit 1867, Norwegen- Schweden 1815, Dänemark-Island 1918). Lit.: Jellinek, G., Die Lehre von den Staatenverbindungen, 1882; Hatschek, J., Das Recht der modernen Staatenverbindung, 1909; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994 Realvertrag oder Realkontrakt ist im klassischen römischen Recht und dem ihm folgenden Rechten der durch Hingabe einer Sache erst wirklich zustande kommende -> Vertrag (Darlehen, Leihe, Verwahrung, Pfand). Lit.: Kaser § 38 II 1a; Köbler, DRG 45, 74, 91, 126, 208 Rebus sic stantibus omnis promissio intellegetur (lat.). Bei jedem Versprechen wird davon ausgegangen, dass die Umstände gleichbleiben werden. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Seneca, 4-65 n. Chr., De beneficiis 4, 34, 3-4, 35, Thomas von Aquin, 1225?-1274, Summa theologica 2, 2, 110, 3, rat. 5) receptum (lat. [N.]) Garantieerklärung (z. B. des Bankiers [r. argentarii], des Wirtes, des Schiffers oder des Stallwirtes) Lit.: Kaser §§ 37 III 2, 46 III; Köbler, DRG 47, 64 recessus (M.) imperii (lat.) Reichsabschied Rechnung ist der Vorgang und das Ergebnis des Erfassens und Behandelns von Gegebenheiten durch Zahlen. Lit.: Mersiowsky, M., Die Anfänge territorialer Rechnungslegung im deutschen Nordwesten, 2000; Die ältesten Rechnungsbücher des Klosters Scheyern 1339- 1363, hg. v. Toch, M., 2000; Weiss, S., Buchhaltung und Rechnungswesen des Avignoneser Papsttums (1316- 1378), 2003; Die Aachener Stadtrechnungen des 15. Jahrhunderts, bearb. v. Kraus, T., 2004 Rechnungshof ist das die Rechnung, die Wirtschaftlichkeit und die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsführung des Staates überprüfende staatliche Organ seit dem 19. Jh. Lit.: Städtehaushalt und Rechnungswesen, hg. v. Maschke, E. u. a., 1977; Brodersen, C., Rechnungs- prüfung für das Parlament in der konstitutionellen Monarchie, 1977; Zavelberg, H., 275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung, in: Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989, 43; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004 Rechnungsprüfung ist die Überprüfung einer Rechnungsgestaltung. Sie beruht auf der im 12. Jh. sich ausbildenden Rechnungslegung. Lit.: List, H., Die geschichtliche Entwicklung der Rechnungsprüfung, Diss. jur. Tübingen 1998; Mersiow- 618 sky, M., Die Anfänge territorialer Rechnungslegung, 1999 Recht (lat. ius [N.]) ist die menschliche, auf die Gerechtigkeit abstellende Sollensordnung (R. im objektiven Sinn) und der in ihr dem Einzelnen zustehende Anspruch (R. im subjektiven Sinn). Das R. ist ein Ergebnis des menschlichen Zusammenlebens. Es entsteht anfangs wohl regelmäßig aus der Sitte als dem Üblichen. Hinzu kommt zu einem unbekannten Zeitpunkt die bewusste Setzung (Gesetz, z. B. Codex Urnammu 2100 v. Chr.), Codex -> Hammurapi des babylonischen Königs Hammurapi [1728-1686 v. Chr.]?, Lykurg, Solon, Drakon, -> Zwölftafelgesetz in Rom 451/450 v. Chr.). In Rom erfolgt die Auslegung des Gesetzes wegen der Nähe von R. und Religion zuerst durch Priester, danach durch den rechtswissenschaftlich gebildeten Fach- mann (-> Juristen). Verstanden wird diese Tätigkeit als (lat.) ars (F.) boni et aequi (Kunst des Guten und Gerechten, Celsus filius 129 n. Chr.). Der oströmische Kaiser -> Justinian (527-565) fasst am Ende der spätrömischen Zeit das römische R. in -> Institutionen, -> Codex und -> Pandekten (sowie -> Novellen) zusammen. Das R. der Germanen ist ungeschrieben und wohl weitgehend durch Übung entstanden. Auf einen Rechtsgott wird es ebensowenig zurückgeführt wie in Rom. Als Gemenge von hergebrachten Sätzen (-> Weistümer) und neuen Beschlüssen (-> Konstitutionen) zeichnen die von den Germanen abstammenden Einzelvölker nach dem Vorbild der Römer und der Kirche ihr R. in den sog. -> Volksrechten zwischen dem 5. und 9. Jh. auf. Dieses R. muss nicht notwendig alt und gut sein, obwohl es vielfach alt und anerkannt ist. Seit dem 12. Jh. wird das R. nicht mehr personal, sondern territorial bestimmt (-> Landrecht, -> Stadtrecht). Neben das partikulare R. tritt das allgemeine (-> gemeine) R. (kirchliches R., wiederentdecktes römisches R.). Seit dem Spätmittelalter wird dieses -> gelehrte R. fast überall teilweise aufgenommen, an die zeitgenössischen Bedürfnisse (lat. usus [M.] modernus, moderner Gebrauch) angepasst und geordnet. Seit dem 17. Jh. wird es verstärkt auf seine Natürlichkeit bzw. Vernünftigkeit überprüft (-> Vernunftrecht, säkulares -> Naturrecht). Im Ergebnis wird es vielfach in nationalen Gesetzbüchern festgelegt (Preußen 1794, Frankreich 1804ff., Österreich 1811/- 1812, Spanien 1829ff., Italien 1865ff., Deutschland 1871ff.). Bis zur Gegenwart steigt die Flut rechtlicher Regelungen auf allen Ebenen (Vereinte Nationen, Europa, Staat, Provinz/Region/Land, Kommune usw.) ins Unüberschaubare an (Deutschland 1996 ca. 85000 bundesgesetzliche Regelungen). Vorrangige Bedeutung erlangt dabei die -> Verfassung. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 1, 3, 14, 29, 47, 51, 69, 79, 108, 113, 137, 140, 149, 180, 191, 205, 226, 229, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231; Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Z. f. geschichtliche Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Puchta, G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff., Neudruck 1965; Kern, F., Über die mittelalterliche Anschauung vom Recht, HZ 115 (1916), 496; Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Müller, G., Recht und Staat in unserer Dichtung, 1924; Holland, T., The elements of jurisprudence, 13. A. 1924; Stammler, R., Deutsches Rechtsleben, B. 1f. 1928ff.; Rehfeldt, B., Die Vergeistigung des Rechtes, ZRG GA 67 (1950), 373; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Rehfeldt, B., Die Wurzeln des Rechtes, 1951; Odenheimer, J., Der christlich-kirchliche Anteil an der Verdrängung der mittelalterlichen Rechtsstruktur und an der Entstehung der Vorherrschasft des staatlich gesetzten Rechts im deutschen und französischen Rechtsgebiet, 1957; Krause, H., Dauer und Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht, ZRG GA 75 (1958), 206; Schönfeld, W., Über die Heiligkeit des Rechts, 1957; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H., 4. A. 1962; Sawer, G., Law in Society, 1965; Hattenhauer, H., Zur Autorität des germanisch-mittelalterlichen Rechtes, ZRG GA 83 (1966), 258 (Antrittsvorlesung); Kaser, M., Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, 337; Böckenförde, E., Der Rechtsbegriff, Archiv f. Begriffsgesch. 12 (1968), 145; Zippelius, R., Das Wesen des Rechts, 2. A. 1969; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Schmelzeisen, G., Objektives und subjektives Recht ­ zu ihrem Verhältnis im Mittelalter, ZRG GA 90 (1973), 101; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; NS-Recht in historischer Perspektive, 1981; Gmür, R., Rechtswirkungsdenken in der Privatrechtsgeschichte, 1981; Schlosser, H., Rechtsgewalt und Rechtsbildung im ausgehenden Mittelalter, ZRG GA 100 (1983), 9; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Das römische 619 Recht im Mittelalter, hg. v. Schrage, E., 1986; Grimm, D., Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987; Würtenberger, T., Zeitgeist und Recht, 1987; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Henke, W., Recht und Staat, 1988; Rüthers, B., Entartetes Recht, 2. A. 1989; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten, hg. v. Schulze, R., 1992; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts, 1993; Recht und Verfahren, hg. v. Kroeschell, K., 1993; Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechts- geschichte, ZRG GA 111 (1994), 275; Kroeschell, K., Der Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 315; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Gaudemet, J., Les naissances du droit, 1997; Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, Bd. 1, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Diestelkamp, B., Recht und Gericht im heiligen römischen Reich, 1999; Blanke, H., Das Recht als Mittel der Machtpolitik, 2002; Rechtsbegriffe im Mittelalter, hg. v. Cordes, A. u. a., 2002; Rudolph, H., Rechtskultur in der frühen Neuzeit, HZ 278 (2004) 347; Uertz, R., Vom Gottesrecht zum Menschenrecht ­ Das katholische Staatsdenken in Deutschland (1789-1965), 2005 Recht am Bild ist im 20. Jh. ein -> Persönlichkeitsrecht eines Menschen an den von ihm angefertigten Abbildungen. Lit.: Kroeschell, DRG 3 Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist im deutschen Recht der Gegenwart ein absolut geschütztes Recht des § 823 I BGB. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Recht und Dichtung Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Fehr, H., Die Dichtung im Recht, 1936; Schmidt-Wiegand, R., Recht und Dichtung, HRG, Bd. 4 1985, 232 Rechtliches Gehör ist die rechtmäßige Anhörung eines Betroffenen. Die bereits dem griechischen (attischen) Verfahren im Altertum bekannte Notwendigkeit des rechtlichen Gehöres für ein einwandfreies Entscheidungs- verfahren wird schon bei Seneca (4 v. Chr.-65 n. Chr., lat. audiatur et altera pars, es werde auch die andere Seite gehört) betont. Als eigenständiger Grundsatz tritt das rechtliche Gehör erst im Gefolge der Aufklärung hervor. Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Rüping, H., Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, 1976, 12; Wacke, W., Audiatur et altera pars, Jur. Arbeitsblätter 12 (1980), 594 Rechtlosigkeit ist das Fehlen der -> Rechtsfähigkeit. Die R. ist in gewissem Umfang Begleiterscheinung der ständischen Verschiedenheit vom Altertum bis ins 19. Jh. (Frankreich 1789 egalité). Lit.: Kaser; Hübner § 14; Budde, J., Über Rechtlosigkeit, Ehrlosigkeit und Echtlosigkeit, 1842; Schröder, H., Die Rechtlosigkeit der Frau im Rechtsstaat, 1979 Rechtsaltertum ist die sinnlich erkennbare Erscheinung vergangenen Rechts (Gegenstände, Symbole, Quellen, Institute). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1992, 1994; Koch, E., Rheinhessische Rechtsaltertümer, 1939; Höfel, O., Rechtsaltertümer Rheinhessens, 1940; Amira, K. v., Germanisches Recht, 4. A., Bd. 2, ergänzt v. Eckhardt, K., 1967; Oestmann, P., Germanisch- deutsche Rechtsaltertümer im Barockzeitalter, 2000 Rechtsanwalt ist der unabhängige fachmännische Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Er ist rechtswissen- schaftlich geschult. Er erscheint seit dem 12. Jh., wobei zeitweise zwischen -> Advokat und -> Prokurator unterschieden wird. Im Gegensatz zum -> Fürsprecher ist er Vertreter in der Sache. Nach Freigabe der Rechtsanwaltschaft 1879 entwickelt sich der Rechtsanwaltsberuf zumal in Berlin zu einer klassisch jüdischen Profession (1933 54 Pro- zent jüdische Rechtsanwälte in Berlin). Im 20. Jh. nimmt die Zahl der Rechtsanwälte entsprechend der Zunahme der Studierenden der Rechtswissenschaft (Erstsemester 1960 3173, 1970 6703, 1980 14446, 1990 15953, 2000 18455) stark zu (Deutschland 1960 18720, 1970 23599, 1980 37314, 1990 59455, 2000 110367). Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Hachenburg, M., Lebenserinnerungen eines Rechtsanwalts, 1927; Kollmann, Zur Entwicklung des Ausbildungs- und Prüfungswesens, FS Laforet, 1952, 445; Dübi, A., Die Geschichte der bernischen Anwaltschaft, 1955; Huffmann, H., Geschichte der rheinischen Rechtsanwaltschaft, 1969; Heinrich, R., 100 Jahre Rechtsanwaltskammer München, 1979; Ostler, F., Die deutschen Rechtsanwälte 1871-1971, 2. A. 1982; Entstehung und Quellen der Rechtsanwaltsordnung von 1878, hg. v. Schubert, W., 1985; König, S., Vom Dienst am Recht, 1987; Holly, G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte, 1989; Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Die 620 Geschichte des deutschen Anwaltsvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Rechtsanwälte und ihre Selbstverwaltung, hg. v. d. Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, 1998; Neschwara, C., Die Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Roth, C., Der Weg zu einem einheitlichen anwaltlichen Berufsrecht im wiedervereinigten Deutschland, Diss. jur. Regensburg 1999; Fortitudo temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000; Officium advocati, hg. v. Mayali, L. u. a., 2000; Schümann, D., Ein Beitrag zur Geschichte der mecklenburgischen Anwaltschaft, 2000; Königseder, A., Recht und nationalsozialistische Herrschaft ­ Berliner Anwälte 1933-1945, 2001; Wrabetz, P., Österreichs Rechtsanwälte, 2004; Wettmann-Jungblut, P., Rechtsanwälte an der Saar 1800-1960, 2004; Brunn, H./Kirn, T., Rechtsnwälte ­ Linksanwälte 1971-1981, 2004 Rechtsanwendung (Zuordnung oder Zurechnung von einzelnen Sachverhalten zu allgemeinen Tatbeständen, -> Subsumtion) ist die bewertende Anwendung der abstrakten Rechtssätze auf konkrete Sachverhalte. Sie entsteht mit den Anfängen von Rechtsvorstellungen. Sie erfolgt durch jedermann, insbesondere durch Urteiler und fachlich Vorgebildete. Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977; Eckert, J., Gesetzesbegriff und Rechtsanwendung, Der Staat 1998, 571; Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005 Rechtsarchäologie ist die bewusste Beschäftigung mit den Gegenständen des vergangenen Rechts (Örtlichkeiten, Geräten, Darstellungen, Handlungen [str.]). Die R. wird bereits im 17. Jh. sichtbar. Am nachdrücklichsten ist sie wissenschaftliches Untersuchungsobjekt bei Karl von -> Amira. Lit.: Köbler, DRG 5; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Funk, W., Deutsche Rechtsdenkmäler, 1938; Frölich, K., Mittelalterliche Bauwerke als Rechtsdenkmäler, 1939; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Möller, T., Sühne- und Erinnerungsmale in Schleswig- Holstein, Nordelbingen 17/18 (1942), 89; Funk, W., Speer, Pfandschaub, Kreuz und Fahne, ZRG GA 65 (1947), 297; Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege im niederdeutschen Bereich, 1946; Frölich, K., Denkmäler mittelalterlicher Strafrechtspflege, 1946; Frölich, K., Rechtsdenkmäler des deutschen Dorfes, 1947; Baltl, H., Rechtsarchäologie des Landes Steiermark, 1957; Hopf, H., Studien zu den Bildstöcken in Franken, 1970; Forschungen zur Rechtsarchäologie und zur rechtlichen Volkskunde, Bd. 1ff. 1978ff.; Carlen, L., Rechtsarchäologie in der Schweiz, FS H. Baltl, 1978; Maisel, W., Archeologia prawna polski, 1982; Schild, W., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1989; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Maisel, W., Rechtsarchäologie Europas, 1992; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Rechtsarchäologie und Rechtsikonographie, hg. v. Win, P. de, 1992; Carlen, L., Sinnenfälliges Recht, 1995 (Aufsätze); Bilder, Texte, Rituale, hg. v. Schreiner, K. u. a., 2000 Rechtsbehelf Lit.: Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985 Rechtsbesitz ist der Besitz eines Rechtes. Seine Möglichkeit hängt ab von dem Verständnis des -> Besitzes. Dort wo dieser nur die tatsächliche Herrschaft über körperliche Gegenstände (Sachen [im körperlichen Sinn]) betrifft, ist R. systemwidrig. Lit.: Köbler, DRG 162; Wesener, G., Zur Dogmengeschichte des Rechtsbesitzes, FS W. Wilburg, 1975, 453; Graff, J., Die Lehren vom Rechtsbesitz, Diss. jur. Köln 1983; Beermann, C., Besitzschutz bei beschränkten dinglichen Rechten, 2000 Rechtsbeugung ist die mindestens bedingt vorsätzliche falsche Anwendung oder Nichtanwendung von Recht durch einen Richter, anderen Amtsträger oder Schiedsrichter bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei. Im römischen Recht ist dies ein Fall des (lat. [N.]) falsum, das eine Strafe nach sich zieht. Im Mittelalter werden Rechtsweigerung und R. nicht klar getrennt, so dass als Folge vielfach nur ein verfahrensrechtlicher Rechtsbehelf gewährt wird. Ein besonderer Straftatbestand des Amtsverbrechens der R. wird erst von Martin 1825 gefordert. Bis zur Mitte des 19. Jh.s setzt er sich trotz geringer tatsächlicher Bedeutung durch. Seit 2003 haftet der Staat für die europarechtswidrige Rechtsanwendung seiner Höchstgerichte, die beispielsweise ein Vorabentscheidungsverfahren einleiten, nach einer eindeutigen Zwischenauskunft des 621 Europäischen Gerichtshofs ihr Vorabentschei- dungsersuchen zurücknehmen und trotz einer eindeutigen Stellungnahme der Europäischen Kommission überraschend gegen die Zwi- schenauskunft des Europäischen Gerichtshofs entscheiden (z. B. C-224/2001). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Martin, C., Lehrbuch des deutschen gemeinen Kriminalrechts, Bd. 1f. 1821ff.; Cohn, G., Die Verbrechen im öffentlichen Dienst, 1876; Stock, U., Entwicklung und Wesen des Amtsverbrechens, 1932; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Schmidt-Speicher, U., Hauptprobleme der Rechts- beugung, 1982; Spendel, G., Rechtsbeugung durch Rechtsprechung, 1984; Kraut, G., Rechtsbeugung, 1997; Möller-Heilmann, B., Die Strafverfolgung 1999; Hohoff, U., An den Grenzen des Rechtsbeugungstatbestandes, 2000 Rechtsbuch ist das das Recht betreffende Buch bzw. die (umfassende) Aufzeichnung des geltenden Rechts (durch eine Privatperson) (rechtbuk [= mnd. rechtbk] Berliner Stadtbuch 1397). Das R. ist insbesondere im Hochmittelalter und Spätmittelalter bedeutsam, in denen es die durch spärliche Gesetzgebungstätigkeit gelassene Lücke füllt. Das R. ist nur Rechtserkenntnisquelle. Bekannte Beispiele sind die (lat.) Constituta (N.Pl.) usus et legis bzw. Constitutum (N.) usus von Pisa (Mitte 12. Jh.), der Liber feudorum, der -> Sachsenspiegel, -> Deutschenspiegel, -> Schwabenspiegel, das Kleine Kaiserrecht, das Eisenacher R., das Freisinger R., das Görlitzer R., das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch oder das Zwickauer R., die -> Coutumes, die -> Fueros, die -> Siete Partidas, der (lat.) Liber legis Scaniae, -> Gragas, -> Ostgötalagh, -> Westgötalagh oder die Werke des Ranulf de -> Glanvill und des Henry de -> Bracton. Teilweise werden auch das (lat.) Corpus (N.) iuris civilis oder einzelne römischrechtliche Werke (Florentiner R., Tübinger R.) als R. verstanden. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 102; Siegel, H., Die deutschen Rechtsbücher, 1899; Homeyer, G., Die deutschen Rechtsbücher, neu bearb. v. Borchling, C./Eckhardt, K./Gierke, J. v., Abteilung 2 Verzeichnis der Handschriften 1931, Abteilung 1 Verzeichnis der Rechtsbücher, bearb. v. Eckhardt, K., 1934; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1ff. 1990; Oppitz, U., Ergänzungen zu ,,Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters", ZRG GA 113 (1996), 345, 114 (1997), 444, 117 (2000), 607, 640 (Päsler, Ralf G.), 120 (2003), 371 (Oppitz, U.); Schmidt-Wiegand, R., Rechtsbücher als Ausdruck pragmatischer Schriftlichkeit, Frühmittelalterliche Studien 37 (2003), 435 Rechtsbuch nach Distinktionen -> Meißener Rechtsbuch Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung -> Weichbild Rechtseinheit ist die Einheit des geltenden Rechts in einem bestimmten Gebiet. -> Kodifikationsstreit Lit.: Söllner § 1; Hübner 24; Kroeschell, DRG 3; Getz, H., Die deutsche Rechtseinheit im 19. Jahrhundert, 1966; Wrobel, H., Die Kontroverse Thibaut/Savigny im Jahre 1814 und ihre Deutung in der Gegenwart, 1975; Baldus, M., Die Einheit der Rechtsordnung, 1995; Koch, E., 10 Jahre deutsche Rechtseinheit, 2001; Schöler, C., Deutsche Rechtseinheit ­ partikulare und nationale Gesetzgebung (1780-1866), 2004 Rechtsentscheid ist in Deutschland seit 1990 die Entscheidung des Oberlandesgerichts oder Bundesgerichtshofs in Wohnraummietvertragsrechtsfragen bei Abweichungswillen eines Landgerichts von der Rechtsprechung der Obergerichte. Lit.: Willingmann, A., Rechtsentscheid, 2000 Rechtsenzyklopädie ist die umfassende Darstellung des Rechtes in alphabetisch oder systematisch geordneter Form. Sie erscheint seit dem Spätmittelalter (-> Durantis, W., Speculum iuris [Rechtsspiegel], E. 13. Jh., -> Lagus, K., Iuris utriusque methodica traditio [Methodische Behandlung beider Rechte], 1543, -> Gothofredus, J., Manuale iuris [Rechtshandbuch], 1654, Hunnius, H., Encyclopaedia universi iuris [Enzyklopädie des gesamten Rechts], 1642ff. u. a.). Eine wissenschaftliche Grundlegung erfährt sie durch -> Leibniz (Nova methodus discendae docendaeque iurisprudentiae, Neue Methode des Lernens und Lehrens der Rechtswis- senschaft, 1667). Auf ihr bauen die entsprechenden Werke von -> Nettelbladt (1749), -> Pütter (1757), Reitemeier (1785) und -> Hugo (1792) auf. Seit dem 19. Jh. tritt die R. zu Lasten des Rechtsüberblicks der Studierenden wieder zurück. Lit.: Ortloff, H., Die Encyclopädie der Rechtswissenschaft, 1857; Buschmann, A., 622 Enzyklopädie und Jurisprudenz, Archiv f. KG. 51 (1969), 296; Volk, K., Die juristische Enzyklopädie des Nikolaus Falck, 1970; Enzyklopädien der frühen Neuzeit, hg. v. Eybl, F. u. a., 1995; Mohnhaupt, H., Methode und Ordnung der Rechtsdisziplinen und ihrer Hilfswissenschaften in den Rechtsenzyklopädien, ZNR 1999, 85 Rechtserkenntnisquelle ist die Rechtserkenntnis ermöglichende Quelle (z. B. - > Rechtsbuch). Sie bringt nicht notwendigerweise neues Recht zur Entstehung. Lit.: Köbler, DRG 4, 80, 82 Rechtsethnologie ist die vergleichende rechtliche Volkskunde, die aus dem Vergleich einzelner tatsächlicher Rechtskulturen allgemeine rechtliche Entwicklungsregeln er- schließen und nach Möglichkeit dadurch rechtsgeschichtliche Überlieferungslücken schließen will. Lit.: Bibliographische Einführung in die Rechtsgeschichte und Rechtsethnologie, hg. v. Gilissen, J. u. a. (Bd. Deutschland 1970, Österreich 1979, Schweiz/Suisse 1963); Roberts, S., Ordnung und Konflikt, 1981; Schulze, R., Das Recht fremder Kulturen, Hist. Jb. 110 (1990), 446 Rechtsetzung ist die bewusste Setzung von Recht durch ein willensgetragenes Verhalten. Der wichtigste Fall der R. ist die Gesetzgebung. Lit.: Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von 1594, 1973; Lillig, K., Rechtssetzung im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1985 Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit einer Person, Träger von Rechten (z. B. Eigentum) und Pflichten (z. B. Steuerschuld) zu sein. Eine allgemeine gleiche R. ist bis in das 19. Jh. nicht anerkannt. Vielmehr sprechen alle ständischen Gesellschaften Rechte in unterschiedlicher Weise zu oder ab. Im Laufe des 19. Jh.s setzt sich die Vorstellung der allgemeinen gleichen R. aller Menschen von der Geburt bis zum Tod (hilfsweise bis zur Todeserklärung) aber durch. Daneben wird auch die R. der juristischen Person allgemein anerkannt. Lit.: Kaser § 13 I, II; Hübner 50ff.; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 160, 167, 206, 207, 238; Ostheim, R., Zur Rechtsfähigkeit von Verbänden, 1967; Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit der Vereine, 1976; Jobbágyi, G., Die Rechtsfähigkeit und das Lebensrecht des Embryos im ungarischen Recht, ZRG GA 110 (1993), 513; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände im Wechsel der Rechtsordnung, ZRG GA 116 (1999), 314 Rechtsfindung Lit.: Kroeschell, K., Rechtsfindung, FS Hermann Heimpel Bd. 3, 1972, 498; Schmelzeisen, G., Rechtsfindung im Mittelalter, ZRG GA 91 (1974), 73 Rechtsfolge ist die vom Recht an ein Verhalten (-> Tatbestand bzw. Sachverhalt) geknüpfte Folge. Sie ergibt sich aus dem Aufbau des Rechtssatzes als einer bewehrten Sollensregel. Im Rechtssatz wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen (Tatbestand, Sachverhalt) eine bestimmte R. eintreten soll. Lit.: Kaser § 1ff.; Hübner; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges, 1913 Rechtsgang ist die ältere wissenschaftliche Bezeichnung für das an einen Unrechtserfolg anschließende -> Verfahren im germanischen und frühmittelalterlichen Recht. Lit.: Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Ziekow, J., Recht und Rechtsgang, 1986 Rechtsgeltungsquelle ist die Quelle dafür, dass etwas als Recht gilt. Rechtsgeltungsquellen sind bereits im altrömischen Recht -> Gesetz und -> Gewohnheit(srecht). Im klassischen römischen Recht stehen Volksgesetze, Plebiszite und Senatuskonsulte sowie die praktische Rechtspflege durch die Prätoren nebeneinander, zu denen die -> Auslegung durch die Juristen hinzukommt. Seit der Zeitenwende bildet sich daneben eine unmittelbare Rechtssetzung des Prinzeps in Entscheidungen (lat. [N.Pl.] decreta), Antworten (rescripta) und Dienstanweisungen (mandata) heraus, die bald als gesetzesgleich (lat. [F.Pl.] constitutiones) gelten. Im spätantiken Recht richtet der Herrscher Konstitutionen als Erlasse an das Volk oder den Senat oder als Anordnung an einzelne Amtsträger. Bei den Germanen wie im Frühmittelalter steht das Gewohnheitsrecht im Vordergrund, ohne dass Rechtssetzung ausgeschlossen ist. Seit dem Hochmittelalter wird das Gesetz immer bedeutsamer. Lit.: Köbler, DRG 4 u. a. Rechtsgeographie Lit.: Merk, W., Wege und Ziele der geschichtlichen Rechtsgeographie, FS Traeger, 1926 Rechtsgeschäft ist ein auf dem Parteiwillen aufbauender Gesamttatbestand, der einen mit einer Willenserklärung angestrebten 623 Rechtserfolg herbeiführt. Das R. entsteht mit der Ausbildung von Verkehrsgeschäften (Tausch, Gabe). Als rechtswissenschaftliche Grundfigur des Privatrechts wird es erst am Beginn des 19. Jh.s erfasst. Es gibt einseitige Rechtsgeschäfte (z. B. Auslobung, Kündigung, Erbeinsetzung) und zweiseitige Rechtsge- schäfte (z. B. Vertrag). Lit.: Kaser § 5 I; Hübner 10, 521; Köbler, DRG 164, 208, 238, 266; Krampe, C., Die Konversion des Rechtsgeschäfts, 1980; Müller, M., Die Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte, 1989; Scheerer, B., Die Abgrenzung des Rechtsgeschäfts, 1990; Repgen, T., Die Kritik Zitelmanns an der Rechtsgeschäftslehre des ersten Entwurfs, ZRG GA 114 (1997), 73 Rechtsgeschichte ist die (Lehre von) vergangene(n) rechtliche(n) Sollensord- nung(en). Ein rechtsgeschichtlicher Abriss findet sich bereits bei -> Pomponius (Mitte 2. Jh. n. Chr.). Auch einige Prologe der Volksrechte liefern Nachrichten über die Rechtsentwicklungen. Rechtsgeschichtliche Überblicke des Spätmittelalters sind nicht erhalten. Die erste R. bietet -> Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius) 1515 (lat. Historia [F.] iuris, Rechtsgeschichte). Für das deutsche Recht bildet Hermann -> Conrings (lat.) De origine iuris Germanici (1643, Vom Ursprung des deutschen Rechts) den Beginn der eigenen nationalen (deutschen) Rechtsgeschichte neben der römischen Rechtsgeschichte und der kirchlichen Rechtsgeschichte. In der Folge sind besonders -> Eichhorn (Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1808ff.) und -> Brunner (Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A. 1906, 1928, Neudruck 1958/61) für die deutsche, von der römischen Rechtsgeschichte und der kirchlichen Rechtsgeschichte grund- sätzlich getrennte Rechtsgeschichte hervorzu- heben. 1935 werden in der Absicht einer im Ergebnis verfehlten Studienreform die Privatrechtsgeschichte der Neuzeit und die -> Verfassungsgeschichte der Neuzeit aus der allgemeinen Rechtsgeschichte ausgesondert, finden danach aber überwiegend wieder zurück. Seit etwa 1975 wird eine besondere juristische -> Zeitgeschichte aus naheliegenden Gründen gefordert. Nicht zuletzt als Folge dieser vielfältigen Differenzierung verfällt die Rechtsgeschichte als juristischen Lehrfach. Die erste sämtliche Teile der R. knapp als Einheit zusammenfassende Darstellung stammt von Gerhard Köbler (5. A. 1995, 6. A. 2005). Die erste europäische Rechtsgeschichte ist von Hans Hattenhauer verfasst (1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004). Lit.: Söllner § 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 1, 3, 7, 30, 142; Roth, P., Die rechtsgeschichtlichen Forschungen seit Eichhorn, ZRG 1 (1861); Taranowsky, Leibniz und die sogenannte äußere Rechtsgeschichte, ZRG GA 27 (1906), 190; Moeller, E., Die Trennung der deutschen und der römischen Rechtsgeschichte, 1905; Frensdorff, F., Das Wiedererstehen des deutschen Rechts, ZRG GA 29 (1908), 1; Vinogradoff, P., Outlines of Historical Jurisprudence, Bd. 1f. 1920ff.; Schwerin, C. Frhr. v., Einführung in das Studium der germanischen Rechtsgeschichte, 1922; Hübner, R., Wert und Bedeutung der Vorlesung über deutsche Rechtsgeschichte, 1922; Stutz, U., Alfons Dopsch und die deutsche Rechtsgeschicht, ZRG GA 46 (1926), 331; Smith, M., A general view of European legal history, 1927; Smith, M., The Development of European Law, 1928; Decugis, H., Les étapes du droit, 1942; Mitteis, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 1949(, Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992); Dulckeit, G., Philosophie der Rechtsgeschichte, (1950); Planitz, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 1950, 2. A. 1960, 3. A. 1971; Planitz, H./Buyken, T., Bibliographie zur deutschen Rechtsgeschichte, 1952; Zur deutschen Rechtsgeschichte des 18., 19. und 20. Jahrhunderts, Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 18 (1968), 375; Marxistische Beiträge zur Rechtsgeschichte, hg. v. Abteilung Staats- und Rechtsgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin, 1968; Repertorium bibliographicum, hg. v. Feenstra, R., 1969, Supplementum 1975, 2. A. 1980; Hattenhauer, H., Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des deutschen Rechts, 1971, 4. A. 1996; Sjöholm, E., Rechtsgeschichte als Wissenschaft und Politik, 1972; Paradisi, B., Apologia della storia giuridica, 1973; Coing, H., Aufgaben des Rechtshistorikers, 1976; Ebel, F./Thielmann, G., Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 3. A. 2003; Rechtsgeschichte und quantitative Geschichte, hg. v. Ranieri, F., 1977; Köbler, G., Rechtsgeschichte 1977, Deutsche Rechtsgeschichte 6. A. 2005; Gilissen, J., Introduction historique au droit, 1979; Cavanna, A., Storia del diritto moderno in Europa, 1979; Horváth, P., Vergleichende Rechtsgeschichte, 1979; Senn, M., Rechtshistorisches Selbstverständnis im Wandel, 1982; Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts und die Fachtradition der deutschen 624 Rechtsgeschichte, ZRG GA 101 (1984), 1; Robinson, O. u. a., An Introduction to European Legal History, 1985; Köbler, G., Wege deutscher Rechtsgeschichte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 182; Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, hg. v. Stolleis, M. u. a., 1989; Ebel, F./Thielmann, G., Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1989ff.; Köbler, G., Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, in: Geschichtliche Rechtswissenschaft: Ars tradendo innovandoque aequitatem sectandi, hg. v. Köbler, G. u. a., 1990, 207ff.; Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991; Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991; Caenegem, R. van, Legal History, 1991; Hattenhauer, Hans, Europäische Rechtsgegeschichte 1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Robinson/Fergus/Gordon, European Legal History, 2. A. 1994; Hoke, R., Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1996; Kroeschell, K., Der Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 310; Die deutsche Rechtsgeschichte in der NS- Zeit, hg. v. Rückert, J. u. a., 1995; Nunnweiler, A., Das Bild der deutschen Rechtsvergangenheit, 1996; Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechtsge- schichte im Wandel der Forschung, ZRG GA 111 (1994), 275; Senn, M., Rechtsgeschichte, 1997, 2. A. 1999, 3. A. 2003; Norm und Tradition, hg. v. Caroni, P. u. a., 1998; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Bader, K./Dilcher, G., Deutsche Rechtsgeschichte, 1999; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Lupoi, M., The Origins of the European Legal Order, 2000; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 2. A. 2001; Kunkel, W./Schermaier, M., Römische Rechtsge- schichte, 13. A. 2001; Het nut van rechtsgeschiedenis, hg. v. Heirbaut, D./Lambrecht, D., 2000; Rechtsgeschichtswissenschaft in Deutschland 1945- 1952, hg. v. Schröder, H. u. a., 2001; Meder, S. Rechtsgeschichte, 2002, 2. A. 2005; Hense, T., Konrad Beyerle, 2002; Der praktische Nutzen der Rechtsgeschichte, hg. v. Eckert, J., 2003; Fasel, U., Repetitorium zur Rechtsgeschichte, 2004; Dürselen, F., Franz Beyerle (1885-1977), 2005; Caroni, P., Die Einsamkeit des Rechtshistorikers, 2005; Senn, M./Thier, A., Rechtsgeschichte III. Textinterpretationen, 2005; Die zeitliche Dimension des Rechts, hg. v. Pahlow, L., 2005 Rechtsgewohnheit ist nach einer am Ende des 20. Jh.s ausgebildeten Ansicht die rechtlich bedeutsame, aber noch nicht zum Recht gewordene Gewohnheit als Vorstufe des -> Gewohnheitsrechts im Mittelalter. Lit.: Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1992 Rechtsgut ist das durch Straftatbestände geschützte rechtliche Gut des Menschen. Der Begriff wird nach Feuerbachs Ausrichtung des Verbrechens auf die Verletzung subjektiver Rechte zwischen 1820 und 1840 von Birnbaum im Kern entwickelt (Gut als Verbrechens- objekt). Karl Binding weist dem R. eine zentrale Stellung im Strafrecht zu und Franz von Liszt macht es zum Mittelpunkt seiner evolutionistisch geformten Rechtslehre. Lit.: Sina, P., Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs ,,Rechtsgut", 1962; Würtenberger, T., Das System der Rechtsgüterordnung in der deutschen Strafgesetzgebung seit 1532, 1973 Rechtshängigkeit ist das Schweben einer Streitsache in einem Urteilsverfahren. Die R. ist bereits dem altrömischen Recht bekannt, in dem mit der Streiteinsetzung (lat. -> litis contestatio [F.]) der Parteien durch den Magistrat diese sich dem Spruch des Richters unterwerfen und ein zweiter Streit über das geltend gemachte Recht ausgeschlossen ist. Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 44 Rechtshilfe ist die Hilfe, die von Gerichten und von Verwaltungsbehörden gegenüber Gerichten im Hinblick auf eine Tätigkeit der Rechtspflege geleistet werden kann. Sie ist bereits dem Altertum bekannt. Im Hochmittelalter und Spätmittelalter erfolgt sie einigermaßen unförmlich auf Grund von Vereinbarungen oder Gewohnheiten. In der frühen Neuzeit wird sie innerhalb desselben Staates selbstver- ständlich. Gesetzlich geregelt wird sie 1869 für den Norddeutschen Bund und 1874 für das Deutsche Reich. Darüber hinaus wird 1958 das Haager Abkommen über den Zivilprozess geschlossen. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird der Zivilprozess überhaupt an einzelnen Stellen vereinheitlicht. Lit.: Endemann, W., Die Rechtshilfe, 1869 Rechtsirrtum ist der Irrtum über die bestehende Rechtslage (z. B. über ein rechtliches Verbot). Bereits das römische Recht berücksichtigt den R. weniger stark als den Irrtum über eine Tatsache. Dies wird im Hochmittelalter von den Juristen fortgeführt, während die Moraltheologen auf die tatsächliche Kenntnis einer Vorschrift abstellen. Auch die neuzeitlichen 625 Kodifikationen halten insgesamt an der Schlechterstellung des Rechtsirrtums fest. Im deutschen Strafrecht der Gegenwart wird die Einsichtsfähigkeit des Täters berücksichtigt. Lit.: Kaser §§ 8 II 4, 26 II 3; Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965, 41; Lichti, J., Der Rechtsirrtum, 1950; Mayer-Maly, T., Error iuris, in: Ius humanitatis, hg. v. Miehsler, H. u. a., 1980, 147; Winkel, L., Error iuris nocet, 1983 Rechtskraft ist formell die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung, materiell die Maßgeblich- keit des Inhalts einer Entscheidung. Bereits das römische Recht kennt mit der Mehrstufigkeit des Verfahrens die formelle R. Wieweit das Mittelalter sich der Vorstellung der R. bewusst ist, ist zweifelhaft. Erst mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird die R. deutlich sichtbar. Die materielle R. setzt sich nur allmählich in der Neuzeit durch. Im Dritten Reich wird die R. teilweise zu Lasten Angeklagter eingeschränkt. Lit.: Kaser §§ 84 II 3a, 87 II 7b; Köbler, DRG 56; Gál, A., Rechtskraft des fränkischen Urteils?, ZRG GA 33 (1912), 315; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 367; Gaul, H., Die Entwicklung der Rechtskraftlehre seit Savigny, FS W. Flume, Bd. 1 1978, 443; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986 Rechtsmangel ist die Nichterfüllung der Verpflichtung, einen Gegenstand frei von Rechten Dritter zu verschaffen. Bereits im klassischen römischen Recht muss der Verkäufer (bei -> Entwerung des Käufers) dafür einstehen, dass die Sache nicht von Dritten auf Grund eines Rechtes herausverlangt werden kann und deswegen gegebenenfalls den doppelten Kaufpreis (lat. [N.] duplum) leisten. Im Hochmittelalter muss der Verkäufer den Käufer gegen Ansprüche Dritter auf die verkaufte Sache schirmen und damit gegen Rechtsmangel Gewähr leisten, andernfalls den Kaufpreis erstatten und teilweise noch eine Buße erbringen. Seit dem Ende des 18. Jh.s wird der Verkäufer verpflichtet, das Eigentum zu verschaffen. Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 46, 64, 127, 165; Partsch, G., Zur Entwicklung der Rechtsmängelhaftung des Veräußerers, ZRG GA 77 (1960), 87; Rabel, E., Die Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel, Diss. jur. Hamburg 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Rechtsmedizin Lit.: Die unglaublichsten Fälle der Rechtsmedizin, hg. v. Rothschildt, M, 2005 Rechtsmissbrauch ist die unberechtigte Ausübung eines an sich bestehenden Rechtes, der mit unterschiedlichen Mitteln vorsichtig begegnet wird (u. a. Treu und Glauben). Die heutige Rechtsmissbrauchslehre wird als Ergebnis nationalsozialistischen Rechtsdenkens eingeordnet. Lit.: Kaser § 4 IV; Köbler, DRG 24; Kroeschell, 20. Jh.; Haferkamp, H., Die heutige Rechtsmissbrauchslehre, 1995 Rechtsmittel ist das rechtliche Mittel, mit dem eine Partei eine ihr ungünstige Entscheidung vor Rechtskraft im Wege der Nachprüfung durch ein höheres Gericht zu beseitigen sucht (z. B. -> Berufung, -> Revision, Beschwerde, - > Appellation). Als erstes allgemeines R. entsteht unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) die Appellation. Seit dem Spätmittelalter werden R. mit dem gelehrten Prozess aufgenommen. Das gewöhnliche R. ist dabei die Appellation, neben der Oberappellation, Revision, -> Supplikation und Restitution stehen können. Die -> Nichtigkeit (Nullität) wird mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht, doch werden Appellation und Nichtigkeitsklage in der Verfahrenswirklichkeit einander vielfach angenähert. In der deutschen Zivilprozessordnung von 1877/1879 wird das R., das den Rechtsstreit in vollem Umfang zur Neuverhandlung bringt (-> Berufung), von dem R., das nur auf die Verletzung des Rechts gestützt werden kann (-> Revision), unter- schieden. Gegen Beschlüsse wird die Beschwerde gewährt. Die außerordentlichen R. des gemeinen Rechts sind als Wiederaufnahme- klage gestaltet. Lit.: Kaser § 87 I 9; Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274; Gilles, P., Rechtsmittel im Zivilprozess, 1972; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976; Oer, R. Freiin v., Der münsterische ,,Erbmännerstreit", 1998 Rechtsnorm ist der aus -> Tatbestand und Rechtsfolge zusammengesetzte Rechtssatz. Die Bezeichnung erscheint im späteren 19. Jh. Lit.: Schumacher, D., Das rheinische Recht, 1970 Rechtsordnung ist die in eine Ordnung gebrachte Gesamtheit der Rechtsnormen 626 (Rechtssätze) einer Rechtsgemeinschaft. Diese Vorstellung erscheint erst seit der frühen Neuzeit, wird aber von dort aus auf ältere Rechtsgemeinschaften zurückübertragen. Lit.: Hippel, F. v., Die Perversion von Rechtsordnungen, 1955; Conrad, H., Individuum und Gesellschaft in der Privatrechtsordnung, 1956; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Krause, H., Königtum und Rechtsordnung, ZRG GA 82 (1965), 1; Emmerich, W., Gemeinschaftsrecht und nationale Rechte, 1971; Wieacker, F., Industriegesellschaft und Privatrechts- ordnung, 1974; Die schweizerische Rechtsordnung, 1988; Börner, F., Die Bedeutung der Generalklauseln, 1989; Baldus, M., Die Einheit der Rechtsordnung, 1995 Rechtspflege -> Gericht, -> Prozess Lit.: Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich, 1897ff.; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Luig, K., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, in: Panorama der fridericianischen Zeit, Bd. 1, hg. v. Ziechmann, J., 1985, 381; Langen, T., Zur Geschichte der Zivilrechtspflege in Köln, Diss. jur. Köln 1987; Sellert, W./Rüping, H., Studien- und Quellenbuch zur Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, Bd. 1f. 1989ff.; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989 Rechtspfleger ist ein Beamter des gehobenen Dienstes in Deutschland, dem zur Entlastung des Richters im frühen 20. Jh. bestimmte Aufgaben der Rechtspflege übertragen werden (1957 Rechtspflegergesetz). Lit.: Dumke, D., Vom Gerichtsschreiber zum Rechtspfleger, 1993; Meyer-Stolte, K. u. a., Rechtspflegergesetz, 4. A. 1994; Walden, K., Für Führer, Volk und Vaterland, 1995 Rechtsphilosophie ist die Lehre von den Grundfragen und Grundwerten des Rechts. Rechtsphilosophische Fragestellungen finden sich spätestens seit der griechischen Philosophie. Die R. entwickelt sich im 19. Jh. aus dem -> Naturrecht. Strömungen im 19. Jh. sind vor allem -> Idealismus, -> Materialismus und -> Positivismus, im 20. Jh. -> Neuhegelianismus und -> Neukantianismus. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Rechtsidee und Staatsgedanke, FG Julius Binder, hg. v. Larenz, K. u. a., 1930; Larenz, K., Deutsche Rechtserneuerung und Rechtsphilosophie, 1934; Cairns, H., Legal Philosophy from Plato to Hegel, 1949; Klein-Bruckschwaiger, F., Die Geschichte der Rechtsphilosophie in der Naturrechtslehre von Karl Anton von Martini, ZRG GA 71 (1954), 374; Friedrich, C., Die Philosophie des Rechts, 1955; Friedrich, C., The philosophy of law, 1958; Henkel, H., Einführung in die Rechtsphilosophie, 1964; Sforza, W., Rechtsphilosophie, 1966; Schefold, C., Die Rechtsphilosophie des jungen Marx, 1970; Rode, K., Geschichte der europäischen Rechtsphilosophie, 1974; Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, hg. v. Rottleuthner, H., 1983; Hellmuth, E., Naturrechtsphilosophie und bürokratischer Werthorizont, 1985; Thomann, M., Rechtsphilosophie und Naturrecht bei Gottlieb Konrad Pfeffel, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 536; Kants Rechtsphilosophie, hg. v. Kusters, G., 1988; Coing, H., Grundzüge der Rechtsphilosophie, 5. A. 1993; Strömholm, S., Kurze Geschichte der abendländischen Rechtsphilosophie, 1991; Decker, C., Katalog der rechtsphilosophischen und strafrechtlichen Literatur vor 1990,1995; Zippelius, R., Das Wesen des Rechts, 5. A. 1997; Kaufmann, A., Rechtsphilosophie, 2. A. 1997; Goller, P., Naturrecht, Rechtsphilosophie oder Rechtstheorie? 1997; Roca, M., Eine europäische Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, JZ 1997, 881; Changing structures in modern legal systems, hg. v. Bulygin, E., 1998; Texte zur Rechtsphilosophie, hg. v. Seelmann, K., Bd. 1 2000; Grunert, F., Normbegründung und politische Legitimität, 2000; Hofmann, H., Einführung in die Rechts- und Staatsphilosophie, 2000, 2. A. 2003; Schröder, I., Zur Legitimationsfunktion der Rechtsphilosophie im Nationalsozialismus, 2002 Rechtspositivismus ist die das Recht betreffende positivistische Haltung. Sie bezieht sich auf ein hierarchisches System von rein juristischen, positiven und von der gesell- schaftlichen Wirklichkeit und damit auch von der Geschichte gelösten Begriffen, aus denen Lösungen gewonnen werden. Der Gesetzespositivismus gründet das Recht auf das den Volkswillen verkörpernde -> Gesetz. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 228; Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 2. A. 1960; Rottleuthner, H., Rechtspositivismus und Nationalsozialismus, in: Recht und Politik 1983, 195; Rechtspositivsmus und Wertbezug des Rechts, hg. v. Dreier, R., 1990 Rechtsprechung ist die Entscheidung konkreter Rechtsfragen durch die dafür zuständige Stelle. Sie reicht sachlich in die Frühzeit der Rechtsgeschichte zurück. -> Gericht Lit.: Kroeschell, DRG 3; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Haff, K., Der germanische Rechtsprecher, ZRG GA 66 (1948), 627 364; Hertz, F., Die Rechtsprechung der höchsten Reichsgerichte, MIÖG 69 (1961), 331; Dreisbach, Der Einfluss der Carolina auf die Rechtsprechung, Diss. jur. Marburg, 1969; Volkmann, H., Zur Rechtsprechung im Prinzipat des Augustus, 2. A. 1969; Walter, G., Die französische Rechtsprechung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972; Spendel, G., Rechtsbeugung durch Rechtsprechung, 1984; Gedruckte Quellen der Rechtsprechung in Europa (1800-1945), hg. v. Ranieri, F., 1992; Repertorium ungedruckter Quellen zur Rechtsprechung, Deutschland 1800-1945, hg. v. Dölemeyer, B., 1995; Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997 Rechtsquelle ist der Ursprungsort von Rechtssätzen. -> Rechtserkenntnisquelle, -> Rechtsgeltungsquelle Lit.: Söllner § 15; Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840, Neudruck 1960; Stobbe, O., Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Bd. 1f. 1860ff., Neudruck 1965; Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1894ff.; Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen, 1909; Planitz, H., Quellenbuch der deutschen, österreichischen und Schweizer Rechtsgeschichte, 1948; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953, Neudruck 1984; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Dießelhorst, M., Die Natur der Sache als außergesetzliche Rechtsquelle, 1968; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Bühler, T., Rechtsquellenlehre, Bd. 1f. 1977ff.; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung, 1983; Wiegand, W., Die privatrechtlichen Rechtsquellen, in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, 237: Schrage, E., Utrumque ius. Eine Einführung in das Studium der Quellen des mittelalterlichen gelehrten Rechts, 1992 Rechtsreformation -> Reformation Rechtssatz -> Rechtsnorm Rechtsschein ist der äußerliche Anschein des Bestehens eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Rechtes. Er kann Rechts- wirkungen äußern (z. B. unrichtiges Grund- buch). Ihn gibt es seit Entstehung des Rechts. Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Peterka, O. Das offene zum Scheine Handeln im deutschen Recht des Mittelalters, 1911; Meyer, H., Vom Rechtsschein des Todes, 1912; Canaris, C., Vertrauenshaftung, 1971 Rechtsschule ist eine Lehrstätte (in der Spätantike in Rom, Karthago, Konstantinopel [zwei Rechtslehrer mit nur wenig Entgelt leistenden Hörern], Beirut [Beryt], Athen, Alexandria und Caesarea) oder Geistesrichtung innerhalb der Jurisprudenz bzw. Rechtswissen- schaft. -> freie Rechtsschule, -> historische Rechtsschule, -> Prokulianer, -> Sabinianer, -> Ravenna, -> Pavia, -> Verona, -> Bologna, -> Universität Lit.: Söllner §§ 16, 21; Köbler, DRG 53, 187, 189; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 39, Bd. 2, 1,2ff.; Elsener, F., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975; Coing, H., Die französische Rechtsschule zu Koblenz, FS F. Wieacker, 1978, 195 Rechtsschutz ist der durch die -> Rechtsordnung gewährleistete Schutz von Rechtsgütern. -> Gericht, Rechtsnorm, Strafrecht Lit.: Köbler, DRG 208; Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H., 1962; Vossius, O., Zu den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre, 1985; Lohmann, U., Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1986; Engbers, E., Small claims und effektiver Rechtsschutz, 2003 Rechtssicherheit ist die Beständigkeit der bei einem Verhalten eintretenden Rechtsfolgen. Die R. steht in einem Spannungsverhältnis zur Einzelfallgerechtigkeit. Verstärkt strebt man nach R. seit der Aufklärung. Im Dritten Reich wird unter dem Schlagwort der R. der Rechtsstaat ausgehöhlt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Meyer, A., Die Notariatsordnungen, 1971; Göring, H., Die Rechtssicherheit, 1935 Rechtssoziologie ist die Lehre von der sozialen Wirklichkeit des Rechts. Sie entwickelt sich ansatzweise seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s (-> Marx, -> Ihering, -> freie Rechtsschule). Nach Unterbrechung durch den National- sozialismus gewinnt die R. unter amerikanischem Einfluss in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s an Boden. Lit.: Köbler, DRG 228; Dombeck, B., Das Verhältnis der Tübinger Schule zur deutschen Rechtssoziologie, 1969; Rechtsgeschichte und Rechtssoziologie, hg. v. Killias, M. u. a., 1985; Rehbinder, M., Rechtssoziologie, 5. A. 20033 Rechtsspiegel -> Rechtsbuch Rechtssprache ist die besondere Sprache, in der Recht zum Ausdruck gebracht wird. Die R. ist in der Gegenwart die Fachsprache des wissenschaftlich gebildeten -> Juristen. Ihre 628 Besonderheiten betreffen vor allem den Wortschatz, daneben auch Syntax und Grammatik. Besonders bedeutsam für die deutsche R. ist das Verhältnis von lateinischer Überlieferung und volkssprachiger Rechtswirk- lichkeit. Lit.: Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 1ff. 1914ff.; Günther, L., Recht und Sprache, 1898; Beiträge zum Wörterbuch der deutschen Rechtssprache, 1908; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtssprachliches, ZRG GA 32 (1911), 338; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtssprachgeographie, 1926 (SB Heidelberg); Saueracker, K., Wortschatz der peinlichen Gerichtsordnung Karls V., 1929; Merk, W., Werdegang und Wandlungen der deutschen Rechtssprache, 1933; Dölle, H., Vom Stil der Rechtssprache, 1949; Dilcher, G., Paarformeln in der Rechtssprache des frühen Mittelalters, 1961; Sonderegger, S., Die ältesten Schichten einer germanischen Rechtssprache, FS K. Bader, 1965, 419; Bergh, J. van den, Themis en de Muzen, 1964; Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische Wortgut der Lex Salica als Gegenstand der Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84 (1967), 275; Oplatka-Steinlin, H., Untersuchungen zur neuhochdeutschen Gesetzessprache, 1971; Matzinger- Pfister, R., Paarformel, Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973; Elsener, F., Deutsche Rechts- sprache und Rezeption, in: Tradition und Fortschritt im Recht, FS Tübinger Juristenfakultät, 1977; Köbler, G., Deutsche Sprachgeschichte und Rechtsgeschichte, in: Sprachgeschichte, hg. v. Besch, W. u. a., 1984, 56; Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; Kühn, P., Deutsche Wörterbücher, 1978; Köbler, G., Lateinisch- germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Sendler, B., Die Rechtssprache in den süddeutschen Stadtrechtsrefor- mationen, 1990; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Speer, H., Das deutsche Rechtswörterbuch, 1991; Heller, M., Reform der deutschen Rechtssprache im 18. Jahrhundert, 1992; Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 13. A. 2004; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Sieber, A., Deutsche Fachsprache des Rechts, in: Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 149; Görgen, A., Rechtsgrenzen folgen Sprachgrenzen, ZRG GA 115 (1998), 389; Köbler, G., Liber exquisiti xenii, 1999; Garovi, A., Rechtssprachlandschaften der Schweiz, 1999; Seifert, J., Funktionsverbgefüge in der deutschen Gesetzessprache (18.­20. Jahrhundert), 2004 Rechtssprecher -> Gesetzessprecher Rechtssprichwort ist das einen rechtlichen Tatbestand erfassende Sprichwort (z. B. -> Aller guten Dinge sind drei). Seine Volkstümlichkeit ist vielfach zweifelhaft. Deutsche Rechtssprichwörter, deren Zahl die neueste Zusammenstellung mit etwa 1800 benennt, lassen sich nicht vor dem Hochmittelalter sicher belegen. Ihre tat- sächliche Bedeutung scheint eher gering. Lit.: Graf, E./Dietherr, M., Deutsche Rechtssprichwörter, 2. A. 1869; Winkler, L., Deutsches Recht im Spiegel deutscher Sprichwörter, 1927; Schmidlin, B., Die römischen Rechtsregeln, 1970; Foth, A., Gelehrtes römisch- kanonisches Recht in deutschen Rechtssprichwörtern, 1971; Gudian, G., Zur Situation der Germanistik, ZRG 89 (1972), 215; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, 6. A. 1998; Janz, B., Rechtssprichwörter im Sachsenspiegel, 1989; Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt- Wiegand, R., 1996 (Neuausgabe 2002); Die Sprache des Rechts, hg. v. Lerch, K., 2004 Rechtsstaat ist der bewusst auf die Verwirklichung von Recht ausgerichtete Staat. Dieses Staatsziel wird am Ende des 18. Jh.s in Ablösung des absolutistischen Wohlfahrtsstaats von den Vertretern der liberalen Aufklärung gefordert. Als Grundlage werden -> Verfassung und -> Gesetzgebung durch eine Volks- vertretung angesehen. Nach 1848 verengt sich dies auf den formalen Rechtsschutz im Zivilprozess (1877/1879) und in Verwaltungs- angelegenheiten (1863ff.). Das Handeln der Verwaltung wird allgemein nachprüfbar, wobei Ermessensbegriffe weniger und unbestimmte Rechtsbegriffe stärker erfasst werden. Der Nationalsozialismus beseitigt die dadurch erreichten Errungenschaften. Nach 1945 wird der R. verstärkt ausgebaut. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198, 199; Bähr, O., Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R., Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte, 1872, Neudruck 1968; Maier, H., Zur Frühgeschichte des Rechtsstaats in Deutschland, Neue Polit. Lit. 7 (1962), 234; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand, 1967; Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat bei Otto Bähr und Rudolf von Gneist, Diss. jur. Köln 1968; Schmidt, E., Kammergericht und Rechtsstaat, 1968; Laufs, A., Die rechtsstaatlichen Züge des Bismarck-Reiches, FS H. Thieme, 1977, 72; Koch, B., Rechtsbegriff und 629 Widerstandsrecht, 1985; Willoweit, D., War das Königreich Preußen ein ,Rechtsstaat`?, in: Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, 1989, 451; Schröder, J., 40 Jahre Rechtspolitik im freiheitlichen Rechtsstaat, 1989; Der europäische Rechtsstaat, hg. v. Brand, J. u. a., 1994; Gemeinwohl, Freiheit, Vernunft, Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Vertrauen in den Rechtsstaat, hg. v. Goydke, J. u. a., 1995; Rechtsstaatlichkeit in Europa, hg. v. Hofmann, R. u. a., 1996; Wetzler, C., Rechtsstaat und Absolutismus, 1997; Hilger, C., Rechtsstaatsbegriffe im Dritten Reich, 2003; Mantl, W., Der österreichische Rechtsstaat, ZRG GA 122 (2005), 367 Rechtsstudium -> Rechtswissenschaft, Studium, Universität Rechtssubjekt ist der Träger von Rechten und Pflichten. Sachlich gibt es Rechtssubjekte mit der Entstehung von Recht. Als solche erfasst werden sie aber erst im 19. Jh. Lit.: Kaser § 13 I 1; Köbler, DRG 206 Rechtssumme ist die zusammenfassende Darstellung eines Titels oder mehrerer Titel des (lat.) -> corpus (N.) iuris civilis oder auch anderer gelehrter Rechtstexte. Rechtssummen finden sich vor allem in Oberitalien im 12. bis 14. Jh. (z. B. Summa aurea [Goldene Summe] des Hostiensis, Summa de casibus poenitentiae [Summe über Bußfälle], Summa legum brevis levis et utilis [Kurze, leichte und nützliche Rechtssumme], Summa Johannis [Bruder Bertholds 1300/40 in 80 Handschriften über- lieferte deutsche Darstellung des Kirchenrechts für Laien]). Lit.: Trusen, W., Anfänge der gelehrten Rechte in Deutschland, 1962, 119; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1964, in: Ius Romanum medii aevi 5, 6; Placentini Summa Codicis, hg. v. Calasso, F., 1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 67, 172; Die Rechtssumme Bruder Bertholds, hg. v. Hamm, M. u. a., 1980; Weck, H., Die Rechtssumme Bruder Bertholds, 1982 Rechtssymbol ist eine Handlung oder ein Gegenstand, die bzw. der ein Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis versinnbildlicht. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, 1909; Herwegen, I., Germanische Rechtssymbolik, 1913; Puetzfeld, C., Deutsche Rechtssymbolik, 1936; Erler, A., Das Hissen eines Besens, ZRG GA 62 (1942), 371; Gathen, A., Die Rolande als Rechtssymbole, 1960; Lurker, M., Lexikon der Symbolkunde, Bd. 1f. 1964ff.; Anderegg, S., Der Freiheitsbaum, 1968; Bauer, W. u. a., Lexikon der Symbole, 7. A. 1985; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Rechtssymbolik und Wertevermittlung, hg. v. Schulze, R., 2004 Rechtssystem ist eine Gesamtheit von Rechtseinrichtungen in einleuchtender Ordnung. Ein R. ist den Römern noch fremd. Es findet sich erst bei -> Leibniz (1646-1716) und Christian -> Wolff (1679-1754). Neu gefasst wird es von -> Savigny (1779-1861) und -> Puchta (1798-1846). Der Gegenwart ist es zweifelhaft, ob es ein geschlossenes R. geben kann. -> System Lit.: Savigny, F., System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 1 1840; Hatschek, J., Bentham und die Geschlossenheit des Rechtssystems, Archiv f. öff. Recht 24 (1909), 442, 26 (1910), 458; Coing, H., Geschichte und Bedeutung des Systemgedankens, 1956; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff, 1969; Luig, K., Die Theorie der Gestaltung eines nationalen Privatrechtssystems, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 217; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der ,,praktischen Jurisprudenz", 1976; Schlosser, H., Das ,,wissenschaftliche Prinzip" der germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491; Björne, L., Deutsche Rechtssysteme, 1984; Mayer, D., Grundlagen des nationalistischen Rechtssystems, 1987; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, 2. A. 1988; Changing structures in modern legal systems, hg. v. Bulygin, E., 1998 Rechtstag -> endlicher Rechtstag Rechtstheorie ist die Beschäftigung mit den allgemeinen Fragen des Rechtes, insbesondere mit seiner logischen Struktur. Die R. als Gegensatz zur Rechtspraxis wird schon in philosophisch-rhetorischen Fragestellungen des Altertums sichtbar. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird sie aber bewusst von Naturrecht und Rechtsphilosophie abgesetzt und auch auf frühere Zeiten zurückübertragen. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ramm, T., Staat und Recht, Diss. jur. Marburg 1950; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Gernhuber, J., Das völkische Recht, FS E. Kern, 1968, 167; Reich, N., Marxistische Rechtstheorie, 1973; Paul, W., Marxistische 630 Rechtstheorie, 1974; Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben und Rechtstheorie, 1974; Flechtheim, O., Hegels Strafrechtstheorie, 2. A. 1975; Probleme der marxistischen Rechtstheorie, hg. v. Rottleuthner, H., 1975; Schröder, J., ,,Communis opinio", in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 404; Scherner, K., Arme und Bettler in der Rechtstheorie des 17. Jahrhunderts, ZNR 1988, 129; Brockmöller, A., Die Entstehung der Rechtstheorie im 19. Jahrhundert, 1997; Kelly, J., A short history of Western legal theory, 1997; Funke, A., Allgemeine Rechtslehre als juristische Strukturtheorie, 2004 Rechtsunterricht -> Juristenausbildung Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen des 18. und 19. Jahrhunderts, Jb. f. fränk. Landesforschung 27 (1967), 241; Weimar, P., Die legistische Literatur, Ius commune 2 (1969), 43; Scheltema, H., L'enseignement de droit, 1970; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Köbler, G., Gießener juristische Vorlesungen, 1982; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Meier, J., Der Rechtsunterricht an den Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987 Rechtsvergleichung ist die vergleichende Betrachtung verschiedener Rechtsordnungen, insbesondere räumlich verschiedener, gleichzeitig geltender Rechtsordnungen. Sie wird ansatzweise bereits im Altertum betrieben. Besondere Bedeutung erlangt sie in der jüngeren Vergangenheit (19./20. Jh., z. B. -> Feuerbach, -> Gans, -> Bachofen, -> Mittermaier, -> Rabel). Lit.: Constantinesco, L., Rechtsvergleichung, Bd. 1f. 1971f.; Coing, H., Rechtsvergleichung als Grundlage der Gesetzgebung, Ius commune 7 (1978), 160; Großfeld, B., Macht und Ohnmacht der Rechtsvergleichung, 1984; Wadle, E., Einhundert Jahre Rechtsvergleichende Gesellschaften, 1994; Stolleis, M., Nationalität und Internationalität, 1998 Rechtsverweigerung ist die Verweigerung des rechtlich Gebotenen, insbesondere eines rechtlichen Verfahrens durch die zuständige Person. Sie findet sich an unterschiedlichen Stellen (z. B. sind nach -> Lex Salica 57 urteilsverweigernde Rachinburgen bußpflichtig, wird das -> Reichskammergericht 1495 für Fälle von R. zuständig oder kann im Deutschen Bund bei Verweigerung einer gerichtlichen Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit die -> Bundesversammlung angerufen werden). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s gewährt die deutsche Verfassung demgegenüber eine Rechtsweggarantie. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 92, 153, 200; Perels, K., Die Justizverweigerung im alten Reiche, ZRG GA 25 (1904), 1; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Wollschläger, C., Ungleiche Justizgewähr und Zivilprozesshäufigkeit, FS H. Coing, 1982, 435 Rechtsweisung -> Weistum Rechtswidrigkeit ist der Widerspruch zur Rechtsordnung. Die R. erscheint zusammen mit dem Recht. Sie ist besondere Voraussetzung für verschiedene Rechtsfolgen (z. B. Strafe, Schadensersatz). Lit.: Kaser § 36 II 5; Köbler, DRG 204; Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstand, 1985 Rechtswissenschaft ist die die rechtliche Sollensordnung betreffende Wissenschaft. R. entsteht als Jurisprudenz im klassischen römischen Recht, verliert sich danach aber mit dem Zurücktreten der Juristen in Rom (3. Jh. n. Chr.) weitgehend. Seit dem Ende des 11. Jh.s wird die R. in Bologna (neu) begründet (-> Glossatoren). Von hier breitet sie sich als universitär betriebene Wissenschaft über ganz Europa aus (-> Kommentatoren, -> usus mo- dernus, -> Naturrecht, -> historische Rechts- schule, -> Pandektistik). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s nimmt die Zahl der rechtswissenschaftlichen Bildungsstätten nochmals sprunghaft zu. Um 1995 gibt es rund 750000 Studierende der R. in Europa. Lit.: Söllner § 11, 16; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 2, 8, 29, 51, 105, 143, 184, 228, 254; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechts- wissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Jerusalem, F., Kritik der Rechtswissenschaft (1949); Quellenbuch zur Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, hg. v. Wolf, E., 1950; Schmitt, C., Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, 1950; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechts- wissenschaft, 1961; Gmür, R., Savigny und die Entwicklung der Rechtswissenschaft, 1962; Rehfeldt, B., Einführung in die Rechtswissenschaft, 1962; Ogris, W., Der Entwicklungsgang der österreichischen Privatrechts- wissenschaft, 1968; Coing, H., Die ursprüngliche Einheit der europäischen Rechtswissenschaft, 1968; Philosophie und Rechtswissenschaft, hg. v. Blühdorn, J. u. a., 1969; Stephanitz, O. v., Exakte Wissenschaft und Recht, 1970; 631 Jörgensen, S., Grundzüge der Entwicklung der skandinavischen Rechtswissenschaft, JZ 25 (1970), 529; Kleinheyer, G./Schröder, J., Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, 4. A. 1996; Tarello, G., Storia della cultura giuridica moderna, Bd. 1 1976; Stühler, H., Die Diskussion um die Erneuerung der Rechtswissenschaft von 1780-1815, 1978; Dubischar, R., Theorie und Praxis in der Rechtswissenschaft, 1978; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der ,,praktischen Jurisprudenz" auf deutschen Universitäten an der Wende zum 19. Jahrhundert, 1979; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Herberger, M., Rechtswissenschaftsgeschichte, Rechtshistorisches Journal 3 (1984), 150; Gouron, A., La science du droit le Midi, 1984; Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, hg. v. Heyen, E., 1986; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Rechtswissenschaft im NS-Staat. Der Fall Eugen Wohlhaupter, hg. v. Hattenhauer, H., 1987; Radding, C., The Origins of Medieval Jurisprudence, 1988; Bürge, A., Neue Quellen zur Begegnung der deutschen und französischen Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, ZRG GA 110 (1993), 546; Lange, H., Die Anfänge der modernen Rechtswissenschaft, 1993; Rechtswissenschaft in der Bonner Republik, hg. v. Simon, D., 1994; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995; La science juridique française et la science juridique allemande de 1870 1918, hg. v. Beaud, O., 1997; Kiesow, R., Das Naturgesetz des Rechts, 1997; Eine deutsch-französische Rechtswissenschaft?, hg. v. Beaud, O. u. a., 1999; Sailer, R., Verwissenschaftlichung des Rechts in der Rechtspraxis?, ZRG GA 119 (2002), 106 Rechtswohltat -> beneficium Lit.: Kaser § 32 III; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985 Rechtswort -> Rechtssprache Lit.: Köbler, DRG 10; Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 1ff. 1914ff.: Freudenthal, K., Arnulfingisch- karolingische Rechtswörter, 1949; Hyldgaard-Jensen, K., Rechtswortgeographische Studien 1, 1964; Schmidt- Wiegand, R., Studien zur historischen Rechtswortgeographie, 1978; Speer, H., Das deutsche Rechtswörterbuch, Historical Lexicography of the German Language 2, hg. v. Goebel, U. u. a., 1991, 675; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 13. A. 2004 Rechtszug ist der jeweils einem bestimmten Gericht zugeordnete Verfahrensabschnitt eines Rechtsstreites. Voraussetzung für einen R. ist eine mehrstufige Gerichtsbarkeit. Sie entsteht in Rom seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) und danach wohl neu im Hochmittelalter. Die deutsche ordentliche Gerichtsbarkeit kennt seit 1877/1879 den meist dreistufigen Rechtszug, dem in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s noch die Überprüfung einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht und europäische Gerichte nachfolgen kann. Nur in einem weiteren Sinn ist R. auch die Einholung einer Rechtsauskunft bei einer anderen Stelle (z.B -> Oberhof). Lit.: Kaser § 87 I 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86; Seelmann, W., Der Rechtszug im älteren deutschen Recht, 1910; Kern, E., Geschichte des Gerichts- verfassungsrechts, 1954; Jänichen, H., Der Rechtszug im Spätmittelalter am oberen Neckar, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 15 (1956), 214; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976; Ebel, F., Statutum und ius fori, ZRG GA 93 (1976), 100; Müller, H., Oberhof und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 recognitio (lat. [F.]) Beglaubigung Lit.: Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977 Records sind die bis 1731 in lateinischer Sprache geführten Protokolle der Gerichte des - > englischen Rechts (im Gegensatz zu den in Lawfrench gehaltenen reports [der jungen Anwälte] der year books). Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000 Reconquista (F.) Wiedergewinnung Spaniens durch die Christen gegen die Araber (8.-15. Jh.) Lit.: Lomax, D., Die Reconquista, 1980; Vones, L., Geschichte der iberischen Halbinsel, 1993 Rectitudines (F.Pl.) singularum personarum (lat.) sind der im -> Quadripartitus enthaltene lateinische Traktat des frühen englischen Rechts (Mitte 10. Jh., überarbeitet um 1020 ?) über die Pflichten der Hintersassen nach Hof- recht. Lit.: Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen, 1909; Loyn, H., Anglo-Saxon England and the Norman Conquest, 1962 rector (lat. [M.]) Leiter, Richter recuperator (lat. [M.]) Wiederbeschaffer Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 19; Schmidlin, B., Das Rekuperatorenverfahren, 1963 632 recursus (lat. [M.]) Rücklauf, Rekurs Recursus (M.) ab abusu (lat.) ist in Frankreich seit dem Spätmittelalter die Beschwerde bei den staatlichen Gerichten gegen den Missbrauch der geistlichen Gewalt. Lit.: Eichmann, E., Der recursus ab abusu, 1903; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983, Kap. 18 Recursus (M.) ad comitia (lat.) ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) seit dem Ende des 17. Jh.s die Anfechtung von Urteilen des Reichskammergerichts und des Reichshofrates vor dem Reichstag. Der r. a. c. bleibt meist ohne Auswirkung. Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 398 Rede ist die Darlegung einer Gedankenfolge gegenüber der Öffentlichkeit in mündlicher Form. Mit der Kunst der beeindruckenden und möglichst überzeugenden R. befasst sich bereits in der griechischen und römischen Antike die Rhetorik. In England entwickelt sich seit 1688, in den Vereinigten Staaten von Amerika seit 1776 und in Frankreich seit 1789 eine feste Einrichtung der öffentlichen, vor allem im Parlament gehaltenen R. Die ersten modernen politischen Reden in deutscher Sprache finden sich in den nach der französischen Revolution an Frankreich gelangten linskrheinischen Gebieten. Lit.: Politische Reden 1 (1792-1867), 2 (1869-1914), hg. v. Wende, P., 1990 Redefreiheit -> Parlament, Meinungsfreiheit reditus, redditus (lat. [M.]) Rückkehr, Einkunft, Abgabe Redintegranda (zurückgewährend) ist das Anfangswort eines auf die pseudoisidorischen Dekretalen des 9. Jh.s zurückgehenden canons - > Gratians (um 1140), nach dem ein vertriebener Bischof gegen ein Strafverfahren gegen ihn eine Einrede hat, so lange er nicht wieder in sein Amt eingesetzt wird, und jedes Urteil, das vor dieser Wiedereinsetzung ergeht, fehlerhaft ist. Später entwickelt sich über die (lat.) actio (F.) spolii hieraus die Besitz- schutzklage. Lit.: Hübner § 29 III 2b; Bruns, C., Die Besitzklagen, 1874 Redjeva (Ratgeber) ist im hochmittelalterlichen Recht Frieslands ein Berater von Richter und -> asega, der in der Mitte und im Osten bald den asega ersetzt. Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840, Neudruck 1960; Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27 (1906), 114; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981; Köbler, G., Altfriesisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch- altfriesisches Wörterbuch, 1983 Reederei ist die Verbindung mehrerer Schiffseigner. Sie findet sich der Sache nach bereits im Altertum. Eine umfassende gesetzliche Regelung bringen das preußische -> Allgemeine Landrecht von 1794, das -> Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 und das -> Handelsgesetzbuch von 1897/1900. Lit.: Hübner; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Seamen in Society, hg. v. Adam, P., 1980; Schmidt, K., Die Partenreederei, 1995 Referendar (lat. [M.] referendarius) ist im spätantiken römischen Recht (427 n. Chr.) der kaiserliche Berichterstatter. Als Titel für hohe Amtsträger erscheint R. auch im Mittelalter (z. B. in Italien im 7.Jh., in der päpstlichen Kanzlei im 14. Jh.). Seit 1748 ist in -> Preußen der angehende Jurist nach zwei von insgesamt drei Prüfungen R., seit 1869 nach einer von insgesamt zwei Prüfungen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Jescheck, H., Die juristische Ausbildung in Preußen und im Reich, 1939; Bleek, W., Von der Kameralausbildung zum Juristenprivileg, 1972; Mehrlein, A., Die Zweiteilung der Juristenausbildung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Classen, P., Kaiserreskript, 1977 Referendum (N.) Volksabstimmung Reform (F.) Wiederherstellung einer (früheren) Form Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967; Weis, E., Montgelas, 1971; Bradler-Rottmann, E., Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Angermeier, H., Die Reichsreform, 1984; Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt, H., 1988; Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414-1418) und Basel (1431-1449), hg. v. Hlaváèek, I. u. a., 1996 Reformatio in peius iudici appellato non licet (lat.). Die Rechtsmittelinstanz darf das Urteil nicht zu Lasten des Anfechtenden abändern. Im Dritten Reich wird das Verbot der r. i. p. eingeschränkt. Lit.: Köbler, DRG 235; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Ulpian, um 170-223, Digesten 633 49, 1, 1, pr.) Reformatio (F.) Sigismundi (lat.) ist die vermutlich am Ende des Jahres 1439 in Basel in kurzer Zeit entstandene, in 16 Handschriften überlieferte Reformschrift eines unbekannten Verfassers. Sie fordert von den Geistlichen eine Beschränkung auf geistliche Aufgaben und von den weltlichen Herren Aufhebung der Unfrei- heit, der Freizügigkeitsbeschränkung sowie Schutz vor Wucher und überhöhten Abgaben. Sie ist Ausdruck eines Verlangens nach Veränderung noch vor dem eigentlichen Beginn der Neuzeit. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Angermeier, H., Der Ordnungsgedanke in den Reichsreformbestrebungen, Diss. phil. München 1954 masch.schr.; Dohna, L. Graf zu, Reformatio Sigismundi, 1960; Reformation Kaiser Siegmunds, hg. v. Koller, H., 1964; Struve, T., Reform oder Revolution?, ZGO 126 (1978), 73; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992, 117 Reformation ist die Zurückbildung eines gegenwärtigen (schlechten) Zustandes (bzw. Form) in einen ursprünglichen (einwandfreien) Zustand (bzw. Form) bzw. die Veränderung zum Guten. In der christlichen Kirche ist R. die von Martin -> Luther am 31. 10. 1517 durch Anschlag von 95 Thesen an die Schlosskirche von Wittenberg in Gang gesetzte Erneu- erungsbewegung, welche die Erlösung des sündigen Menschen statt auf (käufliche) gute Werke (-> Ablass) auf die Gnade Gottes zurückführt und die nach wechselvollem Verlauf eines Religionskrieges 1555 im -> Augsburger Religionsfrieden anerkannt wird. Im Recht ist R. die unterschiedlich weit reichende Veränderung des einheimischen Rechts durch Aufnahme römisch-kano- nistischer Rechtsregeln in neu gefasste Stadtrechte und Landrechte (z. B. -> Nürnberg 1479/84, -> Tübingen 1497, -> Worms 1499, - > Frankfurt 1509, -> Bayern 1518, -> Freiburg 1520, Brandenburg 1527, Innerösterreich 1533, Württemberg 1555, Solms 1571, Kursachsen 1572) während des 15. bis 17. Jh.s. Dabei werden der Süden und das Schuldrecht, Fahrnisrecht und Erbrecht stärker verändert als der Norden und das Liegenschaftsrecht und das Ehegüterrecht. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 232; Köbler, DRG 129, 130, 138; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 313; Burdach, K., Reformation, Renaissance, Humanismus, 1918; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935; Heckel, J., Lex charitatis, 1953; Knoche, H., Ulrich Zasius und das Freiburger Stadtrecht, 1957; Moeller, B., Reichsstadt und Reformation, 1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lortz, J., Die Reformation in Deutschland, Bd. 1f. 6. A. 1982f.; Weltwirkung der Reformation und Gegenreformation, 2. A. 1982; Wohlfeil, R., Einführung in die Geschichte der Reformation, 1982; Martin Luther und die Reformation im Reich (Katalog), hg. v. Boll, G., 1983; Reformation der Stadt Nürnberg, hg. v. Köbler, G., 1984; Der Statt Wormbs Reformation, hg. v. Köbler, G., 1985; Blickle, P., Gemeindereformation, 1985; Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland, hg. v. Schilling, H., 1986; Sendler, B., Die Rechtssprache in den süddeutschen Stadtrechtsreformationen, 1990; Blickle, P., Die Reformation im Reich, 3. A. 2000; Wolgast, E., Hochstift und Reformation, 1995; Lutz, H., Reformation und Gegenreformation, 4. A. 1997; Keune, H., Die Durchsetzung der Reformation in den Territorien, Diss. jur. Bonn 1999; Die deutsche Reformation zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Brady, T., 2001; Burkhardt, J., Das Reformationsjahrhundert, 2002; Oberman, H., Zwei Reformationen, 2003; Ganzer, K., Die religiösen Bewegungen im Italien des 16. Jahrhunderts, 2003; Berman, H., Law and Revolution II, 2003 Regal ist das vom König beanspruchte Recht (lat. [ius] regale), das seit 1122 so bezeichnet wird. In Roncaglia erfolgt 1158 eine unvollständige Aufzählung der Regalien. Einzelne der Regale (Regalien) sind etwa Salzregal, Bergregal, Judenregal, Zollregal, Marktregal, Münzregal, Schatzregal, Bodenregal, Wegeregal, Geleitsregal, Stromregal, Wasserregal, Mühlenregal, Forstregal, Jagdregal, aber auch Gesetzgebung, Priviligienerteilung, Kriegserklärung, Universi- tätsgründung oder Verleihung des Doktorgrades. Seit dem 12. Jh. gehen die Regale (Regalien) vom König auf die Landesherren über und es entstehen nur noch vereinzelt neue Regale (z. B. Postregal). In der Hand des Landesherrn werden die Regale Teil der allgemeinen Staatsgewalt (Hoheitsrecht) bzw. privatrechtlich-fiskalisches Recht. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109, 113, 124, 150, 167; Wopfner, H., Das Almendregal des Tiroler Landesfürsten, 1906; Pöschl, A., Die Regalien der mittelalterlichen Kirchen, 1928; Thieme, H., Zur Funktion der Regalien im Mittelalter, ZRG GA 62 634 (1942), 57; Classen, P., Der Prozess um Münsteuer (1154-[11]76) und die Regalienlehre Gerhochs von Reichersberg, ZRG GA 77 (1960), 324; Appelt, H., Der Vorbehalt kaiserlicher Rechte in den Diplomen Friedrich Barbarossas, MIÖG 68 (1960), 81; Schrader, E., Bemerkungen zum Spolien- und Regalienrecht der deutschen Könige im Mittealater, ZRG GA 84 (1967), 128; Lot, F./Fawtier, R., Histoire des institutions françaises, Bd. 2 1985; Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939; Howell, M., Regalian Right in Medieval England, 1962; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975 Regen Lit.: Burkhardt, M., Regen, Landgericht Zwiesel und Regen, Pfleggericht Weißenstein, 1975 Regensburg an der Donau wird nach römischen Anfängen (80 n. Chr.) im Frühmittelalter Hauptsitz des bayerischen Herzogs, im Hochmittelalter Reichsstadt (1245). Von 1663 bis 1806 tagt dort der immerwährende -> Reichstag. 1962 wird R. Sitz einer Universität. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Lindner, L., Das bürgerliche Recht der Reichsstadt Regensburg, Diss. jur. Erlangen 1909; Regensburger Urkundenbuch, Bd. 1 1913; Knapp, H., Alt-Regensburgs Gerichtsverfassung, 1914, Neudruck 1978; Heimpel, H., Das Gewerbe der Stadt Regensburg, 1926; Ziegler, A., Beiträge zur Rechtsgeschichte von Regensburg, 1931; Morré, F., Ratsverfassung und Patriziat in Regensburg, Verhandlungen des historischen Vereins für Regensburg und Oberpfalz 85 (1935); Klebel, E., Landeshoheit in und um Regensburg, Verhandlungen des historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 90 (1940); Die Traditionen des Hochstifts Regensburg, hg. v. Widemann, J., 1943; Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte der Juden in Regensburg 1453-1738, bearb. v. Straus, R., 1960; Fürnrohr, Der immerwährende Reichstag zu Regensburg, 1963; Ambronn, K., Verwaltung, Kanzlei und Urkundenwesen der Reichsstadt Regensburg im 13. Jahrhundert, 1968; Bierther, K., Der Regensburger Reichstag von 1640/1641, 1971; Kleinheyer, G., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975, 110; Eikenberg, W., Das Handelshaus der Runtinger zu Regensburg, 1976; Schmid, D., Regensburg 1, 1976; Kraus, A., Regensburg 1989; Schmid, A., Regensburg, 1994; Schmuck, J., Ludwig der Bayer und die Reichsstadt Regensburg, 1997; Geschichte der Stadt Regensburg, hg. v. Schmid, P., 2000; Deutsch, C., Ehegerichtsbarkeit im Bistum Regensburg (1480-1538), 2005 Regent ist der Herrscher oder Fürst oder der Mensch, der für einen anderen im Falle einer Verhinderung die Regierungsgewalt ausübt. Lit.: Fricke, H., Reichsvikare, Reichsregenten und Reichsstatthalter, Diss. phil. Göttingen 1949 masch.schr.; Heckmann, M., Stellvertreter, 2002; Elpers, B., Regieren, Erziehen, Bewahren, 2003; Puppel, P., Die Regentin, 2004 Regesten sind meist chronologisch unter Angabe von Ausstellungsdatum, Ausstellungs- ort, Aussteller, Adressat, Inhalt und Fundstelle geordnete Urkundenverzeichnisse (z. B. der Kaiser und Könige des deutschen Reichs [Bd. 1 Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 751-918, Bd. 2 Sächsisches Haus 919-1024, Bd. 3 Salisches Haus 1024-1125, Bd. 4 Ältere Staufer 1125-1197, Bd. 5 Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV., Friedrich II. Heinrich usw., Bd. 14 Ausgewählte Regesten des Kaiserreiches unter Maximilian I. 1493-1519]). Lit.: Köbler, DRG 145; Böhmer, J. F., Regesta imperii, Bd. 1ff. 1831ff., 2. A. 1889ff.; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 4. A. 1968ff.; Brandt, A., Regesten der Lübecker Bürgertestamente des Mittelalters, Bd. 1ff. 1964ff.; Santifaller, L., Bericht über die Regesta imperii (1829-1967), Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österreichischen Ak. d. Wiss. 106 (1969), 299; Die Regesta Imperii, hg. v. Zimmermann, H., 2000; REGESTA IMPERII online ­ RI OPAC online http://www.regesta-imperii.org Regierung ist das kollegiale Verfassungsorgan, dem die Staatsleitung zusteht bzw. eine mittlere Landesbehörde. Von R. wird seit dem ausgehenden Spätmittelalter gesprochen. In der konstitutionellen Monarchie gewinnt die R. als Spitze der ausführenden Gewalt tatsächlich allmählich eine gewisse Eigenständigkeit ge- genüber dem Herrscher, im parlamentarischen System ist sie vom Vertrauen des Parlamentes abhängig und wird deshalb von der Mehrheitspartei oder einer Mehrheitskoalition gestellt. (Politische) Akte der Regierung sind (nach nachrevolutionärem französischem Vorbild) grundsätzlich verwaltungsgerichtli- cher Überprüfung entzogen. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 247; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 361; Schücking, W., Der Regierungsantritt, 1899; Schlitter, 635 H., Die Regierung Josephs II., 1900; Meyer, F., Der Begriff der Regierung im Rechtsstaat, 1948; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, 1970; Scheibelreiter, G., Der Regierungsantritt des römisch-deutschen Königs (1056-1138), Diss. phil. Wien 1971; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Teil 1 1974; Frotscher, W., Regierung als Rechtsbegriff, 1975; Stürmer, M., Regierung und Reichstag, 1975; Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten 1815/1933, hg. v. Schwabe, K., 1983; Reuschling, H., Die Regierung des Hochstifts Würzburg, 1984; Lodemann, C., Die Geschichte des französischen acte de gouvernement, 2005 Regiment (N.) Leitung, Heeresteil Regino von Prüm (Altrip um 840 ?-Trier 892), aus fränkischem Adel (?), wird 892 Abt von Prüm (893 Anlegung des Prümer Urbars) und nach Vertreibung 899 Abt von St. Martin in Trier. Um 906 verfasst er das in zwei Bücher geteilte kirchenrechtliche Handbuch (lat.) De synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis (Über Synodalsachen und kirchliche Disziplinen) mit 96 Fragen an den Pfarrer und 89 Fragen an die Gemeindeglieder. Es wird von -> Burchard von Worms verwertet. Lit.: Libri duo de synodalibus causis, hg. v. Wasserschleben, F., 1840; Koeniger, A., Die Sendgerichte in Deutschland, Bd. 1 1907; Hellinger, W., Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm, ZRG KA 48 (1962), 1, 49, (1963), 76; Lotter, F., Ein kanonistisches Handbuch über die Amtspflichten, ZRG KA 62 (1976), 1; Schleidgen, W., Die Überlieferungsgeschichte der Chronik des Regino von Prüm, 1977; Schmitz, G., Ansegis und Regino, ZRG KA 74 (1988), 95; Das Sendhandbuch des Regino von Prüm, hg. v. Hartmann, W., 2004 Register (N.) Verzeichnis (z. B. römischer Behörden im Altertum, der Kirche seit dem 4. Jh. n. Chr. oder allgemein üblich seit dem 12./13. Jh.) Lit.: Silagi, G., Landesherrliche Kanzleien, 1984 regnum (lat. [N.]) Reich, Königreich Lit.: Herkenrath, R., Regnum und imperium ­ das Reich in der frühstaufischen Kanzlei (1138-1155), 1969; Goetz, H., Regnum ­ zum politischen Denken der Karolingerzeit, ZRG GA 104 (1987), 110; Staat- und Volkwerdung, hg. v. Brühl, C., 1995; Regna und gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002 regnum (N.) Teutonicum (lat.) deutsches Reich (um 1000) Lit.: Müller-Mertens, E., Regnum Teutonicum, 1970 Regredienterbe (M.) weichender Erbe Regress ist der Rückgriff eines zunächst zu einer Leistung Verpflichteten auf einen weiteren, vielfach nur im Innenverhältnis zur Erbringung der Leistung Verpflichteten. Er findet sich bereits im römischen Recht. Von der dortigen Verpflichtung des Gläubigers, dem leistenden Bürgen seine Forderung gegen den Schuldner abzutreten, ausgehend entwickelt sich für viele unterschiedliche Fälle des Regresses ein allgemeiner Forderungsübergang kraft Gesetzes. Lit.: Kaser § 52 II 2; Schulz, F., Rückgriff und Weitergriff, 1907; Selb, W., Schadensbegriff und Regreßmethoden, 1963 regula (lat. [F.]) Richtschnur, Regel (z. B. regula iuris) Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 53 Regula (F.) aurea (lat.) (goldene [Verhaltens- ]Regel) ist die schon dem Altertum geläufige Vorstellung, dass man so handeln solle, wie man wünsche, dass alle handeln würden bzw. alles unterlassen solle, von dem man wünsche, dass es andere unterlassen würden. Lit.: Philippidis, L., Die Goldene Regel, 1929; Dihle, A., Die Goldene Regel, 1962; Spendel, G., Die Goldene Regel als Rechtsprinzip, FS F. v. Hippel, 1967, 491 Regula (F.) Benedicti (lat.) ist die in der ersten Hälfte des 6. Jh.s von Benedikt von Nursia (um 480-557) für den von ihm geleiteten ältesten abendländischen Mönchsorden (-> Benedik- tiner) als (lat. [F.]) lex geschaffene, in 73 Kapitel gegliederte Klosterregel (Verfassung, Tugendlehre, Gottesdienst, Strafe, Verwaltung, Wahl, Aufnahme). Ihre Quellen sind die Bibel, Augustinus, monastisches Schriftum und die nach 500 (Rom 1. Viertel 6. Jh.) entstandene anonyme (lat.) regula (F.) magistri (Regel des Meisters). Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Die Benediktusregel, hg. v. Steidle, B., 4. A. 1980; Jakobs, U., Die Regula Benedicti als Rechtsbuch, Diss. jur. Frankfurt am Main 1985; Regula Benedicti, 1992 Regulae (F.Pl.) Ulpiani sind der vermutlich am Ende des 3. oder Anfang des 4. Jh.s aus Schriften des Gaius, Ulpian und Modestin hergestellte römische Rechtstext, von dem ein Auszug in einer Handschrift der ersten Hälfte des 4. Jh.s erhalten ist. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2b; Köbler, 636 DRG 52 Regularkanoniker ist der sich einer weitergehenden Lebensordnung (Regel) unterstellende -> Kanoniker. Lit.: Weinfurter, S., Neuere Forschungen zu den Regularkanonikern, HZ 224 (1977), 379 Regulierungsedikt ist das am 14. 9. 1811 in -> Preußen erlassene Edikt die Rechte der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse betreffend, das nach dem 1798 im linksrheinischen Gebiet verwirklichten Vorbild Frankreichs dem einzelnen Bauern Eigentum an Grund und Boden verschafft. -> Bauernbefreiung Lit.: Köbler, DRG 174; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004 Reich ist das Herrschaftsgebiet eines Herrschers. Dabei steht im Altertum das (lat.) imperium (N.) Romanum (römische Reich) im Vordergrund. Von den dessen weströmischen Teil auflösenden Reichen einzelner germa- nisch/germanistischer Völker gewinnt das fränkische Reich die größte Bedeutung. Unter dem Karolinger Karl dem Großen wird es an Weihnachten 800 zum Kaiserreich. Nach seiner Teilung (843/887) bleibt die Kaiserwürde im ostfränkischen Reichsteil, der sich zum deutschen R. entwickelt. Hier treten bald König/Kaiser und -> Reichsstände einander gegenüber. An deren Gegensatz zerbricht das R. am 6. 8. 1806 als Heiliges Römisches R. (deutscher Nation). Das von Bismarck 1871 geschaffene zweite Deutsche R., das Adolf Hitler 1933 zum -> Dritten R. umwandelt, ist demgegenüber ein eher kurzlebiger National- staat. Nach 1945 ist der Begriff R. für die Gegenwart durch Bund ersetzt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 94, 101, 109, 112, 133, 138, 147, 150, 169, 172, 233; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 423; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, 1910; Krammer, M., Der Reichsgedanke des staufischen Kaiserhauses, 1908; Heine, H., Das Werden des deutschen Reichs, 2. A. 1944; Thamm, M., Die Terminologie des Wortes ,,Reich", Diss. phil. Frankfurt 1959; Wolfram, H., Splendor imperii, 1963; Herkenrath, R., Regnum und imperium, 1969 (SB Wien); Steinbach, H., Die Reichsgewalt und Niederdeutschland in nachstaufischer Zeit, 1968; Binder, H., Reich und Einzelstaaten während der Kanzlerschaft Bismarcks, 1971; Moraw, P., König, Reich und Territorium, 1971; Mühlen, P. v. zur, Die Reichstheorien in der deutschen Historiographie des frühen 18. Jahrhunderts, ZRG GA 89 (1972), 118; Duchhardt, H., Protestantisches Kaisertum und Altes Reich, 1977; Schubert, E., König und Reich, 1979; Müller-Mertens, E., Die Reichsstruktur im Spiegel der Herrschaftspraxis Ottos des Großen, 1980; Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V., hg. v. Lutz, H., 1982; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984, 2. A. 1994; Schulze, H., Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen, 1987; Aretin, K., Frhr. v., Das Reich, 1988; Weisert, H., Der Reichstitel bis 1806, Archiv für Diplomatik 40 (1994), 441; Alternativen zur Reichsverfassung, hg. v. Press, V. u. a., 1995; Vogler, G., Absolutistische Herrschaft und ständische Gesellschaft, 1996; Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte, hg. v. Kunisch, J., 1997; Recht und Reich im Zeitalter der Reformation, hg. v. Roll, C., 2. A. 1997; Schulze, H., Kaiser und Reich, 1998; Schatz, J., Imperium, pax et iustitia, 2000; Gotthard, A., Das alte Reich 1495-1806, 2003; Reichspersonal, hg. v. Baumann, A. u. a., 2004 Reichenau ist die Insel im unteren Bodensee, auf der um 724 eine rasch bedeutend werdende Bendediktinerabtei gegründet wird, aus der eine Formelsammlung des späten 8. Jh.s überliefert ist. Lit.: Die Kultur der Reichenau, Bd. 1, hg. v. Beyerle, K., 1925; Die Gründungsurkunden der Reichenau, hg. v. Classen, P., 1977; Schmidt, R., Reichenau und St. Gallen, 1985; Richter, M., Neues zu den Anfängen, ZGO 144 (1996), 1; Rappmann, R./Zettler, A., Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft, 1998 Reichsabschied (lat. recessus [M.] imperii) ist seit 1497 die in Deutsch gehaltene Zusammenfassung der Beschlüsse des Reichstages am Ende der Tagung. Der R. enthält die jeweils vom Reichstag geschaffenen Gesetze. Der R. erlangt mit der Verlesung in einer Schlusssitzung Gesetzeskraft. Die weitere Verbreitung des Reichsabschiedes ist den Reichsständen überlassen. Der jüngste R. stammt von 1654. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 6, 148; Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede, hg. v. Schmauß, J. u. a., Teil 1ff. 1747, Neudruck 1967; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966, 134; Laufs, A., Der jüngste Reichsabschied von 1654, 1975; Hof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 1994 Reichsabt ist der Abt einer reichsunmittelbaren Abtei. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; 637 Vogtherr, T., Die Reichsabteien der Benediktiner, 2000 Reichsacht ist die im Hochmittelalter und Spätmittelalter für das gesamte -> Reich verhängte -> Acht. Die hofgerichtliche und kammergerichtliche R. können nur gegen den ausgesprochen werden, der trotz dreimaliger Ladung vor den König oder das königliche Gericht ausbleibt. Löst sich der Geächtete nicht aus der R., kann gegen ihn die Reichsaberacht verhängt werden. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poetsch, J., Die Reichsacht, 1911; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1984 Reichsadel ist der mit dem -> Reich besonders verbundene -> Adel. Dies ist insbesondere der reichsunmittelbare Adel. Im weiteren Sinn zählt hierzu auch der durch das Reich seit dem 14. Jh. (1346) geschaffene Briefadel. Lit.: Bornhak, C., Deutsches Adelsrecht, 1929 Reichsadler ist der als Symbol des -> Reiches verwendete -> Adler. Reichsamt ist die im zweiten Deutschen Reich seit 1870/1 zur Abwehr der liberalen Wunschvorstellungen eines verantwortlichen Reichsministeriums (Reichskanzleramtes) ge- bildete selbständige Reichsbehörde (1870/1 auswärtiges Amt, 1872 Admiralität, 1873 Reichseisenbahnamt, 1876/80 Reichspostamt, 1877 Reichsjustizamt, 1879 Amt für Inneres, 1879 Reichsschatzamt). Der Leiter eines Reichsamtes wird bald dem Kaiser unmittelbar verantwortlich. Die Zahl der Reichsämter erhöht sich später noch. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 196 Reichsapfel ist die als Symbol des Reiches verwendete Kugel, die auf der Grundlage antiker Vorbilder im Mittelalter (Heinrich II., Heinrich IV. [1106], Heinrich VI. [1191]) erscheint. Der noch vorhandene R. stammt vielleicht noch aus dem 12. Jh. Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Schramm, P., Sphaira, Globus, Reichsapfel, 1958 Reichsarbeitsdienst ist der auf der Grundlage früherer freiwilliger Arbeitsdienste der studentischen Arbeitslagerbewegung von Adolf -> Hitler 1935 zur Beseitigung der Arbeits- losigkeit eingerichtete Arbeitsdienst mit einer halbjährigen Arbeitsdienstpflicht. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Reichsarchiv ist das 1919 in Potsdam gegründete zentrale Archiv des Deutschen Reiches. Ältere Versuche der Einrichtung eines Reichsarchivs bleiben erfolglos. Nachfolger ist in der Bundesrepublik Deutschland das Bundesarchiv. Lit.: Lünig, J., Teutsches Reichsarchiv, Bd. 1ff. 1713ff.; Rühle, G., Das Dritte Reich, Bd. 1ff. 1934ff. Reichsbank ist die am 1. 1. 1876 errichtete Zentralnotenbank des zweiten Deutschen Reiches zur Regelung des Geldumlaufes, Erleichterung der Zahlungsausgleichungen und Nutzbarmachung des verfügbaren Kapitals, die tatsächlich 1945 und formal am 2. 8. 1961 aufgelöst wird. Lit.: Beutler, R., Die Reichsbank, 1909; Wussow, H., Die Zentralbanken, Diss. jur. Frankfurt am Main 1955 masch.schr. Reichsbistum ist das im fränkisch-deutschen Reich bestehende Bistum bzw. das reichsunmittelbare Bistum. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Feine, H., Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921, Neudruck 1964 Reichsbürgergesetz ist das im Dritten Reich am 15. 9. 1935 geschaffene Gesetz, das als Reichsbürger nur die Staatsbürger deutschen oder artverwandten Blutes ansieht. Lit.: Köbler, DRG 222; Stuckart/Globke, H., Reichsbürgergesetz, 1936 Reichsdeputation ist der vom Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) seit dem 16. Jh. gebildete Ausschuss. Die R. kann ordentliche R. oder außerordentliche R. sein. Lit.: Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966, 74, 253 Reichsdeputationshauptschluss ist der Beschluss (Hauptschluss) der letzten außerordentlichen mit Mainz, Böhmen, Sach- sen, Brandenburg, Bayern, Hessen-Kassel, Württemberg und dem Hoch- und Deutsch- meister besetzten -> Reichsdeputation des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) vom 25. 2. 1803 (24. 3. 1803 Reichsgutachten des Reichstags, 28. 4. 1803 Genehmigung des Kaisers [mit einigen Ausnahmen]). Der R. beendet auf Grund eines von -> Frankreich und -> Russland vorgelegten Entwurfes rechts- rheinisch für drei Kurfürstentümer (Köln, Trier, Pfalz), 24 Fürstentümer [19 Reichsbistümer], 44 Reichsabteien und 41 Reichsstädte (112 Reichsstände) die Selbständigkeit und teilt ihr Gebiet (rund 10000 Quadratkilometer 638 geistliches Gebiet mit 3,161 Millionen Einwohnern) zur bereits auf dem Rastatter Kongress (1797-1799) beschlossenen Entschädigung für linksrheinische Verluste an Frankreich [Friede von Lunéville 1801] anderen Reichsständen (Baden, Bayern, Preußen, Württemberg) zu. Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) endet auch der R., doch wirken die durch ihn geschaffenen Veränderungen fort. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 132; Wende, P., Die geistlichen Staaten, 1966; Hömig, K., Der Reichsdeputationshauptschluss, 1969; Schroeder, K., Der Reichsdeputationshauptschluss, JuS 1989, 351; Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803, hg. v. Hufeld, U., 2003 Reichsdienstmann ist der im Dienst des -> Reiches stehende Dienstmann oder Ministeriale. Seit der karolingischen Zeit steigt er aus der Unfreiheit in den niederen Adel (14. Jh.) auf. 1128 wird er erstmals als (lat.) ministerialis (M.) regni ausdrücklich genannt. Lit.: Köbler, DRG 98; Weimann, K., Die Ministerialität im späten Mittelalter, 1924; Segner, U., Die Anfänge der Reichsministerialität, 1938; Bosl, K., Die Reichsministerialität, Bd. 1f. 1950f.; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969 Reichsdorf ist das reichsunmittelbare Dorf. Aus dem umfänglichen Reichsgut lassen sich später noch etwas mehr als 100 Reichsdörfer (120 Reichsflecken und Reichshöfe) sichern. Sie sind frei von grundherrlichen Lasten und Träger von gerichtlichen Rechten. Bis zum Jahre 1803 geraten sie außer Gochsheim, Sennfeld, Sulzbach, Soden und den freien Leuten auf der Leutkircher Heide unter eine Landesherrschaft. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 110; Hugo, Verzeichnis der freien Reichsdörfer, Z. f. Archivkunde 2 (1836), 446; Weber, F., Geschichte der fränkischen Reichsdörfer Gochsheim und Sennfeld, 1913; Kaufmann, E., Geschichte und Verfassung der Reichsdörfer Soden und Sulzbach, Diss. phil. Frankfurt am Main 1951, Neudruck 1984 Reichserbhofgesetz ist das die Testierfreiheit des Eigentümers eines Erbhofs zugunsten der Wirtschaftsfähigkeit einschränkende deutsche Reichsgesetz vom 1. 10. 1933. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 239; Grundmann, F., Agrarpolitik im ,,Dritten Reich", 1979; Schliepkorte, J., Entwicklungen des Erbrechts zwischen 1933 und 1953, 1989; Weitzel, J., Sonderprivatrecht aus konkretem Ordnungsdenken, ZNR 14 (1992), 55 Reichsexekution ist die Vollstreckung von Urteilen des Reichskammergerichts und des Reichshofrats sowie die Sicherung des Landfriedens im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Die Ordnung der R. ist in verschiedenen Reichsabschieden des 16. Jh.s behandelt (vor allem 1555). Die rechts- tatsächliche Bedeutung der R. ist gering. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Ernst, V., Die Entstehung der Exekutionsordnung von 1555, Württemberg. Vjh. f. LG. N.F. 10 (1901), 1; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1971 Reichsfahne ist die vor allem als Kriegsfahne als Symbol des Reiches verwendete -> Fahne. Ihre anfängliche Farbe ist streitig (rot?, gold?, gold und silbern?, gold und rot?, weiß und rot?). Im 12. Jh. wird der -> Adler in sie aufgenommen. 1848 werden Schwarz-Rot- Gold, 1871 Schwarz-Weiß-Rot und 1919 Schwarz-Rot-Gold als Farben festgelegt. Das Hakenkreuz des Dritten Reiches bleibt kurzes Zwischenspiel. Lit.: Buschkiel, L., Die deutschen Farben, 1935; Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbol, Bd. 2 1955, 643 Reichsfarben -> Reichsfahne Lit.: Wentzcke, P., Die deutschen Farben, 2. A. 1955 Reichsfinanzen sind die Einkünfte des -> Reiches. Sie bestehen im Mittelalter vor allem aus den Erträgnissen der Königshöfe, aus jährlichen Gaben und aus Bannabgaben, Friedensgeldern, Zöllen und Münzabgaben. Durch die Vergabung des Königsgutes werden sie geringer. Im zweiten Deutschen Reich stehen dem Reich die Zölle und Verbrauchsabgaben bis zur Höhe von 130 Millionen Mark, die Posteinkünfte und Beiträge der Einzelstaaten (Matrikularbeiträge) zu. Seit 1881 werden zur Verbesserung der bedrängten Finanzlage besondere Reichssteuern festgesetzt. Lit.: Köbler, DRG 196, 233; Troe, H., Münze, Zoll und Markt, 1937; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern, ZHF 7 (1980), 1; Schulze, W., Reichskammergericht und Reichsfinanzverfassung, 1989 Reichsfinanzhof ist das mit Gesetz vom 26. 7. 1918 geschaffene, in München zum 1. 10. 1918 eingerichtete oberste deutsche Gericht in Finanzstreitigkeiten bzw. Steuersachen. Sein 639 Nachfolger ist der Bundesfinanzhof. Reichsfiskal -> Fiskal Lit.: Kroeschell, DRG 2 Reichsforst -> Forst Reichsfürst ist der sich im 12./13. Jh. aus dem Reichsadel aussondernde reichsunmittelbare Fürst (um 1190 92 geistliche und 22 weltliche Reichsfürsten). Er kann weltlicher R. (Herzog oder herzogsgleich) oder geistlicher R. (Erzbischof, Bischof, Abt, Äbtissin) sein. Mehr als einfacher R. ist der -> Kurfürst. Im Hoch- mittelalter beträgt die Zahl der Reichsfürsten etwa 110 bis 120, von denen drei Viertel geistliche Reichsfürsten sind. Es gibt weder landrechtlich noch lehnrechtlich eindeutige rechtliche, die Reichsfürsten von anderen hochadligen Geschlechtern abhebende Voraussetzungen. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 110, 135, 148, 153; Ficker, J.(/Puntschart, P.), Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1f. 1861ff., Neudruck 1961; Schönherr, F., Die Lehre vom Reichsfürstenstande, 1914; Moeller, R., Die Neuordung des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 39 (1918), 1; Stengel, E., Land- und lehnrechtliche Grundlagen des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 66 (1948), 294; Engelbert, Die Erhebungen in den Reichsfürstenstand, Diss. phil. Marburg 1948 (masch.schr.); Hinz, G., Territorialstaatsbewusstsein und Reichsgedanke, 1956; Schubert, E., König und Reich, 1979; Klein, T., Die Erhebungen in den weltlichen Reichsfürstenstand 1500-1806, Bll. f. dt. LG 122 (1986) 137ff.; Vom Reichsfürstenstande, hg. v. Heinemeyer, W., 1987; Arnold, B., Princes and Territories, 1991; Willoweit, D., Fürst und Fürstentum in den Quellen der Stauferzeit, Rhein. Vjbll. 63 (1999); Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Der zweite Mann im Staat, hg. v. Kaiser, M. u. a., 2003 Reichsfürstenrat ist der seit dem 15. Jh. (1471, 1486) von den -> Reichsfürsten, reichsständischen Grafen und Herren und den nicht gefürsteten Prälaten gebildete Rat innerhalb des Reichstages. Er besteht aus einer geistlichen, vom Herzog (Pfalzerzherzog) von Österreich angeführten Bank und einer weltlichen, vom Herzog von Bayern angeführten Bank. Nach der Reformation verbleibt eine katholische Mehrheit der Stimmen. 1792 weist der R. 94 (35 geistliche und 59 weltliche) Virilstimmen und 6 (2 geistliche und 4 weltliche) Kuriatstimmen auf, 1803 127 Virilstimmen und 4 Kuriatstimmen. Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Schubert, E., König und Reich, 1979 Reichsgebiet ist das Gebiet des -> Reiches. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kirn, P., Politische Geschichte der deutschen Grenzen, 4. A. 1958; Deutschlands Grenzen in der Geschichte, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993 Reichsgericht ist allgemein das für das -> Reich zuständige Gericht. Dies ist für das fränkisch-deutsche Reich das Gericht des Königs, seit 1495 das -> Reichskammergericht und danach neben ihm der -> Reichshofrat. Für das zweite Deutsche Reich wird am 1. 10. 1879 ein neues R. mit fünf (1893 6) Zivilsenaten und drei (1893 4) Strafsenaten in Leipzig eröffnet (1893 81 Richter), das dem Reichsoberhandelsgericht bzw. dem Bundesoberhandelsgericht nachfolgt. Es ist hauptsächlich Revisionsgericht. Ihm organi- satorisch eingegliedert und personell mit ihm verknüpft sind Staatsgerichtshof und Reichsarbeitsgericht. Am 19. 4. 1945 bzw. nach der Bildung einer Kommission zur Bewahrung der Sachwerte des Reichsgerichts innerhalb der sowjetischen Besatzungszone am 8. 10. 1945 wird es geschlossen. Die amtliche Sammlung seiner Entscheidungen umfasst 172 Bände mit mehr als 15000 Entscheidungen auf etwa 91000 Seiten. -> Bundesgerichtshof Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 195, 200, 215, 218, 231; Fünfzigjahrfeier des Reichsgerichts, 1929; Die Reichsgerichtspraxis, hg. v. Schreiber, O., Bd. 1ff. 1929; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Hertz, F., Die Rechtsprechung der höchsten Reichsgerichte, MIÖG 69 (1961), 331; Kaul, F., Ge- schichte des Reichsgerichts, 1971; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972; Kolbe, D., Reichsgerichtspräsident Dr. Erwin Bumke, 1975; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner Obertribunals, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 419; Dauer, F., Die Bibliothek des Reichsgerichts, 1991 (1945 rund 300000 Bände); Sammlung sämtlicher Erkenntnisse des Reichsgerichts in Zivilsachen, hg. v. Schubert, W., 1992ff.;Wiegendrucke der Bibliothek des Reichsgerichts, bearb. v. Otto, J., 1994; Nachschlagewerk des Reichsgerichts. Bürgerliches Gesetzbuch, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1994ff.; Das Reichsgericht, hg. v. stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, 1995; Grimm, D., Das Reichsgericht in Wendezeiten, NJW 1997, 2719; Müller, K., Die Hüter 640 des Rechts, 1997; Nachschlagewerk des Reichsgerichts Preußisches Landrecht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1998; Weidenthaler, H., Die Strafsenate des Reichsgerichts, Diss. jur. Würzburg 1999; Dorsch, T., Der Reichsgerichtsbau in Leipzig, 1999; Fortitudo temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000; Möller, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Zivilsachen, 2001; Westphal, S., Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung, 2002; Nachschlagewerk des Reichsgerichts. Gesetzgebung des Deutschen Reichs, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 2005; RGZ ­ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen 1880-1945. Archiv-DVD. 2004 Reichsgesetz ist das vom -> Reich geschaffene bzw. für das Reich geltende -> Gesetz. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) ist das R., von einigen Ausnahmen abgesehen (z. B. Constitutio Criminalis Carolina, Reichskammergerichtsordnung, Reichspolizeiordnung), nicht sehr bedeutsam. Dagegen wird im zweiten Deutschen Reich durch R. das deutsche Reichsrecht auf fast allen Gebieten vereinheitlicht (-> Strafgesetzbuch, -> Strafprozessordnung, -> Zivilprozessordnung, - > Bürgerliches Gesetzbuch). Lit.: Köbler, DRG 148; Zeumer, K., Studien zu den Reichsgesetzen des 13. Jahrhunderts, ZRG GA 23 (1902), 61; Hartz, W., Die Gesetzgebung des Reichs, 1931; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Diestelkamp, B., Die deutsche Reichsgesetzgebung im 19. und 20. Jahrhundert, in: Särtryk ur Rättshistorika studier (Serien II) Bd. 7 1982, 206 Reichsgesetzgebung -> Reichsgesetz Reichsgraf ist seit der frühen Neuzeit der zum -> Reich in unmittelbarer Beziehung stehende - > Graf. Lit.: Böhme, E., Das fränkische Reichsgrafenkollegium im 16. und 17. Jahrhundert, 1989; Schmidt, G., Der Wetterauer Grafenverein, 1989; Arndt, J., Das niederrheinsch-westfälische Reichsgrafenkollegium, 1991; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992 Reichsgut ist im Mittelalter das dem -> Reich zustehende Gut (Eigen, Lehen usw.). Die Abgrenzung vom Hausgut ist kaum sicher durchzuführen. Seit dem Spätmittelalter ist das alte R. dem König verloren. Er muss sich allein auf sein Hausgut stützen. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 112, 150; Niese, H., Die Verwaltung des Reichsgutes im 13. Jahrhundert, 1905; Kraft, R., Das Reichsgut im Wormsgau, 1934; Rotthoff, G., Studien zur Geschichte des Reichsguts in Niederlothringen und Friesland, 1953; Mascher, K., Reichsgut und Komitat am Südharz, 1957; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1967; Faußner, H., Herzogsgut und Reichsgut, ZRG GA 85 (1968), 1; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft, 1993 Reichshaftpflichtgesetz ist das vor allem die - > Gefährdungshaftung für Personenschäden beim Betrieb einer Eisenbahn anordnende Gesetz des zweiten Deutschen Reichs von 1871. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216; Schubert, W., Das Reichshaftpflichtgesetz ZRG GA 100 (1983), 238 Reichsheer -> Heer Lit.: Kroeschell, DRG 2; Frauenholz, E. v., Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens, Bd. 1ff. 1935ff.; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Huber, E., Heer und Staat in der deutschen Geschichte, 2. A. 1943 Reichsheimstättengesetz ist das am 10. 5. 1920 nach amerikanischem Vorbild zur Sicherung einkommensschwacher Familien geschaffene deutsche Reichsgesetz, das dem Staat eine Art Obereigentum an der Heimstätte vorbehält. Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 52 Reichshistorie ist im 17. und 18. Jh. eine Hilfswissenschaft des deutschen Staatsrechts, die vor allem in Gießen, Marburg, Jena, Helmstedt, Halle und Göttingen gepflegt wird (-> Thomasius, -> Ludewig, -> Gundling, -> Pütter). Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Roeck, B., Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Aufklärung und Geschichte, hg. v. Bödeker, H., 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988ericht -> Hofgericht Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 114; Franklin, O., Das Reichshofgericht, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1967; Vogel, Beiträge zur Geschichte des deutschen Reichshofgerichts, ZRG GA 2 (1881), 151; Hüttebräuker, L., Ein Reichshofgerichtsprozess zur Zeit Karls IV., ZRG GA 56 (1936), 178; Wohlgemuth, Das Urkundenwesen des deutschen Reichshofgerichts, 1973; 641 Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichts 1235-1451, 1974; Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts, bearb. v. Battenberg, F. u. a., 1987 Reichshofkanzlei ist die 1558/9 für den Schriftverkehr des Reiches eingerichtete Kanzlei in Wien, die neben der Reichskanzlei und der Kanzlei des Reichskammergerichts steht. Sie nimmt die Kanzleigeschäfte des Reichshofrats wahr. Lit.: Groß, L., Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei, 1933 Reichshofrat bzw. anfangs königlicher oder kaiserlicher Hofrat ist der nach mittelalterlichen Vorläufern 1497/1498 begründete Hofrat des Königreichs bzw. Kaisers des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) in Wien. Er wird zunächst zur obersten Regierung und Justizbehörde bestimmt. Er entwickelt sich aber allmählich zu einem mit dem -> Reichs- kammergericht konkurrierenden Gericht des Kaisers. Es ist mit dem Hofratspräsidenten als Vertreter des Kaisers und mit 12 bis 34 Räten besetzt. Es ist zuständig für kaiserliche Reservatrechte und Privilegien, Reichslehns- sachen und Kriminalklagen gegen Reichs- unmittelbare. Allmählich gewinnt der R. im Verhältnis zum Reichskammergericht das größere Gewicht (vielleicht 100000 Sacheinheiten bzw. Verfahren). Geordnet ist sein wenig strenges Verfahren in Reichshofratsordnungen (z. B. 1527, 1537, 1541, ordo consilii um 1550, 1559, 1594, 1617, 1626). Von 1559 bis 1806 sind 445 Reichshofräte tätig. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150, 153, 200; Fahnenberg, E., Literatur des kaiserlichen Reichskam- mergerichts und Reichshofrats, 1792; Fellner, T./Kretschmayr, H., Die österreichische Zentralver- waltung, 1907, Neudruck 1970, Nr. 4, 10, 12, 15; Gschließer, O. v., Der Reichshofrat, 1942; Sellert, W., Über die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Reichshofrat und Reichskammergericht, 1965; Landes, D., Achtverfahren vor dem Reichshofrat, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen des Reichshofrates 1550-1766, hg. v. Sellert, W., 1981ff.; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986; Hammerschmidt, E., War Hiob Ludolf Reichshofrat?, ZRG GA 104 (1987), 268; Reichshofrat und Reichskammergericht, hg. v. Sellert, W., 1999; Ortlieb, E., Im Auftrag des Kaisers. Die kaiserlichen Kommissionen des Reichshofrats, 2001; Hartmann-Polomski, C., Die Regelung der gerichtsinternen Organisation und des Geschäftsgangs der Akten als Maßnahmen der Prozessbeschleunigung am Reichshofrat, 2001; Ortlieb, E./Polster, G., Die Prozessfrequenz am Reichshofrat, ZNR 2004, 189 Reichshofratsprozess ist der seit dem Ende des 16. Jh.s vom -> Reichshofrat ausgebildete besondere -> Prozess. Er ist nicht durch ausführliche Prozessordnungen überliefert, weil der Reichshofrat sich stets auch als politisches Organ versteht. Er übernimmt den Reichs- kammergerichtsprozess nur soweit dies zweckmäßig erscheint und schränkt die Formalitäten des Prozesses stark ein. Dennoch ist er schriftlich. Die Artikulation hat nur geringe Bedeutung. Es gilt die Eventual- maxime. Ein Beweisinterlokut fehlt. Endurteile sind ziemlich selten. Gegen Urteile sind Revision, Nichtigkeitsklage und (lat.) -> recursus (M.) ad comitia zugelassen. Lit.: Gschließer, O. v. Der Reichshofrat, 1942; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen des Reichshofrates, hg. v. Sellert, W., 1981ff. Reichsinsignien sind die (weltlichen) symbolischen Zeichen des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation). -> Insignien, Reichskleinodien Lit.: Hofmeister, A., Die heilige Lanze, 1908; Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954 Reichsitalien ist der von 774 bis 1806 zum fränkisch-deutschen -> Reich gehörige Teil -> Italiens. Seine Zugehörigkeit ist im Hochmittelalter am deutlichsten. Eine genaue Kenntnis über alle Herrschaftsrechte in R. (um 1530 Mailand, Savoyen-Piemont, Parma- Piacenza, Modena-Reggio, Mantua, Montferrat, Florenz, Siena, Genua, Lucca und etwa 250 kleinere Lehen) besteht anscheinend zu keiner Zeit. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pugliese, S., Le prime strette dell'Austria in Italia, 1932; Manaresi, C., I placiti del ,,Regnum Italiae", Bd. 1ff. 1955ff.; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1f. 1970f.; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Pauler, 642 R., Das regnum Italiae, 1982 Reichsjustizamt ist das im zweiten Deutschen Reich seit 1877 für das Recht zuständige -> Reichsamt. Lit.: Köbler, DRG 196; Vom Reichsjustizamt zum Bundesministerium der Justiz, Festschrift zum 100jährigen Gründungstag des Reichsjustizamtes, 1977; Schulte-Nölke, H., Das Reichsjustizamt und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1995 Reichsjustizgesetze sind die zum Anfang des Jahres 1877 veröffentlichten, am 1. 10. 1879 in Kraft getretenen, die Gerichtsbarkeit betreffenden Gesetze des zweiten Deutschen Reichs (Gerichtsverfassungsgesetz, Zivilpro- zessordnung, Strafprozessordnung, Konkurs- ordnung, Rechtsanwaltsordnung und Gerichts- kostengesetz). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 182; Müller, H., Die Entstehungsgeschichte des Gerichtsverfassungsgesetzes, Diss. jur. Tübingen 1939; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Sellert, W., Die Reichsjustizgesetze von 1877, JuS 17 (1977), 781 Reichskammergericht ist das als Gericht der Reichsstände im Zuge der Reform des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) 1495 aus dem königlichen Kammergericht entstehende Gericht. Seine Verfassung ist in der Reichskammergerichtsordnung von 1495 sowie späteren Reichskammergerichtsordnungen (z. B. 1555) geregelt. Es ist mit einem Kammerrichter (Vorsitzer) und erst 16, 1556 32, später bis zu 41, grundsätzlich je zur Hälfte adligen und gelehrten Beisitzern (Assessoren, Urteilern), die anfangs zwei (1530), später vier Senaten zugeteilt sind, zu schwach und meist nicht vollständig besetzt. Es ist 1495 in Frankfurt am Main, 1527 in Speyer und 1693 in Wetzlar untergebracht. Zuständig ist es teils in erster, teils in letzter Instanz vor allem für Rechtsverweigerung, Landfriedensbruch, bür- gerliche Klagen gegen Reichsunmittelbare sowie die angesichts der sich häufenden Nichtappellationsprivilegien immer selteneren noch zulässigen Appellationen (auch in Polizeisachen). In Anspruch genommen wird es bei durchschnittlich etwa 250 Eingängen im Jahr (um 1500 70, um 1600 700, um 1700 200) örtlich vor allem am Rhein, ständisch hauptsächlich von städtischer Oberschicht und adliger Unterschicht sowie sachlich in Bezug auf Geldwirtschaft und Landfrieden (bis 1550 etwa 10000, bis 1594 etwa 30000, bis 1693 etwa 55000, bis 1760 etwa 60000, bis 1806 etwa 75000 Streitsachen, davon acht tatsächlich durchgeführte Revisionsverfahren). Es urteilt nach den hergebrachten örtlichen Ge- wohnheiten und Statuten sowie theoretisch sub- sidiär, praktisch aber vorrangig nach den gemeinen Rechten (römisch-kanonischem Recht des -> usus modernus pandectarum). In sein Umfeld gehören Fiskalprokurator, Prokuratoren und -> Advokaten. Vielleicht lässt sich eine steigende Zahl von Klagen im ausgehenden 18. Jh. mit einem neuen Glauben an alte Freiheiten in alten Urkunden erklären, der Frankreichs revolutionäre Vernichtung der alte Unfreiheiten bezeugenden alten Urkunden gegenübersteht. Mit dem Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) geht es 1806 unter. Seine Akten werden danach auf zahlreiche Archive verteilt. Erhalten sind in der Gegenwart noch 69000 Prozessakten und Entscheidungen (einschließlich von Zwischen- urteilen) in den noch erhaltenen Urteilsbüchern zu 47500 Prozessen (vorwiegend zwischen 1684 und 1806) bzw. 76203 Reichs- kammergerichtsakten in 46 Archiven (1847- 1852 71617 Prozessakten nach dem Wohnsitz des Beklagten verteilt auf die vierzig Staaten - Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau, Anhalt- Köthen, Baden, Bayern, Braunschweig, Bre- men, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Hessen-Darmstadt, Hessen-Homburg, Hohen- zollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Holstein-Lauenburg, Kurhessen, Liechtenstein, Limburg, Lübeck, Lippe, Luxemburg, Meck- lenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Nas- sau, Oldenburg, Österreich, Preußen [1924 auf 12 Staatsarchive aufgeteilt], Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Sachsen, Sachsen- Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen- Meiningen, Sachsen-Weimar, Schaumburg- Lippe, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg- Sondershausen, Waldeck, Württemberg, Bel- gien) (am 31. 3. 2003 43303 Akten verzeichnet und 69 Inventarbände bereits erschienen). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 137, 147, 153, 200; Fahnenberg, E., Literatur des kaiserlichen Reichskammergerichts und Reichshofrats, 1792; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965; Poetsch, J., Die Reichsjustizreform von 1495, 1912; 643 Spangenberg, H., Die Entstehung des Reichskammergerichts und die Anfänge der Reichsverwaltung, ZRG GA 46 (1926), 231; Repertorium der Akten des Reichskammergerichts, bearb. v. Koser, O., Bd. 1f. 1933ff.; Repertorium der Akten des ehemaligen Reichskammergerichts im Staatsarchiv Koblenz, bearb. v. Looz-Corswarem, O. Graf zu u. a., 1957; Latzke, W., Das Archiv des Reichskammergerichts, ZRG GA 78 (1961), 321; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts, Diss. jur. Berlin (FU) 1966; Sellert, W., Die Ladung des Beklagten vor das Reichskammergericht, ZRG GA 84 (1967), 202; Pitz, E., Ein niederdeutscher Kammergerichtsprozess von 1525, 1969; Heusinger, B., Vom Reichskammergericht, 1972; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Weitzel, J., Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts als Appellationsgericht, ZRG GA 90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der Reichskammergerichts- ordnung von 1495, 1973; Die Reichskammergerichtsord- nung von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976; Diestelkamp, B., Das Reichskammergericht im Rechtsleben des 16. Jahrhunderts, FS A. Erler, 1976, 435; Duchhardt, H., Die kurmainzischen Reichskammergerichtsassessoren, ZRG GA 94 (1977), 88; Schulz, P., Die politische Einflussnahme auf die Entstehung der Reichskammergerichtsordnung 1548, 1980; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Findbuch zu den Reichskammergerichtsakten 1524-1806 (in Oldenburg), bearb. v. Eckhardt, A., 1982; Mencke, K., Die Visitationen am Reichskammergericht, 1984; Eberling, H., Findbuch zu den Reichskammerge- richtsakten 1551-1806, 1985; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44; Ranieri, F., Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption, 1986; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986; Ebeling, H., Findbuch zum Bestand Reichskammergericht (1515-1806), Rep. 900 (des Staatsarchivs Osnabrück), 1986; Stein-Stegemann, H., Findbuch der Reichskammergerichtsakten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 1987; Ranieri, F., Die Arbeit des Reichskammergerichts in Wetzlar, 1988; Hausmann, J., Die Kameralfreiheiten des Reichskammergerichtsper- sonals, 1989; Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte, hg. v. Diestelkamp, B., 1990; Kratsch, D., Justiz ­ Religion ­ Politik, 1990; Reichskammergerichts- akten im hessischen Staatsarchiv Darmstadt und im gräflich solmsischen Archiv in Laubach, bearb. v. Korte- Böger, A. u. a., 1990; Die politische Funktion des Reichskammergerichts, hg. v. Diestelkamp, B., 1993; Akten des Reichskammergerichts im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, hg. v. Brunotte, A. u. a., Bd. 1ff. 1993ff.; Bayerisches Hauptstaatsarchiv. Reichskammergericht, Bd. 1ff. 1994ff.; Diestelkamp, B., Reichskammergericht und Rechtsstaatsgedanke, 1994; Frieden durch Recht. Das Reichskammergericht von 1495 bis 1806, hg. v. Scheurmann, I., 1994; Fern vom Kaiser, hg. v. Hausmann, J., 1995; Diestelkamp, B., Rechtsfälle aus dem alten Reich, 1995; Friedenssicherung und Rechtsgewährung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1997; Inventar der lippischen Reichskammergerichtsakten, bearb. v. Bruckhaus, M. u. a., 1997; Findbuch der Akten des Reichskammergerichts im Landesarchiv Magdeburg, Bd. 1, bearb. v. Lücke, D., 1997; Baumann, A., Das Reichskammergericht in Wetzlar (1693-1806) und seine Prokuratoren, ZRG GA 115 (1998), 474; Reichskammergericht, Köln Bd. 1ff., bearb. v. Kordes, M., 1998; Sailer, R., Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht, 1999; Oer, R. Freiin v., Der münsterische ,,Erbmännerstreit", 1999; Reichshofrat und Reichskammergericht, hg. v. Sellert, W., 1999; Weitzel, J., Das Inventar der Akten des Reichskammergerichts, ZNR 1999, 408; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren am Reichskammergericht in Speyer (1495- 1690), ZRG GA 117 (2000), 550; Inventar der Akten des Reichskammergerichts 1495-1806, Frankfurter Bestand, bearb. v. Kaltwasser, I., 2000; Baumann, A., Die Gesellschaft der frühen Neuzeit im Spiegel der Reichskammergerichtsprozesse, 2001; Volk, O., Die Wohnungen der Kameralen in Wetzlar, 2001; Fuchs, B., Die Sollicitatur am Reichskammergericht, 2002; Klass, A., Standes- oder Leistungselite?, 2002; Das Reichskammergericht am Ende des alten Reiches und sein Fortwirken im 19. Jahrhundert, hg. v. Diestelkamp, B., 2002; Prange, W., Vom Reichskammergericht in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, 2002; Stein, A., Advokaten und Prokuratoren am Reichskammergericht in Wetzlar (1693-1806) als Rechtslehrer und Schriftsteller, 2002; Jahns, S., Das Reichskammergericht und seine Richter Teil 2, 2003; Schildt, B., Inhaltliche Erschließung und ideelle Zusammenführung der Prozessakten des Reichskammergerichts mittels einer computergestützten Datenbank, ZNR 25 (2003), 269; Das Reichskammergericht, hg. v. Diestelkamp, B., 2004; Gedruckte Relationen und Voten des Reichskammergerichts, bearb. v. Baumann, A., 2004; Oestmann, P., Aus den Akten des Reichskammergerichts, 2004; In eigener Sache, hg. v. 644 Westphal, S., 2005; Mader, E., Die letzten ,,Priester der Gerechtigkeit", 2005 Reichskammergerichtsprozess ist der -> Prozess vor dem Reichskammergericht. Er wird bereits in der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1495 erstmals und lückenhaft und in insgesamt mehr als 15 Reichskammergerichts- ordnungen (z. B. 1555) vertieft geregelt. Er beruht auf dem in Oberitalien entwickelten römisch-kanonischen Prozessrecht des Spätmittelalters. Der R. ist schriftlich. Es gelten der Verhandlungsgrundsatz, die Dispositions- maxime und das Prinzip der Artikulation. Nach Litiskontestation (-> litis contestatio) und Ablegung des -> Kalumnieneides kann der Beklagte auf den artikulierten Prozessvortrag des Klägers antworten. Über die bestrittenen Artikel wird Beweis erhoben. Nach der Beweisaufnahme kann der Beklagte artikuliert Einwände vorbringen. Da hierdurch die Prozessdauer verlängert wird, bemüht sich das Reichskammergericht bereits 1521 um Beschleunigung. 1654 wird die Artikulation beseitigt. Lit.: Ludolff, G., Corpus iuris cameralis, 1724; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965; Maass, P., Die Zivilprozessreform des jüngsten Reichsabschiedes, Diss. jur. Münster 1925; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts, Diss. jur. Berlin 1966; Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005 Reichskanzlei ist die -> Kanzlei des -> Reiches bzw. Hofes. Ihr steht 870 erstmals, seit 965 auf Dauer, seit dem 11. Jh. als Reichs- erzkanzler der -> Erzbischof von -> Mainz vor. Seit Beginn des 17. Jh.s hat die R. ihren festen Sitz in Wien. Im zweiten Deutschen Reich ist (seit 1879) die R. die Geschäftsstelle des Leiters der Reichsregierung. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150; Forstreiter, E., Die deutsche Reichskanzlei, Diss. phil. Wien 1924; Groß, L., Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559 bis 1806, 1933, Walter, A., Die deutsche Reichskanzlei, 1938; Hausmann, F., Reichskanzlei und Hofkapelle unter Heinrich V. und Konrad III., 1956; Koch, W., Die Reichskanzlei in den Jahren 1167 bis 1174, 1973; Herkenrath, R., Die Reichskanzlei in den Jahren 1174 bis 1180, 1977; Koch, W., Die Schrift der Reichskanzlei im 12. Jahrhundert (1125-1190), 1979; Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1933-1938, hg. v. Repgen, K., Teil 1 Bd. 1ff. 1983ff.; Herkenrath, R., Die Reichskanzlei in den Jahren 1181 bis 1190, 1985; Wahl -und Krönungsakten des Mainzer Reichserzkanz- lerarchivs 1486-1711, bearb. v. Schlösser, S., 1993; Neumann, M., Von der Reichskanzlei zum Bundeskanzleramt, AöR 1999, 1; Schütz, A., Kronrat und Reichskanzlei als Zentralbehörden des Reiches unter Ludwig dem Bayern, 2002 Reichskanzler ist der Leiter der Reichskanzlei bzw. im zweiten Deutschen Reich der Leiter der Reichsregierung (z. B. Otto von Bismarck). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 195, 196, 222, 230; Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer Erzkanzleramtes, ZRG GA 75 (1958), 1; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Conze, W., Brüning als Reichskanzler, HZ 214 (1972), 310; Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, hg. v. Hartmann, P., 1997; Kurmainz, das Reicherzkanzleramt und das Reich, hg. v. Hartmann, P., 1998; Fesser, G., Reichskanzler Fürst von Bülow, 2003 Reichskirche ist die -> Kirche im fränkisch- deutschen Reich. Dies betrifft in der älteren Zeit die dem König bzw. Kaiser unmittelbar zugeordneten Erzbistümer, Bistümer, Klöster, Stifter und Kirchen, später nur das reichs- unmittelbare Kirchenwesen. 1803 wird die bestehende R. säkularisiert und mediatisiert. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 77; Boerger, R., Die Belehnungen der deutschen geistlichen Fürsten, 1901; Hauck, A., Die Entstehung der geistlichen Territorien, 1909; Feine, H., Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921, Neudruck 1964; Heckel, J., Staat und Kirche, 1968; Köhler, O., Die ottonische Reichskirche, FS G. Tellenbach, 1968, 141; Investiturstreit und Reichsverfassung, 1973; Zielinski, H., Der Reichsepiskopat, 1984; Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft, 1993; Bigott, B., Ludwig der Deutsche und die Reichskirche im ostfränkischen Reich, 2002 Reichskirchensystem ist im 10. und 11. Jh. die Heranziehung der Kirche zur Reichsverwaltung. Seit Kaiser Otto I. werden geistliche Würdenträger mit weltlichen Aufgaben (z. B. Grafschaften) betraut. Dieses R. findet im -> Investiturstreit sein Ende, doch lebt es in der veränderten Form der geistlichen Reichsfürsten fort. 645 Lit.: Köbler, DRG 85; Santifaller, L., Zur Geschichte des ottonisch-salischen Reichskirchensystems, 2. A. 1964; Beumann, H., Reformpäpste als Reichsbischöfe, FS F. Hausmann, 1977, 21; Bührer-Thierry, G., Évques et pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997 Reichskleinodien sind der das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) sichtbar darstellende, bei den Krönungen in Aachen bzw. Frankfurt verwendete Reichsschatz (einziger nahezu unverändert erhaltener Kronschatz Europas). Zu den R. zählen die -> Krone (Reichskrone), das Reichskreuz, das Reichsreliquiar, die heilige Lanze, der -> Reichsapfel, das Zepter, das Reichsschwert (Mauritiusschwert), der Krönungsmantel (Krönungsornat) und einige weitere Kleinode (und Reliquien) (sowie der Säbel Karls des Großen, die Stephansburse und das Reichs- evangeliar als sog. Aachener Kleinodien). Sie begleiten anfangs den König auf seinen Zügen. In salischer Zeit sind sie meist im Dom in Speyer, danach in der Reichsfeste Trifels, seit 1273 in der habsburgischen Kiburg, seit 1350 in Prag bzw. der Karlsfeste (Karlsstein), 1421 in Blutenburg in Ungarn, seit 1424 in Nürnberg, seit 1800 über Regensburg (1796) und Passau in Wien (1938 bis 1946 nochmals in Nürnberg). -> Insignien, Reichsinsignien Lit.: Schlosser, J., Die deutschen Reichskleinode, 1920; Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Grass, N., Reichskleinodienstudien, 1965; Pleticha, H., Des Reiches Glanz, 1989; Schroeder, K., Die Nürnberger Reichskleinodien in Wien, ZRG GA 108 (1991), 232; Kubin, E., Die Reichskleinodien, 1991; Die Reichskleinodien, hg. v. d. Gesellschaft für staufische Geschichte, 1997; Gsell, K., Die Rechtsstreitigkeiten um den Reichsschatz, 2001 Reichskonkordat ist das am 20. 7. 1933 unterzeichnete und am 10. 9. 1933 in Kraft getretene -> Konkordat zwischen dem Deutschen Reich und der katholischen Kirche. Lit.: Volk, L., Das Reichskonkordat, 1972; Listl, J., Die Fortgeltung und die gegenwärtige staatskirchenrechtliche Bedeutung des Reichskonkordats, FS L. Carlen, 1989, 309 Reichskreis ist der 1500 bzw. 1512 im Zuge der Reichsreform geschaffene Kreis im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Es werden insgesamt 6 bzw. 10 Reichskreise gebildet (österreichischer, burgundischer, kurrheinischer, fränkischer, bayerischer, schwäbischer, oberrheinischer, niederrheinisch- westfälischer, obersächsischer, niedersäch- sischer R.), in welche die meisten Gebiete des Reiches eingegliedert werden. Nur im Südwesten (Schwaben, Franken, Oberrhein) erlangt der R. über längere Zeit eine gewisse Bedeutung für die Landfriedenswahrung, Urteilsexekution und Truppenkontingentierung. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 147; Simmern, E. Langwerth v., Die Kreisverfassung Maximilians I., 1896; Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis, 1909; Wallner, E., Die kreisansässigen Reichsterritorien, MIÖG Ergänzungsbd. 11 (1929), 681; Brusatti, A., Die Entstehung der Reichskreise, 1950; Wines, R., The Franconian Reichskreis, Diss. phil. Ann Arbor Michigan 1961; Mally, A., Der österreichische Kreis in der Exekutionsordnung des römisch-deutschen Reiches, 1967; Borck, H., Der schwäbische Reichskreis im Zeitalter der französischen Revolutionskriege 1792- 1806, 1970; Sicken, B., Der fränkische Reichskreis, 1970; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Der Kurfürst von Mainz und die Kreisassoziation, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1975; Schneider, A., Der niederrheinisch-westfälische Kreis, 1985; Dotzauer, W., Der kurrheinische Reichskreis, Nass. Ann. 98 (1987), 61; Magen, F., Reichsexekutive und regionale Selbstverwaltung, 1992; Gittel, U., Die Aktivitäten des Niedersächsischen Reichskreises, 1997; Hartmann, P., Der bayerische Reichskreis, 1997; Dotzauer, W., Die deutschen Reichskreise, 1998; Reichskreis und Territorium, hg. v. Wüst, W., 2000; Nicklas, T., Macht oder Recht, 2002 Reichskrieg ist der auf Grund einer Reichskriegserklärung des Kaisers und der Reichsstände zwischen 1648 und 1806 gegen einen fremden Staat geführte -> Krieg. Lit.: Weigel, H., Die Kriegsverfassung des alten Deutschen Reichs, 1912 Reichskriegsgericht ist das nach der Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit durch Gesetz vom 17. 8. 1920, der Auflösung des zum 1. 10. 1900 eingerichteten Reichsmilitär- gerichts und der Wiedereinführung der Militärgerichtsbarkeit zum 1. 1. 1934 durch Gesetz vom 26. 6. 1936 geschaffene oberste Gericht der Wehrmacht Deutschlands, das sich vor allem im Krieg zum Instrument mili- tärischer Kommandogewalt und politischer Macht entwickelte. Lit.: Gribbohm, G., Das Reichskriegsgericht, 2004 646 Reichskristallnacht (Novemberpogrom) ist die Nacht vom 8. auf den 9. 11. 1938, in welcher der deutsche Reichsinnenminister Goebbels während eines Kameradschaftsabends der nationalsozialistischen Parteiführer im alten Münchener Rathaussaal durch mündliche Weisung die Beschädigung von jüdischen Einrichtungen wegen der Tötung eines deutschen Legationssekretärs durch einen 17jährigen Juden in Paris einleitet. Im Verlauf der R. werden etwa 200 Synagogen zerstört, 7500 jüdische Geschäfte demoliert und 91 Juden getötet. Eine Verordnung vom 12. 11. 1938 verpflichtet die jüdischen Gewerbe- treibenden zur Schadensbeseitigung und zu einer Sühneleistung von 1 Milliarde Reichs- mark. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Gruchmann, L., Reichskristallnacht und Justiz im Dritten Reich, NJW 1988, 2856; Graml, H., Reichskristallnacht, 1988; Kropat, W., Reichskristallnacht in Hessen, 1988; Kropat, W., Reichskristallnacht, 1997 Reichskrone -> Krone Reichsland Elsass-Lothringen -> Elsass, Lothringen Reichslandfriede -> Landfriede Reichslandvogtei ist die von König Rudolf von Habsburg (1273-91) eingerichtete Ver- waltungseinheit für Reichsgut (z. B. in Schwaben, Elsass, Speyergau, Mittelrhein, Wetterau). Die R. geht im Spätmittelalter in den Ländern auf. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schreibmüller, H., Die Landvogtei im Speiergau, 1905; Becker, J., Geschichte der Reichslandvogteien im Elsass, 1905; Becker, J., Die Reichslandvogtei Kaysersberg, Wiss. Beilage zum Jahresbericht des bischöflichen Gymnasiums zu Straßburg, 1906; Schreibmüller, H., Die Landvogtei im Speyergau, 1905; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Hofacker, H., Die schwäbischen Reichslandvogteien, 1980 Reichslehen ist das vom König des deutschen Reichs verliehene -> Lehen. Durch die Annahme des Titels Kaiser von Österreich durch Franz II. wird der Reichslehensverband 1804 bzw. durch das Ende des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) 1806 aufgelöst. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige, 1979; Rödel, V., Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel, 1979; Schubert, E., König und Reich, 1979 Reichsmatrikel ist die für das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) geführte -> Matrikel. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Sieber, J., Zur Geschichte des Reichsmatrikelwesens, 1910 Reichsmerkantilismus -> Merkantilismus Reichsministeriale -> Reichsdienstmann Lit.: Segner, U., Die Anfänge der Reichministerialität, 1938; Bosl, K., Die Reichsministerialität, Bd. 1f. 1950f. Reichsmünze -> Münze Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 2. A. 1896, Neudruck 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte, 1975 Reichsnotariatsordnung -> Notar Reichsoberhandelsgericht ist das durch gesetzliche Umbenennung vom 16. 4. 1871 (2. 9. 1871 Plenarbeschluss) und örtliche Ausdehnung auf die süddeutschen Staaten vom 22. 4. 1871 aus dem am 12. 6. 1869 in Leipzig geschaffenen -> Bundesoberhandelsgericht hervorgegangene oberste Gericht in Handels- sachen des zweiten Deutschen Reichs in Leipzig. Es geht am 1. 10. 1879 im -> Reichsgericht auf. Lit.: Köbler, DRG 195; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 83; Weiß, A., Die Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts in Strafsachen, 1997; Winkler, S., Das Bundes- und spätere Reichsoberhandelsgericht, 2001 Reichspfand -> Pfand Reichspolizeiordnung ist die für das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) geschaffene -> Polizeiordnung (z. B. 1530, 1548, 1577). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 138; Segall, L., Geschichte und Strafrecht der Reichspolizeiordnungen, Diss. jur. Gießen 1914; Weber, M., Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, 2002 Reichspräsident ist das Staatsoberhaupt des zweiten Deutschen Reichs von 1919 bis 1934 (Ebert, Hindenburg). Funktionell ist der R. als Nachfolger des Kaisers mit bedeutsamen Befugnissen ausgestattet. Nach dem 12. 8. 1934 übernimmt -> Hitler seine Aufgaben. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Pünder, Der Reichspräsident, 1961; Friedrich Ebert als Reichspräsident, hg. v. Kolb, E., 1997 Reichspublizistik ist das das deutsche Reich 647 bzw. das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) betreffende politisch-juristische Schrifttum (z. B. des -> Manegold von Lautenbach, -> Petrus Crassus, Deusdedit, Anselm von Lucca, Bonizo von Sutri, -> Petrus de Vinea, -> Jordan von Osnabrück, -> Alexan- der von Roes, -> Engelbert von Admont, Tolomeo von Lucca, -> Marsilius von Padua, - > Wilhelm von Ockham, -> Lupold von Bebenburg, Konrad von -> Megenberg, Nikolaus von -> Kues oder -> Peter von And- lau im Mittelalter bzw. -> Goldast, -> Freher, Hermann Vultejus, Gottfried Antonius, -> Arumaeus, -> Limnaeus, -> Reinkingk, -> Althusius, -> Conring, -> Pufendorf, -> Lünig, -> Thomasius, -> Ludewig, -> Gundling, -> Mascov, Schmauß, -> Pütter, -> Wolff oder -> Moser) in der frühen Neuzeit. Lit.: Pütter, J., Litteratur des teutschen Staatsrechts, Bd. 1ff. 1776ff.; Mirbt, C., Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII., 1894, Neudruck 1965; Fauser, A., Die Publizisten des Investiturstreites, Diss. phil. München 1934; Schubert, H., Die deutschen Reichstage, 1960; Schömbs, E., Das Staatsrecht Johann Jakob Mosers, 1968; Bussi, E., Il diritto pubblico des Sacro romano impero, 2. A. 1970; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Neumaier, K., Ius publicum, 1974; Ullmann, W., Law and Politics in the Middle Ages, 1975; Pick, E., Mainzer Reichsstaatsrecht, 1977; Wyduckel, D., Princeps legibus solutus, 1979; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Peters, W., Späte Reichspublizistik und Frühkonstitutionalismus, 1993 Reichsrat ist ein Staatsorgan des 19. Jh.s (Österreich -> Oktoberdiplom vom 20. 10. 1860, -> Februarpatent vom 26. 2. 1861, -> Dezemberverfassung vom 21. 12. 1867 mit einem aus Herrenhaus und Abgeordnetenhaus bestehenden R.) bzw. des 20. Jh.s (Deutsches Reich 14. 8. 1919). Hier kann der R., in dem jedes Land mindestens eine und -> Preußen als vorherrschendes Land höchstens zwei Fünftel aller Stimmen hat, gegen Gesetze einen Einspruch erheben, der aber vom Reichstag überstimmt werden kann. Am 14. 2. 1934 wird der R. aufgelöst. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) ist R. das -> Reichsregiment von 1500 bzw. 1521. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 230, 232; Baltl/Kocher; Samanek, Kronrat und Reichsherrschaft im 13. und 14. Jahrhundert, 1910; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Rose, G., Der Reichsrat der Weimarer Republik, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1964; Der Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1974 Reichsrecht ist das ein -> Reich betreffende Recht. Es steht meist im Gegensatz zu einem Recht eines örtlich kleineren Gebietes (z. B. Landesrecht), zum Recht eines anderen Staates oder zum internationalen Recht (z. B. Völkerrecht). Im zweiten Deutschen Reich bricht R. Landesrecht. Lit.: Köbler, DRG 102, 227, 231; Baltl/Kocher; Mitteis, L., Reichsrecht und Volksrecht, 1891, Neudruck 1963; Pfundtner/Neubert, Das neue deutsche Reichsrecht, 1933ff.; Diestelkamp, B., Zur Krise des Reichsrechts im 16. Jahrhundert, in: Säkulare Aspekte der Reformationszeit, hg. v. Angermeier, H., 1983, 49; Schneider, M., Das Verhältnis des Reichsrechts zum Landesrecht, 2002 Reichsrechtsbuch -> Mühlhausen Reichsreform ist (seit 1850) die Gesamtheit der Reformbestrebungen im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) zwischen 1410 und 1555. Als Ergebnisse der R. sind -> Reichskammergericht und -> Reichskreise hervorzuheben. -> Reformatio Sigismundi Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 147; Molitor, E., Die Reichsreformbestrebungen, 1921, Neudruck 1969; Angermeier, H., Begriff und Inhalt der Reichsreform, ZRG GA 75 (1958), 181; Laufs, A., Reichsstädte und Reichsreform, ZRG GA 84 (1967), 172; Hödl, G., Königtum, Reichsregierung und Reichsreform 1438- 1439, 1978; Angermeier, H., Die Reichsreform 1410- 1555, 1984; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992; Quellen zur Reichsreform im Spätmittelalter, hg. v. Weinrich, L., 2001 Reichsregierung ist die Regierung eines Reichs, insbesondere die aus Reichskanzler und Staatssekretären bzw. Ministern bestehende Regierung des zweiten Deutschen Reiches. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 196, 230; Baltl/Kocher Reichsregiment oder -> Reichsrat ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) 1500 und 1521 ein dem Kaiser zur Seite gestelltes, im Ergebnis aber gescheitertes Reichsorgan der Reichsstände. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kraus, V. v., Das Nürnberger Regiment, 1883, Neudruck 1969; Grabner, A., Zur Geschichte des zweiten Nürnberger Regimentes, 1903, 648 Neudruck 1965; Das Wappenbuch des Reichsherolds Caspar von Sturm, bearb. v. Arndt, J., 1984; Roll, C., Das zweite Reichsregiment, 1996 Reichsregister Lit.: Das Reichsregister König Albrechts II., bearb. v. Koller, H., 1955 Reichsritter ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der dem Reich unmittelbar verbundene Ritter. Er erscheint seit dem frühen 15. Jh. (1422), organisiert sich seit etwa 1540 in drei 1577 vereinigten Ritterkreisen (Schwaben, Franken, Rhein) mit 14 Kantonen und muss 1802/1803/1805 die Mediatisierung (von etwa 1730 Rittergütern mit 450000 Einwohnern) in den Territorien hinnehmen. Im Reichstag ist der R. nicht vertreten. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130, 132; Roth von Schreckenstein, C., Geschichte der ehemals freien Reichsritterschaft, Bd. 1f. 1859ff.; Eberbach, O., Die deutsche Reichsritterschaft, 1913; Ruch, W., Die Verfassung des Kantons Hegau- Allgäu-Bodensee, 1955; Riedenauer, E., Kontinuität und Fluktuation im Mitgliederstand der fränkischen Reichsritterschaft, Gesellschaft und Herrschaft (FS Karl Bosl) 1969, 225; Inventar des Archivs der niederrheinischen Reichsritterschaft, bearb. v. Böhn, G., 1971; Danner, W., Die Reichsritterschaft im Ritterkantonsbezirk Hegau, 1971; Hellstern, D., Der Ritterkanton Neckar-Schwarzwald, 1971; Mauchenheim, H. v., Des Heiligen römischen Reichs unmittelbar freie Ritterschaft zu Franken Ort Steigerwald, 1972; Stetten, W. v., Die Rechtsstellung der unmittelbaren freien Reichsritterschaft (Odenwald), 1973; Teuner, R., Die fuldische Ritterschaft, 1982; Adel in der Frühneuzeit, hg. v. Endres, R., 1991; Ulrichs, C., Vom Lehnhof zur Reichsritterschaft, 1997; Riedenauer, E., Fränkische Landesgeschichte und historische Landeskunde, 2001; Neumaier, H., Dass wier khein annder Haupt ..., 2005 Reichsschluss (lat. conclusum [N.] imperii) ist der nach Zustimmung des Kaisers zu den Ergebnissen der Beratung der Reichsstände entstehende Gesetzesbeschluss des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation), der dem -> Reichsabschied vorausgeht. Lit.: Wenkebach, H., Bestrebungen zur Erhaltung der Einheit des Heiligen römischen Reichs in den Reichsschlüssen, 1970 Reichssiegel ist das vom Herrscher oder anderen Organen für das -> Reich verwendete Siegel. Lit.: Ewald, W., Siegelkunde, 1914, Neudruck 1969; Posse, O., Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige, Bd. 1ff. 1909ff.; Battenberg, F., Das Hofgerichtssiegel, 1979 Reichsstaatsrecht -> Reichspublizistik, Staats- recht Lit.: Quellensammlung zum deutschen Reichsstaatsrecht, hg. v. Triepel, H., 5. A. 1931; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984 Reichsstadt ist im Heiligen Römischen -> Reich (deutscher Nation) die dem Reich bzw. Kaiser unmittelbar, d. h. nicht mittels eines Landesherrn unterstehende -> Stadt. Sie ent- steht seit der Stauferzeit des 13. Jh.s. Die R. kann dauerhaft die Ratsverfassung sichern und die stadtherrlichen Rechte an sich bringen. Zeitweise gibt es bis zu 125 Reichsstädte (z. B. Regensburg, Nürnberg, Speyer, Worms, Besançon, Frankfurt am Main, Wetzlar, Dortmund), die zusammen den dritten -> Reichsstand im Reichstag bilden (schwäbische Städtebank, rheinische Städtebank). In der frühen Neuzeit geht die Zahl zugunsten der Territorialstaaten zurück. 1803 werden die meisten (45) noch verbleibenden Reichsstädte mediatisiert. Die letzten Überreste bilden 1803 Frankfurt am Main (bis 1866), Hamburg, Bremen, Lübeck (bis 1937), Augsburg (bis 1806), und Nürnberg (bis 1806), in der Gegenwart die Stadtstaaten Bremen und Hamburg. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 110, 111, 132, 148; Ehrentraut, M., Untersuchungen über die Frage der Frei- und Reichsstädte, 1902; Müller, K., Die oberschwäbischen Reichsstädte, 1912; Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, 1928; Moeller, B., Reichsstadt und Reformation, 1962; Laufs, A., Reichsstädte und Reichsreform, ZRG GA 84 (1967), 172; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter, 1967; Batori, J., Die Reichsstadt Augsburg, 1969; Eitel, P., Die oberschwäbischen Reichsstädte im Zeitalter der Zunftherrschaft, 1970; Maier, W., Stadt und Reichsfreiheit, 1972, Buchstab, G., Reichsstädte, Städtekurie und westfälischer Friedenskongress, 1976; Heitzenröder, W., Reichsstädte und Kirche in der Wetterau, 1982; Schroeder, K., Das alte Reich und seine Städte, 1991; Redies, R., Reichsstädte im deutschen Südwesten, 2004 Reichsstand ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das auf dem Reichstag 649 vertretene Kollegium (Kurfürsten [1356], [Reichs-]Fürsten, Reichsstädte [1471]). Am Ende des 18. Jh.s gibt es bei drei Reichsständen 9 -> Kurfürsten, 33 geistliche und 61 weltliche Fürstentümer, 2 Prälatenbänke (40 Mitglieder), 4 Grafen- und Herrenbänke (103 Mitglieder) (- > Reichsfürsten) und 2 Städtebänke (51 Mitglieder) (-> Reichsstädte). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 110, 148, 150; Moser, J., Von der Landeshoheit der teutschen Reichsstände, 1773; Reuter, R., Der Kampf um die Reichsstandschaft der Städte, 1919; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Aretin, K. Frhr. v., Heiliges Römisches Reich, Bd. 1 1967; Kulenkampff, A., Einungen und Reichsstandschaft, 1971; Reichsstände und Landstände, hg. v. Rausch, H., 1975; Decker, K., Frankreich und die Reichsstände, 1981; Rheden-Dohna, A. v., Reichsstandschaft und Klosterherrschaft, 1982; Wild, W., Steuern und Reichsstandschaft, 1984; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992; Reichsständische Libertät, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1999; Ackermann, J., Verschuldung, Reichsdebitverwal- tung, Mediatisierung, 2004 Reichsstatthalter ist im Dritten Reich seit 7. 4. 1933 der über die Landesregierung gestellte Vertreter des Reichskanzlers, der die Landesregierung ernennt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 232; Baltl/Kocher Reichssteuer ist die dem -> Reich zustehende - > Steuer. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) ist der Versuch, allgemeine Reichssteuern einzuführen, erfolglos. Im zweiten Deutschen Reich gelingt er seit 1881 (Stempelsteuer, 1902 Schaumweinsteuer, 1906 Erbschaftsteuer u. a., 1913 außergewöhnliche Einkommensteuer, 1916 Vorläufer der Um- satzsteuer, 1917 Beförderungsteuer). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 148, 196; Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Müller, H., Reichssteuern und Reichsreformbestrebungen, 1880; Lohmann, K., Das Reichssteuergesetz von 1654, Diss. Bonn 1892/3; Gerlot, W., Die Finanz- und Zollpolitik des Deutschen Reichs, 1913; Bussi, E., Il diritto pubblico del sacro Romano impero, Bd. 2 1959; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Schulze, W., Reichstage und Reichssteuern, ZHF 2 (1975), 43; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern, ZHF 7 (1980), 1 Reichsstift ist das besondere -> Stift des Reichs. Lit.: Kellner, W., Das Reichsstift St. Bartholomäus zu Frankfurt am Main, 1962; Rauch, G., Pröpste, Propstei, und Stift von St. Bartholomäus in Frankfurt, 1975 Reichsstrafgesetzbuch ist das 1871 aus dem Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes und damit aus dem preußischen, stark vom französischen Code pénal beeinflussten Strafgesetzbuch von 1871 entwickelte Straf- gesetzbuch des Deutschen Reichs. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181 Reichsstraße ist die mit dem Reich besonders verbundene, dem überörtlichen Verkehr dienende -> Straße. Aus ihr entwickelt sich (in der Bundesrepublik Deutschland 1949) die Bundesstraße. Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die Wegeverwaltung in Preußen, Bd. 1f. 1890; Zeumer, K., Straßenzwang und Straßenregal, ZRG GA 23 (1902), 101; Landau, G., Beiträge zur Geschichte der alten Heer- und Handelsstraßen in Deutschland, 1958 Reichssynode ist eine die Geistlichkeit des -> Reichs erfassende -> Synode. Lit.: Kroeschell, DRG 1 Reichstag ist das die Gesamtheit des Volkes repräsentierende, bei der Gesetzgebung mitwirkende Kollegialorgan des Reichs. Der R. des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) entwickelt sich aus der Einladung des Königs zwecks Rates und Hilfe an die Großen des Reichs an seinen Hof (Hoftag). Seit 1356 sollen sich dabei die Kurfürsten jährlich beim König versammeln. Möglich sind auch königslose Treffen. Seit dem frühen 15. Jh. gehen Kurfürsten und Reichsstädte aus Not Selbstverpflichtungen ein. Hinzu kommen später Fürsten, Grafen und Herren. Kurz vor 1500 ist diese von oben ausgehende Entwicklung zu einem aus drei -> Reichs- ständen gebildeten R. abgeschlossen und die Teilhabe an der Leitung des Reichs bis zu dessen Ende gesichert. Als bekannte Reichstage werden dabei im Übrigen hervorgehoben die Reichstage von (Aachen [802/3],) Augsburg (1529), Frankfurt am Main (1442), Freiburg im Breisgau (1498), Köln (1512), Konstanz (1507), Lindau (1496), (Mainz [1085],) Nürnberg (1524), Regensburg (1532, seit 1663 Gesandtenkongress als immerwährender R.), (Roncaglia [1158],) Speyer (1526) und Worms (1231, 1495, 1521) (sowie Würzburg [1168]). Im 19. Jh. ist 650 demgegenüber der R. in der Verfassung der Frankfurter Nationalversammlung von 1849 ein aus Staatenhaus und Volkshaus zusammen- gesetztes Organ, das aber nicht verwirklicht wird. Im Norddeutschen Bund (1867) und im zweiten Deutschen Reich (1871) ist R. die hinter Kaiser und Bundesrat an dritter Stelle stehende, durch Mehrheitswahlrecht bestimmte Volksvertretung, die an der Gesetzgebung entscheidend mitwirkt. Am 28. 10. 1918 wird der Reichskanzler vom Vertrauen des Reichs- tages abhängig. 1933 überträgt das Ermächtigungsgesetz das Gesetzgebungsrecht des Reichstags auf die Reichsregierung. Am 27. 2. 1933 steckt der niederländische Kommunist van der Lubbe das Gebäude des deutschen Reichstags in Brand. In Österreich erscheint ein aus Senat und Abgeordnetenkammer bestehender R. in der Aprilverfassung des Innenministers -> Pillersdorf vom 25. 4. 1848 (1860 Reichsrat). Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 94, 101, 106, 110, 131, 135, 148, 177, 193, 194, 195, 230; Baltl/Kocher; Deutsche Reichstagsakten; Sammlung sämtlicher Drucksachen des Reichstages, 1871ff.; Rauch, K., Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert, 1905; Reincke, H., Der alte Reichstag und der neue Bundesrat, 1906; Bemmann, R., Zur Geschichte des deutschen Reichstages im 15. Jahrhundert, 1907; Borell, A., Die soziologische Gliederung des Reichsparlaments, Diss. phil. Gießen 1933; Stoltenberg, G., Der deutsche Reichstag, 1955; Aus Reichstagsakten des 15. und 16. Jahrhunderts, 1958; Tetleben, V. v., Protokoll des Augsburger Reichstages 1530, hg. v. Grundmann, H., 1958; Weber, H., Die Reichsversammlungen im ostfränkischen Reich 840-918, Diss. phil. Würzburg 1962; Deuerlein, E., Der Reichstag von 1871 bis 1933, 1962; Fürnrohr, Der immerwährende Reichstag zu Regensburg, 1963; Schwarz, M., Mitglieder des Reichstages, 1965; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Becker, H., Der Speyerer Reichstag von 1570, 1969; Das Reichstagsprotokoll des kaiserlichen Kommissars Felix Hornung vom Augsburger Reichstag 1555, hg. v. Lutz, H. u. a. 1971; Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I., Bd. 1ff. 1972ff.; Vocelka, R., Der Reichstag im 16. Jahrhundert, Diss. phil. Wien 1974; Stürmer, M., Regierung und Reichstag, 1974; Westphal, G., Der Kampf um die Freistellung auf den Reichstagen, 1975; Brandt, D., Die politischen Parteien, 1975; Rauh, M., Die Parlamentarisierung des Deutschen Reichs, 1977; Neuhaus, H., Reichstag und Supplikationsausschuss, 1977; Schubert, E., König und Reich, 1979; Moraw, P., Versuch über die Entstehung des Reichstages, in: Politische Ordnung und soziale Kräfte im Alten Reich, hg. v. Weber, H., 1980, 1; Der Reichstag, 1981; Neuhaus, H., Reichsständische Repräsentationsformen im 16. Jahrhundert, 1982; Regierung, Bürokratie und Parlament, hg. v. Ritter, G., 1983; Moraw, P., Hoftag und Reichstag, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, 3; Der Reichstag des Norddeutschen Bundes 1867-1870, bearb. v. Haunfelder, B. u. a., 1989 (466 Parlamentarier); Schindling, A., Die Anfänge des immerwährenden Reichstags, 1991; Schindling, A., Die Anfänge des immerwährenden Reichstags, 1991; Hubert, P., Uniformierter Reichstag, 1992; Martin, T., Auf dem Weg zum Reichstag, 1993; Härter, K., Reichstag und Revolution 1789-1806, 1992; Hof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 1994; Speicher, S., Der Reichstag, 1995; Ullrich, N., Gesetzgebungsverfahren und Reichstag, 1996; Schönberger, C., Das Parlament im Anstaltsstaat, 1997; Bahar, A./Kugel, W., Der Reichstagsbrand, 2000; Biefang, A., Bismarcks Reichstag, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik, 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 2003; Statisten in Uniform, hg. v. Lilla, J., 2004; Annas, G., Hoftag ­ gemeiner Tag ­ Reichstag, 2004; Cullen, M., Der Reichstag, 2005 Reichstagsakten sind die in der Arbeit des -> Reichstages des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) entstandenen, seit 1857 zur Veröffentlichung vorbereiteten Akten (zwischen 1376 und 1662). Lit.: Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe, Bd. 1ff. 1867, Neudruck 1956f.; Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, Bd. 1ff. 1972ff.; Deutsche Reichs- tagsakten, Jüngere Reihe, Bd. 1ff. 1893ff., Neudruck 1962f.; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966 Reichstagsbrand ist der wohl von (dem niederländischen Kommunisten van der Lubbe als) einem Einzelnen verursachte Brand des Gebäudes des Deutschen Reichstages in Berlin am 27. 2. 1933, als dessen Folge von -> Hitler zahlreiche Grundrechte außer Kraft gesetzt werden. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222; Tobias, F., Der Reichstagsbrand, 1962; Mommsen, H., Der Reichstagsbrand, Vjh. f. Zeitgesch. 12 (1964), 351 Reichsteilung ist die Aufteilung eines -> Reiches. Im August 843 teilen die Söhne 651 Lothar, Ludwig und Karl des fränkischen Kaisers Ludwig des Frommen in Verdun das Reich, woraus sich ungeplant die Entwicklung zu -> Deutschland und -> Frankreich ergibt. Lit.: Köbler, DRG 76; Kornemann, E., Doppelprinzipat und Reichsteilung im Imperium Romanum, 1930; Der Vertrag von Verdun, hg. v. Mayer, T., 1943; Ganshof, F., Zur Entstehungsgeschichte und Bedeutung des Vertrages von Verdun, DA 12 (1956), 313 Reichsunmittelbarkeit ist die unmittelbare d. h. nicht durch einen anderen (Landesherrn) vermittelte Zugehörigkeit von Gütern oder Personen zum Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Sie entsteht ansatzweise im Hochmittelalter (13. Jh.). 1471 sieht die Kriegssteuerordnung vor, dass die der Verteidigung gegen die Türken dienende Reichssteuer durch den jeweiligen Landesherrn von seinen Untertanen einzuheben ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die R. im Einzelfall festzulegen. R. haben -> Kurfürsten, -> Reichsfürsten, Reichsgrafen, -> Reichs- städte, -> Reichsritter und -> Reichsdörfer. Persönliche R. kommt Reichshofräten, Reichskammergerichtsassessoren und Domkapiteln während der Sedisvakanz und Angehörigen reichsständischer Familien zu. Die R. endet 1806. Lit.: Köbler, DRG 94, 110, 135; Moser, J., Von denen Teutschen Reichsständen, 1767, Neudruck 1967; Engelbert, G., Die Erhebungen in den Reichsfürstenstand, Diss. phil. Marburg 1948 masch.schr.; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Müller-Ueltzhöffer, B., Der 500jährige Rechtsstreit des Klosters Neresheim, 2002 Reichsurteil -> Reichsweistum Reichsverfassung ist die Grundordnung eines - > Reichs bzw. die formelle Verfassung eines Reichs seit dem 19. Jh. (z. B. 27. 3. 1849, 16. 4. 1871). -> Heiliges Römisches Reich (deutscher Nation), Deutsches Reich, Österreich, Kaiser, Reichstag Lit.: Laband, P., Das Staatsrecht des Deutschen Reichs, 1876; Jastrow, J., Pufendorfs Lehre von der Monstrosität der Reichsverfassung, 1882; Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung, hg. v. Zeumer, K., 2. A. 1913; Bergsträßer, L., Geschichte der Reichsverfassung, 1914; Beyerle, K., Zehn Jahre Reichsverfassung, 1929; Stengel, E., Die Quaternionen der deutschen Reichsverfassung, ZRG GA 74 (1957), 256; Dürig, G./Rudolf, W., Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, 2. A. 1979; Das Staatsrecht des Heiligen römischen Reichs deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Becker, W., Der Kurfürstenrat, 1973; Schmidt, G., Der Städtetag in der Reichsverfassung, 1984; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Grimm, D., Deutsche Verfassungsgeschichte 1776-1866, 1988; Kröger, K., Einführung in die jüngere deutsche Verfassungsgeschichte, 1988; Buschmann, A., Reichsgrundgesetze und Reichsverfassung des Heiligen Römischen Reiches, FS H. Baltl 1998, 21; Burgdorf, W., Reichskonstitution und Nation, 1998; Immel, J., Hugo Preuß und die Weimarer Reichsverfassung, 2002 Reichsversicherungsamt ist die oberste Behörde der -> Sozialversicherung im zweiten Deutschen Reich seit 1884. Im März 1945 stellt das R. seine Tätigkeit ein. Nachfolger wird teilweise 1954 das Bundessozialgericht. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Staatsbürger und Staatsgewalt, hg. v. Külz, H. u. a., R., Bd. 1 1963; Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bundessozialgerichts, Bd. 1 1979; Festgabe aus Anlass des 100jährigen Bestehens der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, hg. v. Deutschen Sozialrechtsverband, 1984 Reichsversicherungsordnung ist das die Sozialversicherungsgesetze des zweiten Deut- schen Reichs vom 15. 6. 1883 (Krankenversicherung), 6. 7. 1884 (Un- fallversicherung) und 22. 6. 1889 (Alters- versicherung und Invalidenversicherung) zusammenfassende Gesetz vom 19. 7. 1911. Die R. wird am Ende des 20. Jh.s abschnittsweise vom -> Sozialgesetzbuch abgelöst. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 183; Rother, K., Die Reichsversicherungsordnung 1911, 1994 Reichsverwaltung Lit.: Spangenberg, H., Die Entstehung des Reichskammergerichts und die Anfänge der Reichsverwaltung, ZRG GA 46 (1926), 231 Reichsverwaltungsgericht ist das nach jahrzehntelangem Drängen durch Erlass vom 3. 4. 1941 unter Zusammenlegung mehrerer Gerichte und Ämter (Oberwaltungsgericht Preußens, Verwaltungsgerichtshof [Öster- reichs], Reichsdienststrafhof u. a.) geschaffene oberste Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Deutschen Reich. Seine Entscheidungen sind in zwei Bänden veröffentlicht. 1945 wird es aufgelöst. Funktionell folgt ihm das -> Bundesverwaltungsgericht. Lit.: Gulden, H., Das künftige Reichsverwaltungsgericht, 652 Diss. jur. Heidelberg 1928; Frank, H., Das Reichsverwaltungsgericht, Deutsches Recht 1941, 1169; Gaiser, H., Das Reichsverwaltungsgericht, Diss. jur. Tübingen 1948; Kohl, W., Das Reichsverwaltungs- gericht, 1991 Reichsverweser ist ein Verwalter eines -> Reichs (z. B. Dänemark 1023/4, Erzherzog Johann am 29. 6. 1848 für das geplante Deutsche Reich). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2. A. 1975, 623 Reichsvikar ist ein Verwalter eines -> Reiches. Im Hochmittelalter wird der R. zu einer festen Einrichtung für die Zeit zwischen dem Tod eines Königs und der Wahl des neuen Königs des deutschen Reiches. (z. B. 1276/81 Pfalzgraf bei Rhein, 1356 auch der Herzog von Sachsen). Lit.: Fricke, H., Reichsvikare, Reichsregenten und Reichsstatthalter, Diss. phil. Göttingen 1949 masch.schr.; Wendehorst, A., Das Reichsvikariat nach der Goldenen Bulle, 1951; Hermkes, W., Das Reichsvikariat in Deutschland, 1968; Heckmann, M., Stellvertreter, 2002; De vicariatus controversia, 2004 Reichsvogt ist der vom -> Reich im Hochmittelalter zur Verwaltung von Reichsgut bestellte -> Vogt (z. B. in Aachen, Wetzlar oder Goslar). Lit.: Interthal, K., Die Reichsvogtei Wetzlar, Diss. phil. Gießen 1928; Wilke, S., Das Goslarer Reichsgebiet, 1970; Flach, D., Untersuchungen zur Verfassung und Verwaltung des Aachener Reichsgutes, 1976 Reichsvogteistadt ist die bischöfliche Stadt des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation), deren Vogtei das Reich hat (Augsburg, Konstanz, Basel, Chur). Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1967 Reichswald ist der seit dem Mittelalter dem -> Reich zustehende Wald (z. B. Dreieich, Büdingen, Aachen, Kleve, Unterelsass, Kaiserslautern, Nürnberg). Lit.: Zeyher, M., Der Schönbuch, 1938; Kaspers, H., Comitatus nemoris, 1957; Nieß, W., Die Forst- und Jagdgeschichte der Grafschaft Ysenburg, 1974; Rabus, I., Der Nürnberger Reichswald, 1974; Bäcker, H., Reichswald und Reichswaldgenossenschaft, Diss. jur. Mainz 1978 Reichswappen ist das Wappen eines -> Reiches. Im 12. Jh. erscheint der -> Adler im Wappen des Kaisers. Am Ende des 13. Jh.s zeigt das vom Wappen des Königs geschiedene R. den schwarzen einköpfigen Adler im goldenen Schild. Seit 1400 wird der Doppeladler R. 1847/1848 übernimmt die Bundesversammlung den schwarzen Doppel- adler. 1871 führt das zweite Deutsche Reich den einköpfigen schwarzen Adler im goldenen Schild als R. ein. Lit.: Korn, J., Adler und Doppeladler, Diss. phil. Göttingen, 2. A. 1976 Reichswehr ist die Bezeichnung des durch den Versailler Friedensvertrag auf 100000 Mann beschränkten Heeres des zweiten Deutschen Reiches (Gesetz v. 23. 3. 1921) bis zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 16. 3. 1935. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 221; Vogelsang, T., Die Reichswehr und die Politik, 1959 Reichsweistum ist die von den Reichsfürsten im Mittelalter urteilsartig gegebene Entscheidung (z. B. Rhens 1338). Die Abgrenzung zum Urteil wie zum Gesetz ist zweifelhaft. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Franklin, O., Sententiae curiae regiae, 1870; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281 Reichswirtschaftsgericht ist eine 1919 aus dem 1915 geschaffenen Reichsschiedsgericht für Kriegsbedarf hervorgegangene, 1920 in ein Gericht umgewandelte Behörde. 1941 geht das R. im -> Reichsverwaltungsgericht auf. Lit.: Jahn, J., Das Reichswirtschaftsgericht, 1940; Klinger, H., Reichswirtschaftsgericht und Kartellgericht, in: Staatsbürger und Staatsgewalt, hg. v. Külz, H. u. a., Bd. 1 1963, 103 Reichszivilprozessordnung -> Zivilprozessordnung Reims an der Vesle, aus dem römischen Durocortorum der Remer hervorgegangen, ist seit 290 Bistum, seit dem 8. Jh. Erzbistum. R. beansprucht die Stellung als Krönungsort des französischen Königs. Seit dem Hochmittelalter tritt es als Machtmittelpunkt hinter -> Paris zu- rück. Seit 1969 ist R. Sitz einer Universität. Lit.: Brühl, C., Reims als Krönungsstadt des französischen Königs, Diss. phil. Frankfurt am Main 1950; Devisse, J., Hincmar, archevque de Reims, Bd. 1ff. 1972ff.; Desportes, P., Reims et les Remois, 1979; Kaiser, R., Bischofsherrschaft zwischen Königtum und Fürstenmacht, 1981 653 Reimvorrede ist eine gereimte Vorrede (z. B. des Sachsenspiegels). Lit.: Fehr, H., Die Dichtung im Recht, 1936; Ignor, A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eike von Repgows, 1984 Reine Rechtslehre ist die auf der positivistischen Grundlage der neukantianischen Zuordnung der Rechtsnorm zum Sollen von Hans -> Kelsen (1881-1973) entwickelte Rechtslehre. In ihr stellt die Rechtsordnung einen Erzeugungszusam- menhang von Rechtsnormen dar, der sich letztlich auf eine hypothetische Grundnorm zurückführen lässt. Diese hypothetische Grundnorm hat rechtserzeugenden Charakter, der Zwangsakt als Endpunkt des Rechtserzeugungsvorgangs nur rechtsanwen- denden Charakter. Lit.: Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 1934, 2. A. 1960; Schild, W., Die reinen Rechtslehren, 1975; Der Einfluss der reinen Rechtstheorien, Bd. 1ff. 1978ff.; Dreier, H., Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokratie bei Hans Kelsen, 1984 Reinhart Fuchs ist die nach 1192 von einem elsässischen Dichter geschaffene, das Verfahren des ausgehenden 12. Jh.s volkssprachig darstellende Dichtung. Lit.: Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel, K., 1984 Reinigungseid ist der Eid des Beschuldigten, mit dem er seine Unschuld erweisen kann. Er entspricht einem Beweisrecht. Er verschwindet mit dem 18. Jh. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Loening, R., Der Reinigungseid bei Ungerichtsklagen im deutschen Mittelalter, 1880; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der Strafrechtspflege, 3. A. 1965 Reinkingk (Reinking), Dietrich (Theodor) (Windau in Kurland 10. 3. 1590-Glückstadt 15. 12. 1664), Gutsherrnsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Köln, Marburg (Vultejus) und Gießen (Antonius) 1617 außerordentlicher Professor in Gießen, 1618 Hofrat, 1625 Vizekanzler und 1632 Kanzler (zuerst in Schwerin, 1636 in Bremen, 1648 in Schleswig und Holstein). Sein 1619 erschienenes kaiserfreundliches Hauptwerk (lat. Tractatus [M.] de regimine seculari et ecclesiastico, Abhandlung über weltliche und kirchliche Herrschaft) räumt dem Kaiser Souveränität ein und wird damit seit 1648 der Wirklichkeit nicht mehr voll gerecht. Lit.: Jessen, H., Biblische Policey, Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1962; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995 reipersekutorisch (sachverfolgend) Lit.: Köbler, DRG 19 reipus (lat.-afrk. [M.]) Reifgeld, Verlobungsgebühr, vor 819 Reise Lit.: Drabek, A., Reisen und Reisezeremoniell der römisch-deutschen Herrscher im Spätmittelalter, 1964; Hans Dernschwam's Tegebuch einer Reise nach Konstantinopel und Kleinasien (1553/55), 1923, hg. v. Babinger, F. 1923, Neudruck hg. v. Schnur, R., 1986; Paravicini, W., Die Preußenreisen des europäischen Adels, 1989 Rei vindicatio (lat. [F.]) ist die Herausgabe- klage des Eigentümers des klassischen römischen Rechtes, bei der der nichtbesitzende Eigentümer dem besitzenden Nichteigentümer (z. B. Dieb) gegenübersteht. Aus ihr entwickelt sich im Hochmittelalter auch die zeitweise bedeutsame Unterscheidung von -> Ober- eigentum und Untereigentum. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 entspricht ihr § 985. Lit.: Kaser §§ 4 I 1a, 21 I 2b, 22 II, 27 I, 59 II 7b, 81 II 1, 83 II 5; Söllner § 9; Köbler, DRG 41, 48, 61, 124; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 174, 191, 294, 297, 307 Rekkesvind (Reccesvinth) ist der für die Fortbildung der (lat.) -> Lex (F.) Visigothorum bedeutsame westgotische König (653-672). Lit.: Köbler, DRG 80, 82; García-Moreno, L., Historia de Espaa Visigoda, 1989 Reklamationsrecht (N.) Beschwerderecht beim fränkischen König Lit.: Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981 Rekognitionszins (M.) Anerkennungszins Rektor ist der Leiter, insbesondere der Leiter einer Universität. Lit.: Köbler, Jurist; Schwinges, R., Rektorwahlen, 1992 Rekuperator -> (lat.) recuperator (M.) Relation (lat. [F.] relatio) ist aus dem römisch- kanonischen gelehrten Prozessrecht kommend in der Neuzeit der Bericht im Rahmen der juristischen Tätigkeit. Die R. besteht im Zivilverfahrensrecht aus der Erzählung der un- streitigen Tatsachen, der Prozessgeschichte einschließlich der Beweise und einem Ent- scheidungsvorschlag. Für die Besetzung von 654 Stellen am Reichskammergericht wird 1570, für die Besetzung einer Oberratsstelle in Württemberg die Erstellung einer Proberelation vorgesehen. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Koch, C., Anleitung zum Referieren bei preußischen Gerichtshöfen, 2. A. 1836; Berger, H., Die Entwicklung der zivilrechtlichen Relation, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der ,,praktischen Jurisprudenz", 1979; Flasch, K., Das philosophische Denken, 1986 relativ (verhältnismäßig) z. B. Mehrheit, Naturrecht, Unwirksamkeit Religion ist das Ergriffenwerden vom Göttlichen. Indogermanen, Römer und Germanen kennen in ihrer R. eine Vielzahl von an Naturerscheinungen angelehnten, durch menschenähnliche Züge gekennzeichneten Göttern, die an unterschiedlichen Orten verehrt werden. Seit dem 1. Jh. n. Chr. breitet sich im römischen Weltreich die von Jesus Christus auf jüdischer Grundlage gestiftete christliche, auf einen einzigen, Gerechtigkeit verwirklichenden Gott ausgerichtete R. aus, die zur Staatsreligion wird und seit dem 3./4. Jh. auch auf die Germanen übergreift. Zwischen der Taufe Chlodwigs und der Salbung Pippins des Jüngeren erlangt die christliche R. im Frankenreich eine beherrschende Stellung. Glaubenssätze verändern in vielfacher Weise das hergebrachte Recht. Seit dem Hochmittel- alter wird abstrakt auch in weltlicher Sicht das (angeblich gute, alte) -> Recht auf Gott zurückgeführt. Mit der Reformation Martin -> Luthers (1517) beginnen grundsätzliche Zweifel an der selbstverständlichen Richtigkeit religiöser Aussagen. Die Aufklärung wendet sich allgemein gegen unkritisch akzeptierte Dogmen. Seit dem 19. Jh. wird der Einfluss der R. auf das Recht zurückgedrängt (-> Kulturkampf) und die Trennung von Kirche und Staat bejaht. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s dringt die Vorstellung einer multikul- turellen Gesellschaft vor. Lit.: Groenbech, W., Kultur und Religion der Germanen, 9. A. 1980; Heck, E., Der Begriff religio, 1971; Heiler, F., Die Religionen der Menschheit, 4. A. 1982; Feil, E., Religion, 1986; Buchholz, S., Recht, Religion und Ehe, 1988; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Ruthmann, B., Die Religionsprozesse am Reichskammergericht, 1996; Kippenberg, H., Die Entdeckung der Religionssgeschichte, 1997; Religion in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Betz, H. u. a., 4. A. Bd. 1f. 1998ff.; Handbuch der Religionsgeschichte, hg. v. Dinzelbacher, P., Bd. 1ff. 1999ff.; Küng, H., Die Weltreligionen auf dem Weg, 1999; Zwischen Krise und Alltag, hg. v. Batsch, C. u. a., 1999; Metzler Lexikon Religion, hg. v. Auffarth, J. u. a., Bd. 1ff. 1999ff.; Rémond, R., Religion und Gesellschaft in Europa, 2000; Feil, E., Religio, Bd. 3 2000; Müller-Karpe, H., Grundzüge antiker Menschheitsreligion, 2000; Rüpke, J., Die Religion der Römer, 2001; Religion in den germanischen Provinzen Roms, hg. v. Spickermann, W., 2001; Elsas, C., Religionsgeschichte Europas, 2002; Ohlig, K., Religion in der Geschichte der Menschheit, 2002; Heckel, M., Der Rechtsstatus des Religionsunterrichts, 2002; Frömmigkeit im Mittelalter, hg. v. Schreiner, K., 2002; Kippenberg, H./Stuckrad, K. v., Einführung in die Religionswissenschaft, 2003; Oberste, J., Zwischen Heiligkeit und Häresie, 2003; Multireligiosität im vereinten Europa, hg. v. Lehmann, H., 2003; Spieckermann, W., Germania superior, 2003; Heinig, H., Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, 2003; Angenendt, A., Grundformen der Frömmigkeit im Mittelalter, 2003; Graf, F., Die Wiederkehr der Götter, 2004; Quack, A., Heiler, Hexer und Schamanen, 2004; Religionen der Welt, hg. v. Bowker, J., 2004; Scharfe, M., Über die Religion, 2004; Religionen und Kulturen der Erde, hg. v. Grabner-Haider, A./Prenner, K., 2004; Religion und Kultur im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts, hg. v. Hartmann, P., 2004; Metzler Lexikon Religion, hg. v. Auffahrt, C. u. a., 2004 Religionsfreiheit ist die Freiheit der Religion und ihrer Ausübung. Die R. entwickelt sich seit der -> Reformation Martin -> Luthers. 1526, 1552 bzw. 1555 wird sie den Landesherren zuerkannt. 1648 wird sie auf das reformierte Bekenntnis ausgedehnt. 1788 gewährt Preußen im sog. Wöllnerschen Religionsedikt persönliche Gewissensfreiheit, 1803/1818 Bayern, 1818 Baden, 1819 Württemberg und 1831 das Kurfürstentum Hessen. Allerdings bleibt bis 1918 die R. ein Recht des Einzelnen gegenüber dem andersgläubigen Staat. Die Weimarer Reichsverfassung vom 11. 8. 1919 begründet dann allgemeine R. (Bekennt- nisfreiheit, Kultusfreiheit, religiöse Vereini- gungsfreiheit). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Fürstenau, H., Das Grundrecht der Religionsfreiheit, 1891, Neudruck 1975; Listl, J., Das Grundrecht der Religionsfreiheit, 1971; Lutz, H., Zur 655 Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit, 1977; Zippelius, R., Religionsfreiheit, Staat und Kirche, 1997 Religionsfriede ist der zur Beendigung eines Religionskrieges vereinbarte Friede (z. B. Augsburger R. vom 25. 9. 1555). Lit.: Wolf, G., Der Augsburger Religionsfriede, 1890; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfrieden und das Reichskammergericht, 1976 Religionskrieg ist der wegen der -> Religion geführte -> Krieg (z. B. 1419-36 Hussiten- kriege, 1547 Schmalkaldischer Krieg, Dreißigjähriger Krieg 1618-48). Lit.: Köbler, DRG 95, 130 Religionsmündigkeit ist die -> Mündigkeit in Religionsangelegenheiten. Nach dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. 7. 1921 erlangt das Kind mit 10, 12 und 14 Jahren stufenweise R. Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Religionsverbrechen ist die an unterschiedlichen Orten in unterschiedlichen Zeiten gegen die jeweilige -> Religion gerichtete, mit einer Strafe verfolgte Handlung (z. B. Zauberei u. a.). Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 1; Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941 Religiöse Kindererziehung ist die Erziehung von Kindern in Religionsangelegenheiten. Im Mittelalter ist die christliche r. K. durch die Eltern unstreitig. Dementsprechend verbietet es die Kirche, Judenkinder gegen den Willen ihrer Eltern zu taufen. Zum Problem wird die r. K. mit der Reformation und der Aufklärung. Hier entwickelt sich der Grundsatz, dass in glaubensverschiedenen Ehen zunächst die zwischen den Eltern getroffene Vereinbarung, hilfsweise die Religion des Vaters entscheidet (Preußen 1803, dagegen das Geschlecht des Kindes nach dem Allgemeinen Landrecht von 1794). Nach Landesrecht entstehen bis 1921 31 verschiedene Rechtsgebiete. Mit Reichsgesetz vom 15. 7. 1921 wird eine 1939 auch auf Österreich erstreckte einheitliche Regelung getroffen, wonach beide Eltern die r. K. gemeinsam bestimmen, nach Vollendung des 12. Lebensjahres das Kind nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden kann und nach Vollendung des 14. Lebensjahres das Kind über seine Religion selbst bestimmen kann. Lit.: Hübler, B., Die religiöse Erziehung der Kinder, 1888; Roth, H., Die religiöse Kindererziehung nach schweizerischem Recht, Diss. jur. Zürich 1920; Pfordten, v. d., Religiöse Kindererziehung, 1922; Kammerloher- Lis, S., Die Entstehung des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung, 1999 Reliquie ist in der christlichen -> Religion ein Überrest eines herausgehobenen Menschen (z. B. eines Heiligen). Die Verehrung einer R. wird vermutlich seit dem 4. Jh. in der westlichen christlichen Kirche aus älteren Ansätzen (z. B. Heroenverehrung in Griechenland) übernommen. Sie gewinnt im Mittelalter große Bedeutung. In der Gegenwart ist sie fragwürdig (z. B. bei Windel Christi, Grabtuch Christi u. a.), weil sie zu oft von heuchlerischen Geschäftemachern zu Lasten der Schwachen missbraucht wird. Lit.: Pfister, F., Der Reliquienkult im Altertum, 1909ff.; Heinerth, H., Die Heiligen und das Recht, 1939; Braun, J., Die Reliquiare des christlichen Kultus, 1940; Angenendt, A., Heilige und Reliquien, 1994; Mayr, M., Geld, Macht und Reliquien, 2000; Von goldenen Gebeinen, hg. v. Mayr, M., 2001 Remissorium (N.) ist das knappe, alphabetisch geordnete Nachschlagwerk (Inhaltsverzeichnis) des 15. Jh.s hauptsächlich zum sächsischen Recht (z. B. das in 19 Handschriften von 1452 bis 1472 überlieferte R. des Dietrich von Bocksdorf, das R. des Tammo von Bocksdorf, das R. des Kaspar Popplau, das R. Zu fromen und bequemikeit, das R. Summa totius Brodii oder das R. zum Meißener Rechtsbuch). Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 78 Renaissance (Wiedergeburt) ist die kulturelle Wiederanknüpfung an das Vorbild des Altertums zu Beginn der Neuzeit. Die R. nimmt ihren Ausgang von Italien. Von einer karolingischen R. wird für die Zeit Karls des Großen gesprochen, von einer R. des 12. Jh.s für die Zeit der Staufer. Lit.: Köbler, DRG 79, 135; Burckardt, J., Die Kultur der Renaissance in Italien, 1859, 10. A. 1976; Burckhardt, J., Die Kultur der Renaissance in Italien, hg. v. Günther, H., 1989; Andersen, E., The Renaissance of Legal Science after the Middle Ages, 1974; Die Renaissance der Wissenschaften im 12. Jahrhundert, hg. v. Weimar, P., 1969, 1981; Burke, P., Die Renaissance in Italien, 1984; Cortese, E., Il Rinascimento giuridico medievale, 1992; 656 Maclean, I., Interpretation and meaning in the renaissance, 1992; Hale, J., Die Kultur der Renaissance, 1994; Das 16. Jahrhundert, hg. v. Kuester, E., 1995; Lexikon der Renaissance (CD-ROM), hg. v. Gurst, G., 1996; Burke, B., Die europäische Renaissance, 1998; Die Renaissance und ihre Antike, hg. v. Rudolph, E., 1998; Lexikon der Renaissance, hg. v. Münkler, R. u. a., 2000; Reinhardt, V., Die Renaissance in Italien, 2002; Das Zeitalter der Renaissance, hg. v. Carbonell, C. u. a., 2003; The Renaissance, hg. v. Martin, J., 2003; Burke, P., Die europäische Renaissance, 2005 Rendsburg Lit.: Kaack, H., Die Ratsverfassung und ­verwaltung der Stadt Rendsburg, 1976 Renner, Karl (Unter Tannowitz in Südmähren 14. 12. 1870-Wien 31. 12. 1950), Winzerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Bibliothekar und austromarxistischer Politiker, von Oktober 1918 bis März 1919 Leiter der Staatskanzlei, von März 1919 bis Juni 1920 Regierungschef (Staatskanzler) und von 1931 bis 1933 Nationalratspräsident (Rücktritt am 4. 3. 1933). Er befürwortet 1938 den -> Anschluss an das Deutsche Reich und 1945 als Staatskanzler einer provisorischen Regierung die Wiederherstellung der Republik Österreich, deren Präsident er wird. Lit.: Köbler, DRG 248; Baltl/Kocher; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 280; Schmitz, G., Karl Renners Briefe aus Saint Germain, 1991 renovatio (lat. [F.]) Erneuerung (z. B. renovatio imperii [Romanorum], Erneuerung des Römischen Reichs im Mittelalter) Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schramm, P., Kaiser, Rom und Renovatio, Bd. 1 1929; Charlemagne's Heir, hg. v. Godman, P. u. a., 1990 Rente ist das auf Vermögen, Versicherungsanspruch oder Versorgungsan- spruch beruhende Einkommen. Die privatrechtliche R. entsteht im Hochmittelalter aus der Vereinbarung, dass vom Renten- schuldner regelmäßige Leistungen an den Rentengläubiger zu erbringen sind. Diese Vereinbarung wird vielfach bei Zahlung bzw. Hingabe einer Geldsumme (Kapital) geschlossen und ersetzt das verbotene verzinsliche -> Darlehen. Sie kann als Reallast so mit einem Grundstück verknüpft sein, dass dessen jeweiliger Eigentümer als jeweiliger Verpflichteter erscheint. Vielleicht ist sie aus der Erbleihe entstanden (str.). Bei der Verpflichtung ist zwischen der auf Dauer angelegten, nicht durch Erfüllung tilgbaren Stammverpflichtung und der zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt erzeugten selbständigen Einzelverpflichtung zu unterscheiden. Die Einzelverpflichtung kann auf Geld oder Naturalleistung lauten. Die wichtigste Erscheinungsform dieser privatrechtlichen R. ist die -> Leibrente. Die -> Ewigrente kann nur unter besonderen Umständen (z. B. Verzug, Wiederkaufsrecht, einverständliche Auflösung, Gesetz) enden. Mit dem Vordringen des verzinslichen Darlehens und der Hypothek tritt die privatrechtliche R. seit dem 18. Jh. zurück. Die sozialversicherungsrechtliche R. entsteht seit 1881 (Bismarcksche Sozialversicherungs- gesetzgebung) als öffentlichrechtlicher An- spruch des (zwangsweise) Sozialversicherten gegen den Sozialversicherungsträger im Sozial- versicherungsfall (Krankheit, Unfall, Invalidität, Alter). Lit.: Hübner 195; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125, 135; Mann, Mecklenburgische Rentenbriefe, ZRG GA 7 (1886), 116; Stern, M., Das zweite Kieler Rentebuch (1487-1586), 1904; Brandt, A. v., Der Lübecker Rentenmarkt von 1320-1350, 1935; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961; Geschichte und Gegenwart der Rentenversicherung, hg. v. Fisch, S. u. a., 2000 Rentenbank ist das im 19. Jh. geschaffene landwirtschaftliche Kreditinstitut, das den von grundherrschaftlichen -> Hintersassen zu Eigentümern gewordenen Bauern die Tilgung ihrer Entschädigungsverpflichtung durch langfristige verzinsliche Darlehen ermöglicht. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 174 Rentengrundherrschaft ist die seit dem Hochmittelalter von Naturalleistungen auf Geldleistungen umgestellte Grundherrschaft, in welcher der Nebenhof vom Haupthof gelöst und Land auf Zeit gegen Geld verpachtet wird. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96 Rentenkauf ist das der Begründung der privatrechtlichen -> Rente durch Hingabe einer Geldsumme (,,Kauf") dienende, seit dem Hochmittelalter sichtbare Rechtsgeschäft. R. ist daneben auch der kaufweise erfolgende Erwerb einer bereits bestehenden Rente. Lit.: Hübner 395; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Gobbers, J., Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf, ZRG GA 4 (1883), 130; Winiarz, A., 657 Erbleihe und Rentenkauf in Österreich, 1906; Gattjen, B., Der Rentenkauf in Bremen, 1928; Rörig, F., Kündigungsrecht des Rentners beim Rentenkauf, ZRG GA 57 (1937), 451, Cremer, O., Der Rentenkauf im mittelalterlichen Köln, Diss. jur. Köln 1937; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961; Gabrielsson, P., Struktur und Funktion der Hamburger Rentengeschäfte, 1971; Haberland, H., Der Lübecker Renten- und Immobilienmarkt, 1974; Ellermeyer, J., Stade 1300-1399, 1975; Schmelzeisen, G., Zinsvertrag und Rentenkauf, ZRG GA 95 (1978), 229 Rentenschuld ist die im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) zugelassene, in der Weise bestellte Grundschuld, dass in regelmäßig wiederkehrenden Zeitpunkten eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist. Lit.: Köbler, DRG 213 Rentenwirtschaft -> Rentengrundherrschaft Renuntiation ist der Verzicht auf eine rechtliche Möglichkeit. Vom 13. Jh. bis zum 17. Jh. erscheinen in Urkunden zahlreiche Renuntiationsklauseln, in denen auf -> Einreden des römischen Rechtes (z. B. Arg- listeinrede, Nichtzahlungseinrede) verzichtet wird. Ihre weite Verbreitung könnte dadurch ermöglicht sein, dass der Verzicht auf Rechte als solcher bereits unabhängig vom römischen Recht bekannt ist. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln (renuntiationes), 1963; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968), 211 Reparation (F.) Kriegsschadensersatzleistung Lit.: Kroeschell, 20. Jh. repetundae (lat. [F.Pl.]) bei Provinzausbeutung Zurückzuverlangendes Lit.: Kaser § 8 IV 2; Köbler, DRG 34 replicatio (lat. [F.]) Gegenrede Lit.: Kaser §§ 82 II 4c, 83 II 11 Replik (zu lat. [F.] replicatio) ist die Entgegnung des Klägers auf eine prozesshindernde Einrede des Beklagten im Zivilverfahren vor dem -> Reichskammergericht (Kameralprozess). Im 19. Jh. wendet sich die R. auch gegen die Begründetheit der Klage. Lit.: Köbler, DRG 155; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 162 Report (M bzw. N.) nichtamtliche Aufzeichung von Verhandlungen in den Gerichtshöfen des englischen Königs in Westminster durch junge Anwälte in Lawfrench von etwa 1290 bis 1536 Lit.: Year Books (Edwards II. 1307-1327) , Bd. 1ff. 1903ff. Repräsentation ist die Verkörperung einer Gesamtheit durch Vertreter. Auf kirchlicher Grundlage erscheint R. im 13. Jh. als die R. der Herrschaft Gottes in der Monarchie. Von den Vertretern des Mehrheitsprinzips wird R. durch Papst und Konzil vertreten. Bodin geht von der R. des Staates durch den Monarchen aus. Demgegenüber werden die Stände in den Ländern des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) erst spät als R. des Volkes angesehen. In England unterscheidet bereits John Locke zwischen R. durch den König und R. durch die beiden Kammern des Parlamentes. In Frankreich tritt die R. der Nationalver- sammlung 1789 an die Stelle und 1791 neben die R. durch den König. In den Staaten des Deutschen Bundes ist die Frage der R. streitig. Lit.: Hübner 766; Kroeschell, DRG 2; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 509; Brandt, H., Landständische Repräsentation im Vormärz, 1968; Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, hg. v. Rausch, H., 1968; Representative Institutions, 1971; Hofmann, H., Repräsentation, 1974, 3. A. 1998; 4. unv. A. 2003; Bosl, K., Die Geschichte der Repräsentation in Bayern, 1974; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, 1979; Hartmann, V., Repräsentation in der politischen Theorie und Staatslehre in Deutschland, 1979; Neuhaus, H., Reichsständische Repräsentationsformen im 16. Jahrhundert, 1982; Kimme, J., Das Repräsentativsystem, 1988; Höfische Repräsentation, hg. v. Ragotzky, H. u. a., 1990; Vec, M., Zeremonialswissenschaft im Fürstenstaat, 1997; Die Repräsentation der Gruppe, hg. v. Oexle, G., u. a., 1998; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u. a., 1998; Hartmann, J., Staatszeremoniell, 3. A. 2000 Repräsentativsystem ist das die Teilnahme der Herrschaftsunterworfenen an allen wichtigen Entscheidungen durch eine aus Repräsentanten gebildete Vertretungskörperschaft ermöglich- ende politische System. Vom R. wird in den Vereinigten Staaten von Amerika seit dem ausgehenden 18. Jh., in den Staaten des Deutschen Bundes seit der Mitte des 19. Jh.s gesprochen. Das R. wird zumeist durch ein -> 658 Parlament verwirklicht. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, hg. v. Rausch, H., 1968; Kimme, J., Das Repräsentativsystem, 1988 Repressalie ist die Beantwortung einer Rechtsverletzung mit einer gleichwertigen, angemessenen, auf die Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustandes gerichteten Maßnahme. Die R. findet sich bereits im Frühmittelalter. Sie wird seit dem Spätmit- telalter juristisch erfasst (Bartolus, Francisco de Vitoria, Grotius). Das 19. Jh. schränkt die R. in zweiseitigen Abkommen und in der Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 ein. Lit.: Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner, ZRG GA 56 (1936), 150; Hohl, F., Bartolus de Saxoferrato: tractatus repressaliarum, Diss. jur. Bonn 1954 masch.schr.; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994 Republik (lat. res [F.] publica) ist im römischen Recht die Gesamtheit der Angelegenheiten von allgemeinem Nutzen. Bereits das Altertum kennt aber auch R. als einen die Staatsform kennzeichnenden, der Monarchie entgegengesetzten Begriff (Aristoteles, Cicero). Dieser wird im Hochmittelalter aufgenommen (Ptolemäus von Lucca) und von -> Machiavelli (1469-1527) dem Fürstentum gegenübergestellt. Mit dieser Staatsform verknüpft -> Montesquieu wiede- rum Gemeinsinn, Vaterlandsliebe und Gesetzestreue. Der in Frankreich 1792 verwirklichten R. folgen nach dem gescheiterten Versuch von 1848 das Deutsche Reich und Österreich 1918. Allerdings tritt die Frage der äußeren Staatsform insgesamt als weniger bedeutsam hinter dem Gesichtspunkt der Herrschaft des Volkes durch eine Repräsentativverfassung zurück. Der bloße Name R. verbürgt auch keineswegs Rechtsstaatlichkeit (-> Deutsche Demo- kratische Republik). Lit.: Söllner §§ 2, 6, 9, 12; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 18, 170, 171, 220, 230, 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 549; Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919; Christ, K., Krise und Untergang der römischen Republik, 1979; Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 7. A. 1995; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Kolb, B., Die Weimarer Republik, 1984; The Invention of the Modern Republic, hg. v. Fontana, B., 1994; Bleicken, J., Geschichte der römischen Republik, 5. A. 1999; Republikbegriff und Republiken seit dem 18. Jahrhundert, hg. v. Reinalter, H., 2000; Hölkeskamp, K., Rekonstruktionen einer Republik, 2004 Republikanischer Richterbund ist der 1922 zum Schutz der Weimarer -> Republik gegen antirepublikanische Bestrebungen gegründete Bund von Richtern. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schulz, B., Der Republikanische Richterbund (1912-1933), 1982 repudium (lat. [N.]) Verstoßung (der Ehefrau) Lit.: Kaser § 58 VII 2a Res (lat. [F.]) ist im römischen Recht die körperliche Sache bzw. das Rechtsobjekt (einschließlich der Sklaven, bei Gaius [um 160 n. Chr.] auch der Obligationen) bzw. das gesamte Vermögen (z. B. Erbschaft). Eigentum gibt es nur an körperlichen Sachen und Sklaven. Der enge römische Begriff der r. ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Lit.: Kaser § 18 I; Köbler, DRG 30, 39; Köbler, LAW Res (F.) communis omnium (lat.) ist im römischen Recht die allen gemeinsame Sache (z. B. Luft, Regenwasser, Meer). Lit.: Kaser § 18 I 2b Res (F.) corporalis (lat.) körperliche Sache im Gegensatz zum unkörperlichen Gegenstand (lat. res incorporalis bei Gaius) Lit.: Kaser § 19 I 1 Res (F.Pl.) cottidianae (lat.) ist eine von -> Gaius (um 160 n. Chr.) geschaffene oder im 3. Jh. auf Grund von Gaius entstandene römischrechtliche Schrift, aus der Bruchstücke in den Digesten überliefert sind. Lit.: Dulckeit/Kaser/Waldstein § 39; Köbler, DRG 52 Rescriptum (lat. [N.]) ist im nachchristlichen römischen Recht die Antwort des Prinzeps auf eine Anfrage, die bald als gesetzesgleich gilt. Lit.: Kaser § 2 II 3a; Köbler, DRG 31 Res (F.) divini iuris ist die unter der Herrschaft der Götter stehende Sache des römischen Rechts (z. B. Tempel, Grabstätte, Stadttor, Grenzrain). Lit.: Kaser § 18 I 2a reservatio (F.) mentalis (lat.) geheimer Vorbehalt bzw. -> Mentalreservation Lit.: Kaser § 8 III 659 Reservatrecht ist in der frühen Neuzeit das dem Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) vorbehaltene Recht. Lit.: Köbler, DRG 147; Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte, 1958 Reservatum (N.) ecclesiasticum (lat.) ist der geistliche Vorbehalt, dass bei einem Religionswechsel eines geistlichen Landesherrn der frühen Neuzeit der Grundsatz (lat.) -> cuius regio, eius religio nicht gilt. Lit.: Köbler, DRG 130 Res (F.) extra commercium (lat.) ist im römischen Recht die nichtprivatrechtsfähige Sache (z. B. res divini iuris, res communis omnium, res publica). Lit.: Kaser § 18 I 2; Evans Jones, R./MacCormack, G., The sale of the res extra commercium, ZRG RA 112 (1995), 330 Residenz (F.) Wohnort, Hauptstadt Lit.: Residenz, hg. v. Andermann, K., 1992; Südwestdeutsche Bischofsresidenzen außerhalb der Kathedralstädte, hg. v. Press, V., 1992; Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Paravicini, W., 2003 res (F.) iudicata (lat.) entschiedener Rechtsstreit Lit.: Kaser § 84 II 1 Reskript (zu lat. [N.] rescriptum) ist das eine Rechtsansicht zu einer Rechtsanfrage enthaltende Schreiben des römischen Kaisers. Es wird im 5. Jh. vom Papst übernommen und bis in die Gegenwart beibehalten. Im weltlichen Recht wird das R. dagegen später nur ganz vereinzelt verwendet (z. B. Reskriptprozess vor dem Reichshofrat). Lit.: Kaser § 87 IV; Söllner § 15; Gaudemet, J., La formation du droit séculier et du droit de l'église, 2. A. 1979; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 181 Res (F.) mancipi (lat.) ist seit dem altrömischen Recht die in der Spätantike aufgegebene handhabbare Sache (italisches Grundstück, Sklave, Rind, Pferd, Esel, Maulesel, Feldservitut). Nur für die r. m. ist die (lat. [F.]) -> mancipatio möglich. Lit.: Kaser §§ 7 I 1c, 18 I 3a, 22 II 2b; Söllner §§ 8, 9, 12; Köbler, DRG 24, 39, 40, 60 Res (F.) nec mancipi ist seit dem altrömischen Recht jede Sache, die nicht -> res mancipi ist. Sie wird durch (lat. [F.]) -> traditio (Übergabe) erworben. Lit.: Kaser § 18 I 3a; Söllner §§ 8, 9, 12; Köbler, DRG 24, 39, 60 Resozialisierung ist die Wiedereingliederung eines gegen Straftatbestände als Gesellschafts- regeln verstoßenden Straftäters in die Gesellschaft. Die R. als Strafzweck wird nach älteren frühneuzeitlichen Ansätzen in England und in den Niederlanden (-> Zuchthaus) von Franz von -> Liszt im Marburger Programm (1882) für verbesserliche Zustandstäter aufgegriffen. Seitdem gewinnt sie erheblich an Bedeutung, ohne andere Strafzwecke vollständig verdrängen zu können. Lit.: Köbler, DRG 204, 264, 265; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002 Respondierjurist ist im römischen Recht der vom Prinzeps durch das Recht, auf eine Anfrage in seinem Namen eine gutachtliche Antwort (lat. [N.] responsum) zu geben, hervorgehobene Jurist. Lit.: Söllner §§ 14, 15, 16; Köbler, DRG 30; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 Res (F.) privata (lat.) ist im spätantiken römischen Recht das Staatsland, an dem ein unbefristetes Pachtverhältnis begründet werden kann. Lit.: Kaser § 30 I 2 Res (F.) publica (lat.) ist im römischen Recht die Gesamtheit der Römer und die im Eigentum des Staates stehende Sache (z. B. Straße, Fluss, Wasserleitung). -> Republik Lit.: Kaser §§ 17 II 1a, 18 I 2c Res (F.) religiosa (lat.) ist im römischen Recht die in gewisser Weise nichtprivatrechtsfähige Grabstätte. Lit.: Kaser § 18 I 2a Res (F.) sacra (lat.) ist im römischen Recht die nichtprivatrechtsfähige geweihte Sache (z. B. Tempel). Nach katholischem Kirchenrecht darf die r. s. nicht zu weltlichem Gebrauch verwendet werden. Lit.: Kaser § 18 I 2a; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 274 Res (F.) sancta (lat.) ist im römischen Recht die unter göttlichem Schutz stehende weltliche Sache (z. B. Stadttor, Grenzrain). Lit.: Kaser § 18 I 2a Ressort (N.) Arbeitsgebiet, Zuständigkeits- bereich Lit.: Hausherr, H., Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, 1953 660 Restauration (F.) Wiederherstellung eines früheren Zustandes (z. B. des klassischen römischen Rechts durch Justinian, älterer politischer Zustände in England 1660-1688, Frankreich 1815 oder im Deutschen Bund 1815-1848) Lit.: Köbler, DRG 62; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 179; Haller, C. v., Restauration der Staatswissenschaft, Bd. 1ff. 2. A. 1820ff., Neudruck 1964; Bertier de Sauvigny, G. de, La Restauration, 1955; Kann, R., The problem of restoration, 1968; Restauration und Frühliberalismus, hg. v. Brandt, H., 1979; Deutschland zwischen Revolution und Restauration, hg. v. Berding, H. u. a., 1981; Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt, H., 1988; Sellin, V., Die geraubte Revolution, 2001 restituere (lat.) einen Zustand herstellen oder wiederherstellen Lit.: Kaser §§ 27 I 7, 34 II 3, 37 IV, 50 II 6; Köbler, DRG 42 Restitutio (F.) in integrum (lat.) ist im klassischen römischen Recht die vom Prätor in bestimmten Fällen verfügbare Wiederherstellung des früheren Zustandes (z. B. nach einem Betrug, bei Zwang). Verfahrensmäßig betrifft die r. i. i. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. die Wiederaufnahme des Verfahrens. Lit.: Köbler, DRG 33, 43; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 177, 197, 264, 413, 420 Restitution Lit.: Nufer, G., Über die Restitutionslehre der spanischen Spätscholastiker, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 196)9 Restitutionsedikt ist der Erlass Kaiser Ferdinands II. vom 6. 3. 1629, der die Rück- erstattung bestimmter an Protestanten gelangter Güter anordnet, 1648 aber zugunsten des Besitzstandes vom 1. 1. 1624 (-> Normaljahr) aufgegeben werden muss (zwei Erzbistümer, 13 Bistümer, mehr als 500 Klöster, Stifte und Kirchengüter). Lit.: Frisch, M., Das Restitutionsedikt, 1993 (Diss. jur. Tübingen 1991); Heckel, M., Das Restitutionsedikt, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997 retentio (lat. [F.]) Zurückbehaltung Lit.: Kaser §§ 26, 27, 37, 38, 48, 59 Retraktrecht -> Näherrecht Reugeld ist die vereinbarte Geldleistung, von deren Bewirkung die Wirksamkeit eines Rücktritts abhängig gemacht sein kann. Lit.: Hübner Reunion ist die Wiederangliederung eines verlorenen Gebietes (z. B. Frankreichs 1679- 1686). Lit.: Wysocki, J., Kurmainz und die Reunion, Diss. phil. Mainz 1961 Reuß ist die nach Henricus Ruthenus (Heinrich Reuß, 1292/1294) benannte Grafschaft im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) und ein Mitglied des Deutschen Bundes. R. geht am 1. 5. 1920 in -> Thüringen auf. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wolf, H., Die Entwicklung des Gerichtswesens, Diss. jur. Jena 1952 Reutlingen Lit.: Jäger, W., Die freie Reichsstadt Reutlingen, 1940; Fischer, G., Die freie Reichsstadt Reutlingen, Diss. jur. Tübingen 1959; Kopp, H., Die Anfänge der Stadt Reutlingen, 1961 Reval ist Sitz eines 1219 vom König von Dänemark gegründeten Bistums, dessen Bischof seit 1512 als Reichsfürst des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) gilt. 1230 entsteht R. als deutsche Stadt, die 1226 rigisches, 1257 lübisches Recht übernimmt. 1918 wird R. (estnisch Tallinn ,,Dänenburg") Hauptstadt der Republik -> Estland. Das lübische Recht gilt bis zur Annexion durch die Sowjetunion (1944). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Die Quellen des Revaler Stadtrechts, hg. v. Bunge, F. v. u. a., 1843ff.; Mickwitz, G., Aus Revaler Handelsbüchern, 1938; Das Revaler Ratsurteilsbuch (1515-1554), hg. v. Ebel, W., 1952; Revaler Regesten, bearb. v. Seeberg-Elverfeldt, R., Bd. 1f. 1966ff.; Ebel, W., Lübisches Recht, Bd. 1 1971, 87, 203; Johansen, P. u. a., Deutsch und Undeutsch im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reval, 1973; Reval und die baltischen Länder, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1980; Gierlich, E., Reval, 1991 Reversalie (F.) Wechselseitigkeitszusage Revigny -> Jacobus de Ravanis Revindikation (F.) Wiedererlangung, Wieder- geltendmachung Revision ist ein -> Rechtsmittel zur Nachprüfung eines Urteils in rechtlicher Hinsicht. Die R. ist vermutlich der römischrechtlichen (lat.) supplicatio (F.) ad imperatorem (Bittschrift an den Kaiser) nachgebildet. Für die R. ist am Reichs- kammergericht die Visitationskommission zuständig, die ihre Aufgabe (etwa 2000 Revisionen) aber nicht ausführt. Gleichwohl 661 wird die R. in den Ländern aufgenommen und durch die Reichsjustizgesetze von 1877/1879 einheitlich eingeführt. Lit.: Köbler, DRG 153, 202, 203, 235, 263; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, 1965, 237; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 511; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973, 373; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 215; Kocher, G., Tiroler Rechtsleben vor dem ABGB, FS E. Hellbling, 1981, 597; Mencke, K., Zur Entwicklung der ordentlichen Visitationen, 1984; Braun S., Geschichte der Revision im Strafverfahren, 1996; Oer, R. Freiin v., Der münsterische ,,Erbmännerstreit", 1998 Revokationsrecht (zu lat. [F.] revocatio) (Rückrufsrecht) -> Näherrecht Lit.: Köbler, DRG 57 Revolution ist die plötzliche grundlegende Umgestaltung eines bestehenden gesellschaft- lichen Zustandes. Über einen von Nikolaus Kopernikus geprägten Buchtitel (1543) wird das lateinische Femininum revolutio (Umwälzung) 1688 in England auf die Glorious Revolution angewendet. Eindrucksvollstes (und als erste R. allgemein anerkanntes) Beispiel der R. ist die R. in Frankreich (1789). Ihr folgen weitere bekannte, teilweise erfolgreiche Revolutionen in Frankreich (1830, 1848), im Deutschen Bund (1848), Russland (1917) und Deutschland (1918). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 32, 179; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984; Helfert, K., Geschichte der österreichischen Revolution, Bd. 1f. 1907ff.; Rosenstock-Huessy, E., Die europäischen Revolutionen, 1951; Grieswank, K., Der neuzeitliche Revolutionsbegriff, 2. A. 1969; Revolution und Gesellschaft, hg. v. Schieder, T., 1973; Reinalter, H., Aufgeklärter Absolutismus und Revolution, 1979; Deutschland zwischen Revolution und Restauration, hg. v. Berding, H. u. a., 1981; Deutschland und die französische Revolution, hg. v. Voss, J., 1982; Berman, H., Law and Revolution, 1983; Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt, H., 1988; Schulin, E., Die französische Revolution, 1988; Berteaud, J., Alltagsleben während der französischen Revolution, 1989; Revolution und konservatives Beharren. Das alte Reich und die französische Revolution hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1990; Goldstone, J., Revolution and Rebellion, 1991; Berman, H., Recht und Revolution, 1991; Revolution und Gegenrevolution 1789-1830, hg. v. Dufraisse, R., 1991; Härter, K., Reichstag und Revolution 1789-1806, 1992; Würgler, A., Unruhen und Öffentlichkeit, 1995; Hein, D., Die Revolution von 1848/9, 1998; 1848. Revolution in Deutschland, hg. v. Dipper, C. u. a., 1998; Mommsen, W., 1848 ­ Die ungewollte Revolution, 1998; Achtzehnhundertacht- undvierzig/achtzehnhundertneunundvierzig, hg. v. badischen Landesmuseum, 1998; Kärcher, T., Bibliographie zur Revolution von 1848/1849, 1998; Die deutsche Revolution, hg. v. Beutin, W. u. a., 1999; Zwischen Königtum und Volkssouveränität, hg. v. Görtemaker, M. u. a., 1999; Die Revolutionen von 1848, hg. v. Gall, L., 1999; Die Revolutionen von 1848, hg. v. Langewiesche, D., 2000; Große Revolutionen der Geschichte, hg. v. Wende, P., 2000; Riem, A., Was sollten Regenten thun, um sich gegen Revolutionen zu sicher?, hg. v. Welker, K., 2000; Sperber, J., Revolutionary Europe, 1780-1850, 2000; Moore, R., Die erste europäische Revolution, 2001; Erbe, M., Revolutionäre Erschütterungen und erneuertes Gleichgewicht, 2002; Nach der Revolution 1848/49, hg. v. Jansen, C., 2004 rex (lat. [M.]) König Lit.: Lapis, B., Rex utilis, 1986 Rex non potest peccare (lat.). Der König kann kein Unrecht tun. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Reykjavik auf Island wird 877 von Wikingern angelegt und wird Hauptstadt -> Islands. 1911 erhält es eine Universität. Reyscher, August Ludwig (Unterrixingen in Württemberg 10. 7. 1802-Cannstatt 1. 4. 1880), Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen 1829 Privatdozent, 1831 außer- ordentlicher Professor und 1837 ordentlicher Professor. 1851 muss er seine Universitätstätigkeit aus politischen Gründen aufgeben und wird Anwalt. In seinen zahlreichen vielseitigen Werken bemüht er sich als liberaler Pragmatiker um Fortschritte in zeitgenössischen Grundfragen. Lit.: Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben und Rechtstheorie, 1974 Rezeption ist die Aufnahme des antiken römischen Rechts im mittelalterlich- neuzeitlichen Europa. Die R. beginnt mit der Wiederentdeckung der Digesten in Italien im späten 11. Jh. Sie vollzieht sich über den Rechtsunterricht an den neu entstehenden Universitäten (Bologna, Padua, Perugia, Paris, Oxford, Cambridge, Salamanca u. a.) und über die fachmännisch besetzte kirchliche Gerichts- 662 barkeit. Die Gründe für den Erfolg der R. sind streitig. Daran, dass das einheimische Recht neu entstehende Rechtsfragen nicht hätte beantworten können, kann es, wie die Aussparung mancher Gebiete (Hansestädte, England) beweist, nicht gelegen haben. Am ehesten wird man annehmen dürfen, dass die geschlossene große Masse der vernunftmäßig einleuchtenden, schriftlich festgelegten und in jahrhundertelanger Feinarbeit wissenschaftlich durchdrungenen Konfliktlösungen sich gegen- über der unübersichtlichen und verwirrenden Vielfalt der aus verschiedensten Quellen stammenden einheimischen Sätze der ungelehrten Laienurteiler als überlegen erweist. Den Ausgangspunkt der R. bilden die -> Glossatoren und -> Kommentatoren in Italien. Beschleunigt wird die R. im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) durch § 3 der Reichskammergerichtsordnung von 1495. In Erscheinung tritt die R. über die Urteile der Gerichte hinaus in -> Reformationen (Nürnberg 1479/1484, Worms 1499, Frankfurt 1509, Freiburg 1520) und in der zunächst populären, dann wissenschaftlichen Literatur (-> usus modernus pandectarum). Noch nach den römischrechtlich beeinflussten -> Kodifikationen des Vernunftrechts erfolgt über -> historische Rechtsschule und -> Begriffs- jurisprudenz sowie Pandektistik im 19. Jh. ein weiterer Schub von R. Im Übrigen ist die R. des römischen Rechts in Europa nur ein besonders eindrucksvoller Fall von Rechtsrezeption überhaupt. Lit.: Kaser § 1 III 3; Söllner §§ 1, 2, 17, 25; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 5, 28, 108, 137, 159, 205; Baltl/Kocher; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 1ff. 2. A. 1834ff.; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte in Braunschweig-Lüneburg, 1904; Below, G. v., Die Ursachen der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland, 1905; Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechts in Frankfurt am Main, 2. A. 1962; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA 65 (1947), 86; Mitteis, H., Zur Geschichte der Rezeption in Österreich, ZRG GA 66 (1948), 524; Krause, H., Kaiserrecht und Rezeption, 1952; Bender, P., Die Rezeption des römischen Rechts im Urteil der deutschen Rechtswissenschaft, 1955; Trusen, F., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 4. A. 1966; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, in: Ius Romanum medii aevi V 6, 1964; Rehfeldt, B., Rezeption in Schweden, ZRG GA 82 (1965), 316; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dolezalek, G., Verzeichnis der Handschriften zum römischen Recht bis 1600, Bd. 1f. 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Fried, P., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977; Nve, P., Recht en Continuiteit, 1977; Beyerle, F., Rezeption, Rezeptionsreife und Überwindung, ZRG GA 95 (1978), 115 (Vortrag vom 18. 11. 1942); Bender, P., Die Rezeption des römischen Rechts, 1979; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Stelzer, W., Gelehrtes Recht in Österreich, 1982; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1ff. 1985ff.; Strauss, G., Law, Resistance and the State, 1986; Wesener, G., Einflüsse und Geltung, 1989; Elsener, F., Studien zur Rezeption, hg. v. Ebel, F. u. a., 1989 (Aufsätze); Fried, J., Die Rezeption bologneser Rechtswissenschaft in Deutschland im 12. Jahrhundert, in: Viator 21 (1990), 103; Bellomo, M., L'Europa del diritto comune, 5. A. 1991; The Reception of Continental Ideas in the Common Law World, hg. v. Reimann, M., 1993; Scholl, T., Die Rezeption des kontinental- europäischen Privatrechts in Lateinamerika, 1999; Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike in fünfzehn Bänden. Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte, in Verbindung, hg. v. Landfester, M., Band 13ff. 1999ff.; Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Janssen, H., Die Übertragung von Rechtsvorstellungen auf fremde Kulturen am Beispiel des englischen Kolonialrechts, 2000; Kordes, M., Von der Ansprache zum libellus actionis, Rhein. Vjbll. 66 (2002), 211; Avenarius, M., Rezeption des römischen Rechts in Russland, 2004 Rezess (lat. [M.]) Rückschritt, Vergleich Rheinbund ist (nach einem älteren Bündnis zwischen 15. 8. 1658 und 15. 8. 1668) der am 12. 7. 1806 auf Druck -> Napoleons von zunächst 16 dem Rhein benachbarten deutschen Fürsten (u. a. Bayern, Württemberg, Baden, Mainz, Hessen-Darmstadt, Berg, Kleve, Nassau) geschlossene Bund (Staatenbund?), der sich zur französischen Heerfolge und zur widerrechtlichen Trennung vom Heiligen 663 Römischen Reich (deutscher Nation) verpflichtet. Am 1. 8. 1806 treten die Mit- glieder aus dem Reich aus. Der später noch erweiterte R. (Würzburg, Sachsen, Westphalen) löst sich im Oktober 1813 auf. Voraus geht ihm im Übrigen ein R. vom 15. 8. 1658 (Mainz, Trier, Köln, Pfalz, Münster u. a. mit Schweden und Frankreich), der am 15. 8. 1668 aufgelöst wird. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 133, 192; Klüber, G., Staatsrecht des Rheinbundes, 1808; Beck, C., Zur Verfassungsgeschichte des Rheinbundes, 1890; Bitterauf, T., Geschichte des Rheinbundes, Bd. 1 1905; Schnur, R., Der Rheinbund von 1658, 1955; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des Code Napoléon, 1973; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 1974; Schulz, A., Herrschaft durch Verwaltung, 1991; Schuck, G., Rheinbundpatriotismus und politische Öffentlichkeit zwischen Aufklärung und Frühliberalismus, 1994 Rheinfelden Lit.: Schib, K., Geschichte der Stadt Rheinfelden, 1961 Rheingau Lit.: Alberti, W., Der Rheingauer Landbrauch von 1643, 1913; Richter, P., Der Rheingau, 513 Rheinischer Bund ist der im Juli 1254 von Städten und Landesherren am mittleren Rhein abgeschlossene, später von Basel bis Bremen und Aachen bis Regensburg reichende nach Frieden strebende Bund, der nach der Doppelwahl zum deutschen König im Januar 1257 endet. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bielfeldt, E., Der rheinische Bund von 1254, 1937; Voltmer, E., Der rheinische Bund, 1986 Rheinischer Städtebund von 1381 ist ein am 20. 3. 1381 von Städten am Rhein geschlossener, 1388/1389 dem Pfalzgrafen bei Rhein unterlegener Bund. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Erler, A., Ingelheimer Prozesse nach dem Städtekrieg von 1388, 1981 Rheinisches Recht ist das links des Rheins im 19. Jh. eingeführte französische Recht, das durch die Gesetzbücher des Deutschen Reiches (1871-1900) abgelöst wird. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 180; Cretschmar, Das rheinische Civilrecht, 4. A. 1896; Die Gutachten der rheinischen Immediat-Justiz-Kommission und der Kampf um die rheinische Rechts- und Gerichts- verfassung 1814-1819, bearb. v. Landsberg, E., 1914, Neudruck 2000; Schumacher, D., Das rheinische Recht, 1969; Vom Recht im Rheinland, hg. v. kölnischen Stadtmuseum, 1969; Faber, K., Recht und Verfassung, 1970; Huffmann, H., Geschichte der rheinischen Rechtsanwaltschaft, 1971; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 1974; Schubert, W., Das französische Recht in Deutschland zu Beginn der Restaurationszeit (1814-1820), ZRG GA 94 (1977), 128; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Schubert, W., Savigny und die rheinisch- französische Gerichtsverfassung, ZRG GA 95 (1978), 158; Becker, H., Das rheinische Recht, JuS 25 (1985), 338; Rheinisches Recht und europäische Rechtsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1998; Grilli, A., Die französische Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998; Kleinbreuer, S., Das rheinische Strafgesetzbuch, Diss. jur. Bonn 1999; Schäfer, Markus, Der Übergang vom rheinischen Recht zu den Reichsjustizgesetzen am Beispiel des Landgerichtsbezirkes Bonn, Diss. jur. Bonn 2001; Seynsche, G., Der rheinische Revisions- und Kassationsgerichtshof in Berlin (1819-1852), 2003; Einhundertfünfundzwanzig [125] Jahre rheinische Amtsgerichte, hg. v. Lünterbusch, A., 2003; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004; Müller-Hogrebe, C., Der rheinische Jurist Joseph Bauerband, 2005 Rheinland Lit.: Oppermann, O., Rheinische Urkundenstudien, 1922; Aubin, H./Frings, T./Müller, J., Kulturströmungen und Kulturprovinzen in den Rheinlanden, 1926; Recht und Rechtspflege in den Rheinlanden, hg. v. Wolffram, J. u. a. 1969 (FS OLG Köln); Rheinischer Städteatlas, hg. v. Ennen, E., 1972ff.; Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande, hg. v. Nikolay-Panter, M . u. a. 1994 (Aufsätze) Rheinland-Pfalz ist das am 30. 8. 1946 aus Teilen Bayerns und Preußens geformte Land, das Bundesland der 1949 entstehenden Bundesrepublik Deutschland wird. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schaus, E., Stadtrechtsorte und Flecken, 1958; Quellen zur Geschichte der Herrschaft Landskron an der Ahr, bearb. v. Frick, H. u. a., 1966; Rheinland-Pfalz, hg. v. Götz, W., 1967; Dotzauer, W., Der historische Raum des Bundeslandes Rheinland-Pfalz, Bd. 1f. 1992f. Rheinprovinz ist die 1822 aus den vor allem 1815 an Preußen gelangten Gebieten bzw. aus der Provinz Jülich-Kleve-Berg und dem Großherzogtum Niederrhein gebildete Provinz mit Sitz in Koblenz, die 1945/1946 in Rheinland-Pfalz bzw. Nordrhein-Westfalen aufgeht. 664 Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Geschichtlicher Atlas der Rheinprovinz, hg. v. Schultheis, K./Fabricius, W., Erläuterungen Bd. 2 1898; Fabricius, W., Kirchliche Organisation, 1903; Fabricius, W:, Die Herrschaften des unteren Nahegebietes, 1914; Die Weistümer der Rheinprovinz, Bd. 1 1900; Bär, M., Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, 1919; Romeyk, H., Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz, 1985; Romeyk, H., Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816-1945, 1994; Smets, J., Les pays rhénans, 1997 Rheinschifffahrt -> Binnenschiffahrt Rheinschifffahrtsgericht ist das im 19. Jh. (15. 8. 1804, 24. 3. 1815, 13. 3. 1831, 17. 10. 1868) völkervertragsrechtlich geschaffene Gericht für Streitigkeiten in Rheinschiff- fahrtsangelegenheiten. Für dieses gilt ein besonderes Gesetz von 1937 bzw. 1952. Das R. ist Abteilung des Amtsgerichts in Kehl, Mannheim, Mainz, St. Goar und Duisburg- Ruhrort sowie des Oberlandesgerichts in Köln und Karlsruhe. Lit.: Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Köln, hg. v. Wolffram, J. u. a., 1969; Kissel, O., Gerichtsverfassungsgesetz, 2. A. 1994; Scherner, K., Die Rheinakten von 1831 und 1868, Z. f. europ. Privatrecht 1997, 58 Rhenen Lit.: Iterson, W. van, De stad Rhenen, 1960 Rhens (bei Koblenz), früher Rhense -> Kurverein Rhetorik ist die im Altertum entwickelte Redekunst. Sie befasst sich besonders mit der Rede vor Gericht. Vermutlich von dort aus beginnt seit dem 11. Jh. die Wiederbeschäftigung mit dem -> römischen Recht. Lit.: Söllner §§ 9, 11; Köbler, DRG 16, 106; Wesel, U., Rhetorische Statuslehre, 1967; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Dronke, P., Mittelalterliche Rhetorik, 1982; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Köbler, G., Burgreht und diotreht, FS Schmidt- Wiegand, R., 1987; Classen, C., Recht, Rhetorik. Politik, 1985; Copeland, R., Rhetoric, 1991; Historisches Wörterbuch der Rhetorik, hg. v. Ueding, G., Bd. 1ff. 1992ff.; Fuhrmann, M., Die antike Rhetorik, 4. A. 1995; Dialektik und Rhetorik, hg. v. Fried, J., 1997; A Handbook of Classical Rhetoric, hg. v. Porter, S., 1997 Rhodos -> lex Rhodia Lit.: Wiemer, H., Krieg, Handel und Piraterie, 2003 Richard von Ely -> Dialogus de scaccario Richert, Johan Gabriel (1784-1864) wird nach dem Rechtsstudium in -> Lund Richter. In verschiedenen Gesetzgebungskommissionen setzt er sich für liberales Recht ein. 1845 erreicht er die Gleichstellung von Söhnen und Töchtern im Erbrecht, 1863 ein modernes Kriminalgesetzbuch. Lit.: Warburg, K., Johan Gabriel Richert, 1905; Den historika skolan och Lund, hg. v. Modéer, K., 1982, 53 Richten ohne Urteil ist ein im Mittelalter anscheinend mögliches Entscheidungsverfahren des Richters ohne Zuziehung von Urteilern, für das aber kein feststehender Gesichtspunkt erkennbar ist. Lit.: Planck, W., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 403 Richter ist das zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten berufene Organ der Rechtspflege. Im zweigeteilten römischen Verfahren ist dies der vom Magistrat ermittelte, ehrenamtlich tätige (lat. [M.]) -> iudex, im Kognitionsverfahren der öffentliche Amtsträger. Bei den Germanen leiten ein König oder mehrere Vornehme die -> Volks- versammlung und damit auch die Streitentscheidung. Im fränkischen Frühmittelalter erfüllt diese Aufgabe an Stelle des Königs der (lat.-afrk. [M.]) -> thunginus bzw. später der -> Graf. Ihm obliegt grundsätzlich nicht das den Rachinburgen oder -> Schöffen überlassene Urteilen. Im Hochmittelalter wird in der Kirche der gelehrte -> Jurist Einzelrichter und bewirkt die Unzuständigkeit des Richters die Nichtigkeit seines Urteils. Von hier aus verdrängt der R. in der frühen Neuzeit den Schöffen aus der Urteilstätigkeit. Der Liberalismus des 19. Jh.s führt den ehrenamtlichen Laienrichter wieder teilweise in die Gerichtsbarkeit zurück, in welcher der R. allgemein -> Unabhängigkeit (Unabsetzbarkeit, Weisungsfreiheit) erlangt. Lit.: Kaser §§ 80 II 5, 81 II 2, 82 II 5, 87 I; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 84, 86, 114, 115, 197, 124, 201, 202, 228, 234, 235, 262; Köbler, WAS; Heinemann, F., Der Richter und die Rechtspflege, 1900; Lenel, P., Die Scheidung von Richtern und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 440; Plathner, G., Der Kampf um die richterliche Unabhängigkeit, 1935; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schorn, H., Der Richter 665 im Dritten Reich, 1959; Clavadetscher, O., Die geistlichen Richter des Bistums Chur, 1964; Flume, W., Richter und Recht, 1966; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Küper, W., Die Richteridee der Strafprozessordnung und ihre geschichtlichen Grundlagen, 1967; Köbler, G., Richten, Richter und Gericht, ZRG GA 87 (1970), 57; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Kocher, G., Richter und Stabübergabe im Verfahren der Weistümer, 1971; Conrad, H., Richter und Gesetz im Übergang vom Absolutismus zum Verfassungsstaat, 1971; Kötschau, U., Richterdisziplinierung in der preußischen Reaktionszeit, (Diss. jur. Kiel) 1976; Battenberg, F./Eckhardt, A., Der Richter in eigener Sache, ZRG GA 95 (1978), 79; Hempel, N., Richterleitbilder in der Weimarer Republik, 1978; Olzen, D., Richter und Sachverständige, ZRG GA 97 (1980), 164; Hübner, H., Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Schulz, B., Der republikanische Richterbund (1921-1933), 1982, Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986; Hattenhauer, H., Richter und Gesetz, ZRG GA 106 (1989), 46; Ormond, T., Richterwürde und Regierungstreue, 1994; Europäische und amerikanische Richterbilder, hg. v. Gouron, A. u. a., 1996; Le juge et le jugement, hg. v. Jacob, R., 1996; Nörr, K., Der Richter zwischen Gesetz und Wirklichkeit, 1996; Immisch, L., Der sozialistische Richter, 1997; Gritschneder, O., Furchtbare Richter, 1998; Albert, T., Der gemeine Mann vor dem geistlichen Richter, 1998; Höner, M., Die Diskussion um das richterliche Prüfungsrecht und das monarchische Verordnungsrecht, 2001; Nobili, M., Die freie richterliche Überzeugungsbildung, 2001; Lepsius, Susanne, Der Richter und die Zeugen, 2003; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Kißener, M., Zwischen Diktatur und Demokratie, 2003; Ziegler, P., 200 Jahre Friedensrichter, 2003; Strodthoff, B., Die richterliche Frage- und Erörterungspflicht, 2004; Auer, M., Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreieheit, 2005^peuropa Richterablehnung ist die Zurückweisung eines Richters wegen Befangenheit. Die R. ist bereits dem spätantiken Verfahren bekannt. Sie wird im Mittelalter im gelehrten Verfahren übernommen, doch kennt auch das einheimische Recht Einschränkungen der richterlichen Tätigkeit. Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 111, 119; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963, 33, 71; Kaser, M., Das römische Zivilpozessrecht, 1966, 424, 440; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 77 Richterbrief ist im Dritten Reich das der Lenkung der Tätigkeit des Richters dienende parteipolitisch beeinflusste Rundschreiben. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Richterbriefe, hg. v. Boberach, H., 1975; Wahl, B., Die Richterbriefe, Diss. jur. Heidelberg 1981 Richterrecht ist das von dem im gewaltengeteilten Staat für die Rechtsprechung zuständigen -> Richter geschaffene Recht. Seine Zulässigkeit ist streitig. Insbesondere die -> freie Rechtsschule befürwortet allgemein R. Tatsächlich setzt es sich vor allem dort durch, wo der Gesetzgeber nicht entscheidungsfähig ist. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 4, 227, 254; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Larenz, K., Richterliche Rechtsfortbildung als methodisches Problem, NJW 1965, 1; Rehbinder, M., Zur Rechtsqualität des Richterspruchs, JuS 1991, 542; Zitscher, H., Elterlicher Status in Richterrecht und Gesetzesrecht, 1996; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhandlungsrecht, 1997; Richterrecht und Rechtsfortbildung in der europäischen Rechtsgemeinschaft, hg. v. Schulze, R./Seif, U., 2003 Richterstuhl ist der Sitz des Richters. Lit.: Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Richthofen, Karl Otto Johannes Theresius (Damsdorf 30. 5. 1811-6. 3. 1888) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Berlin (Savigny, Eichhorn) und Göttingen (Jacob Grimm) außerordentlicher Professor in Berlin. 1840 veröffentlicht er die friesischen Rechtsquellen und ein altfriesisches Wörterbuch, 1863 die (lat.) -> Lex (F.) Frisio- num. Lit.: Brunner, H., Karl von Richthofen, ZRG GA 9 (1888), 247 Richtlinie ist der Grundsatz oder die Anweisung für ein bestimmtes Verhalten. Insbesondere kann in der -> Europäischen Union der Rat oder die Kommission eine verbindliche R. für den staatlichen Gesetzgeber erlassen. Lit.: Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, hg. v. 666 Walk, J., 1981 Richtschwert ist das Schwert als Vollzugsgerät der -> Todesstrafe. Lit.: Kühn, U., Inschriften und Verzierungen auf Richtschwertern, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1969; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Richtstätte ist der Ort des Vollzuges der Todesstrafe (z. B. Galgenbühl). Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Richtsteig Landrechts ist das vom märkischen Hofrichter Johann von Buch (1285/1290-nach 1356) verfasste Werk über das Gerichtsverfahren nach dem -> Sachsenspiegel. Der R. L. ist vermutlich zwischen 1325 und 1333/1334 entstanden. Er folgt gelehrtem Vorbild (Gerichtsperson, Klagearten). Er ist durch 75 Handschriften in fünf vor allem regionalsprachlich verschiedenen Formen überliefert. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 103, 107; Homeyer, C., Der Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, 1857; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 64 Richtsteig Lehnrechts ist das vermutlich in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s vielleicht von Gerke von Kerkow verfasste Werk über das Verfahren des sächsischen Lehnrechts in anfangs wohl 31 Artikeln, das in 20 Handschriften überliefert ist. Lit.: Homeyer, C., Des Sachsenspiegels zweiter Teil, Bd. 1 1842, 409; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 65 Riegger, Joseph Anton Stephan von (Innsbruck 1742-Prag 1795), Rechtsprofessorensohn, wird 1764 Privatdozent in Wien und 1765 Professor in Freiburg im Breisgau, 1778 in Prag. In Freiburg im Breisgau hält er als erster deutsche Vorlesungen. Lit.: Wander von Grünwald, J., Biographie der beiden Ritter von Riegger, 1797 Riegger, Paul Joseph (Freiburg im Breisgau 1705-Wien 1775) wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg im Breisgau 1733 Professor in Innsbruck und 1753 in Wien. Er tritt für den Vorrang des Staates gegenüber der Kirche ein. Lit.: Wander von Grünwald, J., Biographie der beiden Ritter von Riegger, 1797; Seifert, E., Paul Joseph Riegger, 1973 Riga an der Düna wird 1201 als Markt deutscher Kaufleute gegründet und kommt 1582 an Polen, 1621 an Schweden und 1710 an Russland. 1285 nimmt die Stadt hamburgisches und später auch lübisches Recht auf. Das daraus entwickelte rigische Recht wird an viele umliegende Städte weitergegeben. Von 1918 bis 1940 und seit 1991 ist R. Hauptstadt von -> Lettland. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Die Quellen des rigischen Stadtrechts, hg. v. Napiersky, J., 1876, Neudruck 1976; Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Lenz, W. jun., Riga, 1968; Hellmann, M., Livland und das Reich, 1989; Riga, hg. v. Oberländer, E. u. a., 2004 Ring ist ein kreisförmiges Gebilde, das als Symbol für ein Recht oder Rechtsverhältnis verwendet wird (z. B. Ehering). Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Zallinger, O., Die Ringgaben bei der Heirat, 1931 (SB Wien); Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 22 (1933), 1; Labhart, V., Zur Rechtssymbolik der Bischofsringe, 1963; Chadour, A., Ringe, 1994 Rinteln ist von 1620/1621 bis 1809 Sitz einer Universität. Lit.: Feige, R., Das akademische Gymnasium Stadthagen und die Frühzeit der Universität Rinteln, 1956 Ripert, Georges (1880-1958) wird nach dem Rechtsstudium in Aix-en-Provence Rechts- lehrer in Aix-en-Provence (1906) und Paris (1918). Er führt den (franz.) Traité élémentaire de droit civil -> Planiols fort und erweitert ihn zu einem 14bändigen Gesamtwerk. Dabei geht er von der Überlegenheit des Gesetzesanwenders gegenüber dem Gesetz aus. Lit.: Rousselet, M., Notice sur la vie et les travaux de Georges Ripert, 1960 Ripuarier (Ribvarier) ist der (Bewohner eines um Köln liegenden Gebiets oder) der Angehörige eines um Köln fassbaren Teil- stammes der Franken, dessen Recht vielleicht schon im 7. Jh., jedenfalls 763/4 und in einer etwas jüngeren Fassung in der (lat.) -> Lex (F.) Ribvaria aufgezeichnet wird. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Nonn, U., Pagus und comitatus, 1983 Ritter (lat. [M.] eques, miles) ist der Angehörige einer durch reiterliches Verhalten 667 gekennzeichneten Menschengruppe. Bereits das klassische römische Altertum kennt einen hervorgehobenen Stand der (lat. [M.Pl.]) equites (ordo equester Geldadel). Seit dem Frühmittelalter (9. Jh.) entsteht der im 11. Jh. vielleicht zuerst im westfränkischen Bereich sichtbare, spätestens um 1250 durch Ritter- bürtigkeit nach unten abgeschlossene und damit zum Geburtsstand werdende Berufsstand der durch Reiterdienst aus der Allgemeinheit herausgehobenen, auf der Burg vorbildlich lebenden R. Er bildet bald den niederen Adel, der zu einem der -> Landstände wird. Allerdings erweisen sich die Ritterheere im 14. Jh. als schlagbar (Sempach 1386), weshalb der R. an Bedeutung verliert. Auf der Suche nach einer anderweitigen Lebensgrundlage wird der R. vielfach Gutsherr, Beamter, verschiedentlich aber auch -> Raubritter. Seit dem 15. Jh. schließen sich die -> Reichsritter besonders zusammen, verlieren ihre reichsunmittelbare Stellung aber 1803. Lit.: Söllner §§ 6, 9, 12, 13, 14; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 29, 79, 98, 111, 112, 121, 199; Köbler, WAS; Erben, W., Schwertleite und Ritterschlag, Zeitschrift für historische Waffenkunde 8 (1919); Wretschko, A., Zur Erteilung der Ritterwürde durch den Kaiser im 16. Jahrhundert, ZRG GA 46 (1926), 374; Sandberger, D., Studien über das Rittertum in England, 1937; Schulze, W., Die Gleve, 1940; Obenaus, H., Recht und Verfassung der Gesellschaften mit S(ank)t Jörgenschild in Schwaben, 1961; Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969; Reuter, H., Die Lehre vom Ritterstand, 1971, 2. A. 1974; Das Rittertum, hg. v. Borst, A., 1976; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 2. A. 1976; Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. v. Fleckenstein, J., 1985; Bardelle, B., Die altwestfälischen Ritterschaftskorporationen, Diss. jur. Münster 1987; Keen, M., Das Rittertum, 1987; Curialitas, hg. v. Fleckenstein, J., 1990; Gasparri, S., I milites cittadini, 1992; Paravicini, W., Die ritterlich-höfische Kultur, 1994; Erkens, F., Militia und Ritterschaft, HZ 258 (1994), 623; Böninger, L., Die Ritterwürde in Mittelitalien, 1995; Stemmler, M., Eques Romanus, 1997; Fleckenstein, J., Rittertum und ritterliche Welt, 2002 Ritterbund ist der im 14./15. Jh. sichtbare Zusammenschluss von -> Rittern zu gemeinsamem Handeln (z. B. Sterner, St. Jörgenschild). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mau, H., Die Rittergesellschaften mit St. Jörgenschild, 1941; Obenaus, H., Recht und Verfassung der Gesellschaft mit St. Jörgenschild, 1961; Deutscher Adel, hg. v. Rössler, H., 1965; Ranft, A., Adelsgesellschaften, 1994 Rittergut ist das einem Ritter (Adeligen) übertragene Landgut, mit dessen Besitz die Landstandschaft verbunden ist (in Brandenburg im 19. Jh. 1610 Rittergüter [mit mehr als 100 Hektar], jeder fünfte Rittergutseigentümer Millionär). Es ist meist Lehen. Der Inhaber ist von Steuern befreit. Das R. ist oft Mittelpunkt einer -> Grundherrschaft oder Gutsherrschaft, der Inhaber meist Träger von Polizeigewalt und Patrimonialgerichtsbarkeit. Lit.: Müller, R., Die Rechtsbeziehungen zwischen den Rittergutsherren und den Bauern der Herrschaft Neuschönfels in Sachsen, 1937; Hüllemann, H., Die Geschichte der Rittergüter in Reuß älterer Linie, 1939; Reinicke, W., Landstände im Verfassungsstaat, 1975, 318; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Flügel, A., Bürgerliche Rittergüter, 2000; Schiller, R., Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, 2003 Ritterorden ist der von -> Rittern seit dem 12. Jh. gebildete -> Orden (z. B. Templerorden 1118/1119, -> Deutscher Orden 1190/11988, Johanniterorden, Malteserorden, Schwertbrüderorden 1202). Lit.: Riley-Smith, J., The Knights of St. John, 1967; Pernoud, R., Les Templiers, 2. A. 1977; Die geistlichen Ritterorden Europas, hg. v. Fleckenstein, J. u. a., 1980; Geschichte und Recht geistlicher Ritterorden besonders in der Schweiz, hg. v. Carlen, L., 1990; Ritterorden und Adelsgesellschaft im spätmittelalterlichen Deutschland, hg. v. Kruse, H. u. a., 1991; Ranft, A., Adelsgesell- schaften, 1994; Demurger, A., Die Ritter des Herrn, 2003 Ritterschaft ist die Gesamtheit von -> Rittern. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969; Teuner, R., Die fuldische Ritterschaft, 1982; Bardelle, B., Die altwestfälischen Ritterschaftskorporationen, Diss. jur. Münster 1987 Ritterspiegel ist das in einer Handschrift überlieferte, wohl zwischen 1410 und 1420 von Johannes -> Rothe verfasste Gedicht in mittelthüringischer Sprache über die Stellung und Aufgaben des Ritters. Lit.: Johannes Rothe, Der Ritterspiegel, hg. v. Neumann, H., 1936 Rivail -> Aymar du Rivail Rivallius -> Aymar du Rivail Robe ist die Amtstracht des Richters, Staatsanwaltes oder Rechtsanwaltes. Sie geht 668 auf den langen schwarzen Mantel zurück, den seit der frühen Neuzeit die Gelehrten als doktoralisches Ehrenkleid anlegen. Zuerst in Frankreich tragen dann auch die -> Richter als Justizbeamte einen solchen Talar als eine besondere Standeskleidung. 1790 wird das zwischenzeitlich prunkvoll gestaltete Gewand durch einen schwarzen Talar ersetzt. Mit dem französischen Recht dringt diese Bekleidung in deutsche Staaten vor. Durch die Reichsjustiz- reform von 1879 wird sie vereinheitlicht und wenig später auf alle Richter ausgedehnt (Österreich 1897, 1962). Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 225; Liermann, H., Richter, Schreiber, Advokaten, 1957; Hargreaves-Mawdsley, W., A history of legal dress in Europe, 1963; Hülle, W., Historisches über Gerichtsroben, Dt. Richterzeitung 58 (1980), 345; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Robot (F.) Frondienst Lit.: Grüll, G., Die Robot in Oberösterreich, 1952 Rodung ist die Urbarmachung von bewaldetem Land. Sie kann im Mittelalter zu Freiheit oder rechtlicher Besserstellung führen (z. B. in der - > Ostsiedlung). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Schulze, H., Rodungsfreiheit und Königsfreiheit, HZ 219 (1974), 529 Roes -> Alexander von Roesler, Hermann (1834-1894) wird nach dem Studium von Recht und Wirtschaft in Erlangen und München 1861 Professor für Staats- wissenschaft in Rostock. 1878 wird er juris- tischer Berater -> Japans. Er gestaltet das Handelsgesetzbuch (1890) und die Verfassung (1889) maßgeblich mit. 1893 kehrt er nach Europa zurück. Lit.: Siemes, J., Die Gründung des modernen japanischen Staates und das deutsche Staatsrecht, 1975 Roland ist der am 15. 8. 778 beim Rückzug Karls des Großen aus Spanien gefallene Markgraf der bretonischen Mark. Er ist die Hauptgestalt des wohl um 1080 von einem unbekannten Verfasser geschaffenen Rolands- liedes. Möglicherweise gehen auf ihn die Rolandssäulen zurück, die sich seit dem Hochmittelalter auf Marktplätzen vor allem Norddeutschlands (als Symbol der Kaiserrechte ? oder des Rechts allgemein ?) finden (z. B. in Bremen). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Heldmann, K., Die Rolandsbilder Deutschlands, 1904; Heldmann, K., Rolandsspielfiguren, 1905; Jostes, F., Roland in Schimpf und Ernst, 1906; Puntschart, P., Der Roland von Ragusa, ZRG GA 30 (1909), 299; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Hoede, K., Deutsche Rolande, 1934; Goerlitz, T., Der Ursprung und die Bedeutung der Rolandsbilder, 1934; Gathen, A., Rolande als Rechtssymbole, 1960; Mitiæ, I., Die Rolandsäule in Ragusa, ZRG GA 82 (1965), 306; Siebs, B., Jedute und Roland, ZRG GA 84 (1967), 293; Ott-Meimberg, M., Kreuzzugsepos oder Staatsroman?, 1980; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Rempel, H., Die Rolandsstatuen, 1989; Munzel-Everling, D., Rolande der Welt. CD-ROM. 2004 (www.Munzel- Everling.de) Rolandus von Bologna Lit.: Jacobi, K., Der Ehetraktat des Magisters Rolandus von Bologna, 2004 Rôles d'Oléron -> Oléron Rom ist die nach antiker Tradition 753 v. Chr. von Romulus gegründete Hauptstadt des 509 v. Chr. (?) vom Königreich zur Republik und 27 v. Chr. von der Republik zum Prinzipat gewordenen römischen Weltreiches (um 500 v. Chr. 10000?, 25000? oder 50000? Einwohner, um 0 1000000, um 300 n. Chr. 500000). In ihr hat der Papst seinen Sitz. 754/756 erhält er Rom durch den fränkischen König Pippin als Gabe. Während des Mittelalters krönt er dort den deutschen König zum Kaiser. Zwischen 1143 und 1155 richten die Bürger wieder einen Senat ein.1870 fällt R. an Italien, 1871 wird es dessen Hauptstadt. Lit.: Köbler, DRG 16, 28, 51; Leopold, H., De spegel van het verleden, 1918; Schramm, P., Kaiser, Rom und renovatio, 2. A. 1957; Schneider, F., Rom und Romgedanke im Mittelalter, 2. A. 1959; Dahlheim, W., Stadt und Imperium, 1992; Storia di Roma, hg. v. Schiavone, A., 1993; Roma, hg. v. Hubert, E., 1993; Lunliffe, B., Rom und sein Weltreich, 4. A. 1994; Bellen, H., Grundzüge der römischen Geschichte, 1994; Bengtson, H., Römische Geschichte, 7. A. 1995; Kolb, F., Rom, 2. A. 2002; Christ, K., Geschichte der römischen Kaiserzeit, 4. A. 2002; Fuhrmann, F., Rom in der Spätantike, 2. A. 1995; Krautheimer, R., Rom, 2. A. 1996; Die römischen Kaiser, hg. v. Clauss, M., 1997; Schulz, R., Herrschaft und Regierung, 1997; Die späte römische Republik, hg. v. Bruhns, H. u. a., 1997; Flach, D., Römische Geschichtsschreibung, 3. A. 1998; Bellen, 669 H., Grundzüge der römischen Geschichte, 1998; Heuß, A., Römische Geschichte, 9. A. 2003; Ausbüttel, F., Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches, 1998; Bleicken, J., Geschichte der römischen Republik, 5. A. 1999; Strothmann, J., Kaiser und Senat, 1998; Witschel, C., Krise, Rezession, Stagnation, 1999; Dahlheim, W., An der Wiege Europas, 2000; Gatto, L., Storia di Roma nel Medioevo, 2. A. 2000; Ball, W., Rome in the East, 2000; Roma nell'alto medioevo, 2001; König, I., Kleine römische Geschichte, 2001; Carandini, A., Die Geburt Roms, 2001; Die frühen römischen Historiker, hg. v. Beck, H. u. a., Bd. 1f. 2001ff.; Fellmeth, U., Brot und Politik, 2001; Kuhoff, W., Diokletian und die Epoche der Tetrarchie, 2001; Bringmann, K., Geschichte der römischen Republik, 2002; Kolb, F., Rom, 2. A. 2002; Schuller, W., Das römische Weltreich, 2002; Roma fra Oriente e Occidente, 2002; Syme, R., Die römische Revolution, 2003; Bringmann, K., Römische Geschichte, 8. A. 2004; Fugmann, J., Königszeit und frühe Republik in der Schrift De viris illustribus urbis Romae, Bd. II, 2 2003; Index numerorum. Ein Findbuch zum Corpus inscritionum latinarum, hg. v. Fassbender, A., 2003; Weeber, K., Nachtleben im alten Rom, 2004; Hölkeskamp, K., Rekonstruktion einer Republik, 2004; The Cambridge Companion to the Roman Republic, hg. v. Flower, H., 2004; Matyszak, P., Geschichte der römischen Republik, 2004; Hölkeskamp, K., Senatus populusque Romanus, 2004; Luik, M., Der schwierige Weg zur Weltmacht, 2005 Roma ist eine Eigenbezeichnung für die früher meist als -> Zigeuner benannten Angehörigen einer Volksgruppe. Lit.: Reemtsma, K., Sinti und Roma, 1996; Sinti und Roma in der deutschsprachigen Gesellschaft und Literatur, hg. v. Tebbutt, S., 2001; Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der Roma und Sinti, 2002; Rieger, B., Roma und Sinti in Österreich nach 1945, 2003 Roma locuta causa finita (lat.). Hat Rom gesprochen, ist die Angelegenheit beendet. Lit.: Adam, K., Causa finita est, FS A. Ehrhard, 1922, 1; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Augustus, 354-430, Sermones 131, 10) Romanist ist seit dem 19. Jh. der Vertreter des römischen Rechts oder der vom Lateinischen abgeleiteten Sprachenfamilie im Gegensatz zum -> Germanisten. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schlösser, R., Die romanischen Sprachen, 2001 Romantik ist die geistige, sich von der Vernunft als allein bestimmendem Umstand abkehrende, das Gefühl, den Traum und das Irrationale betonende Bewegung in Europa zwischen 1790 und 1830. Sie beeinflusst die -> historische Rechtsschule (Savigny, Grimm). Sowohl Märchen wie Liedgut und Recht werden auf das eigene Volk bezogen (-> Volksgeist). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 178; Busse, G., Die Romantik, 1982 Römer ist der Bewohner -> Roms bzw. der Angehörige der das römische Weltreich tragenden Bevölkerung. Lit.: Köbler, DRG 16; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Christ, K., Die Römer, 3. A. 1994; Fischer, T., Die Römer in Deutschland, 1999; Wolters, R., Die Römer in Germanien, 2000; Die Ursprünge des römischen Volkes ­ Origo gentis Romanae, hg. v. Sehlmeyer, M., 2004 Römermonat ist die Bezeichnung für die 1541 auf 128000 Gulden berechneten Kosten der monatlichen Unterhaltung und Besoldung des Heeres im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation), die mit Hilfe der -> Reichsmatrikel auf die einzelnen Reichsstände verteilt werden. Lit.: Weigl, H., Die Kriegsverfassung des alten Deutschen Reiches, 1912, 15 Römerstadt ist die im römischen Reich zur -> Stadt entwickelte Siedlung. Sie bildet auch nach Ende des weströmischen Reiches im Frühmittelalter vielfach den Ausgangspunkt für eine Stadt (z. B. Nyon, Augst, Trier, Köln, Neuss, Bonn, Xanten, Mainz, Straßburg, Augsburg, Kempten, Regensburg, Passau, Wien). Die Zusammenhänge sind im Einzelnen aber sehr unterschiedlich. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980 Römerstraße ist die von den Römern im Altertum angelegte, meist sehr gerade und gepflasterte Straße. Lit.: Pekáry, T., Untersuchungen zu den römischen Reichsstraßen, 1968; Bender, H., Römische Straßen, 1975 Römischer König ist ein zeitweise vom deutschen König im Heiligen Römischen Reich verwendeter Titel. Lit.: Beumann, H., Der deutsche König als ,,Romanorum rex", 1981 Römisches Recht ist die Gesamtheit der von Römern geschaffenen Rechtssätze. Die 670 wichtigsten römischen Rechtsquellen sind die - > Zwölftafelgesetze (451/450 v. Chr., daneben z. B. 231 Gesetze zwischen 367 und 134 v. Chr.), die Werke der römischen -> Rechtswissenschaft (3. Jh. v.-3. Jh. n. Chr.) und die Gesetzgebung (Codex, Institutionen, Digesten bzw. Pandekten, Novellen) des oströmischen Kaisers -> Justinian (527-565). Sachlich ist das Privatrecht von besonderer Bedeutung. Das römische, im spätantiken römischen Reich nur in Rechtsschulen in Rom, Karthago, Konstantinopel, Beirut, Athen (bis 529), Alexandria und Caeserea (bis 533) gelehrte Recht wird auch nach dem Untergang Westroms (476 n. Chr.) in gewisser Weise fortgeführt sowie seit dem ausgehenden 11. Jh. wiederbelebt und in vielen Gebieten Europas in umfangreichen Teilen aufgenommen (rezipiert). Es gilt subsidiär als -> gemeines Recht (lat. ius [N.] commune) bis zu den Kodifikationen der mittleren Neuzeit und hat auch im Zuge der europäischen Einigung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s noch gewisse Ausstrahlungskraft. Lit.: Kaser §§ 1ff.; Waldstein/Rainer §§ 1ff.; Söllner §§ 1ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 1, 16, 101, 137, 159; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 1ff., 2. A. 1834ff.; Savigny, F., System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff.; Dante dal Re, I precursori italiani di una nuova scuola di diritto romano nel secolo XV, 1878; Conrat, M., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts im früheren Mittelalter, Bd. 1 1891; Halban, A. v., Das römische Recht in den germanischen Volksstaaten, Teil 1ff. 1899ff.; Vinogradoff, P., Roman Law in Medieval Europe, 1909; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur, 1938; Heumann, G./Seckel, E., Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, 10. A. 1958; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Schubart- Fikentscher, G., Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA 65 (1947), 86; Feine, H., Vom Fortleben des römischen Rechts in der Kirche, ZRG KA 73 (1956), 1; Kaser, M., Römisches Privatrecht, 1960, Kaser, M./Knütel, R., Römisches Privatrecht, 18. A. 2005; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, in: Ius Romanum medii aevi V 6, 1964; Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 4. A. 1966; Kaser, M., Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, 337; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Sturm, F., Das römische Recht in der Sicht von G. W. Leibniz, 1968; König, H., Pothier und das römische Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978; Bender, P., Die Rezeption des römischen Rechts, 1979; Stelzer, W., Gelehrtes Recht in Österreich, 1982; Lamberg, P., Die Popularisierung des römischen Rechts durch Oswald von Wolkenstein, ZRG GA 100 (1983), 213; Römisches Recht in der europäischen Tradition, 1985; Das römische Recht im Mittelalter, hg. v. Schrage, E., 1986; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in der Neuzeit, 1989; Zulueta, F., de/Stein, P., The Teaching of Roman Law, 1990; Kunkel, W., Römische Rechtsgeschichte, 12. A. 1990; Bretone, M., Geschichte des römischen Rechts, 2. A. 1998; Liebs, D., Römisches Recht, 6. A. 2004; Hausmaninger, Casebook zum römischen Vertragsrecht, 5. A. 1993; Hausmaninger, Casebook zum römischen Sachenrecht, 8. A. 1995; Flach, D., Die Gesetze der frühen römischen Republik, 1994; Stein, P., Römisches Recht und Europa, 1996; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Hausmaninger, H./Selb, W., Römisches Privatrecht, 8. A. 1997; Stemmler, M., Eques Romanus, 1997; Honsell, H., Römisches Recht, 5. A. 2001; Mayer-Maly, T., Römisches Recht, 2. A. 1999; Bürge, A., Römisches Privatrecht, 1999; Ermann, J., Strafprozess, öffentliches Interesse und private Strafverfolgung, Diss. jur. Saarbrücken 1998; Stein, P., Roman Law in European History, 1999; Manthe, U., Geschichte des römischen Rechts, 2. A. 2003; Kunkel, W./Schermaier, M., Römische Rechtsgeschichte, 13. A. 2001; Fögen, M., Römische Rechtsgeschichten, 2002; Elster, M., Die Gesetze der mittleren römischen Republik, 2003; Lokin, J. u. a., Roman-Frisian Law of the 17th and 18th Century, 2003; Spruit, J., Cunabula iuris, 2003; Börsch, M., Damit Übeltaten nicht ungestraft bleiben, 2003; Jacob, P., Reformbestrebungen Aurelians in Politik und Rechtsentwicklung, 2004; Behrends, O., Institut und Prinzip, 2004 (Gesammelte Aufsätze); Stein, P., Le droit Romain et l'Europe, 2. A. hg. v. Dunand, J. u. a.2004 Römisches Recht in Deutschland ist das seit dem Mittelalter in Deutschland in einem Rationalisierungsvorgang (Rezeption) aufge- nommene -> römische Recht. Es wird damit ein Teil des -> deutschen Rechtes. Lit.: Köbler, DRG 1ff.; Schaeffner, W., Das römische Recht in Deutschland, 1859; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Coing, H., 671 Römisches Recht in Deutschland, in: Ius Romanum medii aevi V, 6, 1964; Wieacker, F., Privat- rechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Die Rolle des Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern, 1989; Stein, P., Römisches Recht und Europa, 1996 römisches Vulgarrecht -> Vulgarrecht Römische Verträge sind die am 25. 3./27. 7. 1957 in Rom zwischen Deutschland, Frank- reich, Italien, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden abgeschlossenen Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Lit.: Köbler, DRG 246; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996 Römisch-kanonisches Verfahren ist das in Oberitalien im Hochmittelalter und Spätmittelalter auf der Grundlage des römi- schen Verfahrensrechtes entwickelte, in Deutschland seit dem Spätmittelalter aufgenommene gelehrte Verfahren (-> Prozess). Lit.: Köbler, DRG 117; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981 Romulus Augustulus (* um 459) ist der am 4. 9. 476 von -> Odowakar abgesetzte letzte weströmische Kaiser. Lit.: Söllner § 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 50, 67; Wes, M., Das Ende des Kaisertums, 1967; Henning, D., Periclitans res publica, 1999 Roncaglia bei Piacenza ist seit dem 11. Jh. mehrfach der Ort von deutschen Hoftagen, auf denen auch Recht geschaffen wird (z. B. 1136, 1154, 1158). Zu den sog. ronkalischen Gesetzen zählen das Privileg der Scholaren auf Freiheit und Sicherheit (,,Habita", 1154 ?) und die von Juristen verfasste Darlegung der Regalien (,,Regalia sunt", 1158). Sie werden teilweise in die -> (lat.) Libri (M.Pl.) feudorum aufgenommen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94, 101, 106; Erler, A., Die ronkalischen Gesetze des Jahres 1158, ZRG GA 61 (1941), 127; Colorni, V., Le tre leggi perdute di Roncaglia (1158) ritrovate in un manoscritto parigino (Bibl. Nat. Cod. Lat. 4677), Scritti in memoria di Antonio Giuffr 1966,( deutsch übersetzt v. )Dolezalek, G., Die drei verschollenen Gesetze von Roncaglia, 1969; Stelzer, W., Zum Scholarenprivileg Friedrich Barbarossas, DA 34 (1978), 123; Engels, O., Die Staufer, 6. A. 1994 Rosenheim Lit.: Diepolder, G. u. a., Rosenheim, 1978 Ross, Alf (1899-1979) wird nach Rechtsstudien in Dänemark, Österreich, Frankreich und England 1938 Professor in Kopenhagen. Seine Arbeiten sind von Hans -> Kelsen beeinflusst. Seine Rechtsmetaphysik ablehnende Rechtsquellenlehre stellt vor allem auf die Rechtswirklichkeit ab. Lit.: Tamm, D., Dansk retsvidenskabs historie, 1992, 243 Rostock an der Warnow wird nach einer wendischen Siedlung um 1200 Sitz deutscher Kaufleute, der 1218 lübisches Recht erhält. 1419 wird in R. die erste Universität Norddeutschlands errichtet. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, P., Die Rostocker Stadtverfassung. Diss. phil. Rostock 1929; Freynhagen, W., Die Wehrmachtver- hältnisse der Stadt Rostock im Mittelalter, 1930; Römer, H., Das Rostocker Patriziat, Diss. phil. Rostock 1932; Leps, C., Das Zunftwesen der Stadt Rostock, Hansische Geschichtsblätter 58 (1933), 122, 59 (1934), 177; Ebel, W., Die Rostocker Urfehden, 1938; Roloff, H., Beiträge zur Geschichte der Universitätsbibliothek Rostock im 19. Jahrhundert, 1955; Haalck, J., Die Rostocker Juristenfakultät, in: Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/1959); Das älteste Rostocker Stadtbuch, hg. v. Thierfelder, H., 1967; Geschichte der Universität Rostock, hg. v. Heidorn, G. u. a., Bd. 1f. 1969; Schnitzler, E., Die Gründung der Universität Rostock, 1974; Schultz, H., Soziale und politische Auseinandersetzungen in Rostock im 18. Jahrhundert, 1974; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; 777 Jahre Rostock, hg. v. Pelc, O., 1995; Becker, S., Die Spruchtätigkeit der juristischen Fakultät Rostock, 2003; Roloff, G., Die Spruchaktentätigkeit der juristischen Fakultät der Universität Rostock und Bützow, 2003 Rota (F.) ist der Name der in einem Saal mit radförmigem Fußbodenmosaik in Avignon im 14. Jh. beratschlagenden Richter (lat. [M.Pl.] auditores), dessen Name auch nach der Rückkehr des Papstes nach Rom bestehen bleibt. Für das Verfahren bei (einem Richter) der R. entwickeln sich eigene Rechtssätze, die 672 für viele andere Gerichte vorbildlich werden. Im Jahre 1908 richtet Papst Pius X. die Sacra Romana R. als Instanzgericht vor allem für Eheprozesse ein. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Dolezalek, G., Die handschriftliche Verbreitung von Rechtsprechungssammlungen der Rota, ZRG KA 89 (1972), 1; Puza, R., Res iudicata, 1973; Nörr, K., Ein Kapitel aus der Geschichte der Rechtsprechung, Ius commune 5 (1975), 192 Rotes Kreuz ist die von dem Schweizer Henri Dunant als Folge seiner Eindrücke von der Schlacht bei Solferino (24. 6. 1859) aufgebaute internationale humanitäre Hilfsorganisation mit nationalen Gesellschaften vom Roten Kreuz und internationalen Dach- und Hauptorga- nisationen (Liga der Rot-Kreuz-Gesellschaften, Internationales Komitee vom Roten Kreuz). Lit.: Dunant, H., Un souvenir de Solférino, 1862; Zorn, P., Die beiden Haager Friedenskonferenzen, 1915; Das Genfer Rotkreuzabkommen vom 12. Aug. 1949, 5. A. 1965; Heudtlass, W./Gruber, W., J. Henri Dunant, 4. A. 1985; Riesenberger, D., Für Humanität und Frieden, 1992 Roth, Paul (Nürnberg 11. 7. 1820-München 28. 3. 1892) wird nach dem Rechtsstudium in München 1850 außerordentlicher Professor in Marburg, 1853 ordentlicher Professor in Rostock, 1858 in Kiel und 1863 in München. Seine rechtsgeschichtlichen Arbeiten sind von Georg -> Waitz stark beeinflusst. 1858 veröffentlicht er zusammen mit Victor von Meibom den ersten Band eines noch partikularistisch motivierten kurhessischen Privatrechts, 1871ff. trotz allmählichen Standortwechsels in der Kodifikationsfrage drei Bände Bayerisches Civilrecht und 1880ff. ein System des Deutschen Privatrechts. Roths Bedeutung für die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) ist nicht sicher festzustellen. Lit.: Gagnér, S., Zielsetzungen und Werkgestaltungen in Paul Roths Wissenschaft, FS H. Krause, hg. v. Krause, H. u. a., 1975, 276 Rothe, Johannes (Creutzberg/Thüringen vor 1360-Eisenach 1434), aus begüterter Familie, wird Geistlicher, Ratsschreiber und Notar in -> Eisenach. Er verfasst zwischen 1380 und 1394 das in einer Handschrift überlieferte Eisenacher Rechtsbuch und verschiedene poetische Werke (u. a. -> Ritterspiegel). Lit.: Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Rondi, P., 1950; Wolf, H., Johannes Rothes Ratsgedichte, 1971; Fortuna vitrea 6, hg. v. Haug, W. u. a., 1991, 69 Rothenburg Lit.: Woltering, H., Die Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber, 1966, 1972 Rott Lit.: Haff, K., Zur Rechtsgeschichte der mittelalterlichen Transportgenossenschaften, ZRG GA 31 (1910), 253; Haff, K., Rott- und Zollordnung des Fürstbischofs Peter von Augsburg vom Jahre 1428, ZRG GA 31 (1910), 424 Rotteck, Karl Wenzeslaus Rodecker von (Freiburg im Breisgau 18. 7. 1775-26. 11. 1840), Medizinprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg 1798 Professor für Weltgeschichte, 1818 für Vernunftrecht und Staatswissenschaft. Neben wenig erfolgreichen Lehrbüchern für Staatsrecht und Vernunftrecht verfasst er nach politisch begründetem Verlust seiner Professur (1832-1840) zusammen mit Welcker ab 1834 das aufgeklärt-liberale Staatslexikon (mit Stichwörtern wie ,,Constitution", ,,Freiheit", ,,Naturrecht"). Lit.: Köbler, DRG 179; Zehntner, H., Das Staatslexikon von Rotteck und Welcker, 1929; Ehmke, H., Karl von Rotteck, 1964 Rotterdam an der neuen Maas wird nach 1240 auf einem Schutzdamm der Rotte errichtet. 1299/1340 erhält es Stadtrecht. Seine Universität wird 1912/73 eingerichtet. Rottweil am oberen Neckar, in dessen Gebiet eine Römerstadt liegt, wird 771 als Königshof genannt und entwickelt sich im 14. Jh. zur Reichsstadt mit ansehnlichem Gebiet. Seit dem 13. Jh. ist ein bis 1784 bestehendes kaiserliches Hofgericht in R. bezeugt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das ältere Recht der Stadt Rottweil, hg. v. Greiner, 1900; Mack, E., Das Rottweiler Steuerbuch von 1441, 1917; Glitsch, H./Müller, K., Die alte Ordnung des Hofgerichts zu Rottweil (um 1435), ZEG GA 41 (1920), 281; Steinhäuser, A., Das Rottweiler Hofgericht im Bilde, 1940; Leist, J., Reichsstadt Rottweil, 1962; Laufs, A., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Rottweil 1650-1806, 1963; Elben, R., Das Patriziat der Reichsstadt Rottweil, 1964; Maurer, H., Rottweil und die Herzöge von Schwaben, ZRG GA 85 (1968), 58; Grube, G., Die Verfassung des Rottweiler Hofgerichts, 1969; Spreter von Kreudenstein, T., Johann Spreter von Kreudenstein, 1989; Weber, E., Städtische Herrschaft und bäuerliche Untertanen, 1992; Mentgen, G., Das 673 kaiserliche Hofgericht Rottweil, ZRG GA 112 (1995), 396 rotulus (lat. [M.]) Rädchen, Rolle -> Andernach Rotwelsch (N.) ,,unverständlicher" Wortschatz der Bettler, Gauner und Diebe seit dem 14. Jh. (z. B. Moos statt Geld) Lit.: Kluge, F., Rotwelsch, 1901; Wolf, S., Wörterbuch des Rotwelschen, 1956; Wexler, P., Three Heirs to a Judeo-Latin Legacy, 1988; Schüßler, M., Die Entwicklung der Gauner- und Verbrechersprache Rotwelsch in Deutschland von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, ZRG GA 118 (2001), 387; Weiland, T., Das Hundeshagener Kochum, 2003 Rousseau, Jean-Jacques (Genf 28. 6. 1712- Ermenonville/Oise 2. 7. 1778), Uhrmachers- sohn, wird nach schwieriger Jugend Lakai und Schriftsteller. In seinem Du contrat social (1762) entwickelt er die aufklärende Lehre vom -> Gesellschaftsvertrag, nach der alles menschliche Gemeinleben auf einem Vertrag aller beteiligten Einzelnen beruht. Die Staatsgewalt steht deshalb dem Volk zu, das den mit seiner Führung Beauftragten (z. B. König) bei Erfolglosigkeit seines Amtes entheben kann (-> französische Revolution). Lit.: Köbler, DRG 136, 148, 191; Vossler, O., Rousseaus Freiheitslehre, 1963; Spaemann, R., Rousseau, 1980; Stackelberg, J. v., Jean-Jacques Rousseau, 1999; Sturma, D., Jean-Jacques Rousseau, 2001 ; Kersting, W., Jean- Jacques Rousseaus ,,Gesellschaftsvertrag", 2002; Hentig, H., v., Rousseau, 2004 Rubrum (N.) (Rotes) ist der früher mit roter Tinte geschriebene Kopf eines Urteils, wie er sich im gelehrten Prozessrecht entwickelt. Rückfall ist das erneute Begehen einer vorsätzlichen Straftat nach zwischenzeitlicher Verurteilung. Der R. wird nach älteren, einfacheren Ansätzen im französischen -> Code pénal von 1810 als allgemeiner Straf- schärfungsgrund behandelt. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden die Voraussetzungen für die Bejahung eines Rückfalles in Deutschland eingeengt. 1986 wird die Rück- fallvorschrift ganz aufgehoben. Im deutschen Privatrecht ist der R. das Zurückfallen von Gütern bei fehlenden Abkömmlingen an die sie ursprünglich erbringende Seite. Lit.: Hübner; Friedländer, G., Der Rückfall, 1872; Effertz, J., Die strafrechtliche Behandlung des Rückfalls, 1927; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 39; Frosch, H., Die allgemeine Rückfallvorschrift, 1976; Durand, B., Arbitraire du juge et consuetudo delinquendi, 1993 Rückgriff -> Regreß Lit.: Kaser §§ 52 II 2, 56 II 4, 57 II 4a Rückkauf ist der Kauf des verkauften Gutes durch den Verkäufer. Er findet sich auch im Umkreis des Näherrechtes. Lit.: Kaser §§ 10 I 2a, 41 VII; Kroeschell, DRG 1 Rücktritt ist die vom Handelnden ausgehende nachträgliche Zurücknahme einer Handlung durch ein entgegengesetztes Verhalten. Der R. von einem -> Rechtsgeschäft ist im Privatrecht auf vielleicht kirchenrechtlicher Grundlage auf Grund einer Vereinbarung oder auf Grund einer Rechtsvorschrift (z. B. Wandlungsrecht im Kaufrecht) möglich. Im Strafrecht kann der Täter vom -> Versuch zurücktreten. Lit.: Hübner; Köbler, DRG 270; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges, 1913; Scherner, K., Rücktritt wegen Nichterfüllung, 1965; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 443, 450; Müller, M., Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom Versuch, 1995; Hellwege, P., Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, 2004 Rückversicherung Lit.: Mossner, B., Die Entwicklung der Rückversicherung bis zur Gründung selbständiger Rückversicherungsgesellschaften, 1959 Rückwirkung ist die Auswirkung eines Ereignisses auf die vorangehende Zeit. Sie ist im Recht teilweise möglich. Im Strafrecht ist sie (schon durch Konstitutionen aus der Zeit der Kaiser Theodosius I., II. und Valentinian III. und aus allgemeinen Überlegungen der Aufklärung) zu Lasten eines Handelnden aus rechtsstaatlichen Gründen ausgeschlossen. Lit.: Kaser § 10 I 1f.; Köbler, DRG 236, 267; Schöckel, G., Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots, 1968; Schiemann, G., Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, 1973; Werber, W., Analogie- und Rückwirkungsverbot, Diss. jur. Bonn 1998; Stüsser, J., Rückwirkende Rechtsprechungsänderungen, Diss. jur. Bonn 1998 Rudolf IV. (1. 11. 1339­Mailand 27. 7. 1365), (der) Stifter (der Domkirche zu Sankt Stephan in Wien) und Gründer der Universität Wien, habsburgischer Herzog von Österreich, lässt 1358/1359 zum Ausgleich der Privilegierung der Kurfürsten in der Goldenen Bulle (1356) von einem unbekannten Fälscher das (lat.) sog. 674 -> privilegium (N.) maius herstellen, verstirbt aber zu früh, um seine großen Pläne verwirklichen zu können. Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 95; Winter, E., Rudolf IV. von Österreich, 1934; Baum, W., Rudolf IV. der Stifter, 1996 Rudolf von Habsburg (Limburg im Breisgau 1. 5. 1218-Speyer 15. 7. 1291) ist der erste habsburgische deutsche König (22. 7. 1273). Er versucht den im -> Interregnum eingetretenen Verlust des -> Reichsgutes rückgängig zu machen und Friedensgebote durchzusetzen. 1282 belehnt er seine Söhne mit -> Österreich. Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 95; Redlich, O., Rudolf von Habsburg, 1903; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von Habsburg ( 1291) König werden?, ZRG GA 109 (1992), 48; Rudolf von Habsburg, hg. v. Boshof, E. u. a., 1993; Kunze, U., Rudolf von Habsburg, 2001; Krieger, K., Rudolf von Habsburg, 2003 Ruf Lit.: Fama, hg. v. Fenster, T. u. a., 2003 Rufinus (- vor 1192) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Kirchenrechtslehrer, dann Bischof von Assisi und zwischen 1180 und 1186 Erzbischof von Sorrent. Um 1164 verfasst er die (lat.) Summa (F.) decretorum (Summe der Dekrete). Sie bildet die Grundlage der späteren Dekretistik. Lit.: Singer, H., Rufinus` von Bologna ,,Summa decretorum", 1902; Weigand, R., Frühe Kanonisten, ZRG KA 76 (1990), 138; Rufinus von Sorrent, De bono pacis, hg. v. Deutinger, R., 1997 Rüge ist die Behauptung einer Rechts- verletzung. Vermutlich gibt es bereits im Frühmittelalter die Pflicht, bestimmte Geschehnisse (öffentlich) in bestimmter Form vorzubringen. In späterer Zeit finden sich verschiedene davon vielleicht beeinflusste Einrichtungen (z. B. -> Sendgericht, -> Feme). Ungewiss ist der Zusammenhang der R. mit dem sie seit dem Hochmittelalter allmählich verdrängenden -> Inquisitionsprozess. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Haff, K., Beweisjury und Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130; Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses, ZRG GA 68 (1951), 234; Landwehr, G., Rügegericht und Gogericht, ZRG GA 83 (1966), 127; Spieß, P., Rüge und Einung, 1988; Niedrig, H., Die Mängelrüge, 1994 Rügen Lit.: Scheil, U., Zur Genealogie der einheimischen Fürsten von Rügen, 1962 Rügisches Landrecht ist das auf der Osteeinsel Rügen geltende, von dem studierten Gerichtsschreiber Matthäus Neumann (um 1490-Stralsund 25. 4. 1556) in mittelnieder- deutscher Sprache aufgezeichnete Gewohn- heitsrecht. Es ist in mehreren Fassungen in rund 20 Handschriften überliefert. Ausführlich behandelt es das Recht der freien Bauern und des Adels. Es enthält nur wenige römisch- rechtliche Merkmale. Lit.: Frommhold, G., Zur Überlieferung des rügischen Landrechts, ZRG GA 16 (1895), 1; Das rügische Landrecht, hg. v. Frommhold, G., 1896; Steudtner, K., Matthäus Neumann und sein Werk, Greifswald- Stralsunder Jb. 11 (1977), 42; Herrmann, Slawen, 2. A. 1985 Ruhrgebiet ist das an der Ruhr gelegene, nach 1918 von Frankreich begehrte deutsche Industriegebiet, zu dessen Kontrolle 1951 die - > Montanunion geschaffen wird. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 246 Rumänien oberhalb der unteren Donau ist zunächst von Dakern besiedelt, deren Gebiet im Altertum romanisiert wird. Nach dem Durchzug von Germanen, Hunnen, Slawen und Awaren erscheint im 13. Jh. das Volk der Rumänen. Die Fürstentümer -> Moldau und Walachei sind den -> Osmanen (Türken) bis in das 18. Jh. tributpflichtig. Am 24. 1. 1862 ruft der moldawische Oberst Cuza die Vereinigung der Fürstentümer Moldau und Walachei als R. aus. Nach seiner Abdankung 1866 tritt Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringen die Nachfolge an. Russland annektiert den östlichen Teil Moldaus zwischen Pruth und Dnjestr (Bessarabien). 1919/1920 erhält R. die Bukowina, die Dobrudscha, Siebenbürgen und Banat bzw. Bessarabien. 1940 verliert es Bessarabien und Teile der Bukowina an die Sowjetunion. Am 30. 12. 1947 dankt der König ab. 1948 wird R. Volksrepublik. Der Diktator Ceaucescu wird 1991 im Zuge der Lösung aus der Bevormundung durch die -> Sowjetunion getötet. Moldau löst sich 1990/1991 von der Sowjetunion ab. Lit.: Müller, G., Die ursprüngliche Rechtslage der Rumänen im Siebenbürger Sachsenlande, 1912; Huber, M., Grundzüge der Geschichte Rumäniens, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 675 Bd. 1ff. 1973ff., 3, 5, 91; Georgescu, V. u. a. Judecata domneascâ yn Tara Românesascâ, 1982; Verseck, K., Rumänien, 1988; Hitchins, K., Rumania, 1994; Völkl, E., Rumänien, 1995; Die Rumänen und Europa, hg. v. Heppner, H., 1997; Oschlies, W., Ceausescus Schatten schwindet, 1998; Mileck, J., Zum Exodus der Rumäniendeutschen, 1999; Mitu, S., Die ethnische Identität der Siebenbürger Rumänen, 2003; Böhm, J., Die Gleichschaltung der deutschen Volksgruppe, 2003 Rumelien ist das europäische Gebiet der Herrschaft der -> Osmanen (Türken) seit 1352/1354, das um 1850 Thrakien und -> Makedonien umfasst. Lit.: Inalcik, H., The Ottoman Empire, 1973, 104 Runde, Justus Friedrich (Wernigerode 27. 5. 1741-Göttingen 28. 2. 1807) wird nach dem Studium der Theologie in Halle und des Rechts in Göttingen 1771 Professor in Kassel, 1785 in Göttingen. 1791 verfasst er Grundsätze des allgemeinen deutschen Privatrechts in deutscher Sprache. Als Rechtsquelle verwendet er im Zweifel allgemeine, aus der Natur der Sache selbst entnommene Rechtsgrundsätze. Lit.: Köbler, DRG 205; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970, 93; Kroeschell, K., Zielsetzung und Arbeitsweise der Wissenschaft vom gemeinen deutschen Privatrecht, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 249 Rundfunk ist die drahtlose Übertragung von Nachrichten durch ursprünglich aus elektri- schen Funken entwickelte elektromagnetische Wellen. Diese werden 1856 von J. C. Maxwell erkannt und seit 1895 von G. Marconi in Großbritannien zur Nachrichtenübermittlung genutzt. Am 22. 12. 1920 überträgt die Haupt- funkstelle Königswusterhausen ein Konzert. Lit.: Dussel, K., Deutsche Rundfunkgeschichte, 1999, 2. A. 2004 Rune ist das von Germanen wohl im 1. Jh. n. Chr. nach norditalienischem Vorbild entwickelte, im Hochmittelalter den latei- nischen Buchstaben unterliegende Schriftzeichen (anfangs 24 Zeichen, seit dem Frühmittelalter 16 Zeichen)(rund 2300 Inschriften des 10. und 11. Jh.s bekannt). Lit.: Köbler, DRG 66; Düwel, K., Runenkunde, 2. A. 1983; Runische Schriftkultur, hg. v. Düwel, K., 1994; Sawyer, B., The Viking-age Rune-stones, 2000; Gronvik, O., Über die Bildung des älteren und des jüngeren Runenalphabets, 2001 Ruoda Lit.: Goldmann, E., Ruoda, 1923 Ruprecht von Freising (um 1270-nach 1328) ist der als Fürsprecher in und um Freising erkennbare, ungelehrte, den -> Schwabenspiegel verwendende Verfasser des - > Freisinger Rechtsbuchs von 1328. Lit.: Köbler, DRG 103; Knapp, H., Das Rechtsbuch Ruprechts von Freising (1328), 1916; Freisinger Rechtsbuch, hg. v. Claußen, H., 1941, XV Rus -> Russland Russland geht auf die alte, ihrer Herkunft nach umstrittene Bezeichnung Rus für (germa- nistische) Stämme zurück, die vermutlich unter dem skandinavisch-warägischen Heerführer Rurik in slawischem Gebiet im 9. Jh. ein Reich um Kiew gründen. Dieses zunehmend sla- wisierte, unter Wladimir dem Heiligen (977- 1015) christianisierte Reich zerfällt um 1125. 1236 dringen von Osten Mongolen vor, die unter Führung des sich im späten 15. Jh. Zar nennenden Fürsten von -> Moskau bis 1480 wieder zurückgedrängt werden. Das einheimische, von oströmisch-byzantinischem Recht beeinflusste Gewohnheitsrecht (Straf- recht, Erbrecht, Handelsrecht, Verfahrensrecht) wird als Russkaja Prawda (russische Wahrheit) bereits in der ersten Hälfte des 11. Jh.s aufgezeichnet (erhalten in Abschriften seit dem späten 13. Jh.). Dazu kommt das kirchlich- byzantinische Recht (slaw. -> Kormcaja). In der frühen Neuzeit wird R. ein autokratischer, nach Osten (Sibirien 1582) und Süden (Ukraine 1654) ausgreifender Einheitsstaat (1547 Zar), der sich im 18. Jh. dem Westen und der Aufklärung nähert (Katharina die Große). Sankt Petersburg wird Hauptstadt. Deutsche Siedler (Russlanddeutsche) werden geholt. Das weltliche Recht wird 1645 auf der Grundlage der Russkaja Prawda und späterer Rechtsbücher im Codex Aleksy Michailovic in 25 Kapiteln und 963 Artikeln zusammengefasst (Privatrecht, Zivilprozessrecht, Strafrecht, Handelsrecht, Verwaltungsrecht, Kirchenrecht). Kodifikationsversuche scheitern. 1755 erhält Moskau eine Universität. Im 19. Jh. ist R. europäische Großmacht, die als Führerin des Panslawismus handelt. Bemühungen, das Recht nach dem Vorbild des -> Code civil Frankreichs zu kodifizieren, scheitern nach 676 dem erfolglosen Angriff Napoleons auf R. 1813. Eine neue, anfangs chronologisch, später aber unter Aussonderung überholter Sätze lose systematisch geordnete, rechtswissenschaftlich rückständige, im Wesentlichen nur das bestehende ständische Recht zusammen- fassende Sammlung der Gesetze (Svod Zakonov Rossijskoj Imperii) in 8 Teilen, 15 Bänden und 60000 Artikeln entsteht 1833. Sie dient hauptsächlich dem Behördengebrauch. Sie wird durch die Rechtsprechung ergänzt und überholt. 1845 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. Die Leibeigenschaft wird 1861 beseitigt. Die Gewaltentrennung wird 1864 eingeführt. Gleichzeitig erfolgt eine westlich orientierte Justizreform. Das neue Recht wird aber tatsächlich fast nur in den Städten angewendet. Zu dieser Zeit beginnt auch eine vorsichtige Beschäftigung mit dem römischen Recht an den Universitäten. Entwürfe einer seit 1882 an einem Zivilgesetzbuch arbeitenden Kommission werden (1899, 1903) nicht in Kraft gesetzt. Im März 1917 wird in einer Revolution der Zar gestürzt (Abdankung am 2. 3. 1917) und eine bürgerliche Regierung eingesetzt. Im Oktober 1917 gewinnen die Sozialisten (Bolschewisten) unter Uljanow (Lenin 1870-1924) die Oberhand. Russland wird in die Räterepublik der -> Sowjetunion verwandelt. 1918 werden revolutionäre Gesetzbücher für Eherecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht und Arbeitsrecht geschaffen, 1922 für R. ein Zivilgesetzbuch erlassen. Bis 1935 wird unter Stalin (Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili aus Geor- gien, 1878-1953, 1922 Generalsekretär der Kommunistischen Partei) in der Sowjetunion eine sozialistische (marxistische) Rechts- ordnung begründet. 1960 wird ein neues Strafgesetzbuch eingeführt. 1964 werden Zivil- gesetzbuch (458 Artikel) und Zivilprozess- ordnung erneuert. Auf der Grundlage von Grundlagengesetzen der Sowjetunion (1968/70) erlässt R. ein Familiengesetzbuch vom 30. 7. 1969 und ein Arbeitsgesetzbuch vom 9. 12. 1971. Nach einer von Michael Gorbatschow eingeleiteten Reformbewegung wird 1991 die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken (Sowjetunion) in die Gemeinschaft unab- hängiger Staaten (GUS) überführt, deren wichtigstes Mitglied das erneuerte R. unter Boris Jelzin ist. Zum 1. 1. 1995 tritt hier der erste Teil eines neuen Zivilgesetzbuches in Kraft. 1996 wird in R. zum 1. 1. 1997 das Strafgesetzbuch erneuert. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Handbuch des gesamten russischen Zivilrechts, hg. v. Klibansky, Bd. 1ff. 1911; Langhans-Ratzeburg, M., Die Wolgadeutschen, 1929; Stupperich, R., Die Anfänge der Bauernbefreiung in Russland, 1939; Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Grothusen, K., Die historische Rechtsschule Russlands, 1961; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,996, 3,2,228; Wortmann, R., The Development of a Russian legal Consciousness, 1976; Peterson, C., Peter the Great's Administrative and Judicial Reforms, 1979; Kaiser, H., The Growth of the Law in Medieval Russia, 1980; Handbuch der Geschichte Russlands, hg. v. Hellmann, M., Bd. 1 1981; Geilke, G., Einführung in das Sowjetrecht, 2. A. 1983; Ruffmann, K., Sowjetrussland, 10. A. 1984; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen Systeme, 2. A. 1988; Kwiatkowska, I., De legibus poenas sancientibus anno 1649 a Russis conscriptis, 1984; Steenberg, S., Die Russlanddeutschen, 1989; Stökl, G., Russische Geschichte, 5. A. 1990; Silnizki, M., Geschichte des gelehrten Rechts in Russland, 1997; Baberowski, J., Das Justizwesen im späten Zarenreich 1864-1914, ZNR 1991, 56; Goehrke, C., Frühzeit des Ostslaventums, 1992; Kappeler, A., Russland, 2. A. 1993; Götz, R./Halbach, U., Politisches Lexikon Russland, 1994; Zernack, K., Polen und Russland, 1994; The Cambridge Enciclopedia of Russia, hg. v. Brown, A. u. a., 1994; Martin, J., Medieval Russia, 1995; 7. Internationale Konferenz zur Geschichte des Kiever und des Moskauer Reiches, 1995; Liessem, P., Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996; Baberowski, J., Autokratie und Justiz, 1996; Mildner, K., Lokale Politik und Verwaltung in Russland, 1996; Hösch, E., Geschichte Russlands, 1996; Franklin, S./Shepard, J., The Emergence of Rus, 1996; Russian legal theory, hg. v. Butler, W., 1996; Strauch, D., Schwedisches Landschaftsrecht und frühes Recht der Rus', FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Lotman, J., Russlands Adel, 1997; Russen und Russland, hg. v. Koenen, G./Kopelew, L., 1997; Silnizki, M., Geschichte des gelehrten Rechts in Russland, 1997; Kappeler, A., Geschichte Russlands, 1997; Altrichter, H., Russland, 1997; Torke, H., Einführung in die Geschichte Russlands, 1997; Deutsche Geschichte im Osten Europas, Russland, hg. v. Stricker, G., 1997; Russia, hg. v. Freeze, G., 1997; Donnert, E., Russland 860-1917, 677 1998; Vogelsberger, H., Die letzten Zaren, 1998; Lotman, J., Russlands Adel, 1997; Pritsak, O., The Origins of the Old Rus, 1998; Gorbatschow, M., Über mein Land, 2000; Luks, L., Geschichte Russlands und der Sowjetunion, 2000; Köbler, G., Rechtsrussisch, 2001; Kappeler, A., Russland als Vielvölkerreich, 2001; Russlands lange Vorgeschichte, hg. v. Schramm, G., 2001; Geschichte des russischen Reiches und der Sowjetunion, hg. v. Bohn, T. u. a., 2002; Löwe, H., Stalin, 2002; Handbuch der Geschichte Russlands, hg. v. Plaggenborg, S., Bd. 4 und 5 2002; Schmidt, C., Russische Geschichte 1547-1917, 2003; Schreyer, H., Das zentrale staatliche Archivwesen, 2003; Haumann, H., Geschichte Russlands, 2003; Avenarius, M., Rezeption des römischen Rechts in Russland, 2004; Kolbinger, F., Im Schleppseil Europas?, 2004; Gestwaq, K., Der Blick auf Land und Leute, HZ 279 (2004), 63; Hildermeier, M., Russische Revolution, 2004; Baranowski, G., Die Russkaja Pravda, 2005; Koenen, G., Der Russland-Komplex, 2005 Russkaja Prawda (F.) russische Wahrheit -> Russland Rutscherzins ist im Mittelalter der bei nicht rechtzeitiger Leistung erhöhte (rutschende) Grundzins in der -> Grundherrschaft. Lit.: Hübner; Löning, R., Der Vertragsbruch, 1876, 80f.; Fehr, H., Die Grundherrschaft im Sachsenspiegel, ZRG GA 30 (1909), 272 S SA (Sturmabteilung im Nationalsozialismus) Lit.: Schmiechen-Ackermann, D., Nationalsozialismus und Arbeitermilieu, 1998; Longerich, P., Geschichte der SA, 2003 Saar ist das Gebiet um die Saar mit dem Hauptort -> Saarbrücken, das 1918 und 1945 von Frankreich begehrt wird, aber am 13. 1. 1935 (Volksabstimmung vom 13. 1. 1935 mit einer Mehrheit von mehr als 90 Prozent für eine Heimkehr) und am 1. 1. 1957 (23. 20. 1955 Ablehnung des internationalisierenden Saarstatuts mit 67,7 Prozent) zu Deutschland zurückkehrt (Saarland). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Fischer, P., Die Saar zwischen Deutschland und Frankreich, 1959; Jacoby, F., Die nationalsozialistische Herrschaftsübernahme an der Saar, 1973; Klitscher, E., Zwischen Kaiser und französischer Krone, 1986; Die Saar 1945-1955, hg. v. Hudemann, R., 1992; Heinen, A., Saarjahre, 1996 Saarbrücken an der Saar erscheint nach älteren unterbrochenen Siedlungsspuren 999 als vielleicht schon um 850 bestehende Burg. 1321 erhält der Ort Stadtrecht. 1948 wird unter Frankreich (1945-1957) eine Universität gegründet. Lit.: Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft Saarbrücken, 1960; Herrmann, H., Städte im Einzugsbereich der Saar, 1992; Geschichte der Stadt Saarbrücken, hg. v. Wittenbrock, R., Bd. 1f. 1999 Saarland ist das am 1. 1. 1957 aus dem von Frankreich zurückgegebenen Saargebiet gebildete Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. Es gehört vor 1918 hauptsächlich zu Preußen und vordem zu Nassau (1381). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ham, H. v., Die Gerichtsbarkeit an der Saar im Zeitalter des Absolutismus, 1938; Grenz-Fall: das Saarland, hg. v. Hudemann, R., 1997 Sabinianer ist der Angehörige der nach -> Sabinus benannten Schule der römischen Rechtswissenschaft. Sabinus, Masurius (1. Jh. n. Chr.), von einfacher Herkunft, wird 22 n. Chr. Haupt der Rechtsschule der -> Sabinianer oder Cassianer und mit 50 Jahren Ritter. Sein Hauptwerk sind (lat.) Libri (M.Pl.) tres iuris civilis (Drei Bücher römisches Recht) in der aus Nachfolgewerken erschlossenen Reihenfolge Erbe, Personen, Verkehrsgeschäfte, unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung. Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 2 III 1; Söllner §§ 16, 21, 24; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967; Behrends, O., Institutionelles und prinzipielles Rechtsdenken, ZRG RA 95 (1978), 187 sacebaro -> sakebaro sacer (lat.) geweiht, verflucht Lit.: Köbler, DRG 27 sacerdotium (lat. [N.]) Priestertum, Kirche Lit.: Von cacerdotium und regnum, hg. v. Erkens, F. u. a., 2002 Sachbeschädigung ist das rechtswidrige Beschädigen oder Zerstören einer einem anderen gehörigen Sache, das bereits im Altertum Rechtsfolgen nach sich ziehen kann. - > lex Aquilia Lit.:Kaser § 51 II; Söllner § 8; Köbler, DRG 26, 27; König, R., Das allgemeine Schadensersatzrecht, Diss. jur. 1945 (ungedruckt); Kaufmann, H., Rezeption und 678 usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958 Sache (lat. [F.] res) ist der körperliche Gegenstand, im weiteren Sinn jeder Gegenstand (alles, was nicht Person bzw. Mensch ist). Im Anschluss an das römische Recht vertritt das heutige deutsche Recht einen engen Sachbegriff. Unterschieden werden bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Besitz, Eigentum und beschränkte dingliche Rechte an Sachen. Lit.: Kaser § 18; Köbler, DRG 15, 24, 39, 60, 73, 90, 123, 140, 162, 207, 211, 269; Daubermann, E., Die Sachgesamtheit, 1993; Zimmermann, M., Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001 Sachenrecht ist die Gesamtheit der Sachen betreffenden Rechtssätze. Ein S. (lat. res [F.Pl.]) sondert unter griechischem Einfluss bereits der römische Jurist -> Gaius (um 160 n. Chr.) ab. Dies wird in der mittleren Neuzeit wieder aufgegriffen (str.), wenngleich die Sache unterschiedlich weit gefasst wird. Im Mittelpunkt des Sachenrechts steht das -> Eigentum als absolutes Herrschaftsrecht. Lit.: Rückert, L., Untersuchungen über das Sachenrecht der Rechtsbücher, 1860; Platz, L., Das Sachenrecht Pufendorfs, Diss. jur. Kiel 1961 masch.schr.; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Sachenrecht, 8. A. 1996; Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Jakobs, H./Schubert, W., Sachenrecht, Bd. 1ff. 1982ff.; Benke/Meissel, Übungsbuch zum römischen Sachenrecht, 5. A. 1996; Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001 Sachgesamtheit Lit.: Daubermann, E., Die Sachgesamtheit als Gegenstand des klasischen römischen Rechts, 1993 Sachhaftung ist die Haftung einer Sache (z. B. eines Pfandes) unabhängig von einer Person. Lit.: Kaser §§ 31 I 2, 32 II 3 Sachmangel ist die Abweichung einer Sache von der von den Parteien vorausgesetzten Beschaffenheit. Bereits der römische Marktädil gewährt dem Käufer einer mangelhaften Sache -> Wandlung und -> Minderung. Demge- genüber geht das mittelalterliche Recht außer bei groben Mängeln bestimmter Tiere von dem Satz ,,Augen auf, Kauf ist Kauf" aus. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) folgt der römischrechtlichen Gestaltung, behält aber Sonderregeln für den Viehkauf (bis 2002) bei. Lit.: Kaser § 41; Söllner § 9; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 46, 64, 127, 165, 214, 215; Klempt, W., Die Grundlagen der Sachmängelhaftung, 1967; Leiser, W., Schadensersatz wegen Sachmängeln, FS L. Schnorr von Carolsfeld, 1972; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Niedrig, H., Die Mangelrüge, 1994; Seiler, C., Vom Allgemeinen Landrecht zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 1995; Olzen, D., Das kaufrechtliche Sachmängelgewährleistungsrecht des Code civil, 1996; Deller, P., Der ,,nach dem Vertrage" vorausgesetzte Gebrauch, 1999; Medicus, D., Zur Geschichte der Sachmangelhaftung, in: Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 307 Sachse ist der Angehörige eines um 150 n. Chr. erstmals erwähnten, nach seiner Bewaffnung benannten germanischen Volkes, dessen Siedlungsgebiet zwischen unterem Rhein und Elbe im Frühmittelalter von den -> Franken (Karl d. Große) erobert wird. Im Hochmittelalter ist das Gebiet Herzogtum und später Kurfürstentum (1485 Land zwischen den Linien der Albertiner und Ernestiner geteilt, Kurfürstenwürde 1485 an Ernestiner, 1547 an Albertiner, 1697 unter August dem Starken Erwerb der Krone des Königtums Polen). Unter Verkleinerung und Verlagerung an die mittlere Elbe (Dresden) bleibt das Land Sachsen (1918 Freistaat) bis zur Gegenwart erhalten. Das sächsische Recht ist in der (lat. [F.]) -> Lex Saxonum und im -> Sachsenspiegel aufgezeichnet. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 67, 76, 131, 155, 184, 186; Köbler, Historisches Lexikon; Romer, C. v., Staatsrecht und Statistik des Churfürstentums Sachsen, Bd. 1f. 1787f.; Schletter, H., Die Konstitutionen Kurfürst Augusts von Sachsen, 1857; Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen von 1863/1865, Neudruck 1973; Schröder, R., Der sächsische Volksadel, ZRG GA 24 (1903), 247; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Hempel, E., die Stellung der Grafen von Mansfeld, 1917; Philippi, D., Die Erbexen, 1920; Heck, P., Die Standesgliederung der Sachsen, 1927; Meiche, A., Historisch-topographische Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna, 1927; Lintzel, M., Zur altsächsischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 52 (1932), 294; Heck, P., Blut und Stand im altsächsischen Recht, 1935; Heck, P., Untersuchungen zur altsächsischen Standesgliederung, 1936; Drögereit, R., Sachsen und Angelsachsen, Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 21 (1949); Freytag, H., Die Herrschaft der Billunger in Sachsen, 1951; Hagemann, A., Die 679 Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111; Schöllkopf, R., Die sächsischen Grafen 919-1024, 1957; Schnath, G., Nochmals der Ursprung des Sachsenrosses, ZRG GA 79 (1962), 242; Entstehung und Verfassung des Sachsenstammes, hg. v. Lammers, W., 1967; Giese, W., Der Stamm der Sachsen, 1979; Brüsch, T., Die Brunonen, 2000; Springer, M., Die Sachsen, 2004; Die Herrscher Sachsens, hg. v. Kroll, F., 2004 Sachsen -> Sachse Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BGBSachsen- 1863.pdf; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen, 1934; Kötzschke, R., Ländliche Siedlung und Agrarwesen in Sachsen, 1953; Blaschke, K., Grundzüge und Probleme einer sächsischen Agrarverfassungsgeschichte, ZRG GA 82 (1965), 223; Richter, G., Die ernestinischen Landesordnungen, 1964; Blaschke, K., Das kursächsische Appellationsgericht 1559-1835 und sein Archiv, ZRG GA 84 (1967), 329; Haas, G., Verfassung und Recht der Städte Arnstadt, Königsee, Saalfeld und Stadtilm, Diss. jur. Jena 1967; Blaschke, K., Bevölkerungsgeschichte von Sachsen, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1540,2654, 3,3,2900,3699 Klein, T., Sachsen, 1982; Wissenschafts- und Universitätsge- schichte in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert, hg. v. Czok, K., 1987; Otto, J., Cognitio et usus juris Romano- saxonici, Studi Senesi 107 (1995), 369; Ahcin, C., Zur Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen von 1863/1865, 1996; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997; Sächsische Justiz in der sowjetischen Besatzungszone, 1998; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u. a., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Sachsen in Deutschland, hg. v. Retallack, J., 2000; Beck, L., Herrschaft und Territorium der Herzöge von Sachsen- Wittenberg, 2000; Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, hg. v. Eichler, E. u. a., 2001; Sachsen im Spiegel des Rechts, hg. v. Schmidt-Recla, A. u. a. 2001; Jäger, V., Zur Entwicklung der staatlichen Untergerichte in Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 118 (2001), 222; Keller, K., Landesgeschichte Sachsen, 2002; Klinger, A., Der Gothaer Fürstenstaat, 2002; Diktatdurchsetzung in Sachsen, hg. v. Behring, R. u. a., 2003 Sachsen-Anhalt ist das am 5. 7. 1945 aus der Provinz Sachsen -> Preußens und aus -> Anhalt gebildete Land der sowjetischen Besatzungs- zone, das nach seiner Auflösung (1952/1957) in der -> Deutschen Demokratischen Republik zum 3. 10. 1990 wieder entsteht. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Holtmann, E./Boll, B., Sachsen-Anhalt, 1995 Sachsenrecht oder gemeines Sachsenrecht ist das in der frühen Neuzeit auf der Grundlage des -> Sachsenspiegels (1221/4) und der Spruchtätigkeit der Gerichte in -> Sachsen angewendete Recht, das erst durch das sächsische Bürgerliche Gesetzbuch von 1863 abgelöst wird. Lit.: Köbler, DRG 103, 143; Schultze-von Lasaulx, H., Die Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann, 1938, 58; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Studien zur Geschichte des sächsisch- magdeburgischen Rechts, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980 Sachsenspiegel ist das der Wiederentdeckung des römischen Rechts in Italien um 1100 und der neuen Zusammenstellung des kirchlichen Rechts durch -> Gratian um 1140 zeitlich nachfolgende, an unbekanntem Ort (nach Landau möglicherweise Kloster Altzelle) vielleicht zwischen 1221 und 1224 von -> Eike von Repgow geschaffene Rechtsbuch (-> Landrecht im Gegensatz zu Volksrecht und Stadtrecht). Der Verfasser bezeichnet sein Werk als (mnd.) spigel der Sachsen, in dem die Sachsen ihr Recht wie sonst Frauen im Spiegel ihr Antlitz erschauen sollen (vgl. lat. -> speculum [N.] z. B. speculum ecclesiae, Spiegel der Kirche, des Honorius Augustodunensis 1. H. 12. Jh.). Die einerseits noch verwerteten, andererseits nicht mehr berücksichtigten zeitgenössischen Ereignisse lassen vielleicht eine Datierung der ersten Fassung zwischen 1221 und 1224 (1215 bis 1235) zu (str.). Sie ist in Latein gehalten und mit Ausnahme des Lehnrechts (sog. [lat.] -> Auctor [M.] vetus de beneficiis) nicht erhalten. Von Eike selbst stammt noch die bald danach verfertigte völlig neuartige mittel- niederdeutsche Übersetzung, die bis 1270 mehrfach erweitert wird. Der S. erfasst das aus verschiedensten Wurzeln erwachsende Recht (Gewohnheitsrecht, Landfriedensgesetze) Ost- falens, bezieht aber auch allgemeinere, selbst biblische und gelehrte Quellen ein. Er ist vermutlich anfangs nur in zwei Teile (Landrecht, Lehnrecht) und Artikel gegliedert. Zitiert wird er als Ssp (LdR bzw. LehnR) nach (Buch,) Artikel und Paragraph. Vom Ende des 13. Jh.s an breitet sich der jetzt zusätzlich in Feldfunktion geändert Gelöscht: 680 drei Bücher (Landrecht) geteilte S. in Hunderten von teilweise noch erhaltenen Handschriften (341 Landrechtstexte, 94 Lehnrechtstexte) in einem von Holland bis Polen reichenden Gebiet aus. Es werden Bilderhandschriften (Dresdener, Heidelberger, Wolfenbütteler, Oldenburger Bilderhand- schrift), Übersetzungen (in das Lateinische und Mittelhochdeutsche usw.), Bearbeitungen (Glossen u. a. des Johann von -> Buch 1325, Nikolaus -> Wurm, Brandt von Tzerstede, Dietrich von Bocksdorff) und auf seiner Grundlage zahlreiche weitere Rechtsbücher (Görlitzer Rechtsbuch 1300, Breslauer Land- recht 1356, Berliner Stadtbuch 1397, Richtsteig Landrechts 1335, Richtsteig Lehnrechts E. 14. Jh., sächsisches Weichbild, -> Deutschenspie- gel und -> Schwabenspiegel usw.) verfasst. -> Sachsenrecht Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 102, 123, 124, 143; Schuster, H., Versuch einer Deutung von Ssp. III 73, ZRG GA 3 (1882), 136; Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG GA 5 (1884), 1; Schröder, R., Zur Kunde des Sachsenspiegels, ZRG GA 9 (1888), 52; De Saksenspiegel in Nederland, hg. v. Geer van Jutphaas, 1888; Frommhold, G., Erörterungen über die Reimvorrede des Sachsenspiegels, ZRG GA 13 (1892), 125; Schröder, R., Zu der praefatio rhytmica des Sachsenspiegels, ZRG GA 13 (1892), 226; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, Neudruck 1970; Gundlach, W., Karl der Große im Sachsenspiegel, 1899; Behre, E., Die Eigentums- verhältnisse im ehelichen Güterrecht, 1904; Jecht, R., Über die in Görlitz vorhandenen Handschriften des Sachsenspiegels, Neues lausitzisches Magazin 82 (1906); Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel, 1906; Heck, P., K. v. Amira und mein Buch über den Sachsenspiegel, 1907; Salomon, F., Der Sachsenspiegel und das Wormser Konkordat, ZRG GA 31 (1910), 137; Molitor, E., Die Stände der Freien in Westfalen und der Sachsenspiegel, 1910; Heck, P., Die Bannleihe im Sachsenspiegel, ZRG GA 37 (1916), 260; Rosenstock, E., Die Verdeutschung des Sachsenspiegels, ZRG GA 37 (1916), 498; Stutz, U., Der rechtshistorische Gehalt der Sachsenspiegelvorreden, ZRG GA 43 (1922), 300; Kisch, G., Zwei Sachsenspiegelvokabularien, ZRG GA 44 (1924), 307; Voltelini, H. v., Der Sachsenspiegel und die Zeitgeschichte, 1924; Sinauer, E., Eine Lüneburger Sachsenspiegelhandschrift, ZRG GA 45 (1925), 408; Das Landrecht des Sachsenspiegels nach der Bremer Handschrift von 1342, hg. v. Borchling, C., 1925; Eckhardt, K., Rechtsbücherstudien Heft 2 Die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und der sächsischen Weltchronik 1931 (Abh. Göttingen), Heft 3 Die Textentwicklung des Sachsenspiegels von 1220 bis 1270, 1933 (Abh. Göttingen); Sachsenspiegel Land- und Lehnrecht, hg. v. Eckhardt, K. 1933; Sachsenspiegel Landrecht, hg. v. Eckhardt, K., 1933; Voltelini, H. v., Ein Beitrag zur Quellenkunde des Sachsenspiegels Landrecht, ZRG GA 58 (1938), 548; Kallen, G., Friedrich Barbarossas Verfassungsreform und das Landrecht des Sachsenspiegels, ZRG GA 58 (1938), 560; Hirsch, H., Eine neu entdeckte, die zweite bekannte Handschrift des holländischen Sachsenspiegels, ZRG GA 59 (1939), 253; Kisch, G., Sachsenspiegel and Bible, 1941, Neudruck 1960; Blaese, H., Die rechtliche Wirkungskraft des Sachsenspiegels im Bereich des heutigen Estlands und Lettlands, ZRG GA 62 (1942), 322; Buchda, G., Eine Bemerkung zum Sachsenspiegel II Artikel 55, ZRG GA 62 (1942), 353; Eike von Repgow, Sachsenspiegel Lehnrecht, übertr. v. Hirsch, H., 1939; Molitor, E., Der Gedankengang des Sachsenspiegels, ZRG GA 65 (1947), 15; Mess, F., Wartburgkrieg und Sachsenspiegel, ZRG GA 74 (1957), 241; Buchda, G., Archäologisches zum Sachsenspiegel, ZRG GA 72 (1955), 205; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, Diss. jur. Bonn 1957; Sachsenspiegel, Landrecht, hg. v. Eckhardt, K., 3. A. 1973; Nowak, E., Die Verbreitung und Anwendung des Sachsenspiegels, Diss. phil. Hamburg 1965, masch.schr.; Hartmann, J., Ein elbostfälisches Fragment des Sachsenspiegels, ZRG GA 82 (1965), 291; Eike von Repgow und Hoyer von Valkenstein, hg. v. Eckhardt, K., 1966; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium juris, 1968; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Becker, H., Eine unbekannte Handschrift des Schwaben- und Augsburger Sachsenspiegels, ZRG GA 88 (1971), 190; Herkommer, H., Überlieferungsgeschichte der sächsischen Weltchronik, 1972; Kisch, G., Sachsenspiegelbibliographie, ZRG GA 90 (1973), 73; Ebel, W., Über das ,,ungezweite Gut" in Ssp. Ldr. I 31, ZRG GA 92 (1975), 184; Benöhr, H., Erfolgshaftung nach dem Sachsenspiegel?, ZRG GA 92 (1975), 190; Rymaszewski, Z., (Lateinische Texte des Landrechts des Sachsenspiegels in Polen), 1975; Krause, H., Der Sachsenspiegel und das Problem des sog. Leihezwangs, ZRG GA 93 (1976), 21; Kroeschell, K., Rechtsaufzeichnung und Rechtswirklichkeit, in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 349; Ignor, A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eike von 681 Repgows, 1984; Eike von Repgow Sachsenspiegel, hg. v. Schott, C. u. a., 3. A. 1996; Gauert, A., Werla in der Nähe von Goslar, ZRG GA 105 (1988), 253; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Kroeschell, K., Der Sachsenspiegel in neuem Licht, in: Rechtsgeschichte in beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991, 232; Müller, B., Die Berliner Sammelhandschrift Mgf 10, 1991; Der Sachsenspiegel als Buch, hg. v. Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1991; Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift. hg. v. Schmidt- Wiegand, R., 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, hg. v. Koolman, 2. A. 1995; Aus dem Leben gegriffen, hg. v. Fansa, M., 2. A. 1995; Der Sassen Speyghel, Bd. 1f., hg. v. Koolmann, E. u. a., 2. A. 1995; Der Sachsenspiegel aus Oppeln und Krakau, hg. v. Piirainen, I. u. a., 1996; Kroeschell, K., Von der Gewohnheit zum Recht, in: Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998, 68; Repgow, Eike von, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1998; Scheele, F., u. a., Das neu aufgefundene Fragment 80a und b, ZRG GA 115 (1988), 514Lück, H., Über den Sachsenspiegel, 1999; Der Sachsenspiegel, übersetzt v. Kaller, P., 2002; Der Dresdner Sachsenspiegel, 2002; Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, hg. v. Lück, H. 2002; Kannowski, B./Dusil, S, Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235 und der Sachsenspiegel, ZRG GA 120 (2003) 61; Kannowski, B./Kaufmann, F., Ein Brief aus uralten Zeiten, DA 59 (2003), 548 Sachsenspiegelglosse ist die von gelehrten Juristen seit dem 14. Jh. zum -> Sachsenspiegel erarbeitete -> Glosse (Johann von Buch um 1325, Nikolaus Wurm, Brandt von Tzerstede, Dietrich von Bocksdorff, Stendaler Glosse). Dabei lassen sich beispielsweise die 40 Textzeugen der Glosse zum Lehnrecht in vier Testklassen (kürzere Glosse, längere Glosse, Wurmsche Glosse, gemischte deutsch- lateinische Glosse) gliedern. Lit.: Köbler, DRG 103, 107; Steffenhagen, E., Der Einfluss der Buchschen Glosse, 1893f.; Steffenhagen, E., Die Entwicklung der Landrechtsglosse des Sachsenspiegels XI, 1922/1923; Kisch, G., Eine Torgauer Glossenhandschrift, ZRG GA 39 (1918), 365; Steffenhagen, E., Die Landrechtsglosse des Sachsenspiegels, hg. v. Steffenhagen, E., Einleitung und Glossenprolog, 1925; Schilling, K., Das objektive Recht in der Sachsenspiegelglosse, 1931; Sinauer, E., Studien zur Entstehung der Sachsenspiegelglosse, NA 50 (1935), 475; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lieberwirth, R., Über die Glosse zum Sachsenspiegel, 1993; Glossen zum Sachsenspiegel- Landrecht. Buch'sche Glosse, hg. v. Kaufmann, F., 2002 Sächsischer Prozess ist die in -> Sachsen in der frühen Neuzeit geltende Form des -> Prozesses, die einige Besonderheiten bewahrt und weiterentwickelt. Der sächsische Prozess gründet sich auf das 1356 vom Kurfürstentum - > Sachsen erlangte (lat. N.) privilegium (N.) de non appellando (Nichtevokationsprivileg), sächsische Hofgerichtsordnungen von 1488, 1493, 1529, 1548 und 1550, die kursächsischen Konstitutionen von 1572 und die Prozess- und Gerichtsordnung von 1622. Er ist grundsätzlich mündlich. Der Beklagte kann bei Säumnis und Schlüssigkeit der Klage verurteilt werden. Eine Artikulation findet nicht statt. Die (lat.) litis contestatio (F.) ist einfache Klagebeant- wortung. Das selbständige Beweisverfahren endet mit einem selbständig angreifbaren Beweisinterlokut (Beweisurteil). Es gibt nur eine Tatsacheninstanz. Lit.: Carpzov, B., Processus iuris in foro Saxonico, 1657; Heimbach, C., Lehrbuch des sächsischen bürgerlichen Prozesses, 1852; Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274 Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch ist das am 2. 1. 1863 verkündete und am 1. 3. 1865 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich -> Sachsen. Es umfasst fünf Bücher mit 2620 Paragraphen. Durch das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches wird es zum 1. 1. 1900 im Wesentlichen abgelöst. Lit.: Beckhaus, F., Die gemeinrechtlichen Quellen zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen, 1866; Siebenhaar, E., Jahrbuch des sächsischen Privatrechts, 1872; Grützmann, P., Lehrbuch des königlich sächsischen Privatrechts, Bd. 1f. 1887ff.; Buschmann, A., Das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch, JuS 20 (1980), 553 sächsisches Recht -> Sachsenrecht Lit.: Studien zur Geschichte des sächsisch- magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980 Sächsische Weltchronik ist die erste deutschsprachige Prosachronik. Als Verfasser scheidet wohl Eike von Repgow aus. Auch die Abfassungszeit (Magdeburg 1229, 1230?, 1260, Magdeburg vor 1276) ist umstritten. Lit.: Eckhardt, K., Zur sächsischen Weltchronik, ZRG 682 GA 53 (1933), 311; Herkommer, H., Überlieferungsgeschichte der Sächsischen Weltchronik, 1972; Menzel, M., Die sächsische Weltchronik, 1985; Wolf, J., Die sächsische Weltchronik, 1997; Das Buch der Welt, hg. v. Herkommer, H., 2000 Sachverhalt ist ein tatsächliches Geschehen. Dementsprechend ist der S. als solcher zumindest so alt wie das Recht. Als rechtlicher Grundbegriff begegnet S. anscheinend erst im späten 19. Jh. Lit.: Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995 Sachverständiger ist der Mensch, der auf einem Gebiet besonderes Wissen hat, das er (einem Gericht in einem Rechtsstreit) zur Verfügung stellen kann. Der Sachverständige ist bereits dem Altertum bekannt. In der frühen Neuzeit gewinnt er wieder an Gewicht. In der Regel erwirbt der Sachverständige sein Wissen aus einer ausgeübten beruflichen Tätigkeit. Lit.: Kaser §§ 84 I 2c, 87 II 6; Köbler, DRG 202; Bernet, M., Der Beizug von gerichtlichen Sachverständigen im alten Zürich, 1967; Jessnitzer, K., Der gerichtliche Sachverständige, 10. A. 1992; Olzen, D., Richter und Sachverständige, ZRG GA 97 (1980), 164; Poppen, E., Die Geschichte des Sachverständigenbeweises im Strafprozess, 1984 Sachwalter Lit.: Winterberg, H., Der Sachwalter, ZRG GA 83 (1966), 295 Säcken ist der Vollzug der Todesstrafe durch Ertränken in einem zugebundenen Sack, wie er sich vor allem im römischen Altertum findet. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964 sacramentum (lat. [N.]) Eid Sacra Rota (F.) Romana (lat.) -> Rota Lit.: Kroeschell, DRG 2 sacrum imperium (lat. [N.]) heiliges Reich Sage ist die mündliche Überlieferung eines möglichen vergangenen, nicht sicher be- zeugten, in manchen Fällen aber vielleicht tat- sächlich so oder so ähnlich abgelaufenen Geschehens. Lit.: Ruoff, W., Eine späte Rechtssagenbildung, ZRG GA 92 (1975), 201; http://www.sagen.at Saint Bertin Lit.: Coopland, G., The abbey of Saint-Bertin, 1914 Saint-German, Christopher (um 1460-1540) wird nach der rechtswissenschaftlichen Ausbildung in Oxford und der rechts- praktischen Ausbildung an Inner Temple Inn of Court Anwalt. 1528 verfasst er den (lat.) Dialogus (M.) de fundamentalis legum et de conscientia (engl. Dialogues between a Doctor of Divinity and a Student of the Common Law, 1530/1, Zwiegespräch zwischen einem Lehrer und einem Studenten des gemeinen Rechts). Darin behandelt er die Ursprünge des kanonischen Rechtes und des englischen Rechtes und ermittelt die trotz der gegenseitigen Ausschließlichkeit bestehenden gemeinsamen Grundgedanken. Lit.: Simpson, A., Biographical Dictionary of the Common Law, 1984; Coquillette, D., The Civilian Writers of Doctors' Common, 1988 Saint Germain en Laye westlich von Paris ist der Ort des Friedensvertrages zwischen den Alliierten des ersten Weltkrieges und Österreich vom 10. 9. 1919, in dem -> Österreich auf den -> Anschluss an das -> Deutsche Reich verzichten muss und (Gebiete an) Ungarn, die Tschechoslowakei, Polen und Jugoslawien verliert. Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher; Kleinwachter, F., Von Schönbrunn bis St. Germain, 1964 Saint-Simon, Claude Henri de (1760-1825) ist ein bedeutsamer Vertreter des frühen Sozialismus in Frankreich. Lit.: Köbler, DRG 179 Saínz de Andino, Pedro (1786-1863) wird nach dem Studium von Theologie und Recht in Sevilla Anwalt, Politiker und Staatsanwalt. Er verfasst das erste spanische Handelsgesetzbuch (Código de comercio 1829, nach französischem Vorbild). Lit.: Rubio, J., Sainz de Andino y la codificación mercantil, 1950, 27 Saio ist im frühmittelalterlichen gotischen Recht der Beauftragte eines Herrn. Lit.: El Código de Eurico, hg. v. Ors, A. d', 1960; Morosi, R., I saiones, Athenaeum NS 59 (1981), 150; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989, 459; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001 saisina (lat.-afrk. [F.]) Ergreifung Lit.: Buisson, L., König Ludwig IX., der Heilige, und das Recht, 1954 Sakebaro (lat.-afrk.) ist der königliche Amtsträger des fränkischen Frühmittelalters im Streitwesen (,,Streitmann" als Helfer des Grafen). Lit.: Kögel, R., Sagibaro, Z. f. d. A. 33 (1889), 13; 683 Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983 Sakralrecht ist im römischen Recht das von der Priesterschaft und vom Zensor außerhalb der Gerichtsbarkeit gehandhabte Recht. Lit.: Kaser §§ 3 I 2b, 58 II 1, 60 I 2; Söllner § 5, 6 Sakrament (lat. [N.] sacramentum) ist im antiken Rom das an einem heiligen Ort zu hinterlegende Pfandgeld, im Christentum das in Christus gründende heilige Zeichen. Im Hochmittelalter werden sieben Sakramente angenommen (Taufe, Firmung, Buße, Kranken- salbung, Eheschließung, Priesterweihe und Eucharistie). Von ihnen anerkennt die protestantische Kirche nur Taufe und Abendmahl. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Säkularisierung oder Säkularisation (8. Mai 1646 secularisieren) ist die bereits im römischen Altertum sichtbare Verweltlichung kirchlicher Angelegenheiten, insbesondere die Verstaatlichung von Kirchengut (z. B. im -> Reichsdeputationshauptschluss vom 25. 2. 1803, rund 10000 Quadratkilometer Gebiet mit 3161776 Untertanen betreffend). Lit.: Köbler, DRG 84, 132; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 789; Erzberger, M., Die Säkularisation in Württemberg, 1902, Neudruck 1974; Die Säkularisation 1803, hg. v. Oer, R. Freiin v., 1970; Hömig, K., Der Reichsdeputationshauptschluss, 1969; Müller, M., Säkularisation und Grundbesitz, 1980; Christentum, Säkularisation und modernes Recht, hg. v. Lombardi-Vallauri, L. u. a., 1981; Hausberger, K., Staat und Kirche nach der Säkularisation, 1983; Schieder, W./Kuhe, A., Säkularisation und Mediatisierung, 1987; Zur Säkularisierung geistlicher Institutionen, hg. v. Crusius, I., 1996; Ziekow, J., Zur Geschichte der Säkularisationen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, ZNR 18 (1996); Säkularisierung, hg. v. Lehmann, H., 1997; Säkularisation der Reichskirche 1803, hg. v. Decot, R., 2002; Kirchengut in Fürstenhand, hg. v. Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg u. a., 2003; Alte Klöster ­ neue Herren. Die Säkularisation im Süd- westen, hg. v. Himmelein, V., 2003; Die Säkularisation in Bayern, hg. v. Schmid, A., 2003; Bayern ohne Klöster?, hg. v. Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, 2003; Annen, M., Säkularisierung im 19. Jahrhundert, 2004 sala (ahd. [F.]) Gabe, Übergabe Lit.: Köbler, DRG 90; Köbler, WAS Salamanca am Tormes ist seit 1134 (Erwähnung eines Scholasters) bzw. 1218/9 Sitz einer Universität. Im 16./17. Jh. wird auf spätscholastischer Grundlage in der Schule von S. die Erkenntnis des -> Naturrechts besonders gefördert. Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Köck, H., Der Beitrag der Schule von Salamanca zur Entwicklung der Lehre von den Grundrechten, 1987; Rodríguez Cruz, A., Historia de la universidad de Salamanca, 1990 Salbuch ist im Mittelalter das Güter betreffende Buch ( Güterverzeichnis, Urbar). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Metz, W., Zur Geschichte und Kritik der frühmittelalterlichen Güterverzeichnisse, Archiv f. Diplom. 4 (1958), 183 Salbung ist die Einreibung eines Menschen mit Salböl im Zuge einer symbolischen Handlung. Die S. stammt aus dem Orient. (751? bzw.) 754 salbt Papst Stephan II. den fränkischen König Pippin und seine Söhne Karl und Karlmann. Lit.: Kutsch, E., Salbung als Rechtsakt im Alten Testament, 1963; Jäschke, K., Bonifatius und die Königssalbung, Archiv f. Diplom. 23 (1977), 25; Angenendt, A., Rex et sacerdos, FS K. Hauck, 1982, 100; Enright, M., Iona, Tara and Soissons, 1985; Nehlson, J., Politics and Ritual, 1986; Semmler, J., Der Dynastiewechsel von 751, 2003 Sale of Goods Act (1893) ist das das Warenkaufsrecht ordnende Gesetz des englischen Rechts. Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 Salerno in Kampanien wird 197 v. Chr. als römische Kolonie gegründet. Über Oströmer und Langobarden kommt es 1077 an die Normannen. Im 11. Jh. (995-1087) entsteht dort als möglicherweise erste Universität des europäischen Mittelalters eine berühmte Schule der Medizin. Nach deren Aufhebung (1812) wird 1944 eine Universität gegründet. Lit.: Amarotta, A., Salerno, 1989 Salfranke ist der dem salischen Teilstamm angehörende -> Franke. -> Pactus legis Salicae Lit.: Köbler, DRG 80 Salgut (N.) Herrengut Lit.: Kroeschell, DRG 2; Landau, G., Das Salgut, 1862; Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof, 1953; Schmidt- Wiegand, R., Sali, 1968 Salier ist der Angehörige des von 1024 bis 684 1125 im Deutschen Reich herrschenden fränkischen Geschlechts (Konrad II., Heinrich III., Heinrich IV., Heinrich V.). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76; Bosl, K., Die Reichsministerialen der Salier und Staufer, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Werle, H., Das salische Erbe, Diss. jur. Mainz 1952; Boshof, E., Die Salier, 1987, 2. A. 1992, 3. A. 1995, 4. A. 2000; Weinfurter, S., Herrschaft und Reich der Salier, 1991; Die Salier und das Reich, hg. v. Weinfurter, S., Bd. 1ff. 1992, 2. A. 1992; Benzo von Alba, Ad Heinricum IV. imperatorem libri VII, hg. v. Seyffert, H., 1996; Struve. T., Die Salier und das römische Recht, 1999; Wolfram, H., Konrad II., 2001; Körntgen, L., Ottonen und Salier, 2002; Weinfurter, S., Das Jahrhundert der Salier, 2004 Salische Erbfolge ist die Bevorrechtigung des ältesten Sohnes in der Erbfolge nach fränkischem Recht. Lit.: Scheidgen, H., Die französische Thronfolge, Diss. phil. Bonn 1976; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht, Gedächtnisschrift W. Ebel, hg. v. Landwehr, G., 1982; Krynen, J., L'Empire du roi, 1993 Salland (N.) Herrenland Salmann ist der -> Treuhänder im mittelalterlichen Recht (ältester chronikalischer Beleg vielleicht 1123/1124). Lit.: Hübner; Beyerle, K., Das Salmannenrecht, 1900; Kober, A., Das Salmannenrecht und die Juden, 1907; Wallach, L., Der älteste chronikalische Beleg für salmannus, ZRG GA 54 (1934), 240; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971 salvatorische Klausel ist eine befreiende Klausel (z. B. in der -> Constitutio Criminalis Carolina von 1532, die ausdrücklich die hergebrachten Bräuche partikularer Art unberührt lassen will). Lit.: Kroeschell, DRG; Weber, H. v., Die peinliche Halsgerichtsordnung, ZRG GA 77 (1960), 288 Salz Lit.: Volk, O., Salzproduktion und Salzhandel mittelalterlicher Zisterzienserklöster, 1984 Salzburg an der Salzach wird 739 Bistum und 798 Erzbistum. 1328 erhält das Hochstift ein eigenes Landrecht. 1622 wird S. Sitz einer bis 1810/1818 bestehenden und 1968 wieder eröffneten Universität. 1731/1733 werden 10500 Protestanten vertrieben. 1803 wird S. säkularisiert und gelangt 1805 bzw. 1816 an -> Österreich. Lit.: Köbler, DRG 220; Salzburger Urkundenbuch, hg. v. Hauthaler, W. u. a., Bd. 1f. 1898f.; Bittner, L., Die Geschichte der direkten Staatssteuern im Erzstifte Salzburg, 1903; Mell, R., Abhandlungen zur Geschichte der Landstände im Erzbistum Salzburg, 1903; Mayr, J., Geschichte der salzburgischen Zentralbehörden, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, 54-54 (1924-1926); Putzer, P., Das Privatrecht, FS H. Eichler, 1977, 503; Pichler, J., Die ältere ländliche Salzburger Eigentumsordnung, 1979; Grass, N., Kirchenrecht und Kirchengeschichte, 1985; Hartmann, P., Das Hochstift Passau und das Erzstift Salzburg, 1988; Zaisberger,, F., Die Salzburger Landtafeln, 1990; Wolfram, H., Salzburg, Bayern und Österreich, 1995; Salzburg, hg. v. Hanisch, E. u. a., 1997; Zaisberger, F., Geschichte Salzburgs, 1998 Salzregal -> Regal Same ist der Angehörige eines nordskandi- navischen, nichtindogermanischen Volkes (Lappen in Norwegen und Schweden). Lit.: Firsching, A., Die Samen, ihre Rechtsstellung in Schweden und ihre Rechtsstellung im Lichte der Indigenous Peoples weltweit, 2002 Sanhuri, as- (Alexandria 1895-1971) paßt nach dem Rechtsstudium in Kairo und in Frankreich das islamische Recht von -> Saria und -> Megelle im ägyptischen Zivilgesetzbuch modernen Erfordernissen an. Lit.: Hill, E., Al-Sanhuri and Islamic Law, 1987; Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989 Sankt Blasien Lit.: Urkundenbuch des Klosters S(ank)t Blasien im Schwarzwald, bearb. v. Braun, J., 2003 Sankt Gallen südlich des Bodensees erwächst aus einer um 612 errichteten Zelle des heiligen Gallus. Im Frühmittelalter ist es einer der bedeutendsten Bildungsorte des deutschen Reichs. 1411/1412 bzw. 1451 wenden sich die Stadt und die Abtei der Eidgenossenschaft der - > Schweiz zu. Lit.: Ratpert, Sankt Galler Klostergeschichten (Casus sancti Galli), hg. v. Steiner, H., 2002; Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, hg. v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Gmür, M., Die Rechtsquellen des Kantons Sankt Gallen, Bd. 1ff. 1903ff.; Cavelti, L., Entwicklung der Landeshoheit der Abtei Sankt Gallen in der alten Landschaft, 1914; Wyßmann, Werner, Rechtsgeschichte des sanktgallischen Rheintals, 1922; Schelling, A., Urkundenbuch zur st. gallischen Handels- und Industriegeschichte, 1922f.; Ganahl, K., Studien zur Verfassungsgeschichte der Klosterherrschaft Sankt Gallen, 1931; Moser-Nef, C., Die freie Reichsstadt und 685 Republik Sanct Gallen, Bd. 1ff. 1931ff.; Ehrenzeller, W., Kloster und Stadt Sankt Gallen im Spätmittelalter, 1931; Moser-Nef, C., Die freie Reichsstadt und Republik Sanct Gallen, (1934); Sprandel, R., Das Kloster Sankt Gallen, 1958; Müller, W., Freie und leibeigene Sankt Galler Gotteshausleute, 1961; Müller, W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei St. Gallen, 1961; Müller, W., Die Offnungen der Fürstabtei Sankt Gallen, 1964; Müller, W., Landsatzung und Landmandat der Fürstabtei St. Gallen, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,456, 3,2,1959; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Schauri, F., Karl Beda Müller-Friedberg (Sohn) und die sankt gallischen Bestrebungen zur Kodifikation des Privatrechts, 1975; Mettler, T., Konrad Meyer (1780-1813) und die sankt gallischen Strafgesetze der Mediation, 1979; Chartularium Sangallense, hg. v. Clavadetscher, O., Bd. 3ff. 1982´3ff.; Kommentar zu Ausstellungsdaten, Actum- und Güterorten der älteren St. Galler Urkunden, hg. v. Borgolte, M. u. a., 1985; Ziegler, E., Sitte und Moral in früheren Zeiten, 1991; Die Kultur der Abtei Sankt Gallen, hg. v. Vogler, W., 2. A. 1992; Robinson, P., Die Fürstabtei St. Gallen und ihr Territorium 1463-1529, 1995; Sankt Gallen, hg. v. Wunderlich, W., Bd. 1 1998; Das Kloster Sankt Gallen im Mittelalter, hg. v. Ochsenbein, P., 1998; Ratpert, St. Galler Klostergeschichten, hg. v. Steiner, H., 2002 Sankt Goar Lit.: Zwischen Rhein und Mosel, hg. v. Heyen, F., 1966 Sankt Pölten Lit.: Beiträge zur Stadtgeschichtsforschung, hg. v. Gutkas, K., 1959 Sankt Trudpert Lit.: Beiträge zur Geschichte von Sankt Trudpert, hg. v. Mayer, T., 1937 San Marino ist die vielleicht auf eine Siedlung des dalmatinischen Mönchs Marinus (6. Jh.) zurückgehende, seit dem 13. Jh. Eigenständigkeit gewinnende Republik in Mittelitalien mit den Orten Domagnano, Villa, Fiorentino, Montegiardino, Faetano und Serravalle (1371 1000 Einwohner). Die erste überlieferte Fassung des Rechts San Marinos stammt wohl aus dem ausgehenden 13. Jh. Lit.: La tradizione politica de San Marino, hg. v. Iwaneijko, E., 1988; Vasina, E., San Marino, LexMA 7 1995, 1178; Reinkenhof, M., Die Anwendung von ius commune in der Republik San Marino, 1997 Santiago de Compostela in Galicien, wo um 830 die Gebeine des Apostels Jakobus gefunden worden sein sollen, wird Sitz eines Bischofs, 1120 eines Erzbischofs und 1501 einer Universität. Es ist einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte Europas. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Santiago, 1993 sapiens (lat.) wissend, weise Sarazene (M.) -> Araber Sardinien ist die nach den bereits am Ende des 13. Jh.s v. Chr. in ägyptischen Quellen bezeugten Sarden benannte Insel im Mittelmeer, die über Karthager, Römer, Vandalen, Oströmer und Ostgoten in der Mitte des 11. Jh.s an Pisa gelangt. Nach dem Untergang der -> Staufer wird 1297 Aragonien vom Papst mit S. belehnt. 1713/1714 fällt S. über Spanien erbweise an -> Österreich, das es 1718/1720 im Tausch gegen Sizilien an Savoyen bzw. Piemont gibt. Das Königreich Sardinien-Piemont wird zur Keimzelle des am 17. 3. 1861 ausgerufenen Königreichs -> Italien. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pitzorno, B., Le leggi spagnuole nel regno di Sardegna, 1919; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,101, 3,2,2363, 3,3,3225; Pauli, R., Sardinien, 1986; Casula, F., La Sardegna, 1990 Saria (Scharia, Weg zur Tränke) ist das auf dem -> Koran beruhende, im 7. bis 10. Jh. entstandene islamische Recht. Die S. wird als gottgewollte Ordnung verstanden. Im 19. Jh. wird die S. verschiedentlich durch europäisches Recht zurückgedrängt. Seit der Mitte des 20. Jh.s erfolgt in einzelnen Ländern eine Rückbesinnung auf sie. -> Islam Sassari (1188 Tathari) in Sardinien wird 1236 freie Kommune. 1441 wird es Sitz des Erzbischofs von Torres. 1450 erhält es eine Universität. Lit.: Castellaccio, Sassari medioevale, 1992 satisfactio (lat. [F.]) Genugtuung Satzung ist die gemeinsame Festsetzung, im Hochmittelalter vor allem das objektive ge- setzte Recht und das vereinbarte -> Pfand, in der Neuzeit das von einer mit Autonomie begabten juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts geschaffene Recht oder -> Statut. Im Rahmen des Pfandrechts ist die sog. ältere S. ein Besitzpfand und Nutzungspfand, 686 die sog. jüngere S. ein besitzloses Pfand. Lit.: Hübner 402, 469; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125; Meyer, H., Neuere Satzung von Fahrnis und Schiffen, 1902; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Schulze, R., Geschichte der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 157; Diestelkamp, B., Einige Beobachtungen zur Geschichte des Gesetzes, ZHF 10 (1983), 385 Säumnis ist das Nichterscheinen oder Nichtverhandeln einer Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung zu einem zur notwendigen Verhandlung bestimmten Termin. Dies zieht schon früh nachteilige Folgen für den Säumigen nach sich. Lit.: Söllner § 8; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966 Savigny, Friedrich Carl von (Frankfurt am Main 21. 2. 1779-Berlin 25. 10. 1861), aus begütertem, bis 1630 lothringischem Adel, 1791/1792 verwaist, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg (1795, Weiss) und Göttingen 1800 Dozent in Marburg, 1803 außerordentlicher Professor, 1808 nach einer längeren Bildungsreise ordentlicher Professor in Landshut und 1810 an der neuen Universität -> Berlin. Sein im Grunde unhistorisches Buch ,,Das Recht des Besitzes" (1803) macht ihn wegen seiner beispielhaften Methodik allge- mein bekannt. S. vereinigt dabei -> Immanuel Kants (1724-1804) Vorstellung, dass als einziges angeborenes Recht des Menschen seine Freiheit bestehe, mit Gustav -> Hugos (1764-1844) Forderung nach begrifflich- systematischer Durchdringung des positiven Rechtsstoffes und ermittelt in manchmal fast gewaltsamem Umgang mit den Quellen konstruktiv-systematisch den Besitzwillen als allgemeines logisches konstituierendes Ele- ment. Zunehmend versteht er grundsätzlich das Recht als an seine geschichtlichen Voraussetzungen (z. B. Deutschlands an das Fehlen eines tonangebenden Mittelpunkts) gebunden und wendet sich gegen die Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt willkürlich selbst hervorbringe. Außerdem will er schon im Wintersemester 1802/1803 in der Methodenlehre die Interpretation voraus- setzungslos beschreiben, indem er sie auf ihre Geschichte (historisch) und ihre Anschlüsse an die Gesellschaft (systematisch) beschränkt und damit den Wandel von der ständischen Gesellschaft zur funktionsorientierten Gesell- schaft auch im Recht widerspiegelt. Damit wird er zum Begründer der -> historischen Rechtsschule, der im sog. -> Kodifikationsstreit des Jahres 1814 mit der seit 1808 theoretisch vorbereiteten Schrift ,,Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft" gegen Thibaut ein deutsches Nationalge- setzbuch ablehnt. Auf christlicher Grundlage wendet er sich gegen die jüdische Emanzipation. Seine späteren Hauptwerke sind die Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter (1815ff.) und das System des heutigen römischen Rechtes (1840ff.). In seiner Vorlesung über das Allgemeine Landrecht (Preußens) unterzieht er dieses einem oft kri- tischen Vergleich mit dem römischen Recht. In verschiedenen dogmatischen Bereichen (z. B. - > Einigung, -> internationales Privatrecht, -> Urheberrecht) wirkt er wegweisend. Wenig sichtbaren Erfolg beschert ihm sein viele Grundlagen schaffendes Wirken als Gesetz- revisionsminister in Preußen (1842-1848). Lit.: Söllner §§ 16, 25; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 180, 186, 187, 206, 207, 208, 212, 214; Steig, R., Achim von Arnim über Savignys Buch vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung, ZRG GA 13 (1892), 228; Meier, E. v., Savigny, das gemeine Recht und der preußische Staat im Jahre 1818, ZRG GA 30 (1909), 318; Thibaut und Savigny, hg. v. Stern, J., 1914; Rudorff, H., Jacob Grimm über Savigny, ZRG GA 36 (1915), 478; Dahl, F., Nordische Stimmen über Savigny und Gans, ZRG GA 37 (1916), 511; Gutzwiller, M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des Internationalprivatrechts, 1923; Stoll, A., Friedrich Karl von Savigny, Bd. 1f., 1927ff.; Felgenträger, W., Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Wellek, R., Ein unbekannter Artikel Savignys über die deutschen Universitäten, ZRG GA 51 (1931), 529; Hennig, J., Vom Beruf unserer Zeit und Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, ZRG GA 56 (1936), 394; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Schaffstein, F., Friedrich Carl von Savigny und Wilhelm von Humboldt, ZRG GA 72 (1955), 154, Wieacker, F., Savigny und die Gebrüder Grimm, ZRG GA 72 (1955), 232; Thieme, H., Savigny und das deutsche Recht, ZRG GA 80 (1963), 1; Gmür, R., Savigny und die 687 Entwicklung der Rechtswissenschaft, 1962; Strauch, D., Recht, Gesetz und Staat bei Friedrich Carl von Savigny, 2. A. 1963; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Caroni, P., Savigny und die Kodifikation, ZRG GA 86 (1969), 97; Thibaut und Savigny, hg. v. Hattenhauer, H., 1973, 2. A. 2002; Schubert, W., Savigny und die rheinisch-französische Gerichtsverfassung, ZRG GA 95 (1978), 158; Flume, W., Savigny und die Lehre von der juristischen Person, FS F. Wieacker, 1978, 340; Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune 8 (1979), 36; Vorträge zum 200. Geburtstag von F. C. v. Savigny, hg. v. Coing, H., 1980; Hall, W. van, Friedrich Carl von Savigny als Praktiker, ZRG GA 99 (1982), 284; Hammen, H., Die Bedeutung Friedrich Carl von Savignys für die allgemeinen dogmatischen Grundlagen, 1983; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984; Schröder, H., Friedrich Karl von Savigny. Geschichte und Rechtsdenken beim Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus in Deutschland, 1984; Behrends, O., Geschichte, Politik und Jurisprudenz in F. C. v. Savignys System, in: Römisches Recht in der europäischen Tradition, 1985, 257; Rückert, J., Das ,,gesunde Volksempfinden" ­ eine Erbschaft Savignys?, ZRG GA 103 (1986), 199; Ebel, F., Savigny officialis, 1987; Rückert, J., Dogmengeschichtliches und Dogmen im Umkreis Savignys, ZRG GA 104 (1987), 666; Wadle, E., Savignys Beitrag zum Urheberrecht, in: Grundfragen des Privatrechts, 1990, 95; Jakobs, H., Die Begründung der geschichtlichen Rechtswissenschaft, 1992; Savignyana. Bd. 1 Pandektenvorlesung 1824, hg. v. Hammen, H., Bd. 2 Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-42, hg. v. Mazzacane, A., 2. A. 2004, Bd. 3 Landrechtsvorlesung 1824, hg. v. Wollschläger, C., 1994ff.; Rückert, J., Savignys Konzeption von Jurisprudenz und Recht, TRG 61 (1993), 65; Nörr, D., Savignys philosophische Lehrjahre, 1994; Süchting, G., Geschichtlichkeit des Rechts bei Friedrich Carl von Savigny, Rechtstheorie 1995, 365; Zimmermann, R., Savignys Vermächtnis, 1998; Meder, S., Urteilen, 1999; Rosenberg, M. Frhr. v., Friedrich Carl von Savigny (1779-1861) im Urteil seiner Zeit, 2000; Savigny, F. v., Politik und neuere Legislationen, hg. v. Akamatsu, H. u. a., 2000; Schäfer, F., Savigny und das Landrecht in Kollegnachschriften, ZRG GA 118 (2001), 367; Henne, T./Kretschmann, C., Der christlich fundierte Antijudaismus Savigny, ZRG 120 (2003), 250; Arnswaldt, W. v., Savigny als Strafrechtspraktiker, 2003; Moriya, K., Savignys Gedanke im Recht des Besitzes, 2003; Savignys Vorbereitung einer zweiten Auflage des System des heutigen römischen Rechts, hg. v. Murakami, J. u. a., 2003; Jochum, H., Das Erbe Friedrich Carl von Savignys, NJW 2004, 568; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004 Savoyen in den Westalpen entwickelt sich aus einigen Grafschaften des 10. Jh.s. Seit dem 12. Jh. bzw. 1419 ist es mit Piemont verbunden, seit 1720 mit -> Sardinien. Vom Königreich Sardinien-Piemont nimmt die staatliche Einigung -> Italiens (1860, 17. 3. 1861 Königreich) ihren Anfang. S. selbst fällt 1860 an Frankreich. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hellmann, S., Die Grafen von Savoyen, 1900; Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, Savoyen und die Reichsstadt Besançon, ZRG GA 79 (1962), 106; Mariotte-Löber, R., Ville et seigneurie, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,146, 3,1,264; Brondy, R. u. a., La Savoie, 1984; La maison de Savoie et le pays de Vaud, hg. v. Paravicini Bagliani, A. u. a., 1989 scabinus (lat.-afrk. [M.]) Schöffe Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86; Köbler, LAW Scaccia, Sigismondo (16./17. Jh.) wird nach dem Rechtsstudium Anwalt in Rom. In seinem (lat.) Tractatus (M.) de commerciis et cambio (Abhandlung von Handel und Wechsel) erörtert er die Handelsgeschäfte im Hinblick auf das -> kanonische Zinsverbot und das Wechselrecht. Damit wird er einer der Begründer des besonderen -> Handelsrechts. Lit.: Scherner, K., Die Wissenschaft des Handelsrechts, in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1 1977 Scaevola, Quintus Cervidius (2. Jh.) ist 175 (lat.) praefectus (M.) vigilum (Wachepräfekt). Er ist der bedeutendste Berater Kaiser Marc Aurels (161-180) und wohl Lehrer des -> Paulus. Seine wichtigsten Schriften sind 40 (lat.) libri (M.Pl.) digestorum (Bücher der Digesten) und 6 libri responsorum (Bücher der Antworten) mit Rechtsgutachten und Einzelentscheidungen. Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 217; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 294f. Scammonia Lit.: Goldmann, E., Scammonia, ZRG GA 51 (1931), 510 688 scandalum (lat. [N.]) Ärgernis Schaden -> Schadensersatz Schadensersatz ist der Ersatz einer unfreiwilligen Einbuße an rechtlich geschützten Gütern auf Grund eines bestimmten Ereignisses durch einen anderen. Erforderlich ist jeweils ein Rechtssatz, der S. gebietet. Der S. ist dem römischen Recht bekannt. Im Mittelalter tritt er hervor, als die Komposition (-> Kompositio- nensystem) sich allmählich in das peinliche -> Strafrecht und das private Schadensersatzrecht teilt. Im 19. Jh. wird für einen S. ein Verschulden verlangt (Ihering) und zugleich die kein Verschulden erfordernde -> Gefährdungshaftung eingeführt (Preußen 1838). Im 20. Jh. geht die allgemeine Entwicklung zur Kommerzialisierung immaterieller Schäden. Lit.: Kaser § 35 I; Söllner § 8; Hübner 552, 608; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 46, 65, 128, 273; Schmidt, A., Die Grundsätze über den Schadensersatz in den Volksrechten, 1885; Hammer, O., Die Lehre vom Schadensersatz nach dem Sachsenspiegel, 1885; Pennrich, W., Der Inhalt des Schadensersatzes im Naturrecht, Diss. jur. Göttingen 1953 masch.schr.; Lange, H., Schadensersatzrecht und Privatstrafe, 1955; Kaufmann, E., Das spätmittelalterliche deutsche Schadensersatzrecht und die Rezeption der ,,actio iniuriarum aestimatoria", ZRG GA 78 (1961), 93; Medicus, D., Id quod interest, 1962; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, T., Die Quotenteilung im Schadensersatzrecht, 1977; Hausmaninger, H., Das Schadensersatzrecht der lex Aquilia, 5. A. 1993; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Wolter, U., Das Prinzip der Naturalrestitution in § 249 BGB, 1985; Bar, C. v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 1996; Mohnhaupt, Wolf, U., Deliktsrecht und Rechtspolitik, 2004; Descamps, O., Les origines de la responsabilité pour faute personnelle dans le code civil de 1804, 2005 Schadensklage ist im Spätmittelalter die auf Geldzahlung wegen behaupteten Unrechts lautende Klage (in Ingelheim meist auf 100, 200, 400, 500 oder 1000 Gulden). Lit.: Hübner 552; Kaufmann, E., Das spätmittelalterliche deutsche Schadensersatzrecht, ZRG GA 78 (1961), 93 Schaffhausen am Rhein ist der Handelsplatz, der 1049 an das dort entstandene Benedik- tinerkloster Allerheiligen gelangt. 1190/1218 wird die hieraus entwickelte Stadt Reichsstadt. 1454 schließt sich S. der Eidgenossenschaft der -> Schweiz als zugewandter Ort an und tritt ihr 1501 als zwölfter Ort bei. Im 19. Jh. kommt das privatrechtliche Gesetzbuch -> Zürichs zur Anwendung. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Werner, H., Verfassungsgeschichte der Stadt Schaffhausen, 1907; Hedinger, G., Landgrafschaften und Vogteien im Gebiet des Kantons Schaffhausen, 1922; Pestalozzi-Kutter, T., Kulturgeschichte des Kantons Schaffhausen, 1928; Leu, G., Schaffhausen unter der Herrschaft der Zunftverfassung, 1931; Schudel, R., Geschichte der Schaffhauser Staatsverfassung 1798-1834, 1933; Schudel, E., Der Grundbesitz des Klosters Allerheiligen in Schaffhausen, 1936; Breiter, E., Die Schaffhauser Stadtschreiber, 1962; Reiniger, K., Die Verfassung der Stadt Schaffhausen 1831-1918, 1968; Das Stadtrecht von Schaffhausen, Bd. 2 Das Stadtbuch von 1385, bearb. v. Schib, L., 1967; Schib, K., Geschichte der Stadt und Landschaft Schaffhausen, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,457 Schafott ist die Bühne, auf der in der frühen Neuzeit der -> Scharfrichter meist auf dem Marktplatz die Todesstrafe der Enthauptung vollzieht. Im 19. Jh. verschwindet das S. Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Schildt, E., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1980; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Schandgerät ist das zur Ausführung einer Schandstrafe verwendete Gerät (z. B. Halseisen, Pranger, Schandkragen, Schand- krone). Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafen, 1901, Neudruck 1970; Löning, G., Schandlaken, Schandmantel, Schandkleid, ZRG GA 64 (1944), 335; Brückner, W., Das Bildnis in rechtlichen Zwangsmitteln, FS Harald Keller, 1963, 111; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Schandstrafe ist die in einer vorübergehenden Ehrenminderung bestehende Strafe (z. B. Tragen eines Strickes, eines Hundes, eines Rades, eines Steines, Halseisen, Eselreiten) des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafe, 1909, Neudruck 1970 Schankrecht ist das ausschließliche Recht zum Ausschank von Wein oder Bier an einem Ort. Das S. wird meist von einem Herrn verliehen. Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962 689 Schard, Simon (Neuhaldensleben 1535-Speyer 28. 6. 1573) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Basel Beisitzer am -> Reichskam- mergericht. 1566 veröffentlicht er in (lat.) De jurisdictione etc. (Von der Rechtsprechung usw.) spätmittelalterliche Schriften zum Staat. Posthum erscheint 1582 sein Lexicon iuridicum (Rechtslexikon). Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978 Scharia -> Saria Scharfrichter ist zwischen Hochmittelalter und 19. Jh. der das Todesurteil Vollziehende. Lit.: Keller, A., Der Scharfrichter, 1921; Schuhmann, H., Gestalt und Funktion des Scharfrichters, Diss. jur. Bonn 1964; Schuhmann, H. Der Scharfrichter, 1964; Glenzdorf-Treichel, Henker, Schinder und arme Sünder, 1978; Nowosadtko, J., Scharfrichter, 1994; Pritzker- Ehrlich, M., Schweizer Scharfrichterkandidaten 1938/39, 1999; Pechaèek, P., Scharfrichter und Wasenmeister, 2003 Schatz ist die bewegliche Sache, die so lange verborgen gelegen hat, dass der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist. Die Behandlung des Schatzfundes im römischen Recht ist streitig (nach Hadrian zur Hälfte an den Finder und den Grundeigentümer). Im Mittelalter hat der König das Schatzregal. Beide Lösungen werden im folgenden vielfach miteinander verflochten. Lit.: Kaser §§ 20 I 1, 26 I 3; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 40, 113; Zeumer, K., Der begrabene Schatz im Sachsenspiegel, MIÖG 22 (1901), 420; Eckstein, E., Das Schatz- und Fundregal, MIÖG 31 (1910), 193; Schrader, E., Zum Bergrecht und zum Schatzrecht im Sachsenspiegel I, 35, ZRG GA 74 (1957), 178; Fischer zu Cramburg, R., Das Schatzregal, 2001; Schmidt, A., Der Schatzfund im 19. Jahrhundert, 2002; Hardt, M., Gold und Herrschaft, 2004 Schatzwurf ist die durch Ausderhandschlagen einer Münze als Abgabensymbol im frühen Mittelalter erfolgende -> Freilassung. Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 1 1931, 240 Schaumburg (Schaumburg-Lippe, Schauen- burg) Lit.: Wahl, F., Verfassung und Verwaltung Schaumburg- Lippes, 1938; Möller, H., Studien zur Rechtsgeschichte der ,,schauenburgischen Lande" in Holstein, 1939; Feige, R., Die Statuten des Fleckens und der Stadt Sachsenhagen, Schaumburger Heimat, Bd. 1 1939, 103; Engel, F., Die schaumburg-lippischen Archive, 1955 Scheck ist die der Erleichterung des Zahlungsverkehrs dienende bestimmte Anweisung auf ein Bankguthaben. Im 19. Jh. wird das englische Lehnwort cheque (die auf den Staatsschatz ausgestellte Anweisung) aufgenommen. Ein besonderes Scheckgesetz wird im Deutschen Reich 1933erlassen. Lit.: Köbler, DRG 184; Cohn, G., Zur Geschichte des Schecks, Z. f. vergl. Rechtswiss. 1 (1878), 117 Scheidebrief (lat. libellus [M.] repudii) ist im spätantiken römischen Recht nach hellenistischem Vorbild die Form der Eheschei- dungserklärung. Lit.: Kaser § 58 VII 2c Scheidung -> Ehescheidung Schein -> Rechtsschein Scheingeschäft ist die einverständliche Abgabe einer empfangsbedürftigen -> Willenserklärung zum Schein. Das S. ist im spätantiken römischen Recht unwirksam. Diese Lösung wird seit dem Spätmittelalter aufgenommen. Lit.: Kaser § 8 III; Hübner; Wesener, Das Scheingeschäft, FS H. Hübner, 1984, 337; Eisfeld, J., Die Scheinehe, 2005 Scheinprozess ist die Verwendung des Verfahrens zur Erreichung außerprozessualer Ziele. Schon das altrömische Recht kennt die Übertragung einer Sache durch (lat. [F.]) -> in iure cessio. Im Frühmittelalter kann durch S. eine unscheltbare -> Königsurkunde über ein Recht an einem Gut erlangt werden. Lit.: Köbler, DRG 21, 90; Costede, J., Scheinprozesse, Diss. jur. Göttingen 1968 Schelling Lit.: Jäger, G., Schellings politische Anschauungen, 1939; Hollerbach, A., Der Rechtsgedanke bei Schelling, 1957; Hofmann, M., Über den Staat hinaus, 1999 Schengener Abkommen ist das am 14. 6. 1985 zwischen den Regierungen Deutschlands, Frankreichs, der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs getroffene Abkommen zum schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, dem sich seitdem weitere Staaten angeschlossen haben (Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Österreich). Lit.: Hummer, W./Obwexer, W., Die Schengener Abkommen, 1996 Schenk ist am fränkisch-deutschen Hof und später auch an landesherrlichen Höfen der für 690 die Getränke zuständige Amtsträger. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) ist der König von Böhmen Erzschenk. Lit.: Kroeschell, DRG 1,2; Köbler, DRG 83, 112; Buchner, M., Die Entstehung der Erzämter, 1911; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989) Schenkung ist die Hingabe eines Gegenstands auf Dauer an einen anderen. Im klassischen römischen Recht ist die (lat. [F.]) donatio zunächst nur ein Rechtfertigungsgrund für eine unentgeltliche Zuwendung, im spätantiken römischen Recht teils ein formbedürftiges Handgeschäft, teils ein Zuwendungsgrund, teils ein Konsensualvertrag. Die S. unter Ehegatten ist verboten. Bei den Germanen gibt es nach allgemeiner Ansicht nur die gelohnte S. Mit dem römischen Recht werden dessen Regeln seit dem Spätmittelalter aufgenommen. Die nicht sofort vollzogene S. bedarf zum Schutz des Schenkers besonderer Form (z. B. Beurkundung). Die dogmatische Einordnung der S. ist noch im 20. Jh. zweifelhaft. Die tatsächliche Bedeutung der S. ist gering. Lit.: Kaser §§ 7 I 1e, 8 I 2e, 24 IV 2, 38 II 4, 47, 59 I, 79; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 47, 64; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der altgermanischen Schenkung, ZRG GA 53 (1933), 35; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Dorn, F., Die Landschenkungen der fränkischen Könige, 1991 Scherbengericht -> Ostrakismus Scheren (N.) -> Haarscheren Scherge (M.) Büttel, Gerichtsdiener Schiedsgericht ist die außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit stehende Entscheidungsstelle. Bereits das römische R. kennt das S. Im Mittelalter erscheint vielleicht unter oberitalienisch-kirchlichem Einfluss das S. im 13. Jh. in Süddeutschland. Es setzt eine Vereinbarung der streitenden Teile, sich dem Spruch des Schiedsgerichts zu unterwerfen, voraus. Das Verfahren ist formlos. Im Laufe der frühen Neuzeit tritt das S. zurück, wird aber im 19. Jh. (Berlin 1820) durch die Wirtschaft neu belebt. Durch die deutsche Zivilprozessordnung von 1877/1879 wird der Spruch des Schiedsgerichts dem Urteil gleich- gestellt. Lit.: Kaser §§ 46 III 1, 80 II; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 115; Usteri, E., Das öffentlichrechtliche Schiedsgericht in der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1925; Bader, K., Das Schiedsverfahren in Schwaben, Diss. Freiburg im Breisgau 1929; Krause, H., Die geschichtliche Entwicklung des Schiedsgerichtswesens, 1930; Waser, H., Das öffentlich-rechtliche Schiedsgericht, 1935; Waser, H., Das zwischenstaatliche Schiedsgericht, 1960; Quellen zur Schiedsgerichtsbarkeit im Grafenhause Savoyen 1251 bis 1300, bearb. v. Waser, Hans, 1961; Kobler, M., Das Schiedsgerichtswesen nach bayerischen Quellen des Mittelalters, 1967; Ziegler, K., Das private Schiedsgericht im antiken römischen Recht, 1971; Lingens, K., Internationale Schiedsgerichtsbarkeit und ius publicum Europaeum, 1988; Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, hg. v. Brieskorn, N. u. a., 1994, 193; Schubel, B., Geschichte und Gegenwart außergerichtlicher Erledigung von Strafsachen, 1997; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung, 1999; Kampmann, C., Arbiter und Friedensstifter, 2001; Kamp, H., Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, 2001; Meyerhuber, S., Die privilegierte Austragsgerichtsbarkeit der freien Reichsstadt Weißenburg, 2004 Schiedsmann Lit.: Koch, A., Die historische Entwicklung des Schiedsmannswesens in Preußen von 1808 bis 1900, 2003 Schifffahrt -> Seerecht Lit.: Straub, K., Die Oberrheinschifffahrt im Mittelalter, Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1912; Spieker, H., Die Schiffsgewalt des Handelsschiffskapitäns im Mittelalter, 1949; Heinsius, P., Das Schiff der hansischen Frühzeit, 1956; Huber, R., Die ehemaligen Schifffahrtsrechte auf Zürichsee, Linth und Walensee, 1958; Olechnowitz, K., Der Schiffbau der hansischen Spätzeit, 1960; Kischel, D., Die Geschichte der Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Schubert, W., Das Schiffssachenrecht der Kaiserzeit und dessen Reform von 1940, ZRG GA 109 (1992), 209; Häfen, Schiffe, Wasserwege, hg. v. Elmshäuser, K., 2002 Schikaneeid -> Kalumnieneid Schilderhebung ist die Erhebung auf einen Schild als Zeichen der Bestimmung zum Anführer oder König bei den Germanen. Lit.: Mayer, E., Schilderhebung, ZRG GA 35 (1914), 436; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972 Schilling ist seit dem Frühmittelalter eine anfangs nicht ausgeprägte Rechnungseinheit für Geld. Seit dem 13. Jh. wird der S. auch 691 ausgeprägt. Die Geldeinheit wird noch in der Gegenwart verwendet (Großbritannien bis 1971, Österreich seit 1925). Lit.: Köbler, WAS; Baltl/Kocher; Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 1896, Neudruck 1972; Jaekel, H., Die leichten Goldschillinge der merowingischen Zeit, ZRG GA 43 (1922), 103; Engler, S., Altnordische Geldwörter, 1991 Schilter, Johann (29. 8. 1632-14. 5. 1705) wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Jena und Leipzig Verwaltungsbeamter in Sachsen, 1681 Berater und 1699 ordentlicher Professor in Straßburg. In seinen (lat.) Exercitationes (F.Pl.) ad L libros pandectarum (1672, Übungen zu den 50 Büchern der Pandekten) verbindet er gemeinrechtliche Grundsätze mit geschichtlichen Betrachtungen des einheimischen Rechts. In seinem (lat.) Thesaurus (M.) antiquitatum Teutonicarum (1727/8, Schatz deutscher Altertümer) bietet er auch ein wertvolles Glossar. Lit.: Giraud, M., Eloge de Schilter, 1845; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 2 1884, Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 208 Schinder (M.) Abdecker, Henkersknecht, Scharfrichter Lit.: Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928, Neudruck 1972, 54; Nowosadtko, J., Scharfrichter, 1994 Schinderhannes (Johannes Wilhelm Bückler) (Miehlen im Taunus 1778?-Mainz 1803), Schinderssohn, wird im fahrenden Volk zum Anführer einer 20 Straßenraube, 30 Einbrüche und dreier Morde beschuldigter Bande. Lit.: Radbruch G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951; Elwenspoek, C., Schinderhannes, 1953; Nacken, E., Die wahre Geschichte des Johannes Wilhelm Bückler, 1968; Die Mainzer Voruntersuchungsakten gegen die Schinderhannes- Bande, bearb. v. Fleck, U., elektronisches Buch auf CD- ROM, 2004 Schirm (M.) Schutz Schisma (N.) Kirchenspaltung (z. B. 1378- 1417) Lit.: Bayer, A., Spaltung der Christenheit. Das sogenannte morgenländische Schisma von 1054, 2004; Ebendorfer, T., Tractatus de schismatibus, hg. v. Zimmermann, H., 2004; Vom Schisma zu den Kreuzzügen, hg. v. Bruns, P. u. a., 2005 Schlacht ist der mit Waffen ausgetragene Kampf zweier Heere. Lit.: Erben, W., Die Schlacht bei Mühldorf 28. September 1322, 1923; Förster, S./Pöhlmann, M./Walter, D., Schlachten der Weltgeschichte, 2001 Schlesien an der mittleren und oberen Oder trägt seinen Namen nach den germanisch- vandalischen Silingen, denen Slawen folgen. Es untersteht im 10. Jh. Böhmen, danach Polen. 1138 entsteht das piastische Teilfürstentum S., das mehrfach teilt. Zahlreiche deutsche Siedler ziehen zu. 1327/1329 unterstellen sich viele schlesische Herzöge Böhmen. 1356 entsteht das Landrecht des Fürstentums Breslau. 1526 gelangt S. mit Böhmen an -> Habsburg. 1742/4 gewinnt -> Preußen große Teile von S. 1910 sind 23% der Bevölkerung polnischsprachig. 1918/1919 fällt der bei Österreich verbleibende Rest an die Tschechoslowakei, 1919 bzw. 1945/1990 der zu Preußen gelangte Teil unter Vertreibung der Deutschen an -> Polen. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung, Bd. 1f. 1893; Rachfahl, F., Zur Geschichte der Grundherrschaft in Schlesien, ZRG GA 16 (1895), 108; Schlesische Lebensbilder, Bd. 1ff. 1922ff., Pfitzner, J., Geschichte der Bergstadt Zuckmantel, 1924; Bretschneider, P., Das Gründungsbuch des Klosters Heinrichau, 1927; Gottschalk, J., Beiträge zur Rechts-, Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte des Kreises Militsch, 1930; Deutsche Texte aus Schlesien, hg. v. Bindewald, H., 1935; Goerlitz, T., Das flämische und das fränkische Recht in Schlesien und ihr Widerstand gegen das sächsische Recht, ZRG GA 57 (1937), 138; Loesch, H. v., Die schlesische Weichbildverfassung der Kolonisationszeit, ZRG GA 58 (1938), 311; Freitag, D., Das schlesische Behördenwesen, Diss. jur. Breslau 1937; Goerlitz, T., Die Oberhöfe in Schlesien, 1938; Frohloff, H., Die Besiedlung des Kreises Neustadt Oberschlesien, 1938; Schilling, F., Ursprung und Frühzeit des Deutschtums in Schlesien, 1938; Uhtenwoldt, H., Die Burgverfassung in der Vorgeschichte und Geschichte Schlesiens, 1938; Quellen zur schlesischen Handelsgeschichte bis 1526, Bd. 1 bearb. v. Scholz- Babisch, M. u. a., 1940; Klein, Franz, Eine bauernrechtliche Quelle des 15. Jahrhunderts aus Schlesien, ZRG GA 65 (1947), 361; Loesch, H. v., Beiträge zur schlesischen Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1964; Menzel, J., Jura ducalia, die mittelalterlichen Grundlagen der Domanialverfassung in Schlesien, 1964; Loesch, H. v., 692 Verfassungsgeschichte Schlesiens, 3. A. 1961; Grawert- May, G. v., Das staatsrechtliche Verhältnis Schlesiens, 1971; Geschichte Schlesiens, Bd. 2 Die Habsburgerzeit 1526-1740, hg. v. Petry, L. u. a., 1973; Petry, L., Dem Osten zugewandt, 1983; Higounet, C., Die deutsche Ostsiedlung, 1986; Sommer, F., Die Geschichte Schlesiens, 1987; Kontinuität und Wandel. Schlesien zwischen Österreich und Preußen, hg. v. Baumgart, P., 1990; Schlesien, hg. v. Conrads, N., 1994; Hofmann, A., Die Nachkriegszeit in Schlesien, 2000; Bartosz, J./Hofbauer, H., Schlesien, 2000; Bahlcke, J., Schlesien und die Schlesier, 2. A. 2000 Schlesisches Landrecht -> Breslauer Landrecht Schleswig -> Schleswig-Holstein Lit.: Haff, K., Übereinstimmungen im Stadtrechte von Schleswig (Haithabu) und in dem Bjärköa-Ret, ZRG GA 59 (1939), 277 Schleswig-Holstein ist das aus Schleswig und Holstein zusammengesetzte Land der Bundesrepublik Deutschland. Davon erscheint Holstein um 800 als nördlicher Teil des Stammesgebietes der -> Sachsen. Schleswig ist seit 1232 Herzogtum. 1326 erzwingt der Graf von Holstein den Ausschluss einheitlicher Herrschaft über Dänemark und Schleswig. 1386 erlangt er Schleswig als Lehen Dänemarks. Seitdem bleiben Schleswig als Lehen Dänemarks und Holstein als Lehen des Reiches in fester Verbindung. Seit dem 18. Jh. gehören die Herzogtümer Schleswig und Holstein zu Dänemark, sind aber verwaltungsmäßig selbständig. Daraufhin be- ginnt Dänemark Schleswig von Holstein zu trennen. Am 30. 10. 1864 muss Dänemark S. und Lauenburg an Preußen und Österreich abtreten. Deren gescheiterte gemeinsame Verwaltung löst 1866 das Ende des -> Deutschen Bundes aus. Österreich muss sich mit der Einverleibung Schleswig-Holsteins in Preußen einverstanden erklären. Nordschleswig kommt 1920 auf Grund einer Volksab- stimmung an Dänemark. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Falck, N., Handbuch des schleswig-holsteinischen Privatrechts, Bd. 1ff. 1825ff.; Kahler, O., Das schleswig- holsteinische Landesrecht, 2. A. 1923; Haff, K., Die Grenzen der Rechtsgebiete in Schleswig-Holstein, ZRG GA 45 (1925), 413; Carstens, W., Die Landesherrschaft der Schauenburger, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 55 (1926), 287; Hedemann-Heespen, P. v., Die Herzogtümer Schleswig- Holstein und die Neuzeit, 1926; Andresen, L./Stephan, W., Beiträge zur Geschichte der Gottorfer Hof- und Staatsverwaltung, Bd. 1f. 1928; Pauls, V., Hundert Jahre Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte, 1933; Jacoby, G., Herzog Johann der Ältere von Schleswig-Holstein und die Abfassung des Spade- Landesrechts, ZRG GA 55 (1935), 263; Carstens, W., Untersuchungen zur Geschichte des Adels, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinsche Geschichte 63 (1935), 66; Wohlhaupter, E., Rechtsquellen Schleswig-Holsteins, Bd. 1 1938; Wohlhaupter, E., Das Recht Schleswig-Holsteins und der Norden, Zs. d. Gesellschaft f. schleswig-holsteinische Geschichte 70/71 (1943), 49; Wohlhaupter, E., Volkstum und Recht in Schleswig-Holstein, Kieler Blätter 1943, 67; Hauser, O., Staatliche Einheit und regionale Vielfalt in Preußen, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,526, 3,3,2906; Lange, U., Die politischen Privilegien der schleswig-holsteinischen Stände, 1980; Herzog Adolfs Urteilbuch 1544-1570, hg. v. Prange, W., 1985; Krech, J., Das schleswig- holsteinische Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985; Opitz, E., Schleswig-Holstein, 1988; Obergerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein, 1988; Rheinheimer, M., Dorfwillkür und Obrigkeit im Herzogtum Schleswig, ZRG GA 113 (1996), 377; Bremicker, S., Schleswig-Holstein als Kondominium, 1994; Die Anfänge des Landes Schleswig-Holstein, 1997; Werner, N., Die Prozesse gegen die Landvolkbewegung in Schleswig-Holstein 1929/1932, 2001 Schlettwein, Johann August (Großobringen bei Weimar 8. 8. 1731-Dahlen/Mecklenburg 24. 4. 1802) wird nach dem Studium von Theologie, Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft in Jena (Darjes) 1763 Hofrat in Baden und Anhänger des Physiokratismus sowie 1777 Professor der ökonomischen Fakultät in Gießen. Lit.: Krebs, A., Johann August Schlettwein, 1909; Johann August Schlettwein, hg. v. Schlettwein, C., 1981 Schlichtung Lit.: Bähr, J., Staatliche Schlichtung in der Weimarer Republik, 1989; Brauchischt, I. v., Staatliche Zwangsschlichtung, 1990 Schloss Lit.: Merz, W., Schloss Zwingen im Birstal, 1923 Schlözer, August Ludwig (Grafschaft Hohenlohe 1735-Göttingen 1809) wird nach 693 dem Studium der Theologie in Wittenberg und der Sprachen, Geschichte und Staatswissen- schaften in Göttingen aufgeklärter Professor in Göttingen. Lit.: Schlözer, A., Allgemeines Staatsrecht und Staatsverfassungslehre, 1793; Fürst, F., August Ludwig Schlözer, 1928; Warlich, B., August Ludwig von Schlözer, Diss. phil. Erlangen 1972 Schlüssel ist das zum Öffnen eines Schlosses bestimmte Gerät, das als Rechtssymbol verwendet werden kann. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Mandel, G., Der Schlüssel, 1993 Schlüsselgewalt ist die durch den Schlüssel verkörperte Handlungsgewalt. In der Kirche steht die Gesamtheit der von Jesus Christus zum Heil der Menschen seiner Kirche gestifteten Gewalten nach Matthäus 16,19 Petrus bzw. seinem Nachfolger zu. In der Ehe hat seit dem Mittelalter die Frau, jetzt jeder Ehegatte im deutschen Recht die Berechtigung, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs einer Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Lit.: Hübner 653, 681; Köbler, DRG 122; Rosenfeld, K., Die Schlüsselgewalt, 1900; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wagner-Ogris, E., Die dingliche Wirkung der Schlüsselgewalt, 1994 Schlyter, Carl Johann (1795-1888) wird nach dem Rechtsstudium in Lund 1816 Dozent und 1838 Professor. Er ist Schwedens erster, von der historischen Rechtsschule geprägter Rechtshistoriker. In 13 Bänden veröffentlicht er die älteren schwedischen Rechtsquellen. Lit.: Schlyter, C., Samling af Sweriges gamla lagar, 1822ff.; Wissen, T., Minne af Carl Johan Schilter, 1890; Sandström, M., Die Herrschaft der Rechtswissenschaft, 1898; Sundell, J., Karl Schlyter, 1998 Schmauß, Johann Jacob (Landau/Pfalz 10. 3. 1690-Göttingen 8. 4. 1757) wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg und Halle (Thomasius, Gundling) Hofrat in Baden- Durlach und 1734 Professor für öffentliches Recht in Göttingen, Halle, Leipzig und Göttingen (1744). Er trennt das -> Naturrecht von der kirchlichen Moral und das Staatsrecht von der Geschichte. Sein (lat.) Compendium (N.) iuris publici (Handbuch des öffentlichen Rechts) dient der praktischen Verbesserung der juristischen Ausbildung. Lit.: Pütter, J., Versuch einer academischen Gelehrtengeschichte, Bd. 2 1788; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius, 1968; Hammerstein, N., Ius und Historie, 1972; Sellert, W., Johann Jakob Schmauß, JuS 25 (1985), 843 Schmerzensgeld ist die Entschädigung in Geld für einen immateriellen Schaden. Seit dem 17. Jh. wird im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) unter Fortführung ein- heimischer Vorstellungen auch der bei Körperverletzung entstehende Schmerz durch einen Vermögenswert ausgeglichen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) beschränkt den Geldersatz bei Nichtvermögensschäden auf besonders benannte Tatbestände. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird von der Rechtsprechung S. entgegen der gesetzlichen Vorschrift unter Berufung auf das deutsche Grundgesetz auch bei bisher nicht erfassten Rechtsgüterver- letzungen gewährt. Lit.: Köbler, DRG 166, 217, 271; Schneider, E./Biebrach, J., Schmerzensgeld, 1994; Walter, U., Geschichte des Schmerzensgeldanspruchs bis zum BGB, 2004 Schmitt, Carl (Plettenberg 11. 7. 1888-7. 4. 1985) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, München und Straßburg Professor für Staatsrecht in Greifswald (1921), Bonn (1922), Berlin (1928 Handelshochschule), Köln (1933) und Berlin. Im Prozess Preußen gegen das Reich im Juli 1932 ist ihm in Verbindung mit Kurt von Schleicher die Wiederherstellung geordneter Verhältnisse das Ziel. 1933 wird er Mitglied der -> Nationalsozialistischen Deut- schen Arbeiterpartei, 1934 Herausgeber der Deutschen Juristenzeitung. Unter Ablehnung des liberalen Rechtsstaats der durch Parteienzersplitterung gekennzeichneten Wei- marer Republik rechtfertigt er die nationalsozialistische Ordnung und bejaht die antidemokratische Selbstbehauptung des starken Staates als Alternative zum Untergang. 1937 legt er seine Parteiämter nieder. 1945 verliert er sein Lehramt, bleibt aber trotz erheblicher Widerstände (z. B. Ernst Friesenhahn) über Schüler im Gespräch. Lit.: Schmitt, C., Verfassungslehre, 1928; Schmitt, C., Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen 694 Denkens, 1934; Festschrift für Carl Schmitt, hg. v. Barion, H. u. a., 1959; Bendersky, J., Carl Schmitt, 1983; Hofmann, H., Legitimität gegen Legalität, 3. A. 1995; Rüthers, B., Carl Schmitt im Dritten Reich, 2. A. 1990; Noack, P., Carl Schmitt, 1993; Koenen, A., Der Fall Carl Schmitt, 1995; Rüthers, B., Altes und Neues von und über Carl Schmitt, NJW 1996, 896; Begemann, R., Das Privatrecht im Werk von Carl Schmitt, Diss. jur. Göttingen 1997; Dahlheimer, M., Carl Schmitt und der deutsche Katholizismus, 1998; Hernandez Arias, J., Donoso Cortes und Carl Schmitt, 1998; Hans Kelsen und Carl Schmitt, hg. v. Diener, D. u. a., 1999; Blindow, F., Carl Schmitts Reichsordnung, 1999; Rüthers, B., Immer noch Neues zu Carl Schmitt?, NJW 1999, 2861; Lutz, B., Carl Schmitt und der Staatsnotstandsplan, 1999; Gross, R., Carl Schmitt und die Juden, 2000; Schmitt, C., Antworten in Nürnberg, hg. v. Quaritsch, H., 2000; Seiberth, G., Anwalt des Reiches, 2001; Blasius, D., Carl Schmitt, 2001; Benoist, A. de, Carl Schmitt. Bibliographie, 2003; Müller, J., A Dangerous Mind, 2003; Meier, H., Die Lehre Carl Schmitts, 2. A. 2004 Schmuggel Lit.: Jarren, V., Schmuggel und Schmuggelbekämpfung in den preußischen Westprovinzen 1818-1854, 1992 Schöffe ist in der Gegenwart der ehrenamtliche Richter. Der S. erscheint zwischen 770 und 780 im fränkischen Reich (Italien 774), als Karl der Große je sieben geschworene Schöffen (lat.- afrk. [M.Pl.] scabini) anstelle der älteren -> Rachinburgen zum alleinigen Abgeben von Urteilsvorschlägen bestimmt. In der Folge setzt sich der S. als Urteiler durch (meist 7, 12, 14 oder 24 Schöffen). In der frühen Neuzeit verschwinden in den meisten Gerichten allmählich die ungelehrten Schöffen, während der vom Landesherrn abhängige, beamtete, gelehrte Berufsrichter, der nicht nur den Vorsitz führt (richtet), sondern auch die Entscheidung trifft (urteilt), seinen Einzug hält. Im 19. Jh. belebt der Liberalismus den Schöffen als ehrenamtlichen Richter neben dem gelehrten Berufsrichter wieder im -> Schwurgericht bzw. -> Schöffengericht. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86, 114, 116, 117, 118, 154; Köbler, WAS; Brunner, H., Forschungen zur Geschichte, 1894, 248; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Althoffer, B., Les scabins, 1938; Kern, E., Die Gerichtsbeisitzer, FS W. Sauer, 1949, 71; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines, 1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Hagemann, H., Zur Krise spätmittelalterlicher Schöffengerichtsbarkeit, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 89; Landau, P., Schwurgerichte und Schöffengerichte in Deutschland im 19. Jahrhundert, in: The Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241; Ebel, F., Die Magdeburger Schöppen und das Kirchenrecht, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 64 Schöffenbarfreier ist nach dem -> Sachsenspiegel (1221-1224) Eike von Repgows der zur Schöffentätigkeit geeignete Freie. Die Zahl der Quellenbelege ist gering. Die Abgrenzung von Ministerialen einerseits und Edelfreien oder Vollfreien andererseits ist nicht überzeugend zu bewältigen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Zallinger, O. v., Die Schöffenbarfreien des Sachsenspiegels, 1887; Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905; Kroeschell, K., Rechtsaufzeichnungen und Rechts- wirklichkeit, in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 349 Schöffenbuch ist das von Schöffen seit dem Spätmittelalter z. B. über Urteile geführte Buch. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schulze, A., Das Schöffenbuch der Gemeinde Niederhalbendorf bei Schönberg O.-L., Neues lausitzisches Magazin 101 (1925), 33; Das Schöffenbuch der Dorfgemeinde Krzemienica aus den Jahren 1451-1482, hg. v. Doubek, F. u. a., 1931; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Hinz, B., Die Schöppenbücher der Mark Brandenburg, 1964 Schöffengericht ist das mit -> Schöffen besetzte Gericht, insbesondere das im 19. Jh. mit Schöffen neben Berufsrichtern besetzte Gericht. Lit.: Köbler, DRG 203, 234; Sickel, W., Die Entstehung des Schöffengerichts, ZRG GA 6 (1885), 1; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Hadding, G., Schwurgerichte in Deutschland, 1974; Hagemann, H., Zur Krise spätmittelalterlicher Schöffengerichtsbarkeit, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 89; Landau, P., Schwurgerichte und Schöffengerichte in Deutschland im 19. Jahrhundert, in: The Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241 Schöffenrecht -> Magdeburger Schöffenrecht Schöffenspruch ist das von Schöffen gefällte Urteil. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 105; Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren, 1868; Kisch, H., 695 Schöffenspruchsammlungen, ZRG GA 39 (1918), 346; Leipziger Schöffenspruchsammlung, hg. v. Kisch, G., 1919; Granzin, M., Schöffenspruchsammlung in einer Torgauer Handschrift, ZRG GA 54 (1934), 244; Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, hg. v. Goerlitz, T., 1944; Gudian, G., Die Begründung in Schöffensprüchen des 14. und 15. Jahrhunderts, 1960; Ebel, F., Unseren fruntlichen grus zuvor, hg. v. Fijal, A. u. a., 2004 Schöffenstuhl (mnd. Schöppenstuhl) ist die Bezeichnung für das Schöffengericht im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation), das teilweise als Oberhof tätig wird (z. B. Halle, Leipzig, Jena). Der S. zu Halle endet 1863 wegen Unterschreitens der Mindestmitgliederzahl von drei Schöffen, der zu Jena 1882. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1 1901; Vollert, M., Der Schöppenstuhl zu Jena, Z. d. Ver. thür. Gesch. N.F. 28 (1929), 189; Boehm, E., Der Schöppenstuhl zu Leipzig, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 59 (1940), 371ff.; Buchda, G., Schöffenstuhlsiegel, ZRG GA 61 (1941), 257; Buchda, G., Zur Geschichte des hallischen Schöppenstuhls, ZRG GA 67 (1950), 416 Schola Lit.: Mayer, E., Schola-skola, ZRG GA 32 (1911), 316; Mayer, E., schola-skola, ZRG GA 33 (1912), 482 Scholastik ist die seit dem Frühmittelalter in kirchlichen Schulen (z. B. Laon, Paris) entwickelte Art, die bisher nur weiter- gegebenen christlichen Glaubensinhalte mit einer besonderen Methode neu zu durchdenken (Denkform). Die scholastische (dialektische) Methode der Wissensbehandlung ist gekennzeichnet durch klares Herausarbeiten der Frage, scharfe Abgrenzung und Unter- scheidung von Begriffen, logisch geformte Beweise und Erörterungen der Gründe und Gegengründe (z. B. Anselm von Canterbury, Robert Grosseteste, Gratian, Anselm von Laon, Hugo von Sankt Viktor, Wilhelm von Conches, Thierry von Chartres, Peter Abaelard, Gilbertus Porretanus, Petrus Lombardus, Johannes von Salisbury, Vaccarius, Petr von Blois). Den Höhepunkt der S. bilden die Arbeiten des italienischen Dominikaners Thomas von Aquin (1225-1274). Überwunden wird die S. durch -> Nikolaus von Kues (1401-1464). Die S. wirkt sich auch auf die mittelalterliche Rechtswissenschaft aus. Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 99; Kantorowicz, H., Albertus Gandinus, Bd. 1f. 1907ff.; Thieme, H., Natürliches Privatrecht und Spätscholastik, ZRG GA 70 (1953), 230; Grabmann, M., Die Geschichte der scholastischen Methode, Bd. 1f. 1909ff., Neudruck 1957; Nufer, G., Über die Restitutionslehre der spanischen Spätscholastiker, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Weigand, R., Die Rechtslehre der Scholastik, Ius canonicum 16 (1976), 61; Schönberger, G., Was ist Scholastik?, 1991; Southern, R., Scholastic Humanism and the Unification of Europe, 1995ff.; Die Ordnung der Praxis, hg. v. Grunert, F./Seelmann, K. 2001 Scholia (N.Pl.) Sinaitica (lat. Sinaitische Erklärungen) ist der Name des im Sinaikloster überlieferten, von der antiquarisch- klassizistischen Richtung der oströmischen spätantiken Rechtswissenschaft vermutlich in Beryt geschaffenen Kommentars zu Ulpian, libri ad Sabinum (Bücher zu Sabinus) mit Hinweisen auf Parallelstellen in anderen Texten. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53; Krüger, H., Geschichte der Quellen und Literatur, 2. A. 1912, 362 Schollenbindung (F.) Bindung eines Menschen an ein von ihm zu bewirtschaftendes Grundstück Schonen im Süden Schwedens, aber bis 1658 zu Dänemark gehörig, überliefert in zahlreichen Handschriften ein zwischen 1202 und 1216 abgefasstes, in seiner ältesten Handschrift in 241 Kapitel geteiltes -> Rechtsbuch (Schonisches Landrecht, Skanske Lov, Skanelagen) eines unbekannten Verfassers in altdänischer Sprache. Eine lateinische Summe hierzu in 150 Kapiteln (str.) ist der (lat.) Liber (M.) legis Scaniae (Rechtsbuch Schonens) des Lunder Erzbischofs Andreas Sunesson von 1202 bis 1216. Neben dem Schonischen Landrecht steht ein schonisches Kirchenrecht (von 1171?). Ein schonisches Stadtrecht (biaerkeraett) in 54 Kapiteln stammt vielleicht aus der ersten Hälfte des 13. Jh.s. Lit.: Andersson, I., Skanes Historia, 1947ff.; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 88, 94; Anders Sunesen, hg. v. Ebbesen, S., 1985, 243; Hafström, G., De svenska rättskällornas historia, 1978 Schönfelder, Heinrich (1902-1942) ist der Begründer der wichtigsten privaten Gesetzessammlung des Privatrechts und 696 Strafrechts in Deutschland im 20. Jh. Lit.: Wrobel, H., Heinrich Schönfelder. Sammler Deutscher Gesetze 1902-1944, 1997 Schorndorf Lit.: Palm, G., Geschichte der Amtsstadt Schorndorf, 1959 Schoß (1) ist der von Unterbauch und Oberschenkel gebildete Teil des menschlichen Körpers, der rechtssymbolisch verwendet werden kann (z. B. in oder auf den S. setzen, werfen oder fallen). Lit.: Hübner 765; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994 Schoß (2) ist der mittelalterliche Name für eine Abgabe oder Steuer. Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963, 60 Schottland ist der nördliche Teil der britischen Hauptinsel mit einigen vorgelagerten Inseln. S. ist im Frühmittelalter (um 850) ein eigenes Königreich, dessen Sitz am Ende des 11. Jh.s Edinburgh wird und das 1174 die Lehnshoheit des Königs von -> England anerkennen muss. 1328 wird die Unabhängigkeit zurück- gewonnen. 1603 wird der aus dem Hause -> Stuart stammende König auch König von -> England. Beide Königreiche werden in -> Personalunion, seit 1707 in -> Realunion miteinander verbunden. Nach einer Volksabstimmung (1997) erhält S. zum 1. 1. 2000 wieder ein eigenes Parlament in Edinburgh mit Zuständigkeiten für Gesundheit, Wohnungsbau, Justiz, Verkehr, Landwirtschaft und Bildung. (Zentral bleibt die Verantwortung für Außenpolitik, Verteidigung, soziale Sicherheit und makroökonomische Fragen). Das schottische Recht ist stärker römischrechtlich beeinflusst. Lit.: Stair, J., The institutions of the law of Scotland, 1693; Stein, P., The Influence of Roman Law on the Law of Scotland, SDHI 23 (1957), 149; Willock, J., The origins and development of the jury in Scotland, 1966; The acts and constitutions of the realm of Scotland, hg. v. Luig, K., 1971; Regiam maiestatem. Scotiae veteres leges et constitutiones, hg. v. Luig, K., 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,62,989, 2,2,501,1431; Luig, K., Sammelbericht Schottische rechtshistorische Literatur der Jahre 1958- 1975, ZRG GA 93 (1976), 546; Kellas, J., The Scottish political system, 3. A. 1983; Sager, P., Schottland, 5. A. 1985; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985; Gouldesbrough, P., Formulary of Old Scots Legal Documents, 1985; Sellar, W., Legal History in Scotland, ZNR 1987; Walker, D., A Legal History of Scotland, 1988ff. Bd. 1ff.; Marshall, E., General principles of Scots law, 6. A. 1995; Whyte, I., Scotland before the Industrial Revolution, 1995; The Civilian Tradition and Scots Law, hg. v. Carey Millar, D. u. a., 1997; Ditchburn, D., Scotland and Europe, 2001 Schra (F.) Haut (als Beschreibstoff für eine Rechtsquelle) Lit.: Schlüter, W., Die Nowgoroder Schra, 1911 Schranne (F.) Bank, Verkaufsstand Schreiber ist der Hersteller der geschriebenen Fassung eines Textes. Im Altertum sind S. vielfach gelehrte Sklaven. Im Frühmittelalter ist der S. zumindest seit dem 8. Jh. grundsätzlich Geistlicher. Im Hochmittelalter stellen insbesondere die Städte eigene S. ein (in Freiburg im Breisgau z. B. seit 1293 namentlich bekannt). Mit der allgemeinen Ausbreitung der Schreibkenntnisse seit der frühen Neuzeit wird der S. an vielen Stellen überflüssig. Für das Recht sind insbesondere die Urkundenschreiber, dann die Stadtschreiber und seit dem Spätmittelalter die Gerichts- schreiber bedeutsam. Lit.: Heuberger, R., Fränkisches Pfalzgrafenzeugnis und Gerichtsschreibertum, MIÖG 41 (1926), 46; Liermann, H., Richter, Schreiber, Advokaten, 1957; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960; Breiter, E., Die Schaffhauser Stadtschreiber, 1962; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Brod, W., Fränkische Schreibmeister und Schreibkünstler, 1968; Thiele, F., Die Freiburger Stadtschreiber im Mittelalter, 1973; Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 1986; Hoheisel, P., Die Göttinger Stadtschreiber, 1998 Schreinsbuch -> Schreinskarte Schreinskarte ist seit dem Hochmittelalter die im Heiligenschrein verwaltete Urkunde über ein Grundstücksgeschäft. Sie erscheint seit etwa 1130 in Köln (Laurenz I), wo sich 1473 insgesamt 23 Schreine befinden. Sie soll im Streitfall den Beweis erleichtern. Im Laufe der Zeit (1220-1240) werden die Schreinskarten in Schreinsbücher überführt. Seit dem 15. Jh. bildet die Eintragung eine Voraussetzung für die Wirksamkeit des zugehörigen Rechts- geschäfts. -> Grundbuch Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Kölner Schreinsurkunden des 12. Jahrhunderts, hg. v. Hoeniger, 697 R., Bd. 1f. 1884ff.; Beyerle, K., Die Anfänge des Kölner Schreinswesens, ZRG GA 51 (1931), 318; Planitz, H., Konstitutivakt und Eintragung, FS A. Schultze, 1934, 175; Conrad, H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln, 1935; Schönrath, P., Das Deutzer Schreinsbuch, 1936; Die Kölner Schreinsbücher, hg. v. Planitz, H. u. a., 1937; Groten, M., Die Anfänge des Kölner Schreinswesens, Jb. d. Kölner Gesch. Ver. 56 (1985), 1 Schrift ist die Gesamtheit sichtbarer Linien (und Punkte) zur dauerhaften Wiedergabe menschlicher Sprache. Ihre ersten bildlichen Vorstufen entwickeln sich um 5000 v. Chr. Der Übergang vom gesprochenen zum geschrie- benen Wort erfolgt bei Griechen und Römern schon früh, während die Germanen über Anfänge kaum je hinausgelangen. Bereits die Zwölftafelgesetze Roms (451/450 v. Chr.) sind schriftlich veröffentlicht. In der römischen Kultur ist die Schrift selbstverständlich. Dieser Stand wird nach frühmittelalterlichen Anfängen, in denen schon früh Recht (lateinisch) verschriftlicht wird (-> Volks- rechte) und seit dem 10. Jh. beispielsweise in Venedig die Verwendung von S. erkennbar zunimmt, vielleicht im 13. Jh. wieder erreicht. Seitdem wird Schriftlosigkeit allmählich zu einem abwertenden Merkmal. Um 1500 können etwa 2-6 % der Bevölkerung lesen und schreiben. Seit dem 15. Jh. erfolgt die Vervielfältigung von Schrift durch den Druck, seit dem 19. Jh. das durch Schulpflicht verallgemeinerte Schreiben mit Hilfe von Maschinen und seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s mit Hilfe der Elektronik. Verschiedentlich bedarf ein rechtliches Verhalten zu seiner Wirksamkeit der S. Lit.: Kaser §§ 7 IV, 87 II; Köbler, DRG 3, 9, 14, 79, 98, 108; Hajnal, I., L'enseignment de l'écriture, 1954; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977; Bischoff, B., Paläographie, 2. A. 1986; Trost, V., Skriptorium, 1991; Haarmann, H., Universalgeschichte der Schrift, 2. A. 1991; Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens, 1999; Fees, I., Eine Stadt lernt schreiben, 2002; Haarmann, H., Geschichte der Schrift, 2002 Schriftform ist die durch -> Schrift zu wahrende -> Form menschlichen Verhaltens. Schriftlichkeit ist das in -> Schrift Gehaltensein. Die S. als Verfahrensgrundsatz setzt sich im gelehrten Zivilprozess des Spätmittelalters durch (lat. -> quod non est in actis non est in mundo, was nicht in den Akten ist, ist nicht auf der Welt). Der Liberalismus des 19. Jh.s drängt die S. im Verfahren zumindest der Idee nach zurück. Tatsächlich steigt aus Beweisgründen auch im ausgehenden 20. Jh. die Bedeutung der S. noch. Lit.: Köbler, DRG 79; Nörr, K., Reihenfolgeprinzip, Terminsequenz und ,,Schriftlichkeit", ZZP 85 (1972), 160; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter, hg. v. Keller, H. u. a., 1992; Schriftlichkeit im frühen Mittelalter, hg. v. Schaefer, U., 1993 Schriftsasse ist der im Gerichtsstand erster Instanz dem Hofgericht oder einer anderen Zentralbehörde zugeordnete -> Landsasse. Schriftsässigkeit ist die bevorrechtigte unmittelbare Unterstellung eines Menschen (oder einer Sache) unter die obere landesherrliche Behörde vom Spätmittelalter (etwa 1440) bis zum 19. Jh. (1848-1871). Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971 Schrobenhausen Lit.: Hamann, S., Schrobenhausen, 1977 Schröder, Richard (Treptow a. d. Tollense 19. 6. 1838-Heidelberg 3. 1. 1917), Vater Justizrat, später Rechtsanwalt (Studium in Göttingen und Berlin, Selbstmord), wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Richthofen, Homeyer, Beseler, Gierke) und kurz in Göttingen 1866 außerordentlicher Professor in Bonn und 1872 ordentlicher Professor in Würzburg, 1882 in Straßburg, 1885 in Göttingen und 1888 in Heidelberg. Er verfasst die Geschichte des ehelichen Güterrechts (1869ff.) und ein erfolgreiches Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte (1884ff.). Lit.: Stutz, U., Richard Schröder, ZRG GA 38 (1917), VII; Webler, M., Leben und Werk des Heidelberger Rechtslehrers Richard Carl Heinrich Schroeder, 2005 Schulchan `Arukh -> Karo Schuld ist einerseits die Bewertung eines Verhaltens als vorwerfbar (Verschulden), andererseits ein Verpflichtetsein zu einem Verhalten (Leistensollen). Die Vorwerfbarkeit wird grundsätzlich dort unbeachtet gelassen, wo das Eintreten eines Erfolges bereits eine Folge nach sich zieht. Von daher könnte von einem erst allmählichen Entstehen des Ver- 698 schuldens auszugehen sein. Verpflichtungen zur Leistung kennt schon das altrömische Recht. Innerhalb des Verschuldens wird im Laufe der Zeit zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit und weiteren Unterteilungen (unbedingter -> Vorsatz, bedingter Vorsatz, grobe -> Fahrlässigkeit, leichte Fahrlässigkeit) unterschieden. Bei den Verpflichtungen nimmt insbesondere ihre Zahl ins Unübersehbare zu. Streitig ist das Verhältnis von S. und -> Haftung. Lit.: Kaser § 32 II 5; Hübner 493; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 15, 26, 35, 42, 49, 62, 63, 91, 116, 126, 163, 166, 204, 213, 240, 263, 269; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Engelmann, W., Die Schuldlehre des Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910, Neudruck 1969; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1966), 150; Engelmann, W., Irrtum und Schuld, 1922, Neudruck 1975; Kuttner, S., Kanonistische Schuldlehre, 1935; Hasler, J., Geschichte der Verschuldungsfreiheit in der Schweiz, 1941; Rotthaus, K., Redde und Schult, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Benöhr, H., Die Entscheidung des BGB für das Verschuldensprinzip, TRG 46 (1978), 1; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld und Haftung, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 21; Zimmermann, R., The law of obligations, 1992; Luthe, R., Die zweifelhafte Schuldfähigkeit, 1998; Hattenhauer, C., Schuldenregulierung nach dem westfälischen Frieden, 1998; Stübinger, S., Schuld, Strafrecht und Geschichte, 2000; Schmidt-Recla, A., Theorien zur Schuldfähigkeit, 2000 Schuldanerkenntnis ist der einseitig verpflichtende Vertrag, in dem der eine Teil anerkennt, dem anderen eine Leistung als abstrakte Verbindlichkeit zu schulden. Im prozessualen Sinn kennt bereits das Mittelalter der Sache nach ein S. Schuldfähigkeit Lit.: Schmidt-Recla, A., Theorien zur Schuldfähigkeit, 2000 Schuldhaft ist die Haft wegen nicht erfüllter Schuld. Die S. entsteht aus der Schuldknechtschaft. Im Mittelalter kann bei fruchtloser Vermögensvollstreckung der Verur- teilte in private S. oder später in öffentliche S. genommen werden. Durch Gesetz vom 29. 5. 1868 (4. 5. 1868 in Österreich, 1869 Zürich, 1874 Schweiz) wird nach dem Vorbild Englands und Frankreichs (1867) die S. beseitigt. Lit.: Köbler, DRG 116; Rintelen, Max, Schuldhaft und Einlager im Vollstreckungsverfahren, 1908; Baumgart, R., Die Entwicklung der Schuldhaft im italienischen Recht des Mittelalters, 1914; Planitz, H., Der Schuldbann in Italien, ZRG GA 52 (1932), 134; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004 Schuldklage ist als Klage wegen einer Schuld eine Klageart seit dem Hochmittelalter. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973 Schuldknechtschaft ist die Überführung des nichtleistenden Schuldners in die Knechtschaft. Der Zugriff auf die Person des Schuldners steht im Mittelpunkt des klassischen römischen Zivilprozesses. Die S. ist auch dem germanischen und mittelalterlichen Recht bekannt. Danach wird sie von der -> Schuldhaft abgelöst. Im Deutschen Reich wird die Personalexekution durch Gesetz vom 16. April 1871 abgeschafft und durch die Realexekution ersetzt. Lit.: Kaser §§ 32 II 4c, 81 III 1, 85 II 2a; Söllner § 8; Hübner; Köbler, DRG 33, 202; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910, Neudruck 1969; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004 Schuldnerverzug -> Verzug Schuldrecht ist das Recht der Schuldverhältnisse. Es wird als eigenes Rechtsgebiet erst in der Neuzeit erkannt. Sachlich wird es hier stark vom römischen Recht geprägt. Seit dem 18. Jh. werden allgemeine Grundelemente als allgemeines Schuldrecht ausgesondert. Rechtstatsächlich nimmt das S. an Bedeutung stetig zu, weshalb das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) das S. auch vor dem Sachenrecht einordnet. Lit.: Köbler, DRG 164, 213, 217; Meyer, E., Über das Schuldrecht der deutschen Schweiz, 1913; Charmatz, H., Zur Geschichte und Konstruktion der Vertragstypen im Schuldrecht, 1937; Stumpf. Karlheinz, Das Schuldrecht in den Fürstentümern Ansbach-Bayreuth im 17. und 18. Jahrhundert. Diss. jur. München 1957; Wenn, H., Das Schuldrecht Samuel Pufendorfs, 1958; Schubert, W., Windscheids Briefe an Planck, ZRG RA (1978), 283; Walliser, P., Zur Entscheidung des Schuldrechts, in: Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979, 699 1979; Lieb, M., Grundfragen einer Schuldrechtsreform, AcP 183 (1983), 327; Medicus, D., Zum Stand der Überarbeitung des Schuldrechts, AcP 188 (1988), 168; Ebel, W., Grundlegung zu einer Darstellung eines deutschen Schuldrechts des Mittelalters, ZRG GA 105 (1988); Zimmermann, R., The law of obligations, 1992; Gaibler, B., Das Schuldrecht des Oberpfälzer Landrechts, 1995; Benke/Meissel, Übungsbuch zum römischen Schuldrecht, 3. A. 1996 Schuldschein Lit.: Wackernagel, J., Städtische Schuldscheine als Zahlungsmittel, Beiheft 2 der VSWG 1924, 1 Schuldturm ist der öffentliche Ort (in der Stadt), in dem der Schuldner zwecks Voll- streckung für den Gläubiger in Haft genommen wird. In Sachsen wird die Überantwortung des zahlungsunfähigen Schuldners in die Hand des Gläubigers in den kursächsischen Konsti- tutionen (1572) durch die öffentliche Haft im Schuldturm ersetzt. Die Personalexekution endet im Deutschen Reich durch Gesetz vom 16. 4. 1871. Lit.: Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004 Schuldübernahme ist die vertragsweise Übernahme einer bestehenden Schuld durch einen neuen Schuldner (neben oder anstatt des bisherigen Schuldners). Im römischen Recht ist die S. nur als Novation oder durch Prozess- vertretung möglich. Seit dem Spätmittelalter, vermehrt seit dem 18. Jh. wird die S. zulässig. In der Mitte des 19. Jh.s wird S. zu einem Fachausdruck. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) fordert bei der den bisherigen Schuldner befreienden S. die Mitwirkung (z. B. Zustimmung) des Gläubigers. Lit.: Kaser § 55 III; Hübner 567; Köbler, DRG 127, 214; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schlicht, C., Die kumulative Schuldübernahme, 2004 Schuldverhältnis ist das zwischen Schuldner und Gläubiger bestehende Rechtsverhältnis. Es wird als allgemeine Erscheinung erst im 19. Jh. erfasst. Lit.: Köbler, DRG 213; Seiler, H., Die Systematik der einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Schubert, W., Recht der Schuldverhältnisse, Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Schubert, W., Recht der Schuldverhältnisse, 1980ff.; Hadding, W., Schuldverhältnis, Forderung, rechtlicher Grund, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a. 1997 Schuldverschreibung (Schuldverschreibungsgesetz vom 4. 12. 1899) Lit.: Vogel, H., Das Schuldverschreibungsgesetz, 1996 Schuldversprechen ist das eine -> Schuld begründende einseitige Versprechen. Es ist bereits im altrömischen Recht möglich. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 27 Schuldvertrag ist der eine -> Schuld begründende Vertrag (z. B. Kaufvertrag). Lit.: Kroeschell, DRG 2 Schule ist die außerhalb der Familie durch spezialisierte Dritte (Lehrer) betriebene allgemeine Einrichtung zur Förderung der geistig-sozialen Entwicklung von Menschen, insbesondere von Kindern. Die S. ist bereits dem Altertum bekannt (griech. schole Muße, Ort der Muße, Lehranstalt). Im Frühmittelalter wird sie zunächst nur von der Kirche und nur für wenige eingerichtet. Seit dem Hochmittelalter nimmt das Interesse an ihr in den Städten zu, so dass dort städtische und auch deutsche Schulen entstehen. Seit der Mitte des 16. Jh.s wird eine Qualifikation der Lehrer verlangt. Im 17. Jh. wird als Folge der Aufklärung der staatliche Schulzwang verord- net (Österreich 1774 6jährige Schulpflicht). Am Ende des 18. Jh.s wird für den Gymnasialabschluss eine staatliche Prüfung (Abitur) vorgeschrieben. Das 19. Jh. beschäftigt sich wissenschaftlich mit dem Schulwesen und fordert vereinzelt bereits aus sozialen Gründen die Einheitsschule. Im 20. Jh. verstärkt sich die Erhöhung der Bildung durch längere Schulzeit (Verschwinden der Hauptschule zugunsten des vereinfachten Gymnasiums). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 100, 136, 151, 180; Sammlung der Verordnungen und Bekanntmachungen usw., 1835, Neudruck hg. v. Ritsch, K., 1985; Der Volksschuldienst in der Provinz Westfalen, 2. A. 1910, Neudruck hg. v. Kirchhoff, H., 1985; Buchhaas, D., Gesetzgebung im Wiederaufbau, Schulgesetz in Nordrhein-Westfalen und Betriebsverfas- sungsgesetz, 1985; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Mors, A., Die Entwicklung der Schulpflicht, Diss. jur. Tübingen 1986; Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, hg. v. Berg, C. u. a., Bd. 1ff. 1987ff.; Orme, N., Education and Society, 1989; 700 Revolution des Wissens, hg. v. Schmale, W. u. a., 1991; Kames, J., Das Elementarschulwesen in Köln, 1992; Herrlitz, H./Hopf, W./Titze, H., Deutsche Schulgeschichte, 1993; Schiffler, H./Winkeler, R., Tausend Jahre Schule, 4. A. 1994; Kantwill, W., Neuere Geschichte des hamburgischen Schulrechts, 1995; Busch-Geertsema, B., Schule wird Pflicht, 1996; Schule und Schüler im Mittelalter, hg. v. Kintzinger, M. u. a., 1996; Geschichte der Erziehung und der Schule in der Schweiz, hg. v. Badertscher, H. u. a., 1997; Führ, C., Deutsches Bildungswesen seit 1945, 1997; Schulliteratur im späten Mittelalter, hg. v. Grubmüller, K., 2000; Die Volksschule im NS-Staat, hg. v. Apel, H., Neudruck 2000; Schmidt, D., Der pädagogische Staat. Die Geburt der staatlichen Schule aus dem Geist der Aufklärung, 2000; Kistenich, J., Bettelmönche im öffentlichen Schulwesen, 2001, Wachter, A., Dorfschule zwischen Pastor und Schulmeister, 2001; Damesme, N., Öffentliche Schulverwaltung in der Stadt Köln (1794- 1814), 2003; Hauer, W., Lokale Schulentwicklung und städtische Lebenswelt, 2003; Kintzinger, M., Wissen wird Macht, 2003; Treml, A., Pädagogische Ideengeschichte, 2003; Schraut, S./Pieri, G., Katholische Schulbildung in der frühen Neuzeit, 2004; Lohbeck, L., Das höhere Schulwesen in Nordrhein-Westfalen, 2004 Schultheiß ist der als Schuldheischer im 7. Jh. im langobardischen Gebiet Italiens entstehende Amtsträger. Er übernimmt örtlich Aufgaben des Grafen. Als Amtsträger erscheint er für den König oder andere Herren häufig in Städten, aber auch in ländlichen Gebieten. Er sitzt niederen Gerichten vor und ist Ortsvorsteher (Schulze). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 87; Schröder, R., Der ostfälische Schultheiß und der holländische Overbode, ZRG GA 7 (1886), 1; Eckert, C., Der Fronbote, Diss. jur. Gießen 1897; Moeller, E. v., Der Stadtschultheiß von Bochm, ZRG GA 25 (1904), 63; Wrochem, A. v., Der Schultheiß, 1908; Merz, W., Das Schultheißenbuch des Stadtschreibers Joh. Beat Bodmer von Baden, 1920; Lappe, J., Ein westfälischer Schulzenhof, 1935; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Krug, H., Untersuchungen zum Amt des ,,centenarius"-Schultheiß, ZRG GA 87 (1970), 1, 88 (1971), 29; Matuszewski, J., Die Ignoranzklausel der Schultheißprivilegien, ZRG GA 93 (1971), 154 Schulze -> Schultheiß Schumanplan ist der vor allem von Jean Monnet ausgearbeitete, 1950 verkündete Plan zu Bildung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl des französischen Außenministers Robert Schuman (Luxemburg 29. 6. 1886-Scy-Chazelles 4. 9. 1963). -> Montanunion Lit.: Lücker, H./Seitlinger, J., Robert Schuman und die Einigung Europas, 2000 schupfen (stoßen) (als Ehrenstrafe) Schupfer, Francesco (Chioggia/Venedig 1833- Rom 8. 9. 1925) wird nach dem Rechtsstudium in Wien, Heidelberg und Göttingen Professor für italienische Rechtsgeschichte in Innsbruck, nach 1866 in Padua, 1878 in Rom. Seine Hauptwerke sind (ital.) Manuale di storia del diritto italiano (1892, Handbuch der italienischen Rechtsgeschichte) und Il diritto privato dei popoli germanici (Bd. 1ff. 1907ff., Das Privatrecht der germanischen Völker). Lit.: Stutz, U., Nachruf auf Schupfer, ZRG GA 47 (1927), 896 Schupose (F.), Schuppose, kleineres, vielleicht durch Aufteilung entstandenes, landwirtschaft- lich genutztes Gut im Süden (Alemannien) im Mittelalter (seit A. 12. Jh.) Lit.: Münger, P., Über die Schupose, 1967 Schuschnigg, Kurt (Edler von) (Riva del Garda 14. 12. 1897-Mutters 18. 11. 1977) wird über die christlichsoziale Partei ab 30. 7. 1934 Bundeskanzler -> Österreichs. Auf Druck Adolf -> Hitlers bestellt er am 12. 2. 1938 den nationalsozialistischen Sympathisanten Seyss- Inquart zum Sicherheitsminister. Am 11. 3. 1938 zwingt ihn Hitler zum Rücktritt. Der neue Bundeskanzler Seyss-Inquart bittet Hitler um Hilfe. Dem -> Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich stimmen 99,73 % der Österreicher zu. Nach 1945 sehen sie sich hauptsächlich als Opfer. Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 223 Schüttung (F.) eigenmächtige Pfändung (fremder Tiere auf eigenem Grund) Lit.: Hübner § 65; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912, 342 Schutz ist die Fürsorge gegenüber möglichen Gefährdungen (z. B. Staatsschutz, Besitzschutz, Mieterschutz, Kündigungsschutz, Verbraucher- schutz, Rechtsschutz, Persönlichkeitsschutz, Mutterschutz, Jugendschutz, Naturschutz, Namensschutz, Zeichenschutz, Bestandschutz). S. oder S. und Schirm wird in verschiedensten Gestalten von Stärkeren gegenüber Schwächeren geboten (z. B. Lehen, 701 Grundherrschaft, Gericht, Vogtei, Geleit, Unfreiheit, Versicherung). In der frühen Neuzeit tritt an die Stelle des Schutzes teilweise die -> Polizei bzw. die staatliche Hoheitsgewalt. Lit.: Appelt, H., Die Anfänge des päpstlichen Schutzes, MIÖG 62 (1954), 101; Semler, J., Traditio und Königsschutz, ZRG KA 45 (1959), 1; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Schöpfer, G., Sozialer Schutz im 16.-18. Jahrhundert, 1976; Weitnauer, H., Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, 1975; Fried, J., Der päpstliche Schutz für Laienfürsten, 1980; Hippel, E. v., Der Schutz des Schwächeren, 1982 Schutzbrief ist die einen -> Schutz betreffende besondere -> Urkunde. Schutzgebiet ist die Bezeichnung für deutsche -> Kolonien (z. B. Deutsch-Südwest-Afrika, Kamerun, Togo, Deutsch-Ostafrika, Deutsch- Neuguinea, Karolinen, Marianen, Palauinseln, Marshallinseln, Deutsch-Samoa, Kiautschou). Lit.: Gründer, H., Geschichte der deutschen Kolonien, 1985 Schutzhaft ist die Haft zum Schutz (angeblich) des Verhafteten im Dritten Reich. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 236 Schutzjude ist der (gegen Abgaben) unter den -> Schutz gestellte -> Jude im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Auf der Grundlage älterer Schutzmaßnahmen wird nach den Judenverfolgungen der Pestjahre 1347/1349 der Jude in den Kurfürstentümern durch die -> Goldene Bulle (1356) in den besonderen Schutz aufgenommen. Im 19. Jh. beseitigt der Liberalismus zugunsten der vollständigen Emanzipation die Einrichtung der Schutzjuden. Lit.: Stobbe, O., Die Juden in Deutschland, 1866, Neudruck 1968; Güde, W., Die rechtliche Stellung der Juden, 1981 Schutzpolizei -> Polizei Lit.: Weinhauer, K., Zwischen Bürgerkrieg und innerer Sicherheit, 2003 Schutzstaffel (SS) ist die 1925 entstandene Schutzeinrichtung hoher Angehöriger der -> Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (1929 Himmler unterstellt, 1934 Hitler, 1939 etwa 240000, als Streitmacht Waffen-SS fast eine Million Mitglieder). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222; Buchheim, H., Die SS, 2. A. 1979; Die SS hg. v. Smelser, R. u. a. , 2000 Schwabe ist der Angehörige des nach den elbgermanischen Sueben benannten Volkes, dessen Name im 9. Jh. am oberen Rhein und oberer Donau neben dem der Alemannen erscheint. Örtlich bleibt Schwaben infolge des Verschwindens eines um 900 entstehenden, 1198 mit der Königswürde verbundenen Herzogtums Schwaben (mit Schwerpunkten im Bodenseeraum und im Hegau, später in Zürich, Breisach, Esslingen, Straßburg, Ulm und Rottweil) im späten 13. Jh. (Rudolf 1290, Johann Parricida) ein bloßer Gebietsname ohne einheitliche Herrschaftsgewalt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1; Oberschwäbische Stadtrechte, Bd. 1 f. 1914ff.; Bader, K. u. a., Oberrheiner, 1942; Weller, K., Geschichte des schwäbischen Stammes, 1944; Bader, K., Der deutsche Südwesten, 1950, Neudruck 1978; Maurer, H., Der Herzog von Schwaben, 1978; Hofacker, H., Die schwäbische Herrschaft, Z. f. württemberg. LG. 47 (1988), 71; Schwaben von den Anfängen bis 1268, hg. v. Fried, P., 1988; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben, 2000; Geschichte Schwabens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, hg. v. Kraus, A., 2001; Hölz, T., Krummstab und Schwert, 2001; Schwaben und Italien im Hochmittelalter, hg. v. Maurer, H. u. a., 2001; Schwaben vor tausend Jahren, hg. v. Scholkmann, B., 2002; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben, 2003 Schwaben -> Schwabe Lit.: Nova Alamanniae, hg. v. Stengel, E., Bd. 1f. 1921ff.; Sapper, N., Die schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im 16. Jahrhundert, 1965; Fehn, K., Siedlungsgeschichtliche Grundlagen der Herrschafts- und Gesellschaftsentwicklung in Mittelschwaben, 1966; Maurer, H., Das Land zwischen Schwarzwald und Randen im frühen und hohen Mittelalter, 1965; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Maurer, H., Der Herzog von Schwaben, 1978; Schwaben von den Anfängen bis 1268, bearb. v. Fried, P. u. a., 1988; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben, 2003 Schwabenspiegel ist das durch mehr als 400 bekannte, über ganz Süddeutschland (ein- schließlich Österreichs und der Schweiz) verbreitete Handschriften überliefertes Rechts- buch (-> Kaiserrecht). Es setzt die noch unvollständige Bearbeitung des in Landrecht und Lehnrecht geteilten -> Sachsenspiegels durch den -> Deutschenspiegel in unmit- 702 telbarem Anschluss hieran fort und wird bereits 1276 vom Augsburger Stadtrecht benutzt. Es verwertet neben dem Deutschenspiegel fränkische Kapitularien, hochmittelalterliche Landfrieden, die Institutionen Justinians, kanonisches Recht und vielleicht Schriften Davids von Augsburg und Bertholds von Regensburg. Es sind so unterschiedliche Fassungen überliefert, dass die Herstellung einer Urfassung (Urschwabenspiegel) Schwierigkeiten bereitet. Eine durchgehend illustrierte Handschrift liegt in Brüssel. Der S. beeinflusst jüngere Rechtsbücher (Freising, Bayern, Österreich, Kleines Kaiserrecht). Der Name S. stammt von -> Goldast (1609). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 103, 120; Lassberg, F. Frhr. v., Der Schwabenspiegel, 1840, Neudruck 1971; Böhlau, H., Rockingers Resultate über die Entstehungsgeschichte, ZRG GA 4 (1883), 233; Lindner, G., Der Schwabenspiegel bei den Siebenbürger Sachsen, ZRG GA 6 (1885), 86; 141; Knapp, H., Der Beweis im Strafverfahren des Schwabenspiegels, FG J. Kohler, 1919, 25; Stutz, U., Die Witzenhäuser Schwabenspiegel-Handschrift, ZRG GA 44 (1924), 315; Voltelini, H. v., Bericht über die Arbeiten an der Ausgabe des Schwabenspiegels, Anzeiger der phil.-hist. Kl. der Ak. d. Wiss. Wien 1924, Nr. 12; Eckhardt, K., Die handschriftliche Grundlage für die Neuausgabe des Schwabenspiegels, ZRG GA 45 (1925), 50; Müller, K., Zwei schwäbische Handschriften des Schwabenspiegels, ZRG GA 47 (1927), 657; Eckhardt, K., Rechtsbücherstudien 1, 1927; Voltelini, H. v., Ottokars österreichische Reimchronik und der Schwabenspiegel, ZRG GA 50 (1930), 385; Klebel, E., Studien zu den Fassungen und Handschriften des Schwabenspiegels, MIÖG 44 (1930), 129; Hübner, A., Vorstudien zur Ausgabe des Buches der Könige, 1932 (SB Göttingen); Thieme, H., Eine unbekannte Schwabenspiegelhand- schrift, ZRG GA 54 (1934), 241; Lentze, H., Die Kurzform des Schwabenspiegels, 1938; Torggler, K., Zur Auslegung des Schwabenspiegeleinschubes, ZRG GA 60 (1940), 291; Belling, D., Das Strafrecht des Schwabenspiegels, Diss. jur. Tübingen 1949; Klebel, E., Zu den Quellen des Schwabenspiegels, FS K. Hugelmann, 1959, 273; Schwabenspiegel, Kurzform, mitteldeutsch-niederdeutsche Handschriften, hg. v. Große, R., 1964; Große, R., Die mitteldeutsch- niederdeutschen Handschriften des Schwabenspiegels in seiner Kurzform, 1964; Becker, H., Eine unbekannte Handschrift des Schwaben- und Augsburger Sachsenspiegels, ZRG GA 88 (1971), 190; Schwabenspiegel, Form M, 1972; Schwabenspiegel, Normalform 1972; Schwabenspiegel, Kurzform III, Fassung Kt, hg. v. Eckhardt, K., 1972 (Tambacher Handschrift von 1295); Schwabenspiegel Kurzform, hg. v. Eckhardt, K., 2. A. 1974; Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1975; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Derschka, H., Der Schwabenspiegel und die kognitive Entwicklung des Menschen, ZRG GA 118 (2001), 100; Derschka, H, Der Schwabenspiegel, 2002 Schwäbischer Bund ist der am 14. 2. 1488 von Fürsten, Adel und Städten Schwabens auf Veranlassung des Kaisers als erneuertem Herzog von Schwaben abgeschlossene, bis 1534 währende Bund. Lit.: Bock, E., Der Schwäbische Bund, 1927, Neudruck 1968; Knapp, H., Vom Gericht des schwäbischen Bundes, ZRG GA 51 (1931), 520; Hesslinger, H., Die Anfänge des schwäbischen Bundes, 1969; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Carl, H., Der Schwäbische Bund 1488-1534, 2000 Schwäbischer Städtebund Lit.: Blezinger, H., Der schwäbische Städtebund in den Jahren 1438-1445, 1954 Schwäbisch Gmünd Lit.: Payer, Peter, Die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd, Diss. jur. Tübingen 1957 Schwäbisch Hall Lit.: Die Bürgerschaft der Reichsstadt Hall von 1395 bis 1600, bearb. v. Wunder, G. u. a., 1956; Kreil, D., Der Stadthaushalt von Schwäbisch Hall im 15./16. Jahrhundert, (1967); Nordhoff-Behne, H., Gerichtsbarkeit und Strafrechtspflege in der Reichsstadt Schwäbisch Hall seit dem 15. Jahrhundert, 1971 Schwalenberg Lit.: Forwick, F., Die staatsrechtliche Stellung der ehemaligen Grafen von Schwalenberg, 1963 Schwangerschaft ist der von der Befruchtung bis zur Geburt eines Kindes reichende Zeitabschnitt im Leben einer Frau. Die S. wirkt sich im Recht teilweise bei der Leibesfrucht (lat. [M.] nasciturus), teilweise bei der Schwangeren aus (z. B. keine Ladung vor Gericht, aber Besitz eines Nachlasses bis zur Geburt im römischen Recht, Befreiung vom Fastengebot. Aufschub einer Folter oder Hinrichtung in der frühen Neuzeit). Erst 1908 erhalten Schwangere arbeitsrechtlichen Schutz (Mutterschutz), den das Mutterschutzgesetz erweitert. Lit.: Kaser; Hübner; Fehr, H., Die Rechtsstellung der 703 Frau, 1912; Schlieben, E., Mutterschaft und Gesetz, 1927; Koch, E., Der nasciturus als Rechtsgut, in: Cupido legum, hg. v. Burgmann, L. u. a., 1985, 87; Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993; Koch, C., Schwangerschaftsabbruch, 2004 Schwarzburg ist die 1071 erstmals erwähnte Burg an der Schwarza in Thüringen, nach der sich seit 1123 Grafen benennen, die im 16. Jh. in Schwarzburg-Sondershausen und Schwarz- burg-Rudolstadt teilen. Die 1697 bzw. 1710 zu Fürstentümern erhobenen Gebiete werden 1909 in Personalunion vereinigt. Zum 1. 5. 1920 geht S. in Thüringen auf. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon Schwarzenberg, Johann Frhr. zu (Schwarzenberg/Mittelfranken 26. 12. 1463- Nürnberg 21. 10. 1528) wird nach einer Ausbildung als adliger Knappe und einer Tätigkeit im Gefolge König Maximilians 1490 Amtmann und später Hofmeister in Würzburg (1493 Wallfahrt ins Heilige Land). 1501 tritt er in den Dienst des mit ihm verschwägerten Bischofs von Bamberg (1521 Übertritt zum Luthertum), 1522 wird er Mitglied des Reichsregiments, 1524 fränkischer Hofmeister der Markgrafen von Brandenburg. Auf ihn geht über die (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (1507) die (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532) zurück. Er ist nicht rechtsgelehrt, aber humanistisch interessiert (1534 Teutscher Cicero). Lit.: Köbler, DRG 138, 143; Merzbacher, F., Johann Freiherr zu Schwarzenberg in würzburgischen Diensten, ZRG GA 69 (1952), 363; Hellner, J., Johann Freiherr von Schwarzenberg und Hohenlandsberg, JuS 5 (1965), 48; Trusen, W., Strafprozess und Rezeption, in: Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984, 29 Schweden ist der zwischen Norwegen und Finnland gelegene nordeuropäische, zum 1. 1. 1995 der Europäischen Union beigetretene Staat. Sein Gebiet ist vermutlich schon im 2. oder 1. Jt. v. Chr. von -> Germanen (u. a. um 100 n. Chr. [lat. M.Pl.] Suiones) besiedelt. Im Frühmittelalter dehnen dabei die ober- schwedisch-upländischen Svear ihre Herrschaft auch auf die Götar aus. Im Hochmittelalter kommt demgegenüber Götaland größere Bedeutung zu. Im Zuge der Christianisierung wird Uppsala Erzbistum. Im 11. Jh. festigt sich S. Zwischen 1150 und 1323 wird das von Schweden aus christinaisierte Finnland einbezogen. Um 1350 erstreckt sich das Königreich S. von Kalmar bis Lappland und von der Mündung des Götaälv bis Viborg. Im 13. und 14. Jh. werden Landschaftsrechte (landskapslagar) aufgezeichnet (Westgöten- recht bzw. Westgötalagh seit 1220- 2. H. 13. Jh., Ostgötenrecht bzw. Ostgötalagh um 1286 bzw. um 1300, Smalandslagen vor 1296, Södermannalagen bzw. Södermannalagh um 1279-1285 bzw. 1327, Uplandslagen bzw. Uplandslagh 1296, Dalalagen bzw. Västmannalagan bzw. Westmannalagh 1298- 1347 bzw. um 1330, Hälsingelagen bzw. Helsingelagh 1315-1332 bzw. 1329/1350). Zu den Landschaftsrechten treten Satzungen auf den Hoftagen und kirchliche Konzilsbeschlüsse hinzu. Von den Stadtrechten ist das sog. Bjärköarätt (2. H. 13. Jh.) am bekanntesten. 1347 veranlasst König Magnus Eriksson ein allgemeines, in den einzelnen Landschaften allmählich aufgenommenes Landrecht (Landslag), 1357 (1353-1360) ein bis 1734 gültiges Stadtrecht (Stadslag). Dabei steht der aus den Hoftagen entwickelte Reichsrat neben ihm. 1389 erkennt S. die Herrschaft Königin Margarethes von -> Dänemark an. 1442 wird das Landrecht erneuert. 1448 verselbständigt sich S. wieder (König Karl VIII.). 1477 wird eine (von 1530 bis 1593 geschlossene) Universität in -> Uppsala eingerichtet (1632 Dorpat, 1640 Abo, 1668 Lund). 1523 erringt das Haus Wasa das Königtum. 1527 wird die Kirche enteignet und S. wenig später dem Luthertum zugeführt. Am Ende des 16. Jh.s bildet sich der in 4 Stände (Adel, Geistliche, Bürger, Bauern) gegliederte dauernde Reichstag neben König und Reichsrat. Am Ende des 17. Jh.s (1693) setzt der König kurzzeitig den -> Absolutismus durch, doch gewinnen 1718 die Stände die Macht. Am 14. 12. 1734 nimmt der Reichstag das seit 1686 allmählich geschaffene Reichsgesetzbuch zum 1. 9. 1736 an. 1772 entzieht der König dem Reichstag die gewonnenen Rechte und hebt den Reichsrat auf. 1789 wird ein oberster Gerichtshof geschaffen. 1809 wird der König abgesetzt, die Privilegierung des Adels beseitigt und der Reichsrat neu geschaffen. Finnland gelangt an Russland. 1810 wird der französische Marschall Bernadotte zum 704 Thronfolger gewählt. 1814 kommt Norwegen von Dänemark an S. 1866 wird das Zweikammersystem mit einkommensabhän- gigem Wahlrecht, seit 1921 allgemeinem gleichem Wahlrecht eingeführt. 1905 verselbständigt sich Norwegen. Zum 1. 1. 1995 tritt S. der -> Europäischen Union bei. 2000 werden Staat und Kirche getrennt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 130; Samling af Sweriges gamla lagar, hg. v. Collin, H./Schlyter, C. u. a., Bd. 1ff. 1827ff. (13 Bände bis 1877); Amira, K. v., Altschwedisches Obligationenrecht, 1882; Fritz, M., Die gesetzliche Verwandtenerbfolge des älteren schwedischen Rechts, ZRG GA 36 (1915), 137; Bergman, C., Översikt av svensk rättsutveckling, 1918; Bergman, C., Testamentet i 1600-talets rättsbildning, 1918; Schwerin, C. Frhr. v., Zur altschwedischen Eideshilfe, 1919 (SB Heidelberg); Mayer, E., Die letzten Spuren eines Uradels in Südschweden und Dänemark, ZRG GA 41 (1920), 373; Kock, E., Om Hemfjöld (förtida arv) i svensk rätt, 1926; Holmbäck, ., Frgan om äganderätten till häradsallmänningarna, Svenska Skogsvrdsföreningens tidskrift 1930; Hemmer, R., Studier rörande straffutmätingen i medeltida svensk rätt, 1928; Holmbäck, ,./Wessen, E., Svenska landskapslagar, Bd. 1ff. 1933ff.; Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen Verfassungsgeschichte, 1933; Svenska Landskapslagar, tolkade och förlarade för nutidens Svenska v. Holmbäck, ./Wessén, E., Bd. 1ff. 1933ff.; Schwedische Rechte, Älteres Westgötalag, Uplandslag, übers.. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Wennström, T., Tjuvnad ock fornmi, 1936; Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen Verfassungsgeschichte, 1939; Wennström, T., Brott och böter, 1940; Löning, G., Zur Zufallshaftung im schwedischen Vertragsrecht, ZRG GA 62 (1942), 179; Olivecrona, K., Döma til konung, 1942; Almquist, J., Svensk juridisk litteraturhistoria, 1946; Löning, G., Die Haftung des Entleihers in der neueren schwedischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 65 (1947), 208; Gerhardt, M./Hubatsch, W., Deutschland und Skandinavien, 1950; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952, Wührer, K., Zum altschwedischen Eherecht, ZRG GA 74 (1957), 231; Carlsson, L., Das Beilager im altschwedischen Recht, ZRG GA 75 (1958), 349; Wührer, K., Die schwedischen Landschaftsrechte und Tacitus' Germania, ZRG GA 76 (1959), 1; Hafström, G., Land och lag, 1959, 2. A. 1965 (Darstellung des schwedischen mittelalterlichen Rechts); Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Äganderätt och handelsinteresse, 1960; Thomson, A., Barnkvävningen, 1960; Hemmer, R., Die Missetat im altschwedischen Recht, 1965; Rehfeldt, B., Rezeption in Schweden, ZRG GA (1965), 316, 85 (1968), 248; Carlsson, L., Jag giver dig min dotter, 1965; Anners, E., Humanitet och Rationalism, 1965; Schmidt, G., Die Richterregeln des Olavus Petri, 1966; Olivecrona, K., Rättsordningen, 1966; Thomson, A., Otidigt sängelag, 1966; Thomson, A., Hävdande under äktenskapslöfte, 1966 (SB Lund); Roberts, M., The early Vasas (1523-1619, 1968; Wessén, E., Svensk medeltid - 1 Landskapslagar, 2 Birgitta-Texter, 1968; Scovazzi, M., Der römische pontifex und die eriksgata der schwedischen Könige, ZRG GA 88 (1971), 198; Das Ostgötenrecht, hg. v. 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Müssener, H., 1979; Ekbom, C., Attungstal och mantal, 1981; Patzelt, E./Patzelt, H., Schiffe machen Geschichte, 1981; Nygren, R., Subordination och enskild integritet, 1981; Den svenska historien, 1983f.; Seth, I., Överheten och svärdet, 1984; Ankarloo. B., Trolldomsprocesserna i Sverige, 1984; Winberg, C., Grenverket. Studier rörande jord, 1985; Das schwedische Reichsgesetzbuch (Sveriges Rikes Lag) von 1734, hg. v. Wagner, W., 1986; Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Claëson, S., Häradshövdingeämbetet i senmedeltidens och Gustav Vasas Sverige, 1987; Sundell, J., Tysk pverkan p svensk civilrättsdoktrin 1870-1914, 1987; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E., Sveriges medeltidslagar, 1988; Austrup, G., Schweden, 1988; Sawyer, P., The Making of Sweden, 1989; qvist, G., Kungen och Rätten, 1989; Anners, E., Frlagtolkning till lagstiftning, 1989; Sandström, M., Die Herrschaft der Rechtswissenschaft, 1989; Anners, Erik, Frn lagtolkning till lagstiftning. Högsta domstolen och godtrosförvärven, 1989; Sjöholm, 705 E., Sweden's Medieval Laws, Scandinavian Journal of History 15 (1990); Högsta Domstolen i Sverige under 200 ar, Bd. 1, 2 hg. v. Nygren, R. bzw. 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Dezember 1959), 1998; Nilsén, P., Att stoppa munnen till pa bespottare ­ den akademiska undervisningen i svensk statsrätt under frihetstiden, 2001; Rättslig integration och pluralism, red. v. Önnerfors, E. u. a., 2001; Rättshistoria i forändring, red. v. Modéer, K., 2002; Kohler, M., Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozessrechts, 2003; Dänemark, Norwegen und Schweden im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, hg. v. Asche, M. u. a., 2003; Nesemann, U., Die schwedische Familiengesetzgebung, 2003 Schweidnitz Lit.: Rechtsdenkmäler der Stadt Schweidnitz, hg. v. Goerlitz, T. u. a., 1939; Die Magdeburger Schöffensprüche und Rechtsmitteilungen für Schweidnitz, bearb. v. Goerlitz, T. u. a., 1940 Schweigaard, Anton Martin (Kargero 1808- Oslo 1870), früh verwaister Kaufmannssohn, wird nach Förderung in Westerholt/- Ostfriesland, Rechtsstudium in Oslo und Aufenthalten in Berlin und Paris 1835 Dozent und 1840 Professor in Oslo und Rechtspolitiker. Er veröffentlicht einen Kommentar zum norwegischen Strafgesetzbuch von 1842 (1841ff.) und eine Darstellung des norwegischen Prozesses (1849ff.). Seine Vorlesung folgt Mackeldeys Lehrbuch des römischen Rechts. Lit.: Sorensen, O., Anton Martin Schweigaards politiske tenkning, 1986 Schweinfurt Lit.: Fuchs, A., Schweinfurt 1972 Schweiz ist der zwischen Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Italien und Frankreich liegende, überwiegend deutschsprachige Staat. Die S. nimmt ihren Ausgangspunkt davon, dass der deutsche König zur Sicherung des Gotthardpasses 1231 den Leuten von -> Uri im ehemaligen Herzogtum - > Schwaben die ewige Reichsunmittelbarkeit verspricht und sich wenige Tage nach dem Tod Rudolfs von Habsburg anfangs August 1291 die Leute von Uri mit den ähnlich berechtigten Leuten von -> Schwyz und den Leuten von Unterwalden in einem ewigen Bündnis gegen die das Privileg missachtenden Grafen von -> Habsburg verbinden. Am 15. 11. 1315 besiegen diese danach als -> Eidgenossen auftretenden Verbündeten die (vielleicht auch zu Gunsten Einsiedelns angreifenden) habsburgischen Herzöge von Österreich bei Morgarten. Bald schließen sich weitere Gebiete an (Luzern 1332, Zürich 1351, Glarus und Zug 1352, Bern 1353, Appenzell 1411, 1513, Freiburg im Üchtland 1481/1502 und Solothurn 1481). Nach der tatsächlichen Lösung vom Reich (1499) folgen Basel und Schaffhausen zwangsweise 1501. 1648 wird die rechtliche Trennung vom Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) herbeigeführt. 1798 entsteht unter dem Einfluss der französischen Revolution die helvetische Republik, 1815 ein lockerer Staatenbund mit dauernder Neutralität, aus dem die Verfassung vom 12. 9. 1848 einen Bundesstaat macht. Ihm gehören (heute) 26 Kantone bzw. Halbkantone in 23 Ständen an. Das sehr zersplitterte, für die ältere Zeit durch die großangelegte Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen erschlossene, im 19. Jh. zunächst partikular modernisierte Recht ist nach einem Personenstands- und Ehegesetz von 1874 im Obligationenrecht (1881, 1911 fünftes Buch des Zivilgesetzbuches) und Zivilgesetzbuch (1907/1912) für das Privatrecht vereinheitlicht. 1937 bzw. 1942 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. Zum 1. 1. 2000 wird die Verfassung überarbeitet (z. B. Streikrecht, Sozialziele, Recht des Kindes). Das noch partikulare Zivilprozessrecht soll derzeit in einer einheitlichen Kodifikation zusammenge- fasst werden. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 94, 95, 130, 132, 138, 157, 170, 181, 183, 706 201, 202, 216, 229, 242, 244, 255, 258, 261, 274; Schweizerisches Idiotikon, hg. v. Staub, F. u. a., Bd. 1ff. 1881ff.; Huber, E., System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Bd. 1ff. 1886ff., 2. A. 1932ff.; Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1894ff.; Sulger Büel, E., Verfassungsgeschichte der Stadt Stein am Rhein, 1908; Tscharner, L., Rechtsgeschichte des Obersimmentales, 1908; Martin, P., Études critiques sur la Suisse l'époque Mérovingienne, 1910; Burckhardt-Biedermann, T., Die Kolonie Augusta Raurica, 1910; Meyer, K., Blenio und Leventina, 1911; Tscharner, L. v., Das Statutarrecht des Simmentales, 1912ff.; Merz, W./Meyer-Zschokke, J., Die Anfänge Zofingens, 1913; Schweizer Kriegsgeschichte, bearb. v. Feldmann, M./Wirz, H., Heft 1ff. 1915ff.; Nabholz, H., Föderalismus und Zentralismus in der eidgenössischen Verfassung vor 1798, Politisches Jahrbuch der schweizerischen Eidgenossenschaft 30 (1917); Benz, A., Der Landammann, 1918; Simon, R., Rechtsgeschichte der Benediktinerabtei Pfäfers, 1918; Beusch, H., Rechtsgeschichte der Grafschaft Werdenberg, 1918; Beurle, E., Der politische Kampf um die religiöse Einheit der Eidgenossenschaft 1520-27, 1920; His, E., Geschichte des neueren schweizerischen Staatsrechts, Bd. 1ff. 1920ff.; Heusler, A., Schweizerische Verfassungsgeschichte, 1920, Neudruck 1968; Stutz, U., Die Schweiz in der deutschen Rechtsgeschichte, 1920; Gagliardi, E., Geschichte der Schweiz, Bd. 1f. 1921; Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz, hg. v. Turler, H. u. a., Bd. 1ff. 1921ff.; Heusler, A., Der Zivilprozess der Schweiz, 1923; Winkler, J., Beiträge zur Geschichte von Seebach, 1925; Muralt, L. v., Die Badener Disputation 1526, 1926; Feldmann, M., Die Herrschaft der Grafen von Kyburg im Aaregebiet, 1926; Meyer, K., Zur Interpretation des Urschweizer Bundesbriefs von 1291, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 10 (1930), 413; Gasser, A., Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit im Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1930; Heiz, K., Das ,,eidgenössische recht" 1798-1848, 1930; Schaefer, P., Das Sottocenere im Mittelalter, 1932; Staehelin, H., Die Zivilgesetzgebung der Helvetik, 1931; Nabholz, H. u. a., Geschichte der Schweiz, Bd. 1 1932; Gasser, A., Die territoriale Entwicklung der schweizerischen Eidgenossenschaft 1271-1797, 1932, Gallati, F., Die Eidgenossenschaft und der Kaiserhof zur Zeit Ferdinands II. und Ferdinands III. 1619-1657, 1932; Gisi, M., Die staatsrechtliche Stellung der christkatholischen Kirche in der Schweiz, 1932; Quellenwerk zur Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, Bd. 1ff. bearb. v. Schieß, T. u. a., 1933ff.; Ermatinger, G., Jakob Dubs als schweizerischer Bundesrat von 1861-1871, 1933; Meyer, W., Die Verwaltungsorganisation des Reiches und des Hauses Habsburg-Österreich im Gebiete der Ostschweiz 1264-1460, (1934); Cattani, H., Entwicklung des Talgerichts von Engelberg, 1935, Legras, H., Grundriss der schweizerischen Rechtsgeschichte, 1935; Bruckner, A., Scriptoria medii aevi Helvetica, Bd. 1ff. 1935ff.; Liver, P., Rechtsgeschichte der Landschaft Rheinwald, 1937; Gasser, A., Landständische Verfassungen in der Schweiz, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 17 (1937) 96; Castelmur, A. v., Der alte Schweizerbund, (1937); Fehr, H., Sozial- und Privatrechtliches aus den Höngger Meiergerichtsurteilen, ZRG GA 58 (1938), 506; Henggeler, R., Das (!) Schlachtenjahrzeit der Eidgenos- sen, 1940; Quellenbuch zur Verfassungsgeschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft, bearb. v. Nabholz, H./Kläui, P., 1940; Elsener, F., Die Verfassung der alten Stadt Rapperswil bis 1978, 1941; Das Schweizer Dorf, hg. v. Winkler, E., 1941, Repertorium über die Verhandlungen der Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, Bd. 1 1848-1874, bearb. v. Kern, L., 1942; Stockmann, H., Über die Gassengerichte von Uri, Schwyz, Nidwalden und Appenzell, 1942; Staub, E., Die Herren von Hünenberg, 1943; Schultheß, H., Schweizer Juristen der letzten hundert Jahre, 1945; Fehr, H., Der Absolutismus in der Schweiz, ZRG GA 69 (1952), 182; Westschweizer Schiedsurkunden, bearb. v. Usteri, E., 1955; Kopp, M., Die Geltung des Mehrheitsprinzips in eidgenössischen Angelegenheiten, 1959; Büttner, H., Staufer und Zähringer im politischen Kräftespiel, 1961; Fritzsche, H., Der schweizerische Juristenverein 1861-1960, 1961; Hauser, A., Schweizerische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1961; Sonderegger, SD., Die schweizerdeutsche Mundartforschung 1800 bis 1959, 1962; Lei, H., Der thurgauische Gerichtsherrenstand im 18. Jahrhundert, 1962; Brand, E., Eidgenössische Gerichtsbarkeit ­ Von der Gründung des Bundesstaates bis zur Gegenwart, 1962; Schmid, B., Die Gerichtsherrschaft Maur, 1963; Caroni. P., Le origini del dualismo comunale svizzero, 1964; Stettler, B., Studien zur Geschichte des oberen Aareraumes im Früh- und Hochmittelalter, 1964; Gmür, R., Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965; Peter, H., Vom Einfluss der deutschen Zivilrechtswissenschaft, FS K. Bader 1965, 321; Guldener, M., Über die Herkunft des schweizerischen Zivilprozessrechts, 1966; Weymuth, H., Erscheinungsformen und Bedeutung der extramuralen Rechtsbereiche nordschweizerischer Städte, 1967; 707 Tschudi, A., Chronicon Helveticum 1ff., bearb. v. Stadler, P. u. a., 1968ff.; Carlen, Louis, Rechtsgeschichte der Schweiz, 1968; Wernli, F., Die Talgenossenschaften der Innerschweiz, 1968; Renner, F., Der Verfassungsbegriff im staatsrechtlichen Denken der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert, 1968; Schweizerisches Privatrecht, Bd. 1 hg. v. Gutzwiller, M., 1969 (Elsener, F., Geschichtliche Grundlegung, 1-237 S.); Liver, P., Abhandlungen zur schweizerischen und bündnerischen Rechtsgeschichte, 1970; Meyer, B., Die Bildung der Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert, 1972; Fulda, J., Zur Entstehung der Stadtverfassung von Maienfeld, 1972; Handbuch der Schweizer Geschichte, Bd. 1f. 1972ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,61,523,972, 2,2,440, 3,2,1833,2755, 3,3,3084,3618,3677,3777,3875,4046,- 4189; Im Hof, U., Geschichte der Schweiz, 1974, 2. A. 1976, 3. A. 1980, 4. A. 1987, 5. A. 1991. 6. A. 1997, 7. A. 2001; Elsener, F., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975; Dubler, A. u. a., Wohlen, 1975; Die Murtenschlacht, 1976; Carlen, L., Österreichische Einflüsse auf das Recht in der Schweiz, 1977; Bickel, A., Die Herren von Hallwil, 1978; Peyer, H., Verfassungsgeschichte der alten Schweiz, 1978, Neudruck 1980; Ein Jahrhundert Sozialversicherung, hg. v. Kohler, P. u. a., 1981; Hundert Jahre schweizerisches Obligationenrecht, hg. v. Peter, H. u. a., 1982; Schultz, H., Vierzig Jahre schweizerisches Strafgesetzbuch, Schweiz. Z. f. Strafrecht 99 (1982); Schnyder, B., Siebzig Jahre schweizerisches Zivilgesetzbuch, 1983; Das Obligationenrecht 1883-1983, hg. v. Caroni, P., 1984; Caroni, P., Rechtseinheit, 1986; Tschudi, H., Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987; Carlen, L., Rechtsgeschichte der Schweiz, 3. A. 1988; Drack, W. u. a., Die Römer in der Schweiz, 1988; Schwander, M., Schweiz, 1991; Furrer, N., Glossarium Helvetiae Historicum, Ortsnamen, 1991; Dubler, A., Das Recht der Landschaft Emmental, 1991, Kraus, D./Pahud de Mortanges, R., Bibliographie des schweizerischen Staatskirchenrechts, 1991; Steppacher , R., Die Berücksichtigung der bäuerlichen Postulate bei der Entstehung des ZGB, 1992; Dubler, A./Häusler, F., Aus der Geschichte des Grenzraums Emmental-Entlebuch, 1992, Kölz, A., Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte, Bd. 1 1992, Bd. 2 2004; Quellenbuch zur neueren schweizerischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Kölz, A., 1992; Baum, W., Reichs- tund Territorialgewalt (1273-1437), 1994; Delfosse, M., Emilie Kempin-Spyri (1853-1901), 1994; Böning, H., Der Traum von Freiheit und Gleichheit, 1998; Kästli, T., Die Schweiz, 1998; Bergier, J., Die Schweiz in Europa, 1998; Blickle, P., Ordnung schaffen, HZ 268 (1998), 121; Werkstatt Bundesverfassung, zusammengestellt v. Arlettaz, S., 1998; Bradke, S., 75 Jahre Zollvertrag Schweiz-Liechtenstein, 1998; Hettling, M. u. a., Eine kleine Geschichte der Schweiz, 1998; Im Hof, U., Geschichte der Schweiz, 7. A. 2001; Rossi, P., Cours d'histoire suisse (1831-1832), 2000; Handels- und obligationenrechtliche Materialien, hg. v. Fasel, U., 2000; Die Schweiz und die Flüchtlinge zur Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. unabhängige Experten- kommission, 2001; Hofer, W./Reginbogin, R., Hitler, der Westen und die Schweiz, 2001; Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 1ff. 2002ff.; Bonaparte et la Suisse, hg. v. Monnier, V., 2002; Fasel, Urs, Handels- und obligationenrechtliche Materialien, 2002; Schmitz, M., Westdeutschland und die Schweiz nach dem Krieg, 2003; Fasel, U., Bahnbrecher Munzinger, 2003; Die Rechtsquellen der Stadt Biel, bearb. v. Bloesch, P., 2003; Die Erfindung der Demokratie in der Schweiz, hg. v. schweizerischen Bundesarchiv, 2004; La Suisse occidentale et l'empire, hg. v. Morerod, J. u. a., 2004; Das Recht der Stadt Thun, bearb. v. Dubler, A., 2004 Schwerin -> Mecklenburg Lit.: Grohmann, W., Das Kanzleiwesen der Grafen von Schwerin. Diss. phil. Rostock 1928 Schwert ist seit dem Altertum eine Stichwaffe und Hiebwaffe, die auch im Recht tatsächlich (Richtschwert) und symbolisch (z. B. bei -> Investitur, -> Zweischwerterlehre, -> Schwert- mage) verwendet wird. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Schwertbrüderorden ist der 1202 in Livland gestiftete kleine Ritterorden, der 1237 mit dem -> Deutschen Orden verschmolzen wird. Lit.: Bunge, G. v., Der Orden der Schwertbrüder, 1875; Benninghoven, F., Der Orden der Schwertbrüder, 1965; Benninghoven, F., Zur Rolle des Schwertbrüderordens, ZOF 41 (1992) Schwertleite (F.) ein Mannbarkeitsritus, Ritterschlag Lit.: Erben, W., Schwertleite und Ritterschlag, Zeitschrift für historische Waffenkunde 8 (1919) Schwertmage ist der durch das -> Schwert versinnbildlichte männliche Verwandte (Mage) im deutschen Mittelalter. Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 88; 708 Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 1 Schwur Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Schwurfingerdeutung und Schwurgebärde, Zeitschrift für schweizerisches Recht 39 (1920); Fritze, W., Die fränkische Schwurfreundschaft der Merowingerzeit, ZRG GA 71 (1954), 74 Schwurgericht ist die mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (bis 30. 9. 1972 Geschworenen) besetzte Strafkammer bei bestimmten Straf- sachen (z. B. Mord), im älteren und ausländischen Recht das mit (1 bzw.) 3 Richter(n) und 12 Geschworenen besetzte Gericht, bei dem die Geschworenen über die Frage der Schuld und der oder die Richter über die Frage der Strafe entscheiden. Das S. wird im linksrheinischen Deutschland 1798 unter dem Einfluss Frankreichs, im übrigen Deutschland meist nach 1848 eingeführt. 1877/1879 wird dies reichseinheitlich geregelt (1893 im Deutschen Reich 140 Schwurgerichte). Am 4. 1. 1924 wird das ältere S. aus finanziellen Gründen durch das jüngere, mit Schöffen besetzte S. ersetzt (Emmingersche Justizreform, lex Emminger, in Bayern durch Verordnung vom 14. 7. 1948 bis 1. 10. 1950 nochmals kurzfristig wiederbelebt). Eine unmittelbare Kontinuität des deutschen Schwurgerichts zu dem in karolingischer Zeit entstandenen Schöffengericht besteht nicht. Brunner leitet das S. von den Zeugen der fränkischen Zeit her, die der Richter zur Rüge bewegen kann. Vermutlich ist das spätantiken Vorläufern folgende fränkische Unter- suchungsverfahren über Grundbesitzver- hältnisse über die Normandie nach England gelangt, wo es König Heinrich II. (1154-1189) für Güterstreitigkeiten allgemein eröffnet. Danach soll der Sheriff jeweils 12 Nachbarn auswählen, vereidigen und befragen. 1166 wird dies auf Verfahren wegen Unrechtstaten übertragen. Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 171, 202, 203, 234; Brunner, H., Die Entstehung der Schwurgerichte, 1872, Neudruck 1967; Schwinge, E., Der Kampf um die Schwurgerichte, 1926, Neudruck, 1970; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1959, 114; Plucknett, T., Concise History of the Common Law, 2. A. 1956; Böttges, W., Die Laienbeteiligung in der Straf- rechtspflege, Diss. jur. Bonn 1979; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung, 1981, 205; Reimann, M., Der Hochverratsprozess gegen Gustav Struve und Karl Blind. Der erste Schwurgerichtsfall in Baden, 1985; Landau, P., Schwurgerichte und Schöffengerichte, in: The Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241; Canegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 2. A. 1988; Reuber, I., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002; Koch, A., Die Rückkehr der ,,Volksgerichte", ZRG GA 122 (2005), 242 Schwyz, um 730 Ort einer Kirche, ist der für die -> Schweiz namengebende Urkanton. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Reichlin, M., Die schwyzerische Oberallmende, 1908; Steiner, H., Das eheliche Güterrecht des Kantons Schwyz, 1910; Styger, D., Die Beisassen des Landes Schwyz, 1914; Sidler, R., Die schwyzerische Unterallmeindkorporation, Diss. jur. Zürich 1956; Riggenbach, A., Der Marchenstreit zwischen Schwyz und Einsiedeln und die Entstehung der Eidgenossenschaft, Diss. phil. Zürich 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Carlen, L., Rechtsgeschichte der Schweiz, 3. A. 1988; Wiget, J., Wasser und Wacht, 1988; Schwyz, 1991; Fassbind, J., Schwyer Geschichte, hg. v. Detting, A., 2004 Scire leges non est verba eorum tenere sed vim ac potestatem (lat.). Die Gesetze zu kennen, heißt nicht, ihre Worte behalten, sondern ihre Macht und ihr Vermögen. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Celsus, um 70-um 140, Digesten 1, 3, 17) scultetus (lat.-afrk. [M.]) -> Schultheiß Seabra, António Luís Visconde de (1798- 1895), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Coimbra Richter, Rechtslehrer und liberaler Rechtspolitiker. Er entwirft den 1867 in Kraft gesetzten Código civil portuguez. Lit.: Dias Ferreira, J., Elogio histórico do Visconde de Seabra, 1895; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973 Seckel, Emil (Neuenheim bei Heidelberg 10. 1. 1864-Todtmoos 26. 4. 1924), Schwiegersohn Hinschius', wird 1898 Professor in Berlin. Lit.: Seckel, E., Paläographie der juristischen Handschriften des 12. bis 15. Jahrhunderts, ZRG RA 45 (1925), 1; Genzmer, E., Emil Seckel, ZRG RA 46 (1926), 216 Seckendorff, Veit Ludwig von 709 (Herzogenaurach 20. 12. 1626-Halle/Saale 18. 12. 1692), aus fränkischem Adel, wird nach dem Studium von Philosophie, Geschichte und Recht in Straßburg Rat und Kanzler in Sachsen-Gotha und 1665 in Sachsen- Naumburg-Zeitz. Sein Hauptwerk ist der christlich idealisierende Teutsche Fürstenstaat (1656), der sich teilweise an den Fürsten, teilweise an dessen Amtsträger wendet. Lit.: Seckendorff, V., Teutscher Fürstenstaat, 1656, Neudruck 1972, 1976; Schmelzeisen, G., Der verfassungsrechtliche Grundriss in Veit Ludwig von Seckendorffs ,,Teutschem Fürstenstaat", ZRG 87 (1970), 190; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995 securitas (lat. [F.]) ist die Quittung im spätantiken römischen Recht. Lit.: Kaser § 53 I 1; Köbler, DRG 62 SED ist die am 21. 4. 1946 aus zwangsweiser Vereinigung von Sozialdemokratischer Partei Deutschlands und Kommunistischer Partei Deutschlands zwecks Ausschaltung der Sozialdemokratie hervorgehende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands in der sowjetischen besetzten Zone des Deutschen Reiches, die in der Deutschen Demokratischen Republik die Politik entscheidend bestimmt und sich nach deren Scheitern am Ende der Deutschen Demokratischen Republik (1989) in Partei des demokratischen Sozialismus (PDS) umbenennt. Lit.: Köbler, DRG 245; Kroeschell, 20. Jh.; Dokumente zur Geschichte der SED, hg. v. Müller, E. u. a., Bd. 1ff. 2. A. 1981ff.; Das Ende der SED, hg. v. Hertle, H. u. a., 1997; Die SED, hg. v. Herbst, A. u. a., 1997; Schröder, K., Der SED-Staat, 1998; Anatomie der Parteizentrale, hg. v. Wilke, M., 1998; Die totalitäre Herrschaft der SED, hg. v. Friedrich, W., 1998; Schroeder, K., Der SED-Staat, 1998; Malycha, A., Die SED, 1999; Hört die Signale, hg. v. Hübsch, R., 2002; Großbölting, T., SED- Diktatur und Gesellschaft, 2002; Giese, D., Die SED und ihre Armee, 2002; Amos, H., Politik und Organisation der SED-Zentrale 1949-1963, 2003; Baron, U., Kalter Krieg und heißer Frieden, 2003; Die ersten und zweiten Sekretäre der SED, hg. v. Best, H./Mestrup, H., 2003 Sedan ist von 1601 bis 1681 Sitz einer Universität. Seedarlehen -> fenus (N.) nauticum (lat.) Lit.: Schuster, S., Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005 Seelbuch (N.) Totenbuch Lit.: Ziller, H., Private Bücher des Spätmittelalters, 1971 Seelgerät ist im mittelalterlichen Recht die zum Seelenheil (lat. salus [N.] animae) gestiftete Sache. Die Schaffung geschieht anfangs durch Gabe, seit dem Hochmittelalter auch durch -> Testament. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 89; Mayer, E., Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Bruck, E., Totenteil und Seelgerät im griechischen Recht, 1926 Seelteil -> Freiteil Lit.: Schultze, A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, 1928; Schultze, A., Nachträge zu ,,Augustin und der Seelteil" S. 185ff., ZRG GA 50 (1930), 377 Seerecht ist das die See betreffende Recht. Es ist ein Teil des Völkerrechts, soweit die See nicht zum Hoheitsgebiet eines einzelnen Staates zählt. Bedeutsam ist insbesondere das Seehandelsrecht als Sonderprivatrecht der Seeschiffahrt. Dieses erscheint bereits im (lat.) -> Codex Hammurapi (1728-1686 v. Chr.). Weit verbreitet ist im Altertum das nach der Insel Rhodos benannte griechische Seehandelsrecht (lat. lex [F.] Rhodia [de iactu]), das die Römer übernehmen, so dass es im Osten bis in das 15. Jh. fortwirkt. Im Westen nimmt das S. des Mittelmeers seinen Ausgang von Amalfi (lat. Tabula [F.] de Amalfa, 12. Jh.), Pisa (lat. Constitutum [N.] usus, 12. Jh.), Venedig (1229ff.) und Genua (E. 13. Jh.). Eine private Rechtssammlung in Barcelona um 1350 (1348) ist das -> Consolat del Mar, das bis ins 19. Jh. den Mittelmeerraum beherrscht. Für das nordwesteuropäische Gebiet sind die -> Rôles d' -> Oléron (Mitte 13. Jh.s) besonders wichtig, deren flämische Übersetzung -> Vonnisse van Damme genannt wird. Diese bildet zusammen mit der in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s in Staveren oder Amsterdam entstandenen -> Ordinancie die Grundlage für die im 15. Jh. verfasste Sammlung Waterrecht. Von den deutschen Seehandelsstädten wirken vor allem Hamburg und Lübeck und ihre Tätigkeit in der Hanse prägend. Im 16. und 17. Jh. werden in den Niederlanden (1551ff., um 1700 etwa 50000 Seefahrer), in Dänemark (1561), Hamburg (1603), der Hanse (1614) und Schweden (1667) bedeutsame Regelungen erlassen, an die sich allmählich eine beachtliche wissenschaftliche Literatur anschließt (-> Stracca, -> Grotius, -> 710 Vinnius).-> Preußen schafft 1727 ein 10 Kapitel mit 361 Artikeln umfassendes Seegesetz, dessen Inhalt in das -> Allgemeine Landrecht (1794) Eingang findet. Frankreichs - > Ordonnance de la marine (1681) erhält der -> Code de commerce (1807) aufrecht, der sich auf Griechenland (1835), Rumänien (1863), die Türkei (1864), Spanien (1829), Portugal (1833), die Niederlande (1838), Belgien (1879) und Italien vollständig oder teilweise auswirkt. Die deutschen Staaten vereinheitlichen ihr S. im -> Allgemeinen Deutschen Handels- gesetzbuch (1861) bzw. im Handelsgesetzbuch (1897/1900). Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957, 335; Rolin, H., L'abordage, 1899; Die altniederländischen Seerechte, hg. v. Telting, A., 1907; Sammlung älterer Seerechtsquellen, hg. v. Zeller, H., Heft 1ff. 1907ff.; Seerechtliche Forschungen, hg. v. Zeller, H., Heft 1 1915; Perels, L. El libro del consulado de mar, Revista juridica de Catalua 23 (1917); Perels, L., Orden judicial del consulado de mar de Barcelona, Revista juridica de Catalua 25 (1919); Pappenheim, M., Zur Geschichte des Seefrachtvertrages, ZRG GA 51 (1931), 175; Zeno, R., Documenti per la storia del diritto marittimo, 1936; Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 1947; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,848, 2,2,675; Lau, G., Das hamburgische Seehandelsrecht im 18. Jahrhundert, Diss. jur. Hamburg 1975; Landwehr, G., Die hanseatischen Seerechte, in: 1667 ars sjölag, hg. v. Institutet för rättshistorik forskning, 1984, 75; Frentz, E., Das hamburgische Admiralitätsgericht (1623-1811), 1985; Landwehr, G., Die Haverei in den mittelalterlichen deutschen Seerechtsquellen, 1985; Landwehr, G., Das preußische Seerecht vom Jahre 1727, ZNR 8 (1986), 113; Landwehr, G., Die Bedeutung des lübischen Seerechts, in: Schiffe und Seefahrt, hg. v. Bei der Wieden, 1986, 129; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, 1987; Krieger, K., Die Anfänge des Seerechts, in: Untersuchungen zu Handel und Verkehr, Bd. 4 1987, 246; Landwehr, G., Seerecht, HRG Bd. 4 1989; Osten, W., Das schwedische Seerecht, 1992; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Decken, J. v. d., Das Seearbeitsrecht im Hamburger Stadtrecht, 1995; Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Rademacher, M., Die Geschichte des Hafen- und Schifffahrtsrechts in Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag); Seerecht im Hanseraum des 15. Jahrhunderts, hg. v. Jahnke, C. u. a., 2003; Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse, 2003; O'Sullivan, C., Die Ahndung von Rechtsbrüchen der Seeleute, 2005 Seesen Lit.: Tausend Jahre Seesen, hg. v. d. Stadt Seesen, 1974 Seeversicherung ist die Versicherung von Menschen und Sachen gegen die beim See- transport bestehenden besonderen Gefahren. Sie erscheint erstmals 1319 und ist in Venedig bereits im 15. Jh. von großer tatsächlicher Bedeutung. Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Hammacher, W., Die Grundzüge des allgemeinen Kiesselbach, A., Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwickelung der Seeversicherung in Hamburg, 1901; Seeversicherungsrechts, Diss. jur. Bonn 1983; Nehlsen-von Stryk, K., Die venezianische Seeversicherung, 1986 Sefarde (M.) Jude im mittelalterlichen Spanien seisin (F.) Gewere Sekundogenitur (F.) Zweitgeburt Selbständiger ist, wer nicht in einer (beruflichen) Abhängigkeit steht. In der arbeitsteiligen Wirtschaft wird die Zahl der Selbständigen (Unternehmer) immer geringer. Möglicherweise erzwingt die durch hohe Lohnkosten und Rationalisierungsdruck bewirkte Arbeitslosigkeit in der Zukunft wieder mehr Selbständigkeit. Lit.: Köbler, DRG 225, 252 Selbstbestimmung ist die ausschließliche Entscheidung des Betroffenen über sich selbst. Sie entwickelt sich dort, wo übermäßige Fremdbestimmung aufgeklärtes Freiheits- streben erwachen lässt. Das ist seit dem 18. Jh. allgemein und seit dem 19. Jh. im überindividuellen Bereich der Fall. Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Elsner, B., Die Bedeutung des Volkes im Völkerrecht, 2000; Mett, F., Das Konzept des Selbstbestimmungsrechts der Völker, 2004 Selbsthilfe ist die Durchsetzung oder Sicherung eines Anspruches durch eigenes Handeln. Die S. ist vor der Entwicklung des staatlichen Durchsetzungsmonopoles selbver- ständlich (-> Fehde). Schon im römischen Altertum ist sie eingeschränkt. Seit dem 711 Frühmittelalter wird die S. zurückgedrängt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) hält sie zwar noch für grundsätzlich zulässig, bindet sie aber an enge Voraussetzungen und gewährt ihr nur geringe Möglichkeiten. Lit.: Kaser § 36 II 5; Söllner § 8; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 18, 92, 166, 177, 208; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 54, Neudruck 1964; Adler-Rudel, S., Jüdische Selbsthilfe, 1974; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 277, 287 Selbstmord (Selbsttötung) ist die gewaltsame Beendung des eigenen Lebens. Der S. wird von der christlichen Kirche vom 6. Jh. bis in das 20. Jh. als Todsünde dadurch bekämpft, dass (noch 1917) die Beerdigung des Selbstmörders in christlichen Formen ausgeschlossen wird. Zeitweise sprechen sich auch weltliche Juristen und territoriale Bestimmungen für eine Strafbarkeit des Selbstmords aus (Pufendorf, Thomasius, Wolff), doch werden nach ersten liberalen Stimmen in der Renaissance weltliche Rechtsfolgen des Selbstmords unter dem Einfluss der Aufklärung in Preußen 1751 und in Frankreich 1790 von oben her aufgegeben, weil der Selbstmörder als krank angesehen wird. Die Mitwirkung Dritter ist an einzelnen Orten zu einzelnen Zeiten tatsächlich strafbar. Lit.: Bernstein, O., Die Bestrafung der Selbstmörder, 1907; Masi, G., Il suicidio nel diritto comune, in: Il diritto ecclesiastico, 63 (1952), 497; Dieselhorst, J., Die Bestrafung der Selbstmörder im Territorium der Reichsstadt Nürnberg, Mitt. d. Vereins f. Gesch. der Stadt Nürnberg 44 (1953), 58; Faberow, N., Bibliography of suicide, 1972; Wacke, A., Der Selbstmord im römischen Recht, ZRG RA 97 (1980), 26; Ehrlich, J., Suicide in the Roman Empire, 1986; Lind, V., Selbstmord in der frühen Neuzeit, 1998; Nestmeyer, F., Freitod, 1998; Murray, A., Suicide in the Middle Ages, 1998ff.; Schrage, E., Suicide in Canon Law History, Legal History 21 (1999), 57; Lind, V., Selbstmord in der frühen Neuzeit, 1999; Mischler, G., Von der Freiheit, das Leben zu lassen, 2000; Ahrens, J., Selbstmord, 2001; Baumann, U., Vom Recht auf den eigenen Tod, 2001; Bähr, A., Der Richter im Ich, 2002; Schreiner, J., Jenseits vom Glück. Suizid, Melancholie und Hypochondrie in deutschsprachigen Texten des späten 18. Jahrhunderts, 2003 Selbstverwaltung ist die eigenverantwortliche Wahrnehmung überlassener oder zugewiesener eigener öffentlicher Aufgaben durch unter- staatliche Träger öffentlicher Verwaltung. S. ist selbstverständlich. Sie wird zu einer politischen Frage seit der frühen Neuzeit, in welcher der erstarkende absolute Flächenstaat alle Entchei- dungen zentralisiert. In Abwehr dieser büro- kratisch-planstaatlichen Entwicklung setzen Aufklärung und Liberalismus seit 1808 in Preußen die kommunale S. durch. Dem folgen eine berufsständische und seit 1883 eine sozialversicherungsrechtliche S. nach. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197, 258; Gneist, R. v., Geschichte des Selfgovernment in England, 1863; Schelb, W., Staatsverwaltung und Selbstverwaltung, 1911; Becker, E., Gemeindliche Selbstverwaltung, 1941; Fischer, W., Unternehmerschaft, Selbstverwaltung und Staat, 1964; Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950, 2. A. 1969; Graf, W., Die Selbstverwaltung der fricktalischen Gemeinden im 18. Jahrhundert, 1967; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970; Croon, H./Hofmann, W./Unruh, G. v., Kommunale Selbstverwaltung im Zeitalter der Industrialisierung, 1971; Schwab, D., Die ,,Selbstverwaltungsidee" des Freiherrn von Stein, 1979; Hendler, R. Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, 430; Rössler, L., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, Diss. jur. Kiel 1985; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Gubitzer, L., Geschichte der Selbstverwaltung, 1989; Treffer, C., Zur Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, Der Staat, 1996, 251; Kommunale Selbstverwaltung, hg. v. Birke, A., 1996; Droste, W., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, Diss. jur. Bonn 1999 Selden, John (Selvington/Sussex 16. 12. 1584- Whitefriars 30. 11. 1654), Bauernsohn, wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Clifford's Inn (1603) bzw. in Inner Temple (1604) 1612 Rechtspraktiker (barrister), Rechtspolitiker und Rechtswis- senschaftler. Bereits 1606 verfasst er eine Darstellung der angelsächsischen Verwaltung, 1610 eine Übersicht über die englische Rechtsentwicklung bis zu König Heinrich II. 1617 wird er mit (lat.) De Diis Syriis (Über syrische Götter) als Orientalist bekannt und widmet sich in der Folge vielfach dem außereuropäischen, altjüdischen Recht. 1618 (?) antwortet er auf Hugo Grotius' (lat.) Mare liberum (Freies Meer) mit einem (lat.) Mare (N.) clausum (Geschlossenes Meer), in dessen Gefolge englische Kriegsschiffe die 712 holländische Heringsfischerei in von England beanspruchten Gewässern von Abgaben abhängig machen. Im Gedenken an S. wird 1887 in England von Frederic Maitland die Selden Society als Gesellschaft zur Pflege der englischen Rechtsgeschichte gegründet. Lit.: Braun, R., John Selden, Diss. jur. Würzburg, 1943 masch.schr.; Klee, H., Hugo Grotius und John Selden, 1946; Fletcher, E., John Selden, 1969; Berkovitz, D., John Selden's Formative Years, 1988 Seldschuke ist der Angehörige einer von Seldschuk (um 1000) gegründeten, von 1040 bis 1157 bedeutsamen Herrscherfamilie der -> Türken. Semel heres semper heres (lat.). Einmal Erbe immer Erbe. Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4 Senat ist im altrömischen Recht die neben König bzw. Konsuln stehende Versammlung der Alten (lat. [M.Pl.] senes) oder Väter (lat. [M.Pl.] patres) der patrizischen Geschlechterverbände. Diesem S. gehören allmählich alle ehemaligen Amtsträger (z. B. Konsuln, Prätoren) an. Sein Ratschlag, der in wichtigeren Angelegenheiten einzuholen ist, erlangt praktische Gesetzeskraft (lat. [N.] senatusconsultum). Seit dem Prinzipat verkümmert der S. zum Stadtrat Roms (bzw. Konstantinopels). In der frühen Neuzeit wird S. zur Bezeichnung des Spruchkörpers eines Obergerichts, eines politischen Kolle- gialorganes (z. B. zweite Kammer, in Bayern aufgehoben) oder eines Leitungsgremiums einer Hochschule. Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 15; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 6; Köbler, DRG 18, 32, 55, 153; Beck, H., Senat und Volk von Konstantinopel, 1966; Talbert, R., The Senate, 1984; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Arccaria, F., Senatus censuit, 1992; Senatus populusque Romanus, hg. v. Vaahtera, J., 1993; Der bayerische Senat, bearb. v. Schmöger, H., 1998 Senatusconsultum (lat. [N.]) ist der Senatsbeschluss, der im altrömischen Recht praktisch Gesetzeskraft erlangt. Lit.: Kaser § 2 II 2a; Söllner §§ 4, 6, 14, 15; Köbler, DRG 18, 31 Senatusconsultum Claudianum (54 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, nach dem die Römerin versklavt wird, die gegen den Willen des Herrn mit einem Sklaven geschlechtlich verkehrt. Lit.: Kaser § 15 II 3 Senatusconsultum Iuventianum (129 n.Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, wonach ein gutgläubiger Erbschaftsbesitzer nur herauszu- geben hat, worum er bereichert ist. Lit.: Kaser § 75 I 3b, 6c; Köbler, DRG 37 Senatusconsultum Macedonianum (2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.) ist ein nach einem Haussohn Macedo benannter römischer Senatsbeschluss, der Gelddarlehen an Haussöhne verbietet, um zu verhindern, dass ein von Gläubigern bedrängter Haussohn seinen Vater tötet, um seine Schulden mit dann vom Vater geerbtem Geld zu tilgen. Lit.: Kaser § 39 I 2; Söllner § 15; Wacke, A., Das Verbot der Darlehensgewährung, ZRG RA 112 (1995), 239 Senatusconsultum Neronianum (54-68 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, nach dem ein Legat, das in dem vom Erblasser gewählten Typus unwirksam ist, in einer der anderen Arten von Vermächtnis aufrechterhalten wird, wenn sein Inhalt dies zulässt. Lit.: Kaser § 76 II 4a Senatusconsultum Orfitianum (178 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, der den Kindern ein Erbrecht nach dem Tod der Mutter vor den Agnaten gewährt. Lit.: Kaser § 66 IV, VI; Söllner § 15; Köbler, DRG 38; Meinhart, M., Die Senatsconsulta Tertullianum und Orfitianum, 1967 Senatusconsultum Tertullianum (117-138 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, welcher der Mutter, die das (lat.) -> ius (N.) liberorum (Recht der Kinder) hat, ein Erbrecht am Nachlass eines Kindes hinter den (lat. [M.Pl.]) sui (Seinen), dem Vater und den vatersblütigen Brüdern und gemeinsam mit den vatersblütigen Schwestern vor allen übrigen Agnaten gewährt. Lit.: Kaser § 66 IV, VI; Söllner § 15; Köbler, DRG 38; Meinhart, M., Die Senatsconsulta Tertullianum und Orfitianum, 1967 Senatusconsultum Trebellianum (56/57 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, der den fideikommissarischen Nachfolger eines Erben so stellt, dass die dem Erben und gegen den Erben möglichen Klagen dem Nachfolger und gegen den Nachfolger unmittelbar als (lat.) -> actiones (F.Pl.) utiles erteilt werden. Lit.: Kaser § 78 II 2 Senatusconsultum Vellaeanum (46 n. Chr.) 713 ist der römische Senatsbeschluss, der Frauen verbietet, im Interesse Dritter Verbindlich- keiten (z. B. Bürgschaften) einzugehen. Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 15; Köbler, DRG 44; Medicus, D., Zur Geschichte des Senatusconsultum Velleianum, 1957; Lehner, O., Senatus consultum Velleianum ­ die Wiederkehr einer antiken Rechtsfigur, ZRG GA 105 (1988), 270 Senckenberg, Heinrich Christian (Frankfurt am Main 1704-Wien 30. 6. 1768), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen, Halle, Leipzig, Gießen und Göttingen 1736 ordentlicher Professor in Göttingen, 1738 in Gießen und 1751 Reichshofrat. Zu seinen rechtsgeschichtlichen Arbeiten zählen wichtige Quellensammlungen (z. B. Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede, 1747ff.). Lit.: Kriegk, G., Die Brüder Senckenberg, 1869; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978 Send (M.) -> Sendgericht Sendeve (1297) (Sendvermögen) ist eine spätmittelalterliche nördliche -> Handels- gesellschaft, bei der Gut, das der Geber einem anderen Kaufmann gegen Vergütung, Gewinnanteil oder sonstige Gegenleistung (mit)gibt, allein auf Gewinn und Gefahr des Gebers reist. Das Sendevegeschäft steht der -> Kommission nahe. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrecht, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1951, 83 Sendgericht (zu lat. [M.] synodus) ist das im Frühmittelalter aus dem Bischof als Richter und aus Sendschöffen als Urteilern gebildete kirchliche Gericht für die Rüge und Verhandlung aller unrechten Taten, die nach christlicher Ansicht Sünde sind. Das S. geht seit dem 11. Jh. vom Bischof auf die Pfarrer über. Seit dem 12. Jh. wird es allmählich durch den kirchlichen Einzelrichter eingeschränkt, im 17. Jh. endgültig beseitigt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 115; Koeniger, A., Die Sendgerichte in Deutschland, 1907; Koeniger, A., Quellen zur Geschichte der Sendgerichte in Deutschland, 1910; Kohl, W., Das Laiensendgericht in der mittelalterlichen Stadt Speyer, 1950; Niederhöfer, K., Die Rezeption des römischen Rechts in der Reichsstadt Speyer, 1949; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Kerff, F., Libri paenitentiales, ZRG KA 75 (1989) 23; Spieß, P., Rüge und Einung, 1988; Becker, I., Geistliche Parteien und die Rechtsprechung im Bistum Konstanz, 1998; Lauterbach, K., Sendgericht, Missat und Feme im Werk des sogenannten oberrheinischen Revolutionärs, ZRG GA 118 (2001), 185 Seneschall (lat.-afrk. senescalcus) ist im fränkischen Reich der für die Verpflegung zuständige Truchsess (Altknecht). In Frankreich besteht das Amt am Königshof bis 1191. Lit.: Köbler, DRG 83; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485 senex (lat. [M.]) Alter, senes (M.Pl.) Senat senior (lat. [M.]) Älterer, Herr Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Ehrismann, G., Die Wörter für Herr im Althochdeutschen, Z. f. d. W. 7 (1905), 173 sententia (lat. [F.]) Satz, Urteil Lit.: Kaser § 84 II Sententiae (F.) Pauli (lat.) (Urteile des Paulus) sind ein Auszug aus echten Schriften des -> Paulus vom Ende des 3. Jh.s. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 52 Separatio (F.) bonorum (lat.) ist die Gütertrennung zwischen Nachlass des Erblassers und Vermögen des Erben, die im klassischen römischen Recht zwecks Haf- tungsbeschränkung nur ausnahmsweise erreicht werden kann. -> Erbenhaftung Lit.: Kaser § 74 II, 1, 2; Köbler, DRG 37 Sequester (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Verwahrer einer im Rechtsstreit befangenen Sache. Er hat Interdiktenbesitz. Von ihm kann die siegreiche Partei Herausgabe verlangen. Lit.: Kaser §§ 19 IV 2d, 39 III 3 Serbien ist das von Morava und Vardar entwässerte südwesteuropäische Gebiet, in das seit dem 5./6. oder 7. Jh. -> Slawen einwandern. Um 1180 wird es von Ostrom bzw. Byzanz unabhängig und 1217 unter päpstlicher Krönung Stefans des Erstgekrönten Königreich, in dem Stephan Du¹an 1349 ein wichtiges Gesetz schafft. Nach der Schlacht auf dem Amselfeld (1389) wird es von den Osmanen (Türken) abhängig und 1459 Teil des osmanischen Reiches. 1838 wird S. autonom, 714 1878 unabhängig. 1918 wird es Teil -> Jugoslawiens, von dem sich 1991 selbständige Einheiten ablösen. Sein Recht ist demnach nacheinander römisch, slawisch, türkisch, sozialistisch und westlich geprägt. Lit.: Temperley, H., History of Serbia, 1917, Neudruck 1970; Dolenc, M., Du¹anov zakonik (Das Gesetzbuch Du¹ans), 1925; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,332; Cirkovic, S., I serbi, 1992; Calic, M., Sozialgeschichte Serbiens, 1994; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Tomiæ, Y., La Serbie du prince, 2003 Sergeevic, Vasilij Ivanovic (1832-1910) wird nach dem Rechtsstudium 1871 Professor in Moskau und 1872 in St. Petersburg. Mit Aufgaben und Methoden der Staatswissen- schaften begründet er 1871 ausgehend von der historischen Schule und vom deutschen Positivismus das russische Staatsrecht. Von 1883 an legt er rechtsvergleichend geprägte Forschungen zur Geschichte des russischen Rechts und russische Rechtsaltertümer (1890ff.) vor. Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule Russlands, 1961 servitium (lat. [N.]) Dienst, Leistung Lit.: Heusinger, B., Servitium regis, 1922; Taxae pro communibus servitiis, hg. v. Hoberg, H., 1949; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Metz, W., Das servitium regis, 1978; Göldel, C., Servitium regis, 1997 Servitus (lat. [F.]) ist schon im altrömischen Recht die -> Dienstbarkeit (lat. [N.] iter [Pfad], [M.] actus [Trift], [F.] via [Weg], [M.] aquaeductus [Wasserleitung]). Sie betrifft zunächst das Feld, dann auch das Gebäude. Ein Personalservitut ist der -> Nießbrauch. Als s. iuris Germanici (deutschrechtliche Dienstbar- keit) versteht die frühe Neuzeit die ein Tun beinhaltende Dienstbarkeit. Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 1, 22 II, 28; Köbler, DRG 26, 41, 61; Bund, E., Begriff und Einteilung der Servituten, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Lee, J., Die servitus, Diss. jur. Bonn 1998 Servitut -> servitus, -> Dienstbarkeit Lit.: Bund, E., Begriff und Einteilung der Servituten, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956 Servius Sulpicius Rufus (um 106-43 v. Chr.) ist der römische, 51 v. Chr. das Konsulat bekleidender Jurist. Ihm werden 180 (lat. [M.Pl.]) libri (Bücher) zugeschrieben. Unter ihnen befindet sich der erste Kommentar zum prätorischen Edikt. Möglicherweise begründet er eine eigene klassisch-institutionelle Richtung der römischen Jurisprudenz. Lit.: Söllner §§ 11, 15; Vernay, E., Servius et son école, 1909; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 602 Servus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der - > Sklave. Er ist aus dem (römischen) Recht ausgeschlossen. S. wird man durch Geburt, Kriegsgefangenschaft und Veräußerung ins Ausland. Der s. untersteht der Hausgewalt seines Herrn und wird wie eine Sache behandelt. Sein Herr kann ihm aber ein Sondergut (lat. [N.] -> peculium) einräumen, mit dem er zwar nicht rechtlich, wohl aber tatsächlich wirtschaften kann. Frei wird der s. durch Freilassung. In den lateinischen Quellen des Frühmittelalters ist s. der -> Unfreie. Lit.: Kaser § 15; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21, 35; Köbler, LAW; Die Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Verhulst, A., 1985 sessio (lat. [F.]) Sitzung, Sitzen, Besitzergreifung Setzung -> Rechtssetzung, Gesetz Seuche ist die eine größere Zahl von Menschen erfassende übertragbare Krankheit. Gegen die S. richten sich schon im Frühmittelalter einzelne Rechtsvorschriften. Seit der frühen Neuzeit ergehen umfassende Seuchenordnungen bzw. Seuchengesetze. Lit.: Hecker, J., Die großen Volkskrankheiten des Mittelalters, 1865; Deichert, H., Geschichte des Medizinalwesens, 1908; Lesky, E., Österreichisches Gesundheitswesen, 1959; Fischer, A., Geschichte des deutschen Gesundheitswesens, Bd. 1f. 1933, Neudruck 1965; Winkle, S., Geißeln der Menschheit, 1997 Sevilla am Guadalquivir wird als iberisches Hispalis 45 v. Chr. von Caesar zur (lat. [F.]) colonia erhoben (Colonia Iulia Romula). Über Vandalen, Sweben und Westgoten kommt es 712 an die Araber. 1248 wird es vom König von Kastilien und Leon erobert. 1502 erhält es eine Universität. Lit.: Ladera Quesada, M., Historia de Sevilla, 1988 Sexualdelikt -> Sittlichkeitsverbrechen Lit.: Balthasar, S., Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Beck, B., Wehrmacht und sexuelle Gewalt, 2004 Sexualität (F.) Geschlechtlichkeit 715 Lit.: Payer, P., Sex and the Penitentials, 1984; Brundage, J., Law, Sex and Christian Society, 1987; Breit, S., Leichtfertigkeit und ländliche Gesellschaft, 1991; Maiwald, S./Mischler, G., Sexualität unter dem Hakenkreuz, 1999; Lutterbach, H., Sexualität im Mittelalter, 1997; Burghartz, S., Zeiten der Reinheit ­ Orte der Unzucht, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse. Moralstrafrecht und administrative Kontrolle der Sexualität im ausgehenden Ancien Régime, 1999; Schnell, R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen Ehe, 2002 Seyler Raphael Lit.: Roth, W., Raphael Seyler (1535-1573), ZRG GA 21 (1900), 218 Sheffield wird im -> Domesday Book (1086) erstmals erwähnt. 1297 erhält es Stadtrecht. 1905 wird eine Universität eingerichtet. Lit.: Hunter, J., Hallamshire, 1869 sheriff (M.) (um 1000) königlicher Verwalter, Graf Lit.: Morris, W., The Medieval English sheriff, 1927; Gorski, R., The Fourteenth-Century Sheriff, 2003 Sichard, Johannes (Tauberbischofsheim 1499- Tübingen 1552), Gastwirtssohn, wird nach dem Studium der freien Künste in Ingolstadt Lehrer in München und 1521 in Freiburg im Breisgau sowie 1524 ordentlicher Professor des Rechts in Basel. Er veröffentlicht 24 Bände mit 113 meist unbekannten teilweise auch juristischen Texten (z. B. 1528 -> Lex Romana Visigothorum, 1530 -> Lex Alamannorum, -> Lex Baiuvariorum und -> Lex Francorum). Nach einer fünfjährigen Unterbrechung wird er 1535 Professor in Tübingen, wo er das italienische gelehrte Recht in praktischer Anwendung weitergibt. Lit.: Köbler, DRG 143; Kisch, G., Johannes Sichardus, 1952; Winterberg, H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974 Sicherheit ist Freiheit von Gefährdungen. Die S. ist in der frühen Neuzeit Aufgabe der -> Polizei. 1882 beschränkt das sog. -> Kreuz- bergurteil des preußischen Oberverwal- tungsgerichts die Polizei auf den Schutz von Sicherheit und Ordnung. Im National- sozialismus wird die S. teilweise missbraucht. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 831; Göring, H., Die Rechtssicherheit als Grundlage der Volksgemeinschaft, 1935; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Metz, K., Industrialisierung und soziale Sicherheit, 1988 Sicherheitsleistung (lat. [F.] cautio) ist die in bestimmten Fällen zur Sicherung eines bestimmten Verhaltens zu erbringende Leistung. Die S. steht in einem gewissen Zusammenhang mit privatrechtlichen Siche- rungen (z. B. Pfand, Einlager, Geisel, Arrest, Schuldhaft). Als allgemeinere Rechts- einrichtung entwickelt sie die frühe Neuzeit. Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch- romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973 Sicherungsverwahrung -> Maßregeln der Sicherung und Besserung Lit.: Schewe, J., Die Geschichte der Sicherungsverwahrung, Diss. jur. Kiel 1999 Sicherungsübereignung ist die zur Sicherung des Erwerbers vorgenommene Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache an diesen. Sie ist bereits dem altrömischen Recht als (lat. [F.]) fiducia bekannt, wobei die Sache nach Erreichung des Sicherungszweckes zurückzuübereignen ist. Im 19. Jh. wird die S. nicht in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen, aber auch zwecks Ermöglichung der Befriedigung der Kreditbedürfnisse der kleinen Leute bewusst nicht ausgeschlossen. Sie setzt sich bei wertvolleren Sachen im 20. Jh. gegenüber dem Faustpfand weitgehend durch, weil sie den Besitz beim Schuldner belässt, so dass dieser die Sache trotz S. nutzen kann. Lit.: Kaser § 31 I 2; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 26, 41, 213, 240, 269; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Hromadka, W., Die Entwiclung des Faustpfandprinzips, 1971; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Luig, K., Richter secundum, praeter oder contra legem?, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 383; Drexler, M., Die Anerkennung der Sicherungs- übereignung im 19. Jahrhundert und ihr Einfluss auf aktuelle Probleme, Diss. jur. Düsseldorf, 2002 Siebenbürgen im Karpatenbogen kommt über Römer, Ostgoten und Petschenegen an die -> Ungarn. Im 12. Jh. ruft der ungarische König deutsche Siedler (-> Sachsen) ins Land, die mit umfassenden Freiheiten ausgestattet werden. 716 Seit 1481 gilt die 1453 in Nürnberg oder Wien entstandene, von dem Richter Thomas Altenberger in Hermannstadt eingeführte Handschrift des Schwabenspiegels, Magdebur- ger und Iglauer Rechts als bedeutendste Rechtsquelle der sächsischen Gemeinschaft aus S. Seit 1526 ist der Fürst von S. zwischen Habsburg und den Türken nahezu unabhängig. 1583 gewährt er ein bis 1867 gültiges Landrecht. 1691 kommt S. an -> Habsburg. 1867 wird S. an Ungarn angegliedert. Am 8. 1. 1919 schließt es sich -> Rumänien an. Unter der Herrschaft des Sozialismus in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird das siebenbürgische Deutschtum weitgehend beseitigt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Müller, G., Die ursprüngliche Rechtslage der Rumänen im Siebenbürger Sachsenlande, 1912; Müller, G., Siebenbürgens Stühle, Distrikte und Komitate vor dem Jahre 1848, 1914, Neuauflage 1922; Müller, G., Die Türkenherrschaft in Siebenbürgen, 1922; Müller, G., Die sächsische Nationsuniversität in Siebenbürgen, 1928; Müller, G., Die Gräven des Siebenbürgener Sachsenlandes, Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde 6 (1931); Meyer, G., Ist das Andreanum vom Jahre 1224 eine Fälschung? 1935; Müller, G., Stühle und Distrikte als Unterteilungen der siebenbürgisch-deutschen Nationsuniversität 1141-1876, 1941; Das Eigen- Landrecht der Siebenbürger Sachsen von 1583, hg. v. Laufs, A., 1973; Quellen zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen 1191-1975, gesammelt v. Wagner, E., 1976; Philippi, M., Die Bürger von Kronstadt, 1986; Horedt, K., Das frühmittelalterliche Siebenbürgen, 1988; Codicele Altenberger, hg. v. Constantinescu, R., 1988; Köpeczi, B., Kurze Geschichte Siebenbürgens, 1990; Gündisch, K., Das Patriziat siebenbürgischer Städte im Mittelalter, 1993; Arens, M., Habsburg und Siebenbürgen 1600-1605, 2001; Roth, H., Kleine Geschichte Siebenbürgens, 2. A. 2003; Mitu, S., Die ethnische Identität der Siebenbürger Rumänen, 2003; Volkmer, G., Die siebenbürgische Frage, 2004 Siebenhardenbeliebung ist eine von 1426 stammende nordfriesische Rechtsquelle, die 1572 durch das von Herzog Johann erlassene Nordstrander Landrecht die formelle Geltung verloren hat. Lit.: Pappenheim, M., Die Siebenhardenbeliebung, 1926; Carstens, W., Zur Entstehungsgeschichte der nordfriesischen Siebenhardenbeliebung, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 65, 368; Hartz, O., Die Rechtssätze der Siebenhardenbeliebung von 1426, ZRG GA 60 (1940), 300; Carstens, W., Die Siebenhardenbeliebung, ZRG GA 62 (1942), 358; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 141 Siedlung Lit.: Kirbis, W., Siedlungs- und Flurformen germanischer Länder, 1952; Fischer, H., Die Siedlungsverlegung, 1952; Timm, A., Studien zur Siedlungs- und Agrargeschichte Mitteldeutschlands, 1956 Siegel ist ein eine Person verkörperndes, durch Abdruck in einem weicheren Stoff wirkendes Zeichen zur Kennzeichnung eines Schriftstückes. Das S. ist seit den ersten Hochkulturen bekannt. Bereits im 8. Jh. v. Chr. wird es als Stempel verwendet. Seit dem Frühmittelalter wird in der -> Königsurkunde, mit der vor allem Einzelrechte verliehen werden, die Unterschrift durch das S. ersetzt und werden Zeugen aufgenommen. Im zweiten Viertel des 12. Jh.s erscheint in Schwaben auch die Siegelurkunde anderer Aussteller. Seit Ende des 12. Jh.s wird auch bei Privaturkunden das S. (siegelfähiger Personen) üblich. Die älteste Form ist der schon im Altertum nachweisbare Siegelring. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 105; Posse, O., Die Siegel des Adels der Wettiner Lande, 1908ff.; Ewald, W., Siegelkunde, 1914; Die Siegel der Markgrafen von Brandenburg aus dem Hause Wittelsbach 1323-1373, bearb. v. Bier, H., 1933; Goerlitz, T., Die Magdeburger Schöffensiegel, ZRG GA 63 (1943), 327; Blaschke, K., Siegel und Wappen in Sachsen, 1960; Frenz, T., Papsturkunden, 1986; Dalas, M., Corpus des sceaux, Bd. 2 1991; Weiß, P., Frühe Siegelurkunden in Schwaben, 1997; Steiner, R., Die Entwicklung der bayerischen Bischofssigel, 1998; Stieldorf, A., Rheinische Frauensiegel, 1999; Hattenhauer, H., Sigillum facultatis juridicae, 2005 Siegel, Heinrich (Ladenburg/Baden 13. 4. 1830-Wien 4. 6. 1899), Generalstabsarztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Bonn und Gießen sowie der Promotion (1852) und Habilitation (1853) in Gießen 1858 Professor in Wien. Er begründet die Sammlung österreichischer Weistümer und erkennt das einseitige Versprechen als Verpflichtungs- grund. Monographien behandeln Erbrecht und Gerichtsverfahren. Lit.: Luschin von Ebengreuth, A., Heinrich Siegel, ZRG GA 20 (1899), VII; Wretschko, A. v., Heinrich Siegel, 717 1900; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978 Siegerland Lit.: Petri, F. u. a., Das Siegerland, 1955 Sielrecht (Schleusenrecht) Lit.: Michaelis, F., De iure cataractarum, 1696; Logemann, C., Die geschichtliche Entwicklung des bsonderen Sielrechts in Oldenburg, 1959 Siete Partidas (Sieben Teile) ist der 1256-1265 in Spanien entstandene Rechtstext. Die S. P. werden unter König Alfons X. von Kastilien- Leon erarbeitet und nach mehrfachen Veränderungen (1265, 1290-1295, um 1300) 1348 unter König Alfons XI. als (span.) Libro (M.) del fuero de las leyes mit subsidiärer Geltung in Kraft gesetzt. Sie gliedern sich in sieben Teile (Rechtsquellen und Kirchenrecht, politisches Recht bzw. Verwaltungsrecht und Kriegsrecht, Gerichtsverfassung bzw. Verfah- rensrecht und Königsrecht, Familienrecht und Lehnsrecht, Schuldrecht, Erbrecht, Strafrecht und Strafverfahrensrecht). Quellen sind das (lat.) -> ius (N.) commune, die Glosse des Accursius, Summen des Azo und des Odofredus, das Decretum Gratians, der Liber extra, Summen des Hostiensis, Tancredus und des Raymundus de Penyafort, das Speculum des Durantis, die libri feudorum, der kastilische Fuero juzgo, die -> Rôles d'Oleron, Magister Jacobos Doctrinal de las leyes, Bibel, Kirchenväter, Aristoteles, Seneca, Boethius und Texte orientalischer Tradition. Der Name S. P. wird im 16. Jh. üblich. Lit.: Las siete partidas, hg. v. d. Königlichen Akademie der Geschichte, Bd. 1ff. 1807, Neudruck 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff; Craddock, J., The Legislative Works of Alfonso el Sabio, 1986; Scheppach, M., Las Siete Partidas, 1991 Signet -> Notarsignet Signoria (F.) autokratische Herrschaftsform in Italien im Spätmittelalter Lit.: Mallet, M., Signori e mercenari, 1983 Silent leges inter armas (lat.). Wenn die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Cicero, 106-43 v. Chr., Rede für Milo §11) Silleiner Rechtsbuch ist das auf magdeburgisch-schlesische Quellen (Sachsenspiegel, sächsisches Weichbildrecht u. a.) zurückgehende, 1378 von Nikolaus de Laconia (Lukove/Kreis Altsohl) in einem deutschsprachigen Teil geschaffene, 1473 im landrechtlichen Teil in das sich durchsetzende (Alttschechische bzw.) Altslovakische übersetzte, bedeutendste Rechtsbuch der Slowakei (für die einst zu Ungarn gehörige Stadt Sillein). Lit.: Rauscher, R., Das Silleiner Rechtsbuch aus dem Jahre 1378, 1933 (z. T. tschechisch); Piirainen, I., Das Stadtrechtsbuch von Sillein, 1972; Papsonová, M., Das Magdeburger Recht und das Silleiner Rechtsbuch, 2003 Silvesterpatent ist die Urkunde vom 31. 12. 1851, mit welcher der Kaiser von -> Österreich die von ihm am 4. 3. 1849 gewährte -> Verfassung als unangemessen und unausführbar aufhebt und damit Österreich zum -> Neoabsolutismus führt. Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher Simonie ist nach Apostelgeschichte 8,18 der von Simon Magus abgeleitete Handel mit geistlichen Sachen. Die S. breitet sich in der Kirche seit dem 4. Jh. n. Chr. aus. In der Mitte des 11. Jh.s wird sie von der kirchlichen Reformbewegung entschieden bekämpft. -> Investiturstreit Lit.: Kroeschell, DRG 1; Drehmann, J., Papst Leo IX. und die Simonie, 1908; Meier-Welcker, H., Die Simonie im frühen Mittelalter, ZKG 64 (1952/3), 61; Weitzel, J., Begriff und Erscheinungsformen der Simonie, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Lynch, H., Simoniacal Entry, 1976 Simson, Eduard (Königsberg/Preußen 10. 10. 1810-1899), Kaufmannssohn, 1823 evan- gelisch, wird nach dem Rechtsstudium in Königsberg 1828 mit (lat.) venia (F.) legendi (Lehrbefugnis) promoviert, 1833 zum außerordentlichen Professor und 1836 zum ordentlichen Professor ernannt. Seit 1834 wirkt er auch als Richter (zunächst am Tribunalsgericht in Königsberg), seit 1848 als liberaler Rechtspolitiker (Präsident der Nationalversammlung, Präsident des Erfurter Unionsreichstags, Präsident des Zollparla- ments, Präsident des Reichstages). 1879 wird er als bisheriger Präsident des Appellations- gerichts in Frankfurt an der Oder (bis 1891) Präsident des -> Reichsgerichts. Seine jüdische Herkunft beeinträchtigt sein berufliches und politisches Wirken nicht erkennbar. Seine 718 Einordnung in eine wissenschaftliche Strömung ist mangels Publikationstätigkeit schwierig. Lit.: Simson, B. v., Eduard von Simson, 1900; Meinhardt, G., Eduard von Simson, 1981; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner Obertribunals, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 419; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 101; Eduard von Simson, hg. v. Kern, B. u. a., 2001 Simultaneum (N.) Gleichzeitigkeit (der katholischen und protestantischen Konfession) Lit.: Schäfer, C., Das Simultaneum, 1995 Singularsukzession (F.) Einzelnachfolge Lit.: Kuntze, J., Die Obligation und die Singular- succession, 1856 Sinti ist eine Bezeichnung für die früher als -> Zigeuner benannten Angehörigen einer Volksgruppe. Lit.: Reemtsma, K., Sinti und Roma, 1996; Sinti und Roma in der deutschsprachigen Gesellschaft und Literatur, hg. v. Tebbutt, S., 2001; Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der Roma und Sinti, 2002; Rieger, B., Roma und Sinti in Österreich nach 1945, 2003 Sinzheimer, Hugo Daniel (Worms 12. 4. 1875- Overveen/Holland 16. 9. 1945), Kleiderfabrikantensohn, wird nach dem Rechtsstudium in München, Freiburg im Breisgau, Berlin und Marburg 1903 Rechts- anwalt. 1916 tritt er der sozialdemokratischen Partei bei. 1920 wird er Honorarprofessor in Frankfurt am Main. 1921 verfasst er Grundzüge des Arbeitsrechts. 1937 wird er ausgebürgert. Lit.: Köbler, DRG 215; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953; Knorre, S., Soziale Selbstbestimmung, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 615; Kubo, K., Hugo Sinzheimer, 1995; Blanke, S., Soziales Recht oder kollektive Privatautonomie?, 2005 Sippe ist im älteren deutschen Recht der um einen Stammvater gruppierte Familienverband. Die rechtliche Stellung der S. im Früh- mittelalter ist streitig. Es ist fraglich, ob der S. jemals besondere öffentlich-rechtliche Aufgaben zukommen. Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 71, 72; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, ZRG 2 (1882), 1; Surtees Phillpotts, Kindred and Clan, 1913; Lappe, J., Die Sippen Koeerdt und Linnhoff, 1938; Genzmer, F., Die germanische Sippe als Rechtsgebilde, ZRG GA 67 (1950), 34; Haff, K., Der umstrittene Sippebegriff und die Siedlungsprobleme, ZRG GA 70 (1953), 30; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 1 (Antrittsvorlesung); Wiebrock, L., Die Sippe bei den Germanen, Diss. jur. Marburg 1979; Murray, A., Germanic Kinship Structures, 1983; Weidemann, M., Geschichte der Sippenhaftung, 2002 Sippenhaft ist die Anwendung von Maßnah- men gegenüber Angehörigen oder sonstigen Nahepersonen eines Bekämpften oder Verfolgten. Die im Nationalsozialismus gefor- derte und verwendete S. ist im Rechtsstaat unzulässig. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weidemann, M., Geschichte der Sippenhaftung, 2002 Sitte ist der in der Gesellschaft geübte Brauch. Zwischen S. und Recht bestehen stets Wechselwirkungen. Insbesondere kann S. zu Recht werden. Lit.: Kaser §§ 3 I 2, 23 I 1, 58 I, II, 1, 60 I 2; Hübner; Köbler, DRG; Hildebrand, R., Recht und Sitte auf den verschiedenen wirtschaftlichen Kulturstufen, 1896; Hävernick, W., ,,Schläge" als Strafe, 1970; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 863 Sitten (Diözese) Lit.: Zenhäusern, G., Zeitliches Wohl und ewiges Heil, 1992 Sittenwidrigkeit ist der Verstoß eines Verhaltens gegen die guten Sitten (lat. boni mores [M.Pl.]). Im römischen Recht werden gegen das gute Herkommen der Vorfahren verstoßende Geschäfte von den Juristen und den Kaisern unterdrückt. Dies wird verrechtlicht in der frühen Neuzeit wieder aufgegriffen. Lit.: Kaser §§ 3 I 2b, 9 II 2, 10 I 1e, 34 I 2b; Hübner; Köbler, DRG 164; Schmidt, H., Die Lehre von der Sittenwidrigkeit, 1973; Wanner, J., Die Sittenwidrigkeit der Rechtsgeschäfte, 1996; Karow, O., Die Sittenwidrigkeit von Verfügungen von Todes wegen, 1997; Falk, U., Zur Sittenwidrigkeit von Testamenten, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 451; Herzog, A., Sittenwidrige Rechtsgeschäfte in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus den Jahren 1948-1965, 2001 Sittlichkeitsverbrechen (Sexualdelikt) ist die Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Nach Tacitus werden bei den Germanen bestimmte Sittlichkeitsverbrechen mit dem Versenken im Moor verfolgt. Im Mittelalter 719 wendet sich vor allem die Kirche gegen das S. Besondere Fälle sind Ehebruch, Inzest, Vergewaltigung, Prostitution, Zuhälterei und Homosexualität. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird im Gefolge der Aufklärung die Verfolgung der S. durch liberale Vorstellungen teilweise zurückgedrängt (z. B. Homosexualität, anders Kinderpornographie). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Sittlichkeitsverbrechen, 6. A. 1911, 1925, Neudruck 2003; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, Neudruck 1964; Schroeder, F., Reform des Sexualstrafrechts, 1971; Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche, 1993; Hommen, T., Sittlichkeitsverbrechen, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999; Kraus, K., Sittlichkeit und Kriminalität, neu hg. 2004; Günther, B., Die Behandlung der Sittlichkeitsdelikte in den Policeyordnungen, 2004 Sizilien ist die Insel am Fuß Italiens. S. wird zuerst von Griechen beeinflusst, dann aber 228/227 von den Römern erobert. In der Völkerwanderungszeit kämpfen Germanen und Byzanz um die Vorherrschaft. Seit 827 dringen Araber ein, seit 1061 Normannen. 1130 wird S. Teil eines besonderen von Gegenpapst Anaklet II. gechützten, 1139 -> Neapel einnehmenden unteritalienischen Königreichs der Normannen. Dieses gelangt über die Heirat Heinrichs VI. mit der Erbtochter Konstanze 1186 an das -> deutsche Reich (Friedrich II.), 1266/1268 aber durch den Papst an -> Anjou und nach der sizilianischen Vesper (1282) unter Abtrennung von Neapel über eine staufische Erbtochter an Aragon (Spanien). 1713/1714 kommt S. von Spanien an Piemont, 1735 Neapel-S. an die Bourbonen, 1860 an Sardinien-Piemont und damit 1861 an das neue Königreich -> Italien. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Constitutiones regni Siciliae, 1475, Neudruck 1973; Gregorio, R., Introduzione allo studio del diritto pubblico siciliano, 1794, Neudruck 1971; Giuffrida, V., La genesi delle consuetudine giuridiche delle citt di Sicilia, 1901; Niese, H., Die Gesetzgebung der normannischen Dynastie im regnum Siciliae, 1910; Hofmann, M., Die Stellung des Königs von Sizilien nach den Assisen von Ariano (1140), 1915; Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Sthamer, E., Original und Register in der sizilischen Verwaltung, 1929 (SB Berlin); Sthamer, E., Studien über die sizilischen Register, 1930 (SB Berlin); Heupel, W., Der sizilische Großhof unter Kaiser Friedrich II., 1940; Colliva, P., Ricerche sul principio di legalit nell'amministrazione del regno di Sicilia, 1964; Caravale, M., Il regno normanno di Sicilia, 1966; Finley, M./Mack Smith, D., A history of Sicily, 1968; Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1969; Malinowska-Kwiatkowska, I., Prawo prywatne w ustawodawstwie Królestwa Sycylii 1140- 1231 (Das Privatrecht in der Gesetzgebung des Königreichs Sizilien 1140-1231), 1973; Die Konstitutionen Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein Königreich Sizilien, hg. v. Conrad, H. u. a., 1973; Gallas, K., Sizilien, 7. A. 1984; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts- geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,97, 3,1,233, 3,2,2359, 3,3,3218; Tancredi et Willelmi III. regum diplomata, hg. v. Zielinski, H., 1982; Constantiae imperatricis et reginae Siciliae diplomata (1195-1198), hg. v. Kölzer, T., 1983 (57 Stücke, 7 Fälschungen, 73 Deperdita); Rogerii II. regis (1107-1151) diplomata latina, hg. v. Brühl, C., 1987 (100 Urkunden, 91 Deperdita); Pispisa, E., Regnum Siciliae, 1988; Takayama, H., The Administration of the Norman Kingdom of Sicily, 1993; Baaken, G., Das sizilische Königtum Kaiser Heinrichs VI., ZRG GA 112 (1995), 202; Baaken, G., Ius imperii ad regnum, 1993; Rill, B., Sizilien im Mittelalter, 1995; Backman, R., The Decline and Fall of Medieval Sicily, 1995; Die Staufer im Süden, hg. v. Kölzer, T., 1996; Finley, M. u. a., Geschichte Siziliens, 1998; Mirto, C., Il regno dell'isola di Sicilia e delle isole adiacenti, 2000 Skandinavien ist die zusammenfassende Bezeichnung für die -> Norwegen und -> Schweden bildende Halbinsel, zu der im weiteren Sinn auch -> Dänemark und -> Finnland gezählt werden. Lit.: Tunberg, S., Studier rörande Skandinaviens äldsta politiska indelning, 1911, Dethlefsen, O., Die nordische Einheitsbewegung, 1941; Vehse, O., Nordische Staatengründer, 1943; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,61, 2,2,501, 4,4,21; Scandinavian biographical archive, 1989; Sawyer, B./Sawyer, P., Medieval Scandinavia, 1993; Zernack, J., Bibliographie der deutschsprachigen Sagaübersetzungen, 1997; See, K. v., Europa und der Norden im Mittelalter, 1999; Kaufhold, M., Europas Norden im Mittelalter, 2001 Skanske Lov -> nordisches Recht, Schonen Sklave ist der einem Menschen (oder auch einem Personenverband z. B. Stadt) vollständig gehörende andere Mensch. S. wird man 720 hauptsächlich durch Unterwerfung und Geburt. Der römische S. ist -> servus. Es ist streitig, ob der Unfreie des Mittelalters und der Neuzeit als S. bezeichnet werden darf, doch könnten aus dem frühmittelalterlichen Europa als wichtigstes Ausfuhrgut Menschen in den islamischen Herrschaftsbereich verbracht worden sein(, jedenfalls soll es zwischen 1530 und 1780 mehr als eine Million europäischer Sklaven in Norafrika gegeben haben). Sehr ähnliche Verhältnisse wie im Altertum treten erst wieder in den neuzeitlichen Kolonien (z. B. Amerika, wohin schätzungsweise 40000 Sklavenschiffstransporte aus Afrika erfolgen) auf. 1839 wendet sich die katholische Kirche gegen die Sklaverei. Nach einem Gesetz vom 9. 3. 1857 werden Sklaven, sobald sie Preußen betreten, frei. Lit.: Kaser §§ 15, 33, 49, 50, 82; Söllner §§ 4, 8, 9, 10, 12, 14, 15, 18, 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 16, 17, 21, 28, 35, 51, 57, 78; Verlinden, C., L'Esclavage, 1955; Rothenhöfer, D., Untersuchungen zur Sklaverei, Diss. phil. Tübingen 1967; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Erler, A., Der Loskauf Gefangener, 1978; Erler, A., Ältere Ansätze zur Überwindung der Sklaverei, 1978; Wilde-Stockmeyer, M., Sklaverei auf Island, 1978; Rudt de Collenberg, W., Esclavage et rançons des chrétiens en méditerranée (1570-1600), 1987; Karras, R., Slavery and Society, 1988; Bonnassie, P., From Slavery to Feudalism, 1991; Sklaven und Freigelassene, hg. v. Eck, W. u. a., 1993; Grieser, H., Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, 1997; Haenger, P., Sklaverei und Sklavenemanzipation an der Goldküste, 1997; Klees, H., Sklavenleben im klassischen Griechenland, 1998; Corpus der römischen Rechts- quellen zur Sklaverei, hg. v. Rainer, M. u. a., Teil 1 1999; Klein, H., The Atlantic Slave Trade, 1999; Eltis, D./Behrendt, D./Richardson, D. u. a., The Transatlantic Slave Trade, 1999; Voigt, J., Die Abschaffung des transatlantischen europäischen Sklavenhandels im Völkerrecht, 2000; Deißler, J., Antike Sklaverei und deutsche Aufklärung, 2000; Schumacher, L., Sklaverei in der Antike, 2001; Bibliographie zur antiken Sklaverei, hg. v. Bellen, H. u. a., neu bearb. v. Schäfer, D., 2003; Hammer, C., A Large-Scale Slave Society of the Early Middle Ages, 2002; Weiler, I., Die Beendigung des Sklavenstatus im Alterum, 2003; Weiß, A., Sklave der Stadt, 2004; Delacampagne, C., Die Geschichte der Sklaverei, 2004; Christian Slaves, Muslim Masters, 2004; Hochschild, A., Bury the chains, 2005 Skonto Lit.: Prausnitz, O., Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928 Skythe ist der Angehörige eines iranischen, im Altertum nach Westen vordringenden Steppenvolkes. Lit.: Rolle, R., Die Welt der Skythen, 1980; Parzinger, H., Die Skythen, 2004 Slawe (1. H. 6. Jh.) ist der Angehörige eines slawischen Volkes (z. B. Russe, Pole, Tscheche, Serbe, Kroate, Bulgare). Die zur indogermanischen Völkergruppe zählenden Slawen erscheinen in der Völkerwanderung und besiedeln von den Germanen freigegebene Gebiete in Ostmitteleuropa. Sie werden überwiegend von -> Byzanz (Kyrill, Methodos) aus christianisiert. Sie bilden verschiedene Reiche (-> Polen, -> Russland usw.). Ein Panslawismus wird im 19. Jh. sichtbar. Er führt 1918 zur Lösung kleinerer Staaten von -> Österreich (-> Tschechoslowakei, -> Jugoslawien). Ein gemeinslawisches Recht ist nicht bekannt. Erst im 20. Jh. entwickelt sich unter dem Druck der Sowjetunion eine gewisse Einheitlichkeit sozialistischen Rechts. Lit.: Köbler, DRG 76, 93; Kroeschell, DRG 1; Helmolds Slawenchronik, 3. A. bearb. v. Schmeidler, B., 1937; Kahl, H., Slawen und Deutsche in der brandenburgischen Geschichte des 12. Jahrhunderts, 1964; Zernack, K., Die burgstädtischen Volksversammlungen bei den Ost- und Westslawen, 1967; Ludat, H., Deutsch-slawische Frühzeit, 1969; Ludat, H., An Elbe und Oder um das Jahr 1000, 1971; Ernst, R., Die Nordwestslawen und das fränkische Reich, 1976; Ludat, H., Slaven und Deutsche im Mittelalter, 1982; Herrmann, J., Slawen, 2. A. 1985; Welt der Slawen, hg. v. Herrmann, J., 1986; Conte, F., Les slaves, 1986; Goehrke, C., Frühzeit des Ostslaventums, 1992; Golab, Z., The Origins of the Slavs, 1992; Kunstmann, H., Die Slaven, 1996; Struktur und Wandel im Früh- und Hochmittelalter, hg. v. Lübke, C., 1998; Garzaniti, M., Die altslavische Version der Evangelien, 2001; Panzer, B., Quellen zur slavischen Ethnogenese, 2002 Slawonien ist ein Teilgebiet -> Kroatiens. Lit.: Goldstein, I., Hrvatske rani srednji vijek, 1995 Slowakei ist der mitteleuropäische, zwischen Tschechei, Polen, Ukraine, Ungarn und Österreich gelegene Staat. Seit dem 10. Jh. gehört das Gebiet der S. zu Ungarn, das die Bewohner seit 1867 ungarisiert. Am 28. 10. 1918 wird die S. Teil der Tschechoslowakei, von der sie sich 1993 trennt. 721 Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Die juristische Bildung in der Slowakei und Ungarn bis zum Jahre 1848, 1968; Dejiny Slovenska, 1986; Schönfeld, R. Slowakei, 2000; Schuster, R., Im Strudel der Geschichte 2001; Tönsmeyer, T., Das Deutsche Reich und die Slowakei 1939-1945, 2003 Slowenien ist der mitteleuropäische, von Österreich, Ungarn, Kroatien und Italien begrenzte Staat. Das Gebiet Sloweniens löst sich 1918 aus der Herrschaft -> Österreichs und geht danach in Jugoslawien auf. Am 26. 6. 1991 spaltet es sich von dort ab. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Mal, J., Probleme aus der Frühgeschichte der Slowenen, 1939; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,330; Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Als Mitteleuropa zerbrach, hg. v. Karner, S. u. a., 1990; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Rehder, P., Slowenien, 1999; Karner, S., Slowenien und seine Deutschen, 2000; Griesser-Peèar, T., Das zerrissene Slowenien 1941-1946, 2003; Blumenwitz, D., Okkupation und Revolution in Slowenien (1941-1946), 2004 Smend, Rudolf (Basel 15. 1. 1882-Göttingen 5. 7. 1975), Theologieprofessorensohn, wird nach dem Studium von Recht, Philosophie und Geschichte in Göttingen 1909 Professor in Greifswald, Tübingen (1911), Bonn (1915), Berlin (1922) und Göttingen (1935). 1911 veröffentlicht er eine bedeutsame Unter- suchung über das -> Reichskammergericht. Sein Hauptwerk über Verfassung und Verfassungsrecht (1928) gründet sich auf die Idee der Integration als des sinnhaften Ineinanders geistiger Vorgänge. Lit.: Festschrift für Rudolf Smend, 1952; Campenhausen, A., Frhr. v., Zum Tode von Rudolf Smend, JZ 1975, 621; Rennert, K., Die ,,geisteswissenschaftliche Richtung" in der Staatsrechtslehre der Weimarer Republik, 1987 Smith, Adam (Kilkaldy 1723-1790) wird nach dem Studium von Griechisch, Logik, Metaphysik, Theologie, Mathematik und Philosophie in Glasgow und Oxford 1751 Professor für Logik und 1752 für Moral- philosophie in Glasgow. Nach einer Bildungsreise durch Frankreich (1764-1766) veröffentlicht er 1776 (engl.) Inquiry into the Nature and the Causes of Wealth of Nations (Untersuchung über die Art und die Gründe des Reichtums der Völker), in der er die Freiheit des Einzelnen als den Grund des Wohlstandes aller ermittelt. Damit begründet er als Klassiker der Volkswirtschaft den -> Liberalismus. Lit.: Köbler, DRG 134; Brühlmaier, D., Die Rechts- und Staatslehre von Adam Smith, 1987; Raphael, D., Adam Smith, 1991; Ross, I., The Life of Adam Smith, 1995; Klaiber, W., Rechtsphilosophie und Handlungstheorie, 1997; Ross, I., Adam Smith, 1998; Smith, A., Untersuchung über Wesen und Ursachen des Reichtums, hg. v. Streissler, E., 1999; Ballestrem, K. Graf, Adam Smith, 2001 Societas (lat. [F.]) ist im römischen Recht die - > Gesellschaft. Die privatrechtliche s. ist im klassischen römischen Recht ein der Erbengemeinschaft nachgebildeter Konsensual- kontrakt der Gesellschafter. In der frühen Neuzeit wird s. auch für die menschliche Gesellschaft insgesamt verwendet. Das römische Recht der s. wird aufgenommen, im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) aber durch den Gedanken der -> Gesamthand abgeändert. Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, 43 I; Söllner § 9; Köbler, DRG 47, 64, 146, 161; Wieacker, F., Societas, 1936; Hingst, K., Die societas leonina, 2003; Meissel, F., Societas, 2004 Sociological jurisprudence (engl.) ist die auf Grund der europäischen Entwicklung der Soziologie bewusst soziologische Erkenntnisse berücksichtigende, im 20. Jh. in den Vereinigten Staaten entwickelte Form der Rechtswissenschaft. Lit.: Reich, N., Sociological jurisprudence und legal realism im Rechtsdenken Amerikas, 1967 socius (lat. [M.]) Genosse, Gesellschafter Södermannalagh ist das Recht der schwedischen Landschaft im Südosten -> Schwedens am Ende des 13. Jh.s (1280 ?, 1300 ?). Lit.: Hafström, G., Den svenska rättskällornas historia, 1978 Sodomie Lit.: Guggenbühl, D., Mit Tieren und Teufeln, 2002 Soest in Westfalen entwickelt sich im frühen 12. Jh. zur Stadt, die seit dem 13. Jh. ihr Recht aufzeichnet und verbreitet. Lit.: Brünneck, W. v., Zum Verständnis des Titel 1 der Soester Gerichtsordnung, ZRG GA 32 (1911), 332; Brünneck, W., Geschichte der Soester Gerichtsverfassung, ZRG GA 33 (1912), 1; Ebel, W., Die alte und die neue Soester Schrae, ZRG GA 70 722 (1953), 105; Das älteste Bürgerbuch der Stadt Soest 1302-1449, hg. v. Rothert, H., 1958; Welt, K., Das alte Soester Stadtrecht, 1960; Diekmann, K., Die Herrschaft der Stadt Soest über ihre Börde, 1962; Stech, A., Die Soester Stadtrechtsfamilie, Diss. jur. Göttingen 1965; Knickenberg, H., Die Soester Statuten von 1790, 1967; Soester Recht v. Deus, W., 1969f.; Toeversichtsbriefe für Soest, bearb. v. Dösseler, E., 1969; Die Miniaturen des Soester Nequambuches von 1315, hg. v. Wilkes, W., 1975; Ebel, W., Rechtsgeschichtliches aus Niedersachsen, 1978, 89; Schöne, T., Das Soester Stadtrecht, 1998; Die Stadt Soest, 2000 Sofia an der Witoscha erscheint im 8./7. Jh. als Siedlung der Thraker. Als Sordica wird es unter den Römern Provinzhauptstadt. 1382 wird es von den Osmanen (Türken) erobert. Im 1877/1878 von der Türkei gelösten Bulgarien erhält es 1888 eine Universität. Lit.: Serdika-Sredez-Sofia, 1976 Sohm, Rudolph (Rostock 29. 10. 1841-Leipzig 16. 5. 1917), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Rostock, Berlin und Heidelberg 1870 außerordentlicher Professor in Göttingen, 1870 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau, Straßburg (1872) und Leipzig (1887). 1884 veröffentlicht er Institutionen des römischen Rechts, 1888 einen Grundriss der Kirchengeschichte und 1892 ein Kirchenrecht, wobei er die Ansicht vertritt, dass das Wesen der Kirche mit dem Wesen von Recht in Widerspruch stehe. Lit.: Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871; Sohm, R., Autobiographie, DJZ 14 (1909), 1017; Festgabe für Rudolph Sohm, 1914; Fehr, H., Rudolph Sohm, ZRG GA 38 (1917), LIX; Stutz, U., Nachruf, ZRG GA 38 (1917), 457; Barion, H., Rudolph Sohm und die Grundlegung des Kirchenrechts, 1931; Bühler, A., Kirche und Staat bei Rudolph Sohm, 1965; Böckenförde, W., Das Rechtsverständnis der neueren Kanonistik, Diss. jur. Münster 1969 Soldat ist der besoldete Krieger bzw. der, welcher auf Grund einer Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis steht. Für den Soldaten kann besonderes Recht gelten. Schon das römische Recht kennt ein eigenes Soldatentestament. Lit.: Kaser § 67 I 2c; Rogg, M., Landsknechte und Reisläufer ­ Bilder vom Soldaten, 2002; Rechenberg, F. v., Die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht des Soldaten, 2004 Söldner ist der gegen Sold (zu lat. [M.] solidus) kämpfende Krieger. Er tritt insbesondere im spätmittelalterlichen Italien sowie im Hundertjährigen Krieg zwischen Frankreich und England hervor. Die im 18. Jh. eingeführte Wehrpflicht verdrängt ihn wieder. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Vom Lehnsheer zum Söldnerheer, ZRG GA 36 (1915), 455; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Hermann, C., Deutsche Militärgeschichte, 1968; Baumann, R., Das Söldnerwesen, 1978; Contamine, P., La Guerre au Moyen Age, 3. A. 1992; Burschel, P., Söldner, 1994; Tresp, U., Söldner aus Böhmen, 2004 solicitor (M.) außergerichtlich tätiger Anwalt in England solidus ist eine römische, im Frühmittelalter als Rechnungseinheit fortgeführte Münze. Lit.: Köbler, DRG 77, 91; Köbler, LAW; Grierson, P., Coins of Medieval Europe, 1991 Sollizitieren (das Gericht [Reichskammergericht, Reichshofrat] um Tätigwerden bitten, erinnern) Lit.: Fuchs, B.Die Sollicitatur am Reichskammergericht, 2002 Solms ist seit dem Hochmittelalter (1129) die von Hohensolms ausgehende Grafschaft im Bereich der mittleren Lahn in Hessen, die 1806 in Hessen aufgeht. 1571 erarbeitet der Frankfurter Stadtsyndikus Johann -> Fichard auf der Grundlage eines Entwurfes des Sekretärs Gerhard Terhell und unter Verwen- dung zahlreicher Quellen (Mainz 1534, Württemberg 1555, Trier 1537, Köln 1538, Nürnberg 1564, Freiburg 1520, Worms 1499) das sog. Solmser Landrecht (Gerichtsordnung und Landrecht). Es ist eine stark romanisierende Reformation in schlichter Sprache und mit klarem Aufbau. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2; Deren Graveschafft Solms und Herrschaft Mintzenberg Gerichtsordnung, 1571; Fuchs, C., Über die Quellen des Solmser Landrechts, Z. f. dt. Recht 17 (1857), 292; Welkoborsky, G., Das Solmser Landrecht, Archiv f. hess. Gesch. N.F. 30 (1967/8), 1; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung, Diss. jur. Göttingen 1972; Demandt, K., Geschichte des Landes Hessen, 2. A. 1980 Solon (Athen um 640-560) ist ein bedeutender griechischer Gesetzgeber und Staatsmann. Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17; Biscardi, Diritto greco antico, 1982; Ruschenbusch, Solons nomoi, 1983; Triantaphyllopoulos, Das Rechtsdenken der Griechen, 723 1985; Holz, H., Die solonische Gesetzgebung, in: Philosophie des Rechts, 1992, 103 Solothurn (Salodurum) ist die Siedlung an der mittleren Aare, die über Kelten, Römer und Burgund 1218 Reichsstadt wird. 1353 wird S. zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der -> Schweiz, 1481 Mitglied. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, K., Solothurnische Verfassungszustände zur Zeit des Patriziates, 1921; Amiet, B., Die solothurnische Territorialpolitik von 1344-1532, Diss. phil Basel 1929; Walliser, P., Der Gesetzgeber Johann Baptist Reinert und das solothurnische Zivilgesetzbuch von 1841-1847, 1948; Die Rechtsquellen des Kantns Bern, hg. v. Studer, C. u. a., Bd. 1 1949; Solothurner Urkundenbuch, bearb. v. Kocher, A., Bd. 1 1952; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,457; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Solothurn, 1990; Wey, M., Die Forstgesetzgebung im Kanton Solothurn während der Mediationszeit (1803- 1813), 1991 solsadire (lat.-afrk.) die Sonne untergehen lassen, Frist bis Sonnenuntergang setzen Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867 Solutio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Leistung bzw. Erfüllung. Ihr geht im altrömischen Recht das förmliche Enthaftungsgeschäft der s. per aes et libram (Lösung durch Erz und Waage) voraus. Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 I 3, 32 II 3b, 52 II, 53 I; Köbler, DRG 27, 43, 62 Somatén (M.) Landwehr Lit.: March, J., El Somatén, 1923 Somme rural ist das wohl kurz vor 1396 von Jehan -> Boutillier (Jean le Boutillier) kompilatorisch verfasste -> Rechtsbuch, dessen Aufbau sich grundsätzlich an den Ver- fahrensgang anlehnt. Es legt hauptsächlich die coutumes (Gewohnheiten) von Tournai, Tournaisis und Vermandois zugrunde, bezieht aber auch die coutumes von Normandie, Picardie, Artois, Flandern, Cambrésis, Champagne und Paris mit ein. Vor allem im Sachenrecht und im Schuldrecht wird römisches Recht verwertet. Hinzu kommt auch kirchliches Recht. Neben der Rechtsliteratur fließt in beachtlichem Umfang die eigene Erfahrung des Verfassers ein. Lit.: Dievoet, G. van, Jehan Boutillier en de Somme rural, 1951 Sondererbfolge ist die -> Erbfolge eines von mehreren Erben in einen einzelnen Gegenstand z. B. in Gerade und Heergewäte im Mittelalter, in Fürstengut oder Adelsgut, in Erbhöfe oder in Gesellschaftsanteile im 20. Jh. Die S. steht in Gegensatz zur grundsätzlichen, dem Gleich- heitssatz folgenden Gesamtrechtsnachfolge. Lit.: Köbler, DRG 73, 123, 162, 210, 269 Sondergericht ist das im Rechtsstaat unzulässige besondere Gericht (z. B. im Dritten Reich). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Schimmler, B., Recht ohne Gerechtigkeit, 1984; Wüllenweber, H., Sondergerichte im dritten Reich, 1990; Blumberg-Ebel, A., Sondergerichtsbarkeit und ,,politischer Katholizismus" im dritten Reich, 1990; Oehler, C., Die Rechtsprechung des Sondergerichts Mannheim, 1997; Weckbecker, G., Zwischen Freispruch und Todesstrafe, 1998; Keldungs, K., Das Duisburger Sondergericht, 1998; Roeser, F., Das Sondergericht Essen, 2000; Lahrtz, J., Nationalsozialistische Sondergerichtsbarkeit in Sachsen, 2003 Sonnenfels (Perlin), Joseph v. (1732/1733 Mikulov bzw. Nikolausburg-25. 4. 1817), am 18. 9. 1735 getaufter Jude, wird nach dem Studium der Philosophie und des Rechts in Wien (Martini, Riegger) 1758 Adjunkt bzw. Kanzleiangestellter, 1761 Rechnungsführer und 1763 Professor für politische Wissenschaft in Wien. 1765 veröffentlicht er Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz. Er wendet sich aufgeklärt gegen die Folter (1771) und die Todesstrafe. Lit.: Köbler, DRG 152; Osterloh, K., Joseph von Sonnenfels, 1970; Lindner, D., Der Mann ohne Vorurteil, 1983; Joseph von Sonnenfels, hg. v. Reinalter, H., 1988; Sonnenfels, J. v., Grundsätze der Polizey, hg. v. Ogris, W., 2003 Sonnenfrist setzen -> solsadire Sonntag ist der auf Grund jüdischer Überlieferungen vom Christentum geheiligte siebente Wochentag, der durch staatliches Recht grundsätzlich arbeitsfrei ist. Lit.: Der Tag des Herrn, hg. v. Weiler, R., 1998; Schiepek, H., Der Sonntag, 2003; Grube, A., Der Sonntag, 2003; Bürkle, M., Die Entwicklung des Sonn- und Feiertagsschutzes in Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 2003 Souveränität ist die im Absolutismus der frühen Neuzeit entwickelte höchste und unbeschränkte Staatsgewalt (-> Bodin 1566). 724 Heute bedeutet S. eines Staates dessen Freiheit und Unabhängigkeit nach außen und innen. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 149; Kelsen, H., Das Problem der Souveränität, 2. A. 1928; Stengel, E., Kaisertitel und Souveränitätsidee, DA 3 (1939); Hennis, W., Das Problem der Souveränität, 1951, m. e. Vorwort v. Starck, C., 2003; David, M., La souveraineté, 1954; Streifthau, K., Die Souveränität des Parlaments, 1963; Dennert, J., Ursprung und Begriff der Souveränität, 1964; Schefold, D., Volkssouveränität, 1966; Volkssouveränität und Staatssouveränität, hg. v. Kurz, H., 1970; Quaritsch, H., Staat und Souveränität 1, 1970; Mommsen, K., Auf dem Wege zur Staatssoveränität, 1970; Quint, W., Souveränitätsbegriff, 1971; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Hinsley, F., Sovereignty, 2. A. 1986; Quaritsch, H., Souveränität, 1986; Pennington, K., The Prince and the Law, 1993; Stolleis, M., Die Idee des souveränen Staates, in: Entstehung und Wandel verfassungsrechtlichen Denkens, 1993, 53; Adamova, K., Souveränität und Gesamtstaat, ZRG 119 (2002), 157; Rosin, N., Souveränität zwischen Macht und Recht, 2003; Schliesky, U., Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004 sowjet (russ.) Rat Sowjetische Besatzungszone ist die Besatzungszone der Sowjetunion im Deutschen Reich seit 1945 (mit rund 4 Millionen Flüchtlichen und Vertriebenen). -> Deutsche Demokratische Republik Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts in der sowjetischen Besatzungszone, 1950; Staritz, D., Die Gründung der DDR, 1985; Weißbuch über die ,,Demokratische Bodenreform", hg. v. Kruse, J. v., 1988; SBZ-Handbuch, hg. v. Broszat, M. u. a., 1990; Hauschild, I., Von der Sowjetzone zur DDR, 1996; Naimark, N., Die Russen in Deutschland, 1997; Wiedergutmachungsverbot, hg. v. Sobotka, B., 1998; Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945-1950, hg. v. Mironenko, S. u. a., 1998; Sowjetisierung und Eigenständigkeit in der SBZ/DDR, hg. v. Lemke, M., 1999; Foitzik, J., Sowjetische Militäradministration, 1999; Das letzte Jahr der SBZ, hg. v. Hoffmann, D. u. a., 2000; Hajna, K., Die Landtagswahlen 1946 in der SBZ, 2000; Schweisfurth, T., SBZ-Konfiskationen privaten Eigentums 1945 bis 1949, 2000; Mollnau, Marcus, Die Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001; Kowalczuk, I./Wolle, S., Roter Stern über Deutschland, 2001; Baus, R., Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands, 2001; Madaus, U., Allianz des Scweigens, 2002 Sowjetunion ist der in der Oktoberrevolution 1917 aus -> Russland entstandene Staat. Er wird von der Kommunistischen Partei totalitär geführt. Die Wirtschaft wird verstaatlicht (7 Millionen Opfer der Zwangskollektivierung), das Recht unter Abschaffung des privaten Eigentums sozialistisch gestaltet (Eherecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht 16. 9. 1918, Arbeitsrecht 22. 10./4. 11. 1918). Am 22. 5. 1922 erlaubt eine besondere Deklaration über die Grundsätze des Vermögensrechts privatwirtschaftliches Handeln im Rahmen des sozialistischen Wirtschaftssystems. In der Folge wird das Zivilgesetzbuch Russlands vom 31. 10. 1922 weithin maßgebend (Recht der beweglichen Sachen). Infolge der Teilnahme am zweiten Weltkrieg (8,6 Millionen Gefallene) wird die S. Weltmacht. Am 8. 12. 1961 erlässt die S. Grundlagengesetze zum Zivilrecht und Zivilprozessrecht, 1968 zum Ehe- und Familienrecht sowie 1970 zum Arbeitsrecht. Unter Michael Gorbatschow kommt es seit etwa 1985 zur Liberalisierung (Glasnost, Perestroika). 1991 geht die S. in der losen Gemeinschaft unabhängiger Staaten auf. Russland verselbständigt sich als Folge der Abspaltung zahlreicher selbständiger Staaten wieder. Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Rauch, G. v., Geschichte des bolschewistischen Russland, 1955; Istorija gosudarstva i prava SSSR (Staats- und Rechtsgeschichte der Sowjetunion), Teil 1, verfasst v. einem Autorenkollektiv unter Leitung v. Sofronenko, K., 1967; Peter, V., Sozialistisches Zivilrecht, 1975; Beletzki, Die Politik der Sowjetunion in den deutschen Angelegenheiten, 1977; Pfaff, D., Die Entwicklung der sowjetischen Rechtslehre, 1986; Fincke, M., Handbuch der Sowjetverfassung, 1983; Geilke, G., Einführung in das Sowjetrecht, 2. A. 1983; Ruffmann, K., Sowjetrussland, 10. A. 1984; Altrichter, H., Kleine Geschichte der Sowjetunion, 1993; Hildermeier, M., Geschichte der Sowjetunion, 1998; Adomeit, A., Imperial Overstretch, 1998; Heinzig, H., Die Sowjetunion und das kommunistische China, 1998; Hildermeier, M., Geschichte der Sowjetunion, 1998; Foitzik, J., Sowjetische Militäradministration, 1999; Luks, L., Geschichte Russlands und der Sowjetunion, 2000; Altrichter, H., Kleine Geschichte der Sowjetunion 1917-1991, 3. A. 2001; Kernig, C., Lenins Reich in Trümmern, 2000; Wolkogonow, D., Die sieben Führer, 2001; Schreyer, H., Das zentrale staatliche Archivwesen, 725 2003; Applebaum, A., Der Gulag, 2003; Overy, R., Russlands Krieg 1941-1945, 2003; Sowjetische Militärtribunale, hg. v. Hilger, A. u. a., 2003; Terrorjustiz und Terrororgane in der Stalin-Zeit, hg. v. Lobkowicz, N. u. a., 2004; Oldenburg, M., Ideologie und militärisches Kalkül, 2004; Die UdSSR und die deutsche Frage 1941-1948, hg. v. Laufer, J. u.a., Bd. 1ff. 2004 Sozialbindung ist die Einschränkung eines Rechts (z. B. des Eigentums) aus sozialen Gründen im 20. Jh. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Lehmann, J., Sachherrschaft und Sozialbindung, 2004 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist die aus dem frühen -> Sozialismus hervorgehende deutsche -> Partei. Ihr gehen der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein Lassalles (1863) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Liebknechts und Bebels (1869) voraus, die sich 1875 zur Sozialistischen Arbeiterpartei vereinigen. 1878 werden die Sozialisten verboten, 1890 aber als S. P. D. mit marxistischem Erfurter Programm Kautskys (1891) wieder zugelassen. Mit dem Godesberger Programm von 1959, das den Sozialismus als Weltanschauung aufgibt, wird die S. P. D. in Deutschland regierungsfähig (1969 bis 1982). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 177; Brügel, L., Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie, Bd. 1ff. 1922ff.; Heidegger, H., Die deutsche Sozialdemokratie, 2. A. 1968; Martiny, M., Integration oder Konfrontation?, 1976; Sozialdemokratie und Zivilrechtskodifikation, hg. v. Vormbaum, T., 1977; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung und sozialdemokratische Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94; Steinbach, P., Sozialdemokratie und Verfassungsverständnis, 1983; Pyta, W., Gegen Hitler und für die Republik, 1989; Schröder, W., Sozialdemokratische Parlamentarier, 1995; Morré, J., Speziallager des NKWD, 1997; Die Sozialdemokratie und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Vormbaum, T., 2. A. 1997; Welskopp, T., Das Banner der Brüderlichkeit, 2000; Wondratsch, H., Sozialdemokratie ­ Frau ­ Familie, 2002; Ramuschkat, D., Die SPD und der europäische Einigungsprozess, 2003 Soziale Frage ist die aus der liberalen Industrialisierung erwachsende Gegenüber- stellung von vielen besitzlosen Proletariern (Arbeitern, vierter Stand) und wenigen reichen Kapitalisten (Bürgern). Ihre Lösung sieht der liberale Staat des frühen 19. Jh.s nicht als seine Aufgabe an, weshalb Selbsthilfeeinrichtungen statt seiner handeln (Gewerkschaft, Genossen- schaft, Partei). Unter dem tatsächlichen Druck sozialistischer Parteien sieht sich Bismarck 1881ff. zu sozialer Gesetzgebung (-> Sozialversicherung) veranlasst. Lit.: Köbler, DRG 177; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung und sozialdemokratische Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94 Soziale Marktwirtschaft ist die Marktwirtschaft der zweiten Hälfte des 19. Jh.s, die sozialen Ausgleich der durch übermäßige Ausnutzung von Freiheit entstandenen gesellschaftlichen Probleme versucht (z. B. Wohngeld für sozial schwache Mieter). In Deutschland beruht sie auf dem am 24. 6. 1948 vom alliierten Wirtschaftsrat verabschiedeten Gesetz über Leitsätze. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Soziale Marktwirtschaft, 1997; Soll und Haben, hg. v. Nörr, K. u. a., 1999 Sozialgericht ist nach älteren Vorläufern (1884 Schiedsgericht für Streitigkeiten aus der Unfallversicherung, 1900 Schiedsgericht für Arbeiterversicherung, 1911 verwaltungs- interner Rechtsschutz durch Versicherungsamt, Oberversicherungsamt und Reichsversiche- rungsamt) in der Bundesrepublik Deutschland das für die Entscheidung über sozialrechtliche Streitigkeiten zuständige Gericht (Sozial- gerichtsgesetz vom 3. 9. 1953). Lit.: Köbler, DRG 262; Meyer-Ladewig, J., Sozialgerichtsgesetz, 5. A. 1993 Sozialgeschichte ist die Geschichte der Gesellschaft bzw. der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die S. dient dem Verständnis der Rechtsgeschichte. Gesellschaft und Recht beeinflussen sich jeweils gegenseitig. Lit.: Köbler, DRG 9; Dopsch, A., Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, 1918ff.; Dopsch, A., Die ältere Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Bauern, 1930; Dopsch, A., Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft, 1930; Brunner, O., Neue Wege der Sozialgeschichte, 1956 (Vorträge und Aufsätze), 1956; Lütge, F., Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1966; Aubin, H./Zorn, W., Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1971ff.; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff.; Müller, M., Säkularisation und Grundbesitz, 1980; Kantzow, W., Sozialgeschichte der deutschen Städte und 726 ihres Boden- und Baurechts bis 1918, 1980; Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Fischer, W., Bd. 1ff. 1980ff.; Alföldy, G., Römische Sozialgeschichte, 3. A. 1984; Boelcke, W., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1987; Wehler, H., Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1f. 1987ff., z. T. 3. A. 1996ff.; Henning, F., Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1991ff.; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914; Bibliographie zur römischen Sozialgeschichte, hg. v. Krause, J. u. a., Bd. 1f. 1992ff.; Frerich, J./Frey, M., Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik, Bd. 1ff. 1993; Wehler, H., Bibliographie zur neueren deutschen Sozialgeschichte, 1993; Sozialer Wandel im Mittelalter, hg. v. Miethke, J. u. a., 1994; Borgolte, M., Sozialgeschichte des Mittelalters, 1996; Ritter, G., Sozialpolitik im Zeitalter Bismarcks, HZ 265 (1997), 682; Hering, S./Münchmeier, R., Geschichte der Sozialarbeit, 1999; Perspektiven der Gesellschaftsgeschichte, hg. v. Nolte, P. u. a., 2000; Roth, G., Die Institution der kommunalen Sozialverwaltung, 1999; Europäische Sozialgeschichte, hg. v. Dipper, C. u. a., 2000; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001; Sozialer Aufstieg, hg. v. Schulz, G., 2002; Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Schulz, G. u. a., 2003; Minderwertig und asozial, hg. v. Sedlaczek, D. u. a., 2005 Sozialgesetzbuch ist in der Bundesrepublik Deutschland das die -> Reichsversicherungsordnung seit (1969 bzw.) 1. 1. 1976 allmählich ablösende, in einzelnen Büchern in Kraft tretende Gesetzbuch (SGB I Allgemeiner Teil 1976, SGB II Grundsicherung für Arbeitsuchende 2004, SGB III Arbeitsförderung 1997, SBG IV Sozial- versicherung Gemeinsame Vorschriften 1977, SBG V Gesetzliche Krankenversicherung 1989, SGB VI Gesetzliche Rentenversicherung 1992, SGB VII Gesetzliche Unfallversicherung 1996, SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe 1991, SGB IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen 2001, SGB X Verwaltungsverfahren 1980, SGB XI Soziale Pflegeversicherung 1995, XII Sozialhilfe 2005). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 261; 25 Jahre Sozialgesetzbuch, 1995 Sozialgesetzgebung ist die in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s einsetzende Gesetzgebung in sozilaen Angelegenheiten. Lit.: Borgmeyer, W., Das wilhelminische Kaiserreich ­ ein Ausbeuterstaat?, 1994 Sozialhilfe ist in der Bundesrepublik Deutschland die durch Gesetz vom 30. 6. 1961 geregelte allgemeine Unterstützung sozial Schwacher. Durch das Gesetz werden die älteren Reichsgrundsätze öffentlicher Fürsorge im Wesentlichen übernommen. Lit.: Köbler, DRG 261 Sozialisierung Lit.: Goldschmidt, H., Eigentum und Eigentumsteilrechte in ihrem Verhältnis zur Sozialisierung, 1920 Sozialismus ist die im 19. Jh. ausgebildete Gesellschaftslehre, die sich statt am individuellen Wohl des Einzelnen am Gesamtwohl der Allgemeinheit ausrichtet. Angestrebt wird der S. vor allem von sozialistischen oder sozialdemokratischen Parteien. Der nach 1917 in der -> Sowjetunion bzw. nach 1945 in anderen sozialistischen Staaten verwirklichte S. erreicht eine tatsächliche Verbesserung der gesellschaft- lichen Verhältnisse nur in bescheidenem Um- fang. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 177, 179, 226; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 923; Huber, E., Die Gestalt des deutschen Sozialismus, 1934; Ramm, T., Die großen Sozialisten, 1955; Markovits, I., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich, N., Sozialismus und Zivilrecht, 1972; Reich, N./Reichel, H., Einführung in das sozialistische Recht, 1975, 1; Horner, H., Anton Menger, 1977; Dowe, D., Bibliographie zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3. A. 1981; Kühne, D., Der marxistisch-sozialistische Rechtsbegriff, 1985; Petev, V., Kritik der marxistisch-sozialistischen Rechts- und Staatsphilosophie, 1989; Klassiker des Sozialismus, hg. v. Euchner, W., Bd. 1f. 1991; Heis, R., Das Recht im frühen Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995; Recht im Sozialismus, hg. v. Bender, G. u. a., Bd. 1ff. 1999; Euchner, W. u. a. Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland, 2000; Der Munizipalsozialismus in Europa, hg. v. Kühl, U., 2001; Kohlmann, J., Der Marsch zu den Gräbern von Karl und Rosa, 2004 Sozialistengesetz ist das seit 21. 10. 1878 die sozialistischen Parteien verbietende Gesetz des Deutschen Reiches, das 1890 wegen Erfolglosigkeit nicht weiter verlängert wird. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 172, 177; Schümer, G., Die Entstehungsgeschichte des Sozialistengesetzes, Diss. phil. Göttingen 1930; Hellfaier, K., Die deutsche Sozialdemokratie während 727 des Sozialistengesetzes, 1958; Maaß, R., Entstehung, Hintergrund und Wirkung des Sozialistengesetzes, JuS 1990, 702; Maaß, R., Die Generalklausel des Sozialistengesetzes, 1990; Frerich, J., Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik, Bd. 1ff 1993ff., z. T. 2. A. 1996; Weißmann, K., Der nationale Sozialismus, 1998 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands -> SED sozialistisches Recht -> Sozialismus Lit.: Markovits, J., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1960; Löbbe, J., Sozialisitische Rechtsanwendung, 1998 Sozialpartnerschaft ist die verständnisvolle Zusammenarbeit von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften vor allem im 20. Jh. (auf Kosten der Allgemeinheit). Lit.: Historische Wurzeln der Sozialpartnerschaft, hg. v. Stourzh, G. u. a., 1986 Sozialrecht ist das Recht des Ausgleichs individueller Güterdifferenzen durch Leistungen eines Trägers öffentlicher Verwaltung. Es entsteht nach vereinzelten älteren Vorformen und frühen Einzelzügen (Preußen 1845 Gewerbeordnung mit der Möglichkeit der Gemeinden, durch Satzung Unterstützungskassen für Fabrikarbeiter zu erzwingen) seit dem späten 19. Jh. Es ist im weiten Umfang Sozialversicherungsrecht. Frühe wissenschaftliche Vertreter sind Heinrich Rosin, Erwin Jacobi, Lutz Richter, Fritz Stier- Somlo, Walter Kaskel, Alfred Manes, frühe Praktiker Hermann Dersch, Hermann Schulz und Friedrich Kleeis und frühe Institutionen Institute in Freiburg im Breisgau, Leipzig und Frankfurt am Main. Seit 1976 entsteht ein Sozialgesetzbuch. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 260; Gurvich, G., L'idée du droit social, 1932; Quellen zur Geschichte des Sozialrechts, hg. v. Stolleis, M., 1976; Pfeiffer-Munz, S., Soziales Recht ist deutsches Recht, 1978; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgenossenschaft, 1982; Luig, K., Die sozialethischen Werte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281; Scherner, K., Sozialrechtsgeschichte, ZNR 1996, 102; Mike¹iè, I., Sozialrecht als wissenschaftliche Disziplin - Die Anfänge 1918-1933, 2002 Sozialstaat ist der auf Ausgleich sozialer Ungerechtigkeit verpflichtete Staat. Er entsteht seit dem ersten Weltkrieg. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 252; Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, hg. v. Forsthoff, E., 1968; Böckenförde, E., Die Bedeutung der Unterscheidung vom Staat und Gesellschaft, FG W. Hefermehl, 1972, 11; Landwehr, G., Staatszweck und Staatstätigkeit in Preußen, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 249; Ritter, G., Der Sozialstaat, 1989; Koslowski, S., Die Geburt des Sozialstaats, 1989; Metzler, G., Der deutsche Sozialstaat, 2003 Sozialversicherung ist die im Grundsatz auf dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung aufbauende, durch die Kaiserliche Botschaft vom 17. 11. 1881 im Deutschen Reich eingeleitete Einrichtung, die auf die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit abzielt. Sie umfasst Krankheit (15. 6. 1883), Unfall (6. 7. 1884, vgl. dazu ein Arbeit- geberhaftungsgesetz in Großbritannien von 1880), Alter und Invalidität (22. 6. 1889), Arbeitslosigkeit (Gesetz über Arbeitslo- senvermittlung und Arbeitslosenversicherung 1927) (1911 Reichsversicherungsordnung, Angestelltenversicherungsgesetz, 1923 Reichsknappschaft) sowie Pflege (1995). 1934 wird von S. gesprochen. Rentner werden in die gesetzliche Krankenversicherung, Selbständige in die S. insgesamt aufgenommen. 1975 werden Studenten und Behinderte in die S. einbezogen. In der Deutschen Demokratischen Republik wird die Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten beseitigt und die S. vereinheitlicht und zentralisiert, doch wird 1990 mit der Vereinigung das Recht der Bundesrepublik auf die neuen Bundesländer übertragen. Träger der S. sind Selbstverwal- tungskörperschaften (z. B. Berufsgenossen- schaft, Krankenkasse). Die unsolide Finanzierung der S. bedroht bei ungünstiger Bevölkerungsentwicklung ihre Zahlungsfäh- igkeit. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 177, 182, 183, 260, 261; Vogel, Bismarcks Arbeiterversicherung, 1951; Peters, Die Geschichte der Sozialversicherung, 2. A. 1973; Fröhlich, S., Die soziale Sicherung bei Zünften, 1976; Ullmann, H., Industrielle Interessen und die Entstehung der deutschen Sozialversicherung, HZ 229 (1979), 574; Ruß, W., Die Sozialversicherung in der DDR, 1979; Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung, hg. v. Tacher, H., 1979; Bogs, W., Die Sozialversicherung, 1980; Benöhr, 728 H., Verfassungsfragen der Sozialversicherung, ZRG GA 97 (1980), 94; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung und sozialdemokratische Reichstags- fraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94; Ein Jahrhundert Sozialversicherung, hg. v. Köhler, P. u. a., 1981; Ritter, G., Sozialversicherung in Deutschland und England, 1983; Beiträge zu Geschichte und aktueller Situation der Sozialversicherung, hg. v. Köhler, P. u. a., 1983; Hofmeister, H., Die ersten Sozialversicherungsgesetze, Z. f. Arbeitsrecht und Sozialrecht 22 (1987), 184; Leopold, D., Die Geschichte der sozialen Versicherung, 1999; Ausschuss für die Reform der Sozialversicherung/für Sozialversicherung (1934-1944). Versorgungswerk und Gesundheitswerk des deutschen Volkes (1940-1942), hg. und mit einer Einleitung versehen v. Schubert, W., 2000; Haerendel, U., Die Anfänge der gesetzlichen Rentenversicherung, 2001; Von der Barmherzigkeit zur Sozialversicherung, hg. v. Gilomen, H. u. a., 2002; Metzler, G., Der deutsche Sozialstaat, 2003 Soziologie (F.) Gesellschaftswissenschaft Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 997; Dombeck, B., Das Verhältnis der Tübinger Schule zur Deutschen Rechtssoziologie, 1969; Landau, P., Rechtsgeschichte und Soziologie, VSWG 61 (1974), 145; Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, hg. v. Heyen, E., 1986; Bahrdt, H., Schlüsselbegriffe der Soziologie, 7. A. 1994; Korte, H., Einführung in die Geschichte der Soziologie, 7. A. 2004 Spangericht Lit.: Schmid, N., Die appenzell-innerrhodischen Spangerichte, Diss. jur. Zürich 1961 Spanien ist der im Südwesten Europas gelegene, zum 1. 1. 1986 den Europäischen Gemeinschaften beigetretene Staat. Noch in der Steinzeit wird es von Afrika her durch die Iberer besiedelt. Im Ringen zwischen Puniern (Karthagern) und Römern setzen sich die Römer 201 v. Chr. durch. In der Völkerwanderung erobern die Westgoten (475) bis 531 das Gebiet. Es gilt für die Goten, deren Zahl sich auf höchstens fünf von Hundert der Bevölkerung beläuft, die (lat.) -> Lex (F.) Visigothorum, für die Romanen die (lat.) -> Lex (F.) Romana Visigothorum (um 506 n. Chr.). Im Streit um die Nachfolge im Königtum wendet sich ein Streitteil an die nordafrikanischen Mauren (-> Araber), die 711 bei Jerez de la Frontera den Sieg erringen und seit 714 ein Emirat des Kalifats von Damaskus (929 Kalifat von Cordoba) bilden. Wenig später beginnt von dem niemals von Mauren eroberten Nordwesten, in den sich Teile des westgotischen Adels flüchten, von Asturien, Navarra und Katalonien aus die christliche Rückeroberung (span. -> reconquista), die 1492 mit der Gewinnung Granadas durch Kastilien endet. Das Recht wird in sog. -> Fueros aufgezeichnet. Wohl seit dem am 20. 12. 1433 von König Johann II. in Medina desl Campo promulgierten Orenamiento real beginnen königliche Versuche der Rechtsvereinheit- lichung in Kastilien. Ein besonders bedeutsames Rechtsbuch sind die -> Siete Partidas. Durch Heirat werden 1469 Kastilien und Aragon (Katalonien) in Personalunion vereinigt. Mit der Entdeckung der Neuen Welt (1492) erwirbt S. Kolonien, wird europäische Großmacht und vertreibt gleichzeitig die Juden. 1516 verbindet der Sohn Philipps des Schönen von Burgund (und Enkel Kaiser Maximilians) und Johannas der Wahnsinnigen sein spanisches Erbe mit den habsburgischen Gütern und wird als -> Karl V. 1519 König (bzw. Kaiser) des Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation), doch wird innerhalb Habsburgs schon 1521/1522/1526 wieder in zwei Linien geteilt. 1561 wird Madrid Hauptstadt. Wenig später (1588 Sieg Englands über die spanische Flotte) tritt S. hinter England und Frankreich zurück. Beim Aussterben der spanischen Linie des habsburgischen Hauses 1701 gelangt S. an die - > Bourbonen. Von ihnen versucht Philipp V. den Aufbau eines einheitlichen Staates nach dem Vorbild Frankreichs unter (teilweise gelungener) Aufhebung der regionalen Rechte und Einteilung des Landes in Provinzen (Navarra und das Baskenland behalten ihre Sonderrechte). Die Verfassung von Cadiz von 1812 und die Verfasung vom 30. 6. 1876 verstärken diese Entwicklung noch. Von 1873 bis 1875 wird S. erstmals Republik, von 1931 bis 1936/1939 zum zweitenmal. Das spanische Recht wird im 19. Jh. nach französischem Vorbild in Gesetzbüchern geregelt (Codigo de comercio 1829, Codigo penal 1848, Codigo civil 1888/9, primäre Geltung nur bezüglich allgemeiner Bestimmungen und Eherecht, im Übrigen subsidiäre Gliederung gegenüber den partikularen Rechten bzw. Foralrechten Aragóns, der Balearen, Vizcayas, Katalaniens, 729 Galiziens, Navarras, Álavas und der Estremadura [fuero de Baylío]). Lit.: Hinojosa, E. de, El régimen seorial, 1905; Hinojosa, E. de, Das germanische Element im spanischen Recht, ZRG GA 31 (1910), 282; Hinojosa, E. de, El elemento germánico en el derecho espaol, 1915; Mayer, E., Studien zur spanischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 40 (1919), 236; Ajuntament de Barcelona, 1920ff.; March, J., El Somatén, 1923; Rauchhaupt, F., Geschichte der spanischen Rechtsquellen, 1923; Mayer, E., El antiguo dercho de obligaciones, 1926; Mayer, E., Historia de las instituciones sociales y politicas de Espaa y Portugal, Bd. 1f. 1925f.; Riaza, R., El derecho Romano y el derecho nacional en Castilla, 1929; Pérez, J., Fuentes de derecho historico Espaol, 1931; Torres, M., Lecciones de historia del derecho Espaol, 1933f.; Riaza, R./García Gallo, A., Manual de historia del derecho Espaol, 1935; Altspanisch-gotische Rechte, hg. v. Wohlhaupter, E., 1936; Sanchez-Albornoz, C., En torno a los origines del feudalismo, 1942; Hierneis, O., Das besondere Erbrecht der sogenannten Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; Löber, B., Das spanische Gesellschaftsrecht im 16. Jahrhundert, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1967; Kleffens, E. von, Hispanic Law, 1968; Islamische Geschichte Spaniens, hg. v. Hoenerbach, W., 1970; Lalinde Abadía, J., Iniciación historica al derecho Espaol, 1970, 3. A. 1983; Sánchez-Albornoz, C., Investigaciones y documentos sobre las instituciones hispanas, 1970; Lalinde Abadía, J., Los medios personales de gestión del poder público, 1970; Payne, S., A history of Spain and Portugal, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,55,242,890, 2,2,228,847,1271, 3,1,397, 3,2,2403, 3,3,3740,3473,- 3917,3994,4118; Clavero, B., Mayorazgo, 1974; Pérez Martín, A./Scholz, J., Legislación y jurisprudencia de la Espaa del antiguo régimen, 1978; Alvarez de Morales, A., La Ilustración y la reforma de la universidad en la Espaa del siglo 18, 1979; Garcia Gallo, A., Manual de historia del derecho espaol, 10. A. 1984; Henningsen, G., The Witches' Advocate, 1980; Gacto Fernández, E. u. a., El derecho histórico de los pueblos de Espaa, 3. A. 1982; Barrios, F., El consejo de Estado de la monarquía Espaola, 1984; Massip, J., La gestació de les costums de Tortosa, 1984; Reconquista und Landesherrschaft, hg. v. Engels, O., 1989; García-Moreno, L., Historia de Espaa Visigoda, 1989; Spanienlexikon, hg. v. 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Die spanische Justiz im Übergang zur Moderne, 2003; Sánchez-Arcilla Bernal, J., Manual de historia del derecho, 2004; Straub, E., Das spanische Jahrhundert, 2004; Spaethe, J., Spaniens Abstammungsrecht, 2004; Martino, A., Spanien zwischen Regionalismus und Föderalismus, 2004; Serrano González, A., Ein Tag im Leben eines Gerichtspräsidenten, 2005; Diccionario crítico de juristas espaoles, hg. v. Peáez, M. Bd. 1f. 2005ff. Sparta Lit.: Clauss, M., Sparta, 1983; Cartledge, P./Spawforth, A., Hellenistic and Roman Sparta, 1992; Link, S., Der Kosmos Sparta, 1994; Thommen, L., Lake daimonion politeia, 1996; Baltrusch, E., Sparta, 1998; Meier, M., Aristokraten und Damoden, 1998; Sparta, hg. v. Hodkinson, S. u. a., 1999; Dreher, M., Athen und Sparta, 2001; Schulz, R., Athen und Sparta, 2003; Thommen, L., Sparta, 2003, Welwei, K., Sparta, 2004 Sparkasse ist das Unternehmen, das Spardarlehen annimmt und verwaltet sowie andere Bankgeschäfte betreibt. Die S. erscheint als Idee in Frankreich 1611. Nach ähnlichen Vorläufern (Salem 1749 Waisenkasse) wird sie am Ende des 18. Jh.s im Heiligen Römischen Reich eingerichtet (Hamburg 1778, Oldenburg 1786, Kiel 1796). Gesetzliche Regeln werden seit 1838 erlassen (Preußen). Seit dem Ende 730 des 19. Jh.s erfolgen Zusammenschlüsse der mehreren hundert Sparkassen. Lit.: Köbler, DRG 176; Malchus, C. v., Die Sparkassen in Europa, 1838; Trende, A., Geschichte der deutschen Sparkassen, 1957; Huter, F., Geschichte der Sparkasse der Stadt Innsbruck 1822-1958, 1962; Wysocki, J., Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der deutschen Sparkassen, 1980; Weber, W., Die Entwicklung der Sparkassen, 1985; Pohl, H., Die rheinischen Sparkassen, 2001 Spätantike ist das ausgehende Altertum vom 3. bis zum 6. Jh. Umstritten ist das Fortleben antiker Einrichtungen im -> Mittelalter. -> Kontinuität Lit.: Köbler, DRG 50; Seeck, O., Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 4. A. 1921, Neudruck 2000; Martin, J., Spätantike und Völkerwanderung, 3. A. 1995; Demandt, A., Geschichte der Spätantike, 1998; Henning, D., Periclitans res publica, 1999; Laniado, A., Recherches sur les notables municipaux dans l'empire protobyzantin, 2002 Spätmittelalter ist das ausgehende Mittelalter vom 13. Jh. (Interregnum 1254-1273) bis zum 15. Jh. (Entdeckung der Neuen Welt 1492). Lit.: Köbler, DRG 93; Das 14. Jahrhundert, hg. v. Buckl, W., 1995; Meuthen, E., Das 15. Jahrhundert, 3. A. 1996; Dirlmeier, U. u. a., Europa im Spätmittelalter 1215-1378, 2003 SPD (-> Sozialdemokratische Partei Deutsch- lands) speculum (N.) Spiegel (als Buchtitel z. B. schon Speculum quis ignorat Augustinus` 354- 430) Lit.: Grabes, H., Speculum, 1973 Speculum (N.) iudiciale (lat., Gerichtsspiegel) ist das zwischen 1276 und 1290 entstandene Rechtsbuch des französischen Geistlichen und Modeneser Rechtslehrers Wilhelm -> Durantis (um 1237-1296), das unter Einbeziehung der Verfahrenswirklichkeit die gesamte geistliche Gerichtsbarkeit ausführlich darstellt. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107; Durantis, W., Speculum iudiciale, 1574, Neudruck 1975 Spedition ist die gewerbsmäßige Übernahme der Besorgung von Güterversendungen durch Frachtführer oder Verfrachter von Seeschiffen für Rechnung eines anderen in eigenem Namen. Sie entsteht im Spätmittelalter. Im frühen 20. Jh. entwickeln die Spediteure erste allgemeine Spediteurbedingungen (Berlin 1919). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913 Spee (Spee von Langenfeld), Friedrich von (Kaiserswerth 25. 2. 1591-Trier 7. 8. 1635) wird nach dem Studium der Theologie 1610 Jesuit. 1631 veröffentlicht er die (lat.) Cautio (F.) criminalis contra sagas (Strafrechtliche Vorsicht gegenüber Hexen, Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse), in der er sich gegen Verfahrensunrecht im -> Hexenprozess und damit vor allem die -> Folter wendet. Allgemeinere Auswirkungen hat sein Werk erst im 18. Jh. Lit.: Köbler, DRG 107; Spee, F. v., Cautio Criminalis, deutsche Ausgabe v. Ritter, J. 1939; Zwetsloot, H., Friedrich Spee und die Hexenprozesse, 1954; Rosenfeld, E., Friedrich Spee von Langenfeld, 1958; Geilen, H., Die Auswirkungen der Cautio criminalis, Diss. jur. Bonn 1963; Ritter, J., Friedrich von Spee, 1977; Sellert, W., Friedrich Spee von Langenfeld, NJW 39 (1986), 1222; Waider, H., Miszellen über Friedrich von Spee, FS der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Köln, 1988, 531; Friedrich Spee, hg. v. Franz, G., 1995; Spee, F. v., Cautio criminalis, übertragen v. Ritter, J., 1939, 6. A. 2000 Speer Lit.: Funk, W., Speer, Pfandschaub, Kreuz und Fahne, ZRG GA 65 (1947), 297 Spencer, Herbert (Derby 27. 4. 1820-Brighton 8. 12. 1903) ist der liberale Philosoph, der das Grundprinzip universalen Geschehens in der Entwicklung zu immer besseren Formen sieht. Lit.: Köbler, DRG 179 Speranskij, Michail Michailovic (Tscher- kutino/Wladimir 1772-St. Petersburg 23. 2. 1839) legt als engster Vertrauter des Zaren für - > Russland 1808/1809 ohne durchgreifenden Erfolg einen Vorschlag zur Änderung der Herrschaftsverhältnisse nach englischem Vor- bild vor (1810 Reichsrat). Er erreicht nach zwischenzeitlicher Verbannung nach Sibirien (1812) die Schaffung der Gesetze des russischen Reiches (Polnoe sobranie zakonov Rossijskoj Imperii bis 1828/1830) und die Zusammenfassung aller geltenden russischen Gesetze (Svod zakonov 1832, 15 Bände mit 60000 Artikeln). Damit schafft er eine wichtige Grundlage für die russische Rechtsentwicklung. Lit.: Raeff, M., Michail Speranskij, 1957 Speyer am Rhein (kelt. Noviomagus), der Hauptort der germanischen Nemeter, wird 614 731 als Bischofssitz bezeugt. Seit 1294 ist der von den -> Saliern durch Privilegien ausgezeichnete Ort -> Reichsstadt. Von 1526/1527 bis 1689 beherbergt S. das -> Reichskammergericht. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Harster, T., Das Strafrecht, 1900; Wagner, G., Münzwesen und Hausgenossen in Speyer, 1931; Seidel, L., Die Finanzwirtschaft der freien Reichsstadt Speyer, Diss. rer. pol. Frankfurt am Main 1956; Voltmer, E., Reichsstadt und Herrschaft, 1981; Fouquet, G., Das Speyerer Domkapitel, 1987; Meier, M./Welwei, K., Interpolationen in einem Speyerer Judenprivileg?, ZRG GA 112 (1995), 408; Neumann, H., Sozialdisziplinierung in der Reichsstadt Speyer, 1997 Spezialexekution (F.) Einzelvollstreckung Lit.: Kaser §§ 85 I, 87 I; Köbler, DRG 34 Spezialprävention ist die Verhütung von Straftaten durch Abschreckung gegenüber einem einzelnen Straftäter. Sie ist ein -> Strafzweck (von -> Grolman 1775-1829, von - > Liszt 1882). Lit.: Köbler, DRG 204, 269 Sphragistik (F.) Siegelkunde Lit.: Köbler, DRG 3 Spiegel -> speculum, Sachsenspiegel, Deut- schenspiegel, Schwabenspiegel, Fürstenspiegel, Ritterspiegel, Klagspiegel, Laienspiegel Lit.: Trusen, W., Die Rechtsspiegel und das Kaiserrecht, ZRG GA 102 81985), 13 Spiegelnde Strafe ist eine Strafe, die in ihrer Ausführung erkennbaren Bezug auf die ausgeführte Straftat nimmt (z. B. Abschlagen der Schwurhand oder Abschneiden der Zunge des Meineidigen, Verbrennen des Brandstifters). Ihre Herkunft ist ungewiss, ihre Bedeutung gering. -> Talion Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964 Spiel ist die allein aus Freude und ohne ernsthafte praktische Zielsetzung erfolgende Tätigkeit. Rechtlich ist S. ein Vertrag, bei dem sich die Beteiligten eine Leistung unter entgegengesetzten Bedingungen versprechen, um sich zu unterhalten und möglicherweise Gewinn zu erzielen. Bereits Tacitus berichtet vom mit höchstem Einsatz und Gefahr für Gut und Freiheit betriebenen Würfelspiel der Germanen. Das römische Recht unterscheidet zwischen erlaubtem und unerlaubtem S. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird die Forderung aus S. klaglos gestellt. Die Obrigkeit verbietet seit dem Spätmittelalter teils das S. unter Ordnungsgesichtspunkten, teils lässt sie es zwecks Erzielung von Einkünften (Steuern, Abgaben) unter Aufsicht zu (Spielbank, Spielcasino). Lit.: Hübner § 87 II; Schuster, H., Das Spiel, 1878; Wohlhaupter, E., Zur Rechtsgeschichte des Spieles in Spanien, Spanische Forschungen 3 (1931), 92; Hartung, W., Die Spielleute, 1982; Endrei, W., Spiel und Unterhaltung im alten Europa, 1986 Spießbürger ist der nur mit dem eigenen Spieß bewaffnete einfache -> Bürger. Spießrecht Lit.: Bonin, B. v., Das Spießrecht in der Theorie des 17. und 18. Jahrhunderts, ZRG GA 25 (1904), 52 Spießrutenlaufen ist das Laufen eines Menschen (z. B. Fahnenflüchtigen) zwischen zwei Reihen von mit Spießen oder spitzen Ruten bewaffneten Menschen zwecks Demütigung oder Züchtigung. Es ist im Altertum wie in der frühen Neuzeit bekannt. Es führt vielfach zum Tod des Läufers. Lit.: Franz, G., Ursprung und Brauchtum der Landsknechte, MIÖG 61 (1953), 79; Möller, H., Das Regiment der Landsknechte, 1976 Spindel (F.) Spinngerät Spindelmage (F.) weibliche Verwandte Lit.: Hübner §§ 106, 11; Kroeschell, DRG 1; Schröder, R., Über die Bezeichnung der Spindelmagen, ZRG GA 4 (1883), 1 Spinoza, Benedictus (Baruch) de (Amsterdam 24. 11. 1632-Den Haag 21. 2. 1677), portu- giesisch-jüdischer Kaufmannssohn, wird nach der geistigen Lösung vom Judentum (1656) Linsenschleifer und Philosoph. Er geht von der Identität Gottes mit der Natur aus, lässt den Menschen glückselig sein, der allein nach der Notwendigkeit seiner vernünftigen Natur lebt, und hält die Demokratie für den besten Staatszustand. Am Ende des 18. Jh.s werden diese Vorstellungen vielfach aufgegriffen. Lit.: Dunin Borkowski, S. v., Spinoza, Bd. 1ff. 1933; Steffen, H., Recht und Staat im System Spinozas, 1968; Hong, H., Spinoza und die deutsche Philosophie, 1988; Senn, M., Spinoza und die deutsche Rechtswissenschaft, 1991; Ethik, Recht und Politik bei Spinoza, hg. v. Senn, M. u. a., 2001 Spionage Lit.: Thiemrodt, I., Strafjustiz und DDR-Spionage, 2000 732 spiritualis (lat.) geistlich Spital (zu lat. hospitalis) oder Hospital ist das Haus zur Beherbergung von Fremden, Kranken, Alten und Armen. Es entsteht im ausgehenden Altertum. Im Mittelalter geht das S. zunächst auf die Kirche zurück (Abtei, Kloster, Domspital). Seit dem Hochmittelalter kommen ritterliche und andere Orden, seit dem ausgehenden Mittelalter auch reiche Bürger als Gründer hinzu. Das S. wird als eigene Verbandsperson eingeordnet. Seit dem 18. Jh. wird das allgemeine S. durch besondere Ein- richtungen (z. B. Krankenhaus) abgelöst. Lit.: Reicke, S., Das deutsche Spital und sein Recht, Bd. 1f. 1932, Neudruck 1970; Imbert, J., Les hopitaux en droit canonique, 1947; Nasalli Rocca, E., Il diritto ospedaliero, 1956; Tierney, B., Medieval poor law, 1959; Berger, W., Das St.-Georgs-Hospital zu Hamburg, 1972; Wendehorst, A., Das Juliusspital in Würzburg, 1976; Kolb, P., Die Juliusspital-Stiftung zu Rothenfels, 1985; Jetter, D., Das europäische Hospital, 1986; Macht der Barmherzigkeit. Lebenswelt Spital, hg. v. Schmauder, A., 2000; Funktions- und Strukturwandel spätmittel- alterlicher Hospitäler, hg. v. Matheus, M., 2003; Drossbach, G., Christliche caritas als Rechtsinstitut, 2004 Split (Aspalathos) an der Adria entsteht um einen von Kaiser Diokletian im späten 3. Jh. n. Chr. errichteten Palast. Im 6. Jh. wird es Sitz eines Erzbischofs. 1396 erhält es eine Universität, die 1974 erneuert wird. Über Venedig (1420-97) kommt es an Österreich, 1918 zu Jugoslawien. Lit.: Steindorff, L., Die dalmatischen Städte, 1984; Dusa, J., The Medieval Dalmatian Episcopal Cities, 1991 Spolienrecht -> ius spolii Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Kaps, J., Das Testamentsrecht, 1958; Schrader, E., Bemerkungen zum Spolien- und Regalienrecht der deutschen Könige im Mittelalter, ZRG GA 84 (1967), 128 Sponsalia (lat. [N.Pl.]) ist seit dem altrömischen Recht das -> Verlöbnis. Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22 sponsio (lat. [F.]) ist seit dem altrömischen Recht das Versprechen (Gelöbnis) oder die daraus entstehende Verpflichtung. Von hier aus wird die s. eine der drei Formen der -> Bürgschaft. Auf ein Vertragsangebot (lat.) spondesne (versprichst du?) wird die Antwort (lat.) spondeo (ich verspreche) gegeben. Lit.: Kaser §§ 7 III, 32 II, 57 II, 58 III; Söllner §§ 8, 9, 18, 24; Köbler, DRG 27, 44, 63 Sprache ist die in Zeit und Raum unterschiedliche lautliche Gestalt menschlicher Gedanken, wobei das durchschnittliche Wortschatzwissen der Gegenwart rund 50000 Einheiten umfasst, semantisch einfach, aber stark vernetzt und zwischen lautlichem Ausdruck und Inhalt (Bedeutung) nur lose verbunden ist. Das -> Recht kann am ehesten über Sprache wirken. Die an sich vergängliche Sprache kann durch -> Schrift und andere Aufzeichnungen verhältnismäßig dauerhaft gemacht werden. In der Welt bestehen 2000 rund 6500 verschiedene Sprachen, von denen etwa 50 nur mehr einen einzigen Sprecher haben, so dass alle zwei Wochen eine Sprache ausstirbt. Lit.: Köbler, DRG 9; Köbler, LAW; Köbler, WAS; Günther, L. Recht und Sprache, 1898; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961; Günther, L., Die deutsche Gaunersprache, 1919; Zaunmüller, W., Bibliographi- sches Handbuch der Sprachwörterbücher, 1958; Löfstedt, B., Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Sonderegger, S., Die Sprache des Rechts im Germanischen, Schweiz. Monatshefte 42 (1962), 259; Schmitt, L., Entstehung und Struktur der neuhochdeutschen Schriftsprache, Bd. 1 1966; Baier, D., Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache, Bd. 1ff. 1986ff.; Vollmann-Profe, G., Wiederbeginn volkssprachiger Schriftlichkeit, 1986; Sprache und Recht (FS Schmidt-Wiegand, Ruth), hg. v. Hauck, K. u. a., 1986; Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; Germanische Rest- und Trümmersprachen, hg. v. Beck, H., 1989; Sprache, Recht, Geschichte, hg. v. Eckert, J. u. a., 1991; Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991; Lyons, J., Die Sprache, 4. A. 1992; Bio- bibliographisches Handbuch zur Sprachwissenscahft des 18. Jahrhunderts, hg. v. Brekle, H., Bd. 1ff. 1992ff.; Beiträge zum Sprachkontakt und zu den Urkundensprachen zwischen Maas und Rhein, hg. v. Gärtner, K. u. a., 1995; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Lyons, J., Einführung in die moderne Linguistik, 8. A. 1995; Schmidt, W., Geschichte der deutschen Sprache, 9. A. 2004; Lexicon grammaticorum, hg. v. Stammerjohann, H., 1996; Bodmer, F., Die Sprachen der Welt, 1997; Görgen, A., Rechtsgrenzen folgen Sprachgrenzen, ZRG GA 115 (1998), 388; Recht und Sprache in der deutschen 733 Aufklärung, hg. v. Kronauer, U. u. a., 2001; Lohaus, M., Recht und Sprache in Österreich und Deutschland, 2000; Crystal, D., Language Death, 2000; Haarmann, H., Kleines Lexikon der Sprachen, 2001; Haarmann, H., Lexikon der untergegangenen Sprachen, 2002; Görgen, A., Rechtssprache in der frühen Neuzeit, 2002; Geschichte der deutschen Sprache, bearb. v. Langner, H. u. a., 9. A. 2004 Sprichwort -> Rechtssprichwort Lit.: Röhrich, L./Mieder, W., Sprichwort, 1977; Thesaurus proverbiorum medii aevi, begr. v. Singer, S., Bd. 1ff. Bd. 6 (heilig-Kerker) 1998 Spruch (M.) Urteil Spruchkollegium ist das für ein Urteil zuständiges Kollegium (z. B. juristische Fakultät seit dem 14. Jh., verstärkt im Rahmen der -> Aktenversendung vom 16. bis 19. Jh.). Lit.: Buchda, G., Die Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät, ZRG GA 62 (1942).; Klugkist, E., Die Göttinger Juristenfakultät, Diss. jur. Göttingen 1951 masch.schr.; Haalck, J., Die Rostocker Juristenfakultät, in: Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/9); Haalck, J., Zur Spruchpraxis der Juristenfakultät Frankfurt (Oder), FS R. Lehmann, 1958; Jammers, A., Die Heidelberger Juristenfakultät, 1969; Weiß, R., Aus der Spruchtätigkeit der alten Juristenfakultät zu Kiel, Diss. jur. Kiel 1965; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Pätzold, G., Die Marburger Juristenfakultät, 1966; Gehring, H., Das Lehrzucht- verfahren in der evangelischen Kirche, Diss. jur. Göttingen, 1968, Schikora, A., Die Spruchpraxis an der Juristenfakultät zu Helmstedt, 1972; Schildt, B., Die Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1980 masch.schr.; Lück, H., Die Spruchtätigkeit der Wittenberger Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1982 masch.schr. Spurfolge ist die Verfolgung der Spuren eines Diebes im älteren Recht. Im fränkischen Recht ist S. nur in einer Frist von 3 Nächten zulässig. Die S. erlaubt, wenn die Spur in ein Haus führt, dessen Durchsuchung. Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Rauch, K., Spurfolge und Dritthandverfahren, ZRG GA 68 (1951), 1; Vec. M., Die Spur des Täters, 2002 SS (Schutzstaffel) (1929 280 Mann stark, Heinrich Himmler unterstellt) Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946; Wegner, B., Hitlers Politische Soldaten, 6. A. 1999; Schulte, J., Zwangsarbeit und Vernichtung ­ Das Wirt- schaftsimperium der SS, 2001; Syndor, C., Soldaten des Todes, 2002; Dierker, W., Himmlers Glaubenskrieger, 2003; Die SS, hg. v. Smelser, R. u. a., 2. A. 2003; Schwan, H./Heindrichs, H., Der SS-Mann ­ Josef Blösche, 2003; Kaienburg, H., Die Wirtschaft der SS, 2003; Bidigarai Diehl, P., Macht ­ Mythos ­ Utopie, 2004; Cüppers, M., Wegbereiter der Shoa, 2005; Schneider, C., Die SS und ,,das Recht", 2005 Staat ist die auf Dauer berechnete Zusammenfassung einer Anzahl von Menschen (Staatsvolk) auf einem bestimmten Teil der Erdoberfläche (Staatsgebiet) unter Regelung aller für deren gemeinschaftliches Leben notwendigen Belange durch einen innerhalb der Gemeinschaft obersten Willensträger (Staatsgewalt), sofern sich die von diesem Willensträger aufgestellte Ordnung tatsächlich durchgesetzt hat und keinem völkerrechts- widrigen Zweck dient. Als S. wird bereits der Stadtstaat des Altertums eingeordnet (Athen, Rom). Im Übrigen entsteht der S. wohl erst seit dem Spätmittelalter. Er ist Verbandsperson bzw. seit dem 19. Jh. -> juristische Person des öffentlichen Rechts. Durch Verdichtung der Herrschaft steigert der -> Souveränität beanspruchende S. seine Machtausübung in der frühen Neuzeit zum -> Absolutismus. Hiergegen wenden sich aufgeklärte Philo- sophen, deren Gedanken seit der -> französischen Revolution zum (theoretischen) Übergang der Staatsgewalt auf das Volk (-> Volkssouveränität) und zur Teilung der Staatsgewalt unter verschiedenen Staatsorganen (-> Gewaltenteilung) führen. Dennoch wächst die Macht des von Wilhelm Albrecht 1837 erstmals als juristische Person eingeordneten Staates und die Gefahr ihres Missbrauches durch jeweilige Amtsträger unaufhörlich. Die formelle -> Verfassung (1776) vermag sie nicht in jedem Fall zuverlässig zu begrenzen. Die beste Sicherheit bietet die allgemeine Anerkennung inhaltlich rechtstreuer Gesin- nung. Dies ist um so wichtiger, je mehr sich der S. aufbläht (im Deutschen Reich 1925 fat 2000000 Beschäftigte = 5,6 Prozent aller Erwerstätigen, 8,4 % der abhängigen Erwerbs- tätigen, Anteil der gesamten öffentlichen Wirtschaft am Volkseinkommen rund 10 Prozent). Lit.: Kaser § 17 II 1a; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; 734 Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 111, 136, 140, 176, 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 1; Redslob, R., Die Staatstheorien der französischen Nationalversammlung von 1789, 1912; Below, G. v., Der deutsche Staat des Mittelalters, 1914; Fehr, H., Die Staatsauffassung Eikes von Repgow 37 (1916), 131; Fleiner, F., Entstehung und Wandlung moderner Staatstheorien in der Schweiz, 1916; Keutgen, F., Der deutsche Staat des Mittelalters, 1918; Der deutsche Staatsgedanke, zusammengestellt v. Joachimsen, P., 1921, Neudruck 1967; Goebel, J., The equality of States, 1923; Weimann, K., Der Staat des deutschen Mittelalters, 1925; Schramm, P., Studien zu frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über Staat und Verfassung, ZRG GA 49 (1929), 167; Schulte, A., Der deutsche Staat, 1933; Mayer, T., Die Entstehung des ,,modernen" Staates im Mittelalter und die freien Bauern, ZRG GA 57 (1937), 210; Waas, A., Herrschaft und Staat im deutschen Frühmittelalter, 1938; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Stolz, O., Das Wesen des Staates im deutschen Mittelalter, ZRG GA 61 (1941), 234; Jantke, C., Preußen, Friedrich der Große und Goethe in der Geschichte des deutschen Staatsgedankens, 1941; Lemke, W., Entwicklung des deutschen Staatsgedankens bei Friedrich Nietzsche, 1941; Heydte, F. 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Chatriot, A. u. a., 2005 Staatenbund ist der vertraglich vereinbarte Bund mehrerer Staaten (z. B. Vereinigte Niederlande 1579-1795, -> Deutscher Bund 735 1815, -> Schweiz 1815-1848, -> Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union 1952 bzw. 1993). Lit.: Ebers, G., Die Lehre vom Staatenbunde, 1910, Neudruck 1966; Politz, C., Die Verfassung des deutschen Staatenbundes, Bd. 1f. 1847; Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund, 1975; Kuschnick, M., Integration in Staatenverbindungen, 1999 Staatenhaus ist die Vertretung der Staaten in der Verfassung des geplanten -> Deutschen Reiches von 1848. Das S. besteht aus 192 von den Regierungen und den Parlamenten der Einzelstaaten ausgewählten Mitgliedern. Lit.: Köbler, DRG 194 Staatsangehörigkeit ist die Mitgliedschaft eines Menschen in einem Staat. Sie erscheint nach älteren frühneuzeitlichen Vorläufern in Frankreich 1791, im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) nach 1800. Seitdem wird sie im Gefolge des Code Napoléon (Art. 9-21) (1804) Frankreichs meist gesetzlich besonders geregelt (z. B. [§§ 28ff. ABGB Österreichs von 1811,] Preußen 1842, Deutsches Reich 1870, 1913 Übergang vom Territorialgrundsatz zum Abstammungsprinzip, am Beginn des 21. Jh.s aus Mangel an Beitragszahlern zur Sozialversicherung für Zuwanderer gelockert). Lit.: Zenthöfer, E., Zur Geschichte des Begriffs der Staatsangehörigkeit, Diss. jur. Königsberg 1938; Vanel, M., Histoire de la nationalité française, 1945; Grawert, R., Staat und Staatsangehörigkeit, 1973; Hecker, H., Staatsangehörigkeit im Code Napoléon, 1980; Gosewinkel, D., Die Staatsangehörigkeit als Institution des Nationalstaats, in: Offene Staatlichkeit, 1995; Ernst, A., Das Staatsangehörigkeitsrecht, Diss. jur. Münster 1999; Gosewinkel, D., Einbürgern und ausschließen, 2001 Staatsanwalt ist der Vertreter des Staates in der Strafanklage. Der auch die ausführende Staatsgewalt gegenüber der unabhängig werdenden Gerichtsbarkeit stärkende S. findet sich nach französischem Vorbild (procurator des Königs als Vertreter der königlichen Interessen [z. B. Einziehung von Geldbußen] vor Gericht 14. Jh., -> ordonnance de Villers- Cotterets von 1539, ab Ordonnanz von 1670 beherrschende Stellung im Strafverfahren, öffentliche Partei zur Vertretung öffentlicher Interessen und zur Kontrolle der Richter, ministre public [Dienststelle für öffentliche Angelegenheiten], nach 1789 an Stelle der königlichen Prokuratoren vom König ernannte, königliche Kommissare als Gesetzeswächter im Verfahren einerseits und vom Volk gewählte öffentliche Ankläger am Gerichtshof anderer- seits, Aufhebung dieser Zweiteilung durch die Jakobiner, erneute Trennung beider Funktionen nach dem Sturz Robespierres, mit der Verfassung vom Dezember 1799 endgültige Aufhebung der Trennung von Anklagefunktion und Gesetzeswächteramt und Verschwinden des öffentlichen Anklägers und damit Eröff- nung der modernen Staatsanwaltschaft, ministre de public 1808) seit 1810 im linksrheinischen Rheinland. Es folgen Baden 1831, Hannover 1841 (öffentlicher Anwalt, Kriminalfiskal Vertreter des öffentlichen Strafverfilgungsinteresses, 1849 provisorische Staatsanwaltschaft) und Preußen (1. 1.) 1846 unter teilweiser Beschränkung auf bestimmte Verfahren, 1877/1879 das Deutsche Reich (1893 Oberreichsanwalt, 4 Reichsanwälte am Reichsgericht, 54 Staatsanwälte bei den Oberlandesgerichten, 542 Staatsanwälte bei den Landgerichten). Das ursprünglich für den S. geltende -> Legalitätsprinzip weicht seitdem zunehmend dem -> Opportunitätsprinzip. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 202, 203, 228, 235; Sundelin, P., Die Staatsanwaltschaft in Deutschland, 1860; Elling, E., Die Einführung der Staatsanwaltschaft, 1911, Neudruck 1977; Carsten, E., Die Geschichte der Staatsanwaltschaft, 1932, Neudruck 1971; Sättler, A., Die Entwicklung der französischen Staatsanwaltschaft, Diss. jur. Mainz 1956; Schuhmacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Biebl, W., Zur Geschichte der Staatsanwaltschaft, Bay. VwBll. 1992; Wohlers, W., Entstehung und Funktion der Staatsanwaltschaft, 1994; Knollmann, J., Die Einführung der Staatsanwaltschaft, 1994; Festgabe 150 Jahre Staatsanwaltschaft Berlin, hg. v. d. Senatsverwaltung für Justiz, 1997; Collin, P., ,,Wächter der Gesetze" oder ,,Organ der Staatsregierung"? Konzipierung, Einrichtung und Anleitung der Staatsanwaltschaft, 2000; Staatsanwaltschaft, hg. v. Durand, B., 2005; Wulff-Kuckelsberg, S., Procureurs, 2005 Staatsaufsicht Lit.: Kahl, W., Die Staatsaufsicht, 2000 Staatsbürger ist das bewusst als Bürger mit Teilhaberecht am Staat (Staatsangehörigkeit) verstandene Mitglied eines Staats. Der S. wird 736 zwischen 1770 und 1789 allgemein anerkannt. 1919 werden im Deutschen Reich die S. einander gleichgestellt. Lit.: Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Weinacht, P., Staatsbürger, Der Staat 8 (1969), 41; Bürger und Bürgerlichkeit, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Gosewinkel, D., Einbürgern und Ausschließen, 2001; Pütter, N., Teilnahme und Staatsbürgertum, 2001 Staatsgebiet -> Staat Lit.: Stengel, E., Regnum und imperium, 1930 Staatsgerichtshof ist im 19. Jh. das Verfassungsgericht (-> Verfassungsgerichtsbar- keit) einzelner Staaten (Württemberg 1819, Sachsen 1831, Bayern 1848, Sachsen-Weimar- Eisenach 1850, Oldenburg 1852, Baden 1868), 1921 für das Deutsche Reich. Im Mittelpunkt der Tätigkeit der Staatsgerichtshöfe steht vor allem die -> Ministeranklage. Nach 1945 gehen die meisten Länder zu einem -> Verfassungsgericht über. Lit.: Scheel, M., Die Staatsgerichtshöfe der deutschen Länder, Diss. jur. Leipzig 1931; Grund, H., Preußenschlag und Staatsgerichtshof, 1976; Wehler, W., Der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, Diss. jur. Bonn 1979; Vetter, J., Die Bundesstaatlichkeit, 1980; Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. v. Starck, C. u. a., 1983; Hueck, I., Der Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik, 1996 Staatsgewalt -> Staat Lit.: Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Wenger, L., Hausgewalt und Staatsgewalt im römischen Altertum, 1942; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Lieberwirth, R., Die historische Entwicklung der Theorie vom vertraglichen Ursprung des Staates, SB. d. sächs. Akad. d. Wiss. 118, 2, 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1978; Koch, B., Rechtsbegriff und Wider- standsrecht, 1985; Reinhard, W., Geschichte der Staatsgewalt, 1999; Weber-Fas, R., Über die Staatsgewalt, 2000 Staatsgrundgesetz ist die Bezeichnung für ein die Verfassung des Staates grundlegend bestimmendes Gesetz (z. B. Österreich 20. 10. 1860, 21. 12. 1867). Die 5 bzw. 6 österreichischen Staatsgrundgesetze vom 21. 12. 1867 (-> Dezemberverfassung) betreffen die Reichsvertretung, die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, das Reichsgericht, die richterliche Gewalt und die Ausübung der Regierungsgewalt und Vollzugsgewalt. Lit.: Köbler, DRG 193, 231; Baltl/Kocher; Bauer, D., Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Krech, J., Das schleswig-holsteinische Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985 Staatshaftung ist die Haftung des Staates für den durch staatliches Verhalten entstandenen Schaden. Sie beruht auf der bereits im 18. Jh. allgemein anerkannten Haftung des -> Beamten für eine Verletzung seiner Amtspflichten (Amtshaftung, Vorgänger Syndikatsklage gegen einen Richter z. B. in der Reichskammergerichtsordnung von 1555) und der Haftung des Staates als juristischer Person für ein Verhalten seiner Organe. Nach der Mandatstheorie kann dabei wegen Überschreitung des Mandats rechtswidriges Verhalten des Beamten dem Fürsten oder Staat nicht zugerechnet werden. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) setzt die Haftung des Beamten für schuldhafte Amtspflichtverletzungen fest, das preußische Beamtenhaftungsgesetz (1909) und das Reichsbeamtenhaftungsgesetz von 1910 lassen zum Schutz des Beamten den Staat eintreten (in Sachsen-Altenburg bereits 1831, in Sachsen- Coburg-Gotha bereits 1852, in Bayern 1899). Art. 131 WRV und Art. 34 GG knüpfen an die Beamtenhaftung des § 839 BGB an, leiten die Haftung aber auf den Staat über. Der Europäische Gerichtshof bejaht die Haftung des Staates für europarechtswidriges Verhalten der Gesetzgebung, Ausführung und Recht- sprechung (z. B. des Verwaltungsgerichtshofs Österreichs). Lit.: Köbler, DRG 259; Loening, E., Die Haftung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten, 1879; Heidenhain, M., Amtshaftung und Entschädigung, 1965; Kohl, J., Die Lehre von der Unrechtsfähigkeit des Staates, 1977; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat; Pfab, S., Staatshaftung in Deutschland, 1997; Ossenbühl, F., Staatshaftung, 5. A. 1998; Grzeszick, B.; Rechte und Ansprüche, 2002 Staatshaushalt -> Haushalt Lit.: Köbler, DRG 225, 251; Riedel, A., Der brandenburg-preußische Staatshaushalt, 1866; Schmelzle, H., Der Staatshaushalt des Herzogtums Bayern, 1900; Friauf, P., Der Staatshaushaltsplan, 1968; Müller, P., Theorie und Praxis des Staatshaushaltsplans im 19. Jahrhundert, 1989 Staatskirche ist die in einem Staat allein anerkannte Kirche (z. B. Rom in der Spätantike, evangelische Länder des Heiligen 737 Römischen Reiches [deutscher Nation], Großbritannien, Schweden, Spanien). Lit.: Barceló, P., Constantius II, und seine Zeit. Die Anfänge des Staatskirchentums, 2004 Staatskirchenrecht ist das staatliche, die Kirche betreffende Recht. Lit.: Heckel, M., Staat und Kirche, 1968; Seifert, E., Paul Joseph Riegger, 1973; Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u. a., Bd. 1 1973; Winter, J., Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich, 1979; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Staat und Kirche im 20. Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u. a., Bd. 1ff. 1980ff.; Ortloff, C., Das staatskirchenrechtliche System Wilhelm Traugott Krugs, 1998; Schneider, B., Ius reformandi, 2001 Staatslehre ist der seit dem Ende des 18. Jh.s entstehende Zweig der Rechtswissenschaft, der sich mit dem Wesen des Staates als solchem befasst. Lit.: Deutsche Rechtswissenschaft und Staatslehre im Spiegel der italienischen Rechtskultur, hg. v. Schulze, R., 1990; Staatslehrer der frühen Neuzeit, hg. v. Hammerstein, N., 1995; Trott zu Solz, L. v., Hans Peters und der Kreisauer Kreis, 1997; Badura, P., Die Methoden der neueren allgemeinen Staatslehre, 2. A. 1998; Schuppert, G., Staatswissenschaft, 2003; Rüdiger, A., Staatslehre und Staatsbildung, 2005 Staatsnotstand ist die außerordentliche Gefahr für den Bestand eines Staates. Für diesen Fall enthält das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seit 1968 eine Notstands- verfassung. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ballreich, H. u. a., Das Staatsnotrecht, 1955; Schüler-Springorum, H., Notstand im Völkerrecht, Diss. jur. Marburg 1956 masch.schr.; Der Staatsnotstand, hg. v. Fraenkel, E., 1965; Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand, 1967; Radke, K., Der Staatsnotstand im modernen Friedensvölkerrecht, 1988 Staatsoberhaupt ist das an der Spitze eines Staates stehende Staatsorgan (z. B. König, Präsident). Lit.: Bouveret, M., Die Stellung des Staatsoberhauptes in der parlamentarischen Diskussion und Staatsrechtslehre von 1848 bis 1918, 2003 Staatspolizei -> geheime Staatspolizei Staatsraison ist die zur Förderung des Staatswohles erforderliche Klugheit. Die S. wird in Italien im 16. Jh. aufgegriffen. Seit der Mitte des 18. Jh.s wird sie wegen der Nähe von Staat und Fürst oder Staat und Partei auch kritisch gesehen. Lit.: Meinecke, F., Die Idee der Staatsraison, 4. A. 1976; Friedrich, C., Die Staatsraison im Verfassungsstaat, 1961; Stolleis, M., Staatsraison, 1972; Staatsraison, hg. v. Schnur, R., 1975; Lutz, H., Ragione di Stato, 2. A. 1976; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Thuau, E., Raison d'État, 1966; Weinacht, P., Staat, 1968; Munkler, H., Im Namen des Staates, 1987; Voß, W., Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, in: Libertas, 1991, 301; Tieck, K., Staatsräson und Eigennutz, 1998 Staatsrat ist das der Staatsleitung dienende Beratungsorgan (z. B. Österreich 1760, Preußen 1808-1817, 1921-1933 [etwa 80 Mitglieder]). In der -> Deutschen Demokrati- schen Republik ist der S. ab 12. 9. 1960 Leitungsorgan. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Hoch, C., Frhr. v., Der österreichische Staatsrat (1760-1848), 1879, Neudruck 1972; Hintze, O., Der österreichische Staatsrat im 16. und 17. Jahrhundert, ZRG GA 8 (1887), 137; Schneider, H., Der preußische Staatsrat, 1952; Francksen, M., Die Institution des Staatsrates in den deutschen Staaten, ZNR 7 (1985), 19; Bayer, H., Der Staatsrat des Freistaates Preußen, 1992; Michel, K., Der Staatsrat, 1998; Wrage, M., Der Staatsrat im Königreich Hannover 1839-1866, 2001; Der preußische Staatsrat 1921-1933, bearb. v. Lilla, J., 2005 Staatsrecht ist das den Staat im allgemeinen betreffende Recht. Das S. entwickelt sich im Laufe des 19. Jh.s aus dem -> öffentlichen Recht. Dabei strebt das 19. Jh. vor allem nach Verwissenschaftlichung. Um 1950 gibt es in Deutschland etwa 80 Hochschullehrer des Staatsrechts. Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 3 II, 17 II; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 143; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1737ff., Neudruck 1968; Pütter, J., Litteratur des teutschen Staatsrechtes, Bd. 1ff. 1776ff., Neudruck 1965; Kreittmayr, W. Frhr. v., Grundriss des allgemeinen deutsch- und bayerischen Staatsrechts, 1768; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1831; Laband, P., Das Staatsrecht des deutschen Reiches, Bd. 1ff. 5. A. 1911ff., Neudruck 1964; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. z. T. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Das Staatsrecht des heiligen römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Oertzen, P. v., Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, 1974; Hoke, R., Die Emanzipation der 738 deutschen Staatsrechtswissenschaft, Der Staat 15 (1976), 211; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Rennert, K., Die ,,geisteswissenschaftliche Richtung" in der Staatsrechtslehre der Weimarer Republik, 1987; Ridder, H., Verfassungsrecht oder Staatsrecht, Bll. f. dt. u. internat. Politik 1988, 220; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff. 1988ff.; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Bülow, B. v., Die Staatsrechtslehre der Nachkriegszeit, 1996; Rainer, M., Einführung in das römische Staatsrecht, 1997; Friedrich, M., Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, 1997; Becker, L., Schritte auf einer abschüssigen Bahn, 1999; Stern, K., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5 Die geschichtlichen Grundlagen, 2000; Schmidt, J., Konservative Staatsrechtslehre und Friedenspolitik, 2001; Dreier, H./Pauly, W., Die deutsche Staatsrechts- lehre in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001; Handbuch des Staatsrechts, hg. v. Isensee, J. u. a., 3. A. 2003; Unruh, P., Weimarer Staatsrechtslehre und Grundgesetz, 2004; Frieder, G., Denken vom Staat her, 2004 Staatsschutz Lit.: Staatsschutz, hg. v. Willoweit, D., 1994 Staatswissenschaft ist die Wissenschaft von der Entstehung und dem Wesen des Staates. Sie spielt im 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Danach ist die Verbindung von S. und Rechtswissenschaft überwiegend wieder aufgegeben. Lit.: Schuppert, G., Staatswissenschaft, 2003 Stab ist das lange dünne Holzstück, das als Rechtssymbol für Gewalt verwendet werden kann. Seit 1499 ist bezeugt, dass der Richter über den Angeklagten den Stab bricht. Beim Stabwurf versinnbildlicht der S. den zu übertragenden Gegenstand (z. B. Grundstück). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Moeller, E. v., Die Rechtssitte des Stabbrechens, ZRG GA 21 (1900), 27; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, 1909; Liebermann, F., Zum Stabbrechen des Richters, ZRG GA 41 (1920), 382; Lauffer, O., Der Büttelstab, ZRG GA 61 (1941), 252; Kocher, G., Richter und Stabübergabe im Verfahren der Weistümer, 1971; Vorbrodt, G./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter und Stäbe, Bd. 1f. 1971; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Stade Lit.: Das Stader Stadtrecht vom Jahre 1279, 1950; Weise, E., Geschichte des niedersächsischen Staatsarchivs in Stade, 1964; Ellermeyer, J., Stade 1300-1399, 1975 Stadt ist die umfangreichere, gewerbliche Tätigkeit beherbergende, meist durch eine Mauer befestigte Siedlung mit besonderem Stadtrecht. Die S. ist bereits dem Altertum bekannt (z. B. Çatal Höyük in Kleinasien, etwa 6800 v. Chr., Eridu, Uruk, Athen, Rom). Im Mittelalter entsteht sie vielfach auf römischer Grundlage im 11. Jh. unter Förderung durch den Stadtherrn (neu). Reichsunmittelbar ist die -> Reichsstadt. Seit dem 19. Jh. tritt die S. hinter der -> Gemeinde zurück, so dass die Bezeichnung S. ihre rechtliche Bedeutung verliert. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 96, 98, 110, 111, 113, 120, 138, 149, 152, 195; Keutgen, F., Untersuchungen über den Ursprung der deutschen Stadtverfassung, 1895; Rietschel, S., Markt und Stadt, 1897; Liesegang, E., Niederrheinisches Städtewesen, 1897; Hegel, K., Die Entstehung des deutschen Städtewesens, 1898; Wild, E., Verfassungsgeschichte der Stadt Will, 1904; Kretzschmar, J., Sie Entstehung von Stadt und Stadtrecht, 1905; Siegburg, bearb. v. Lau, F., 1907; Lahusen, J., Zur Entstehung der Verfassung bairisch-österreichischer Städte, 1908; Lappe, J., Die Sondergemeinden der Stadt Lünen, 1909; Merz, W., Die Stadt Aarau, 1909; Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte (Blankenberg, Deutz, Neuß), 1911; Below, G. v., Territorium und Stadt, 1900, 2. 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Jahrhundert, 1963; Untersuchungen zur gesellschaftlichen Struktur der mittelalterlichen Städte in Europa, 1966; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Drollinger, K., Kleine Städte Südwestdeutschlands, 1968; Die Stadt des Mittelalters, hg. v. Haase, C., 1969; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Bibliographie zur Städtegeschichte Deutschlands, hg. v. Keyser, E., 1969; Verwaltung und Gesellschaft in der südwestdeutschen Stadt des 17. und 18. Jahrhunderts, hg. v. Maschke, E. u. a., 1969; Die Stadt des Mittelalters 1ff., Begriff, Entstehung und Ausbreitung, Recht und Verfassung, Wirtschaft und Gesellschaft, hg. v. Haase, C., 1969ff.; Städtische Mittelschichten, hg. v. Maschke, E./Sydow, J., 1972; Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, C., 1972; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973; Die Stadt am Ausgang des Mittelalters, hg. v. Rausch, W., 1974; Stadt und Umland, hg. v. Maschke, E. u. a., 1974; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im Mittelalter, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1974, z. T. 2. A. 1975; Ennen, E., Die europäische Stadt des Mittelalters, 4. A. 1987; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Fritze, K., Bürger und Bauer zur Hansezeit, 1976; Bischofs- und Kathedralstädte, hg. v. Petri, F., 1976; Schwineköper, B., Königtum und Städte bis zum Ende des Investiturstreits, 1977; Die mittelalterliche Städtebildung im südöstlichen Europa, hg. v. Stoob, H., 1977; Hall, T., Mittelalterliche Stadtgrundrisse, 1978; Die Stadt, hg. v. Stoob, H., 1979; Zentralität als Problem der mittelalterlichen Stadtgeschichtsforschung, hg. v. Meynen, E., 1979; Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980; Die Stadt an der Schwelle zur Neuzeit, hg. v. Rausch, W., 1980; Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte mittel- und oberdeutscher Städte im Spätmittelalter, übers. v. Möncke, G., 1982; Mitterauer, M., Markt und Stadt, 1980; Beiträge zum hochmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Beiträge zum spätmittelalterlichen Städtewe- sen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Stadt und Herrschaft, hg. v. Vittinghoff, F., 1982; Stadt und wirtschaftliche Selbstverwaltung, hg. v. Kirchgässner, B. u. a., 1987; Urkunden zur Geschichte des Städtewesens in Mittel- und Niederdeutschland bis 1350, hg. v. Stoob, H., 1985; Bibliographie zur deutschen historischen Städtefor- schung 1, hg. v. Stoob, H., 1986; Stadtkernforschung, hg. v. Jäger, H., 1987; Modelli di citt, hg. v. P. Rossi, 1987; Isenmann, E., Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, 1988; Kießling, R., Die Stadt und ihr Land, 1989; Grundherrschaft und Stadtentstehung am Niederrhein, hg. v. Fink, K. u. a., 1989; Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, hg. v. Stolleis, M., 1991; Schroeder, K., Das alte Reich und seine Städte, 1991; Stadtkern und Stadtteile, hg. v. Kirchgässner, B. u. a. 1991; Schilling, H., Die Stadt in der frühen Neuzeit, 1991; Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters, hg. v. Elze, R. u. a. 1991; The City in the Late Antiquity, hg. v. Rich, J., 1992; Engel, E., Die deutsche Stadt des Mittelalters, 1993; Schilling, H., Die Stadt in der frühen Neuzeit, 1993; Residenzen des Rechts, hg. v. Kirchgässner, B./Becht, H., 1993; Stadt und Bürgertum im Übergang von der traditionalen zur modernen Gesellschaft, hg. v. Gall, L., 1993; Boockmann, H., Die Stadt im späten Mittelalter, 3. A. 1994; Gerteis, K., Die deutschen Städte in der frühen Neuzeit, 2. A. 1994; Denkmäler des Amberger Stadtrechts, bearb. v. Laschinger, J., 1994ff.; Roux, S., 740 Le monde des villes, 1994; Shofield, J./Vince, A., Medieval Towns, 1994; Meier, U., Mensch und Bürger, 1994; Landesherrliche Städte in Südwestdeutschland, hg. v. Treffeisen, J. u. a., 1994; Die Stadt (Kalkar) im Mittelalter, hg. v. Kaldewei, G., 1994; Deidesheim, hg. v. Andermann, K. u. a., 1995; Anfänge des Städtewesens an Schelde, Maas und Rhein bis zum Jahre 1000, hg. v. Verhulst, A., 1996; Vetter, K., Zwischen Dorf und Stadt ­ Die Mediatstädte des kurmärkischen Kreises Lebus, 1996; Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, hg. v. Matzerath, H., 1996; Eberhard, I., Van des stades wegene utgegeven unde betalt, 1996; Klotz, H., Die Entdeckung von Çatal Höyük, 1998; Die Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11. Jahrhundert, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1998; Mitteleuropäisches Städtewesen, hg. v. Janssen, W. u. a., 1999; Sweet, R., The English Town 1680-1840, 1999; Das Bild der Stadt in der Neuzeit, hg. v. Behringer, W. u. a., 1999; Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens, 1999; Knittler, H., Die europäische Stadt in der frühen Neuzeit, 2000; Schöber, P., Wirtschaft, Stadt und Staat, 2000; Quellen zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt, ausgew. v. Hergemöller, B., 2000; Städtelandschaft, hg. v. Escher, M. u. a., 2000; Kannowski, B., Bürgerkämpfe und Friedebriefe, 2001; Happ, S., Stadtwerdung am Mittelrhein, 2002; Stadt und Recht im Mittelalter, hg. v. Monnet, P. u. a., 2002; Happ, S., Stadtwerdung am Mittelrhein, 2002; Die vormoderne Stadt, hg. v. Feldbauer, P. u. a., 2002; Sondergemeinden und Sonderbezirke in der Stadt der Vormoderne, hg. v. Johanek, P., 2003; Müller, C., Landgräfliche Städte in Thüringen, 2003; Meier, D., Bauer, Bürger, Edelmann, 2003; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Grzywatz, B., Stadt, Bürgertum und Staat im 19. Jahrhundert, 2003; Weinberger, B., Städtefeindlichkeit in der deutschen Geschichte, 2003; Städtelandschaft, hg. v. Gräf, H. u. a., 2004; Vielerlei Städte, hg. v. Johanek, P., 2004; Die Salzstadt, hg. v. Freitag, W., 2004; Grzywatz, B., Stadt, Bürgertum und Staat im 19. Jahrhundert, 2003; Stercken, M., Städte der Herrschaft, 2005; Stadt und Region, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 2005; Die urbanen Zentren des hohen und späteren Mittelalters, hg. v. Escher, M. u. a. 2005 Stadtbuch ist das von einer -> Stadt für die Aufzeichnung wichtiger rechtlicher Geschehnisse geführte Buch. Es erscheint seit dem 13. Jh. Mit zunehmender Verschriftlichung treten mehrere besondere Bücher nebeneinander. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 105, 125; Das Lübecker Oberstadtbuch, hg. v. Rehme, P., 1895; Zeller- Werdmüller, H., Die Zürcher Stadtbücher, 1899; Die Zürcher Stadtbücher des 14. und 15. Jahrhunderts, hg. v. Nabholz, H., Bd. 3 1906; Rehme, P., Über die Breslauer Stadtbücher, 1909; Beyerle, K., Die deutschen Stadtbücher, Dt. Geschichtsbll. 11 (1910), 145; Rehme, P., Stadtbuchstudien, ZRG GA 37 (1916), 1; Stowasser, O., Das Stadtbuch von Waidhofen, Jahrbuch des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich, 1916; Das älteste Böhmisch Kaunitzer Stadtbuch, 1915; Die sogenannten Sobielaw'schen Rechte, hg. v. Schranil, R., 1916: Rehme, P., Über Kieler Stadtbücher des Mittelalters, ZRG GA 38 (1917), 164; Schubert, F., Das älteste Glatzer Stadtbuch (1316-1412), ZRG GA 45 (1925), 250; Rehme, P., Stadtbücher des Mittelalters, FS V. Ehrenberg, 1927, 173; Das Mindener Stadtbuch, hg. v. Krieg, M., 1931; Rehme, P., Neues über die Stralsunder Stadtbücher, ZRG GA 58 (1938), 674; Buyken, T./Conrad, H., Die ältesten Stadtbücher von Koblenz, ZRG GA 59 (1939), 165; Das Stadtbuch von Dux 1389, bearb. v. Kochmann, K., 1941; Schmid, H., Dalmatinische Stadtbücher, Kosov Zbornik-Festschrift (Laibach) 1953, 330; Triller, A./Schön, B., Stadtbuch von Dinslaken, 1959; Das Stadtbuch von Anklam, hg. v. Bruinier, J., Bd. 1ff. 1960ff.; Nový, R., Libri civitatum Bohemiae, 1963; Das älteste Rostocker Stadtbuch, hg. v. Thierfelder, H., 1967; Das Stadtrecht von Schaffhausen, Bd. 2 Das Stadtbuch von 1385, bearb. v. Schib, L., 1967; Das älteste Stadtbuch von Coburg, bearb. v. Andrian- Werburg, K. Frhr. v., 1977; Das Stadtbuch von Karpfen (Krupina), hg. v. Grothausmann, K., 1977; Hemann, F., Das Rietberger Stadtbuch, 1994; Stadtbücher als namenkundliche Quellen, hg. v. Debus, F.; 2000; Die Weimarer Stadtbücher, hg. v. Steinführer, H., 2005 Stadtbürger -> Bürger Städtebund ist der vertragliche Zusammenschluss von Städten zu gemeinsamem Handeln (z. B. lombardische Liga 1167, rheinischer Städtebund 1254/6, schwäbischer Städtebund 1376/81, -> Hanse). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 97, 121; Füchtner, J., Die Bündnisse der Bodenseestädte bis zum Jahre 1390, 1970; Mägdefrau, W., Der Thüringer Städtebund im Mittelalter, 1977; Kommunale Bündnisse, hg. v. Maurer, H., 1987; Vom Städtebund zum Zweckverband, hg. v. Kirchgäßner, B. u. a., 1994; Stoob, H., Die Hanse, 1995 Städteordnung ist das das Stadtrecht regelnde Gesetz des 19. Jh.s (z. B. das preußische Gesetz vom 19. 11. 1808, das den Städten die -> Selbstverwaltung erneuert). 741 Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Städteordnungen des 19. Jahrhunderts, hg. v. Naunin, H., 1984; Wex, N., Staatliche Bürokratie und städtische Autonomie, 1997 Stadtgericht ist das in der -> Stadt für die gerichtlichen Angelegenheiten zuständige -> Gericht, dem anfangs meist der Stadtherr vorsitzt. Lit.: Torggler, K., Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung, 1963; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von 1719, Diss. jur. Basel 1968; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Spieß, P., Die Konkurrenz zwischen ,,städtischer" und ,,stadtherrlicher" Strafgerichtsbarkeit im 13. und 14. Jahrhundert, ZRG GA 98 (1981), 291 Stadtherr -> Stadt Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111; Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, W., 1972 Stadtkommune -> Stadt Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967 Stadtluft macht frei ist das Rechtssprichwort des 19. Jh.s, das zum Ausdruck bringen will, dass ein Herr einen in die Stadt geflohenen Unfreien nicht zurückholen kann, wenn er nicht binnen eines Jahres, sechs Wochen und drei Tagen klagt (z. B. Altenburg 1256). Urbare und Neubürgerlisten stützen die Vermutung umfangreicher Landflucht im Hochmittelalter anscheinend nicht. Zur Abwehr der Landflucht wird anscheinend die -> Leibeigenschaft entwickelt. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Brunner, H., Luft macht frei, FG O. Gierke, 1901, 1; Schütze, P., Die Entstehung des Rechtssatzes Stadtluft macht frei, 1903; Mitteis, H., Über den Rechtsgrund des Satzes ,,Stadtluft macht frei", FS E. Stengel, 1952, 342; Kroeschell, K., Weichbild, 1960, 75; Gellinek, C., Stadtluft macht frei?, ZRG GA 106 (1989), 306; Haase, R., Anmerkungen zum Satz ,,Stadtluft macht frei", ZRG GA 106 (1989), 311; Stamm, V., Gab es eine bäuerliche Landflucht im Hochmittelalter?, HZ 276 (2003), 305 Stadtmauer -> Stadt Stadtrat -> Rat, Stadt Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2 Stadtrecht ist das besondere Recht einer Stadt. Es entsteht nach römischem Vorbild im Mittelalter am Ende des 11. Jh.s (lat. ius [N.] civile). Am Beginn steht das -> Privileg (z. B. Freiburg im Breisgau 1120?), das von der Gewohnheit ergänzt wird. Spätestens im 13. Jh. kommt die -> Satzung von Seiten meist des Rates hinzu. Festgehalten wird das S. oft im -> Stadtbuch. Der Stadtherr kann das S. einer Stadt an eine andere übertragen (Stadt- rechtsfamilie). Eine Stadt kann auch einer anderen ihr S. mitteilen. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter dringt dieses über Stadtrechtsreformationen (z. B. Nürnberg 1479/1484, Worms 1499, Frankfurt 1509, Freiburg 1520) auch in das S. ein. In der Neuzeit greift der Landesherr vielfach vereinheitlichend ein. Auch in der Gegenwart gibt es auf der Ebene der Selbstverwaltung besonderes S. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 101, 104, 120; Deutsche Stadtrechte des Mittelalters, hg. v. Gaupp, T., 1851f., Neudruck 1966; Gengler, H., Codex iuris municipalis, 1863, Neudruck 1968; Meyer, C., Das Stadtrecht von Hof vom Jahre 1436, ZRG GA 19 (1998), 152; Oberrheinische Stadtrechte, hg. v. d. badischen historischen Kommission, 1895ff.; Urkunden zur städtischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Keutgen, F., 1901, Neudruck 1965; Lippstadt, bearb. v. Overmann, A., 1901; Kretzschmar, J., Sie Entstehung von Stadt und Stadtrecht, 1905; Zehntbauer, R., Die Stadtrechte von Freiburg im Üchtland und Arconciel-Illens, 1906; Merz, W., Die Stadtrechte von Bremgarten und Lenzburg, 1909; Kogler, F., Beiträge zur Stadtrechtsgeschichte Kufsteins, 1912; Haff, K., Studien zum Waadtländer Stadtrecht, 1918; Torggler, K., Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Thieme, H., Staufische Stadtrechte im Elsass, ZRG GA 58 (1938), 654; Haff, K., Übereinstimmungen im Stadtrechte von Schleswig (Haithabu) und in dem Bjärköa-Ret, ZRG GA 59 (1939), 277; Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Europa, 1942; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Ottos des Kindes, 1961; Diestelkamp, B., Welfische Stadtgründungen und Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Köbler, G., Zur Entstehung des mittelalterlichen Stadtrechts, ZRG GA 86 (1969), 177; Die Gesetze der Stadt Frankfurt am Main im Mittelalter, 1969; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Lockert, M., Die niedersächsischen Stadtrechte zwischen Aller und Weser, 1979; Dilcher, G., ,,Hell, verständig für die Gegenwart sorgend, die Zukunft bedenkend", ZRG GA 106 (1989), 12; Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, hg. v. Stolleis, M., 1991; Kersting, W., Das Otterndorfer ostfälisch-sächsische 742 Stadtrecht, ZRG GA 109 (1992), 374; Quellen zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt im Mittelalter, hg. v. Hergemöller, B., 2000 Stadtrechtsbuch ist das -> Rechtsbuch einer - > Stadt (z. B. Reichsrechtsbuch von Mühlhausen in Thüringen von etwa 1230 oder Rechtsbuch von Görlitz, Breslau, Magdeburg, Danzig, Posen, Zwickau, Meißen, Elbing, Eisenach, Liegnitz, Freising, Wien, Ofen, Neumarkt, Löwenberg, Berlin, Silein, Glogau, Salzwedel, Saalfeld, Preßburg, Freiberg, Frankenberg usw.) Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Das Zwickauer Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990 Stadtrichter -> Stadtgericht Stadtschreiber -> Schreiber Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Arnecke, F., Die Hildesheimer Stadtschreiber, Diss. phil. Marburg 1913; Steinberg, S., Die Goslarer Stadtschreiber, 1933; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Schmied, H., Der Ratsschreiber, 1979; Kintzinger, M., Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig, 1990 Stadtschultheiß -> Schultheiß Stadtstaat (z. B. Athen, Rom, Florenz, Venedig, Bern, Nürnberg, Hamburg, Bremen) Lit.: Söllner § 4; Clarke, M., The Medieval City State, 1931; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Gmür, R., Der alte bernische Stadtstaat, ZRG GA 112 (1995), 366; City States, hg. v. Molho, A. u. a., 1991 Stadtverordnetenversammlung ist die Versammlung der von den Bürgern gewählten Vertreter als gesetzgebendes und allgemein ausführendes Organ (Preußen 1808). Lit.: Köbler, DRG 197; Pahlmann, M., Anfänge des städtischen Parlamentarismus, 1997 Staffel (F.) Stufe, Gerichtsstein Stahl (Jolson), Friedrich Julius (München 16. 1. 1802-Bad Brückenau 10. 8. 1861), Kauf- mannssohn, 1819 vom Judentum zum Protestantismus übergetreten, wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg, Heidelberg und Erlangen 1832 außerordentlicher Professor in Erlangen, dann ordentlicher Professor in Würzburg, 1834 in Erlangen und 1840 in Berlin. Sein Hauptwerk ist eine zweibändige Philosophie des Rechts, die sich gegen das -> Naturrecht richtet. Politisch lehnt er die Volkssouveränität ab. Lit.: Maser, G., Friedrich Julius Stahl, 1930; Wiegand, C., Über Friedrich Julius Stahl, 1981; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 59; Müller, J., Die Staatslehre Friedrich Julius Stahls, 1999 Stair, James Dalrymple (1619-1695) wird nach dem Studium der Philosophie in Glasgow Professor, 1648 Anwalt und 1657 Richter. 1681 muss er bis 1688 wegen antikatholischer Haltung nach Holland fliehen, wo er wichtige Entscheidungen seines Gerichtes veröffentlicht. Gleichzeitig begründet er mit seinen römischrechtlich-naturrechtlich in vier Bücher (Personen und Familie, Obligationen, Sachen, Erbe und Verfahren) geteilten Institutions of the Law of Scotland (1681) die Rechtswissenschaft in -> Schottland. Lit.: Stair, hg. v. Walker, D., 1981; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985, 106 Stal Lit.: Siebs, B., Stal ­ Roland ­ Rosengarten, ZRG GA 76 (1959), 246 Stalin (Dschugaschwili), Josef Wissarionowitsch (Gori/Georgien 21. 12. 1879- Moskau 5. 3. 1953) ist von 1924 bis 1953 diktatorischer Führer der -> Sowjetunion, der maßgeblich das sozialistische Recht mitgestaltet. Lit.: Deutscher, I., Stalin, 1979; Stalinismus vor dem zweiten Weltkrieg, hg. v. Hildermeier, M., 1998; Lustiger, A., Rotbuch: Stalin und die Juden, 1998; Marie, J., Staline, 2001; Boeckh, K., Völlig normal, HZ 278 (2004), 55; Baberowski, J., Der rote Terror, 2003; Kellmann, K., Stalin, 2005 Stamm ist der zwischen Wurzel und Zweigen befindliche Teil eines Baumes. Ein selbständiger Teil der Germanen (z. B. Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen) wird ebenso als S. bezeichnet wie die Abkömmlinge eines Abkömmlings. Lit.: Merk, W., Die deutschen Stämme in der Rechtsgeschichte, ZRG GA 58 (1938), 1; Hugelmann, K., Stämme, Nation und Nationalstaat, 1955; Wenskus, R., Stammesbildung und Verfassung, 1961; Giese, W., Der Stamm der Sachsen, 1979 Stammesherzogtum ist das im Frühmittelalter aus einem Volk bzw. -> Stamm gebildete -> Herzogtum (z. B. Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen) im Gegensatz zum Territorialherzogtum im Hochmittelalter (z. B. Österreich, Westfalen). Das ältere S. besteht in merowingischer Zeit (Bayern bis 788), das jüngere S. im 10. Jh. 743 Lit.: Köbler, DRG 83; Läwen, G., Stammesherzog und Stammesherzogtum, 1935; Stingl, H., Die Entstehung der deutschen Stammesherzogtümer, 1974; Goetz, H., ,,Dux" und ,,ducatus", 1977; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 1989 Stammesrecht-> Volksrecht Lit.: Lit.: Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991 Stammler, Rudolf (Alsfeld 19. 2. 1856- Wernigerode 25. 6. 1938), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Leipzig (Binding, Windscheid, Sohm) 1882 außerordentlicher Professor in Leipzig, 1884 ordentlicher Professor in Gießen, Halle (1885) und Berlin (1916). Außer als Romanist wirkt er vor allem als neukantianischer Rechts- philosoph. Von 1928 bis 1932 legt er das zweibändige Lehrwerk ,,Deutsches Rechtsleben in alter und neuer Zeit" vor. Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Nachruf, ZRG GA 59 (1939), 662 Stand ist die Stellung oder Würde innerhalb einer Gemeinschaft. Vom Altertum bis in das 19. Jh. gliedert sich die Gesellschaft in verschiedene Stände. In Rom werden dabei anfangs Patrizier, Plebejer und Sklaven (lat. [M.Pl.] servi) unterschieden. Später entsteht aus landflüchtenden Kleinbauern ein Proletariat. In klassischer römischer Zeit treten Amtsadel und Geldadel einander gegenüber, in spätantiker Zeit (lat. [M.Pl.]) honestiores (Ehrbarere) und humiliores (Niederere). Für die Germanen ist das Bestehen von Ständen streitig. Im Frühmittelalter werden -> Freie (lat. [M.Pl.] liberi) und Unfreie sowie spätestens in karolingischer Zeit auch -> Adlige (lat. [M.Pl.] nobiles) sichtbar. Im Hochmittelalter wird diese geburtsständische Gliederung durch die be- rufsständische Einteilung in -> Ritter (lat. [M.Pl.] milites), -> Bürger (lat. [M.Pl.] cives, burgenses, urbani) und -> Bauern (lat. [M.Pl.] rustici) überlagert. Der S. wirkt sich besonders auf Eheschließung (-> Ebenbürtigkeit), -> Wergeld und Gerichtsbarkeit (Pairsgericht) aus. Seit der französischen Revolution (1789) setzt sich der von dem dritten Stand (Bürger) vertretene, aufgeklärte Grundsatz der -> Gleichheit durch (1918). Hinsichtlich der Herrschaft im Land oder Reich gibt es daneben vom 13. bis 19. Jh. -> Landstände und -> Reichsstände. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 17, 120, 132, 135, 140, 148, 160; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 155; Brunner, H., Ständerechtliche Probleme, ZRG GA 23 (1902), 193; Lintzel, M., Die Stände der deutschen Volksrechte, 1933; Gwinner, H., Der Einfluss des Standes im gemeinen Strafrecht, 1934; Heck, P., Blut und Stand im altsächsischen Recht, 1935; Heck, P., Untersuchungen zur altsächsischen Standesgliederung, 1936; Uffenorde, H., Über die ständischen Ideen bei Freiherrn vom Stein und Bismarck, 1938; Heck, P., Drei Studien zur Ständegeschichte (Hofleute, Häuptlinge, fränkische Gemeinfreiheit), 1939; Jantke, C., Der vierte Stand, 1955; Truffer, H., Der Einfluss des Standes im allgemeinen und zürcherischen Strafrecht, 1960; Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter, hg. v. Franz, G., 1967; Köbler, G., Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972), 171; Herrschaftsstruktur und Ständebildung, 1973; Reuter, H., Die Lehre vom Ritterstand, 2. A. 1974; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Lutz, G., Wer war der gemeine Mann?, 1979; Duby, G., Die drei Ordnungen, 1981; Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen Bauernstandes, 1989; Sozialer Wandel im Mittelalter, hg. v. Miethke, J. u. a., 1994; Stände und Landesherrschaft in Ostmitteleuropa, hg. v. Weczerka, H., 1995; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997; Herrschaft und Stände in ausgewählten Territorien Nordeutschlands, hg. v. Opitz, E., 2001 Standarte -> Fahne Standesbeamter ist der gemeindliche Beamte, der vor allem die staatlichen Aufgaben der -> Eheschließung und Führung der Personen- standsbücher ausführt. Nach französischem Vorbild (officier civil 1787/1792) wird ein S. 1809 in Baden und 1875 im Deutschen Reich geschaffen. Lit.: Köbler, DRG 209 Standeserhöhung ist die Erteilung des -> Adels durch Urkunde (seit 1346, -> Briefadel). Standesherr ist im 19. Jh. der Angehörige eines der etwa 80 1803/1806 mediatisierten, ehemals reichsunmittelbaren Adelshäuser. Ihm werden 1815 geringe Vorrechte gesichert, die zwischen 1848 und 1918 aber verschwinden. Lit.: Gollwitzer, H., Die Standesherren, 1957, 2. A. 1964; Neth, U., Standesherren und liberale Bewegung, 1970; Schier, R., Standesherren, 1977; Eltz, E., Die Modernisierung einer Standesherrschaft, 1980; Furtwängler, M., Die Standesherren in Baden, 1996; Pezold, U. v., Adelige Standesherrschaft im Vormärz, 744 2003 Ständestaat ist der durch die Teilhabe von Ständen an der Herrschaft gekennzeichnete Staat des 13. bis 19. Jh.s. Zwischen 1934 und 1938 versteht sich -> Österreich nochmals als S. -> Landstand, -> Reichsstand Lit.: Christern, H., Deutscher Ständestaat und englischer Parlamentarismus, 1939; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat, 2. A. 1980; Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980; Kluge, U., Der österreichische Ständestaat, 1934-1938, 1984; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985 Standgericht ist das im Stehen bzw. sofort abgehaltene Gericht im Heereswesen. Es findet sich bereits im römischen Altertum. In der frühen Neuzeit ist es sehr verbreitet. Das S. urteilt meistens nach dem besonderen Standrecht. Lit.: Molitor, I. v., Die Kriegsrechte, 1855; Bothe, F., Der preußische Militärprozess, 1874; Bonin, B. v., Grundzüge der Rechtsverfassung in den deutschen Heeren, 1904 Standrecht -> Standgericht Stang, Friedrich (1867-1941), Ministerssohn, wird nach dem Rechtsstudium 1890 Anwalt und 1897 Universitätsprofessor. Nach einem Aufenthalt in Deutschland versucht er eine Darstellung des gesamten norwegischen Privatrechts. In der Rechtspolitik setzt er sich erfolgreich für den Erlass verschiedener Einzelgesetze (1907 Kaufgesetz, 1918 Abzahlungsgesetz, 1930 Versicherungsabzahlungsgesetz) ein. Lit.: Solem, E., Frederik Stang, Tidsskrift for Rettsvidenskap, 1942, 1 Stapelholm (östlich von Friedrichstadt) ist der seit 1232 zu Schleswig gehörende Ort der am 27. 1. 1623 unter Herzog Friedrich III. von Schleswig-Gottorp geschaffenen Stapelholmer Konstitution (Landesordnung) der durch weitgehende Selbstverwaltung unter einem Landvogt gekennzeichneten Landschaft zwischen unterer Eider, Treene und Alten Schleswig. Lit.: Stegmann, D., Die Stapelholmer Konstitution von 1623, Diss. jur. Kiel 1967; Polizei- und Landesordnungen, hg. v. Kunkel, W. u. a., 1968 Stapelrecht ist seit dem Hochmittelalter das Recht eines Ortes, von Kaufleuten zu verlangen, ihre Waren am Ort zum Verkauf aufzustellen. Lit.: Hafemann, M., Das Stapelrecht, 1910; Gönnenwein, O., Das Stapel- und Niederlagsrecht, 1939 Stasi (F.) Staatssicherheitsdienst der -> Deut- schen Demokratischen Republik Lit.: Kühn, D., Das gesamtdeutsche Institut im Visier der Staatssicherheit, 2001 Statistik ist die zahlenmäßige Erfassung von massenhaften Gegebenheiten. Sie erfolgt in wissenschaftlicher Weise erst seit dem 19. Jh. Lit.: Bevölkerungsstatistik an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, hg. v. Andermann, K. u. a., 1990; Grundlagen der historischen Statistik von Deutschland, hg. v. Fischer, W., 1991; Melchers, A., Kriminalstatistik im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt 1992; Reinke, H., Die Liaison des Strafrechts mit der Statistik, ZNR 1992, 169; Pfister, C., Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1500-1800, 1994; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1997; Weber, D., Die sächsische Statistik im 19. Jahrhundert, 2003 stat pro ratione voluntas (lat.). Der Wille steht für die Begründung. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Juvenal, um 67-um 140, Satiren 6, 223) Statthalter ist der Vertreter eines Herrschers (z. B. 1490 in Tirol in den -> Maximilianischen Verwaltungsreformen). Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963 status (lat. [M.]) -> Stand, Zustand Lit.: Kaser § 13 I; Breuer, S., Stand und status, 1996 Statut ist das gesetzte Recht bzw. die im internationalen Privatrecht anwendbare Rechtsordnung. Statuten finden sich um 1140 in Oberitalien (Piacenza, Pisa, Como), wo sie seit der Mitte des 13. Jh.s ausführliche Zusammenfassungen erfahren. Im Verhältnis zum -> gemeinen Recht gewähren die Juristen des 14. Jh.s den Statuten Vorrang. Weil die Statuten aber eng auszulegen sind (lat. statuta [N.Pl.] sunt stricte interpretanda), gewinnt in der frühen Neuzeit das gemeine Recht tatsächlich die Vermutung der Geltung für sich. Lit.: Köbler, DRG 104, 107, 137; Kamptz, K. v., Die Provinzial- und statutarischen Rechte der preußischen Monarchie, Bd. 1ff. 1826ff.; Neumeyer, K., Statutenkollision und persönliche Rechte, ZRG GA 39 (1918), 314; Bahmann, O., Die Statuten der Stadt Ölsnitz 745 im Vogtland aus den Jahren 1604 und 1687, 1938; Thieme, H., Statutarrecht und Rezeption, FS G. Kisch, 1955, 69; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Herrmann, G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963; Lorenz, E., Das Dotalstatut, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Nörr, K., Zur Stellung des Richters, 1967; Ebel, F., Statutum und ius fori, ZRG GA 93 (1976), 100; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre, 1977; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg, hg. v. Köbler, G., 1986; Keller, H., Oberitalienische Statuten, Frühmittelalterliche Studien 22 (1988), 286; Statuten, Städte und Territorien, 1992; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Driever, R., Obrigkeitliche Normierung sozialer Wirklichkeit, 2000 Statuta sunt stricte interpretanda (lat.). -> Statuten sind eng auszulegen. Lit.: Trusen, W., Römisches und partikuläres Recht, FS H. Lange, 1970, 97; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Hochmittelalter); Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977 Statute law ist das vom König und dem Parlament vor allem im 13., 16./17. und 19. Jh. gesetzte Recht in England im Gegensatz zum common law (Richterrecht). Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 Statutum (N.) in favorem principum (lat.) ist die wissenschaftliche Bezeichnung des 19. Jh.s für das Gesetz des deutschen Reiches von 1. 5. 1231, in dem den Fürsten von Friedrich II. die rechtstatsächlich inzwischen erlangten Rechte bestätigt werden (z. B. Verbot der Anlage von Reichsburgen, Gewährleistung der lan- desherrlichen Gerichtsbarkeit, Gewährleistung von Abgaben). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984; Engels, O., Die Staufer, 6. A. 1994 Staub, Samuel Hermann (Nikolai/Ober- schlesien 21. 3. 1856-Berlin 2. 9. 1904), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Breslau und Leipzig (Windscheid, Wächter, Binding, Wach) Rechtsanwalt. Er tritt danach vor allem als Kommentator des Handelsrechts (seit 1893) und als ,,Entdecker" der sog. -> positiven Forderungsverletzung oder positiven Vertragsverletzung (1902) hervor. Lit.: Köbler, DRG 241; Deutsche Juristen jüdischer Abstammung, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 385 Staufer ist der Angehörige des in der ersten Hälfte des 11. Jh.s erkennbaren schwäbischen Geschlechts, das 1079 das Herzogtum Schwaben und 1138 (wegen der 1079 erfolgten Heiratsverbindung mit den -> Saliern) (bis 1254) das deutsche Königtum (u. a. Friedrich I. Barbarossa, Friedrich II.) hält und 1268 im Mannesstamm ausstirbt. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Franzel, E., König Heinrich VII. von Hohenstaufen, 1929; Sthamer, E., Bruchstücke mittelalterlicher Enquten aus Unteritalien, 1933 (SB preußische Akademie); Mitteis, H., Zur staufischen Verfassungsgeschichte, ZRG GA 65 (1947), 316; Bosl, K., Die Reichsministerialen, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Kirchner, G., Die Steuerliste von 1241, ZRG GA 70 (1953), 64; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, Bd. 1f. 1970f.; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A. 1976; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Engels, O., Stauferstudien, 1988 (Aufsätze); Hauser, S., Staufische Lehnspolitik, 1998; Engels, O., Die Staufer, 8. A. 2004; Von Schwaben bis Jerusalem, hg. v. Lorens, S. u. a., 1995; Die Staufer im Süden, hg. v. Kölzer, T., 1996; Hechberger, W., Staufer und Welfen, 1996; Die Staufer, 2000; Stauferreich im Wandel, hg. v. Weinfurter, S., 2002; Meyer, B., Kastilien, die Staufer und das Imperium, 2002; Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar ­ Urkundenvergabe ­ Hof, 2002; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 42 Staupenschlag Lit.; Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, 1938 Steckbrief ist das in der frühen Neuzeit erscheinende, schriftlich an alle Behörden ergehende Ersuchen, eine flüchtige oder sich verbergende Person festzunehmen und sie der nach ihr fahndenden Behörde zu übergeben. Lit.: Biedermann, Über Steckbriefe, Archiv f. Criminalrecht 3 (1800), 274; Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Groebner, V., Der Schein der Person, 2004 Steiermark ist das im 8. Jh. von Bayern besiedelte, 1180 zum Herzogtum erhobene und 1186/1192 durch die -> Georgenberger Handfeste an -> Österreich gelangte südöstliche 746 Grenzgebiet (-> Mark) des deutschen Reiches. Lit.: Köbler, DRG 94, 95, 220; Siegenfeld, A. v., Das Landeswappen der Steiermark, 1900; Die landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark, hg. v. Dopsch, A., 1910; Rauch, K., Die Erwerbung des Herzogtums Steiermark durch die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Mensi, F. Frhr. v., Geschichte der direkten Steuern in Steiermark, 1921; Mell, A., Das steirische Weinbergrecht und dessen Kodifikation im Jahre 1543, 1928 (SB Wien); Mell, A., Grundriss der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1929; Seuffert, B., Drei Register aus den Jahren 1478 bis 1519, 1934; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Lang, A., Die Salzburger Lehen in Steiermark, 1937; Baltl, H., Die ländliche Gerichtsverfassung Steiermarks, 1951; Die ältesten steirischen Landtagsakten 1396-1519, Teil 1 f.bearb. v. Seuffert, B. u. a., 1953ff.; Baltl, H., Rechtsarchäologie des Landes Steiermark, 1957; Ebner, H., Beiträge zur Burgen- und Herrschaftsgeschichte sowie zur Genealogie obersteirischer Adelsfamilien, 1974; Brauneder, W., Die Anfänge der Gesetzgebung, Z. d. hist. Ver. d. Steiermark 68 (1977), 165; Woisetschläger, K., Steiermark, 1982; Österreichisches Städtebuch. Die Städte der Steiermark, Bd. 1 1990; 800 Jahre Steiermark und Österreich, hg. v. Pickl, O., 1992; Breitegger, H., Die großen Kriminalfälle der Steiermark, 2000; Karner, S., Die Steiermark im 20. Jahrhundert, 2000; Binder, D./Ableitinger, A., Steiermark, 2001; Baltl, H., Die Steiermark im Frühmittelalter, 2004; Wesener, G., Eine steirische Erbrechtsordnung, Zs. d. hist. Vereins für Steiermark 95 (2004), 235 Stein ist der harte, nichtmetallische Bestandteil der Materie, der im einzelnen Stückals Rechtssymbol verwendet werden kann (z. B. Grenzstein, Kreuzstein). Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Stein, Karl Freiherr vom und zum (Nassau 22. 10. 1757-Cappenberg 24. 6. 1831), Geheimratssohn, wird nach dem Studium des Rechts und der Staatswissenschaft in Göttingen preußischer Beamter. 1807/1808 reformiert er die Verwaltung -> Preußens. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 167, 174, 192, 211; Lappe, J., Freiherr vom Stein als Gutsherr auf Kappenberg, 1920; Botzenhart, E., Die Staats- und Reformidee des Freiherrn vom Stein, 1927; Raumer, K. v., Was bedeutet uns Stein heute?, 1958; Gembruch, W., Freiherr vom Stein im Zeitalter der Restauration, 1960; Schwab, D., Die ,,Selbstverwaltungsidee" des Freiherrn vom Stein, 1971; Hubatsch, W., Stein-Studien, 1975; Hubatsch, W., Die Stein-Hardenbergschen Reformen, 1977 Stein, Lorenz (Borby bei Eckernförde 15. 11. 1815-Weidlingau bei Wien 23. 9. 1890) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel 1845 außerordentlicher Professor der Staatswissen- schaften und nach Amtsenthebung (1852) in Wien 1855 Professor für politische Ökonomie. In weitgespannten Schriften fördert er die Entwicklung der Verwaltungslehre (1865ff.). Dem über den Klassen stehenden König stellt er die Aufgabe, durch staatliche Leistung die im Liberalismus eingetretenen gesellschaft- lichen Missstände zu beseitigen. Lit.: Schmidt, W., Lorenz von Stein, 1956; Staat und Gesellschaft, hg. v. Schnur, R., 1978; Heilmann, M., Lorenz von Stein, 1984; Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Lorenz von Stein, hg. v. Mutius, A. v., 1991 Stein-Hardenbergsche Reformen -> Stein, Hardenberg Steinigung ist die im Altertum und später im Islam verbreitete Tötung eines Menschen durch Bewerfen mit Steinen. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Leibes- und Lebensstrafen, 2. A. 1906 Steinkreuz ist das aus Stein geschaffene Kreuz. Es erscheint im Mittelalter als sichtbares Zeugnis eines einzelnen rechtlich bedeutsamen Geschehens. Lit.: Kuhfahl, G., Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1936; Dreyhausen, W. v., Die alten Steinkreuze in Böhmen und im Sudetengau, 1940; Losch, B., Steinkreuze in Südwestdeutschland, 1968; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Steinzeit ist die Zeit in der Geschichte des Menschen, in der dieser hauptsächlich Werkzeuge aus Stein verwendet. Die S. wird durch die Erfindung und Benutzung von Metallwerkzeugen beendet (Kupferzeit, Bronzezeit, Eisenzeit). Rechtsgeschichtliche Erkenntnisse aus der S. sind gering und unsicher. Lit.: Schulz, W., Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands, 1939; Eckhardt, K., Altsteinzeitliche Justizpflege, ZRG GA 60 (1940), 252; Müller-Beck, H., 747 Die Steinzeit, 1998; Hoffmann, E., Lexikon der Steinzeit, 1999 Stellionatus (lat. [M.] Bereicherung durch falschen Eid) ist im klassischen römischen Recht der Straftatbestand, der als Vorläufer des -> Betruges bis in das 19. Jh. fortwirkt. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg 1967; Schaffstein, F., Das Delikt des stellionatus, FS F. Wieacker, hg. v. Behrends, O., 1978, 281 Stellvertretung (Vertretung) ist das rechtsgeschäftliche Handeln einer Person (Vertreter) für eine andere (Vertretenen). Die S. kann mittelbar oder unmittelbar erfolgen. Das römische Recht schließt die S. aus, kennt aber in der Rechtswirklichkeit andere Wege, um die Ziele der S. zu erreichen (z. B. -> peculium des Sklaven). Im Mittelalter entwickelt sich die S. aus der Vertretung vor Gericht, nach der im Spätmittelalter die Bevollmächtigung von Angestellten bedeutender Kaufleute üblich wird. Lit.: Kaser §§ 1 II 3, 11; Söllner § 18; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 208; Buchka, H., Die Lehre von der Stellvertretung, 1852; Fränkel, R., Die Grundsätze der Stellvertretung, Z. f. vergleich. Rechtswiss. 27 (1912), 289; Würdinger, H., Geschichte der Stellvertretung (agency) in England, 1933; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971; Luig, K., Savignys Lehre von der Stellvertretung, Ius commune 8 (1979), 60; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 423; Hölzl, F., Savignys Lehre, in: Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 211; Schmoeckel, M., Von der Vertragsfreiheit zu typisierten Rechtspflichten, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 77; Hölzl, F., Friedrich Carl von Savignys Lehre von der Stellvertretung, 2002; Heckmann, M., Stellvertreter, 2002 Stempel ist das bereits dem Altertum bekannte, dem Abdruck von Zeichen auf Überlieferungs- trägern dienende Gerät. Der S. entsteht vielleicht durch die Verallgemeinerung des -> Siegels. Seit 1624 (Niederlande) erhebt der Staat für die Stempelung von öffentlichem Schriftgut eine Steuer (Stempelsteuer), die in Deutschland später wieder aufgegeben wird. Lit.: Baltl/Kocher; Müller, G., Stempelrecht, 1778 Stendal in der Altmark ist die um 1160 von Albrecht dem Bären gegründeteStadt. In S. entsteht im 15. Jh. unter Verwendung zahlreicher Schriften die (altmärkische oder) -> Stendaler Glosse des Sachsenspiegels. Lit.: Ein Stendaler Urteilsbuch, hg. v. Behrendt, J., 1868; Sachs, H., Stendal, 1967; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74 Stendaler Glosse (altmärkische Glosse) ist eine im 15. Jh. (vor 1410) in -> Stendal teils deutsch und teils lateinisch verfasste Glosse interlinearer und marginaler Glossatur zum lateinischen und mittelniederdeutschen Text des -> Sachsenspiegels (1221-1224), zur petrinischen Glosse, zum Magdeburger Weichbild in 6 Büchern und ansatzweise zum Richtsteig Lehnrechts unter Benutzung der Glossa ordinaria zum römischen Recht, zahlreicher Juristenschriften, der Lombarda, der Bibel, der Kirchenväter, klassisch lateinischer Autoren, der buchschen Glosse, Magdeburger Schöffensprüche und märkischer Gewohnheiten. Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74 Stephanskrone (Krone Stephans I. von -> Ungarn [997-1038]) Stephanus Tornacensis (Stephan von Tournai) (Orléans 18. 2. 1128-Tournai 11. 9. 1203) wird nach dem Theologiestudium in Paris und dem Rechtsstudium in Bologna (Rufinus, Bulgarus) Lehrer in Chartres, 1167 Abt in Orléans und 1192 Bischof von Tournai. Zwischen 1166 und 1169 verfasst er seine (lat.) Summa (F.) decreti (Dekretsumme). Sie überragt ihre zugrunde- liegenden Vorläufer durch tiefere Durchdringung des Stoffes. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Kalb, H., Studien zur Summa, 1983; Weigand, R., Studien zum kanonistischen Werk Stephans von Tournai, ZRG KA 72 (1986), 349 Sterbefall ist der Tod eines Menschen. An ihn knüpfen sich seit dem Mittelalter grundherrschaftliche Abgaben (z. B. -> Besthaupt). Diese werden spätestens im 19. Jh. beseitigt.-> Erbschaftsteuer Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2 Steuer ist die einmalige oder laufende Geldleistung, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellt und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt wird, 748 bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Sie ist als Grundsteuer (lat. [N.] stipendium), personale Vermögensteuer (lat. tributum [N.] capitis, Kopfsteuer) oder Gewerbesteuer bereits dem klassischen römischen Recht bekannt, das ihre Eintreibung durch Steuerpächter durchführt. Im Mittelalter entsteht die S. in Land und Stadt mit der Herrschaftsverdichtung und dem Übergang zur Geldwirtschaft seit dem 13. Jh. In der Neuzeit weitet sich die Besteuerung durch -> Steuerrecht stetig aus. Insbesondere benötigt die Leistungsverwaltung zusätzliche Einnah- men. Im 20. Jh. gelangt sie mit Umver- teilungszielen an die Grenzen der Belastbarkeit der Steuerpflichtigen (Lohnsteuer, Umsatz- steuer). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 32, 55, 83, 110, 111, 113, 149, 150, 152, 191, 196, 198, 233, 234, 259, 260; Köbler, WAS; Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Lohmann, K., Das Reichssteuergesetz von 1654, Diss. Bonn 1892/1893; Kogler, F., Das landesfürstliche Steuerwesen in Tirol, Tel 1 1901; Bittner, L., Die Geschichte der direkten Staatssteuern im Erzstifte Salzburg, 1903; Dopsch, A., Steuerpflicht und Immunität im Herzogtum Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Schnettler, O., Ein Steuerstreit, 1932; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schräder, B., Die Besteuerung des Bauerntums in der Reichsgrafschaft Bentheim, 1941; Partsch, G., Die Steuern des Habsburger Urbars (1303-1308), 1946; Mitchell, S., Taxation in Medieval England, 1951; Kirchner, Gero, Die Steuerliste von 1241, ZRG GA 70 (1953), 64; Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft Saarbrücken, 1960; Lunt, W., Papal Revenues, 2. A. 1965; Wachenhausen, M., Staatsausgabe und öffentliches Interesse in den Steuerrechtfertigungslehren des naturrechtlichen Rationalismus, 1972; Merzbacher, F., Das Wesen der Steuer, FS H. Paulick, 1973, 255; Schulze, W., Reichstage und Reichssteuern im späten 16. Jahrhundert, ZHF 2 (1975), 43; Steitz, W., Die Realbesteuerung der Landwirtschaft, 1976; Jenetzky, J., System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts, 1978; Schuler, P., Reichssteuern und Landstände, Schauinsland 97 (1978), 39; Hartmann, P., Das Steuersystem der europäischen Staaten, 1979; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern im 15. Jahrhundert, ZHF 7 (1980), 1; Franke, S., Entwicklung und Begründung der Einkommensbesteuerung, 1981; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983; Linzbach, P., Der Werdegang der preußischen Einkommensteuer, 1984; Wild, W., Steuern und Reichsstandschaft, 1983; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 1986; Pausch, A./Pausch, J., Kleine Weltgeschichte der Steuerobrigkeit, 1989; Brown, A., The Governance of Late Medieval England, 1989; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; Lieb, R., Direkte Steuerprogression, 1992; Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953, 1993; Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Schremmer, E., Steuern und Staatsfinanzen, 1994; Voß, R., Steuern im Dritten Reich, 1995; Schwennicke, A., ,,Ohne Steuer kein Staat", 1996; Kumpf, J., 5000 Jahre Steuern und Zölle, 1996; Amend, A., Von der Kunst, eine Steuerfrage aus einer Parteifrage in eine Finanzfrage zu verwandeln, 1997; Thier, A., Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999; Hackl, B., Die theresianische Steuerrektifikation, 1999; Mathiak, W., Zwischen Kopfsteuer und Einkommensteuer, 1999; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern, 2002; Schremmer, E., Warum die württembergischen Ertragsteuern von 1821 und die sächsische Einkommensteuer von 1874/78 so interessant sind, 2002; Schauer, R., Die Steuergesetzgebung des Nationalsozialismus, 2003; Ernst, A., Die Einführung des napoleonischen Steuer- und Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat. Eine Geschichte der öffentlichen Finanzen, 2005 Steuerbewilligung ist die notwendige Zustimmung der -> Landstände zur Steuererhebung durch den Landesherrn. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3 Steuerrecht ist die Gesamtheit der die -> Steuer betreffenden Rechtssätze. Lit.: Högemann, W., Das deutsche Steuerrecht unter dem Einfluss des Nationalsozialismus, Diss. jur. Münster 1993 Steuerstrafrecht ist die Gesamtheit der Straftatbestände betreffenden Rechtssätze des - > Steuerrechts. Das S. gewinnt mit der Vermehrung der Steuerlast zunehmende Bedeutung. Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Lammerding, J. u. a., Steuerstrafrecht, 6. A. 1993; Poggemann, M., Schuld und Strafe, 1997 Steward -> Stuart Steyr -> Landlauf von Steyr Stiernhöök, Johann Olafson (1596-1675) wird nach dem Rechtsstudium in Uppsala, Leipzig, Jena, Wittenberg und Rostock 1630 749 Hofgerichtsassessor und 1640 Professor in Turku. 1674 veröffentlicht er eine Darstellung des schwedischen, nicht von der Rezeption erfassten Rechts (De iure Sveonum et Gothorum, Vom Recht der Schweden und Göten). Lit.: Stiernhöök, J., De iure Sveonum et Gothorum vetusto, 1672, Neudruck 1962; Jägerskiöld, Johann Stiernhöök, Rättshistorisk Studien 4 (1974), 117; Johan Olofsson Stiernhöök, hg. v. Modeer, K., 1996 Stift ist das Kollegium kanonisch lebender Kleriker in einer Kirche. Es entsteht im Frühmittelalter. Seit dem Hochmittelalter ist es Verbandsperson. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schäfer, K., Pfarrkirche und Stift, 1903; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln, 1976; Lill, R., Stifts- und Abteikirchen, 1987; Studien zum weltlichen Kollegiatstift, hg. v. Crusius, I., 1995; Hankel, H., Die reichsunmittelbaren evangelischen Damenstifte, 1996; Wagner, W., Universitätsstift und Kollegium, 1999; Studien zum Kanonissenstift, hg. v. Crusius, I., 2001; Die Stiftskirche in Südwestdeutschland, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003 Stiftung ist die Widmung von Vermögen zu einem bestimmten Zweck durch Rechts- geschäft. Sie ist bereits dem römischen Recht im Ansatz bekannt. Im Mittelalter fördert die Kirche die mildtätige S. Als juristische Person wird die S. im 19. Jh. anerkannt. Im ausgehenden 20 Jh. bietet die S. eine Möglichkeit der Milderung der Härten hoher Erbschaftsteuern auf große Vermögen. Lit.: Kaser § 17 III; Köbler, DRG 58, 121; Heimberger, H., Die Veränderung des Stiftungszwecks, 1913; Reicke, S., Stiftungsbegriff und Stiftungsrecht im Mittelalter, ZRG GA 53 (1933), 247; Pleimes, D., Die Rechtsproblematik des Stiftungswesens, Diss. jur. Leipuzig 1938; Pleimes, D., Weltliches Stiftungsrecht, 1938; Pleimes, D., Irrwege der Dogmatik im Stiftungsrecht, 1954; Ebersbach, H., Die Stiftung des öffentlichen Rechts, 1961; Scheyhing, R., Zur Geschichte des Gymnasiums in Ellwangen, ZRG GA 79 (1962), 264; Liermann, H., Geschichte des Stiftungsrechts (Handbuch des Stiftungsrechts 1), 1963; Stiftungen aus Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 1f., hg. v. Berndl, H. u. a. 1970f.; Ebersbach, H., Handbuch des deutschen Stiftungsrechts, 1972;Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R. u. a., 1977; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Eichler, H., Die Verfassung der Körperschaft und Stiftung, 1986; Scheyhing, R., Die Gremp'sche Stiftung 1584-1984, ZRG GA 103 (1986), 254; Borgolte, M., Die Stiftungen des Mittelalters, ZRG KA 105 (1988), 71; Mäzenatentum in Vergangenheit und Gegenwart, hg. v. Becker, J., 1988; Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R., 1989; Rexroth, F., Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln, 1992; Borgolte, M., Totale Geschichte des Mittelalters?, 1993; Siems, H., Von den piae causae zu den Xenodochien, in: Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998, 57; Lusiardi, R., Stiftung und religiöse Gesellschaft, 1999; Wagner, W., Universitätsstift und Kollegium in Prag, Wien und Heidelberg, 1999; Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten, hg. v. Borgolte, M., Bd. 1 2000; Theisen, F., Mittelalterliches Stiftungsrecht, 2002; Liermann, H., Geschichte des Stiftungsrechts, 2. A. 2002; Alexander, L., Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im römischen Recht, 2003; Klostermann, G., Das niederländische privatrechtliche Stiftungsrecht, 2003; Schewe, M., Die Errichtung der rechtsfähigen Stiftung von Todes wegen, 2004 Stille Gesellschaft ist die Beteiligung an einem Geschäft ohne tätige Mitwirkung. Die s. G. ist eine nach außen nicht erkennbare Innengesellschaft. Sie findet sich bereits im Hochmittelalter. Im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861) wird die s. G. von der -> Kommanditgesellschaft geschieden. Lit.: Köbler, DRG 127, 217; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Engler, C., Die Komman- ditgesellschaft (KG) und die stille Gesellschaft im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1999 stilus (M.) curiae (lat.) Schreibart eines Gerichts, Gerichtsgebrauch Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Berger, H., Die Entwicklung der zivilrechtlichen Relation, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976 Stimmrecht ist das Recht, an einer Abstimmung einer Personenmehrheit teilzunehmen. Es gewinnt insbesondere im 19. Jh. allgemeine Bedeutung. Lit.: Vogel, B. u. a., Wahlen in Deutschland, 1971 Stintzing, Roderich von (Altona 8. 2. 1825- Südtirol 13. 9. 1883), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena, Heidelberg, Kiel und Berlin 1848 Rechtsanwalt und 1854 750 ordentlicher Professor in Basel, Erlangen (1857) und Bonn (1870). Nach langjährigen Vorbereitungen veröffentlicht er 1880 die Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft. Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Müllenbach, B., Zum 100. Todestag von Roderich von Stintzing, ZRG GA 101 (1984), 312 stipendium (lat. [N.]) Steuer, Grundsteuer, Unterstützung Lit.: Köbler, DRG 32 Stipulatio (lat. [F.]) ist bereits im altrömischen Recht das Versprechen. Es stellt eines der wichtigsten Geschäfte überhaupt dar. Bei der Stipulation macht der eine ein Angebot (lat. centum mihi dari spondesne [versprichst du, dass mir hundert gegeben werden?]), dem der andere zustimmt (lat. spondeo [ich verspreche]). Die vielseitig verwendbare S. ist im klassischen römischen Recht -> Verbalkontrakt. Bei der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird der besondere Wortformalismus nicht über- nommen (usus modernus pandectarum, moderner Gebrauch der Pandekten). Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 III, 8 I, 32 II, 33 I, IV, 38 II, 40 I, 41 VI, 58 III, 59 II; Söllner §§ 8, 9, 18, 24; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 19, 22, 27, 45, 164; Seuffert, L., Materialien zur Deutung von stipulatio in mittelal- terlichen Urkunden, ZRG GA 2 (1881), 115; Wolf, J., Causa stipulationis, 1970; Simon, D., Studien zur Praxis der Stipulationsklausel, 1964 Stipulatio (F.) Aquiliana (lat.) ist die von Gaius Aquilius Gallus (66 v. Chr.) geschaffene, den Geldwert aller gegenwärtig oder künftig gerichtlich durchsetzbaren Rechte des Stipulanten in einer einzigen Stipulation zusammenfassende Stipulation (Ausgleichs- quittung). Lit.: Kaser § 54 I 5; Köbler, DRG 29, 44; Sturm, F., Stipulatio Aquiliana, 1972 stipulatio (F.) duplae (lat.) Strafstipulation auf das Doppelte Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 46 Stipulation (Versprechen) -> stipulatio Stobbe, Johann Ernst Otto (Königsberg 28. 6. 1831-Leipzig 19. 5. 1887) wird nach dem Studium von Philosophie und Rechtswissenschaft in Königsberg, Leipzig und Göttingen (Merkel, Albrecht, Waitz) 1856 in Königsberg außerordentlicher Professor und dann ordentlicher Professor, 1859 in Breslau, 1872 in Leipzig. Er veröffentlicht 1860 die Geschichte der deutschen Rechtsquellen (Neudruck 1965) und 1871 ein Handbuch des deutschen Privatrechts. Lit.: Friedberg, E., Otto Stobbe, 1887; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Scholze, B., Otto Stobbe, 2002 Stock (M.) Gefängnis, Pranger Stockholm am Mälarsee erscheint 1252. Im 17. Jh. wird es Hauptstadt Schwedens. Im 19. Jh. erhält es eine 1960 verfestigte Universität. Lit.: Dahlbäck, G., I medeltidens Stockholm, 1988 Stockwerkseigentum ist das besondere Eigentum an einem Teil eines Hauses. Im Gegensatz zum römischen Recht erscheint es im Mittelalter seit dem 12. Jh. Am Ende des 19. Jh.s wird seine Neubildung ausgeschlossen. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s tritt das Wohnungseigentum an seine Stelle. Lit.: Kaser § 26 III 3; Hübner; Ackermann, F., Über Stockwerkseigentum, Diss. jur. Göttingen 1891; Novak, F., Das Stockwerkseigentum im Wiener Rechte des Mittelalters, ZRG GA 54 (1934), 89; Putzer, P., Zur Rechtsgeschichte des Stockwerkseigentums, FS E. Hellbling, 1971, 581; Thümmel, H., Stockwerkseigentum in Baden, Z. f. d. Notariat in Baden-Württemberg 50 (1984), 5; Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG RA 106 (1989), 327; Freundling, G., Echtes altes Stockwerkseigentum in Bayern, ZRG 116 (1999), 384 Stolgebühr ist die nach dem Amtsgewand des Geistlichen (Stola) bezeichnete Gebühr für eine kirchliche Handlung (z. B. Taufe, Trauung, Begräbnis). Lit.: Freudenberger, T., Der Kampf um die radikale Abschaffung, Münchner Theol. Z. 1 (1950), 40; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 Stölzel, Adolf (Gotha 28. 6. 1831-Berlin 19. 4. 1919), Stadtsekretärs- und Amtsadvokatensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg und Heidelberg 1860 Richter und 1887 Honorarprofessor. 1872 legt er eine Unter- suchung über die Entwicklung des gelehrten Richtertums in deutschen Territorien vor, 1901 eine Untersuchung über die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung. Lit.: Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 40 (1919), 393 751 Stracca, Benvenuto (Ancona 1509-1578), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Jurist in Ancona. Er veröffentlicht 1553 den (lat.) Tractatus (M.) de mercatura seu mercatore (Abhandlung vom Handel oder Kaufmann), der mit der Behandlung des Kaufmanns und seiner Geschäfte die erste wissenschaftliche Darstellung des -> Handels- rechts bildet. Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1, 1977 Strafaussetzung zur Bewährung ist die im 20. Jh. nach amerikanischem Vorbild eingeführte Aussetzung der Vollstreckung einer -> Freiheitsstrafe unter der Bedingung, dass der Täter während einer Bewährungszeit nicht erneut straffällig wird. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 236 Strafe ist das dem Täter einer Straftat von der Allgemeinheit zuzufügende, das Opfer nicht entschädigende Übel. Im altrömischen Recht werden Unrechtstaten überwiegend mit den Mitteln der Hauszucht, des Kriegsrechts, der allgemeinen magistratischen Zuchtgewalt und des Zivilverfahrens verfolgt und nur in einigen seltenen Fällen (Landesverrat, Magistratsver- letzung) mit einer öffentlichen Strafe (Enthauptung und Vermögenseinziehung, später auch Geldstrafe) belegt. Demgegenüber dringt seit dem 3. Jh. v. Chr. die öffentliche Unrechtsverfolgung allgemein durch. Strafen sind danach Todesstrafe, Verbannung, Ausprügelung, Zwangsarbeit und Geldstrafe. Justinian vereinigt alle Regelungen in den Büchern 47 und 48 der -> Digesten. Inwieweit die Germanen S. kennen, ist zweifelhaft (Aufhängen bei Volksverrat, im Moor Versenken bei Unzucht). Im Frühmittelalter überwiegt das -> Kompositionensystem. Erst seit dem 11. Jh. erscheint die S. (wieder allgemeiner) in -> Landfrieden, setzt sich dann aber rasch durch. Sie ist anscheinend bis in das 17. Jh. meist in Geld ablösbar. Thomas von Aquin legt in seiner auf Aristoteles aufbauenden Straftheorie die Strafe auf die Sündenstrafe fest und trennt damit die eigentliche Strafe von strafenden Maßnahmen mit anderen Zielen, wobei ihm die eigentliche Strafe ein Ausgleichen einer freiwilligen Sünde durch ein unfreiwilliges Leiden ist. Eine allgemeinere ausführliche Regelung bringt die - > Constitutio Criminalis Carolina (1532). Danach stehen Todesstrafen und Leibesstrafen im Mittelpunkt, doch tritt auch die -> Freiheitsstrafe schon auf. Für sie entwickelt sich im 16. Jh. der Erziehungsgedanke (-> Zuchthaus). Wohl aus der spanischen Inquisition und der spanischen Spätscholastik (Alfonso de Castro 1495-1558) stammt die einschränkende Vorstellung des an den Straftäter gerichteten sittlichen Vorwurfs, die auch zur Folge hat, dass schuldunabhängige Zwangsmaßnahmen unter Berufung auf ihre Unverzichtbarkeit für das Wohl der Allgemeinheit zu einem neuartigen Präven- tionsrecht neben dem eigentlichen Strafrecht zusammengefasst werden (Zweigleisigkeit). Im 19. Jh. wird die Resozialisierung des Straftäters in den Vordergrund gerückt (-> Liszt 1882). Die Todesstrafen und Leibesstrafen werden überdacht und im 20. Jh. beseitigt. Die kurzzeitige Freiheitsstrafe wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s durch die ökonomischer zu verwendende -> Geldstrafe ersetzt. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 14, 20, 34, 56, 87, 91, 118, 119, 158, 204, 236, 264; Köbler, WAS; Kohler, J., Das Strafrecht der italienischen Statuten, 1897; Allmann, I., Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967; Levy, E., Die römische Kapitalstrafe, 1931; Schindler, G., Verbrechen und Strafen im Recht der Stadt Freiburg, 1937; Achter, V., Geburt der Strafe, 1951; Bianchi, H., Ethik des Strafens, 1966; Holzhauer, H., Willensfreiheit und Strafe, 1970; Polley, R., Die Lehre vom gerechten Strafmaß, 1972; Abdulmegid Kara, M., The Philosophy of Punishment in Islamic Law, 1977; Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe, FS A. Erler, 1977, 273; Nehlsen, H., Entstehung des öffentlichen Strafrechts, FS H. Thieme, 1983, 3; Hattenhauer, H., Über Buße und Strafe im Mittelalter, ZRG GA 100 (1983), 53; La Peine, 1989; Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche 1993; Holzhauer, H., Zum Strafgedanken im frühen Mittelalter, in: Überlieferung, Bewahrung, 1993, 179; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995), 1; 752 Klementowski, M., Die Entstehung der Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und der öffentlichen Strafe im deutschen Reich bis zum 14. Jahrhundert, ZRG GA 113 (1996), 217; Wadle, E., Die peinliche Strafe, in: Träger und Instrumente des Friedens, 1996, 229; Martin, H., Verbrechen und Strafe in der spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs, 1996; Schnabel-Schüle, H., Überwachen und Strafen im Territorialstaat, 1997; Reuß, E., Berliner Justizgeschichte, 2000; Peters, J., Die Entwicklung von Sanktionspraxis und Strafrechtsreform 1871 bis 1933, 2000; Gellinek, C., Was heißt strafen?, ZRG GA 118 (2001), 385; Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter, hg. v. Schlosser, H. u. a., 2002; Henselmeyer, U., Ratsherren und andere Delinquenten, 2002; Maihold, H., Strafe für fremde Schuld?, 2003; Börsch, M., Damit Übeltaten nicht ungestraft bleiben, 2003; Thiel, S., Strafe und Strafverfahren in der freien Reichsstadt Memmingen, Diss. jur. Würzburg 2003; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113; Maihold, H., Strafe für fremde Schuld?, 2005 Strafgesetzbuch ist das (älteren Gesetzen und Verordnungen über Strafrecht und Strafverfahren wie z. B. der Constitutio Criminalis Carolina von 1532, der Ordonnance sur le fait de la justice von Villers-Cotterts von 1539 in Frankreich oder den Strafrechtsverordnungen vom 5. und 6. Juli 1570 in den spanischen Niederlanden folgende,) das -> Strafrecht kodifizierende Gesetzbuch (z. B. Code pénal 1810, Bayern 1813, Oldenburg 1814, Sachsen 1838, Württemberg 1839, Sachsen-Weimar 1839, Hannover 1840, Braunschweig 1840, Sachsen- Altenburg 1841, Hessen 1841, Lippe-Detmold 1843, Sachsen-Meiningen 1844, Schwarzburg- Sondershausen 1845, Baden 1845, Nassau 1849, Preußen 1851 [, Österreich 1852 Neuherausgabe], Sachsen 1855, Deutsches Reich 1871). Es wird in Deutschland 1969 in seinem allgemeinen Teil verändert (Einheitsstrafe, viele Geldstrafen nach Tagessätzen). Die Übertretungen werden überwiegend zu Ordnungswidrigkeiten. 1973/- 1974 werden die Sexualdelikte liberalisiert, 1976 wird die Wirtschaftskriminalität erfasst, 1980 die Umweltkriminalität, 1986 die Computerkriminalität. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 182, 229; Stenglein, M., Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher, Bd. 1ff. 1858; Berner, A., Die Strafgesetzgebung in Deutschland, 1867, Neudruck 1978; Würtenberger, T., Das System der Rechts- güterordnung, 1933, Neudruck 1973; Maes, L., Die drei großen europäischen Strafgesetzbücher, ZRG 94 (1977), 207; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch, 1978; Schubert, W., Der Ausbau der Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund, FS R. Gmür, 1983, 149; Protokolle der Kommision für die Reform des Strafgesetzbuches (1911-1913), hg. v. Schubert, W., 1990; Entwürfe der Strafrechtskommission zu einem deutschen Strafgesetzbuch und zu einem Einführungsgesetz (1911-1914), hg. v. Schubert, W., 1990; Das Strafgesetzbuch, Sammlung der Änderungs- gesetze und Neubekanntmachungen, hg. v. Vormbaum, T. u. a. , Bd. 1f. 1999; Brandt, C., Die Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002 Strafmündigkeit ist die altersbedingte Strafbarkeit. Sie wird im Deutschen Reich 1923 von 12 auf 14 Jahre heraufgesetzt. Lit.: Köbler, DRG 236; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Dräger, W., Die Strafmündigkeitsgrenzen, Diss. jur. Kiel 1992 Strafprozess ist das gerichtliche Verfahren, in dem über das Vorliegen einer Straftat verhandelt wird. Es unterscheidet sich bereits im altrömischen Recht vom Zivilverfahren, wobei in Rom ohne weiteres vom privaten Prozess in den Strafprozess gewechselt wird. Im Hochmittelalter wird diese Unterscheidung erneut aufgegriffen. Dabei stehen -> Akku- sationsprozess und -> Inquisitionsprozess nebeneinander. Der von der nichtöffentlichen Untersuchung samt -> Folter gekennzeichnete, vorherrschende Inquisitionsprozess mit seinem -> endlichen Rechtstag wird von der Aufklärung bekämpft und zu Beginn des 19. Jh.s durch ein öffentliches rechtsstaatliches Verfahren ersetzt (Frankreich 1808 Code d'instruction criminelle), in dem Untersuchung (-> Staatsanwalt) und Entscheidung (Richter) getrennt sind. Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 20, 34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235, 263; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, 1879, Neudruck 1973; Esmein, A., Histoire de la procédure criminelle en France, 1882; Schoetensack, A., Der Strafprozess der Carolina, Diss. jur. Heidelberg 1904; Bauchond, M., La justice criminelle du magistrat de Valenciennes, 1904; Müller, K., Zur Geschichte des peinlichen Prozesses in Schwaben im späteren Mittelalter, 1910; Schröder, R., Eine strafprozessualische Verordnung des Königs 753 Ruprecht, ZRG GA 34 (1913), 433; Schmidt, E., Fiskalat und Strafprozess, 1921; Fels, H., Der Strafprozess der preußischen Criminalordnung von 1805, Diss. jur. Bonn 1932; Schmidt, E., Inquisitionsprozess und Rezeption, 1944; Schmidt, E., Deutsches Strafprozessrecht, 1967; Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984; Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988f.; Hornhardt, G., Die Stunde der Justiz, ZRG GA 106 (1989), 239; Protokolle der Kommission für die Reform des Strafprozesses (1903-1905), hg. v. Reichsjustizamt 1905, neu hg. v. Schubert, W., 1991; Sellert, W., Borgerlike, pinlike und misschede klage, in: Überlieferung, Bewahrung, 1993, 321; Dülmen, R. van, Theater des Schreckens, 4. A. 1995; Blusch, C., Das bayerische Strafverfahrensrecht von 1813, 1997; Ermann, J., Strafprozess, Diss. jur. Saarbrücken, 1998; Friedländer, H., Interessante Kriminal-Prozesse, 1999 (CD-ROM); Ermann, J., Strafprozess, öffentliches Interesse und private Strafverfolgung, 2000; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Nobis, F., Die Strafprozessgesetzgebung der späten Weimarer Republik, 2000; Rudolph, H., Eine gelinde Regierungsart, 2001; Ignor, A., Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532-1846, 2002; Langbein, J., The Origins of Adversary Criminal Trial, 2003; Reuber, S., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002 Strafprozessordnung ist das das Strafverfahren bzw. den Strafprozess ordnende Gesetz. Eine solche S. stellt bereits die -> Constitutio Criminalis Carolina von 1532 dar, die auch Strafrecht enthält. Auf den Strafprozess beschränkt sind aber die Strafprozessordnungen der späteren Zeit (Code d'instruction criminelle Frankreich 1808, Baden 1844, Preußen 1849, Österreich 1850/1853/1873, Strafprozessordnung des Deutschen Reiches 1877/1879). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 263, 264; Entwürfe einer Strafprozessordnung, 1908, neu hg. v. Schubert, W., 1991; Protokolle der Reichstagsverhandlungen, Bericht der 7. Kommission des Reichstags (1910-1911) zur Beratung der Entwürfe einer Strafprozessordnung, 1910f., neu hg. v. Schubert, W., 1991; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Kleinheyer, H., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975, 110; Entstehung und Quellen der Strafprozessordnung von 1877, hg. v. Schubert, W./Regge, J., 1989; Bottenberg, F., Die hamburgische Strafprozessordnung von 1869, 1998 Strafprozessrecht -> Strafprozess, Strafpro- zessordnung Lit.: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.; Strafrecht ist die Gesamtheit der Straftatbestände mit -> Strafe bzw. Strafandrohungen verknüpfenden Rechtssätze. Öffentliches S. entwickelt sich erst mit der Festigung öffentlicher Herrschaft. Die ersten Regeln entstehen wohl gewohnheitsrechtlich. Vermutlich früh werden aber auch Bestimmungen bewusst gesetzt (z. B. Digesten, Landfriede). Eine erste Zusammenfassung bieten die Bücher 47 und 48 der -> Digesten, im Spätmittelalter die Halsgerichtsordnungen, vor allem die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532). Inhaltlich beginnt, ausgehend von der kirchlichen Beichte, die spanische Spätscholastik und Naturrechtslehre des 16. Jh.s mit zunächst moraltheologischen Begriffen die Individualisierung, Subjektivierung und Psychologisierung des Strafrechts, welche die Kriminalpsychologie seit dem ausgehenden 18. Jh. mit säkularisierten Begriffen und empirischer Methode weiterführt. Etwa seit dieser Zeit werden besondere Strafgesetzbücher geschaffen (z. B. Bayern 1813 Feuerbach), in denen teilweise harte Strafen abgeschafft, präventive Strafzwecke anerkannt und psychologische Befragung und richterliche Ermessenspielräume eröffnet werden. Zu dieser Zeit wird bereits ein allgemeiner Teil des Strafrechts entwickelt, der die allgemeinen Bestandteile einer Straftat festlegt. Aufklärung und Liberalismus bemühen sich weiter um ein rechtsstaatliches S. (1871 Reichsstrafgesetz- buch). Die rechtstatsächliche Bedeutung des Strafrechts ist trotz aller seit dem späten 19. Jh. einsetzenden Bemühungen um die Resozialisierung des Straftäters groß. Lit.: Kaser § 2 II 1b; Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 8, 138, 140, 158, 159; Wielant, F. (1441-1520), Corte instructie in materie criminele, 1510, hg. v. Monballyu, J., 1995 (erste umfassende Darstellung des Strafrechts und Strafprozessrechts nördlich der Alpen); Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Günther, L., Die Idee der Wiedervergeltung, 1889; Stephen, A history of the criminal law of England, Bd. 1ff. 1883; Friese, V., Das 754 Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, Neudruck 1970; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Kantorowicz, H., Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, Bd. 1f. 1907ff.; Stahm, G., Das Strafrecht der Stadt Dortmund, 1910; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Rau, F., Beiträge zum Kriminalrecht der freien Reichsstadt Frankfurt am Main im Mittelalter, 1916; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Liszt, F./Schmidt, E., Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 25. A. 1927; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Dahm, H., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Skeil, J., Den norske strafferett, Bd. 1 1937; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Schubert, G., Der Einfluss des kirchlichen Rechts auf das weltliche Strafrecht der Frankenzeit, 1937; Koch, J., Die Strafrechtsbelehrung des Volkes von der Rezeption bis zur Aufklärung, 1939; Maes, L., Vijf eeuwen stedelijk strafrecht, 1947; Belling, D., Das Strafrecht des Schwabenspiegels, Diss. jur. Tübingen 1949; Oehler, D., Wurzel, Wandel und Wert der strafrechtlichen Legalordnung, 1950; Schaffstein, F., Die europäische Strafrechtswissenschaft im Zeitalter des Humanismus, 1954; Caenegem, R., Geschiedenis van het strafrecht in Vlaanderen, 1954; Korsch, H., Das materielle Strafrecht der Stadt Köln, 1958; Brahmst, C., Das hamburgische Strafrecht, 1958; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens, 1962; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 2. A. 1951, 3. A. 1965; Hentig, H. v. Studien zur Kriminalgeschichte, 1962; Mehrle, P., Die Strafrechtspflege in der Herrschaft Kißlegg, 1961; Guggenheim, T., Die Anfänge des strafrechtlichen Unterrichts in Zürich, 1965; Lohse, E., Johann Michael Franz Birnbaum (1792-1877) als Strafrechtslehrer, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1966); Neusel, Höchstrichterliche Strafgerichtsbarkeit, 1972; Langbein, J., Prosecuting crime in the Renaissance, 1974; Texte zur Theorie des politischen Strafrechts, hg. v. Schroeder, F., 1974; Roldán Verdejo, R., Los delitos contra la vida, 1978; Laingui, A./Lebigre, A., Histoire du droit pénal, Bd. 1f. 1979f.; Crime and Law, hg. v. Gatrell u. a., 1980; Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 1 1982; Schroeder, F., Das Strafrecht des sozialen Realismus, 1983; Alkaly, M., Das materielle Strafrecht der französischen Revolution, 1984; Schaffstein, F., Studien zur Entwicklung der Deliktstatbestände, 1985; Rüping, H., Bibliographie zum Strafrecht im Nationalsozialismus, 1985; Gouron, A., Zu den Ursprüngen des gelehrten Strafrechts, FS H. Thieme, 1986, 43; Lüken, E., Der Nationalsozialismus und das materielle Strafrecht, Diss. jur. Göttingen, 1987; Brauneder, E., Das Strafrecht in den österreichischen Polizeiordnungen, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 1; Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.; Werle, G., Das Strafrecht als Waffe, JuS 1989, 952; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989; Sellert, W./Rüping, H., Studien- und Quellenbuch zur Geschichte des deutschen Strafrechts, Bd. 1f. 1989ff.; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Carbasse, J., Introduction historique au droit pénal, 1990; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Gauvard, C., De grace especial, 1991; Herzog, F., Gesellschaftliche Unsicherheit und strafrechtliche Daseinsvorsorge. Studien zur Vorverlegung des Strafrechtsschutzes in den Gefährdungsbereich, 1991; Volk, K., Napoleon und das deutsche Strafrecht, JuS 1991, 281; Histoire et criminalité, hg. v. Garnot, 1992; Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche, 1993; Limbach, A., Das Strafrecht der Paulskirchenverfassung 1848/49, 1995; Cheng, Y., Die Ausnahme bestimmt die Regel, 1995; Decker, C., Katalog der rechtsphilosophischen und strafrechtlichen Literatur vor 1900, 1995; Bauman, R., Crime and Punishment in Ancient Rome, 1996; Robinson, O., The criminal law, 1996; Klementowski, M., Die Entstehung der Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, ZRG GA 113 (1996), 217; Hellbling, E., Grundlegende Strafrechtsquellen der österreichischen Erbländer, hg. v. Reiter, I., 1996; Perspektiven der Strafrechtsentwicklung, 1996; Hettinger, M., Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht, 1996; Caenegem, R. van, Notes on twelfth-century English criminal law, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Hamm, R., 50 Jahre NJW: Das Strafrecht, NJW 1997, 2636; Glöckner, H., Quellen zur neueren Strafrechtsgeschichte, Ius commune 34 (1997), 249; Schmidhäuser, E., Verbrechen und Strafe, 2. A. 1998; Buschmann, A., Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit, 1998; Ermann, J., Strafprozess, Diss. jur. Saarbrücken 1998; Strafrechtsdenker der Neuzeit, hg. v. Vormbaum, T., 1998; Gschwend, L., Nietzsche und die Kriminalwissenschaften, 1999; Die Entstehung des öffentlichen Strafrechts, hg. v. Willoweit, D., 1999; Weber, R., Die Entwicklung des Nebenstrafrechts, 1999; Neue Wege strafrechtsgeschichtlicher Forschung, hg. v. Schlosser, H. u. a., 1999; Riggsby, A., Crime and Community in Ciceronian Rome, 1999; Hein, O., Vom 755 Rohen zum Hohen, 2000; Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende, hg. v. Eser, A. u. a., 2000; Radbruch, G., Strafrechtsgeschichte, hg. v. Neumann, U., 2000; Schorer, R., Die Strafgerichtsbarkeit in der Reichsstadt Augsburg, 2000; Overdijk, D., De gewoonte is de beste uitleg van de wet, 2000; Naucke, W., Über die Zerbrechlichkeit des rechtsstaatlichen Strafrechts, 2000; Thulfaut, G., Kriminalpolitik und Strafrechtslehre bei Edmund Mezger (1883-1962), 2000; Reuß, E., Berliner Justizgeschichte, 2000; Richstein, C., Das belagerte Strafrecht ­ Kriegsstrafrecht, 2000; Radbruch, G., Strafrechts- geschichte, hg. v. Neumann, u., 2001; Dean, T., Crime in Medieval Europe 1200-1550, 2001; Geus, E., Mörder, Diebe, Räuber, 2002; Mahlmann, C., Die Strafrechtswissenschaft der DDR, 2002; Die Durchsetzung des öffentlichen Strafrechts, hg. v. Lüderssen, K., 2002; Brandt, C., Die Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002; Silva Sánchez, J., Die Expansion des Strafrechts, 2002; Wagner, K., NS-Ideologie im heutigen Strafrecht, 2002; Hoheitliches Strafen in der Spätantike und im frühen Mittelalter, hg. v. Weitzel, J., 2002; Karitzky, H., Eduard Kohlrausch, 2002; Nedden, C. zur, Die Strafrechtspflege im Königreich Westphalen, 2003; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Müller, C., Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat, 2004; Röthlin, N., Die Verbesserung des Strafrechts nach Montesquieu und Beccaria, ZRG GA 121 (2004), 238; O'Sullivan, C., Die Ahndung von Rechtsbrüchen der Seeleute, 2005 Straftheorie ist die Überlegung über den -> Strafzweck. Lit.: Döring, Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958 Strafurteil Lit.: Hülle, W., Das rechtsgeschichtliche Erscheinungs- bild des preußischen Strafurteils, 1965 Strafvereitelung ist die Verhinderung der Bestrafung eines Straftäters. Lit.: Ebert, U., Die Strafvereitelung, ZRG GA 110 (1993), 1; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002 Strafverfahren -> Strafprozess Lit.: Köbler, DRG 20, 34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235, 263; Kleinheyer, G., Untersuchungsrecht und Entschädigungspflicht in der Geschichte des Strafverfahrens, ZRG GA 108 (1991), 61; Weitzel, Strafe und Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Schulz, L., Normiertes Misstrauen, 2001; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Hirte, M., Papst Innozenz III., das IV. Lateranum und die Strafverfahren gegen Kleriker, 20 05 Strafverteidiger ist der Rechtsanwalt im Strafprozess. -> Verteidiger Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Hettinger, M., Das Fragerecht der Verteidigung, 1985; König, S., Vom Dienst am Recht, 1987 Strafvollzug ist die Vollstreckung der -> Strafe. Der S. erfolgt seit dem Hochmittelalter durch den Richter und den -> Henker oder -> Scharfrichter als seinen Vollstreckungsgehilfen. Seit dem 16. Jh. wird das besondere -> Zuchthaus eingerichtet. Im 20. Jh. wird der S. mehr und mehr verrechtlicht (Deutschland 16. 3. 1976). Lit.: Köbler, DRG 203, 265; Deutsches Gefan- genenwesen, hg. v. Bumke, E., 1928; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Appenzeller, G., Strafvollzug und Gefängniswesen im Kanton Solothurn, 1957; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Hänsel-Hohenhausen, M., Strafvollzug im Jahre 1848, ZRG GA 104 (1987), 283; Strafvollzug und Schuldproblematik, 1988; Strafvollzug im Dritten Reich, hg. v. Jung, H. u. a., 1996; Walz, K., Soziale Strafrechtspflege in Baden, 1999; Humaner Strafvollzug und politischer Missbrauch, hg. v. Fricke, K., 1999; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs, 1999; Schenk, C., Bestrebungen zur einheitlichen Regelung des Strafvollzugs in Deutschland, 2001; Brennpunkt Strafvollzug, hg. v. Baechtold, A., 2002; Strafvollzug und Straffälligenhilfe in Europa, 2003; Riemer, L., Das Netzwerk der Gefängnisfreunde, 2005 Strafzweck ist der von der -> Strafe verfolgte Zweck. Im Mittelalter scheinen Vergeltung und Unschädlichmachung die hauptsächlichen Strafzwecke zu sein. Noch für -> Kant im 18. Jh. (1797) und -> Binding im 19. Jh. bildet allein die Straftat, deren Unrecht durch Vergeltung ausgeglichen werden muss, den Grund der Strafe (absolute Straftheorie). Demgegenüber stellen die relativen Straftheorien das Interesse der Allgemeinheit in den Vordergrund. Nach einer Ansicht geht es dabei um die Abschreckung des Straftäters (-> Spezialprävention, v. -> Grolman 1775-1829), nach anderer Ansicht auch um die 756 Abschreckung Dritter (-> Generalprävention, - > Feuerbach 1775-1833). Nach Franz von -> Liszt (1851-1919, Marburger Programm 1882) ist der Täter für sein sozialschädliches Verhalten zu bestrafen, weshalb die Spezialprävention nach Tätertypen unter- schieden werden soll. Augenblickstäter sollen einen Denkzettel für die Zukunft erhalten, verbesserliche Zustandstäter sollen durch Resozialisierung wieder in die Gesellschaft eingegliedert, unverbesserliche Zustandstäter sicher verwahrt werden. Hiervon dringt der Resozialisierungsgedanke im 20. Jh. weiter vor. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 204, 264; Döring, Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958; Henrici, A., Die Begründung des Strafrechts in der neueren deutschen Rechtsphilosophie, Diss. jur. Zürich 1960; Seelmann, K., Zum Verhältnis von Strafzweck und Sanktionen, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 1989, 355; Telp, J., Ausmerzung und Verrat, 1999 Stralsund ist die der Insel Rügen südlich gegenüberliegende Hansestadt -> lübischen Rechts (1234), die ein bedeutsames Stadtbuch überliefert. Lit.: Ebeling, R., Das älteste Stralsunder Bürgerbuch (1319 bis 1348), 1926; Rehme, P., Neues über Stralsunder Stadtbücher, ZRG GA 58 (1938), 674; Koeppen, H., Führende Stralsunder Ratsfamilien, 1938; Der Stralsunder Liber memorialis, bearb. v. Schroeder, H., Bd. 1ff. 1964ff.; Langer, H., Stralsund 1600-1630, 1970; Ewe, H., Geschichte der Stadt Stralsund, 2. A. 1985; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände, ZRG 116 (1999) Strandrecht ist das Recht, sich das am Strand angeschwemmte Gut anzueignen. Es wird im Laufe der Zeit eingeschränkt (u. a. 1874 Strandungsordnung). Lit.: Kalthoff, H., Die rechtliche Behandlung des Strandgutes im römischen Recht, Diss. jur. Rostock 1910; Ebeling, H., Die Entwicklung des Strandrechts, Diss. jur. Frankfurt am Main 1931; Niitemaa, V., Das Strandrecht in Nordeuropa, 1955 Straßburg am Rhein, um 12 v. oder 16 n. Chr. als römisches Argentorate gegründet, ist seit dem 4. Jh. Sitz eines Bischofs, der 1146/1147 ein Stadtrecht gewährt, und die seit 1621 Sitz einer Universität (1792/1793 vorübergehend aufgelöst). 1681 wird die Reichsstadt S. von Frankreich besetzt. Mit dem Elsass ist sie von 1871 bis 1918 Teil des Deutschen Reiches und wird auch während des zweiten Weltkriegs vom Deutschen Reich besetzt und verwaltet. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der Stadt Straßburg, hg. v. Wiegand, W., Bd. 1 1879; Winter, G., Geschichte des Rates in Straßburg, 1878; Kiener, F., Studien zur Verfasssung des Territoriums der Bischöfe von Straßburg, 1912; Meyer, O., La régence épiscopale de Saverne, 1935; Festschrift für die Reichsuniversität Straßburg, hg. v. Schmidt, R., 1941; Wittmer, C., Le livre de bourgeoisie, Bd. 1ff. 1948ff.; Streitberger, I., Der königliche Prätor von Straßburg, 1685 bis 1789, 1961; Wunder, G., Das Straßburger Gebiet, 1965; Wunder, G., Das Straßburger Landgebiet, 1967; Histoire de Strassbourg, hg. v. Livet, G. u. a., 1980ff.; Cornelissen, C. u. a., Grenzstadt Straßburg, 1997; Schäfer, H., Juristische Lehre und Forschung, 1999; Schlüter, B., Reichswissenschaft, 2004 Straße ist der planmäßig angelegte, für Fahrzeuge geeignete Verkehrsweg. Im römischen Altertum besteht ein hervorragendes Straßensystem. Im Mittelalter erscheinen einzelne rechtliche Bestimmungen für Straßen erst im 13./14. Jh. Eine Verdichtung erfährt das Straßenrecht seit dem 19. Jh. Im ab- solutistischen Frankreich beginnt der Bau geplanter Chausseen. Seit 1840 leitet die Verwendung von Asphalt, Bitumen und Beton den modernen Straßenbau ein. Ab 1870 wird das Fahrrad (Niederrad 1877-1884), ab 1885 das Automobil zu einem wichtigen Fortbewegungsmittel, dessen Gefahren gesetzliche Regelungen erfordern (Frankreich Radfahrrecht 1896, preußische Radfahrordnung 1899, Allgemeine (deutsche) Straßenver- kehrsordnung 1926). Lit.: Köbler, DRG 176; Kroeschell, DRG 1; Gasner, Zum deutschen Straßenwesen, 1889; Zeumer, K., Straßenzwang und Straßenregal, ZRG GA 23 (1902), 101; Schrod, K., Reichsstraßen und Reichsverwaltung im Königreich Italien (754-1197), 1931; Leguay, J., La rue, 1984; Szabó, T., Die Entdeckung der Straße im 12. Jahrhundert, Studi in onore di C. Violante, 1994, 913; Lay, M., Die Geschichte der Straße, 1994; Auf den Römerstraßen ins Mittelalter, hg. v. Burgard, F. u. a., 1997; Müller, U., Infrastrukturpolitik in der Industrialisierung, 2000; Die Straße, hg. v. Jaritz, g., 2001; Siedlung und Verkehr im römischen Reich, hg. v. Frei-Stolba, R., 2004; Schubert, W., Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 195 Straubing Lit.: Fraundorfer, W., Straubing, 1974; Forster, M., Die 757 Gerichtsverfassung und Zivilgerichtsbarkeit in Straubing, 1999 Streik ist die gemeinsam und planmäßig durchgeführte, auf ein bestimmtes Ziel gerichtete Arbeitseinstellung einer verhältnismäßig großen Zahl von Arbeitnehmern. Der S. erscheint nach älteren Vorläufern im 18. Jh. (z. B. in Nürnberg zwischen 1790 und 1800, Bayreuth 1800) in England 1810 (Wort um 1850) und dringt von dort aus im 19. Jh. vor. Er verliert seine Bedeutung, sobald die Arbeitsbedingungen (Lohnhöhen) unter Kostengesichtspunkten nicht mehr verbessert werden können. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. jur. Bochum 1972; Theorie und Geschichte des Streikrechts, hg. v. Germelmann, C., 1980; Streik, hg. v. Tenfelde, K. u. a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Reith, R. u. a., Streikbewegungen deutscher Handwerksgesellen im 18. Jahrhundert, 1992; Clasen, C., Streiks und Aufstände, 1993; Althaus, H., Rechtsnormen und Rechtswirklichkeit, 1997 Streitbefestigung -> litis contestatio Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117, 202 Streitgenossenschaft ist das Auftreten mehrerer Parteien oder Beteiligter auf einer Seite eines Rechtsstreits. Eine S. kennt bereits das römische Recht. Von dort aus wird sie auch im gelehrten Prozessrecht behandelt. Lit.: Kisch, W., Begriff und Wirkungen der besonderen Streitgenossenschaft, 1899; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973 stricti iuris (lat.) strengrechtlich, ohne Entscheidungsspielraum für den Richter Lit.: Köbler, DRG 42, 62 Stromregal ist im Hochmittelalter das Recht des Königs am schiffbaren Fluss (Roncaglia 1158). Es geht rasch auf die Landesherren über. Lit.: Hübner 297; Kroeschell, DRG 1; Gothein, E., Die Schiffahrt der deutschen Ströme, 1903; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der Territorialgewässer, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1949 strudis (lat.-afrk. [F.]) Zwangsvollstreckung Lit.: Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912 Struve, Georg Adam (Magdeburg 27. 12. 1619-Jena 16. 12. 1692), Gutseigentümerssohn, wird nach dem Studium von Philosophie, Politik, Geschichte und Recht in Jena und Helmstedt (Conring) 1645 Gerichtsbeisitzer in Halle und 1646 Professor in Jena (1667 Hofrat in Weimar, 1674 Professor des kanonischen Rechts in Jena und Präsident des Jenenser Juristenkollegiums). 1670 veröffentlicht er (lat.) -> Iurisprudentia (F.) romano-germanica forensis (Römisch-deutsche Gerichtsrechts- wissenschaft, mit unverkennbaren Parallelen zu Hugo Grotius' Inleydinge tot de Hollandsche Rechts-Geleertheyd [1621]) (31. A. 1771, [als eine gründlich neubearbeitete Auflage des lateinischen Vorbilds] Jurisprudenz oder Verfassung der landüblichen Rechte, 1689, 8. A. 1737, weiter Syntagma iurisprudentiae secundum ordinem pandectarum concinnatum, 1655ff.). Darin gibt er auf der Grundlage der Institutionen die für längere Zeit erfolgreichste Zusammenfassung des bei den einheimischen Gerichten angewendeten römischen Rechts in vier Büchern (Personenrecht, Sachenrecht, Schuldrecht, Prozessrecht). Lit.: Köbler, DRG 114; Struve, B., Pii manes Struviani, 1705; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechts- geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Finzel, J., Georg Adam Struve (1619-1692) als Zivilrechtler, 2003 Stryk, Samuel (Lentzen/Prignitz 22. 11. 1640- Halle 23. 7. 1710), Amtmannssohn, wird nach dem Studium von Theologie, Philosophie und Recht in Wittenberg (Ziegler) und Frankfurt an der Oder (Brunnemann) 1666 außerordentlicher Professor in Frankfurt an der Oder, 1668 ordentlicher Professor in Frankfurt an der Oder, 1690 in Wittenberg und 1692 in Halle. Seit 1690 veröffentlicht er einen Pandektenkommentar mit dem die zeit- genössische Haltung (als usus modernuns pandectarum) kennzeichnenden Titel (lat.) Specimen (N.) usus moderni pandectarum (Beispiel des modernen Gebrauchs der Pandekten). Darin verbindet er das römische Recht mit teils ergänzenden, teils ausschließenden einheimischen Rechtssätzen. Lit.: Köbler, DRG 137, 144; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wiegand, W., Plus petitio, 1974, 95; Luig, K., Samuel Stryk, FS S. Gagnér, 1991 Stuart ist das aus der Bretagne kommende, im 11. Jh. erscheinende schottische Geschlecht (Steward, -> Seneschall), das 1371 das Königtum in -> Schottland erlangt und 1603 den Tudors in -> England nachfolgt. Die 758 1688/9 gestürzte Familie scheidet 1714 endgültig aus der englischen Königsherrschaft aus, besteht aber in Nebenlinien fort. Lit.: The Kingdom of the Scots, 1973; Schreiber, H., Die Stuarts, 1999; Eßer, R., Die Tudors und die Stuarts, 2004 Student ist der junge Mensch während des -> Studiums. Lit.: Brunck, H., Die Deutsche Burschenschaft, 1999 Studium ist die durch wissenschaftliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten erfolgende Ausbildung der Studenten an -> Universitäten, dessen Dauer bereits an den spätantiken Rechtsschulen 3 bis 5 Jahre beträgt. Im Mittelalter beginnt das Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten meist tatsächlich nach einem Studium der freien Künste (mit etwa 20 Jahren). Im 16. Jh. kann nach einem Grundstudium (in Deutschland und Frankreich) das Bakkalaureat erworben werden, während die eigentliche Abschlussprüfung im Lizentiat besteht, dem der kostspielige Formalakt der Promotion (nach durchschnittlich zehn Studienjahren) folgen kann. Wegen der Mängel der universitären Prüfungen treten ihnen im 18. Jh. staatliche Aufnahmeprüfungen (seit 1846 mit Professoren und Praktikern als Prüfern) für eine praktische Ausbildung im Staatsdienst zur Seite (in Preußen 1849/1851 erstmals eine einheitliche Regelung für die ­ dreiphasige - Ausbildung von Richtern, Staaatsanwälten und Rechtsanwälten, 1869 Justizausbildungsge- setz), die allmählich die Universitätsprüfungen bedeutungslos werden lassen. -> Jurist Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 186; Burmeister, K., Das Studium der Rechte im Zeitalter des Humanismus, 1974; Dokumente zur Studiengesetz- gebung in Bayern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, bearb. v. Dickerhof, H., 1975; Humanis- mus im Bildungswesen, hg. v. Reinhard, W., 1984; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Titze, H., Datenbuch zur deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 1f. 1987ff.; Geschichte der Universitäten in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Frassek, R., Weltan- schaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina, 1995; Wieling, H., Rechtsstudium in der Spätantike, JuS 2000, 10; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000 Stuhl ist die künstlich geschaffene Sitzgelegenheit. Sie ist vielfach ein Kenn- zeichen des Richters. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994 Stundung ist die bereits dem römischen Recht bekannte zeitliche Hinausschiebung der -> Fälligkeit einer -> Forderung. Lit.: Kaser § 38 III 1 stuprum (lat. [N.]) Unzucht Lit.: Köbler, DRG 35 Sturmabteilung (SA) ist die 1920 als Versammlungsschutz der -> National- sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ge- gründete uniformierte Kampftruppe mit 1933 etwa 700000 Mitgliedern. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Stuttgart in Württemberg ist von 1781 bis 1794 Sitz einer Universität. Lit.: Uhland, R., Geschichte der hohen Karlsschule in Stuttgart, 1953 Stutz, Ulrich (Zürich 5. 5. 1868-Berlin 6. 7. 1938) wird nach dem Rechtsstudium in Zürich und Berlin (Gierke, Hinschius) (ohne Habilitation) 1895 außerordentlicher Professor in Basel, 1896 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau, 1904 in Bonn und 1917 in Berlin. Bereits in seiner Dissertation entwickelt er die Eigenkirche als Element des mittelalterlich-germanischen Kirchenrechts (1895). Auf dieser Grundlage setzt er sich erfolgreich für eine besondere kirchliche Rechtsgeschichte ein. Lit.: Schultze, A., Ulrich Stutz, ZRG GA 59 (1939), XVII Stüve, Johann Carl Bertram Lit.: Stüve, J., Briefe, hg. v. Vogel, W., 1959 Suárez, Francisco de (1548-Lissabon 1617) wird nach dem Rechtsstudium in Salamanca Jesuit und seit 1570 Lehrer der Philosophie und Theologie. In einzelnen Abhandlungen befasst er sich spätscholastisch mit Rechtsfragen, wobei er Gott als Gesetzgeber betrachtet. Seine Unterscheidung von (lat.) ius (N.) naturae (Naturrecht) und ius gentium (Völkerrecht) beeinflusst Hugo -> Grotius. Lit.: Köbler, DRG 140; Rommen, H., Die Staatslehre des Francisco de Suárez, 1927; Sóla, F. de P., Suárez y las ediciones de sus obras, 1948; Giers, J., Die Gerechtigkeitslehre des jungen Suárez, 1962; Alexandrino Fernandes, J., Die Theorie der Interpretation des Gesetzes, 2005 759 subjektives Recht ist das Recht des Einzelnen (z. B. Eigentum). Es steht im Gegensatz zum objektiven -> Recht und zum bloßen Rechtsreflex. Gedanklich erkannt wird es am Ende des 18. Jh.s (-> Glück). Vom Nationalsozialismus wird es bekämpft. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 208, 238; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H. u. a., 1962, 29; Thoss, Das subjektive Recht, 1968; Nörr, K., Zur Frage des subjektiven Rechts in der mittelalterlichen Rechtswissenschaft, FS H. Lange, 1992, 193 subpignus (lat. [N.]) Unterpfand Lit.: Kaser § 31 III 2a subreptio (lat. [F.]) Erschleichung durch Verschweigung subsidium (lat. [N.]) Unterstützung, Hilfsleistung Lit.: Das Mainzer Subsidienregister für Thüringen von 1506, bearb. v. Bünz, E., 2004 Subsidiarität ist die Nachrangigkeit. Nach der neueren katholischen Soziallehre (1931) besteht bei einem Nebeneinander mehrerer Aufgabenträger S. des umfassenderen Aufgabenträgers gegenüber dem kleineren Aufgabenträger. Die S. ist in der Europäischen Union ein wichtiger Grundsatz. Lit.: Das Subsidiaritätsprinzip, hg. v. Utz, A., 1953; Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungsansprüche, 1969; Subsidiarität, hg. v. Nörr, K. u. a., 1997; Subsidiarität als rechtliches und politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, hg. v. Blickle, P. u. a., 2002 Substitution (F.) Ersatzberufung (z. B. zum Ersatzerben) Subsumtion (Darunternahme) ist die durch Vergleichung und Bejahung der Gleichheit (oder Ablehnung der Gleichheit) erfolgende Zuordnung bzw. Zurechnung eines einzelnen besonderen Sachverhaltes zu einem allgemeinen Tatbestand eines Rechtssatzes. Sie wird im ausgehenden 18. Jh. als solche im Recht gedanklich erfasst. Sie steht wegen der von ihr abhängigen logischen Zuordnung der allgemeinen Rechtsfolge des Rechtssatzes zu dem Sachverhalt im Mittelpunkt der Rechtsanwendung. Lit.: Köbler, DRG 117; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986 Sudetenland ist seit 1912 das Siedlungsgebiet der Bewohner von Deutsch-Mähren, Deutsch- Böhmen und Österreichisch-Schlesien, das am 29. 9. 1938 im Münchener Abkommen von der -> Tschechoslowakei an das Deutsche Reich abgetreten wird (29000 Quadratkilometer, 3,4 Millionen Einwohner). 1945 kommt es unter Vertreibung der Deutschen an die -> Tschechoslowakei zurück. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schreiber, R., Der Elbogener Kreis, 1935; Franzel, E., Sudetendeutsche Geschichte, 1990; Gebel, R., Heim ins Reich, 1998; Zimmermann, V., Die Sudetendeutschen im NS-Staat, 1999; Odsun. Die Vertreibung der Sudetendeutschen, hg. v. Hoffmann, R, u. a., 2000 Südosteuropa ist der südöstliche Teil Europas. -> Albanien, Balkan, Bosnien, Bulgarien, Griechenland, Jugoslawien, Mazedonien, Osmanen, Rumänien, Serbien, Siebenbürgen, Türkei, Zypern Lit.: Klebel, E., Siedlungsgeschichte des deutschen Südostens, 1940; Kaser, K., Südosteuropäische Geschichte und Geschichtswissenschaft, 2. A. 2002; Südosteuropa, hg. v. Hatschikjan, M. u. a., 1999; Umstrittene Identitäten, hg. v. Brunnbauer, U., 2002; Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, hg. v. Hösch, E. u. a., 2004; Kaser, K., Südosteuropäische Geschichte und Geschichtswissenschaft, 2004 Südtirol ist der südlich des Alpenhauptkammes gelegene Teil -> Tirols, den 1919 -> Italien als Lohn für seinen Eintritt in den ersten Weltkrieg auf Seiten der alliierten Siegermächte (Zusage Englands 1912) erhält (1918 3 Prozent der Bevölkerung italienischsprachig). Es wird seit 1922 intensiv italienisiert (von Adolf Hitler gebilligt), erhält aber nach 1945 beschränkte Autonomie (Autonomiestatut vom 29. 1. 1948, Südtirolpaket 1971, autonome Region Tren- tino-Südtirol, Provinz Bozen, 1972 67,99 Prozent Deutsche, 27,65 Prozent Italiener, 4,36 Prozent Ladiner in der Provinz Bozen, 2000 sprechen sich bei einer Stichprobenbefragung der nichtitalienischsprachigen Bevölkerung die meisten für Selbständigkeit, 39 Prozent für eine Rückkehr zu Österreich und 7 Prozent für einen Verbleib bei Italien aus). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 173, 220, 223; Voltelini, H. v., Immunität, grundherrliche und leibherrliche Gerichtsbarkeit in Südtirol, Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1907), 311; Steininger, R., Los von Rom?, 1987; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 3. A. 2001; Südtirol und der Pariser Vertrag, 1988; Corsini, U./Lill, R., Südtirol, 1988; Egen, A. v., Die Südtirol-Frage, 1997; Steininger, R., Südtirol im 20. 760 Jahrhundert, 1997; Grigolli, S., Sprachliche Minderheiten, 1997; Steininger, R., Südtirol im 20. Jahrhundert, 1999; Steininger, R., Südtirol 1918-1999, 1999; Steininger, R., Südtirol, 2000; Südtirol Chronik, koord. v. Thaler, B., 2000; Gruber, A., Geschichte Südtirols, 2000 Suebe ist der Angehörige des elbgermanischen, in der Völkerwanderung nach Nordwestspanien gelangten Volkes. Lit.: Hamann, S., Vorgeschichte und Geschichte der Sueben in Spanien, 1971; Suevos ­ Schwaben. Das Königreich der Sueben auf der iberischen Halbinsel (411-585), hg. v. Koller, E./Laitenberger, H.,1998 Suffraganbischof (M.) Hilfsbischof (seit 779) Sühne ist ein Ausgleich (Versöhnung) für ein rechtswidriges Verhalten. Auf S. beruht auch das -> Kompositionensystem, das seit dem Hochmittelalter in einem bis zum 17. Jh. reichenden Vorgang von der Strafe verdrängt wird. An einzelnen Stellen sehen Rechtsregeln einen erfolglosen außergerichtlichen Sühneversuch als Voraussetzung für ein Gerichtsverfahren vor. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 117; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Jörg, P., Der Heidingsfelder Sühnebildstock, 1948; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Crößmann, K., Sühneverträge der Stadt Frankfurt am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113 Sui heredes (M.Pl. [seine Erben]) sind seit dem altrömischen Recht die Hauserben. Das sind alle Menschen, die durch den Tod des Hausvaters gewaltfrei werden. Lit.: Kaser §§ 65 II, III, 66 I, 71 I; Köbler, DRG 23 sui iuris (lat.) selbstmächtig, frei von väterlicher Hausgewalt Lit.: Kaser § 12 I 3; Köbler, DRG 23 Sukzession (F.) Nachfolge Summa (lat. [F.]) ist im juristischen Schrifttum die bereits für -> Irnerius (1060?-1125?) bezeugte zusammenfassende Betrachtung (Summe) des Inhalts eines Textes wie z. B. die s. codicis des Placentinus, die s. des Odofredus oder des Huguccio. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 107; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Weimar, P., Zur Entstehung der azoschen Digestensumme, in: Satura R. Feenstra, 1985, 371; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Summa (F.) Perusina ist das (in Perugia) zwischen dem 7. und 9. Jh. entstandene Werk zum -> Codex. Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 summarisch (zusammenfassend und dadurch beschleunigend) Summarischer Prozess ist seit dem Spätmittelalter der durch Vereinfachung beschleunigte gelehrte Prozess. Der unbestimmte summarische Prozess ist durch Fristabkürzungen und Verringerung der Schriftwechsel gekennzeichnet (z. B. Besitzprozess, Rechnungslegungsprozess, Bauprozess), der bestimmte summarische Prozess durch die vorläufige Einengung der Verteidigungsmöglichkeit des Beklagten (z. B. Mandatsprozess, Arrestprozess, Wechselpro- zess, Exekutivprozess). Der summarische Prozess wirkt noch im 20. Jh. nach. Lit.: Schmidt, E., Theorie der summarischen Prozesse, 1791; Bayer, H., Theorie der summarischen Prozesse, 7. A. 1859; Wach, A., Der italienische Arrestprozess, 1868; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914 summarisches Verfahren -> summarischer Prozess Summe -> summa Summepiskopat ist das landesherrliche Kirchenregiment des evangelischen Kirchen- rechts bis 1918. Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Summum ius summa iniuria (lat.). Größtes Recht größtes Unrecht. Lit.: Schmidt, G., Die Richterregeln des Olavus Petri, 1966, 128; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Cicero, 106-43, De officiis 1 § 33) Sünde ist die Verletzung eines christlichen Gebotes oder Verbotes. Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Sunnis (lat.-afrk. [F.]) ist (das auf) Wahrheit (beruhende Hindernis für das Erscheinen vor Gericht). supan (slaw. [M.]) Führer, Dorfmeister Lit.: Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Hardt, M., Der Supan, ZOF 39 (1990), 161 Superficies solo cedit ist die bereits bei Gaius (um 160 n. Chr.) belegte römische Rechtsregel, nach der das Recht am Grundstück die Rechtsverhältnisse an den auf ihm errichteten Dingen (Bauwerke, Pflanzen) bestimmt. Ihr widersprechen das -> Stockwerkseigentum und 761 das -> Wohnungseigentum. Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 30 II 2; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Gaius, um 120-180, Institutionen 2 § 73); Biermann, J., Superficies solo cedit, Ih. Jb. f. d. Dogm. 34 (1895), 169; Meincke, J., Superficies solo cedit, ZRG RA 88 (1971), 136; Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG RA 106 (1989), 327 Superflua non nocent (lat.). Überflüssige Worte schaden nicht. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Augustinus, 354-430, De civitate Dei 4, 27) Supplik (F.) Bittschrift Lit.: Hülle, W., Das Supplikenwesen in Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973), 194; Suppliche e <>. Politica, amministrazione, giustizia in Europa (secoli XIV-XVIII) a cura di Nubola, C. u. a., 2002; Bittschriften und Gravamina, hg. v. Nubola, C. u. a., 2005 Supplikation ist die Einreichung einer Bittschrift. Im spätantiken römischen Recht ist die formfreie (lat. [F.]) supplicatio ad principem (Bittschrift an den Kaiser) ein Rechtsmittel gegen Urteile des Ap- pellationsgerichts. Mit der Aufnahme des gelehrten Prozessrechts wird die S. seit dem Spätmittelalter im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) als Rechtsmittel eingeführt (z. B. 1600 gegen Endurteile der Obergerichte). Seit dem 18. Jh. übernimmt die S. teilweise die Aufgaben der -> Revision. Im 19. Jh. verdrängt die Revision die S. Lit.: Köbler, DRG 56, 155; Hülle, W., Das Supplikationswesen in Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973), 194; Suppliche e <>, hg. v. Nubola, C. u. a., 2002 Supplikationsausschuss ist der für Bittschriften zuständige Ausschuss eines Gremiums (z. B. des Reichstages des Heiligen Römischen Reich [deutscher Nation] von 1521 bis zum frühen 17. Jh.). Lit.: Neuhaus, H., Reichstag und Supplikations- ausschuss, 1977 Surrogation (F.) Ersetzung Lit.: Welle, A., In universalibus pretium succedit in locum rei, res in locum pretii. Eine Untersuchung zur Entwicklungsgeschichte der dinglichen Surrogation bei Sondervermögen, 1987 Suum cuique (lat.). Jedem das Seine. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Gellius, um 120-um 180, Noctes Atticae 13, 24, 1, zu Cato, 234-149 v. Chr.) Suzeränität (F.) Herrschaft des Lehnsherrn über Lehnsmannen im Gegensatz zur -> Souveränität des Landesherrn über Untertanen. Svarez (Schwartz), Carl Gottlieb (Schweidnitz 27. 2. 1746-Berlin 14. 5. 1798), Advokatensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Frankfurt an der Oder (Wolff) Oberamtsregierungsrat. 1780 wechselt er mit dem Großkanzler Carmer nach Berlin. Dort bereitet er unter steter Berücksichtigung des heimischen Rechts das -> Allgemeine Landrecht (1794) Preußens vor. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Stölzel, A., Carl Gottlieb Svarez, 1885; Kleinheyer, G., Staat und Bürger im Recht, 1959; Svarez, C., Vorträge über Recht und Staat, hg. v. Conrad, H. u. a., 1960; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 3. A. 1981; Schwennicke, A., Die Entstehung des preußischen Allgemeinen Landrechts, 1993; Carl Gottlieb Svarez: Gesammelte Schriften, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Kern, B., Carl Gottlieb Svarez, JuS 1998, 1085; Karst, T., Der Einfluss von Carl Gottlieb Svarez auf die preußische Gesetzgebung, ZRG GA 120 (2003), 180 Svod zakonov ist die in -> Russland 1832 durch Michail Michailovic -> Speranskij erreichte Zusammenfassung aller geltenden Gesetze. Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Raeff, M., Michail Speranskij, 1957 Symbol (N.) Sinnbild, Zeichen Lit.: Handbuch der Symbolforschung, hg. v. Herrmann, K., 1941; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Becker, U., Lexikon der Symbole, 1992; Althoff, G., Die Macht der Rituale, 2003 Synallagma (N.) Übereinkunft, gegenseitige Abhängigkeit von Vertragsleistungen Lit.: Kaser § 38 IV 3; Benöhr, H., Das sogenannte Synallagma, 1965; Rückert, J., Vom casus zur Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40; Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2000 Syndikat (N.) Kartell Lit.: Kroeschell, DRG 3 Syndikatsklage ist im gelehrten Recht die Klage gegen den unrichtig urteilenden -> Richter (-> Rechtsbeugung). Syndikus (M.) Geschäftsführer, Rechtsberater Synodalstatut (N.) ist das in einer -> Synode geschaffenes-> Statut Synode (zu lat. synodus) ist die kirchliche 762 Versammlung (Konzil), die auch Rechtsfragen entscheidet. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 115; Richter, L., Geschichte evangelischer Kirchenverfassung, 1851, Neudruck 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Närger, N., Das Synodalwahlsystem in den deutschen evangelischen Landeskirchen, 1988; Sieben, H., Die Partikularsynoden, 1990; Fischer, J./Lumpe, A., Die Synoden, 1997; Gresser, G., Die Synoden und Konzilien der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland, 2004; Limmer, J., Konzilien und Synoden im spätantiken Gallien, 2004 Syrisch-römisches Rechtsbuch ist der spätantike oströmische Rechtstext wohl des 5. Jh.s, der nur in syrischen, arabischen, armenischen und koptischen Bearbeitungen erhalten ist. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53; Selb, W., Zur Bedeutung des syrisch-römischen Rechtsbuches, 1964; Selb, W./Kaufhold, H., Das syrisch- römische Rechtsbuch, 2002 Syssel ist die norwegisch-dänische Bezeichnung für Landschaften (z. B. Vendsyssel). Lit.: Rietschel, S., Untersuchungen zur Geschichte der germanischen Hundertschaft, ZRG GA 28 (1907), 342; Helle, K., Norge blir en stat, 1974 System ist das wissenschaftlich-rationale Gedankengefüge. Die systematische Betrach- tung des Rechts erfolgt in der frühen Neuzeit (seit dem 16. Jh. bzw. seit Leibniz [1646-1716] und Wolff). Sie versteht die Geometrie als (unerreichbares) Vorbild.-> Rechtssystem Lit.: Kaser § 2 III; Köbler, DRG 6, 159, 184, 187, 188; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 285; Savigny, F., System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff.; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Seiler, H., Die Systematik der einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Troje, H., Wissenschaftlichkeit und System in der Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts, in: Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 63; Canaris, C., System- denken und Systembegriff, 1969; Dießelhorst, M., Ursprünge des modernen Systemdenkens bei Hobbes, 1968; Dießelhorst, M., Zum Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs, 1976; Björne, L., Deutsche Rechtssysteme im 18. und 19. Jahrhundert, 1984; Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Schröder, J., Die ersten juristischen ,,Systematiker", FS S. Gagnér, 1996, 111; Lewinski, K. v., Deutschrechtliche Systembildung im 19. Jahrhundert, 2001 Szeged an der Mündung der Maros in die Theiß ist die auf antike Grundlagen zurückgehende, 1498 königliche Freistadt Ungarns werdende, 1542 an die Osmanen (Türken) und 1686 an Habsburg fallende Stadt. S. ist Sitz einer 1921 neugegründeten Universität. Szepter -> Zepter T Tablettes Albertini Lit.: Weßel, H., Das Recht der Tablettes Albertini, 2003 Tacitus, Gaius (?) Publius (?) Cornelius (um 55/56-116 n. Chr.), aus wahrscheinlich rit- terlichem, südgallisch-norditalienischem Haus, wird 88 Prätor und 97 Konsul. Seine Schrift (lat.) De origine et situ Germaniae (um 98 n. Chr.) bietet relativ ausführliche, aber tendenziös gefärbte Nachrichten über die -> Germanen. Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 3. A. 1967; Syme, R., Tacitus, 2. A. 1979; Tacitus, hg. v. Pöschl, V., 2. A. 1986; Vielberg, M., Pflichten, Werte, Ideale, 1987; Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1989 Tafelgut ist das der Versorgung des reisenden deutschen Königs im Mittelalter dienende -> Königsgut. Ein in einer Abschrift von 1165/74 überliefertes Tafelgüterverzeichnis lässt sich vielleicht zeitlich auf 1138, 1152/1153 oder um 1165 (Aachen) bestimmen. Lit.: Das Tafelgüterverzeichnis des römischen Königs, hg. v. Brühl, C. u. a., 1979; Göldel, C., Servitium regis, 1997 Tagelöhner ist der freie, gegen Tagelohn tätige Landarbeiter. Er ist insbesondere vom Spätmittelalter bis ins 19. Jh. von Bedeutung. Seine Rechtsstellung ist schwach. Lit.: Knapp, T., Die Bauernbefreiung, 1887; Firnberg, H., Lohnarbeiter und freie Lohnarbeiter, 1935, Neudruck 1978; Simon, S., Die Tagelöhner und ihr Recht im 18. Jahrhundert, 1995 Tagessatzsystem ist das nach skandinavischem Vorbild unterschiedliche Vermögensverhält- nisse berücksichtigende System zur Bestimmung der Höhe einer Geldstrafe im 763 späteren 20. Jh. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Tagsatzung ist vom 14. Jh. bis 1848 das gemeinsame Organ der schweizerischen -> Eidgenossen. Lit.: Joos, R., Die Entstehung und rechtliche Ausgestaltung der eidgenössischen Tagsatzung, Diss. Zürich 1925; Müller, R., Die eidgenössische Tagsatzung, Diss. Zürich 1948; Hunziker, G., Das Archiv der Tagsatzungsperiode 1814-1848, 1980; Jucker, M., Gesandte, Schreiber, Akten, 2004 Taiding ([N.] aus tageding) ist in Süddeutschland im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die Gerichtsversammlung. Im T. wird das -> Weistum ermittelt und vorgetragen. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die salzburgischen Taidinge, hg. v. Siegel, 1870 Talar -> Robe Taler ist die nach dem durch Silberbergbau berühmten Ort Joachimsthal benannte deutsche -> Münze der frühen Neuzeit (1518/25). 1908 wird der T. außer Kraft gesetzt. Er lebt im Dollar fort. Lit.: Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995 Talion (griech. [N.] gleiches) ist die Vergeltung eines Übels mit dem gleichen Übel (Auge um Auge, 2. Mos. 21,23). Das Talionsprinzip ist dem jüdischen und dem römischen Recht bekannt. Von dort her dringt es seit dem Spätmittelalter vereinzelt im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) ein. Es berührt sich mit der -> spiegelnden Strafe. Lit.: Kaser §§ 32 II 2a, 51 III 1a; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 119; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Hermesdorf, B., Poena talionis, 1965; Ebert, U., Talion und spiegelnde Strafe, FS K. Lackner, 1987, 399 Talmud (Lehre) ist der Kommentar zur um 220 (endredigierten) -> Mischna (Lehre, Wie- derholung) der Juden. Von seinen beiden Strömungen setzt sich der babylonische T. (nach 700) gegenüber dem palästinensischen T. (vor Mitte 5. Jh.) durch. Der T. besteht nur zu seinem kleineren Teil aus Rechtstexten. -> Maimonides (1135-1204) bearbeitet die rechtlichen Aussagen des T. in seiner -> Mischne Tora. Lit.: Gans, E., Die Grundzüge des mosaisch- talmudischen Erbrechts, Z. f. d. Wissensch. d. Judentums 1 (1823), 419; Goldschmidt, L., Der babylonische Talmud, Bd. 1ff. 1929ff.; The Principles of Jewish Law, hg. v. Eton, M., 1975; Stemberger, G., Einleitung in Talmud und Midrasch, 8. A. 1993; Wesel, U., Hebräisches Recht, JuS 1997, 686 Tancredus (Bologna um 1185-Bologna um 1236) ist der mittelalterliche Jurist (Dekretalist), der um 1216 einen wichtigen (lat.) ordo (M.) iudiciorum (Gerichtsordnung) verfasst. Bis 1220 erstellt er die (lat.) glossa (F.) ordinaria (ordentliche Glosse) zu den ersten drei (lat.) compilationes (F.Pl.) antiquae (alten Sammlungen). Lit.: Köbler, DRG 107; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Fowler-Magerl, L., Ordines iudiciarii, 1994; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 tanganare (mlat.-afrk.) bedrängen (zu einer förmlichen Antwort auf eine gerichtliche Ansprache) Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867, Neudruck 1971, 143 Tarif ist der einheitliche Preis. Tarifvertrag ist der Vertrag zwischen einem Arbeitgeber oder einem Arbeitgeberverband und einer Gewerkschaft in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten (z. B. Lohn). Er erscheint in Ansätzen nach der Mitte des 19. Jh.s (z. B. Buchdruckertarifvertrag 1873), häufiger seit 1890. Erst 1918 setzt er sich aber allgemein durch (Verordnung über Tarifverträge vom 23. 12. 1918, Tarifvertragsgesetz vom 9. 4. 1949, 11. 1. 1952, 25. 8. 1969), wobei anfangs der Anteil der freien Vereinbarungen an den Tarifabschlüssen höchstens ein Drittel beträgt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird mit Hilfe der Öffnung von Flächentarifverträgen eine Verringerung der Arbeitslosigkeit angestrebt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215, 241, 242, 273; Tschirbs, R., Tarifpolitik im Ruhrbergbau 1918- 1933, 1986; Hainke, S., Vorgeschichte und Entstehung der Tarifvertragsverordnung, Diss. jur. Kiel 1987; Bähr, J., Staatliche Schlichtung in der Weimarer Republik, 1989; Brauchitsch, I. v., Staatliche Zwangsschlichtung, 1990; Englberger, J., Tarifautonomie im Deutschen Reich, 1995; Brandner, T., Die tarifrechtliche Reformdiskussion in der Weimarer Zeit, Diss. jur. Jena 764 1999; Bender, G., Richtungskämpfe, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 561 Tat ist die als abgeschlossen angesehene menschliche Verhaltenseinheit. An sie knüpft das Recht von seinen Anfängen an vielfältige Rechtsfolgen.-> Die Tat tötet den Mann ist ein deutsches (, seit dem 19. Jh. bezeugtes) Rechtssprichwort, das die möglicherweise in den ältesten Zeiten geltende -> Erfolgshaftung zum Ausdruck bringen soll. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schild, B., Die Tat tötet den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380 Tatbestand ist die Summe der Voraussetzungen für eine Rechtsfolge bzw. im Verfahrensrecht die Darstellung des Sachverhaltes. Tatbestände gibt es seit der Entwicklung von Recht. Als für die Rechtsanwendung grundlegende Besonderheit erkannt sind sie seit Anfang des 19. Jh.s. Lit.: Seiler, H., Der Tatbestand der negotiorum gestio, 1968; Burian, B., Der Einfluss der deutschen Naturrechtslehre auf die Entwicklung der Tatbestandsdefinition im Strafgesetz, 1970; Weißen- Micus, M., Tatbestandsmerkmale des Gesellschafts- vertrags im 19. Jahrhundert, 1985; Schaffstein, F., Studien zur Entwicklung der Deliktstatbestände, 1985 Täter-Opfer-Ausgleich ist der kriminalpolitische Ansatz des späteren 20. Jh.s, bei dem dann, wenn Täter und Opfer sich auf eine Schadenswidergutmachung einigen, ein Strafverfahren eingeschränkt oder unter Strafminderung abgeschlossen werden kann (Deutschland 1990 im Jugendstrafrecht, 1994 im Erwachsenenstrafrecht, 1998 in rund 9000 Fällen praktiziert). Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Taufe ist die die kirchliche Mitgliedschaft in der christlichen Kirche begründende Handlung. Sie erscheint vor Christus bei Johannes dem Täufer. Sie steht zunächst dem Bischof, später dem Taufkirchenpriester zu. Lit.: Heggelbach, O., Die christliche Taufe, 1953; Stenzel, A., Die Taufe, 1958; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983 Tauner (M.) Häusler in der Schweiz Lit.: Eichholzer, E., Über die Stellung der Tauner nach den Rechtsquellen des Kantons Zürich, ZRG GA 38 (1917), 115 Tausch ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich beide Seiten zur Hingabe eines bestimmten, nicht in Geld bestehenden Gegenstandes verpflichten. Der Tausch erscheint schon früh. Er wird zeitweise als Realvertrag eingeordnet. In seiner tatsächlichen Bedeutung wird er mit Entstehung der -> Geldwirtschaft vom -> Kauf rasch zurückgedrängt. Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 74, 91; Gelke, W., Kauf und Tausch in Babenhausen, Diss. jur. Mainz 1981; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Tausendschaft ist eine im Einzelnen zweifelhafte Untergliederung des Heeres germanischer Völker (Goten, Vandalen) im frühen Mittelalter. Ihre Herkunft ist unklar. Lit.: Rietschel, S., Die germanische Tausendschaft, ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181 Taxis -> Thurn und Taxis Technik Lit.: Technik in der frühen Neuzeit, hg. v. Engel, G. u. a., 2004; Metz, K., Ursprünge der Zukunft, 2005 Teeren und Federn ist die durch Bestreichen mit Teer und anschließendes Wälzen in Federn gekennzeichnete Form amerikanischer Lynchjustiz, für die es in Europa kaum gesicherte Zeugnisse gibt. Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954, 152 Teilgläubigerschaft Lit.: Riedler, A., Gesamt- und Teilgläubigerschaft, 1998 Teilnahme ist die Beteiligung an einer fremden Handlung (z. B. Anstiftung, Beihilfe). Sie erscheint tatsächlich schon sehr früh, wird als allgemeine Rechtsfigur aber erst am Ende des 18. Jh.s erfasst. Lit.: Köbler, DRG 204; Heimberger, J., Die Teilnahme, 1896; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Roth, A., Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989 Teilnovellen sind in Österreich die das -> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/1812) nach dem deutschen -> Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) modernisierenden Novellen von 1914, 1915 und 1916. Lit.: Baltl/Kocher; Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB, Ius commune 6 (1977), 274 Teilpacht ist die einen bestimmten Bruchteil (z. B. Hälfte, Drittel) des Ertrages als Pachtzins 765 festlegende Form der -> Pacht. Sie ist auf Grund provinzieller Praxis bereits dem römischen Recht bekannt. Im Hochmittelalter breitet sie sich seit dem 12. Jh. in vielen Ländern aus, tritt seit dem 14. Jh. aber wieder zurück. Lit.: Kaser § 42 II 1; Spieß, K., Teilpacht und Teilbauverträge, Z. f. Agrargesch. 36 (1988), 228 Teilrecht ist im Ehegüterrecht seit dem Hochmittelalter das Recht des wiederver- heirateten Ehegatten, eine Teilung mit den Kindern der ersten Ehe zu vollziehen, um die zugunsten der Kinder aus der ersten Ehe bestehende Verfangenschaft der Güter aus der ersten Ehe aufzuheben und einen Teil der Güter unbelastet in die zweite Ehe einzubringen. Lit.: Hübner § 95; Schröder, R., Das eheliche Güterrecht, 1868, Neudruck 1967 Teilungsanordnung Lit.: Rudolf, I., Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, 1966 Teilungsklage ist die auf Teilung von Miteigentum gerichtete Klage des römischen Rechts (z. B. [lat.] -> actio [F.] familiae erciscundae, -> actio communi dividundo). Lit.: Kaser § 23 IV 2 Teilzeitarbeit ist die mit der Verknappung der Arbeit in den Industriestaaten des ausgehenden 20. Jh.s hervortretenden Form der -> Arbeit. Lit.: Oertzen, C. v., Teilzeitarbeit, 1999 Teixeira de Freitas, Augusto (1816-1883) wird nach dem Rechtsstudium in Olinda und Sao Paulo Rechtsanwalt und kaiserlicher Rechtsberater. 1857 verfasst er die erste umfassende systematische Sammlung des Privatrechts Brasiliens (Consolidaçao das leis civis), 1860ff. einen vom römischen Recht wie von mehreren europäischen Rechten ausgehenden Entwurf eines Privatrechts- gesetzbuches (Esboco de Código civil). Er wirkt sich im Código civil Argentiniens (1869) aus. Lit.: Meira, S., Teixeira de Freitas, 1979; Augusto Teixeira de Freitas e il diritto Latinoamericano, 1938 Telegraphie ist die seit etwa 1850 mögliche Übermittlung von Texten über beliebige Entfernungen mit Hilfe der Eigenschaften des elektrischen Stroms. Lit.: Scherner, K., Innovation und Recht, ZNR 16 (1994), 39 Templerorden ist der 1119 von Hugo von Payens gegründete, nach dem Tempelberg in Jerusalem benannte, 1291 nach Zypern verlegte, 1312 vom Papst aufgehobene geistliche Ritterorden. Lit.: Demurger, A., Die Templer, 1991; Demurger, A., Der letzte Templer, 2004 Temporalien sind seit 1122 (Wormser Konkordat) die besonderen weltlichen Rechte der Kirche im Gegensatz zu den Spiritualien (geistlichen Angelegenheiten oder Rechten). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Lindner, D., Die Lehre von der Inkorporation, 1951 Tengler , Ulrich (Rottenacker bei Ehingen um 1447-Höchstädt 1511) wird nach Ausbildung in Stadtschule und Stiftsschule 1479-83 Stadt- schreiber in Nördlingen und danach pfalz- bayerischer Landvogt in Höchstädt an der Donau. 1509 gibt er den -> Laienspiegel heraus. Lit.: Köbler, DRG 143; Stintzing, R. v., Geschichte der populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 411 tenure (mengl.) Lehen, Rechtsstellung aus Belehnung Lit.: Hudson, Land, Law and Lordship, 1994 terra (lat [F.]) Land, Erde Lit.: Köbler, G., Land und Landrecht, ZRG GA 86 (1969), 1; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und Territorium, 1996 terra (F.) salica (lat.-afrk. [F.]) Herrenland Territorialitätsprinzip ist der Grundsatz der gebietsmäßigen Abgrenzung. Das T. bildet einen Gegensatz zum Personalitätsprinzip. Es gewinnt vor allem seit dem 12. Jh. (privilegium minus 1156) allgemeine Bedeutung. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hochmittelalterliche Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v. Chittolini, G. u. a., 1996 Territorialstaat ist der auf ein festes Gebiet (Territorium) bezogene -> Staat. Der T. ist ein Gegensatz zum Personenverbandsstaat. Er setzt sich seit dem 12. Jh. durch (privilegium minus 1156, Reichstag von -> Gelnhausen 1180). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler DRG 111, 149; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1972; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. Patze, H., 1970ff., Neudruck 1986; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Bader, K., Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen Entwicklung, 2. A. 1978; Müller, H., Oberhof und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Territorialstaat und 766 Calvinismus, hg. v. Schaab, M., 1993; Köbler, G., Historisches Lexikon der deutschen Territorien, 6. A. 1999 territorium (lat. [N.] ) Stadtgebiet, Herrschaftsgebiet Territorium ist das Herrschaftsgebiet. In der frühen Neuzeit gilt im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) in geschlossenen Territorien die Vermutung, dass jeder Ort der Territorialgewalt des Landesherrn unterworfen ist. Im 19. Jh. tritt das Staatsgebiet an die Stelle des Territoriums. Lit.: Below, G., Territorium und Stadt, 2. A. 1923; Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, 1928; Hamel, W., Das Wesen des Staatsgebietes, 1933; Moraw, P., König, Reich und Territorium im späten Mittelalter, 1971; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Die Territorien des Reichs, hg. v. Schindling, A., Bd. 1ff. 1989ff.; Statuten, Städte und Territorien, 1992; Hochmittelalterliche Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v. Chittolini, G. u. a., 1996; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und Territorium, 1996; Identit territoriali e cultura politica, hg. v. Bellabarba, M. u. a., 2000 tertia manus (lat. [F.]) dritte Hand -> intertiatio Tertiogenitur (Drittgeburt) -> Primogenitur Tertullian, Quintus Septimius Florens (Karthago um 160 n. Chr.-Karthago nach 220 n. Chr.), Anwalt in Rom, erster Lateiner unter den frühchristlichen Apologeten (Apologeticum um 197 n. Chr.) Lit.: Zilling, H., Tertullian, 2004 Tessel (F.) Kerbholz Tessin ist das vom gleichnamigen Fluss durchzogene Alpengebiet, das über Räter, Römer, Ostgoten und Langobarden an die Franken kommt. Bis 1335 fällt es an das Herzogtum -> Mailand, dem es zwischen 1403 und 1516 die Eidgenossen der -> Schweiz abgewinnen. 1798 wird das bis 1755 ziemlich lose Untertanenverhältnis in ein Kantonatsverhältnis (Lugano, Bellinzona, 1801 T.) umgewandelt. 1803 und 1814 entstehen aufgezwungene Verfassungen, am 4. Juli 1830 wird eine noch vor Ausbruch der Revolution in Frankreich erlassene, als Ausfluss der Volkssouveränität angesehene Verfassung geschaffen. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Patocchi, G., Gli influssi delle legislazioni straniere, 1961; Sauter, B., Herkunft und Entstehung der Tessiner Kantonsverfassung von 1830, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,458, 3,2,1915; Regesti di Leventina, a cura di Raschr, V. u. a., 1975; Le fonti del diritto del Cantone Ticino, Bd. 1 C, Formulari notarili, hg. v. Mango-Tomei, E., 1991 Testament ist die einseitige, nicht empfangsbedürftige, jederzeit frei widerruf- liche Willenserklärung, mit der ein -> Erblasser eine Regelung für den Fall seines Todes trifft und dadurch meist die an sich bestehende Rechtslage abändert. Das T. ist bereits dem altrömischen Recht in verschiedenen Formen bekannt (lat. [N.] testamentum). 446 lässt Kaiser Valentinian III. das eigenhändige T. im weströmischen Reichsteil zu. Von der Kirche gefördert, wird zusätzlich wohl zu einheimischen Entwicklungen erbrechtlicher Vergabungen das T. im 13. Jh. im deutschen Reich zunächst von der Geistlichkeit aufgenommen und verbreitet sich im 14. Jh. allgemein (z. B. in Lübeck im 13. und 14. Jh. mehr als 2700 überlieferte Testamente). Es bedarf einer gewissen Form (z. B. vor Rat, vor Notar). Möglich ist ein gemeinschaftliches T. In der frühen Neuzeit wird verstärkt auf das römische Recht zurückgegriffen, ohne dass alle seine Einzelheiten aufgenommen werden. In der Gegenwart steht das eigenhändige T. im Vordergrund, doch sind auch andere Formen möglich. Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Söllner §§ 5, 8, 11, 12, 14; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 38, 54, 60, 73, 89, 114, 123, 140, 162, 211, 239, 268; Köbler, LAW; Loening, O., Das Testament im Gebiet des Magdeburger Stadtrechtes, 1906; Schreiber, O., Das Testament des Fürsten Wolfgang von Anhalt vom 25. August 1565, 1913; Bergman, C., Testamentet i 1600- talents rättsbildning, 1918; Heymann, E., Das Testament Friedrich Wilhelms III., 1925 (SB Berlin); Aders, G., Das Testamentsrecht der Stadt Köln, 1932; Lentze, H., Das Wiener Testamentsrecht, ZRG GA 69 (1952), 103;, 70 (1953), 159; Florilegium testamentorum, hg. v. Wolf, H., 1956; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Piper, H., Testament und Vergabung von Todes wegen im braunschweigischen Stadtrecht, 1960; Simnacher, G., Die Fuggertestamente, 1960; Besta, E., Le successioni, 1961; Sheehan, M., The Will 767 in Medieval England, 1963; Regesten der Lübecker Bürgertestamente, hg. v. Brandt, A. v., Bd. 1ff. 1964ff.; Immel, G., Öffentliches Testament und procurator, Ius commune 1 (1967), 223; Hamburger Testamente 1351- 1400, bearb. v. Loose, H., 1970; Nonn, U., Merowingische Testamente, Archiv f. Diplomatik 18 (1972), 1; Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Privatrecht, 1972; Schulz, Gabriele, Testamente des späten Mittelalters aus dem Mittelrheingebiet, 1976; Spreckelmeyer, Zur rechtlichen Funktion frühmittelalterlicher Testamente, in: Vorträge und Forschungen 23 (1977), 91; Aris, P., L'homme devant la mort, 1977; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Testamente der Stadt Braunschweig, hg. v. Mack, D., 1988ff.; Baur, P., Testament und Bürgerschaft, 1989 (Konstanz); Kolmer, L., Spätmittelalterliche Testamente, Z. f. bay. LG. 52 (1989), 475; Kasten, B., Erbrechtliche Verfügungen des 8./9. Jahrhunderts, ZRG GA 107 (1990), 236; Beutgen, M., Die Geschichte der Form des eigenhändigen Testaments, 1992; Zenhäusern, G., Zeitliches Wohl und ewiges Heil, 1992; Paulus, C., Die Idee der postmortalen Persönlichkeit im römischen Testamentsrecht, 1992; Actes cause de mort, Recueils Société Jean Bodin, 1993; Bauer-Gerland, F., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995; Reinhardt, U., Lüneburger Testamente, 1996; Färber, M., Das gemeinschaftliche Testament, 1997; Rappert, K., Die Regensburger Testamentsordnung, 1997; Baaken, G., Das Testament Heinrichs VI., ZRG GA 116 (1999), 23; Umstätter, A., Das Testament im ägyptischen Erbrecht, 2000; Noodt, B., Religion und Familie in der Hansestadt Lübeck, 2000; Kasten, B., Zur Dichotomie von privat und öffentlich in fränkischen Herrschertestamenten, ZRG GA 121 (2004),158; Seif, U., Römisch-kanonisches Erbrecht in mittelalterlichen deutschen Rechtsaufzeichnungen, ZRG GA 122 (2005), 88; Hollberg, C., Deutsche in Venedig im späten Mittelalter, 2005 Testamentsgesetz ist das deutsche Gesetz über die Errichtung von -> Testamenten und -> Erbverträgen vom 31. 7. 1938, das diesen Rechtsbereich vorübergehend aus dem -> Bürgerlichen Gesetzbuch herauslöst und seine Formvorschriften mildert. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239; Gruchmann, L., Die Entstehung des Testamentsgesetzes, ZNR 7 (1985), 53; Schliepkorte, J., Entwicklungen des Erbrechts, 1989 Testamentsvollstrecker ist der vom -> Erblasser zur Ausführung seiner -> letztwilligen Anordnungen durch letztwillige Verfügung berufene Mensch. Das römische Recht kennt keine Testamentsvollstreckung. Im deutschen Recht entwickelt sie sich unter Förderung durch die Kirche bereits früh und wird in das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Lit.: Kaser § 67 V; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 211; Schultze, A., Die langobardische Treuhand, 1895; Schönfeld, W., Die Vollstreckung von Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen Quellen, ZRG GA 42 (1921), 240; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971; Offergeld, A., Die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers, 1995; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997 Testamentum (lat. [N.]) ist seit dem altrömischen Recht der Zeugenakt, durch den der -> Erblasser willkürlich bestimmte Personen zu Erben vielleicht anfangs nur von Einzelgegenständen machen kann. Das t. ist lange durch bestimmte Förmlichkeiten gekennzeichnet. -> Testament Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Köbler, DRG 23; Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Recht, 1972 Testamentum (N.) apud acta conditum (lat.) ist das spätantike, bei der Behörde begründete - > Testament. Lit.: Kaser § 67 III 4; Köbler, DRG 60 Testamentum (N.) calatis comitiis (lat.) ist das altrömische, vor den zweimal jährlich zusammengerufenen Kuriatkomitien vielleicht ursprünglich zwecks einer Art Kindesannahme errichtete Testament. Lit.: Kaser §§ 60 III 2b, 65 II 1b, 67 I 2a; Söllner §§ 5, 8; Köbler, DRG 23 Testamentum (N.) inofficiosum (lat.) ist das die nächsten Verwandten entgegen der Pietätspflicht nicht ausreichend bedenkende -> Testament. Lit.: Kaser § 70 I 1 Testamentum (N.) in procinctu (lat.) ist im altrömischen Recht das -> Testament vor dem aufgestellten Heer. Lit.: Kaser §§ 67 I 2b, 69 III 2c; Söllner § 5; Köbler, DRG 23 Testamentum (N.) per aes et libram (lat.) ist das durch Erz und Waage als Libralgeschäft vorgenommene, wohl anfangs nur der Übertragung einzelner Gegenstände dienende - > Testament des altrömischen Rechts. 768 Lit.: Kaser §§ 65 II 1b, 67 I 2b; Köbler, DRG 23 Testamentum (N.) per holographam scripturam ist im spätantiken weströmischen Recht das von Kaiser Valentinian III. 446 n. Chr. eingeführte eigenhändige -> Testament. Lit.: Kaser § 67 III 2; Köbler, DRG 60 Testamentum (N.) ruptum (lat.) zerrissenes und damit ungültig gemachtes Testament Testatio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Zeugenurkunde. Lit.: Kaser § 7 IV 2a; Köbler, DRG 43 Testierfreiheit ist die grundsätzlich von Beginn des Testaments an bestehende, nur ausnahmsweise eingeschränkte Freiheit, ein -> Testament zu errichten. Dem römischen Recht schon früh bekannt setzt sie sich im deutschen Mittelalter seit dem 13. Jh. allmählich durch. Bereits im 16. Jh. hat das römische Recht das einheimische Erbrecht erheblich umgestaltet und am Ende des 19. Jh.s ist die T. selbverständlich. Lit.: Kaser § 65 II 2; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Prochnow, J., Das Spolienrecht, 1919, Neudruck 1965; Wesener, G., Beschränkungen der Testierfreiheit, FG U. v. Lübtow 1970, 569; Stoll, F., Das Hagestolzenrecht, 1970; Tschappeler, H., Die Testierfreiheit, 1983, Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Landau, P., La libert di testare, Rivista internazionale di diritto comune 6 (1995), 29; Landau, P., Die Testierfreiheit, ZRG GA 114 (1997), 56; Goebel, J., Testierfreiheit als Persönlichkeitsrecht, 2004 testis (lat. [M.]) Dritter, Zeuge Testis in uno falsus in nullo fidem meretur (lat.). Ein Zeuge, der in einem Punkt gelogen hat, verdient in nichts Glauben. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Teufel Lit.: Fehr, H., Tod und Teufel im alten Recht, ZRG GA 67 (1950), 50 Teufelsvertrag ist der in Märchen, Sage, Schwank und Legende angeblich mit dem Teufel geschlossene Vertrag. Lit.: Zelger, R., Teufelsverträge, 1996; Link, L., Der Teufel, 1997; Schwaiger, G., Teufelsglaube und Hexenprozesse, 4. A. 1999 Teutone ist der Angehörige des 102 v. Chr. von den Römern bei Aquae Sextiae geschlagenen germanischen Volkes. Lit.: Köbler, DRG 28, 66 teutonicus (lat.-ahd.) deutsch texaca (lat.-afrk.) Diebstahl, Diebstahlsbuße Lit.: Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica, ZRG GA 89 (1972), 12; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973 Textkritik Lit.: Buchner, R., Grundsätzliches zur Textkritik, ZRG GA 66 (1948), 342 Thaleleios (6. Jh.) ist der byzantinische Rechtslehrer in Konstantinopel, dessen aus einem Codexkommentar stammende Werkreste in Scholien zu den Basiliken erkennbar sind. Lit.: Simon, D., Aus dem Kodexunterricht des Thalelaios, ZRG RA 86 (1969), 334, 87 (1970), 315 Theoderich der Große (451?-30. 8. 526) ist der bekannteste König der Ostgoten (um 470, 474?). Aus eher unbedeutender Familie stammend kommt er als Geisel mit dem römischen Reich in Berührung und erobert danach Italien, so dass ihm Kaiser Anastasius die Insignien eines Kaisers verleiht. Ihm wird das -> Edictum Theoderici zugeschrieben. Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 80; Ennslin, W., Theoderich der Große, 2. A. 1959; Kohlhas-Müller, D., Untersuchungen zur Rechtsstellung Theoderichs des Großen, 1995; Ausbüttel, F., Theoderich der Große, 2003 Theodosius II. (Konstantinopel 30. 8. 401 ­ 28. 7. 450), Sohn des oströmischen Kaisers Arcadius ist seit 408 oströmischer Kaiser. Unter dem Einfluss seiner gelehrten Ehefrau Athenais veranlasst er die Zusammenfassung der seit Konstantin erlassenen kaiserlichen Konstitutionen (Gesetze) in einem nach ihm benannten Gesetzbuch. -> Codex Theodo- sianus. Lit.: Williams, S./Friell, G., Theodosius, 1994; Ernesti, J., Princeps christianus, 1998; Leppin, H., Theodosius der Große, 2003 Theophilos (6. Jh.) ist der byzantinische Rechtslehrer in Konstantinopel, welcher der Kommission für den ersten -> Codex Justinians und für die -> Digesten angehört und gemeinsam mit Dorotheos die -> Institutionen abfasst. Überliefert ist eine vielleicht von ihm stammende kommentierende griechische Institutionenparaphrase. Sie wird als systematische, lateinische Fachwörter weit- gehend übernehmende Einführung in das römische Recht verwendet. Lit.: Söllner § 22; Lokin, J., Theophilos, TRG 44 (1976), 337; Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Graeco- Romani delineatio, 1985, 40 769 Theresiana -> Constitutio Criminalis Theresiana Thesaurus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der nach Hadrian (117-138 n. Chr.) je zur Hälfte an den Finder und den Grundstückseigentümer fallende -> Schatz. Lit.: Kaser § 26 I 3; Köbler, DRG 40 thesei dikaion (griech. [N.]) das gesetzte Recht Lit.: Köbler, DRG 31 Thessalien ist das Gebirgsland im mittleren -> Griechenland, das 148 v. Chr. an die Römer gelangt und über Byzanz (, Bulgaren und Franken) 1393 an die Osmanen fällt. Von der jeweiligen Herrschaft wird auch das Recht unterschiedlich beeinflusst. Lit.: Magdalino, P., Between Romaniae, Mediterranean Historical Review 4 (1989), 87 Thessaloniki (Saloniki) in -> Griechenland wird wohl 316/315 v. Chr. gegründet und ist seit 1925 Sitz einer Universität. Lit.: Vakalopoulos, A., History of Thessaloniki, 1963 Thibaut, Anton Friedrich Justus (Hameln 4. 1. 1772-Heidelberg 28. 3. 1840), Hugenotte, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen, Königsberg und Kiel 1798 außerordentlicher Professor in Kiel, 1801 ordentlicher Professor in Kiel, Jena (1802) und Heidelberg (1806). 1803 veröffentlicht er unter Abgehen von der römischen Legalordnung ein zweibändiges System des Pandektenrechts. 1814 setzt er sich wegen des praktischen Bedürfnisses aus Vaterlandsliebe für ein allgemeines bürgerliches Recht in Deutschland ein, unterliegt im sog. -> Kodifikationsstreit aber -> Savigny und der Reaktion. Lit.: Köbler, DRG 180, 211; Baumstark, E., Anton Friedrich Justus Thibaut, 1841; Thibaut und Savigny, hg. v. Stern, J., 1914; Kiefner, H., Anton Friedrich Justus Thibaut, ZRG GA 77 (1960), 304; Thibaut und Savigny, hg. v. Hattenhauer, H., 1973, 2. A. 2002; Polley, R., Anton Friedrich Justus Thibaut, 1982; Kitzler, A., Die Auslegungslehre des Anton Friedrich Justus Thibaut, 1986; Heidelberg im säkularen Umbruch, hg. v. Strack, F., 1987 Thing -> Ding thiuphadus (lat.-got. [M.]) Knechtsherr (str.) Lit.: Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181 Thöl, Johann Heinrich (Lübeck 6. 6. 1807- Göttingen 16. 5. 1884), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg (Thibaut, Mittermaier) 1837 außerordentlicher Professor in Göttingen, 1842 ordentlicher Professor in Rostock und (1849) in Göttingen. 1841 veröffentlicht er den ersten Band seines romanistisch-systematisch vorgehenden, ein Sonderrecht der Kaufleute anstrebenden -> Handelsrechts. Mit ihm begründet er eine durch -> Puchta (1798-1846) beeinflusste, streng begrifflich ausgeführte, kritische Handelsrechtswissenschaft. Lit.: Gercke, F., Heinrich Thöl, 1931; Raisch, P., Die Abgrenzung des Handelsrechts, 1962; Landwehr, G., Rechtspraxis und Rechtswissenschaft im lübischen Recht, Z. d. Ver. f. lübeck. Gesch. 60 (1980), 21; Kern, B., Georg Beseler, 1982; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986 Thomas von Aquin (Roccasecca bei Neapel 1224/5-Fossanova bei Terracina 7. 3. 1274), aus dem Geschlecht der Grafen von Aquino, wird nach dem Eintritt ins Kloster Monte Cassino (1230) und dem Studium in Neapel, dem Eintritt in den Dominikanerorden (1244) und weiteren Studien in Paris und Köln 1252 Lehrer der Theologie in Paris sowie danach (1259-1269) in Italien und in Paris (1269-72) tätig. Sein scholastisches, selbständigem wis- senschaftlichem Denken Bahn brechendes Hauptwerk ist die zu globaler Synthese von Glauben und Wissen strebende (lat.) Summa (F.) theologiae (Summe der Theologie) (1266- 73). Für das Recht bejaht T. v. A. ein auf natürliche Vernunft gegründetes und durch praktische Vernunft zu verwirklichendes -> Naturrecht. Leben, Freiheit und Eigentum sieht er als allgemeine Grundwerte. Lit.: Köbler, DRG 99, 191; Stupp, H., Mos geometricus, Diss. jur. Köln 1970; Pieper, T., Thomas von Aquin, 1981; Müller, K., Thomas von Aquin, 1983; Torrelli, P., Initiation Saint Thomas, 1993; Schönberger, R., Thomas von Aquin zur Einführung, 1998 Thomasius, Christian (Leipzig 1. 1. 1655- Halle 23. 9. 1728), Eloquenzprofessorensohn, wird nach dem Studium der Philosophie (1669) und des Rechts (1672) in Leipzig und Frankfurt an der Oder (Stryk) 1682 Rechtslehrer in Leipzig. 1685 hält er in seiner Schrift (lat.) De crimine bigamiae (Das Verbrechen der Bigamie) die Bigamie für naturrechtlich erlaubt. 1687 kündigt er als erster eine Vorlesung in deutscher Sprache an. 1688 begründet er die deutschen ,,Monatsgespräche" 770 als Verbreitungsmittel seiner an der Freiheit im Denken, Lehren und Schreiben ausgerichteten Vorstellungen. Nach einem Lehrverbot im Jahre 1690 wird er an die brandenburgische Ritterakademie in -> Halle (1694 Universität) berufen, an der er einen dreijährigen juristischen Kurs einführt. 1701 erklärt er, obwohl er sich von der Wirklichkeit des Teufels, der Zauberer und Hexen überzeugt zeigt, in (lat.) De crimine magiae (Das Verbrechen der Hexerei) Hexerei als fleischliche Verbindung mit dem Teufel wegen der Geistigkeit des Teufels für unmöglich. 1705 sieht er die Folter als unchristlich an. Sein Hauptwerk sind seine aufgeklärten (lat.) Fundamenta (N.Pl.) iuris naturae et gentium (Grundlagen des Natur- und Völkerrechts), in denen er das Recht von der Moral ablöst, das Recht als positiv vom jeweiligen Herrscher gesetzt versteht und das Völkerrecht als nicht erzwingbar aus dem Recht ausschließt. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 144, 145, 157, 158, 160, 186, 205; Fleischmann, M., Christian Thomasius und die akademischen Vorlesungen in deutscher Sprache, ZRG GA 30 (1909), 315; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Christian Thomasius, hg. v. Fleischmann, M., 1931; Battaglia, F., Christiano Thomasio, 1936; Bloch, E., Christian Thomasius, 1953; Schubart-Fikentscher, G., Unbekannter Thomasius, 1954; Lieberwirth, R., Christian Thomasius, 1955; Thomasius, C., Über die Folter, hg. v. Lieberwirth, R., 1960; Thomasius, C., Über die Hexenprozesse, hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius, 1968; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Cattaneo, M., Delitto e pena, 1976; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995; Schwerhoff, G., Aufgeklärter Traditionalismus, ZRG GA 104 (1987), 247; Christian Thomasius, hg. v. Schneiders, W., 1989; Christian Thomasius (1655-1728), 1997; Kühnel, M., Das politische Denken von Christian Thomasius, 2001; Steinberg, C., Christian Thomasius als Naturrechtslehrer, 2005; Tomasoni, F., Christian Thomasius, 2005 Thora -> Tora Thorn an der unteren Weichsel entsteht um die 1233/1234 vom Hochmeister des -> Deutschen Ordens errichtete Burg. 1233 erhält die Altstadt die Kulmer Handfeste, 1264 die Neustadt Stadtrecht. Sein Schöffenstuhl urteilt nach Magdeburger Recht. Von 1400 bis 1402 verfasst der Stadtschreiber Walther Ekhardi -> Neun Bücher magdeburgischen Rechts. Von 1793 bis 1920 ist T. bei Preußen. 1945 wird in Polen eine Universität in T. eingerichtet. Lit.: Steffenhagen, E., Die neun Bücher Magdeburger Rechts, 1865; Salmonowicz, S., Krystian Bogumil Steiner (1746 bis 1814), 1962; Biskup, M., Historia Torunia, Bd. 1 1992; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 51 Thraker ist der Angehörige des thrakisch sprechenden, vor allem im Gebiet des heutigen Bulgarien siedelnden Volkes, das eines der ältesten und größten indogermanischen Völker ist und bedeutende Prunkstücke der Goldschmiedkunst z. B. aus dem 4. Jh. v. Chr. hinterlassen hat. Lit.: Boshnakov, K., Die Thraker südlich vom Balkan in den Geographika von Strabo, 2003 Thron ist der Stuhl des Herrschers (mit hoher, gerade endender Rückenlehne), der als Rechtssymbol der Herrschaft Verwendung findet. In diesem Sinne verbünden sich spätestens in der frühen Neuzeit T. und Altar. Eine Trennung erfolgt erst 1918. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989; Instinsky, H., Bischofsstuhl und Kaiserthron, 1955; Gussone, N., Thron und Inthronisation des Papstes, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Thronfolge ist die Nachfolge im Herrscheramt, die teils nach Erbrecht, teils nach Wahlrecht erfolgt. Lit.: Pflugk-Harttung, J. v., Zur Thronfolge in den germanischen Stammesstaaten, ZRG GA 11 (1890), 177; Sickel, W., Das Thronfolgerecht der unehelichen Karolinger, ZRG GA 24 (1903), 110; Turba, G., Geschichte des Thronfolgerechts, 1903; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1981; Real, W., Über persönliche und faktische Hindernisse bei der Thronfolge, ZRG GA 94 (1977), 226; Schneider, R., Königswahl und Thronfolge, 1987; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1987; Hlawitschka, E., Untersuchungen zu den Thronwechseln, 1987; Faußner, H., Die Thronerhebung des deutschen Königs im Hochmittelalter und die Entstehung des Kurfürstenkollegiums, ZRG GA 108 (1991), 1; Wolf, G., Die Königssöhne Karl und Karlmann und ihr Thronfolgerecht nach Pippins Königserhebung 750/51, 771 ZRG GA 108 (1991), 282 Thüngen Lit.: Thüngen, R. Frhr. v., Aus der Familiengeschichte derer von Thüngen, ZRG GA 45 (1925), 367 thunginus (lat.-afrk. [M.]) Dingmann, Leiter der Versammlung auf dem Malberg, im 8. Jh. vom Grafen verdrängt Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 85, 86; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, Neudruck 1971; Guttenberg, E. Frhr. v., Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel, 1952, 100; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985 Thurgau ist das zwischen Reuß, Aare, Rhein und Bodensee gelegene, über Räter und Römer im 5. Jh. an die Alemannen (und damit an die - > Franken) gelangte, seit 741 als T. bezeichnete Gebiet. 1264 kommt es an die Grafen von Habsburg. 1460/1461 erobern die Eidgenossen der -> Schweiz den T. und verwalten ihn als gemeine Herrschaft, die 1792 unabhängig wird und sich 1798 der helvetischen Republik bzw. 1803 der Schweiz eingliedert. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Blumer, P., Das Landgericht und die gräfliche Hochgerichtsbarkeit der Landgrafschaft im Thurgau, Diss. jur. Leipzig 1908; Brüschweiler, P., Die landfriedlichen Simultanverhältnisse im Thurgau, 1932; Herdi, E., Geschichte des Thurgaus, 1943; Kundert, W., Die Zivilgesetzgebung des Kantons Thurgau, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2460; Giger, B., Gerichtsherren, Gerichtsherrschaften, Gerichtsherrenstand im Thurgau, Thurgauische Beiträge zur Geschichte 130 (1993), 5 Thüringen ist das von den Thüringern besiedelte Gebiet. Seit dem Spätmittelalter (1485, 1572) zersplittert T. unter den -> Wettinern territorial, wird aber 1920 nochmals zusammengefasst. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 75; Köbler, Historisches Lexikon; Patze, H., Recht und Verfassung thüringischer Städte, 1955; Günther, G., Die Anfänge der Rezeption des mittelalterlichen römischen Zivilrechts in Thüringen, Diss. jur. Jena 1957 (masch.schr.)Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen, ZRG GA 75 (1958), 108; Forschungen zur thüringischen Landesgeschichte, hg. v. Eberhardt, H., 1958ff.; Übersicht über die Bestände des thüringischen Landeshauptarchivs Weimar, hg. v. Eberhardt, H., 1959 (und weitere Bände für Landesarchive); Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett, 1962; Patze, H., Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen, 1962; Hess, U., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Patze, H., Bibliographie zur thüringischen Geschichte, 1965; Schlesinger, W., Geschichte Thüringens, 1967; Klein, T., Thüringen, 1983; Hessen und Thüringen, 1992; Heil, T., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; Post, B., Thüringen-Handbuch, 1999; Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000; Westphal, S., Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung, 2002; Heinrich Raspe, hg. v. Werner, M., 2002 Thüringer ist der Angehörige des germanischen, um 400 mit einem Königreich zwischen Donau und Harz nachweisbaren Volkes der Thüringer, die noch im deutschen Bundesland Thüringen nachwirken. Für sie wird 802 die -> Lex Thuringorum aufge- zeichnet. Thurn und Taxis ist die im 13. Jh. in Oberitalien nachweisbare Familie, die seit der Neuzeit (1490) allmählich das Postwesen des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) erlangt (1595 Reichsgeneralpostmeister). 1792 erlässt die Familie in ihrem Reichsfürstentum Friedberg-Scheer ein Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch. 1793 wird ein Strafgesetzbuchent- wurf erstellt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939; Nordmann, J., Kodifikationsbestrebungen in der Grafschaft Friedberg- Scheer, Z. f. württemberg. LG. 28 (1969), 265; Piendl, M., Das fürstliche Haus Thurn und Taxis, 1980; Behringer, W., Thurn und Taxis, 1990; Ruhnau, R., Die fürstlich thurn und taxissche Privatgerichtsbarkeit in Regensburg, 1998 Tiara ist die außerliturgische Kopfbedeckung des Papstes in konischer, von drei Kronreifen umringter Form. Sie geht vielleicht auf eine persisch-phrygische Mütze zurück. Seit dem 8. Jh. lässt sie sich für den Papst nachweisen. Seit 13. 11. 1964 wird sie nicht mehr verwendet. Lit.: Sachsse, Tiara und Mitra der Päpste, ZKG 35 (1914), 481; Sirch, B., Der Ursprung der bischöflichen Mitra und päpstlichen Tiara, 1975 Tie ist seit dem Mittelalter der dörfliche Versammlungsplatz in Norddeutschland (vor allem zwischen Hannover, Kassel und Magdeburg). Lit.: Bischoff, K., Der Tie, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz 1971, 1972; Bischoff, K., Nachträge zum Tie, Jb. d. 772 Vereins f. niederdt. Sprachforschung 101 (1978), 158 Tier ist das Lebewesen, das sich vom Menschen durch das Fehlen von Vernunft und Sprache und von der Pflanze durch Bewegungsfähigkeit und Empfindungsver- mögen unterscheidet. Es wird seit dem römischen Recht als -> Sache behandelt. Im Mittelalter in Frankreich und später auch im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) sind Tierprozess und Tierstrafe möglich. Die fragwürdige Massentierhaltung des 20. Jh.s führt zu gesetzlichem Tierschutz und zur Einordnung des Tieres als ein von leblosen Sachen verschiedener, aber grundsätzlich wie eine Sache zu behandelnder Gegenstand (Österreich 1988, Deutschland 1990). Bei einem durch ein Tier verursachten Schaden gilt im römischen Recht die Noxalhaftung (lat. noxae datio [F.]), im deutschen Recht die später als -> Gefährdungshaftung verstandene Haftung des Herrn (Tierhalters). Lit.: Hübner 612; Köbler, DRG 65, 128, 166, 216, 269; Behrens, O., Die Haftung für Tierschäden, Diss. jur. Göttingen 1906; Evans, E., The criminal prosecution and capital punishment of animals, 1906; Berkenhoff, H., Tierstrafe, Tierbannung und rechtsrituelle Tötung, 1937; Thoma, H., Ein Gottesgericht an Tieren, ZRG GA 70 (1953), 325; Sellert, W., Das Tier in der abendländischen Rechtsauffassung, in: Studium generale. Vorträge zum Thema Mensch und Tier der tierärztlichen Hochschule Hannover, 1984, 66; Laufs, A., Das Tier im alten deutschen Recht, Forschungen zur Rechtsarchäologie 7 (1985), 109; Zerbel, M., Tierschutz im Kaiserreich, 1993; Eberstein, W., Das Tierschutzrecht, 1999; Schmalhorst, R., Die Tierhalterhaftung, 2002; Giebel, M., Tiere in der Antike, 2003; Paravicini, W., Tiere aus dem Norden, DA 59 (2003), 559; Pfeiffer, J., Das Tierschutzgesetz vom 24. Juli 1972, 2004 Tierepos ist das ein -> Tier als Sinnbild eines Menschen verwendende Dichtwerk. Bekannte Beispiele des T. sind der Ysengrimus des Magisters Nivardus (um 1150) oder der Reinhart Fuchs des Elsässers Heinrich (1180/1191). Lit.: Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform, 1925; Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Knapp, F., Das lateinische Tierepos, 1979; Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel, K., 1984; Ysengrimus, hg. v. Mann, J., 1987 Tierhalterhaftung -> Tier Tipoukeitos (griech. was wo steht) ist das repetierende byzantinische Rechtsbuch des M(ichael?) Patzes (12. Jh.) zu den Basiliken. Lit.: Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Graeco- Romani delineatio, 1985, 102 Tiraqueau (Tiraquellus), André (Fontenay-le- Comte 1488-1558), adliger Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Poitiers Richter. 1513 kommentiert er den eherechtlichen Teil der Coutume von Poitiers, 1543 das Gewohnheitsrecht von Poitou. 1560 veröffentlicht er eine Untersuchung über die Stiftung (De privilegiis piae causae). Lit.: Brejon, J., Un jurisconsulte de la renaissance, 1937 Tirol im von Natur aus unwirtlichen Herzen der Alpen wird 15 v. Chr. von den Römern (Noricum, Raetia, Venetia et Istria) besetzt, die seit dem 5. Jh. germanischen Völkern (Langobarden, Alemannen, Bayern, Franken) weichen. 1004, 1027 und 1091 überträgt der deutsche König zur Sicherung des Weges nach Italien Grafschaften im Gebirge an die Bischöfe von -> Trient und -> Brixen, die diese an Grafen als Vögte weitergeben. Von den verschiedenen Grafengeschlechtern setzen sich die nach der Burg T. bei Meran benannten Grafen von T. im 13. Jh. durch (Graf Albert 1190-1253, Graf Meinhard II. von Görz 1258- 1295). 1363 geht das sich von -> Bayern allmählich verselbständigende, von vielen Seiten begehrte T. durch Margarethe Maultasch unter Unterstützung seitens jüdischer Geld- geber an -> Habsburg über. Nicht unbedeutsam ist die spätmittelalterliche maximilianische Verwaltungsreform, die Regiment und Raitkammer einführt. 1499 schafft König Maximilian (der letzte Ritter) für T. eine dem Mittelalter verpflichtete Halsgerichtsordnung (Malefizordnung). 1504/1506 werden als Gewinn aus dem bayerischen Erbfolgestreit Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg T. hinzugefügt. 1526 erreicht T. eine von Michael Gaismair geprägte Landesordnung (1532, 1573 abgeändert). Im Absolutismus erfolgt eine verstärkte Einbeziehung in den Gesamtstaat Österreich. 1803 werden die Hochstifte -> Trient und -> Brixen eingegliedert. In napoleonischer Zeit versucht Andreas -> Hofer (1809) vergeblich die Befreiung von der Herrschaft Frankreichs bzw. Bayerns. 1919 werden Deutschsüdtirol (vom Brenner bis zur Salurner Klause) und das Trentino als Lohn für 773 die italienische Haltung im ersten Weltkrieg von den Alliierten an -> Italien gegeben und danach in erheblichem Umfang italienisiert. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 170, 220; Bidermann, H., Geschichte der landesfürstlichen Behörden, 1866; Tirolische Weistümer, Bd. 1ff. 1875ff.; Sartori-Montecroce, R. v., Über die Rezeption des römischen Rechtes in Tirol, 1895; Kogler, F., Das landesfürstliche Steuerwesen in Tirol, Teil 1 1901; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Beiträge zur Rechtsgeschichte Tirols, 1904; Wopfner, H., Das Tiroler Freistiftrecht, 1905; Kogler, F., Die älteren Stadtrechtsquellen von Kitzbühel, Zeitschrift des Ferdinandeums, 3. Folge 52 (1908); Stolz, O., Geschichte der Gerichte Deutschtirols, 1912; Heuberger, R., Die Kundschaft Bischof Konrads III. von Chur über das Landrecht Graf Meinhards II. von Tirol, 1915; Heuberger, R., Graf Meinhard II. von Tirol, Zeitschrift des Ferdinandeums, 3. Folge 59 (1916), 97; Stolz, O., Politisch-historische Landesbeschreibung von Tirol, 1923ff.; Wretschko, A., Über Eigenleute und Eigenleuteteilungen in Tirol, ZRG GA 46 (1926), 366; Huter, F., Die Quellen des Messgerichtsprivilegs der Erzherzogin Claudia für die Boznermärkte (1635), 1927; Stolz, O., Geschichte der Stadt Vils in Tirol, 1927; Stolz, O., Zur Geschichte der Landeshoheit im Unterengadin und in Tirol, ZRG GA 49 (1929), 439; Wretschko, A. v., Zur Rechts- und Verfassungsgeschichte einer einst bayerischen Innstadt (Rattenberg), ZRG GA 49 (1929), 449; Stolz, O., Die Landstandschaft der Bauern in Tirol, Historische Vierteljahrsschrift 28 (1933), 699, 29 (1934), 109; Tiroler Urkundenbuch, Bd. 1ff. bearb. v. Huter, F., 1937ff.; Marthaler, E., Untersuchungen zur Verfassungs- und Rechtsgeschichte der Grafschaft Vintschgau im Mittelalter, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 70 (1940), 71 (1942); Schmidt, E., Die maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Stolz, O., Geschichte des Landes Tirol, 1955; Stolz, O., Quellen zur Geschichte des Zollwesens und Handelsverkehrs in Tirol und Vorarlberg, 1955; Stolz, O., Der geschichtliche Inhalt der Rechnungsbücher der Tiroler Lasndesfürsten von 1288- 1350, 1957; Linder, K., Beiträge zur Geschichte der Klosterherrschaft Stams, Schlernschriften 146 (1959), 1; Stolz, O., Wehrverfassung und Schützenwesen in Tirol, hg. v. Huter, F., 1960; Keul, M., Staatliche Gewerbepolitik in Tirol 1648-1740, 1960; Bundsmann, A., Die Entwicklung der politischen Verwaltung in Tirol und Vorarlberg, 1961; Das älteste Tiroler Kanzleiregister 1308-1315, bearb. v. Zauner, A., 1967; Neue Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde Tirols (FS Franz Huter), hg. v. Troger, E. u. a., 1969; Grass-Cornet, M., Aus der Geschichte der Nordtiroler Bürgerkultur (Fuchs von Amras), 1970; Hye, F., Die Innsbrucker Familie Weinhart, 1970; 100 Jahre Bezirkshauptmannschaften in Tirol, hg. v. d. Tiroler Landesregierung, 1972; Hochenegg, H., Der Adel im Leben Tirols, 1971; Bitschnau, M., Burg und Adel in Tirol zwischen 1050 und 1300, 1983; Riedmann, J., Die Beziehungen der Grafen und Landesfürsten von Tirol zu Italien bis zum Jahre 1335, 1977; Inama-Sternegg, H., Geschichte aller Familien Inama, 1978; Fontana, J. u. a., Geschichte des Landes Tirol, Bd. 1ff. 2. A. 1990; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 3. A. 2001; Kathrein, I., Parlamentarismus in Tirol, 1988; Tirol und der Anschluss, hg. v. Albrich, T. u. a., 1988; Köbler, G., Vom Tiroler Recht, in: Tiroler Recht 1919-1992, hg. v. Köbler, G., 1993, 3; Baum, W., Margarethe Maultasch, 1994; Wopfner, H., Tiroler Bergbauernbuch, hg. v. Grass, N., Bd. 1ff., 1995ff.; Tirol, hg. v. Gehler, M., 1999; König, Kirche, Adel ­ Herrschaftsstrukturen im mittleren Alpenraum, hg. v. Loose, R. u. a., 1999; Die Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein, hg. v. Schwob, A., Bd. 1ff. 1999ff.; Schennach, M., Tiroler Landesverteidigung 1600-1650, 2002; Albertoni, G., Die Herrschaft des Bischofs, 2003 Tisch ist das aus einer auf Beinen ruhenden Platte bestehende Möbelstück, das als Rechtssymbol verwendet werden kann (z. B. Gerichtstisch, Trennung von Tisch und Bett). Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994 Titel ist die besondere Bezeichnung eines Menschen oder eines Werkes bzw. Werkteiles. Die T. von Herrschern und Funktionen wechseln seit dem Altertum in kaum überschaubarer Vielfalt. Lit.: Wolfram, H., Intitulatio, Bd. 1 1967, Bd. 2 1973; Löhken, H., Ordines dignitatum, 1982; Intitulatio (Bd.) 3, hg. v. Wolfram, H. u. a., 1988; Schwarz, J., Herrscher- und Reichstitel bei Kaisertum und Papsttum im 12. und 13. Jahrhundert, 2003; Krabs, O., Von Erlaucht bis Spektabilis, 2004 Titelherzogtum ist das als bloßer -> Titel verliehene Herzogtum. Lit.: Werle, H., Titelherzogtum und Herzogsherrschaft, ZRG GA 73 (1956), 225 Titulus (lat. [M.]) ist im spätantiken römischen Recht der Rechtsgrund eines Eigentumserwerbes. Nach der späteren Lehre (Johannes -> Apel 1485-1536) erfordert eine Eigentumsübertragung einen t. acquirendi (z. 774 B. Kauf, Schenkung) und einen (lat.) modus (M.) acquirendi (z. B. Übergabe). Dies wird in Deutschland im 19. Jh. durch -> Savigny verändert. -> Einigung Lit.: Kaser § 24 IV; Köbler, DRG 61, 163, 212; Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927 Tobitschau in Mähren ist der Ort, nach dem ein 1481 vom Hofrichter und Landeshauptmann Ctibor von Cimburk und Tovacovská (T.) (1437-1494) in tschechischer Sprache verfasstes, durch mehr als 70 bekannte Handschriften überliefertes, in 224 Kapitel geteiltes Rechtsbuch des spätmittelalterlichen mährischen Landesrechtes benannt ist (Tobitschauer Rechtsbuch bzw. Kniha Tova- covská). Es betrifft Verfassungsrecht, Prozessrecht, Erbrecht, Vormundschaftsrecht, Ehegüterrecht und anderes. Der Einfluss des deutschen Rechts ist gering, ein Einfluss des römischen Rechts fehlt. 1535 wird das Tobitschauer Rechtsbuch für die mährische Landesordnung verwertet. Lit.: Tomaschek, J., Recht und Verfassung der Markgrafschaft Mähren, 1863; Brandl, V., Kniha Tovacovská, 1868; Raupach, H., Das eheliche Güterrecht der Kniha Tovacovská, 1931 Tocco -> Karolus de Tocco, -> Lombarda Tod ist das Erlöschen der Lebensäußerungen eines Lebewesens, insbesondere eines Menschen. Mit dem T., dessen feststellbare Kennzeichen in der Medizin auch in der Gegenwart noch nicht eindeutig festgelegt sind (Hirntod?), endet die -> Rechtsfähigkeit des Betreffenden. Mit den daraus entstehenden Fragen befasst sich bereits früh vor allem das - > Erbrecht. Im Strafvollzug ist der T. die angestrebte Rechtsfolge der -> Todesstrafe. Lit.: Kaser §§ 13 II 2, 58 VII 1a; Hübner; Köbler, DRG 23 u.ö.; Fehr, H., Tod und Teufel im alten Recht, ZRG GA 67 (1950), 50; Ranke, E., Rosengarten, Recht und Totenkult, 1951; Harder, M., Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, 1968; Boase, T., Death in the Middle Ages, 1972; Latzel, K., Vom Sterben im Krieg, 1988; Ohler, N., Leben und Sterben im Mittelalter, 1990; Aries, P., Geschichte des Todes, 1990; Tod im Mittelalter, hg. v. Borst, A. u. a., 1993; Jones, C., Die letzte Reise, 1999 Todeserklärung ist die Feststellung des Todes eines Verschollenen auf Grund eines Aufgebotsverfahrens. Sie entwickelt sich aus der im Spätmittelalter sichtbaren Todes- vermutung im 18. Jh. in Sachsen und Preußen (1763) und geht von dort in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ein. Am 4. 7. 1939 wird ein eigenes deutsches Verschollenheitsgesetz erlassen. Dem folgen die Tschechoslowakei, Italien und Spanien. Lit.: Kaser, M., Das römische Privatrecht, Bd. 1 2. A. 1971, 273; Hübner; Riesenfeld, C., Verschollenheit und Todeserklärung, 1891; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Todesstrafe ist die in der Tötung eines Menschen bestehende -> Strafe. Sie ist bereits dem Altertum bekannt. Inwieweit sie den Germanen als Strafe geläufig ist, ist streitig. Vom ausgehenden 9. Jh. bis zum 11. Jh. findet sie sich kaum. Sie erscheint aber in den hochmittelalterlichen Landfrieden. Ihre Gestalt ist unterschiedlich (Hängen, Enthaupten, Ertränken, Vierteilen, Lebendigbegraben, Verbrennen, Vergiften, Pfählen, Spießen, Sieden, Einmauern, Rädern, Erschießen, Steinigen). Vollzogen wird sie meist vom -> Henker oder -> Scharfrichter (im Spätmit- telalter in Konstanz jährlich durchschnittlich 3- 4 Hinrichtungen, meist an Fremden, die Hälfte der Todesurteile wird durch Stadtverweisung ersetzt). Seit dem 18. Jh. lehnt die Aufklärung (Beccaria 1764) die T. ab (z. B. Toskana 1786- 1790, Österreich 1787-1795, Einschränkung in Frankreich 1832). 1919 (bis 1933) bzw. 1950 (im standgerichtlichen Verfahren am 7. 2. 1968) wird sie in Österreich abgeschafft, 1937 in der Schweiz, 1949 in der Bundesrepublik Deutschland, 1965 in England, 1987 in der Deutschen Demokratischen Republik, 1997 in Polen, Estland und Aserbeidschan, 1998 in Bulgarien, 1999 in der Ukraine. 1997 halten noch 91 Staaten an der Todesstrafe fest (rund 3700 Todesurteile [bekannt], rund 2300 Hinrichtungen, vor allem in China, im Iran, in Saudiarabien und in den Vereinigten Staaten von Amerika), während 61 Staaten sie nicht mehr kennen (bzw. 104 Staaten die T. [zu Friedenszeiten] verbieten oder nicht anwenden). Das zweite Fakultativprotokoll des internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und das sechste Zusatzprotokoll der europäischen Menschenrechtskonvention streben die Abschaffung der T. an. 2002 einigen sich 36 775 Mitgliedstaaten des Europarats auf Abschafftung der T. auch im Kriegsfall. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 20, 35, 56, 71, 87, 117, 119, 158, 204, 236, 237, 265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Goldschmit, H., Das Ertränken im Fass, Zeitschrift f. vergl. Rechtswiss. 41 (1925), 41 (1926); Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942; Ström, F., On the sacral origin of the Germanic death penalties, 1942; Brunner, G., Die Todesstrafe in der Zeit der Aufklärung, Diss. jur. Halle 1955; Wettstein, E., Die Geschichte der Todesstrafe, Diss. jur. Zürich 1958; Strub, B., Der Einfluss der Aufklärung auf die Todesstrafe, 1973; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Fleckenstein, M., Die Todesstrafe im Werk Carl Joseph Anton Mittermaiers, 1992; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren, in: Recht im frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H., 1995, 109; Evans, R., Rituals of retribution, 1996; Bergman, M., Dödsstraffet, 1996; Schabas, W., The abolition of the death penalty, 1997; Lott, A., Die Todesstrafen im Kurfürstentum Trier, 1998; Zur Aktualität der Todesstrafe, hg. v. Boulanger, C., 1998; Martschukat, J., Inszeniertes Töten, 2000; Luginbühl, B., Im Kampf gegen die Todesstrafe. Jean- Jacques Comte de Sellon (1782-1839), 2000 ; Overath, P., Tod und Gnade, 2001; Evans, R., Rituale der Vergeltung, 2001; Derrida, J./Roudinesco, E., De quoi demain, 2001; Martschukat, J., Die Geschichte der Todesstrafe in Nordamerika, 2002; Seitz, A., Die Todesstrafe ist keine Strafe, 2003; Wirth, I., Todesstrafen, 2004 Todesurteil ist das auf die -> Todesstrafe erkennende Urteil. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964 Toleranz ist die geduldige Hinnahme (andersartiger) Anschauungen und Verhaltens- weisen anderer. Sie ist vor allem in Fragen der Religion seit der frühen Neuzeit (Reformation von 1517) bedeutsam. 1615 anerkennt der zum Calvinismus übergetretene Kurfürst von Brandenburg den Fortbestand des Luthertums. 1685 öffnet das Potsdamer Edikt Preußen den Hugenotten. 1781 gewährt Joseph II. in Österreich den Anhängern der (lutherischen) augsburgischen und helvetischen Konfession sowie den orthodoxen nicht unierten Griechen in einem Toleranzpatent gewisse T. Dieses Toleranzpatent bleibt bis 1849 bzw. 1861 in Kraft. Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 136, 142, 159; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 445; Zur Geschichte der Toleranz, hg. v. Lutz, H., 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Im Zeichen der Toleranz, hg. v. Horten, P., 1981; Landau, P., Zu den geistigen Grundlagen des Toleranzpatentes Kaiser Josephs II., Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 32 (1981), 187; Religiöse Toleranz, hg. v. Gugglsberg, H., 1984; Toleranz im Mittelalter, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1998; Toleration in Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999; Berghahn, K., Grenzen der Toleranz, 2000; Calvinism and Religious Toleration in the Dutch Golden Age, hg. v. Hsia, R. u. a., 2002 Tomii, Masaakira (1858-1935) wird nach dem Rechtsstudium in Lyon von 1885 bis 1902 und von 1908 bis 1918 Professor in Tokio. Er wirkt maßgeblich bei dem nach deutschem Vorbild geschaffenen japanischen -> Bürgerlichen Gesetzbuch mit. Sein unvollendet gebliebenes Hauptwerk ist ein systematisches Lehrbuch des bürgerlichen Rechts (1903ff.). Lit.: Tomii-danshaku tsuitô-sh, 1936; Hoshino, E., Minpô ronsh, Bd. 5 1986, 145 Tonti oder Tontine ist das nach dem neapolitanischen Arzt Lorenzo Tonti (1630- 1695) benannte, in den romanischen Ländern verbreitete Gewinnverteilungssystem, bei dem Einzahlungen in besonderen Fonds angesammelt und nach einer bestimmten Zeit den noch Überlebenden der Einleger bzw. dem Policeninhaber als Kapital oder Rente ausgeschüttet werden. Lit.: Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961; Braun, H., Geschichte der Lebensversicherung, 2. A. 1963 Topik ist die Lehre von den gängigen, allgemein anerkannten Begriffen, Sätzen und Argumenten. Sie ist bereits der griechischen Philosophie (Aristoteles) vertraut. In der Rechtswissenschaft gewinnt sie nur zeitweise eine gewisse Bedeutung (z. B. Cicero, Oldendorp, Vico, Viehweg [1907-88]). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Struck, G., Topische Jurisprudenz, 1971; Viehweg, T., Topik und Jurisprudenz, 1953, 5. A. 1974; Wieacker, F., Über strengere und unstrenge Verfahren der Rechtsfindung, FS W. Weber 1974, 421; Seibert, T., Juristische Topik, Z. f. Literaturwissenschaft und Linguistik 38/9 (1980), 776 169; Rehbock, K., Topik und Recht, 1988 Tora, Thora (hebräisch [F.] Lehre, Weisung, Gesetz) ist die jüdische Bezeichnung hauptsächlich für die fünf Bücher Moses, insbesondere das fünfte Buch. Die T. steht im Mittelpunkt des jüdischen Glaubens. Sie ist Gesetz des jüdischen Gottes. Lit.: Majer, J., Geschichte der jüdischen Religion, 1992; Crüsemann, Die Tora, 1992; Die Tora, hg. v. Böckler, A., 2000; Weber, R., Das Gesetz im hellenistischen Judentum, 2000; Weber, F., Das ,,Gesetz" bei Philon von Alexandrien und Flavius Josephus, 2001 Torgau Lit.: Knabe, C., Geschichte der Stadt Torgau, 2. A. 1925; Schmidt, R., Die Torgauer Hochzeit als Beispiel für Rechtsform und Rechtsanschauung im 16. Jahrhundert, ZRG GA 75 (1958), 372 Tortur (F.) Folter Lit.: Helbing, F., Die Tortur, 1926, Neudruck 1983; Fiorelli, P., La tortura giudiziaria nel diritto comune, Bd. 1f. 1953f.; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1976; Waider, H., Spees Auseinandersetzung mit der Tortur, Jb. d. Köln. Gesch.-Ver. 54 (1983), 1 Tory (M.) Konservativer in England (Schimpfname, angeblich von Tar a ry, komm o König, um 1680, -> whig vielleicht von whig ,,dünnes Bier" oder von whigman ,,Antreibe- stock", um 1680) Toskana (2. Jh. n. Chr. Tuscia, vorher Etruria) ist eine lange Zeit zum Heiligen Römischen Reich zählende Landschaft in Italien. Seit 1765 ist sie mit Florenz als Mittelpunkt habsburgische Sekundogenitur, in der bedeutsame Gesetzesvorhaben entwickelt werden (Gemeindeordnung, 1782 bzw. 1787 auf 145 Artikel erweiterter Entwurf einer wohl von Amerika beeinflussten, konstitutionelle Monarchie anstrebenden -> Verfassung, dessen Verwirklichung unterbleibt, als aus dynastischen Gründen die unmittelbare Zuordnung zu Österreich wahrscheinlich wird). 1860 wird die T. mit dem Königreich Sardinien und damit mit -> Italien (1861) vereinigt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Schneider, F., Die Reichsverwaltung Toskanas, Bd. 1 1914; Christoph, P., Großherzogtum Toskana, 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,154, 3,1,283, 3,2,2358, 3,3,3217; Codes diplomaticus Amiatinus, hg. v. Kurze, W., Bd. 1ff. 1974ff.; Pesendorfer, F., Die Habsburger in der Toskana, 1988; Etruria, Tuscia, Toscana, hg. v. Luzzati, M., 1992; Graf, G., Der Verfassungentwurf aus dem Jahre 1787, 1998; Kroll, T., Die Revolte des Patriziats, 1999 Totalitarismus ist die im 20. Jh. verwirklichte, auf vollständige Unterdrückung angelegte Herrschaftsform. Lit.: Gleason, A., Totalitarianism, 1995; Totalitarismus und politische Religionen, hg. v. Maier, H. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Wippermann, W., Totalitarismustheorien, 1997; Totilitarismus, hg. v. Söllner, A. u. a., 1997; Totali- tarimustheorien, hg. v. Siegel, A., 1998; Totalitarismus im 20. Jahrhundert, hg. v. Jesse, E., 2. A. 1999 Tote Hand ist eine Bezeichnung für kirchliche Einrichtungen, die das von ihnen erlangte Vermögen nicht veräußern dürfen. Hiergegen wenden sich rechtliche Bestimmungen schon in den mittelalterlichen Städten. Im 19. Jh. verschwindet die vermögensrechtliche Einschränkung der toten Hand. Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lea, H., The Dead Hand, 1900; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990 Totenglaube Lit.: His, R., Der Totenglaube in der Geschichte des germanischen Strafrechts, 1928; Tempelmann, M., Totenfurcht und Totenglauben bei den Germanen, ZRG GA 106 (1989), 274 Totenteil -> Freiteil Lit.: Rietschel, S., Der ,,Totenteil" in germanischen Rechten, ZRG GA 32 (1911), 297; Bruck, E., Totenteil und Seelgerät im griechischen Recht, 1926; Toter Lit.: Fischer, P., Strafen und sichernde Maßnahmen gegen Tote, 1936 Tot gradus quot generationes (lat.). So viele Grade wie Zeugungen. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Pseudo-Paulus, E. 3. Jh. n. Chr., Digesten 38, 10, 10 §9) Totschlag ist die nicht als Mord qualifizierte vorsätzliche Tötung eines Menschen, früher vielfach auch die Tötung allgemein. Sie zieht im Frühmittelalter die Verpflichtung zur Leistung von -> Wergeld, später eine -> Strafe nach sich. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bewer, R., Die Totschlagssühne in der Lex Frisionum, ZRG GA 13 (1892), 95; Roth, W., Totschlagsühne und Urfehde, ZRG GA 22 (1901), 357; Riggenbach, C., Die Tötung und ihre Folgen, ZRG GA 49 (1929), 57; Löning, G., Totschlag zu Kiel, hg. v. Sellert, W. 1992; Sonnen, W., 777 Totschlagssühnen im Bereich des Herzogtums Berg, Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein 1938; Jänichen, H., Schwäbische Totschlagsühnen, Zs. f. württ. LG 19(1960), 128; Dilcher, G., Mord und Totschlag, FS E. Kaufmann, 1993, 91; Wittke, M., Mord und Totschlag? 2002; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113 Totteilung ist in Mittelalter und Frühneuzeit die vollständige Aufteilung des Gutes einer -> Gesamthand an ihre Mitglieder. Lit.: Hübner 154; Schultze, A., Zur Rechtsgeschichte der germanischen Brüdergemeinschaft, ZRG GA 56 (1936), 264 Tötung ist die Verursachung des -> Todes eines Lebewesens, insbesondere eines Men- schen. Unterschiedliche Formen eines Tötungsdeliktes sind insbesondere -> Mord, -> Totschlag, Kindestötung und fahrlässige T. Lit.: Kaser § 36 II 2; Köbler, DRG 26, 71; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Riggenbach, C., Die Tötung und ihre Folgen, ZRG GA 49 (1929), 57; Justiz und NS- Verbrechen, red. v. Bauer, F. u. a., Bd. 1ff. 1968ff.; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984 Toul an der Mosel, ursprünglich Hauptort der keltischen Leuker, wird im 4. Jh. im römischen Reich Sitz eines Bischofs. 925 fällt es an das ostfränkische Reich, 1552/1648 trotz der im 13. Jh. errungenen Reichsunmittelbarkeit (Reichs- stadt) an Frankreich. 1306 und 1405 wird jeweils ein Stadtrecht aufgezeichnet. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schneider, J., Sur le droit urban de Toul, in: Economies et sociétés au Moyen Age, 1973, 273; Bönnen, G., Die Bischofsstadt Toul, 1995 Tours an der Loire, ursprünglich Hauptort der keltischen Turonen, ist seit dem 3. Jh. Sitz eines Bischofs (z. B. Gregor von Tours). Aus fränkischer Zeit ist aus T. eine Formelsammlung bekannt. Lit.: Grandmaison, C. de, Fragments de chartes, 1886; Gregor von Tours, Historiarum libri decem, 1959; Gregor von Tours, Zehn Bücher Geschichten, neu bearb. v. Buchner, R., Bd. 1 1955, Neudruck 1967; Histoire de Tours, hg. v. Chevalier, B., 1985 tractoria (lat.-afrk.) Reiseverpflegungsrecht Lit.: Ganshof, F., La Tractoria, TRG 8 (1928), 69 Traditio (lat. [F.]) ist bereits im altrömischen Recht die formlose -> Übergabe einer -> Sache auf Grund einer Zweckabrede wie Erfüllung, Kauf oder Tausch. Im Frühmittelalter wird der Wortgebrauch unscharf. Nach der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter ist t. meist der (lat.) -> modus (M.) acquirendi (Erwerbsart). Lit.: Kaser § 24 IV, V 2a; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 25, 40, 61, 64, 90, 212; Köbler, LAW; Biermann, J., Traditio ficta, 1891; Fuchs, J., Iusta causa traditionis, 1952; Gordon, W., Studies in the transfer of property by traditio, 1970; Steinacker, H., Traditio cartae und traditio per cartam, Archiv f. Diplomatik 5/6 (1959/60), 1; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984 traditio (F.) cartae (lat.) Übertragung der Urkunde Lit.: Kroeschell, DRG 1; Recht und Schrift, hg. v. Classen, P., 1977 traditio (F.) per cartam (lat.) Übertragung durch (Übertragung einer) Urkunde Lit.: Kroeschell, DRG 1 Tradition ist das von Generation zu Generation übergebene Geistesgut bzw. im Frühmittelalter die Übergabe eines Gegen- stands in körperlicher oder symbolischer Gestalt bzw. die sie verkörpernde -> Urkunde. Einzelne Klöster und Hochstifte fassen die Traditionen in Traditionsbüchern zusammen. Lit.: Söllner §§ 12, 16; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 4, 81, 105, 212, 254; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 607; Redlich, O., Über bairische Traditionsbücher und Traditionen, MIÖG 5 (1884), 1; Grüner, F., Schwäbische Urkunden und Traditionen, MIÖG 33 (1912), 1; Entstehung und Wandel rechtlicher Traditionen, hg. v. Fikentscher, W. u. a., 1980; Molitor, S., Das Traditionsbuch, Archiv f. Diplomatik 36 (1990), 61; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002 Traditionsbuch -> Tradition Träger Lit.: Schott, C., Der Träger als Treuhandform, 1975 Traktat (M.) Abhandlung Lit.: Baesecke, G., Ein Auszug aus dem ,,Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 55 (1935), 230, Bexerle, F., Das frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1 Transactio (lat. [F.]) ist im römischen Recht als formlose Abrede, einen Streit oder eine Ungewissheit über ein Recht durch gegenseitiges Nachgeben zu beenden (-> Vergleich), nur ein Fall des vereinbarten -> 778 Erlasses. Lit.: Kaser § 53 II 3c Transcriptio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht der beim nur kurzzeitig üblichen -> Litteralkontrakt die -> Obligation begründende Schriftakt. Lit.: Köbler, DRG 45 Translatio (F.) imperii (lat.) ist die Vorstellung von der Übertragung der von den Römern (und später oströmischen Griechen) innegehabten Weltherrschaft durch den Papst auf den fränkischen König (Karl den Großen 800). Sie lässt sich seit dem 11. Jh. erkennen. Lit.: Köbler, DRG 109; Goez, W., Translatio imperii, 1958; Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein, hg. v. Patze, H., 1987 Transmissio (lat. [F.]) ist im spätantiken römischen Recht die Vererbung des Rechts des Außenerben auf seine Erben. Lit.: Kaser § 72 IV Transportvertrag ist der eine Beförderung betreffende -> Werkvertrag. Lit.: Basedow, J., Der Transportvertrag, 1987 Transsilvanien -> Siebenbürgen trans Tiberim vendere (lat.) über den Tiber verkaufen, d. h. in die Sklaverei geben Lit.: Kaser § 15 II 3 Tratte ist der gezogene (den Bezogenen zur Zahlung anweisende), seit etwa 1250 nachweisbare -> Wechsel. Trauung ist die Form der -> Eheschließung. Sie entwickelt sich aus gebräuchlichen Geschehnissen. Nach der Entstehung des Christentums nimmt dieses auf die T. Einfluss. Seit dem Hochmittelalter setzt die Kirche sich auf der Grundlage des Satzes, dass die Willensübereinstimmung der Brautleute die -> Ehe begründe (lat. consensus facit nuptias), für ein vorheriges Aufgebot (1215) und die Erfragung des Ja-Wortes durch den Priester ein. Seit 1875 erfolgt die weltliche Eheschließung im Deutschen Reich, für welche die Bezeichnung T. vermieden wird, vor dem -> Standesbeamten (Zivilehe). Lit.: Hübner; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung, 1865; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Friedberg, E., Verlobung und Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in mittelalterlichen Trauungsritualen, 1910; Wehrli, P., Verlobung und Trauung, 1933; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen Zivilehe, ZRG GA 67 (1950), 336; Hemmer, R., Über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 76 (1959), 292; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004 Trennung von Justiz und Verwaltung -> Gewaltenteilung Trennung von Staat und Kirche ist die von der Aufklärung geforderte Lösung der seit 380 n. Chr. bestehenden Verbindung von Staat und Christentum. Die T. v. S. u. K. wird 1789 in den Vereinigten Staaten, 1795 in Frankreich, 1848, 1919 bzw. 1949 in Deutschland und 1995 in Schweden zumindest im Grundsatz (anders z. B. Kirchensteuer) verwirklicht. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Campenhausen, A. v., Staatskirchenrecht, 3. A. 1996 Tres conformes sententiae (lat. [F.Pl.]) sind drei gleichlautende Urteile, gegen dessen letztes nach römisch-kanonischem Recht keine -> Appellation mehr erhoben werden kann. Lit.: Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 169 Tres faciunt collegium (lat.). Drei bilden einen Verein. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Marcellus, um 115-um 175, Digesten 50, 16, 85, zu Neratius, um 58/9-nach 133) trespass (engl. [N.]) Überschreitung, Friedensbruch, Angriff, Beschädigung Treue ist die innere feste Bindung eines Menschen an einen Menschen oder einen Gedanken. Es ist streitig, inwieweit die T. eine besondere germanisch-deutsche Eigenheit ist. Erhebliche Bedeutung kommt der T. im Lehnsverhältnis zu. Auch der Beamte steht zum Staat in einem besonderen Treueverhältnis. Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2, 3; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Schwerin, C. v., Die Treueklausel im Treugelöbnis, ZRG GA 25 (1904), 323; Puntschart, P., Treuklausel und Handtreue im altdeutschen Gelöbnisrecht, ZRG GA 26 (1905), 165; Gierke, O. v., Die Wurzeln des Treuedienstvertrages, 1914; Hueck, A., Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, 1947; Kienast, W., und Treuevorbehalt, ZRG GA 66 (1948), 111; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt in Frankreich und England, 1952; Graus, F., Über die sog. germanische Treue, 1959; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue, 1973; Eckhardt, U., 779 Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueleistung, 1976; Fikentscher, W., De fide et perfidia, 1969; Halmen, R., Staatstreue und Interessenvertretung, 1988; Nörr, D., Die Fides im römischen Völkerrecht, 1991; Kroeschell, K., Studien zum frühen und mittelalterlichen deutschen Recht, 1995, 157, 183; Zwissler, T., Treuegebot ­ Treuepflicht ­Treuebindung, 2002; Schneider, N., Uberrima fides, 2004 Treubruch Lit.: Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie im deutschen Strafrecht, 1937 Treuga (F.) Dei (mlat., Wort treuga am ehesten aus dem Burgundischen oder Westgotischen entlehnt) ist die durch die Gottesfriedensbewegung seit dem 10. Jh. angestrebte Waffenruhe Gottes. -> Gottesfriede Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 101 Treuga (F.) Heinrici (lat.) ist ein wohl in Würzburg im Juli 1224 durch König Heinrich (VII.) erreichter -> Landfriede (für das Reich?). Lit.: Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung, 1952 Treuhand ist das Rechtsverhältnis, bei dem ein Teil (Treuhänder) nach außen mindestens ein Vermögensrecht als eigenes Recht hat, dieses aber auf Grund einer schuldrechtlichen Abrede (Treuhandvertrag, Sicherungsvertrag) ganz oder teilweise im Interesse des anderen Teiles (Treugeber) ausüben soll. Die T. ist dem klassischen römischen Recht bekannt (Vormund, Pfleger). Sie tritt in einzelnen Erscheinungsformen vielleicht auch im deutschen Recht (Affatomie, Testaments- vollstreckung, Lehnsträgerschaft) auf. Erst seit dem 19. Jh. wird daraus aber eine allgemeine Einrichtung entwickelt, die vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) noch nicht aufgenommen wird. Im englischen Recht ist der -> trust bedeutsam. Lit.: Kaser §§ 11 III, 52 I 3, 54 I; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 36, 213, 239; Schultze, A., Die langobardische Treuhand, 1895; Brünneck, W. v., Der Schlossglaube, ZRG GA 28 (1907), 1; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Beyerle, F., Die Treuhand im Grundriss des deutschen Privatrechts, 1932; Otten, G., Die Entwicklung der Treuhand im 19. Jahrhundert, 1975; Schott, C., Der Träger als Treuhandform, 1975; Asmus, W., Dogmengeschichtliche Grundlagen der Treuhand, 1977; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G., 1997; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998 Treuhandanstalt ist die 1990 nach dem Beitritt der -> Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland geschaffene, 1995 aufgelöste Anstalt zur Überführung von Volkseigentum in Privatei- gentum. Lit.: Köbler, DRG 249 Treu und Glauben ist der Verhaltensmaßstab, der das Verhalten eines redlich und anständig denkenden Menschen zugrunde legt. Er ähnelt der (lat.) -> bona fides (F.), die im römischen Recht für bestimmte Schuldverhältnisse zu beachten ist. T. u. G. lassen sich quellenmäßig seit dem Spätmittelalter belegen. Innerhalb des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) entwickelt sich T. u. G. zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz. Lit.: Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 240, 270; Wendt, O., Die exceptio doli generalis, AcP 100 (1906), 1; Wieacker, F., Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242, 1956; Nesemann, K., Herkunft, Sinngehalt und Anwendungsbereich der Formel ,,Treu und Glauben" in Gesetz und Rechtspreechung, Diss. jur. Göttingen 1959; Strätz, H., Treu und Glauben, 1974 Trialismus ist in Österreich im 19. Jh. die erfolglose Bestrebung, neben Österreich und Ungarn einen dritten, aus Böhmen, Mähren und Südslawien bestehenden Staatsteil zu schaffen. Lit.: Baltl/Kocher Tribonian (?-541/3?, oder um 545?) ist der aus Kleinasien (Pamphylien) stammende griechischsprachige, unter -> Justinian zu ho- hen Ämtern (Kanzleileiter, Justizminister) aufsteigende, oströmische Jurist. Er ist 528/529 Mitglied der Kommission für den -> Codex, seit 530 Mitglied einer Kommission für die -> Digesten. Außerdem verfasst er mit zwei anderen Rechtslehrern die -> Institutionen. Lit.: Söllner § 22; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG 53; Kübler, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Reichs, 2. A. 1912, 366; Honoré, A., Tribonian, 1978 tribunus (M.) plebis (lat.) Volkstribun Lit.: Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 tributum (N.) capitis (lat.) Kopfsteuer Lit.: Köbler, DRG 32 Tridentinum (lat. [N.]) ist das in Trient zwischen 1545 und 1563 tagende Konzil der katholischen -> Kirche. Es versteht sich als Reformkonzil und stärkt die Stellung des 780 Bischofs. Es bestätigt u. a. die Unauflöslichkeit der Ehe und schreibt eine bestimmte Eheschließungsform vor. Lit.: Das Weltkonzil von Trient, hg. v. Schreiber, G., Bd. 1f. 1951; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Jedin, H., Geschichte des Konzils von Trient, Bd. 1ff. 1949ff.; Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001 Trient an der Etsch, das 24 v. Chr. an die Römer übergeht, ist seit dem späten 4. Jh. Sitz eines Bischofs, der 1004/27 Grafenrechte erhält. 1185ff. findet sich dort -> Bergrecht. 1803 fällt das Hochstift an -> Tirol, 1919 mit Südtirol an -> Italien. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voltelini, H. v., Die ältesten Statuten von Trient, Archiv für österreichische Geschichte 92 (1902), 83; Il Trentino, hg. v. Mozzarelli, C. u. a., 1985; Hägermann, D./Ludwig, K., Europäisches Montanwesen, 1986; Bellabarba, M., La giustizia ai confini, 1996; Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001; Curzel, E., I canonici e il Capitolo della cattedrale di Trento, 2001 Trier an der Mosel wird 16-13 v. Chr. von Augustus im Gebiet der Treverer gegründet und entwickelt sich im 4. Jh. zur größten römischen Stadt nördlich der Alpen (60-70000 Einwohner). Im 6. Jh. bzw. kurz vor 800 wird der dortige Bischof Erzbischof, im 13. Jh. Kurfürst. 1454/1473 erhält T. eine von 1797/1798 bis 1970 aufgelöste Universität. Nach älteren Gerichtsordnungen (1400, 1515, 1537) wird 1668 ein wohl von Johannes Holler und Matthias Franziskus von Troya unter Ausrichtung am einheimischen Recht geschaffenes, 1713 stärker romanistisch überarbeitetes Trierer Landrecht in 18 bzw. später 22 Titeln in Kraft gesetzt. 1815/1816 gelangen die meisten Güter an -> Preußen. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung der Gesetze, Bd. 1ff. 1832; Rudolph, F., Die Entwicklung der Landeshoheit in Kurtrier, 1905; Rörig, F., Die Entstehung der Landeshoheit des Trierer Erzbischofs, 1906; Knetsch, G., Die landständische Verfassung, 1909; Kremer, J., Studien zur Geschichte der Trier Wahlkapitulationen, 1911; Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte ­ Trier, hg. v. Rudolph, F., 1915; Leners, W., Die Protokollregister über die Liegenschaften der Trier Bürgerschaft, Diss. jur. Bonn 1957; Eichler, H./Laufner, R., Hauptmarkt und Marktkreuz zu Trier, 1958; Dirks, M., Das Landrecht des Kurfürstentums Trier, 1965; Wendt, H., Die Anwendung des Trierer Landrechts, 1973; Langer, H./Meves, U., Die Geschichte der Stadt Trier, 1984; Anton, H., Trier im frühen Mittelalter, 1987; Hermann, H., Die Gehöferschaften im Bezirk Trier, 1989; Kerber, D., Herrschaftsmittelpunkte im Erzstift Trier, 1995; Trier im Mittelalter, hg. v. Anton, H. u. a., 1996; Pundt, M., Metz und Trier, 1998 Trifels bei Annweiler ist eine 1081 erstmals genannte Reichsburg, in der zwischen 1125 und 1273 die -> Reichskleinodien aufbewahrt werden. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Biundo, G., Der Trifels, 1937; Biundo, G., Zur Bibliographie der Reichsfeste Trifels, 1939; Sprater, F./Stein, G., Der Trifels, 9. A. 1971 Trift Lit.: Herold, H., Trift und Flößerein in Graubünden, 1982 Triftrecht -> Trittrecht trinoctium (lat. [N.]) Zeitraum von drei Nächten Lit.: Kaser § 58 II; Köbler, DRG 22 tripertitum (lat. [N.]) dreiteiliger Kommentar des Sextus Aelius Paetus Cato zu den zwölf Tafeln des römischen Rechts Lit.: Söllner § 12; Köbler, DRG 29 Trittrecht, Triftrecht ist das mittelalterliche Wegerecht für das Treiben von Vieh (Viehtriebsrecht). Lit.: Hübner 281; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957 Trizone ist das am 8. 4. 1949 durch Anfügung der französischen Besatzungszone an die Bizone der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens entstehende Gebiet des -> Deutschen Reichs. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245 Trödelvertrag (lat. contractus [M.] aestimatorius) ist der bereits dem römischen Recht bekannte Vertrag (Innominatreal- kontrakt), bei dem innerhalb einer bestimmten Zeit entweder ein Preis geliefert oder eine übergebene Sache zurückgegeben werden soll. Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner; Bucher, E., Der Trödelvertrag, in: Innominatverträge, 1988, 95 Troja (Troia) ist der Schauplatz des vom griechischen Dichter Homer geschilderten, trojanischen Kriegs zwischen Griechen und Trojanern, der seit 1870 (Heinrich Schliemann) auf dem 20 Meter hohen Ruinenhügel von 781 Hissarlik (Westtürkei) in zahlreichen Siedlungsschichten (ab 2900-2500 v. Chr.) mit reichen Goldfunden und Silberfunden (Schatz des Priamos) ergraben wird. Lit.: Siebler, M., Troia, 1990; Korfmann, M./Mannsperger, D., Troia, 1998; Hertel, D., Die Mauern von Troja, 2003; Der neue Streit um Troia, hg. v. Ulf, C., 2003 Tromsö im nördlichen Norwegen wird im 9. Jh. angelegt, aber erst 1250 erstmals erwähnt. Nach Neubesiedlung im 18. Jh. erhält es 1968 eine Universität. Truchsess oder -> Seneschall ist der mit der Verpflegung des fränkischen-deutschen Königshofes betraute Amtsträger. Dieses Amt hat seit dem Hochmittelalter (vor 1198) der Pfalzgraf bei Rhein inne. Später entwickelt sich an vielen landesherrlichen Höfen ein T. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main, 1970; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485 Trucksystem ist im 19. Jh. von England kommend das System der Entlohnung eines Arbeiters mit vom Arbeitgeber vertriebenen Waren. Es wird wegen der mit ihm verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten noch im 19. Jh. unzulässig. Lit.: Kroeschell, DRG 3 Trunkenheit ist der durch Alkoholgenuss verursachte Zustand eines Menschen. T. wird seit dem 13./14. Jh. rechtlich erfasst. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird die T. im Straßenverkehr entschiedener bekämpft. Lit.: Endemann, F., Die Entmündigung wegen Trunksucht, 1904; Gramsch, G., Der Tatbestand des Rauschmittelmissbrauchs, 1938, Neudruck 1977; Rausch und Realität, hg. v. Völger, G., 1981; Kaiser, R., Trunkenheit im Mittelalter, 2002 trust (M.) Treuhandverhältnis, -> Treuhand Lit.: Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004 trustis (lat.-afrk. [F.]) Schar, Anhang, Gefolge Lit.: Grahn-Hoek, H., Die fränkische Oberschicht, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Fränkisch druht und druhtin, Z. f. hist. Terminologie 1974, 534 Tryphoninus, Claudius, römischer Jurist Anfang des 3. Jh.s n. Chr., in den Digesten überlieferte Fragmente wohl aus dem Rechtsunterricht (juristisch-pädagogische Anleitung) Lit.: Fildhaut, K., Die libri disputationum des Ckaudius Tryphoninus, 2004 Tschechien Lit.: Antologie èeské právní vìdy (Antologie der tschechischen Rechtswissenschaft), 1993 Tschechoslowakei ist der am 28. 10. 1918 aus den österreichischen Gebieten -> Böhmen und - > Mähren unter zwangsweisem Einschluss der dort lebenden Deutschen gebildete, 1938/1939 von Adolf Hitler nach dem Münchener Abkommen verkleinerte und danach annektierte, 1945 unter Aussiedlung und Vertreibung der Deutschen wiederhergestellte, 1948 dem Kommunismus sowjetischer Prägung zugeführte, 1990 demokratisierte und zum 1. 1. 1993 in Tschechien und die Slowakei aufgelöste Staat (mit 1938 43% Tschechen, 23% Deutschen und 22% Slowaken). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 220, 223, 246; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, Bd. 1ff. 1921ff.; Vanìèek, V., (Das tschechische Rechtsleben im Zeitalter des Kapitalismus), 1953; Hoensch, J., Geschichte der Tschechoslowakischen Republik 1918-1965, 1966; Èeská narodní rada, snìm èeského lidu (Der tschechische Nationalrat, Landtag des tschechischen Volkes), veranstaltet v. Vanìèek, V., 1970; Maly, K., Tschechoslowakische rechtshistorische Literatur, ZNR 1984; Schubert, W., Der tschechoslowakische Entwurf zu einem Bürgerlichen Gesetzbuch und das ABGB von 1937, ZRG GA 112 (1995), 271; Kudej, B., Legal history of Czechoslovakia, in: Intern. Journal of legal information 24 (1996), 71; Lenk, R., La Tchéchoslovaquie 1996; Burgerstein, J., Tschechien, 1998; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 4 hg. v. Mohnhaupt, H., 1998; Kren, J., Die Konfliktgemeinschaft, 1999; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen in und aus der Tschechoslowakei 1938- 1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Boleslav II., hg. v. Sommer, P., 2001; ©mahel, F., Husitské Èechy, 2001; Beyer, B., Die Bene¹-Dekrete, 2002; Coudenhove- Kalergi, B./Rathkolb, O, Die Bene¹-Dekrete, 2002; Payrleitner, A., Österreicher und Tschechen, 2003; Köbler, G., Rechtstschechisch, 2003 Tübingen am Neckar erscheint im 7. Jh. als Dorf, 1078 als Burg. 1342 fällt es durch Kauf an Württemberg, das 1476/1477 eine Universität gründet (Stadtrecht von 1493 teils aus Nürnberg, teils aus Stuttgart übernommen). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schöttle, G., 782 Verfassung und Verwaltung der Stadt Tübingen, Tübinger Blätter 8 (1905), 1; Haller, J., Die Anfänge der Universität Tübingen 1477-1537, Bd. 1f. 1927ff.; Schanz, W., Das Tübinger Stadtrecht von 1493, Diss. jur. Tübingen 1958; Seigel, R., Gericht und Rat in Tübingen, 1960; Schanz, W., Das Tübinger Stadtrecht von 1493, 1963; Richter, G., Die Insignien der Universität Tübingen 1964; Jänichen, H., Herrschafts- und Territorialverhältnisse um Tübingen und Rottenburg im 11. und 12. Jahrhundert, 1964; Die Tübinger Stadtrechte von 1388 und 1493, hg. v. Rau, R. u. a., 1964; Geipel, J., Die Konsiliarpraxis der Eberhard-Karls-Universität, 1965; Die ältesten Tübinger Steuerlisten, hg. v. Rau, R., 1970; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät 1477- 1534, 1972; Sydow, J., Geschichte der Stadt Tübingen, 1974; Thümmel, H., Die Tübinger Universitätsverfassung im Zeitalter des Absolutismus, 1975; Sieber, E., Stadt und Universität Tübingen in der Revolution von 1848/1849, 1975; Festschrift 500 Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker- Hauff, H., Bd. 1ff. 1977ff.; Lebensbilder zur Geschichte der Tübinger Juristenfakultät, hg. v. Elsener, F., 1977; Adam, U., Hochschule und Nationalsozialismus, 1977; Cellius, E., Imagines professorum Tubingensium 1596, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., 1981; Schwarz, H., Die Universitätspflege Feuerbach, 1981; Die Pfalzgrafen von Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., 1981; Pill- Rademacher, I., .. zu nutz, 1993; Das älteste Tübinger Ehebuch (1553-1614), hg. v. Schieck, S. u. a., 2000; Paletscheck, S., Die permanente Erfindung einer Tradition, 2001; Hauer, W., Lokale Schulentwicklung und städtische Lebenswelt, 2003; Jordan, S., Leben und Werk des Tübinger Rechtsprofessors Wilhelm Gottlieb Tafinger 1670-1813, 2003 Tübinger Rechtsbuch ist der in acht Handschriften überlieferte, 135 Auszüge aus dem Gesetzgebungswerk -> Justinians ent- haltende, vielleicht um 1160 im Dauphiné entstandene Rechtstext. Lit.: Weimar, P., Zur Renaissance der Rechtswissenschaft, 1977, 1; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Tudor ist das seit 1232 nachweisbare walisische Geschlecht, das von 1485 bis 1603 den Königsthron -> Englands erlangt (Heinrich VIII. 1509-47, Elisabeth I. 1558-1603). Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Eßer, R., Die Tudors und die Stuarts, 2004 Tuhr, Andreas von (St. Petersburg 1864- Zürich 1925), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Bekker), Leipzig (Windscheid) und Straßburg Rechtslehrer in Basel (1891), Straßburg (1898) und Zürich (1918). Sein Hauptwerk ist ,,Der allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts". Lit.: Heck, P., Andreas von Tuhr, AcP 125 (1925), 257; Schwarz, A., Andreas von Tuhr, 1938 Tür ist der bewegliche Verschluss des Eingangs in ein Gebäude oder einen Raum. Die T. kann als Rechtssymbol verwendet werden. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994 Turin in der Poebene ist Hauptort der Turiner, der unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) (lat. [F.]) colonia wird. Im 5. Jh. wird ein Bistum eingerichtet. Über Langobarden und Franken kommt T. 1048 an -> Savoyen. Seit 1136 entwickelt sich städtische Selbstverwaltung. 1280 fällt T. wieder an Savoyen. 1404 wird eine Universität eingerichtet. Von 1861 bis 1865 ist T. Hauptstadt Italiens. Lit.: Torino, hg. v. Comba, R. u. a., 1993 Türke ist der Angehörige des (nach den Scharen der Hunnen und Awaren schon früh) aus Ostasien (Mongolei) in den Westen kommenden, im 11. Jh. unter den -> Seldschuken nach Kleinasien (1071 Sieg über Byzanz) eindringenden Volkes. Nach dem Übertritt zum -> Islam seit Ende des 8. Jh.s werden die Türken im 14. Jh. unter den -> Osmanen geeint. 1453 wird Konstantinopel erobert. 1529 stehen die Türken vor Wien. Zur Abwehr der Türken versucht das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) mehrfach erfolglos, Steuern zu erheben. Seit 1683 (zweite Belagerung Wiens) werden die Türken allmählich aus Europa wieder zurückgedrängt (-> Griechenland, Bulgarien, Walachai, Moldawien, Serbien, Bosnien, Herzegowina). Am 3. 11. 1839 verspricht der Sultan im Erlass von Gülhane (eine Art Verfassung) in freiwilliger Begrenzung seiner Gewalt die Vorbereitung neuer, den Bedürfnissen des Landes entsprechender Bestimmungen (Handelsgesetz 1850 nach dem Vorbild des Code de commerce, Strafgesetz 1858, Handelsprozessordnung 1860, Seehandelsge- setz 1864, Strafprozessordnung 1880, Zivilprozessordnung 1881). 1917 verselbstän- digt sich der Irak, 1918 lösen sich auch Palästina und Syrien ab. 1922 wird der Sultan abgesetzt. Am 29. 10. 1923 wird in der Türkei 783 die -> Republik ausgerufen. Schrift (Lateinschrift) und Privatrecht (Einehe) werden unter Verwendung des Schweizer Zivil- gesetzbuches (1925) verwestlicht. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s bemüht sich die Türkei um den Zugang zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 95, 129, 131; Baltl/Kocher; Schulze, W., Reich und Türkengefahr, 1978; Scharlipp, W., Die frühen Türken, 1992; Türkische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Motika, R. u. a., 1995; Westliches Recht in der Republik Türkei, hg. v. Scholler, H., 1996; Tibi, B., Aufbruch am Bospurus, 1998; Steinbach, U., Geschichte der Türkei, 2000; Europa und die Türken in der Renaissance, hg. v. Guthmüller, B. u. a., 2000; Hütteroth, W./Höhfeld, V., Türkei, 2. A. 2002; Hacisalihoglu, M., Die Jungtürken und die mazedonische Frage, 2003; Matschke, K., Das Kreuz und der Halbmond, 2004 Türkei -> Türken Lit.: Velidedeoglu, H., Das Problem der Rezeption in der Türkei im Vergleich mit Rezeptionen in Europa, ZRG GA 75 (1958), 382; Schulze, W., Reich und Türkengefahr, 1978; Hirsch, E., Rezeption als sozialer Prozess, 1984; Steinbach, U., Geschichte der Türkei, 2000; Seufert, G./Kubaseck, C., Die Türkei, 2004; Kieser, H., Vorkämpfer der neuen Türkei, 2005 Turku (Abo) in -> Finnland wird 1154 erstmals erwähnt. 1276 wird es Sitz eines Bischofs. Danach wird es Hauptstadt (bis 1812). 1640 wird eine 1828 geschlossene, 1920 wiederbegründete Universität (Akademie) eingerichtet, an der seit 1773 auch der bekannteste finnische Rechtswissenschaftler Matthias Calonius (1773-1817) als einziger ordentlicher Professor der juristischen Fakultät lehrt. Lit.: Wrede, R., Matthias Calonius, 1917 Turnier (N.) ritterliches Kampfspiel im Mittelalter Lit.: Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. v. Fleckenstein, J., 1985; Barber, R./Barker, J., Tournaments, 1989 turpitudo (lat. [F.]) Schändlichkeit Lit.: Kaser §§ 9 II 2, 70 I 2 Tutela (lat. [F.]) ist im römischen Recht die -> Vormundschaft. Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 11 II 1b, 16 I 2a, 20 I 1, 58 IV 6a, 62, 63, 64; Söllner §§ 8, 9, 10; Köbler, DRG 57; Köbler, LAW Tutor (lat. [M.]) ist schon im altrömischen Recht der -> Vormund. Ihn erhalten der nicht einer Hausgewalt unterworfene gewaltfreie Unmündige (lat. impubes, Knaben bis 14, Mädchen bis 12) und die gewaltfreie Frau. Der t. hat eine treuhänderische Gewalt über Person und Vermögen des Mündels. Dessen Geschäfte bedürfen zur Wirksamkeit der Bekräftigung (lat. [F.] -> auctoritas) des t. Tutor ist der gradnächste Agnat (Bruder, Vatersbruder, Bruderssohn), hilfsweise der nächste Gentile, bei Freigelassenen der Freilasser. Der Hausvater kann im Testament einen t. bestimmen, der die Übernahme ablehnen kann. Lit.: Kaser §§ 62, 63; Köbler, DRG 22, 33, 36, 43, 57 Twing -> Bann, Zwang Typenzwang ist die Bindung an bestimmte vorgegebene Rechtsverhältnisse. Im klassischen römischen Recht besteht bei den Verbindlichkeiten Typengebundenheit, die im spätantiken, weströmischen Recht (Vulgar- recht) aufgegeben wird (Typenfreiheit). In der frühen Neuzeit wird die Typengebundenheit des römischen Rechts nicht übernommen. Dagegen geht das Sachenrecht auch in der Gegenwart von einer geschlossenen Zahl von möglichen Rechtsverhältnissen aus. Lit.: Kaser § 3 I; Köbler, DRG 42, 62, 164; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623 Tyrann ist der in Griechenland seit dem 7. Jh. v. Chr. bekannte gewaltsame Herrscher. Lit.: Schönstedt, F., Der Tyrannenmord im Spätmittelalter, 1938; Riklin, A., Giannotti, Michelangelo und der Tyrannenmord, 1996; Große Verschwörungen, hg. v. Schultz, U., 1998; Turchetti, M., Tyrannie et tyrannicide, 2001 U Überbau ist die Errichtung eines Gebäudes über die Grenze eines -> Grundstücks. Der Ü. muss im römischen Recht in engen Grenzen geduldet werden. Im Übrigen hat der Eigentümer des überbauten Grundücks einen Beseitigungsanspruch wegen der Verletzung seines Eigentums. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) schützt weitergehend jeden rechtmäßigen Ü., gewährt aber auch einen 784 Beseitigungsanspruch gegenüber dem rechts- widrigen Ü. Lit.: Kaser § 23 III 4; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Wolff, M., Der Bau auf fremden Boden, 1900; Ebel, W., Überbau und Eigentum, AcP 141 (1935), 183 Übereignung ist die Übertragung des -> Eigentums an einer -> Sache. Sie erfolgt im altrömischen Recht bei einer (lat.) res (F.) mancipi (handgreifbaren Sache) durch (lat. [F.]) -> mancipatio, sonst durch (lat. [F.]) traditio (Übergabe). Für das Frühmittelalter sind ahd. -> sala (Gabe) und giwerida (-> Gewere) bedeutsam, ohne dass deren Verhältnis zueinander völlig eindeutig ist. Von Köln aus dringt seit dem 12. Jh. die Eintragung in -> Schreinskarten für Grundstücksübereig- nungen vor. Der Sachsenspiegel (1221-1224) erfordert für Eigen und Leute -> Erbenlaub und Vornahme vor Gericht. Nach ->Accursius ( vor 1263) wird wohl Eigentum übertragen, wenn ein rechtmäßiger Grund für die Übertragung (iusta causa traditionis) und ein Übereignungswille vorliegen. In der frühen Neuzeit setzt sich die Lehre vom (lat.) -> modus (M.) acquirendi (Erwerbsart) durch, doch entscheidet sich beispielsweise Frankreich 1804 (Portalis) für die Eigentumsübertragung durch bloßen Vertrag (Kaufvertrag, Konsens). - > Savigny entwickelt demgegenüber den besonderen sachenrechtlichen Vertrag der -> Einigung (abstrakte Einigung und Übergabe oder Übergabeersatz). Er findet Eingang in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900). Bei Grundstücken wird die -> Eintragung in das Grundbuch unabdingbar (Einigung und Eintragung). -> Abstraktion Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 124, 163, 174, 211, 269; Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen, 1934; Conrad, H., Liegenschaftsübertragung und Grundbucheintragung, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der Liegenschaftsübereignung, 1937; Voser, P., Die altdeutsche Liegenschaftsübereignung, Diss. jur. Zürich 1952; Oeckinghaus, A., Kaufvertrag und Übereignung, 1973; Ranieri, F., Die Lehre der abstrakten Übereignung, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 90; Wesener, G., Zur naturrechtlichen Lehre vom Eigentumserwerb, 1977, 90, FS N. Grass, 1986, 433; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübereignung, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schindler, K., Kausale oder abstrakte Übereignung, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Schrage, E., Traditionibus et usucapionibus, non nudis pactis dominia rerum transferuntur. Die Wahl zwischen dem Konsens- und dem Traditionsprinzip in der Geschichte, in: Ins Wasser geworfen, hg. v. Ascheri, M. u. a., 2003, 913 Überfall ist im Sachenrecht die von einem Baum oder Strauch auf ein Nachbargrundstück hinüberfallende -> Frucht. Nach altrömischem Recht darf der Eigentümer den Ü. jeden zweiten Tag vom fremden Grundstück holen. Nach der Sachsenspiegelglosse (14. Jh.) gehört der Ü. dem fremden Grundstückseigentümer. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lässt dem fremden Grundstückseigentümer den Ü. Lit.: Kaser § 23 III 2; Hübner; Grimm, J., Etwas über den Überfall, Z. f. gesch. Rechtswiss. 3 (1816), 350; Schmidt, A., Das Recht des Überhangs und des Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281 Übergabe ist die Verschaffung des unmittelbaren -> Besitzes an einer Sache durch Übertragung der tatsächlichen Herrschafts- gewalt. Als (lat. [F.]) traditio, die -> Eigentum verschaffen kann, erscheint die Ü. bereits im altrömischen Recht. Sie hat für die Verschaffung von Besitz oder Eigentum bis in die Gegenwart Bedeutung. Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird das Eigentum an beweglichen Sachen durch Einigung und Ü. oder Übergabesurrogat verschafft. Lit.: Kaser § 24; Hübner; Köbler, DRG 25, 125; Kocher, G., Richter und Stabübergabe, 1971; Wacke, A., Das Besitzkonstitut als Übergabesurrogat, 1974; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984 Überhang ist die von einem Nachbargrundstück eingedrungene Wurzel oder der herüberragende Zweig. Nach altrömischem Recht kann der beeinträchtigte Nachbar vom Eigentümer Abhilfe verlangen und bei deren Ausbleiben selbst handeln. Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) darf kein Ast zum Schaden des Nachbarn über die Grenze ragen. Nach unterschiedlichen partikularen Rege- lungen gewährt das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) dem beeinträchtigten Nachbarn einen Beseitigungsanspruch, der 785 durch -> Selbsthilfe verwirklicht werden kann. Lit.: Kaser § 23 III 1; Hübner; Schmidt, A., Das Recht des Überhangs und Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281 Überküren (afries. urkera) sind 7 neue -> Küren des friesischen Rechts, die u. a. die Verfassung des Bundes von -> Upstallsbom enthalten. Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840; His, R., Die Überlieferung der friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA 57 (1937), 58; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981 Übermaßverbot Lit.: Remmert, B., Verfassungs- und verwaltungsrechts- geschichtliche Grundlagen des Übermaßverbotes, 1995 Übersetzungsproblem ist das Problem des zutreffenden Verständnisses eines fremdsprachigen Textes. Dieses Ü. verstärkt sich im Frühmittelalter dadurch, dass die in einer Volkssprache (z. B. Althochdeutsch) verlaufende Rechtswirklichkeit überhaupt fast ausschließlich in einer Fremdsprache (Latein) aufgezeichnet wird und aus dieser erschlossen werden muss. Das Verständnis des frühmittelalterlichen lateinischen Wortes kann dabei dadurch erleichtert werden, dass man die Wiedergabe lateinischer Wörter in Texten des Altertums durch Übersetzungen in frühmittelalterliche Volkssprachen (sog. Übersetzungsgleichungen) berücksichtigt. Lit.: Köbler, DRG 79; Köbler, WAS; Heck, P., Übersetzungsprobleme im frühen Mittelalter, 1931; Hattenhauer, H., Zum Übersetzungsproblem, ZRG 81 (1964), 341; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Olberg, G. v., Übersetzungsprobleme, ZRG GA 110 (1993), 406; Köbler, G., Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993; Köbler, G., Lateinisch-althochdeutsches Wörterbuch, 1996 Übersiebnen ist den Angeklagten durch Kläger und sechs Eidhelfer Überführen im Mittelalter. Die Siebenzahl könnte auf den Reinigungseid des Beklagten mit 6 Eidhelfern zurückgehen. Das Ü. findet bei -> handhafter Tat und -> landschädlichen Leuten statt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Knapp, H., Das Übersiebnen der schädlichen Leute, 1910; Wakasone, K., Zur Entstehung des Übersiebnungsverfahrens, FS L. Carlen, 1989, 211 Übertragung ist der gewillkürte Übergang eines Rechtes oder einer Rechtsstellung auf eine andere Person. -> Übereignung, -> Abtretung, -> Einigung, -> Übergabe Lit.: Köbler, DRG 90, 124, 212; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums, 1909; Merk, W., Die Grundstücksübertragung, ZRG GA 56 (1936), 1; Fehr, H., Übertragungssymbole, ZRG GA 64 (1944), 276; Hagemann, H., Übertragungen mit Nutzungsvorbehalt, Archiv d. hist. Ver. d. Kantons Bern 44 (1960), 339; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984 Übertretung ist zeitweise die einfachste Form einer Straftat (z. B. Ruhestörung). Die Ü. wird im 18. Jh. mit der ein vereinfachtes Verfahren ermöglichenden Strafverfügung des Polizeirechts verfolgt. Sie wird als bloßes Delikt im formellen Sinn von der präventiv handelnden Polizei bekämpft. Nach französischem Vorbild steht sie als (franz. [F.]) contravention neben -> Verbrechen und -> Vergehen. Nach -> Binding (1872) ist die Ü. Ungehorsamsdelikt. 1952/1975 wird die Ü. wegen ihrer großen Zahl aus dem Strafrecht ausgeschieden und in ein eigenes Recht der -> Ordnungswidrigkeit überführt. Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Normen, Bd. 1f. 1872ff.; Mattes, H., Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten, Bd. 1ff. 1977ff.; Frommel, M., Präventionsmodelle, 1987 Überzeugungstäter ist der aus innerer Überzeugung sich zu einer Straftat verpflichtet oder berechtigt fühlende Täter. Je nach der Wertigkeit seiner Überzeugung kann er milder bestraft werden. Lit.: Ebert, U., Der Überzeugungstäter, 1975 Ubi cessat ratio legis, cessat (ipsa) lex (lat.). Wo der Sinn eines Gesetzes nicht eingreift, verliert das Gesetz seine Gültigkeit. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Ubi rem meam invenio, ibi eam vindico (lat.). Wo ich meine Sache finde, dort verlange ich sie heraus. Lit.: Liebs D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Ubi societas ibi ius (lat.). Wo (immer) es eine Gesellschaft gibt, da gibt es (auch) Recht. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Cocceji, H. v., 1644-1719) Uelzen Lit.: Urkundenbuch der Stadt Uelzen, bearb. v. Vogtherr, T., 1988; Vogtherr, T., Uelzen, 1997 786 Ukraine ist das 1667 mit dem Dnjepr als Grenze zwischen -> Polen und -> Russland geteilte, am Ende des 18. Jh. um Teile Polens erweiterte Gebiet, in dem am 19. 11. 1917 die Ukrainische Volksrepublik ausgerufen wird. Danach wird innerhalb der Sowjetunion das sozialistische Recht eingeführt. 1996 erhält die aus der -> Sowjetunion als flächenmäßig zweit- größter Staat (bevölkerungsmäßig sechstgrößter Staat) Europas wieder verselbständigte U. eine demokratische Verfassung. Lit.: Jakowliw, A., Das deutsche Recht in der Ukraine, 1942; Allen, W., The Ukraine, 1963; Kappeler, A., Kleine Geschichte der Ukraine, 1994, 2. A. 2000; Ukraine, hg. v. Jordan, P. u. a. 2001; Die neue Ukraine, hg. v. Simon, G., 2002; Milow, C., Die ukrainische Frage 1917-1923, 2002; Kappeler, A., Der schwierige Weg zur Nation, 2003; Die Ukraine in Europa, hg. v. Besters- Dilger, J., 2003 Ulm an der Donau erscheint 854 als Pfalz des Königs und wird im 13. Jh. (1258?, 1274?) -> Reichsstadt. Sein 1376 im Roten Buch aufgezeichnetes Stadtrecht wird an viele Tochterstädte verliehen. 1810 fällt U. an -> Württemberg. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das rote Buch der Stadt Ulm, hg. v. Mollwo, C., 1905; Hellmann, F., Zur Geschichte des Konkursrechtes der Reichsstadt Ulm, 1909; Lübke, K., Die Verfassung der freien Reichsstadt Ulm, Diss. jur. Tübingen 1935; Ernst, M., Zur älteren Geschichte Ulms, Mitteilungen des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben 30 (1937), 1; Lübke, K., Die Verfassung, Diss. jur. Tübingen 1956; Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten, Diss. jur. Tübingen 1956; Hannesschläger, K., Die freie Reichsstadt Ulm. Diss. jur. Tübingen 1956; Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in der Reichsstadt Ulm, 1961; Neusser, G., Das Territorium der Reichsstadt Ulm im 18. Jahrhundert, 1964; Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der Reichsstadt Ulm, 1966; Schmitt, U., Villa regalis Ulm, 1974; Specker, H., Ulm, 1977; Göggelmann, H., Das Strafrecht der Reichsstadt Ulm, 1984 Ulpian (Ulpianus), Domitius (Tyros in Phönizien 170?-Rom 223) ist wie -> Paulus vielleicht seit 203/205 Assessor des Gardepräfekten -> Papinian(us), danach Leiter der kaiserlichen Kanzlei für Privateingaben und 222 Getreidepräfekt. Die -> Digesten, die zu einem Drittel aus Ulpianfragmenten bestehen, lassen 26 Werke mit rund 240 Büchern erkennen, in denen U. den unübersichtlich gewordenen Rechtsstoff in Gesamtdar- stellungen wiederzugeben und dabei aus mehreren Lösungen die ihm die beste erscheinende auszuwählen versucht. 83 Bücher betreffen das prätorische und ädilizische Edikt, 51 Bücher die (lat.) iuris civilis libri (M.Pl.) III (3 Zivilrechtsbücher) des Sabinus, 29 Bücher die augusteische Gesetzgebung, 22 Bücher (lat.) pandectae (F.Pl., Pandekten), 7 Bücher (lat.) regulae (F.Pl., Regeln) und 2 Bücher (lat.) institutiones (F.Pl., Institutionen). U. ist einer der sog. Zitierjuristen von 426. Von U. stammt (vielleicht) u. a. die Wendung (lat.) -> iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi. Iuris praecepta sunt haec: honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere (Gerechtigkeit ist der ständige Wille, jedem sein Recht zu gewähren. Die Vorschriften des Rechts sind: ehrbar leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine geben). Außerdem wird auf ihn eine Unterscheidung von (lat.) ius (N.) publicum (öffentlichem Recht) und ius privatum (privatem Recht) zurückgeführt. 223 wird U. bei einem Aufstand der Prätorianergarde wohl wegen seiner strengen Verfolgung von Rechtsverletzungen ermordet. Verschiedene mit seinem Namen verbundene Werke (z. B. [lat.] tituli [M.Pl.] ex corpore Ulpiani, Titel aus dem Werk Ulpians) stammen nicht von ihm. Lit.: Söllner §§ 16, 19, 22; Köbler, DRG 30, 52, 53; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 245; Honoré, T., Ulpian, 1982; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987 ultra posse nemo obligatur (lat.). Über sein Können wird niemand verpflichtet. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 Umbrien ist die mittelitalienische Binnenge- birgslandschaft, die von den Römern an die Langobarden (Herzogtum Spoleto) übergeht. 1549 gelangt U. an den -> Kirchenstaat. 1860 geht es in -> Italien auf. Lit.: Conti, P., Il ducato di Spoleto, 1982; Italien- Lexikon, hg. v. Brütting, R., 1995 Umdeutung ist die Ersetzung eines gewollten, aber nichtigen Rechtsgeschäfts durch ein anderes, nicht gewolltes, aber in seinen 787 Voraussetzungen gegebenes zulässiges Rechtsgeschäft. Die U. erscheint verschiedentlich bereits im römischen Recht. Lit.: Kaser § 9 I 3 Ume, Kenjirô (1860-1910), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tokio, Lyon (1886-1889) und Berlin (Eck, Kohler, Brunner) 1890 Professor in Tokio. Er verfasst mit Hozumi und Tomii das Bürgerliche Gesetzbuch -> Japans von 1896/1898 und mit anderen das Handelsgesetzbuch von 1899. Von ihm stammt ein wichtiger Handkommentar zum Bür- gerlichen Gesetzbuch (Minpô Yôgi, Bd. 1ff. 1896ff., Neudruck 1984). Er gilt als bedeutendster Jurist Japans. Lit.: Higashikawa, T., Hakushi Ume Kenjiro, 1917; Waga-minpô no chichi Ume Kenjiro, 1992 Umfahrt ist die Fahrt des Herrschers durch sein Reich nach Herrschaftsbeginn im fränkischen Frühmittelalter (z. B. 533). -> Umritt Lit.: Schücking, W., Der Regierungsantritt, 1899; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991 Umgehungsgeschäft ist das Geschäft, durch das die Beteiligten einen Zweck erreichen wollen, den sie wegen des Verbotes oder der Folgen eines anderen Geschäftes mit diesem nicht oder nicht in dieser Weise erreichen können. Das U. ist bereits früh erkennbar. In bekannten Beispielen wird etwa das -> kanonische Zinsverbot umgangen. In einem weiten Sinn sind auch Scheinverfahren Umgehungsgeschäfte (z. B. lat. [F.] -> in iure cessio). Das U. ist grundsätzlich unzulässig, setzt sich aber in manchen Fällen durch. Lit.: Köbler, DRG 21, 25, 40; Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985; Benecke, M., Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 2004 Umritt ist der Ritt des Herrschers durch sein Reich nach Herrschaftsbeginn im Mittelalter (z. B. 508, 1024). -> Umfahrt Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1944, Neudruck 1965, 1981, 48; Schmidt, R., Königsritt und Huldigung, in: Vorträge und Forschung 6, 2. A. 1981; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991 Umsatzsteuer ist die Steuer vom zu versteuernden und steuerpflichtigen Umsatz von Lieferungen und sonstigen Leistungen eines Unternehmers. Sie ist eine auf den Verbraucher überwälzte -> Verbrauchsteuer. Im Deutschen Reich wird 1916 ein Vorläufer der U. geschaffen. Am Ende des 20. Jh.s gewinnt die U. (als Mehrwertsteuer) an Bedeutung, weil sie nicht unmittelbar im Preis erkennbar ist. -> Akzise, -> Ungeld Lit.: Köbler, DRG 233, 251; Grabower, R., Die Umsatzsteuer, 2. A. 1962; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992 Umstand ist im Verfahrensrecht die um Richter und Urteiler (Schöffen) stehende Gesamtheit der Menschen im Frühmittelalter. Das -> Urteil bedarf der auch durch Schweigen möglichen Genehmigung durch den U. Schon im Frühmittelalter und Hochmittelalter (Sachsenspiegel, Landrecht II, 12, 10, 14) scheidet der U. aber als bloße -> Öffentlichkeit aus der Urteilsbildungstätigkeit allmählich aus. Lit.: Köbler, DRG 70, 75; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines, 1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985 Umwelt ist die Gesamtheit der die natürlichen Lebensbedingungen der Menschen bildenden Gegenstände. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird erkannt, dass die große Zahl der auf der Erde lebenden Menschen durch ihre industrialisierte Lebensweise die U. (Luft, Wasser, Boden) gefährdet. Zur Steuerung dieser Gefährdung werden nach Einzelgesetzen (z. B. Wassergesetz Preußens [bereits] vom 1. Mai 1914) ein Umweltstrafrecht (Deutschland seit 1975) und ein Umwelthaftungsrecht (1991) entwickelt. Lit.: Köbler, DRG 249, 250, 265; Tiedemann, K., Die Neuordnung des Umweltstrafrechts, 1980; Hager, G., Das neue Umwelthaftungsgesetz, NJW 1991, 134; Brüggemeier, F./Rommelspacher, T., Blauer Himmel über der Ruhr, 1992; Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser, W., 1994; Kloepfer, M., Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994; Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser, W., 1994; Fischer, R., Umwelt- schützende Bestimmungen im römischen Recht, Diss. jur. Augsburg 1995; Büschenfeld, J., Flüsse und Kloaken, 1999; Sporn, T., Pfister gegen Krickerode, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bloy, R., Umweltstrafrecht, JuS 1997, 577; Radkau, J., Natur und Macht, 2000; Büker, D., Mensch ­ Kultur ­ Abwasser, 2000; Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhundert, 2002; Marquardt, B., Umwelt und Recht in Mitteleuropa, 2003; Winiwarter, V., Umweltgeschichte, 788 2004; Hünemörder, K., Die Frühgeschichte der globalen Umweltkrise und die Formierung der deutschen Umweltpolitik (1950-1973), 2004 UN-Kaufrecht ist das am Ende des 20. Jh.s von den -> Vereinten Nationen zur Er- leichterung des Handelsverkehrs entwickelte Kaufrecht. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Reinhart, UN-Kaufrecht, 1991; Karollus, M., Der Anwendungsbereich des UN- Kaufrechts, JuS 1993, 378 Unabhängigkeit ist das Fehlen einer Abhängigkeit (z. B. zugunsten einer bisherigen Kolonie vom Mutterland oder der Rechtsprechung von der ausführenden Gewalt). Die U. des Richters wird im 18. Jh. als Notwendigkeit erkannt (England 1701). Sie setzt sich im 19. Jh. (1848, Preußen 1850) durch. Lit.: Köbler, DRG 200; Kroeschell, DRG 3; Klüber, J., Die Selbständigkeit des Richteramtes, 1832; Aubin, G., Die Entwicklung der richterlichen Unabhängigkeit, 1906; Plathner, G., Der Kampf um die richterliche Unabhängigkeit, 1935; Eichenberger, K., Die richterliche Unabhängigkeit, 1960; Die Unabhängigkeit des Richters, hg. v. Simon, D., 1975; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986; Immisch, L., Der sozialistische Richter in der DDR, 1997; Baer, A., Die Unabhängigkeit der Richter in der Bundesrepublik und in der DDR, 1999 unbeerbt (nicht mit einem [Abkömmling als] Erben versehen) Unehelich ist die durch das Fehlen einer Ehe gekennzeichnete Bestimmung. Insbesondere kann ein Kind u. sein. Im römischen Recht ist zunächst das uneheliche Kind wenig bedeutsam und gilt als (lat.) persona (F.) sui iuris (Person eigenen Rechts). Seit der Zeitenwende wird das uneheliche Kind zugunsten der Ehe benachteiligt. Danach bekämpft die -> Kirche die Unehelichkeit. Sie erreicht, dass das uneheliche Kind als nicht mit dem Vater verwandt gilt und deshalb kein Erbrecht nach ihm hat. Erst seit der Aufklärung ändert sich die Benachteiligung des unehelichen Kindes allmählich. In Norwegen erfolgt die Gleichstellung 1915, in Dänemark 1937. In Deutschland scheitern Reformbestrebungen 1925-1929 und 1940. 1969 wird das Wort u. durch -> nichtehelich ersetzt und die Rechtsstellung inhaltlich verbessert, doch erfolgt erst 1998 die sachliche Beseitigung der Unterschiede. Lit.: Kaser §§ 13 II 1b, 61 II; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 88, 120, 160, 210, 267; Brunner, H., Die uneheliche Vaterschaft, ZRG GA 17 (1896), 1; Bückling, G., Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder, 1920; Weitnauer, A., Die Legitimation, 1940; Schubart- Fikentscher, G., Die Unehelichen-Frage, 1967; Winterer, H., Die Stellung der unehelichen Kinder, ZRG GA 87 (1970), 32; Herrmann, H., Die Stellung unehelicher Kinder, 1971; Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes zu seinem Erzeuger, 1978; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen Stadt, in: Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ellrichshausen, E., Die uneheliche Mutterschaft im altösterreichischen Polizeirecht, 1988; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Illegitimität im Spätmittelalter, hg. v. Schmugge, L. u. a., 1994; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995; Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998 Unehrlich ist die durch Fehlen der Ehrlichkeit gekennzeichnete Bestimmung. Im römischen Recht ist der (lat.) infamis von Prozess- handlungen und Ämtern ausgeschlossen. In Hochmittelalter und Frühneuzeit sind verschiedene Tätigkeiten u. (z. B. Henker). Wer u. ist, kann bestimmte Tätigkeiten nicht ausüben. Lit.: Kaser § 13 III; Hübner; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Danckert, W., Unehrliche Leute, 2. A. 1979 Unerlaubte Handlung (Delikt) ist die vom Recht nicht erlaubte Handlung, die bei einem - > Schaden eines anderen einen Schadensersatzanspruch begründen kann. Die u. H. ist seit den Anfängen des Rechts bekannt. Zu den verletzbaren Rechtsgütern gehören vor allem der Körper und das Eigentum des Menschen (Tötung, Körperverletzung, Diebstahl, Sachbeschädigung). Eine bedeut- same Regelung des Rechtsbereichs bringt die (lat.) -> lex (F.) Aquilia de damno (286 v. Chr., aquilisches Gesetz über den Schaden). Die frühmittelalterlichen Volksrechte sehen jeweils -> Wergeld und Buße vor, bis sich am Beginn des Hochmittelalters (11. Jh.) -> Strafe und Schadensersatz trennen. Im 19. Jh. werden für die u. H. Handlung, Rechtswidrigkeit und Schuld gefordert. Die gesetzliche Regelung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) 789 findet sich in den §§ 823ff. Sie geht von einzelnen, geschützten Rechten und Rechts- gütern aus. Über die Haftung für eigenes Verhalten hinaus wird auch die Haftung für andere (Verrichtungshilfen), für Tiere und für Sachen in bestimmten Gestaltungen (z. B. Bauwerk) erfasst. Lit.: Kaser §§ 50, 51; Hübner 608; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 140, 216, 217, 271; Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Becker, W., Das Recht der unerlaubten Handlung, 1976; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Unfall Lit.: Eckhardt, M., Technischer Wandel und Rechtsevolution, 2001 Unfallversicherung ist die von Berufsgenossenschaften verwaltete -> Sozialversicherung gegen Arbeitsunfälle (Deutsches Reich 6. 7. 1884). Sie vertritt eine an sich sinnvolle -> Gefährdungshaftung des Unternehmers. Seit 1925 erfasst sie auch die Berufskrankheit und den Wegeunfall. Am Ende des 20. Jh.s sichert sie rund 38 Millionen Menschen in Deutschland. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 183; Gitter, W., Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, 1969; Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 169 (1969), 404; Wickenhagen, Die Geschichte der gesetzlichen Unfallversicherung, 1980; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht, ZNR 8 (1986), 157 Unfreier ist der die Freiheit entbehrende Mensch in Mittelalter und Frühneuzeit. Er ist dem -> Sklaven des römischen Rechts vergleichbar, wenn auch wohl nicht gleich. Tacitus bezeugt ihn bereits für die Germanen, wobei er ihm eine eigene Behausung und einen selbständigen Wirtschaftsbereich mit Ablieferungspflichten zuspricht. Der Unfreie ist in der Personalgewalt (ahd. munt) seines Herrn. Wie weit im Frühmittelalter der Unfreie (ahd. skalk) als Sache behandelt wird, ist zweifelhaft. Immerhin regeln manche Volksrechte seine Tötung neben der Tötung der Freien. Die christliche Kirche bekämpft seit dem 6. Jh. ein Tötungsrecht des Herrn und erkennt im 10. Jh. Ehen unter Unfreien ohne weiteres an. Wirtschaftlich ist der im Einzelnen unterschiedlich gestellte Unfreie allgemein in die -> Grundherrschaft eingebunden. Seit dem Hochmittelalter wird die geburtsständische Gliederung nach der (Freilassung ermög- lichenden) Unfreiheit bzw. Freiheit durch die berufsständische Gliederung nach Rittern, Bürgern und -> Bauern überlagert. Die Aufklärung beseitigt die Unfreiheit (Frankreich 1789, Preußen 1807). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 71, 78, 87, 89; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102; Koehne, K., Die Geschlechtsverbindungen der Unfreien, 1888; Zycha, A., Über den Anteil der Unfreiheit am Aufbau von Wirtschaft und Recht, 1915; Rörig, F., Luft macht eigen, (in) Festgabe Gerhard Seeliger, 1920; Landau, P., Hadrians IV. Dekretale ,,Dignum est", Studia Gratiana 12 (1967), 511; Merzbacher, F., Die Bedeutung von Freiheit und Unfreiheit, Hist. Jb. 90 (1970), 257; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Kolb, H., Über den Ursprung der Unfreiheit, Z. f. d. A. 103 (1974), 289; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991; Freedman, P., The Origins of Peasant Servitude, 1991; Grieser, H., Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, 1997 Ungar ist der Angehörige des um 895 (862 bzw. 894-900) aus Asien in das Donaubecken (Karpatenbecken) gelangenden, finno-ugrisch sprechenden Volkes, das nach der Niederlage in der Schlacht auf dem Lechfeld (10. 8. 955) sesshaft wird. Vielleicht 1001 erfolgt die Krönung eines christlichen Königs der Ungarn. 1290 stirbt das Königsgeschlecht der Arpaden aus. Im Streit mit Habsburg setzt sich Anjou- Sizilien durch (1301/1310-1382/1386). Vor 1514 erstellt Stephanus -> Werböczy eine erstmalige Sammlung des Gewohnheitsrechts des Königreichs Ungarn, die sich in der Gerichtspraxis durchsetzt. 1526 fällt das inzwischen entstandene Land Ungarn durch Erbrecht an -> Habsburg. 1867 muss -> Österreich im sog. -> Ausgleich seine Herrschaft über Ungarn lockern. 1840 wird ein Handelsgesetzbuch, 1878 werden ein Strafgesetzbuch (, 1879 ein Strafgesetzbuch über die ->Übertretungen) und 1896 eine 1900 verbesserte Strafprozessordnung geschaffen. 790 1918 verselbständigt sich das Land, das nach dem Ende der Fremdbestimmung durch die Sowjetunion (1945-1989, Bürgerliches Gesetzbuch 1958) den Anschluss an die Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union (1993) sucht und 2004 findet. Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 194, 220; Baltl/Kocher; Timon, A. v., Ungarische Verfassungs- und Rechts- geschichte, 2. A. (1904 bzw.) 1909; Schulte, A., Die Kaiser- und Königskrönungen zu Aachen 813-1531, 1924; Karpat, J., Corona regni Hungariae, 1937; Müller, G., Die mittelalterlichen Verfassungs- und Rechtseinrichtungen der Rumänen des ehemaligen Ungarn, Siebenbürgische Vierteljahrschrift 61 (1938); Miskolczy, J., Ungarn in der Habsburger Monarchie, 1959; Madl, F., Das erste ungarische ZGB, in: Das ungarische ZGB, 1963; Karpat, J., Die Rechtsgeschichte Ungarns, in: FS H. Lentze, 1969, 339; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,561, 3,2,2141,2819, 3,3,3512,3629,3716,4056,4202; Bogyay, T. v., Grundzüge der Geschichte Ungarns, 4. A. 1990; Sugar, P./Hanal, P., History of Hungary, 1990; Diplomata Hungariae Antiquissima, hg. v. Györffy, G., Bd. 1 1992; Haslinger, P., Hundert Jahre Nachbarschaft, 1996; Zlinszky, J., Wissenschaft und Gerichtsbarkeit, Quellen und Literatur der Privatrechtsgeschichte Ungarns, 1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 2, hg. v. Gündel, A., 1997; Kellner, M., Die Ungarneinfälle, 1997; Pribersky, A. u. a., Ungarn, 1999; Molnár, N., Geschichte Ungarns, 1999; Les Hongrois et l'Europe, hg. v. Csernus, S. u. a., 1999; Kristó, G., Die Geburt der ungarischen Nation, 2000; Lendvai, P., Die Ungarn, 1999; Fata, M., Ungarn, 2000; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreichisch-ungarischen Monar- chie, 2000; The Hungarian State 1000-2000, hg. v. Gergely, A. u. a., 2000; Molnár, M., A Concise History of Hungary, 2001; Ungarn und Europa, hg. v. Brunner, G. 2001; Krauss, K., Deutsche Auswanderer in Ungarn, 2003; Pajkossy, G., Magyarország története a 19. században [Die Geschichte Ungarns im 19. Jahrhundert], 2003 S.; Kajtár, I., A 19. századi magyar állam- és jogrendszer alapjai. Európa ­ haladás ­ Magyarország (Die Grundlagen des modernen ungarischen Verfassungs- und Rechtssystems des 19. Jahrhunderts. Europa ­ Fortschritt ­ Ungarn), 2003; Adriányi, G., Die Geschichte der katholischen Kirche in Ungarn, 2004; Das Ungarnbild der deutschen Historiographie, hg. v. Fata, M., 2004 Ungarn -> Ungar Lit.: Mayer, T., Verwaltungsreform in Ungarn nach der Türkenzeit, 1911 Neudruck = 2. A. 1980; Zehntbauer, R., Einführung in die neuere Geschichte des ungarischen Privatrechts, 1916; Heymann, E., Das ungarische Privatrecht und der Rechtsausgleich mit Ungarn, 1917; Tagányi, K., Lebende Rechtsgewohnheiten und ihre Sammlung in Ungarn, 1922; Both, Ö., Kampf um die Einführung der Geschworenengerichte, Acta universitatis Szegediensis, Iur. et polit. 7, 1 (1960), 1; Deér, J., Die heilige Krone Ungarns, 1966; Horváth, P., A kelet- és közép-európai népek, 1968; Die juristische Bildung in der Slowakei und Ungarn bis zum Jahre 1848, 1968; Tripartitum opus iuris consuetudinarii inclyti regni Hungarie per Stephanum de Werbewcz editum Wien 1517, Neudruck 1969; Tanulmányok a magyar helyi önkormányzat múltjábol (Studien zur Geschichte der örtlichen Selbstverwaltung in Ungarn), hg. v. Bónis, G./Degré, A., 1971; Bónis, György, Középkori jogunk elemei, 1972; Bak, J., Königtum und Stände in Ungarn im 14.-16. Jahrhundert, 1973; Csizmadia, A., Adam Franz Kollár und die ungarische rechtshistorische Forschung, 1982; Kovács, K., Zur Geschichte des ungarischen Strafrechts und Strafprozessrechts 1000- 1918, 1982; Mertanová, S., Ius tavernicale, 1985, Jobbágyi, G., Die Rechtsfähigkeit und das Lebensrecht des Embryos im ungarischen Recht, ZRG GA 110 (1993), 513; Neschwara, C., Die Geltung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Ungarn, ZRG GA 113 (1996), 362; Gönczi, K., Ungarisches Stadtrecht aus europäischer Sicht, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen des Rechts, hg. v. Polaschek, M., 1997; Die Elemente der ungarischen Verfassungsentwicklung, hg. v. Máthé, G./Mezey, B., 2000; The Hungarian State, hg. v. Gergely, A. u. a., 2000; Gönczi, K./Henne, T., Leipziger Verlage, liaisonmen und die Anfänge der modernen Rechtswissenschaft in Ungarn, ZRG GA 118 (2001), 247; Kajtár, I., (Fie Grundlagen des modernen ungarischen Verfassungs- und Rechtssystems des 19. Jahrhunderts), 2003; Németh, I., Ungarische Geschichte, 2003; Dalos, G., Ungarn, 2004; Das Ungarnbild der deutschen Historiographie, hg. v. Fata, M., 2004; Nationalstaat ­ Monarchie ­ Mitteleuropa, hg. v. Máthé, G. u. a., 2004 ungeboten (ohne besonderes Gebot auf Grund allgemeiner Regeln erfolgend) z. B. unge- botenes -> Ding Lit.: Kroeschell, DRG 2 Ungefährwerk ist die wissenschaftliche Bezeichnung für den ungewollten Unrechtserfolg im älteren deutschen Recht (z. 791 B. fehlgehender Pfeil führt zum Tod eines Menschen). -> Fahrlässigkeit Lit.: Köbler, DRG 91; Behrend, R., Das Ungefährwerk in der Geschichte des Seerechts, ZRG GA 19 (1898), 52; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964 Ungehorsam -> Widerstand Ungeld ist seit dem Hochmittelalter bis ins 19. Jh. die (vielfach städtische) -> Verbrauchsteuer (z. B. Weinungeld). -> Akzise Lit.: Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Weisbrod, R., Das Weinungeld als Rechtsinstitut der freien Reichsstadt Speyer 1952; Habich, W., Das Weinungeld, Diss. jur. Frankfurt am Main 1966; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992 ungemessen (nicht durch ein Maß bestimmt) Unger, Joseph (Wien 2. 7. 1828-2. 5. 1913) Kaufmannssohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht (Wien) und dem Übertritt zum Katholizismus Bibliothekar und 1853 außerordentlicher Professor in Prag und 1856 in Wien (1857 ordentlicher Professor). Seit 1870 wendet er sich der Politik zu. 1881 wird er Präsident des Reichsgerichts in -> Österreich. Sein ursprüngliches Eintreten für ein Bürgerliches Gesetzbuch des Deutschen Bundes (1855) wandelt sich später in einen Aufruf zur Revision des österreichischen -> Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches durch einzelne Teilnovellen. Seit 1859 veröffentlicht er mit Julius Glaser die zivilrechtlichen Urteile des Obersten Gerichtshofes. Sein System des österreichischen allgemeinen Privatrechts wird mehrfach aufgelegt. Lit.: Strohal, E., Josef Unger, 1914; Lentze, H., Josef Unger, FS H. Arnold, 1963, 219; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938, 2. A. 1953, 83; Ogris, W., Die historische Schule der österreichischen Zivilistik, FS H. Lentze, 1969, 449; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 177 Ungerechtfertigte Bereicherung ist die nicht durch einen rechtlichen Grund gerechtfertigte - > Bereicherung einer Person. Sie ist nach dem Vorbild des römischen Rechts (lat. [F.] -> condictio) herauszugeben. Die Beschränkung der Haftung auf die noch vorhandene Bereicherung erfolgt durch -> Duarenus (1509- 1559), dem -> Glück (1755-1831) folgt. Lit.: Unjust Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in Europa, 2001; Flume, W., Studien zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, hg. v. Ernst, W., 2003; Cases, Materials and Texts on Unjustified Enrichment, hg. v. Beatson, J. u. a., 2003 Ungericht (N.) Unrecht Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898 Union (F.) Vereinigung, -> Europäische Union, -> Personalunion, -> Realunion unio (F.) prolium (lat.) Vereinigung der Nachkommen, -> Einkindschaft Universalsukzession (F.) Gesamtrechtsnachfolge (z. B. bei einem Erbfall) Lit.: Kaser § 65 I 1; Köbler, DRG 210; Schwerin, C. Frhr. v., Über den Begriff der Rechtsnachfolge, 1905; Tuor, P., Der Grundsatz der Universalsukzession, 1922 universitas (lat. [F.]) Einheit Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 57; Krämer, W., Konsens und Rezeption, 1980 Universität ist die aus der Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden seit dem 12. Jh. erwachsende, die gesamte Breite der Wissenschaften erfassende Lehranstalt. Die erste juristische U. entsteht auf scholastischer Grundlage um die Glossatoren (-> Irnerius, Bulgarus, Hugo, Jacobus, Martinus) in Bologna (als offizielles Gründungsjahr 1088 angesehen, um 1200 ca. 1000 juristische Studenten, Statuten von 1252). Spätere Universitäten umfassen meist neben der einführenden artistischen (philosophischen) Fakultät die drei höheren Fakultäten Theologie, Jurisprudenz und Medizin. Leiter der U. ist der Rektor, Leiter der Fakultät ist der Dekan. Frühe bekannte europäische Universitäten entwickeln sich in -> Paris (Statuten von 1215), -> Oxford (nach 1139), -> Cambridge (seit 1209), -> Montpellier (seit etwa 1170), -> Salerno (995- 1087?, Medizin), Perugia (1208), Salamanca 1218/1219, -> Padua (1222) oder -> Neapel (1224), Lissabon (1290), Pisa (1343), Florenz (1349), Siena (1357) oder Pavia (1361). Eine erste deutsche U. entsteht in -> Prag 1348 (, Beginn humanistischen Einflusses). Es folgen mit bescheidenen Anfängen -> Wien (1365), (ab 1378 Verringerung des päpstlichen Einflusses infolge des Schismas,) -> Heidelberg (1386), -> Köln (1388), -> Erfurt (1392), (um 1400 europaweit rund 30 Universitäten, Aufkommen territorialer Universitäten,)-> Leipzig (1409), -> Rostock 792 (1419), -> Freiburg im Breisgau (1425), -> Greifswald (1456), -> Löwen (1425 bzw.1457), -> Basel (1460), -> Ingolstadt (1472), -> Trier (1472), Kopenhagen (1475), Uppsala (1477), - > Tübingen (1477) und -> Mainz (1477). Die Zahl der Studierenden nimmt beständig zu (im ausgehenden 14. Jahrhundert in Deutschland vielleicht jährlich 600, im ausgehenden 15. Jh. in Deutschland jährlich etwa 3000 Studienanfänger, von 1385 bis 1505 in Deutschland insgesamt rund 200000 Studerende, davon 164000 an den 12 Universitäten Wien, Löwen, Basel, Heidelberg, Köln, Erfurt, Leipzig, Rostock, Greifswald, Freiburg im Breisgau, Ingolstadt und Tübingen ­ deren Matrikel im Gegensatz zu Prag, Trier und Mainz nicht verloren ist -, bis zur Reformation im Heiligen Römischen Reich rund, - in Köln zu vier Fünfteln aus Städten stammenden - 300000 Studierende, davon 250000 der artistischen Fakultät, 13 % (rund 39000) der juristischen Fakultät, 2,6 % der theologischen Fakultät und 0,4 % der medizinischen Fakultät). Die Reformation (1527 erste lutherische Universität in Marburg, 1559 erste reformierte Universität in Genf) fördert die Differenzierung der Lehre, die Professionalisierung der Universitätslehrer und die Vorstellung der Freiheit der Studierenden, aber auch Gegenbewegungen (1538 höheres Studium der Dominikaner auf Haiti, ab 1550 jesuitische Hochschulen) und europäische Ausbreitung (1575 Leiden, 1724 Sankt Petersburg) wie außereuropäische Ausdehnung (1650 Stiftungshochschchule John Harvards in Nordamerika, 1701 Yale, 1785 New Brunswick, 1829 Cape Town, 1850 Sidney, 1857 Bombay, 1883 Istanbul, 1898 Peking). Juristische Reformuniversitäten werden -> Halle (1694), -> Göttingen (1734) und -> Berlin (1810) (um 1800 190 Universitäten weltweit). Im 19. Jh. werden natur- wissenschaftliche Fächer eröffnet. In der Wertschätzung stehen in Deutschland Berlin, München, Leipzig, Bonn, Heidelberg und Göttingen vor den anderen Universitäten. Die zweite Hälfte des 20. Jh.s führt zu vielen Massenuniversitäten (1985 86500 deutsche Studenten der Rechtswissenschaft, um 1990 rund 750 Universitäten und 6500 weitere Hochschulen weltweit). Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 99, 106, 143, 151, 154, 180, 254; Denifle, H., Die Entstehung der Universitäten, 1885; Denifle, H., Die Universitäten des Mittelalters bis 1400, 1885; Kaufmann, G., Die Geschichte der deutschen Universitäten, Bd. 2 1896, Neudruck 1958; Eulenburg, F., Die Frequenz der deutschen Universitäten, 1904; Paulsen, F., Geschichte des gelehrten Unterrichts, Bd. 1f. 1919; Rashdall, H., The Universities, 1936; Grundmann, Herbert, Vom Ursprung der Universität im Mittelalter, 1957 (SB Leipzig); Ebel, W., Zur Geschichte des Rechtsstudiums, 1961; Köbler, G., Zur Geschichte der juristischen Ausbildung, JZ 1961, 768; Nationalsozialismus und die deutsche Universität, 1966; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Cobban, A., The Medieval Universities, 1975; Beiträge zu Problemen deutscher Universitätsgründungen der frühen Neuzeit, hg. v. Baumgart, P., 1978; Universit, Academie e Societ scientifiche in Italia e in Germania del cinquecento al settecento, hg. v. Böhm, L. u. a., 1981; Universitäten und Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, hg. v. Böhm, L. u. a., 1983; Esch, A., Die Anfänge der Universität, 1985; Histoire des universités en France, hg. v. Verger, J., 1986; Schwinges, R., Deutsche Universitätsbesucher, 1986; Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988; Cobban, A., The Medieval English Universities, 1988; Müller, A., Geschichte der Universität, Bd. 1f. 1990; Heiber, H., Universität unterm Hakenkreuz, 1991; Rexroth, F., Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln, 1992; Geschichte der Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Hammerstein, N., Universitäten und Reformation, HZ 258 (1994), 339; Universit, hg. v. Porciani, I., 1994; Die Universität in Alteuropa, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1994; Guide to Legal Studies in Europe, hg. v. The European Law Students' Association, 1995; Titze, H., Wachstum und Differenzierung der deutschen Universitäten 1830-1945, 1995; Verger, J., Les universités françaises, 1995; Schlange-Schöningen, Kaisertum und Bildungswesen im spätantiken Konstantinopel, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v. Hammerstein, N., 1996; Baumgarten, M., Professoren und Universitäten im neunzehnten Jahrhundert, 1997; Pedersen, O., The first universities, 1997; Boockmann, H., Wissen und Widerstand, 1999; Stätten des Geistes, hg. v. Demandt, A., 1999; Jessen, R., Akademische Elite und kommunistische Diktatur, 1999; Attempto ­ oder wie stiftet man eine Universität, hg. v. Lorenz, S., 1999; Ferz, S., Ewige Universitätsreform, 2000; Weber, W., Geschichte der europäischen Universität, 2001; Zwischen Autonomie und Anpassung, 793 hg. v. Connelly, J./Grüttner, M. 2002; Weber, W., Geschichte der europäischen Universität, 2002; Gredler, P., The Universities of the Italian Renaissance, 2002; Zwischen Autonomie und Anpassung ­ Universitäten in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts, hg. v. Connelly, J. u. a., 2003; Kahl, W., Hochschule und Staat, 2004; Woelk, W. u. a., Universitäten und Hochschulen im Nationalsozialismus, 2004; Gerber, S., Universitätsverwaltung und Wissenschaftsorganisation im 19. Jahrhundert, 2004; Universitäten und Wissenschaften im mitteldeutschen Raum in der frühen Neuzeit, hg. v. Blaschke, K., 2004 Universitätsgerichtsbarkeit ist die besondere Gerichtsbarkeit der Universität (bzw. des Rektors) über die Universitätsmitglieder. Sie findet sich nach älteren Ansätzen zumindest zeitweise in Prag, Wien, Heidelberg, Leipzig, Rostock, Basel, Freiburg im Breisgau und Ingolstadt. Vielfach sind die besonders schweren Verbrechen ausgenommen. Endgültig abgeschafft wird die U. im Deutschen Reich 1877/1879. Ihr folgt teilweise eine besondere Disziplinargerichtsbarkeit. Lit.: Stein, F., Die akademische Gerichtsbarkeit, 1891; Toll, H., Akademische Gerichtsbarkeit, 1979; Woeste, P., Akademische Väter als Richter, 1987 Universum (N.) ist die Gesamtheit oder das bisher im Wesentlichen vom Recht des Menschen freie Weltall. Unlauterer Wettbewerb ist der gegen die Redlichkeit verstoßende Wettbewerb (in der Wirtschaft). Als eigenständiger, vom Strafrecht gelöster Fragenbereich wird der unlautere Wettbewerb im 19. Jh. erkannt. In Frankreich finden die Art. 1382, 1383 -> Code civil Anwendung, in England die -> equity. Das Deutsche Reich schützt am 12. 5. 1894 die Warenbezeichnung gesetzlich und am 7. 6. 1909 den Wettbewerb allgemein gegen Unlauterkeit. Am 8. 7. 2004 tritt eine Neu- fassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Kraft, die das Sonderveranstal- tungsverbot aufhebt, Telefonwerbung von Ein- willigung abhängig macht und einen Gewinn- abschöpfungsanspruch für Verbände einführt. Lit.: Kohler, J., Der unlautere Wettbewerb, 1914, 33; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Wadle, E., Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, JuS 1996, 1064; Köhler, H., Das neue UWG, NJW 2004, 2121 Unlust (F.) Nichtzuhören im -> Ding Unmittelbarkeit (F.) Verbindung zweier Momente ohne ein drittes vermittelndes Glied (z. B. Reichsunmittelbarkeit zwischen Herrscher und reichsunmittelbaren Gliedern des Heiligen Römischen Reiches) Lit.: Kaser § 87 II 6; Köbler, DRG 201, 202; Stüber, M., Die Entwicklung des Prinzips der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren, 2005 Unmöglichkeit (lat. [F.] impossibilitas) ist die Unbewirkbarkeit einer Leistung. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Den anfangs nur sehr begrenzt bedeutsamen lateinischen Satz impossibilium nulla est obligatio (zu Unmöglichem besteht keine Verpflichtung) dehnt -> Donellus in der frühen Neuzeit ausdrücklich auf alle Verträge aus. -> Pufendorf erweitert die zunächst nur für die besonderen -> Innominatkontrakte anerkannten Regeln über das Freiwerden bei unver- schuldeter nachträglicher U. auf alle Verträge. Im 19. Jh. baut Friedrich Mommsen (1853) unter unzutreffender Auslegung der römischen Quellen ein System der anfänglichen bzw. nachträglichen und subjektiven oder objektiven U. auf, das über -> Windscheid in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) Eingang findet. Lit.: Kaser § 37 I 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 165, 214; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969; Wollschläger, C., Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970; Rückert, J., Vom casus zur Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Unmündigkeit ist das Fehlen der -> Mündigkeit. Lit.: Kaser §§ 14 II 2, 62 I 1; Hübner; Köbler, DRG 21, 57, 87, 121 Unna Lit.: Unna, bearb. v. Lüdicke, R., 1930 Unrecht ist das Fehlen von Recht. U. gibt es seit der Entstehung von Recht. Aufgabe der Allgemeinheit ist es, U. zu verhindern und Recht herzustellen. Notfalls muss geschehenes U. nachträglich ausgeglichen werden (z. B. Schadenersatz). Lit.: Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts, hg. v. Schwarz, W. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Das Recht des Unrechtsstaates, hg. v. Reifner, U., 1981; Der Unrechtsstaat, hg. v. d. Redaktion der kritischen Justiz, Bd. 1f. 2 A. 1983; Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, hg. v. Salje, P., 1985; Rüthers, B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825ff. 794 Unrecht Gut gedeiht nicht. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 151 Unschuldseid -> Reinigungseid Unschuldsvermutung Lit.: Schulz, L., Die praesumptio innocentiae, ZRG GA 119 (2002), 193 Unteilbarkeit ist das Fehlen der Teilbarkeit. Die U. von Herzogtümern und Grafschaften streben schon die Reichtagsbeschlüsse von Roncaglia (1158) an. Dennoch werden die Fürstentümer vielfach bis über das 16. Jh. hinaus tatsächlich geteilt. Seit dem 14. Jh. legen die Goldene Bulle (1356) für die Kurfürstentümer und andere Regelungen für einzelne Fürstentümer (Österreich 1358/9 Fälschung, Braunschweig-Lüneburg, Hessen, Brandenburg 1473, Württemberg 1495) die U. fest. Lit.: Köbler, DRG 111; Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Ficker, J., Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 240; Werminghoff, A., Der Rechtsgedanke von der Unteilbarkeit, 1915; Härtel, R., Über Landesteilungen, FS F. Hausmann, 1977, 179; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982 Unterbringung Lit.: Bartelheimer, H., Die Entwicklung des Unterbringungsrechts, 2003 Untereigentum ist der untere und insofernnachrangige Teil des geteilten -> Eigentums (z. B. des Lehnsmannes). Es wird seit dem Hochmittelalter entwickelt und im 19. Jh. beseitigt. Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985 Unterhalt ist die Gesamtheit der für den Lebensbedarf eines Menschen erforderlichen Aufwendungen. In einfachen Gesellschaften ist die gemeinsame Lebensführung Nahestehender so selbstverständlich, dass der U. rechtlich nicht erfasst wird. Bereits das römische Recht anerkennt seit Augustus (63 v.-14 n. Chr.) aber in der (lat.) extraordinaria cognitio (F.) durchsetzbare Unterhaltsansprüche zwischen Kindern und Eltern und Großeltern. Seit Antoninus Pius (?) besteht eine gegenseitige Unterhaltspflicht zwischen allen ehelichen Aszendenten und Deszendenten sowie unter Geschwistern. Bei einem unehelichen K. betrifft dies nur die Mutter und ihre Verwandten. Eine Rechtspflicht zu U. unter Ehegatten kennt in Ausnahmefällen Justinian (527-565). Im Mittelalter fördert die Kirche die Unterhaltspflicht von Eltern und Kindern. Dem folgen im Spätmittelalter städtische Satzungen. Die gelehrte Literatur befasst sich seit dem 16. Jh. vertieft mit diesen Fragen. In der Aufklärung wird neben dem Vater die Mutter zu U. verpflichtet und eine Unterhaltsverpflichtung weiterer Verwandter zunehmend abgelehnt. Dem schließen sich die großen Zivilrechtsgesetzbücher überwiegend an. Lit.: Kaser §§ 12 III, 58 VI, 61; Hübner 717; Jankowiak, K., Die Rechtstellung der Kinder, Diss. jur. Marburg 1923 masch.schr.; Laplanche, J. de, La soutenance ou pourvéande dans le droit coutumier, 1952; Wiesner, J., Über die Rechtstellung des ehelichen Kindes, Diss. jur. Kiel 1972; Wesener, G., Pflichtteilsrecht und Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten, FS Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz 1979, 95; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche, 1982; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 254; Koch, E., Unterhaltspflichten in rechtshistorischer Sicht, in: Familiäre Solidarität, 1997, 9; Schmitz, U., Der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger, 2000; Großekathöfer, D., Es ist ja jetzt Gleichberechtigung, 2003; Laubach, B., Lateinische Spruchregeln zum Unterhaltsrecht, 2004 Unterhaus -> House of Commons Unterkauf ist der im Spätmittelalter und Frühneuzeit in Städten verbotene Zwischenhandel. Lit.: Hübner § 83; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961 Unterlassene Hilfeleistung ist die trotz Rechtspflicht zum Tätigwerden nicht erbrachte Hilfeleistung. Lit.: Gieseler, K., Unterlassene Hilfeleistung, 1999 Unterlassung ist die Nichtvornahme einer gebotenen Handlung. Die U. wird erst allmählich der Handlung angenähert. Lit.: Kaser §§ 36 I 2, 51 II 1; Köbler DRG 242 Unternehmen ist im Privatrecht eine organisatorische Einheit aus Sachen, Rechten und sonstigen Werten, innerhalb deren ein Unternehmer entferntere Ziele verfolgt. Gegenüber dem einzelnen Unternehmer gewinnt das U. seit dem Spätmittelalter ein Eigengewicht. Seit dem 20. Jh. gibt es Bestrebungen, das U. - statt des Kaufmanns - in den Mittelpunkt des Handelsrechts zu stellen. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Geschichtliche Grundbegriffe, 795 Bd. 6 1989, 707; Oppikofer, H., Das Unternehmensrecht, 1927; Bauer, C., Unternehmen und Unternehmensformen, 1936; Recht und Entwicklung von Großunternehmen, hg. v. Horn, N. u. a., 1979; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1982; Treue, W., Unternehmens- und Unternehmergeschichte, 1989; Conradi, J., Das Unternehmen, 1993; Riechers, A., Das ,,Unternehmen an sich", 1996; Unternehmen im Nationalsozialismus, hg. v. Gall, L./Pohl, M., 1998; Pierenkemper, T., Unternehmensgeschichte, 2000; Förster, C., Die Dimension des Unternehmens, 2003; Dienel, H., Die Linde AG, 2004; Berghoff, H., Moderne Unternehmensgeschichte, 2004; Thiessen, J., Unternehmenskauf und Bürgerliches Gesetzbuch, 2005 Unterpfand (meist gleichbedeutend wie) Pfand Lit.: Meibom, V., Das deutsche Pfandrecht, 1867, 37 Unterschlagung ist die rechtswidrige Zueignung einer fremden beweglichen Sache, die der Täter in Besitz oder Gewahrsam hat (z. B. Verkauf einer entliehenen Sache). Die systematische Abgrenzung der U. vom -> Diebstahl erfolgt erst seit dem Ende des 18 Jh.s. (Kleinschrod, Sachsen 1838). Lit.: Köbler, DRG 158; Meister, E., Fahrnisverfolgung und Unterschlagung im deutschen Recht, FS Adolf Wach, 1913; His, R., Das Strafrecht im deutschen Mittelalter, Bd. 2 1935, 217; Wrede, H., Die Untreue, 1939; Reiß, H., Die strafrechtliche Behandlung der Eigentums- und Vermögensdelikte, 1973 Unterschrift ist der zum Zwecke der Anerkennung des Inhalts unter den Text einer Urkunde gesetzte, eigenhändig geschriebene -> Name eines Menschen. Das römische Altertum kennt, wenn auch spät, bereits die U. Die merowingische Königsurkunde weist vielfach eine eigenhändige U. des Königs auf, an deren Stelle später das Monogramm oder das -> Siegel (11 Jh.) tritt. Seit der frühen Neuzeit verdrängt die eigenhändige U. das Siegel wieder. Mit zunehmender Selbstver- ständlichkeit der Schreibfähigkeit wird die U. immer bedeutsamer. 1901 gestattet das deutsche Reichsgericht die Unterschrift des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen. Lit.: Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunde, 1907, Neudruck 1967; Holzhauer, H., Die eigenhändige Unterschrift, 1973; Schlögl, W., Die Unterfertigung deutscher Könige, Saupe, L, Die Unterfertigung der lateinischen Urkunden, 1983 Untersuchungsgrundsatz ist der Grundsatz, dass das Gericht von Amts wegen Tatsachen erforscht, sie in die Verhandlung einführt und ihre Wahrheit feststellt. Der U. beherrscht den Inquisitionsprozess. Im Zivilprozess ist er selten (Preußen 1793 Allgemeine Gerichtsordnung). Lit.: Köbler, DRG 203; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Bomsdorf, Prozessmaximen und Rechtswirklichkeit, 1971; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Richter, M., Die Untersuchungsmaxime im älteren Verwaltungsprozess, 1999 Untertan ist der der Herrschaft einer (absoluten) Obrigkeit unterstehende Mensch in der frühen Neuzeit. An seine Stelle tritt mit der Aufklärung der Staatsbürger oder Staatsangehörige (1789, 1848, 1918). Lit.: Moser, J., Von der Landeshoheit in Ansehung der Untertanen Personen und Vermögens, 1773; Wiesmann, R., Treueid und Treupflicht der Untertanen, 1911; Buchda, G., Untertanenpflicht, ZRG GA 57 (1937), 468; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt, ZRG GA 66 (1948), 111; Feller, H., Die Bedeutung des Reiches, 1953; Spies, K., Gutsherr und Untertan, 1972; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 295; Lutz, R., Wer war der gemeine Mann?, 1979; Bürger und Bürgerlichkeit im Zeitalter der Aufklärung, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Blickle, P., Deutsche Untertanen, 1981; Hohenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991; Sailer, R., Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht, 1999; Fetzer, R., Untertanenkonflikte im Ritterstift Odenheim, 2002 Unterwalden ist das Gebiet nid dem Wald, das 1240 ein Bündnis mit -> Luzern und 1291 ein Bündnis mit Uri und -> Schwyz gegen die Grafen von -> Habsburg schließt und 1309/- 1324 die Reichsunmittelbarkeit gewinnt. Es ist einer der Urkantone der -> Schweiz. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973, 2,2,461; 500 Jahre Stanser Vorkommnis, 1981; Das Protokoll des Fünfzehnergerichts Obwalden 1529-1549, hg. v. Küchler, R., (1994) (Separatabdruck); Garovi, A., Obwaldner Geschichte, 2000 Untreue ist das durch Mangel an zu erwartender Treue gekennzeichnete Vermö- gensdelikt. Die U. wird lange durch den Diebstahl miterfasst. Seit dem 19. Jh. wird sie verselbständigt (Bayern 1813). Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 796 Bd. 2 1935; Mayer, H., Die Untreue, 1926; Wrede, H., Die Untreue, 1939; Ritter. J., Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, 1942; Kiefner, H., Zur zivilrechtlichen Genealogie des Missbrauchstatbestandes (§ 266 StGB), in: Beiträge zur Rechtswissenschaft, 1993, 1205 Unvordenklichkeit ist die Unerinnerlichkeit der Entstehung eines Zustandes. U. begründet im römischen Recht und in der frühen Neuzeit die Vermutung, dass ein Zustand einmal rechtmäßig entstanden ist. Lit.: Hübner; Kaser § 28 II 1b; Bulker, H., Der unvordenkliche Besitz, 1841; Unterholzner, K., Verjährungslehre, 2. A. 1958 Unwedersatt Lit.: Minnigerode, H. v., Unwedersatt und wirdrisittolo, ZRG GA 59 (1939), 249 Unzucht ist seit dem 18. Jh. die allgemeine Bezeichnung für eine Straftat gegen die Sittlichkeit, die 1973 vom deutschen Gesetzgeber aufgegeben wird. Lit.: Köbler, DRG 35; Kroeschell, DRG; Beutin, W., Sexualität und Obszönität, 1990; Gleixner, U., Das Mensch und der Kerl, 1994; Kraft, S., Zucht und Unzucht, 1996; Künzel, C., Unzucht ­ Notzucht ­ Vergewaltigung, 2003; Klammer, P., In Unehren beschlaffen, 2004 Unzurechnungsfähigkeit ist das Fehlen der Fähigkeit, überzeugend zuzurechnen bzw. das Fehlen der Voraussetzungen der Verant- wortlichkeit eines Handelnden. Die U. wird tatsächlich schon früh beachtet, allgemein aber erst mit der Aufklärung erfasst. U. besteht insbesondere bei Kindern (Bayern 1813 bis 8, Österreich 1804 bis 10, Deutsches Reich 1871 bis 12 Jahre). -> Zurechnungsfähigkeit Lit.: Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Hippel, R. v., Zur Begriffsbestimmung der Zurechnungsfähigkeit, Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 32 (1911), 99; Schaffstein, F., Die allgemeine Lehre vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts, 1957; Unzurechnungsfähigkeiten, hg. v. Niehaus, M. u. a., 1998 Uplandslagh, Upplandslagh ist das bis 2. 1. 1296 geschaffene, durch fünf fast vollständige und zahlreiche bruchstückweise erhaltene Handschriften des früheren 14. Jh.s überlieferte schwedische Gesetzbuch für Uppland (Tiundaland, Attundaland, Fiärdrundaland), Roslagen und Gästrikland. Auf Beschwerden der Bauern wird das bisherige Recht von einem wohl mit in Bologna rechtsgelehrten Beratern zusammenarbeitenden Ausschuss gesammelt, nach Überprüfung dem Ding zur Annahme vorgelegt und nach Annahme von König Birger Magnusson bestätigt. Das U. ist in 8 Abschnitte gegliedert (22 Kapitel Kirchenrecht, 12 Kapitel Königsrecht, 25 Kapitel Erbrecht, 54 Kapitel Strafrecht, 83 Kapitel Grundstücksrecht, 11 Kapitel Kaufrecht, 29 Kapitel Dorfschaftsrecht und 14 Kapitel Dingrecht). Es ist christlich beeinflusst und enthält manche Neuerung. Es beeinflusst Dalalagen, Södermannalagen, Västmannalagen, Hälsingelagen und Magnus Erikssons Landrecht, durch das es 1351/1353 weitgehend abgelöst wird. 1734 beendet das Reichsgesetzbuch Schwedens die Geltung auch im Übrigen. Lit.: Samling af Sweriges Gamla Lagar, hg. v. Schlyter, C., Bd. 3 1834; Schwedische Rechte, hg. v., Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Corpus Codicum Sueciorum, hg. v. Strömbäck, D., Bd. 15 1960; Wallén, P., Kanoniska och germanska element, 1958; Gagner, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Hafström, G., De svenska rätskällornas historia, 1978; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988 Uppsala entsteht im 12. Jh. als Östra Aros (östliche Flussmündung). Nach 1130 wird es Sitz des Bistums Sigtuna, 1164 eines Erzbischofs. 1314 erhält es Stadtrecht. 1477 wird eine spätestens 1530 erloschene, 1609 wiederbelebte Universität eingerichtet. Zeitweise ist U. Residenz des Königs von Schweden, 1707 wird es durch Brand weitgehend zerstört. Lit.: Annerstedt, C., Upsala univeristets histora, Bd. 1f. 1877ff.; Lindroth, S., Svensk lärdomshistoria, 1975; Lindroth, S., Uppsala universitet 1477-1977, 1976; Malmström, ., Juridiska fakulteten i Uppsala, 1985 Upstallsbom ist der bei Aurich gelegene Ort, nach dem der spätmittelalterliche Zusammen- schluss friesischer Gaue zwischen Weser und Zuiderzee benannt ist. Hier beraten geschworene Abgesandte der einzelnen Landschaften auf Landtagen über allgemeine Angelegenheiten. 1323 schaffen sie in den (lat.) Leges (F.Pl.) Upstallsbomicae eine neue Verfassung des wenig später verfallenden Bundes. 797 Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840; Meijering, H., De willekeuren van de Opstallsboom (1323), 1974; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981 Uradel (1862) ist der besonders alte und (deswegen) zu besonders hohem Rang gelangte -> Adel im Gegensatz vor allem zum -> Briefadel. Urbach Lit.: Regesten zur Geschichte der Herren von Urbach, bearb. v. Uhland, R., 1958 Urbar ist das mittelalterliche und frühneu- zeitliche Güterverzeichnis eines Grundherrn (z. B. Abtei Prüm 893, Weißenburg, Lorsch, Fulda, Werden, im Herzogtum Württemberg rund 2150 Urbare des 15.-18. Jh.s). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 81, 105; Das habsburgische Urbar, hg. v. Maag, R., Bd. 1f. 1894ff.; Die landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs, hg. v. Dopsch, A., 1904; Die Urbare der Abtei Werden, hg. v. Kötzschke, R., Bd. 1ff. 1906ff.; Die Urbare des Benediktinerstiftes Göttweig von 1302-1536, bearb. v. Fuchs, A., 1906; Die landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark, hg. v. Dopsch, A., 1910; Gmür, M., Urbare und Rödel des Klosters Pfäfers, 1910; Die mittelalterlichen Stiftsurbare des Erzherzogtums Österreich ob der Enns, hg. v. Schiffmann, K., 1912f.; Zösmair, J., Das Urbar des Reichsguts in Churrätien aus der Zeit König Ottos I., Archiv für Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs 10 (1914), 61; Jecklin, F., Urbar des Hospizes St. Peter auf dem Septimer, 1915; Brosch, F., Siedlungsgeschichte des waxenbergischen Amtes Leonfelden, mit einem Anhang Das Leonfeldener Urbar, hg. v. Trinks, E., Jahrbuch des oberöster- reichischen Musealvereines 84 (1932); Altwürttem- bergische Urbare, hg. v. Müller, K., 1934; Das Elbogener Urbar, hg. v. Schreiber, G., 1934; Baumgartner, R., Das bernisch-.solothurnische Urbar, 1938; Das Füssener hochstiftische Urbar von 1398, bearb. v. Dertsch, E., 1940; Urbare von Allerheiligen in Schaffhausen und von Beromünster, bearb. v. Kläui, P., 1941; Das Bickelspergsche Lagerbuch der Grafschaft Zollern von 1435, hg. v. Herberhold, F., 1941, Feger, O., Das älteste Urbar des Bistums Konstanz, 1943; Gurker Urbare, hg. v. Wießner, H., 1951; Clavadetscher, O., Das churrätische Reichsgutsurbar, ZRG GA 70 (1953), 1; Das Urbar des Hochstifts Augsburg von 1366, hg. v. Dertsch, R., 1954; Seckau, Pettau, hg. v. Roth, B. u. a., 1955; Das Urbar der vorderen Grafschaft Görz aus dem Jahre 1299, hg. v. Klos-Bu¾ek, F., 1956; Altwürttem- bergische Lagerbücher aus der österreichischen Zeit 1520-1534, bearb. v. Schwarz, P. u. a., Bd. 1ff. 1958ff.; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Raisch, H., Das Esslinger Urbar von 1304, 1966; Das Hohentwiel-Lagerbuch von 1562, bearb. v. Miller, M., 1968; Das Rattenberger Salbuch von 1416, hg. v. Bachmann, H., 1970; Salbücher der Grafschaft Lippe von 1614 bis etwa 1620, bearb. v. Stöwe, H. u. a., 1969; Das Prümer Urbar, hg. v. Schwab, I., 1983; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Richter, G., Lagerbücher- und Urbarlehre, 1979; Das älteste bayerische Herzogsurbar, hg. v. Heeg-Engelhart, I., 1990; Mayer, U. u. a., Die spätmittelaterlichen Urbare des Heiliggeist-Spitals in Mainz, 1992; Fränkische Urbare, hg. v. Bünz, E. u. a., 1998; Das älteste Urbar des Priorats Reichenbach von 1427, bearb. v. Keyler, R., 1999; Das Urbar der Abtei Sankt Maximin vor Trier, bearb. v. Nolden, R., 1999; Das Urbar des Grafen Burkhard III. von Maidburg-Hardegg, hg. v. Zehetmayer, R., 2001; Das Urbar des niederösterreichischen Zisterzienserklosters Zwettl, hg. v. Schneider, G., 2002; Klose, J., Die Urbare Abt Hermanns von Niederaltaich, 2003; Das Urbar des heilig-Geist-Spitals zu Bozen von 1420, bearb. v. Schneider, W., 2003 Urbino in den Marken geht auf das antike Urbinum Metaurense zurück. Im 6. Jh. wird es Sitz eines Bischofs. Durch die pippinische Schenkung (754) fällt es an den Papst. In dem 1443/1474 errichteten Herzogtum wird 1506 eine Universität geschaffen. Lit.: Le citt nella storia d'Italia, 1986 Urfehde ist das seit dem 14. Jh. sichtbare und vom 15. Jh. bis zum 17. Jh. verbreitete Versprechen (z. B. in Freiburg im Breisgau zwischen 1331 und 1750 rund 1100 Urfehden) der Beendigung der Feindschaft, mit dem die - > Fehde endet. Vielfach üblich ist auch eine U. nach Entlassung aus einer Haft. Davon wird in Preußen 1796 Abstand genommen. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Utsch, F., Peinliche Urfehden, 1903; Asmus, W., Das Urfehdewesen Freiburgs im Breisgau, Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1923; Ebel, W., Die Rostocker Urfehden, 1938; Ullrich, G., Ein Entwurf eines Zeitzer Urfehdebriefs, ZRG GA 59 (1939), 270; Boockmann, A., Urfehde, 1980; Blauert, A., Das Urfehdewesen im deutschen Südwesten, 2000 Urgicht (F.) Geständnis Urheber ist der Veranlasser oder Hersteller eines Ergebnisses, insbesondere eines geistigen Werkes. Seit der frühen Neuzeit entwickelt sich zu seinem Schutz das (im römischen Recht trotz Anerkennung der Urheberpersönlichkeit 798 noch unbekannte) -> Urheberrecht. Lit.: Gillis, F., Gewährschaftszug und Laudatio auctoris, 1913; Eggert, A., Der Rechtsschutz der Urheber, UFITA 138 (1999), 183; Schickert, K., Der Schutz literarischer Urheberschaft in Rom, 2004 Urheberrecht ist die Gesamtheit der den -> Urheber schützenden Rechtssätze. Das U. gewinnt kurz nach der Erfindung des Buchdruckes, der die preiswerte Vervielfältigung von Gedanken ermöglicht, seine erste größere Bedeutung. Es beginnt mit der Erteilung von privilegierenden Patenten zugunsten (der Verwerter) einzelner Erfindungen (England um 1350), denen in Venedig 1474 eine erste allgemeine Regelung folgt. Zahlungen an den Urheber sind zunächst nur Ehrengeschenke. Im Gefolge der Aufklärung entsteht über die aus vielen Privilegien des 16. und 17. Jh.s gegen den Nachdruck erwachsende Lehre von einem Verlagseigentum (17. Jh.) seit dem Anfang des 18. Jh.s die Lehre vom -> geistigen Eigentum, die sich im 19. Jh. nach englisch-französischem Vorbild für einige Zeit durchsetzt (Preußen 11. 6. 1837, gemeinsame Grundsätze der Bundesversammlung des Deutschen Bunds vom 7. 11. 1837, Norddeutscher Bund 1870, Literatururhebergesetz 1901, Kunsturheber- gesetz 1907, Schweiz 1883, Österreich 1895), bis sie in Deutschland durch den pandektistischen, auf körperliche Gegenstände beschränkten Eigentumsbegriff (des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1900) wieder verdrängt wird. Mit der Herausbildung eines freien Schriftstellertums entsteht die Vorstellung eines Urhebervermögensrechts. International bedeutsam wird die Berner Übereinkunft (1866), nach der die beteiligten Staaten das inländische Recht des Leistungsschutzes auf die Angehörigen aller Teilnehmerstaaten erstrecken. Im 20. Jh. wird der Schutz des Urhebers ausgedehnt (70 Jahre nach dem Tod). Allerdings bedarf der Urheber in der Regel zur wirtschaftlichen Verwertung seiner Gedanken wirtschaftlich erfahrener, durch Vertrag viele der Rechte des Urhebers gegen Entgelt übernehmender Mittelsmänner (z. B. Verlag). Lit.: Köbler, DRG 184, 205, 218, 272; Goerlitz, T., Die rechtliche Behandlung der gewerblichen Bildzeichen in Deutschland seit dem 14. Jahrhundert, ZRG GA 55 (1935), 216; Zycha, A., Beitrag zur Frühgeschichte des deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 59 (1939), 208; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1956; Gieseke, L., Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, 1957; Bappert, W., Wege zum Urheberrecht, 1962; Seemann, H., Volkslied und Urheberrecht, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,737, 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Klingenberg, E., Vom persönlichen Recht zum Persönlichkeitsrecht, ZRG GA 96 (1979), 183; Bosse, H., Autorschaft ist Werkherrschaft, 1981; Hundert Jahre Urheberrechtsgesetz, 1983; Woher kommt das Urheberrecht und wohin geht es?, hg. v. Dittrich, R., 1988; Wadle, E., Der Bundesbeschluss vom 9. November 1837 gegen den Nachdruck, ZRG GA 106 (1989), 198; Bülow, M., Buchmarkt und Autoreneigentum, 1990; Wadle, E., Savignys Beiträge zum Urheberrecht, in: Grundfragen des Privatrechts, 1990, 95; Wadle, E., Zur Geschichte des Urheberrechts in Europa, in: Entwicklung des europäischen Urheberrechts, 1989; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, hg. v. Beier, F., Bd. 1f. 1991; Kaller, P., Druckprivileg und Urheberrecht, 1992; Die Notwendigkeit des Urheberrechtsschutzes, hg. v. Dittrich, R., 1991; Historische Studien zum Urheberrecht, hg. v. Wadle, E., 1993; Schulze, E., Geschützte und ungeschützte Noten, 1995; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1995; Wadle, E., Geistiges Eigentum, Bd. 1f. 1996ff.; Püschel, H., Die Parsifal-Frage, ein rechtshistorisches Phänomen, ZRG GA 113 81996), 307; Ellins, J., Copyright Law, Urheberrecht, 1997; Materialien zum Urheberrechtsgesetz, hg. v. Schulze, M, Bd. 1f. 2. A. 1997; Kurz, P., Die Geschichte des Arbeitnehmer- erfinderrechts, 1997; Wadle, E., Preußische Privilegien, in: Musik und Recht, 1998, 85; Schack, H., Die ersten Urheberrechtsgesetze in den Vereinigten Staaten von Amerika 1783-1786, UFITA 136 (1998), 219; Seville, C., Literary Copyright Reform in Early Victorian England, 1999; Sherman, B./Bently, L., The Making of Modern Intellectual Property Law, 1999; Wadle, E., Das Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsentwurfes von 1819, UFITA 138 (1999), 153; Kurz, P., Weltgeschichte des Erfindungsschutzs, 2000; Nomine, R., Der königlich preußische literarische Sachverständigen-Verein, 2001; Kawohl, F., Urheberrecht der Musik in Preußen, 2002; Maracke, C., Die Entstehung des Urheberrechtsgesetzes von 1965, 2003; Schriks, C., Het kopijrecht, 2004; 799 Schickert, K., Der Schutz literarischer Urheberschaft im Rom der klassischen Antike, 2004; Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004; Dulken, S. van, Ideen, die Geschichte machten, 2004; Müller, L., Das Urheberpersönlichkeitsrecht, 2004, Vogt, R., Die urheberrechtliche Reformdiskussion in Deutschland während der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus, 2004; Vogel, F., Urheber- und Erfinderrechte im Rechtsverkehr, 2004 Uri ist der Ort am Vierwaldstätter See, der 732 erstmals erwähnt wird und dem König Heinrich (VII.) die Reichsunmittelbarkeit bestätigt. 1291 schließt sich U. mit -> Schwyz und Unterwalden gegen -> Habsburg zusammen. U. ist ein Urkanton der -> Schweiz, in dem die Landsgemeinde 1928 durch Urwahlen ersetzt wird. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das Schlachtjahrzeit von Uri, hg. v. Wymann, E., 1916; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Arnold, G., Die Korporation Ursern, 1990; Stadler-Planzer, Hans, Geschichte des Landes Uri, Teil 1 1993 Urkunde ist die verkörperte Gedankenerklärung, die allgemein oder für Eingeweihte verständlich ist, den Aussteller erkennen lässt und zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache geeignet und bestimmt ist. Da die U. die Schriftlichkeit voraussetzt, fehlt sie den Germanen im Gegensatz (zu altorientalischen Kulturen und) zu den Römern, bei denen sie (lat. [N.] instrumentum) als Zeugenurkunde (lat. [F.] testatio) auf Wachsdoppeltäfelchen in objektiver d. h. dritter Person gehaltener Fassung oder seit dem 2./1. Jh. v. Chr. nach griechischem Vorbild als zeugenloses, eigenhändiges, subjektiv gefasstes Handschreiben (lat. [N.] chirographum) vielfach errichtet wird. Später erscheinen in Rom auch Anfänge gewerbsmäßiger Ausstellung und öffentlicher Beurkundung. Fortgeführt ins Mittelalter wird die U. durch die Kirche. Die Zahl der erhaltenen merowingischen Urkunden beträgt etwa 700, die der karolingischen etwa 10000, die der ottonisch-salischen etwa 3000, wobei die Königsurkunde (ca. 4000 im Frühmittelalter) gegenüber der Privaturkunde (fast 10000) zeitweise gänzlich vorherrscht. Gegliedert ist jede U. grundsätzlich in Protokoll (Invokation, Intitulation, Inskription, Salutation), Kontext (Arenga, Promulgation, Ereignisbericht, Bitte um Urkundenausstellung, Dispositio, Confirmatio und/oder Pönformel, Beglaubi- gungsmittel) und Eschatakoll (Actum, Schlussdatierung, Ausstellerunterschrift, Zeu- genunterschriften, Schreiberformel). Im 13. Jh. nimmt die Zahl der Urkunden unübersehbar zu, zumal die Schreibfähigkeit immer mehr verbreitet wird. Veröffentlicht sind vor allem die älteren Urkunden in Urkundenbüchern. Der Bestrafung der Urkundenfälschung dienen später besondere Strafvorschriften. Lit.: Köbler, DRG 6; Köbler, WAS; Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, hg. v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Brunner, H., Zur Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880; Zeumer, K., Über den Ersatz verlorener Urkunden im fränkischen Reich, ZRG GA 1 (1880), 89; Hübner, R., Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit, 1891; Vancsa, F., Das erste Auftreten der deutschen Sprache, 1895, Neudruck 1963; Erben, W./Schmitz-Kallenberg, L./Redlich, O., Urkundenlehre, 1907ff.; Mitis, O. Frhr. v., Studien zum älteren österreichischen Urkundenwesen, 1912; Breßlau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2. A. 1912, 4. A. 1968ff. (unv. Neudruck); Redlich, O., Die Privaturkunden des Mittelalters, 1911, Neudruck 1967; Urkunden zur Geschichte der Territorialverfassung, hg. v. Sander, P./Spangenberg, H., 1922f.; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1927; Corpus der altdeutschen Originalurkunden, begr. v. Wilhelm, F., Bd. 1ff. 1929ff.; Ketner, F., De oudste oorkonden van het klooster Bethlehem bij Doetinchem, 1932; Santifaller, L., Urkundenforschung, 1937; Honselmann, K., Von der carta zur Siegelurkunde, 1939; Vienken, T., Die Geltungsdauer rechtlicher Dokumente, 1941; Meisner, H., Urkunden- und Aktenlehre der Neuzeit, 2. A. 1952; Oppermann, O., Rheinische Urkundenstudien, 1951; Neuere Editionen mittelalterlicher Königs- und Papsturkunden, (berab.) v. Santifaller, L., 1958; Tessier, G., Diplomatique royale française, 1962; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Zinsmaier, P., Die Urkunden Philipps von Schwaben und Ottos IV. (1198- 212), 1969; Hlavaèek, I., Das Urkunden- und Kanzleiwesen des böhmischen und römischen Königs Wenzel (IV.) 1376-1419, 1970; Chaplais, P., English royal documents, 1971; Fichtenau, H., Das 800 Urkundenwesen in Österreich vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert, 1971; Matzinger-Pfister, R., Paarformel, Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972; Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Traditiones Wizenburgenses, hg. v. Doll, A., 1979; Zimmermann, H., Papsturkunden, Bd. 1ff. 1984ff.; Silagi, G., Landesherrliche Kanzleien im Spätmittelalter, 1984; Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden bis 1250, hg. v. Rück, P., 1985 (rund 11000 Urkunden); Frenz, T., Papsturkunden, 1986; Fotografische Sammlungen mittelalterlicher Urkunden in Europa, hg. v. Rück, P., 1989; Die Urkunden des Reichsstiftes Ottobeuren, bearb. v. Hoffmann, H., 1991; Keynes, S., A Handlist of Anglo- Saxon Charters, 1991; Kortüm, H., Zur päpstlichen Urkundensprache, 1995; Die Urkunden der Kaiserin Konstanze, hg. v. Kölzer, T., 1990; Habscheid, S., Die Kölner Urkundensprache des 13. Jahrhunderts, 1997; Weiß, P., Frühe Siegelurkunden in Schwaben (10.-12- Jahrhundert), 1997; Gröschler, P., Die tabellae-Urkunden aus den pompejanischen und herkulanensischen Urkundenfunden, 1997; Kölzer T., Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.; Papsturkunde und europäisches Urkundenwesen, hg. v. Herde, P. u. a., 1999; Urkunden und Urkundenformulare im klassischen Altertum und in den orientalischen Kulturen, hg. v. Khoury, R., 1999; Hellmann, M., Tironische Noten in der Karolingerzeit, 1999; Schuler, P., Die spätmittelalterliche Vertragsurkunde, 2000; Die Urkunden der Merowinger, hg. v. Kölzer, T., 2001; Scharfenberg, S., Die Entstehungsgeschichte des Beurkundungsgesetzes vom 28. August 1969, 2003; La diplomatica dei documenti giudiziari, hg. v. Nicolaj, G., 2004 Urkundenbeweis ist der Beweis einer Behauptung durch eine (echte) -> Urkunde. Die Urkunde ist bereits im römischen Recht Beweismittel im Rechtsstreit und nimmt diese Stellung auch seit dem Frühmittelalter ein. Dabei gilt die Königsurkunde als unscheltbar. Mit der Zunahme der Urkunden wächst deren Bedeutung im Verfahren weiter. Besonderen Beweiswert erlangen dabei notarielle Urkunden oder später allgemein öffentliche Urkunden. Lit.: Kaser § 84 I 2c; Kroeschell, DRG 1, 2; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Schultze, A., Zur Lehre vom Urkundenbeweise, Zs. f. d. Privat- und öffentliche Recht 22 (1894); Mayer- Homberg, E., Beweis und Wahrscheinlichkeit, 1921; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971 Urkundenbuch ist seit dem 19. Jh. die moderne wissenschaftliche Ausgabe älterer -> Urkunden eines bestimmten Bereiches (Stadt, Land, Verband usw.) in einem Buch (z. B. der Königsurkunden [Diplomata] in den [lat.] Monumenta [N.Pl.] Germaniae Historica). Lit.: Köbler, DRG 6; Urkundenbuch des Klosters Mariengarten, hg. v. Boetticher, M. v., 1987; Köbler, G., Einfache Bibliographie europäisch-deutscher Rechtsgeschichte, 1990, 16, 23, 24, 25; Stand, Aufgaben und Perspektiven territorialer Urkundenbücher im östlichen Mitteleuropa, hg. v. Irgang, W./Kersken, N., 1998 Urkundenfälschung ist die Herstellung einer echten Urkunde, die Verfälschung einer unechten Urkunde oder der Gebrauch einer unechten oder verfälschten Urkunde im Rechtsverkehr. Etwa die Hälfte der merowingischen Urkunden ist ebenso unecht wie das bekannte -> (lat.) privilegium (N.) maius (größeres Privileg) Rudolfs IV. von Habsburg für Österreich von 1358/1359. Seit 1198 wendet sich die Kirche entschieden gegen U. Später wird die U. ein Straftatbestand. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hirsch, H., Urkundenfälschungen aus dem regnum Arelatense, 1937; Herde, P., Römisches und kanonisches Recht bei der Verfolgung des Fälschungsdelikts, Traditio 21 (1965), 291; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002 Urkundenlehre (Diplomatik) -> Urkunde Lit.: Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2. A. 1912, Neudruck 1968 Urkundenschelte ist im Frühmittelalter die Behauptung, eine von einem anderen vorgelegte Urkunde (Privaturkunde) sei falsch. Im Rechtsstreit kommt es dann zur Eidesleistung oder zum Zweikampf. Unscheltbar, aber nicht zugleich unangreifbar, ist die Königsurkunde. Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973 Urlaub ist ursprünglich allgemein die Erlaubnis, seit dem 19. Jh. (erlaubte,) meist bezahlte arbeitsfreie Arbeitszeit. Der Umfang von U. ist in besonderen Gesetzen, Tarifverträgen und Einzelverträgen geregelt und umfasst meist 4 bis 6 Wochen im Jahr. Lit.: Köbler, DRG 273; Leinemann, W./Linck, R., Urlaubsrecht, 1995 Urschwabenspiegel -> Schwabenspiegel Lit.: Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1975 801 Urschweiz -> Schweiz Lit.: Oechslin, M., Die Markgenossenschaften der Urschweiz, 1941 Urteil ist die gerichtliche, einer besonderen Form bedürftige Entscheidung. Das U. fällt im altrömischen Zivilverfahren grundsätzlich der Richter (lat. [M.] iudex), bei den Germanen die Volksversammlung und im Mittelalter die Gesamtheit der Schöffen. Im Frühmittelalter ist das U. dabei meist zweizüngig und deshalb in seinem Ergebnis vom Verlauf eines außergerichtlichen Beweises abhängig. Seit der frühen Neuzeit verdrängt der gelehrte Richter den Laienschöffen aus der Urteilsfällung. Das U. wird schriftlich und immer stärker förmlich festgelegt. Im 19. Jh. setzt der Liberalismus eine eingeschränkte Wiederbelebung des Laien als Urteiler bzw. Laienrichter durch (-> Schwurgericht usw.). Seit dem Spätmittelalter ist das U. regelmäßig durch Appellation, später durch Berufung und Revision überprüfbar. Lit.: Kaser §§ 54 II, 84 II, 87 I 8; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 34, 56, 70, 86, 116, 118, 155, 201, 202, 203; Köbler, WAS; Seyler, R./Barth, C., Urteil und Beschaydt, Bd. 1ff. 1604ff.; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Boden, F., Das Urteil im altnorwegischen Recht, ZRG GA 24; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 44; Das älteste Urteilsbuch des holsteinischen Vierstädtegerichts 1497-1574, hg. v. Gundlach, F., 1925; Sohm, C., Die unbestimmte Verurteilung in Preußen, 1939; Erler, A., Sich selbst das Urteil sprechen, Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde 17 (1943), 143; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.; Lübecker Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch, 1961; Hülle, W., Das rechtsgeschichtliche Erscheinungsbild des preußischen Strafurteils, 1965; Landwehr, G., ,,Urteil fragen" und Urteilfinden, ZRG 96 (1969), 1; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Sellert, W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97; Weitzel, J., Die Formel consilio et iudicio, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 573; Werkmüller, D., Et ita est altercatio finita, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592; Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997; Meder, S., Urteilen, 1999; Urteilen/Entscheiden, hg. v. Vismann, C. u. a., 2005; Mangold, O., Iniuria iudicis, Diss. jur. Tübingen 2004 Urteiler ist der vom Richter verschiedene Verfasser eines Urteils im mittelalterlichen Recht (-> Rachinburge, Schöffe). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 440 Urteilsbegründung ist die Angabe von Gründen für den Inhalt eines Urteils. Die U. findet sich schon im römischen Altertum in etwa einem Drittel der von römischen Juristen überlieferten Fälle. Im Mittelalter begegnet sie eher selten. Seit der Neuzeit wird sie mehr und mehr (aus eigenem Interesse der Entschei- dungsträger) selbstverständlicher bzw. notwen- diger Bestand des Urteils (Reichskammer- gericht 1555, Reichsabschied 1654, Sachsen 1715, Preußen 1748/1793, Bayern 1818, Württemberg 1848). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 155; Brinkmann, R., Über die richterlichen Urteilsgründe, 1826; Gudian, G., Die Begründung in Schöffensprüchen, 1960; Horak, F., Rationes decidendi, 1969, 290; Die Entscheidungsbegründung, hg. v. Sprung, R. u. a., 1974; Brüggemann, J., Die richterliche Begründungspflicht, 1971; Sellert, W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97 Urteilsbestätigung ist die in der frühen Neuzeit in bestimmten Fällen notwendige Bestätigung eines Urteils durch den absoluten Landesherrn (z. B. hängt in Preußen im 18. Jh. ein die Todesstrafe oder eine mindestens zehnjährige Gefängnisstrafe verhängendes Urteil von der Bestätigung des Staatsober- haupts ab). Das Urteil wird erst mit der Bestätigung voll wirksam. Im 19. Jh. wird die U. beseitigt (Württemberg 1819). Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965, 255 Urteilserfüllungsgelöbnis ist im Frühmittelalter das Versprechen der Prozesspartei, ein Urteil zu erfüllen. Bestand und Häufigkeit sind zweifelhaft. Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985 Urteilssammlung ist die seit dem Hochmittelalter (Reichslandfriede von 1235) erkennbare Sammlung von Urteilen einzelner Gerichte (z. B. Lübeck, Ingelheim, Goslar, Halle). 1563 veröffentlicht -> Mynsinger eine 802 Sammlung von Urteilen des Reichskammergerichts (Gail 1578, Carpzov für Leipzig und Dresden 1646, Mevius für Wismar). Dem folgen im 18. Jh. Sammlungen der Urteile der meisten Obergerichte. Im 19. Jh. wird dies selbstverständlich (preußische Gerichtshöfe 1828, Reichsgericht 1879ff.). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Mynsinger von Frundeck, Singularium observationum ... centuriae quattuor, 1563; Franklin, O., Sententiae curiae regiae, 1870; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 427; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., Bd. 2 2 1976, 1343; Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur, 1974; Gedruckte Quellen der Rechtsprechung in Europa (1800-1945), hg. v. Ranieri, F., 1992; Mohnhaupt, H., Sammlung und Veröffentlichung von Rechtsprechung, in: Geschichte der Zentraljustiz, 1994, 403 Urteilsschelte ist die Behauptung der Rechtswidrigkeit des Urteils. Sie führt im Frühmittelalter vermutlich zum Zweikampf zwischen Urteilsverfasser und Urteilsschelter. Dies hält noch der Sachsenspiegel (1221-1224) für möglich, ohne dass die Rechtswirklichkeit entsprechende Fälle belegt. Vielmehr ent- scheidet im Hochmittelalter über die U. bereits das höhere Gericht bzw. im höchsten Gericht die Beratung unter allen Urteilern. In der frühen Neuzeit unterliegt die U. der Appellation und Läuterung bzw. später der Berufung und der Revision. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116, 155; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Gebauer, C., Studien zur Geschichte der Urteilsschelte, ZRG 17 (1896), 33; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Werkmüller, D., ,,Et ita est altercatio finita", in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592 USA (Vereinigte Staaten von Amerika) Usucapio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die -> Ersitzung des Eigen- tums nach zivilem Recht, von der später Sachen des (lat. [M.]) fiscus ausgenommen werden. Sie erfordert Eigenbesitz, gültigen Erwerbsgrund (lat. iusta causa [F.]), Zeitablauf und guten Glauben ([lat.] bona fides [F.]) des Erwerbers bezüglich bestimmter Tatsachen. In spätantiker Zeit wird die u. im Westen durch eine Verjährung von 40, später 30 Jahren verdrängt, während Justinian von u. in drei Jahren bei beweglichen Sachen und von (lat.) longi temporis praescriptio (F.) von 10 bzw. 20 Jahren bei Grundstücken spricht. Lit.: Kaser §§ 25 II, IV, 26 I 2, 27 I 3, 28 II 1b, 29 I 3b; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 40, 61 usucapio (F.) pro herede (lat.) Erbschafts- ersitzung (im altrömischen Recht) Lit.: Köbler, DRG 23 Usus (lat. [M.]) ist seit dem altrömischen Recht der Gebrauch z. B. des Ersitzenden. Lebt eine Frau ein Jahr mit einem Mann ununterbrochen in gültiger Ehe, so erlangt der Mann (durch u.) die Gewalt über sie (lat. uxor [F.] in manu). Im klassischen römischen Recht wird u. zu einem beschränkten dinglichen Recht. Lit.: Kaser §§ 19 II 1, 29 II, 58 V 2c; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 22, 25, 41; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281 Ususfructus (lat. [M.]) ist im römischen Recht seit dem 3. Jh. v. Chr. der -> Nießbrauch als ein zunächst höchstpersönliches Nutzungsrecht zur Versorgung abgeschichteter Familienmit- glieder, später als beschränktes dingliches Recht. Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 3, 24 V 1, 27 II, 29 I, 59 II 7a, 60 II 4c; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 41; Heger, M., Der Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht, 2004 Usus (M.) modernus pandectarum (lat.) ist der zeitgenössisch-moderne Gebrauch der Pandekten im 16.-18. Jh. (im engeren Sinn seit 1650). Er passt in zeitlicher Parallele zur Verselbständigung der Territorien gegenüber Reich und Kaiser das römische Recht in bewusster Lösung von der älteren Tradition den Bedürfnissen der frühen Neuzeit durch Ausscheiden, Verändern und Ergänzen an. Anscheinend tritt in ihm auch ein neues Verständnis von Rechtsgeltung zu Tage. Namengebend für diesen Zeitabschnitt ist ein Werk Samuel Stryks (1690 Specimen usus moderni pandectarum ad libros V priores, Ausdruck erstmals anscheinend verwendet von Samuel Stryk 1667). Bedeutende Juristen dieser Zeit sind -> Conring, -> Schilter, -> Struve, -> Stryk, -> Thomasius, -> Böhmer, -> Heineccius, -> Leyser, -> Kreittmayr und -> Höpfner. Nicht wirklich erfasst wird die Kanonistik, die bruchlos mit dem 803 mittelalterlichen Recht verbunden bleibt. Lit.: Kaser § 1 III 3; Kroeschell, DRG 3; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Wiegand, W., Studien zur Rechts- anwendungslehre, 1977; Schröder, J., Wissenschafts- theorie, 1979; Hermann Conring, hg. v. Stolleis, M., 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Usus modernus und Dogmengeschichte des Privatrechts, in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, hg. v. Simon, D., 1987, 233, 279; Wesener, G., Die privatrechtlichen Normen des usus modernus, in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, 279; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001; Voppel, R., Der Einfluss des Naturrechts auf den usus modernus, 1996; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechts in der frühen Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7; Willoweit, D., Der usus modernus oder die geschichtliche Begründung des Rechts. Zur rechtstheoretischen Bedeutung des Methodenwandels im späten 17. Jahrhundert, in: Die Begründung des Rechts als historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000, 229 Utilitarismus (M.) Nützlichkeitslehre (Benthams 1748-1832 und Mills) Lit.: Kaser § 36 II 4; Köbler, DRG 63, 65, 166; Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974 utilitas (lat. [F.]) Nützlichkeit (des dienenden Grundstücks für das herrschende bei einer -> Dienstbarkeit des römischen Rechts) Lit.: Kaser § 28 I 3 utlagr (anord.) rechtlos Utopie ([nirgendwo als Wirklichkeit bestehende] Wunschvorstellung) ist im Staatsrecht die Vorstellung eines alle Fragen menschlichen Zusammenlebens bestmöglich lösenden Gemeinwesens. Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 733; Morus, T., De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia, 1516; Zippelius, R., Geschichte der Staatsideen, 9. A. 1994; Seibt, F., Utopia, 1972; Ahrbeck, R., Morus, Campanella, Bacon, 1977; Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart, hg. v. Berghahn, K. u. a., 2. A. 1986; Kreyssig, J., Die Utopien des Thomas Morus, 1988 Utrecht ist die am Ort der römischen Militärstation (lat.) (ultra) Traiectum (M.) ad Rhenum (Übergang am Rhein) entstehende Stadt, die im 8. Jh. Sitz eines Bischofs wird. 1579/1648 löst sich U. mit der Union der Niederlande vom Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). 1636 wird eine Universität in U. errichtet. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Enklaar, Th., Het landsheerlijk bestuur in het sticht Utrecht, 1922; Avis, J., De directe belastingen in het sticht Utrecht, 1930; Mulders, H., Das Archidiakonat im Bistum Utrecht, 1943; Immink, P., De wording van staat en souvereiniteit, 1942; Blijstra, R., 2000 jaar Utrecht, 1968; Doeleman, F., De Heerschappij van de Proost van Sint Jan, 1982; Große, R., Das Bistum Utrecht, 1986; Rechtsgeleerd Utrecht, hg. v. Bergh, G. van den, 1986; Ahsmann, M., Bibliographie van hoogleraren, 1993; Kuys, J., Kerkelijke organisatie in het middeleeuwse bisdom Utrecht, 2004 UWG ist die Abkürzung für das 1896 geschaffene deutsche Gesetz gegen den -> unlauteren Wettbewerb. Lit.: Köbler, DRG 176, 218 uxor (lat. [F.]) Ehefrau Lit.: Köbler, DRG 22; Eggenstein, A., Uxor und Feme Covert, 1995 V Vacarius (Lombardei um 1120­England nach 1198) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna um 1143 Rechtsberater des Erzbischofs von Canterbury bzw. um 1160 Rechtsberater des Erzbischofs von York. Er lehrt um 1170/80 in Lincoln. In seinem (lat.) Liber (M.) pauperum (Buch der Armen) bietet er ergänzte Texte aus -> Digesten und Codex. Lit.: The Liber Pauperum of Vacarius, hg. v. Zulueta, F. de, 1927, Neudruck 1972; Stein, P., Vacarius and the Civil Law, in: Church and Gouvernment in the Middle Ages, 1976, 119; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 vadimonium (lat. [N.]) Bürgschaft, Erscheinen vor Gericht, (mlat.) Wette Lit.: Kaser § 82 I; Rodger, A., Vadimonium to Rome, ZRG RA 114 (1997), 160 vadium (lat. [N.]) Pfand, (mlat.) Wette Valencia am Turia wird 138 v. Chr. von den Römern gegründet. Nach Einnahmen durch Westgoten (413) und Araber (714) wird es 1021 Vorort eines selbständigen Königreichs. Das 1102 wieder von den Mauren eroberte V. wird 1238 von -> Aragonien gewonnen und 804 1309 mit ihm durch Personalunion verbunden. Seine Sonderrechte werden 1707 beseitigt. Die Stadt V. erhält 1502 eine Universität. -> Furs de V. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 2,2,274; Guinot, E., Els limits del regne, 1995 Valentinian III. ist der römische Kaiser (425- 455), unter dem 426 n.Chr. das sog. Zitiergesetz erlassen und 446 das eigenhändig geschriebene Testament zugelassen wird. Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 52, 60; Demandt, A., Die Spätantike, 1988 valerische (lat.) provocatio (F.) ist im altrömischen Recht die Anrufung der -> Volksversammlung (Zenturiatkomitien) gegen ein Urteil im magistratischen Strafverfahren. Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 Valin, René-Josué (La Rochelle 1695-1765) ist der Verfasser des ersten ausführlichen commentaire sur l'Ordonnance de la marine. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2,1, 1977 Valois (1328-1498) -> Kapetinger valvassor (lat. [M.] ) Aftervassall, Grundeigentümer (A. 11. Jh.), Ritter Lit.: Guilhiermoz, P., Essai sur l'origine de la noblesse, 1902; Keller, H., Adelsherrschaft, 1979; Menant, F., Campagnes lombardes au Moyen Age, 1993 Vandale, Wandale ist der Angehörige des in der Völkerwanderung wohl von der Ostsee unter Plünderung Roms (455) nach Nordafrika ziehenden, 533/534 von -> Byzanz unterworfenen, germanischen Volkes. Lit.: Schmidt, L., Geschichte der Wandalen, 1901; Diesner, H., Das Vandalenreich, 1966; Francovich Onesti, N., I Vandali, 2002 Vare (mhd.) ist die im Hochmittelalter quellenmäßig bezeugte Gefahr, ein Verfahren durch Versprechen usw. zu verlieren. Gegen diese v. wird der -> Fürsprecher geschaffen. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116 Vasall (M.) Lehnsmann Vasallität als personenrechtliche Wurzel des Lehnsverhältnis ist das ältere Verhältnis (zu kelt. gwas [M.] Knecht), bei dem nach einem Ergebungsakt der Herr Schutz und Unterhalt des Vasallen gegen Gehorsam und Dienste gewährt. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen, 6. A. 1983; Krieger, K., Die Lehnshoheit, 1979; Kienast, W., Die fränkische Vasallität, 1990; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Deutinger, R., Seit wann gibt es Mehrfachvasallität?, ZRG GA 119 (2003), 78 vassus (lat. [M.] 6. Jh.) Vasall, Mann Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW Vater ist der Erzeuger eines Kindes. In der patriarchalischen Gesellschaft steht der V. als Hausvater oder Familienvater im Mittelpunkt der Familie. Im Zweifel wird als V. vermutet, wer der Mutter innerhalb der Empfängniszeit beiwohnt. Beim unehelichen Kind gilt der Erzeuger zeitweise als nicht mit dem Kind verwandt (z. B. Bürgerliches Gesetzbuch § 1589 II, im Jahre 1969 aufgehoben). Umgekehrt kann die Stellung als V. durch Adoption erlangt werden. -> Familie Lit.: Kaser § 60; Hübner 697ff.; Köbler, DRG 21; Salis, L., Beitrag zur Geschichte der väterlichen Gewalt nach altfranzösischem Recht, ZRG GA 7 (1886), 137; Engel, P., Die personenrechtliche Stellung des Vaters, 1939; Trier, J., Vater, Versuch einer Etymologie, ZRG GA 65 (1947), 232; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Ehlert, T., Haushalt und Familie, 1991; Lipp, M., Väterliche Gewalt, ZNR 1993, 129 väterliche Gewalt -> Vater Vatikan ist die nach dem Wohnsitz des -> Papstes geprägte Kurzbezeichnung für die oberste Behörde der katholischen Kirche in Rom bzw. den Kirchenstaat (1929). Im V. ist das weltweit größte und bedeutendste Archiv (vatikanisches Archiv), dessen ältere Bestände allerdings in der Zeit nach 1240 zugrundegegangen bzw. nach 1368 verteilt worden sein dürften. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,135, 3,1,245, 3,2,2355, 3,3,3229; Krautheimer, R., St. Peter's and Medieval Rome, 1985; Reese, T., Im Inneren des Vatikan, 1998; Rossi, F., Der Vatikan, 2004 Vattel, Emer de (Couvet bei Neuenburg 25. 4. 1714-Neuenburg 28.12.1767), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium von Theologie, Philosophie und Naturrecht in Basel und Genf 1747 Vertreter Sachsens in Bern. 1758 veröffentlicht er (franz.) Le droit des gens 805 (Völkerrecht), in dem er das Vernunftrecht auf das Völkerrecht anwendet (Nation, Beziehung zu anderen Nationen, Krieg, Wiederherstellung des Friedens). Lit.: Gugenheim, P., Emer de Vattel, 1956; Manz, J., Emer de Vattel, 1971; Grewe, W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994 Vaud -> Waadt Vazquez de Menchaca, Fernando (1512-1569) wird nach dem Studium der Rechte in Valladolid und Salamanca 1551 Professor in Salamanca, 1552 Richter, 1553 Finanzbeamter und 1567 Domkapitular in Sevilla. Er ist Spätscholastiker mit humanistischen Zügen, der das moderne -> Naturrecht vorbereitet. Er setzt sich für die Freiheit der Meere und für -> subjektive Rechte ein. Lit.: Köbler, DRG 146; Carpintero, B., Del derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Seelmann, K., Die Lehre des Fernando Vazquez de Menchaca vom dominium, 1979 vectigal (lat. [M.] ) Steuer, Abgabe Lit.: Kaser § 30 I Vélez Sársfield, Dalmacio (1800-1875) wird nach dem Rechtsstudium in Córdoba Anwalt in Buenos Aires, Abgeordneter und Professor. 1857 wirkt er am argentinischen Código de Commercio maßgeblich mit. 1864ff. entwirft er ein Zivilgesetzbuch nach dem Vorbild Teixeira de Freitas'. Lit.: Chaneton, A., Historia de Vélez Sársfield, 1937; Levene, R., Manuel de Historia del Derecho Argentino, 5. A. 1985, 20 Veme -> Feme Lit.: Köbler, DRG 11, 117 Venedig entsteht innerhalb vorgelagerter Lagunen am Nordende der Adria wohl auf Grund schon römischer Anfänge seit dem Einbruch der Langobarden nach Oberitalien (568). Für den byzantinischen Exarchen von Ravenna übt ein 639 genannter (lat.) magister (M.) militum (Heermeister) die Herrschaft aus. Nach 751 verselbständigt sich V. trotz byzantinischer Oberhoheit unter einem gewählten Dogen (lat. [M.] dux, um 713-716) bis etwa 880. Seit dem 10. Jh. ist ein besonderer (lat.) usus (M.) Venetorum (Brauch der Veneter) bezeugt. Zwischen 1130 und 1148 erscheint neben dem Dogen ein (lat.) consilium (N.) sapientium (Rat der Weisen), über das der Doge bald von der tatsächlichen Entschei- dungsgewalt ausgeschlossen wird. Im 13. Jh. wird V. Seehandelsgroßmacht. Ein großer Rat wählt auf Lebenszeit den Dogen und den die über die Signoria die wirkliche Herrschaft ausübenden kleinen Rat. Unter Ausschluss des Lehnswesens und unter Wahrung des Amtscharakters aller politischenGewalt handelt eine adlige Oberschicht in den wesentlichen Fragen als Einheit. 1338 beträgt der Zahl der Einwohner Venedigs etwa 110000. Im Spätmittelalter erwirbt V. ein Herrschaftsgebiet auch auf dem Festland (sog. terra ferma). Die Eroberung Byzanzs durch die Türken, die Entdeckung Westindiens (Amerikas) und die Öffnung des Seeweges nach Indien verringern die Bedeutung Venedigs. 1551 stellt Gasparo Contarini den politischen Zustand Venedigs ausführlich dar. Seit dem 18. Jh. wird V. Protektorat -> Österreichs, an das es von 1797 bis 1805 und von 1815 bis 1866 gelangt. Danach fällt es an -> Italien. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gli statuti marittimi Veneziani fino al 1255, hg. v. Predelli, R. u. a., 1903; Battistella, A., La Republica di Venezia, 1921; Uhlirz, M., Die staatsrechtliche Stellung Venedigs zur Zeit Kaiser Ottos III., ZRG GA 76 (1959), 82; Nehlsen-von Stryk, K., Die venezianische Seeversicherung, 1986; Fees, I., Reichtum und Macht im mittelalterlichen Venedig, 1988; Rösch, G., Venedig und das Reich, 1982; Hellmann, M., Geschichte Venedigs, 3. A. 1989; Rösch, G., Der venezianische Adel, 1989; Rösch, G., Venedig im Spätmittelalter, 1991; Herz, D./Neumann, D., Das Hohelied der venezianischen Verfassung, JuS 1997, 1146; Venedig und die Weltwirtschaft, hg. v. Stromer, W. v., 1999; Heller, K., Venedig, 1999; Rösch, G., Venedig, 2000; Venice Reconsidered, hg. v. Martin, J. u. a., 2000; Dumler, H., Venedig und die Dogen, 2001; Fees, I., Eine Stadt lernt schreiben, 2002; Venice Reconsidered, hg. v. Martin, J. u. a., 2000; Huse, N., Venedig, 2005; Hollberg, C., Deutsche in Venedig im späten Mittelalter, 2005 Venetien ist das an der oberen Adria gelegene, von den Venetern besiedelte Gebiet. Seit dem 3. Jh. sind die Veneter mit den Römern verbunden. Im 14./15. Jh. gelangt V. an Venedig, 1815 mit der Lombardei zum österreichischen Königreich Lombardo- Venetien. 1866 fällt es an -> Italien. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen 806 Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,169, 3,2,2354, 3,3,3214 Venezia -> Venedig venia (F.) aetatis (lat.) Gunst des Alters auf Wiederherstellung des früheren Zustandes (lat. restitutio in integrum) Venire contra factum proprium (nemini licet [lat.]. Keinem ist erlaubt,) sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten (zu) begeben. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Pseudoulpian, 3./4. Jh. n. Chr., Digesten 1,7,25, pr., Azo, um 1150-um 1230, Brocardica sive generalia juris 10, 28) Verarbeitung ist die Herstellung einer neuen beweglichen Sache durch Bearbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe (z. B. Backen von Brot). Im klassischen römischen Recht sprechen die Sabinianer das Ergebnis an der neuen Sache dem Eigentümer der alten Sache zu, die Prokulianer dem Verarbeiter, eine etwas jüngere vermittelnde Meinung dem Verarbeiter nur dann, wenn die Sache sich nicht mehr in den alten Zustand zurückführen lässt. Für den Rechtsverlust kann ein Wertausgleich verlangt werden. Die V. als Eigentumserwerbsgrund mit Ausgleichspflicht wird in der Neuzeit aufgenommen. Lit.: Kaser § 26 III; Hübner; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Behrends, O., Die Spezifikationslehre, ZRG RA 112 (1995), 195; Reitz, M., Der Tatbestand der Verarbeitung, 1996 Veräußerung ist die Weggabe eines Gegenstands an einen anderen, bei der meist eine -> Übereignung stattfindet. Sie erfolgt schon früh (z. B. Tausch). Zu beachten sind Veräußerungsverbote. Lit.: Kaser §§ 5 I, 23 II 2, 59 II, III; Kroeschell, DRG 1; Walliser, P., Die Zustimmungserklärung geistlicher Gemeinschaften zu Veräußerungsgeschäften, FS 500 Jahre Solothurn, 1981 Verbalinjurie (F.) Beleidigung durch Wörter Verbalkontrakt (M.) -> Verbalvertrag Verbalvertrag ist im römischen Recht der an die Verwendung bestimmter Wörter gebundene -> Vertrag (z. B. Stipulation, Mitgiftzusage, Dienstversprechen). Lit.: Kaser § 38 II 1b; Köbler, DRG 45 Verband ist die Vereinigung von Personen zu einem bestimmten Zweck. Da auch die Familie als V. angesehen wird, reicht der V. sehr weit zurück. Aus loseren Zusammenschlüssen entwickelt sich dabei allmählich die -> juristische Person. Der V. muss aber nicht juristische Person sein (z. B. Gewerkschaft). Lit.: Köbler, DRG 121, 161; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Erdmann, M., Die verfassungspolitische Funktion der Wirtschaftsverbände in Deutschland 1815-1871, 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schmidt, K., Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht, 1987 Verbannung ist die im älteren römischen und mittelalterlichen Recht mögliche Bestrafung mit dem Ausschluss aus der Gemeinschaft durch Vertreibung aus dem von dieser Gemeinschaft beanspruchten Gebiet. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1; Schuster, P., Der gelobte Frieden, 1995 Verbindung ist die schon im altrömischen Recht mögliche Vereinigung mehrerer Sachen zu einer Einheit (z. B. Verwertung eines fremden Balkens bei einem Hausbau), bei der Eigentum erworben wird und der Eigentumsverlust des anderen (z. B. durch den doppelten Wert) auszugleichen ist. Die V. wird mit dem römischen Recht später aufgenommen. Lit.: Kaser § 26 III; Köbler, DRG 25 Verbot ist die Anordnung, ein Verhalten zu unterlassen. Es findet sich schon früh (z. B. im -> Bann des Königs). Erhebliche Bedeutung gewinnt das V. auch in den frühneuzeitlichen - > Polizeiordnungen. Der Verstoß gegen ein V. kann mit -> Strafe oder anderen Folgen bedroht werden. Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94 Verbotsirrtum ist der Irrtum über die Rechtswidrigkeit bzw. das Verbotensein einer Tat. Der V. wird im deutschen Strafrecht im 20. Jh. entwickelt. Der unvermeidbare V. schließt Strafe aus, der vermeidbare V. ermöglicht die Strafmilderung. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 264 verbrauchbar (aufbrauchbar) Lit.: Köbler, DRG 39 Verbraucher oder Konsument ist, wer ein verbrauchbares Erzeugnis eines Herstellers erwirbt (. Der V. wird im 20. Jh. als schutzbedürftige Vielzahl von Rechtsunter- 807 worfenen entdeckt und z. B. in Deutschland durch das Wohnraumkündigungsschutzgesetz (1971), das Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen (1976), das Reisevertragsgesetz (1979), das Haustürge- schäftewiderrufsgesetz (1986) oder durch das Verbraucherkreditgesetz (1991) geschützt. § 13 BGB bestimmt am Ende des 20. Jh.s den V. als natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. 2002 werden die meisten der Sondergesetze in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt. Lit.: Köbler, DRG 266; Geyer, R., Der Gedanke des Verbraucherschutzes im Reichsrecht, 2001; Xu, H., Zur Geschichte und zum Wesen des modernen Verbraucherschutzrechts, 2003; Stolte, S., Versandhandel und Verbraucherschutz, 2005 Verbrauchsteuer ist die auf den Verbrauch eines Gutes gelegte Steuer (z. B. Tabak). Allgemeine wichtige V. im 20. Jh. ist die Umsatzsteuer. Lit.: Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992 Verbrechen ist die rechtswidrige Tat, die mit einer bestimmten höheren Strafe (z. B. Freiheitsstrafe von einem Jahr und darüber) bedroht ist. Die wichtigsten V. sind Mord, Totschlag, Raub, Diebstahl, V. gegen den Staat, V. gegen die Menschlichkeit usw. Die Absonderung der V. aus der Gesamtheit der Straftaten im Zuge des 18. Jh.s hat praktisch- systematische Gründe. Der Versuch eines Verbrechens ist in Deutschland strafbar. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 65, 119, 204, 264; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935; Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902; Quanter, W., Die Sittlichkeits- verbrechen, 8. A. 1925, Neudruck 1970; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS W. Sauer 1949, 44; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951; Recktenwald, W., Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung, 1956; Moos, R., Der Verbrechensbegriff in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert, 1968; Wächtershauser, W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973; Hagemann, H., Vom Verbrechenskatalog des altdeutschen Strafrechts, ZRG GA 91 (1974), 1; Maier-Weigt, B., Der materiale Rechts- und Verbrechensbegriff, 1987; Rückerl, A., NS- Verbrechen vor Gericht, 1982; Just-Dallmann, B./Just, H., Die Gehilfen, 1988; Schüßler, M., Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111 (1994), 148; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe, ZRG GA 112 (1995), 1; Schmidhäuser, E., Verbrechen und Strafe, 2. A. 1996; Martin, H., Verbrechen und Strafe in der spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs, 1997; Evans, R., Tales from the German Underworld, 1998; Ludi, R., Die Fabrikation des Verbrechens, 1999; Crimes, pouvoirs et sociétés (1400-1800), hg. v. Dupont- Bouchat, M. u. a. 2003; Orte des Grauens, hg. v. Ueberschär, G., 2003; Greve, Y., Verbrechen und Krankheit, 2004; Müller, C., Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat, 2004 Verbrechenskonkurrenz -> Konkurrenz Verbrennen ist die durch Feuer vollzogene Todesstrafe. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Verbrannt werden z. B. Zauberer, Hexen oder Sittlichkeitsverbrecher. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Behringer, W., Mit dem Feuer vom Leben zum Tode, 1988 verbum (N.) regis (lat.) Wort des Königs, Huld, Schutz Verdächtigung Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003 Verdachtsstrafe ist die bei bloßem Verdacht einer Straftat verhängte, wegen des fehlenden sicheren Tatnachweises milder ausfallende Strafe. Nach gewissen älteren Ansätzen (Gaill, Berlich) wird die V. bei Carpzov (1595-1666) als Übernahme aus dem italienischen Recht sichtbar. Sie wird als eine Art außerordentlicher Strafe etwa bei dem Widerruf eines Geständnisses verhängt. Die Aufklärung bekämpft die im ersten Drittel des 19. Jh.s verschwindende V. (lat. -> in dubio pro reo). Lit.: Carpzov, B., Practica nova, 1652; Holtappels, P., Die Entwicklung der Geschichte des Grundsatzes ,,in dubio pro reo", 1965; Schaffstein, F., Verdachtsstrafe, außerordentliche Strafe und Sicherungsmittel, Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 1989, 493; Balogh, E., Die Verdachtsstrafe, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1993; Thäle, B., Die Verdachtsstrafe, 1993; Schmoeckel, M., 808 Humanität und Staatsraison, 2000; Schulz, L., Normiertes Misstrauen, 2001; Schulz, L., Die praesumtio innocentiae, ZRG 119 (2002), 193 Verden Lit.: Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002 Verdroß, Alfred (Innsbruck 22. 2. 1890-27. 4. 1980) wird 1924 Professor für Völkerrecht, Rechtsphilosophie und internationales Privatrecht in Wien. Er setzt sich dabei für eine universale Sicht des Rechts ein. Deshalb anerkennt er in seinem Völkerrecht (1937) auch die von den Kulturvölkern übereinstimmend anerkannten Rechtsgrundsätze als Quelle des Völkerrechts (Universelles Völkerrecht 1976). Lit.: Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften in Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., 1952, 200; Ius humanitatis. FS Alfred Verdroß, hg. v. Miehsler, H., 1980; Köck, H., Alfred Verdroß, 1991 Verdun an der Maas wird von Kelten gegründet (Virodunum). Um 359 wird es Sitz eines Bischofs. 879 kommt es zum östlichen Teil des fränkischen Reiches, wo es im 13. Jh. Reichsstadt wird, 1552/1648 aber an Frankreich fällt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ettighoffer, P., Verdun, 5. A. 1985; Hirschmann, F., Verdun im hohen Mittelalter, 1995 Verein ist die Vereinigung mehrerer Personen zu einem bestimmten Zweck. Im Privatrecht ist der V. die auf eine gewisse Dauer berechnete Personenvereinigung mit körperschaftlicher Verfassung, die im Bestand vom Wechsel der Mitglieder unabhängig ist. Vereine gibt es bereits im altrömischen Recht (lat. collegium [N.], sodalitas [F.], sodalicium [N.], corpus [N.]), ohne dass sich die Juristen damit näher befassen. Eine allgemeine Einrichtung des Vereins entwickelt sich auf der Grundlage älterer unterschiedlicher Verbände und einzelner vereinsähnlicher Vereinigungen (z. B. Weimar 1617 Fruchtbringende Gesellschaft) erst seit dem 18. Jh. Innerhalb der Vereine ist der rechtsfähige V. als juristische Person von der nichtrechtsfähigen, teilweise dem Gesellschaftsrecht unterworfenen Personenver- einigung zu unterscheiden. Das Recht des rechtsfähigen Vereins ist auf der Grundlage des Systems der Normativbestimmungen ausführ- lich im -> allgemeinen Teil des deutschen -> Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) geordnet. Lit.: Kaser § 17; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 207, 266; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 789; Menger, C., Zur Geschichte der Vereinskonzession, Diss. jur. Göttingen 1940; Boldt, W., Die Anfänge des deutschen Parteiwesens, 1971; Schraysler, E., Handwerkerbünde und Arbeitervereine, 1972; Schultze, W., Öffentliches Vereinigungsrecht im Kaiserreich, 1973;Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1757; Kögler, P., Arbeiterbewegung und Vereinsrecht, 1974; Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit der Vereine, 1976; Foerster, C., Der Preß- und Vaterlandsverein von 1832/3, 1982; Siemann, W., Der ,,Polizeiverein", 1983; Vereinswesen und bürgerliche Gesellschaft, hg. v. Dann, O., 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Wadle, E., Der Zollverein, ZRG GA 102 (1985), 99; Schwentker, W., Konservative Vereine, 1988; Brashear, W., Vereine im griechisch-römischen Ägypten, 1993; Bär, F., Die Schranken der inneren Vereinsautonomie, 1996; Hardtwig, W., Genossenschaft, Sekte, Verein, 1997; Aneziri, S., Die Vereine der dionysischen Techniten, 2003 Vereinigter Landtag ist in Preußen der aus sämtlichen Mitgliedern der acht preußischen Provinziallandtage gebildete, am 11. 4. 1847 erstmals und am 2. 4. 1848 letztmals zusammengetretene Landtag. Lit.: Eickenboom, P., Der preußische erste vereinigte Landtag, Diss. phil. Bonn 1961 Vereinigte Staaten von Amerika (USA, erste Bezeichnung des neuen Kontinents nach dem die Verschiedenheit von Indien erkennenden Amerigo Vespucci [1451-1512] als Amerika in der Weltkarte Martin Waldseemüllers aus Freiburg im Breisgau 1507) ist der im 18. Jh. aus Kolonien Englands (, Frankreichs und Spaniens) erwachsende Staat auf dem südlichen Teil des nordamerikanischen Halbkontinents. In seinem Teilstaat Virginia entsteht am 12. 6. 1776 mit der Virginia Bill of Rights (Menschenrechtserklärung) die erste formelle Verfassung. Im 19. Jh. setzt sich das englische Rechtssystem durch. Im Sezessionskrieg (1861- 1865) verhindern die nördlichen Staaten die Abspaltung der an afrikanischen Sklaven festhaltenden südlichen Staaten. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s beeinflusst das amerikanische Recht auf Grund politischer, wirtschaftlicher und technischer Überlegenheit der Vereinigten Staaten von Amerika alle 809 Rechte in vielfacher Weise. Lit.: Seagle, W., The Quest for Law 1941, (deutsch) Weltgeschichte des Rechts, 1. A. 1951, 2. A. 1958, 3. A. 1967; Jacobs, R., Die Quit-Rents in den USA und ihre Wurzeln in der Geschichte des englisch-amerikanischen Real-Property-Law, 1971; Eichler, H., Verfassungsbe- wegungen in Amerika und Europa, 1985; Friedmann, L., History of American Law, 2. A. 1985; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, 2. A. 1988; Bitterli, U., Die Entdeckung Amerikas, 4. A. 1992; Dokumente zur Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, hg. v. Schambeck, H., 1993; Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in Deutschland, 1994; Heideking, J., Geschichte der USA, 1996; Hall, K., American legal history, 2. A. 1996; Die amerikanischen Präsidenten, hg. v. Heideking, J., 3. A. 2002; Sautter, U., Lexikon der amerikanischen Geschichte, 1997; Heideking, J./Nünning, V., Einführung in die amerikanische Geschichte, 1998; Reimann, M., Neuere Rechtsgeschichte in den Vereinigten Staaten, ZNR 20 (1998); Blumenwitz, D., Einführung in das angloamerikanische Recht, 7. A. 2003; Oxford Guide to United States Supreme Court Decisions, hg. v. Hall, K., 1999; Finzsch, N./Horteon, J./Horton, L., Von Benin nach Baltimore, 1999; Franklin, J./Moss, R., Von der Sklaverei zur Freiheit, 1999; Naether, S., Deutsche Juristen als Emigranten in den USA, in: Beiträge zum amerikanischen Verfassungsrecht, 1999, 131; Sautter, U., Die Vereinigten Staaten, 2000; Wellenreuther, H., Geschichte Nordamerikas, Bd. 1ff. 2000ff.; Adams, W., Die USA vor 1900, 2000; Adams, W., Die USA im 20. Jahrhundert, 2000; Guggisberg, H., Geschichte der USA, 4. A. 2001; Waibel, D., Junges Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048; Dippel, H., Geschichte der USA, 6. A. 2004; Schmidt, G., Geschichte der USA, 2003; Surrency, E., History of the federal courts, 2. A. 2002; Oberg, M., Uncas, 2003Köbler, G., Rechtsenglisch, 6. A. 2004 Vereinigungsfreiheit ist die Freiheit, Vereinigungen zu bilden. Sie entwickelt sich im 19. Jh. als Grundrecht. Lit.: Müller, F., Korporation und Assoziation, 1965; Tillmann, H., Staat und Vereinigungsfreiheit, Diss. jur. Gießen 1976; Voß, W., Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, in: Libertas 1991, 301; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004 Vereinte Nationen (United Nations) sind der Zusammenschluss der Staaten zum Zweck der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durch Kollektiv- maßnahmen. Sie entstehen als Nachfolger des Völkerbundes 1945. Grundlage ist die Charta der Vereinten Nationen. Die wichtigsten Organe sind Vollversammlung, Sicherheitsrat und Generalsekretär. Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Charta der Vereinten Nationen, hg. v. Simma, B. u. a., 1991; Knipping, F. u. a., Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995; Rittberger, V. u. a., Vereinte Nationen und Weltordnung, 1997; Volger, H., Lexikon der Vereinten Nationen, 2000 Verfahren ist die Art oder Weise des Vorgehens bei der Bewältigung einer Aufgabe oder eines Vorhabens, insbesondere durch eine Entscheidung einer Behörde (Verwaltungs- verfahren) oder eines Gerichts über einen Antrag oder einen Rechtsstreit (Gerichtsverfahren, Prozess). V. entwickeln sich vermutlich schon früh als Ver- allgemeinerung einzelner Geschehensabläufe. Bereits die römischen Zwölftafelgesetze behandeln den Zivilprozess und bestimmen, wie der Beklagte in das Gericht (lat. ius [N.], forum [N.]) gebracht werden kann. Neben den - > Zivilprozess tritt bald der besondere -> Strafprozess. Aus dem Legisaktionenverfahren (-> legisactio) wird das -> Formularverfahren. Das Formularverfahren wird durch das Kognitionsverfahren (-> cognitio) abgelöst. Bei den Germanen finden Entscheidungsverfahren vermutlich zunächst in der -> Volks- versammlung statt, im Frühmittelalter vor (lat.- afrk. [M.]) thunginus und Rachinburgen bzw. Graf und Schöffen. Seit dem Hochmittelalter spaltet sich das Verfahren in Zivilprozess und Strafprozess auf. Im Zivilprozess dringt oberitalienisch-kanonisches Recht ein. Im Strafprozess drängt der Inquisitionsprozess den Akkusationsprozess zurück. Im 19. Jh. wird das V. liberalisiert und modernisiert und die -> Gerichtsverfassung vereinheitlicht. Es ent- stehen neben den V. der ordentlichen Gerichtsbarkeit V. anderer Gerichtsbarkeiten (z. B. Verwaltungsgericht). Neben allgemeinen Verfahrensgrundsätzen werden detaillierte Einzelregelungen entwickelt. Lit.: Kaser §§ 80 II 3, 82, 84; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55, 70, 86, 91, 114, 153, 200, 234, 261; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 810 1973; Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren, 1908; Bader, K., Das Schiedsverfahren, 1929; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Landes, D., Achtverfahren, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 2. A. 1996; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Conflict in medieval Europe, hg. v. Brown, W. u. a., 2003 Verfahrensverweigerung ist die Verwei- gerung der Durchführung eines -> Verfahrens seitens einer daran zu beteiligenden Person oder Einrichtung. Im Frühmittelalter verfällt der Beklagte, der eine Ladung missachtet, dem -> Königsbann. Im Deutschen Bund kann bei Verweigerung einer gerichtlichen Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit die Bundesver- sammlung (Bundestag) angerufen werden. Lit.: Köbler, DRG 92, 200 Verfallspfand ist das im altrömischen Recht verbreitete, später zurückgedrängte, bei Pfandreife und Unterbleiben der Schuldtilgung in das Eigentum des Pfandgläubigers über- gehende -> Pfand. Da es dem Pfandgläubiger oft weit mehr als die Schuldtilgung einbringt, ist es in entwickelteren Rechtsordnungen wegen des angemessenen Schutzes des Schuldners selten. Lit.: Kaser § 31 II 2 Verfangenschaft ist die Beschlaglegung eines Gegenstandes zugunsten eines Rechtssubjekts. Im süddeutschen hochmittelalterlichen Ehegüterrecht tritt in der Errungenschafts- und Fahrnisgemeinschaft beim Tod eines Ehegatten V. der Liegenschaften zugunsten der ehelichen Kinder ein. Das verfangene Gut darf der überlebende Ehegatte nutzen und verwalten, aber nur bei echter Not oder Zustimmung der Kinder veräußern. Bei seinem Tod fällt es an die Kinder. Möglich sind aber rechts- geschäftliche Teilung oder -> Einkindschaft. Seit dem 15. Jh. verliert die V. ihre Bedeutung. Lit.: Hübner 679; Mayer-Homberg, E., Zur Entstehung des fränkischen Verfangenschaftsrechtes, 1913; Gudian, G., Ingelheimer Recht, 1968, 188 Verfassung ist (materiell) der Zustand und (formell) den diese in seinen Grundzügen beschreibende oder ordnende Urkunde. Insofern hat jede Gemeinschaft eine V. (im materiellen Sinn). Bereits die griechische Philosophie unterscheidet etwa als unterschiedliche Formen Monarchie, Aristokratie, Politeia, Tyrannis, Oligarchie oder Demokratie (Aristoteles). Vereinzelt halten seit dem Hochmittelalter Schriftstücke besondere tatsächlich geschaffene Grundzüge der angestrebten V. fest (z. B. Magna Charta England 1215, Mainzer Reichslandfriede 1235, Goldene Bulle 1356, ewiger Reichslandfriede von 1495 oder Wahlkapitulation Karls V. von 1519, Augsburger Religionsfriede 1555, Westfälischer Friede 1648, England 1628 Petition of Rights, 1679 Habeas-Corpus-Akte). 1776 wird mit der -> Virginia Bill of Rights in Amerika die erste formelle V. (-> Verfassungsurkunde) geschaffen. Dem folgen (-> Toskana Entwurf 1782, 1787 erweitert auf 145 Artikel) -> Polen (3. 5. 1791, Warschau 22. 7. 1807), -> Frankreich (3. 9. 1791), Genf (5. 2. 1794), Bologna (4. 12. 1796), die cispadanische Republik 27. 3. 1797), die cisalpinische Republik (30. 6. 1797), die ligurische Republik (2. 12. 1797), die batavische Republik (17. 3. 1798), die römische Republik (20. 3. 1798), die helvetische Republik (12. 4. 1798), die -> Niederlande (1. 5. 1798 Staatsregelung für das batavische Volk, März 1814 Grundgesetz für die Vereinigten Niederlande), Lucca (4. 2. 1799), die parthenopäische Republik (20. 3. 1799), die italienische Republik (26. 12. 1801), Wallis (30. 8. 1802), Holland (7. 8. 1806) (, Spanien 6. 7. 1808, Neapel 6. 6. 1809, Schweden 6. 6. 1809, Sizilien 18. 6. 1812, Norwegen 17. 5. 1814, Griechenland 4. 11. 1821, Portugal 23. 9. 1822, Belgien 7. 2. 1831, Italien 4. 3. 1848, Ungarn 11. 4. 1848, Dänemark 5. 6. 1849 bzw. 26. 7. 1854, Liechtenstein 26. 9. 1862, Rumänien 1. 7. 1866, Serbien 29. 6. 1869, Island 5. 1. 1874, Schweiz 29. 5. 1874, Türkei 23. 12. 1876, Bulgarien 16. 4. 1879) sowie im Gebiet des früheren Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) Frankfurt (10. 10. 1806),Westphalen 15. 11. 1807, Bayern (1. 5. 1808), Anhalt-Köthen (28. 12. 1810)-> Nassau (3. bzw. 2. 9. 1814), -> Waldeck (28. 1. 1814), Schwarzburg-Rudolstadt (8. 1. 1816), -> Schaumburg-Lippe (15. 1. 1816), Sachsen- Weimar (5. 5. 1816), Sachsen-Meiningen- Hildburghausen (19. 3. 1818), -> Bayern (26. 5. 811 1818), -> Baden (22. 8. 1818), -> Württemberg (25. 9. 1819), Hessen-Darmstadt (17. 12. 1820) sowie später z. B. Hohenzollern-Sigmaringen 1833, Österreich (1848) und Preußen (1848). Ihre Verfassungen enthalten meist eine Teilhabe des Volkes an der Macht in einem zur Gesetzgebung berufenen Parlament sowie die Sicherung von Grundrechten des Einzelnen gegen den Staat. Die von der Frankfurter Paulskirchenversammlung beschlossene V. (1848/1849) tritt nicht in Wirksamkeit. Ihr folgen die Verfassung des zweiten Deutschen Reiches (1871, ohne Grundrechte), der Weimarer Nationalversammlung (14. 8. 1919) und der Bundesrepublik Deutschland (23. 5. 1949). Die Staatslehre der Aufklärung schafft dabei ein umfassendes Bewusstsein öffentlicher Ordnung. In Abkehr vom abstrakt-ahistorischen Staatsdenken der Aufklärung wenden sich die Staatsdenker nun den historisch gewordenen Vorgegebenheiten zu. Spätestens seit dem Ende des 18. Jh.s wird die V. als den Gesetzgeber bindendes Recht verstanden (Alexander Hamilton 1788, Sieys 1795, Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika 1803). In den Staaten des Deutschen Bundes berufen sich nach 1830 Bürger mit unterschiedlichem Erfolg gegenüber staatlichen Eingriffen (meist Zensurmaßnahmen) auf in Verfassungen verankerte Rechte und findet eine Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit einzelner Normen bereits statt. Eine seit 2002 als Mikrofiche veröffentlichte Sammlung der Verfassungen bzw. Verfassungsdokumente Europas von 1850 bis zur Gegenwart umfasst etwa 1300 Texte. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 831 (Mohnhaupt/Grimm); Köbler, DRG 6, 14, 18, 32, 55, 69, 82, 101, 109, 138, 147, 149, 152, 171, 182, 190, 191, 195, 221, 222, 227, 232, 245, 248, 256, 257, 258; Bisinger, J., Staatsverfassung des österreichischen Kaisertums, 1809; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Stutz, U., Die Grundlagen der mittelalterlichen Verfassung Deutschlands und Frankreichs, ZRG GA 21 (1900), 115; Sander, P., Feudalstaat und bürgerliche Verfassung, 1906; Bergsträßer, L., Geschichte der Reichsverfassung, 1914; Andreas, W., Geschichte der badischen Verwaltungsorganisation und Verfassung in den Jahren 1802-1818, 1913; Lenel, P., Wilhelm von Humboldt und die Anfänge der preußischen Verfassung, 1913; Schramm, P., Studien zu frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über Staat und Verfassung, ZRG GA 49 (1929), 167; Feine, H., Zur Verfassungsentwicklung des Heil. Röm. Reiches, ZRG GA 52 (1932), 65; Dennewitz, B./Meissner, B., Die Verfassungen der modernen Staaten, 1947; Verfassungsregister, hg. v. Menzel, E./Groh, F./Hecker,H., 1954ff.; Strathmann, F., Altständischer Einfluss auf die deutschen Territorialverfassungen der Jahre 1814/1818, Diss. jur. Mainz 1955; Pfeffer, W., Die Verfassungen der Rheinbundstaaten, 1960; Schmidt-Aßmann, E., Der Verfassungsbegriff in der deutshen Staatslehre der Aufklärung und des Historismus, 1967; Birtsch, G., Die landständische Verfassung, in: Ständische Vertretungen in Europa, 1967, 32; Floßmann, U., Landrechte als Verfassung, 1976; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 1 4. A. 2004; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 7. A. 1995; Grziwotz, H., Der moderne Verfassungsbegriff, 1986; Gizewski, C., Zur Normativität und Struktur der Verfassungsverhältnisse, 1988; Stourzh, G., Wege zur Grundrechtsdemokratie, 1989; Die Frankfurter Reichsverfassung, hg. v. Neumann, F., 1989; Die deutschen Verfassungen des 19. und 20. Jahrhunderts, 14. A. 1992; Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in Deutschland, 1994; 1789 et l'invention de la constitution, hg. v. Troper, M. u. a., 1994; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 4. A. 2004; Caenegem, R. van, An historical introduction to Western constitutional law, 1995; Mohnhaupt, H./Grimm, D., Verfassung, 1995; Die Verfassungen der EG-Mitgliedstaaten, hg. v. Kimmel, A., 4. A. 1996; Blänkner, R., Die Idee der Verfassung, in: Bürgerreligion und Bürgertugend, 1996; Krüger, P., Einflüsse der Verfassung der Vereinigten Staaten, ZNR 18 (1996); Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 1997; Verfassung als Verantwortung, hg. v. bayerischen Verfassungsgerichtshof, 1997; Graf, G., Der Verfassungsentwurf aus dem Jahr 1787 des Granduca Pietro Leopoldo di Toscana, 1998; Ebel, F., Der papierene Wisch, 1998; Mohnhaupt, H., Von den leges fundamentales, Ius commune 25 (1998), 121; Verfassungen in Hessen, hg. v. Franz, E., 1998; Burgdorf, W., Reichskonstitution und Nation, 1998; Die deutschen Verfassungen, hg. v. Limbach, J. u. a., 1999; Die Verfassungen Mittel- und Osteuropas, hg. v. Roggemann, H., 1999; Fenske, H., Der moderne Verfassungsstaat, 2001; Schmidt, C., Vorrang der 812 Verfassung und konstitutionelle Monarchie, 2000; Verfassungswandel um 1848, hg. v. Kirsch, M. u. a., 2001; Waibel, D., Junges Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048; Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 2. A. 2001; Otto, P., Die Entwicklung der Verfassungslehre in der Weimarer Republik, 2002; Lechler, F., Parlamentsherrschaft und Regierungsstabilität, 2002; Die Verfassungen der Welt. 1850 bis zur Gegenwart (Mikrofiche), Bd. 1 Europa, Bd. 2 Nord- und Südamerika, hg. v. Dippel, H., 2002ff.; Verfassung und Verfassungswandel, hg. v. Kroll, F., u. a., 2003; Krüger, K., Die landständische Verfassung, 2003; Kotulla, M., Das konstitutionelle Verfassungswerk Preußens, 2003; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Hufeld, U. u. a., 2004; Parlamento e Costituzione nei sistemi costituzionali europei ottocenteschi ­ Parlament und Verfassung in den konstitutionellen Verfassungssystemen Europas, hg. v. Manca, A. u. a., 2004; Vorländer, H., Die Verfassung ­ Idee und Geschichte, 2. A. 2004; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Beckmann, K. u. a., 2004; Weimarer Landesverfaqssungen, hg. v. Wittreck, F., 2004; Deutsches Verfassungsrecht 1806-1918, hg. v. Kotulla, M., 2006 Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist das Bonner Grundgesetz vom 23. 5. 1949. Seine Grundrechte wollen nicht nur Programmsätze sein, sondern grundsätzlich verbindliche Kraft entfalten und Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden. Eine Änderung der wichtigsten Grundsätze ist nach Art. 79 III unzulässig. Inhaltlich stellt der Katalog einen pluralistischen Kompromiss auf traditioneller Grundlage dar, wobei die Gewährleistung von Eigentum und Erbrecht e- benso wie die Möglichkeit der Ver- gesellschaftung von Boden und Pro- duktionsmitteln festgelegt wird. An der Spitze des Organisationsteiles steht die Entscheidung für den demokratischen und sozialen Bundesstaat, in dem alle Gewalt vom Volk ausgeht, durch besondere Organe der Gesetzgebung, Vollzugsgewalt und Rechts- prechung ausgeübt wird und Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die wichtigsten Organe sind Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, Bundeskanzler und Bundesverfassungsgericht. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 256; Robbers, G., Die Änderung des Grundgesetzes, NJW 1989, 1124; Hesse, K., Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. A. 1995; Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 1997 Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik ist die am 7. 10. 1949 geschaffene, äußerlich ziemlich konservative, aber weder Gewaltenteilung, noch Opposition noch eine gesellschaftspolitische Wahlentscheidung zulassende Verfassung. Sie wird durch die Beseitigung der Länder (13. 7. 1952/8. 12. 1958) und der Selbstverwaltung der Gemeinden sowie die Ersetzung des Präsidenten durch einen kollegialen Staatsrat (12. 9. 1960) verändert. Die zweite V. vom 9. 4. 1968 will die inzwischen erreichten sozialen Errun- genschaften absichern und gibt in der Neufassung vom 7. 10. 1974 die Vorstellung einer deutschen Nation auf. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 258; Roggemann, H., Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989 Verfassungsbeschwerde ist nach der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland die verfassungsrechtliche Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht zum Schutz eines dem Beschwerdeführer nach seiner Ansicht zustehenden Rechtes anzurufen (1951-2001 rund 127000 Verfassungsbeschwerden). Sie begegnet bereits 1818 in Bayern (an den Staatsrat, selten, einmal erfolgreich) und Baden. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257; Zuck, R., Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. A. 1988; Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000 Verfassunggebende Nationalversammlung ist die Abgeordnetenversammlung, die zur Verabschiedung einer Verfassung einberufen ist (z. B. Frankfurt am Main1848, Weimar 1919). Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Verfassungsgerichtsbarkeit ist nach älteren einzelnen Ansätzen (z. B. England 1610, Pennsylvania 1776, Vermont 1777, Vereinigte Staaten von Amerika 1803) seit dem 19. Jh. (1818, 1834) welche die Übereinstimmung staatlichen Handelns mit der -> Verfassung überprüfende, in einzelnen Staaten aus der allgemeinen Gerichtsbarkeit ausgesonderte Gerichtsbarkeit (Österreich 1920, Deutsches Reich [-> Staatsgerichtshof] 1921, Bundesrepublik Deutschland 1951, Italien 1956, Frankreich 1958, Spanien 1980). 813 Lit.: Stolzmann, H., Zur geschichtlichen Entwicklung des Rechts der Verfassungsstreitigkeiten, Archiv f. öffentliches Recht N.F. 16 (1929), 355; Wahl, R./Rottmann, F., Die Bedeutung der Verfassung, in: Sozialgeschichte der Bundesrepublik, 1983, 339; Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. v. Starck, C. u. a., Bd. 1 1983; Verfassungsgerichtsbarkeit in Westeuropa, hg. v. Starck, C. u. a., Bd. 1 1986; Robbers, G., Die historische Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit, JuS 1990, 257; Brünneck, A. v., Verfassungs- gerichtsbarkeit in den westlichen Demokratien, 1992; Eisenhardt, U., Zu den historischen Wurzeln der Verfassungsgerichtsbarkeit, FS B. Diestelkamp, 1994, 17; 50 Jahre Verfassungs- und Verwaltungs- gerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz, 1997; Böckenförde, E., Verfassungsgerichtsbarkeit, NJW 1999, 9; Kluge, H./Wolnicki, B., Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, 2. A. 1999; Björner, U., Die Verfassungs- gerichtsbarkeit im Norddeutschen Bund und im Deutschen Reich, 2000; Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000; Heimann, H., Die Entstehung der Verfassungsgerichtsbarkeit in den neuen Ländern und in Berlin, 2002 Verfassungsgerichtshof ist ein (oberes) Verfassungsgericht (z. B. Österreich 1920). Lit.: Köbler, DRG 257, 262; Baltl/Kocher Verfassungsgeschichte ist der die Geschichte der -> Verfassung betreffende Teil der die V. einschließenden Rechtsgeschichte. Grundle- gend für Deutschland ist die V. von Georg -> Waitz. Lit.: Waitz, G., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1ff. 1844ff., Neudruck 1953ff.; Winkelmanns, E., Allgemeine Verfassungsgeschichte, hg. v. Winkelmanns, A., 1901; Heusler, A., Deutsche Verfassungsgeschichte, 1905; Hintze, O., Allgemeine Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Di Costanzo, G. u. a., 1998; Mayer, E., Bemerkungen zur frühmittelalterlichen, insbesondere italienischen Verfassungsgeschichte, 1912; Bornhak, C., Deutsche Verfassungsgeschichte vom westfälischen Frieden an, 1934; Hartung, F., Zur Entwicklung der Verfassungsgeschichtsschreibung in Deutschland, 1956 (SB Berlin); Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungs- geschichte des Mittelalters, 1961; Böckenförde, E., Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert, 1961; Schlesinger, W., Beiträge zur Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1962; Graus, F., Deutsche und slawische Verfassungsgeschichte?, HZ 197 (1963), 265; Huber, E., Bewahrung und Wandlung, 1975; Gegenstand und Begriffe der Verfassungs- geschichtsschreibung, 1983; Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch-deutschen Reiches im Spätmittelalter, hg. v. Weinrich, L., 1983; Willoweit, D., Aufgaben und Probleme einer europäischen Verfassungsgeschichtsschreibung, 1990; Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991; Kölz, A., Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte, 1992; Brauneder, W., Österreichische Verfassungsgeschichte, 8. A. 2001; Caenegem, R. van, An Historical Introduction to Western Constitutional Law, 1995; Menger, C., Deutsche Verfassungsgeschichte, 8. A. 1993; Böckenförde, E., Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. 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Brandt, P., 2004 (CD-ROM); Grothe, E., Zwischen Geschichte und Recht, 2004 Verfassungskonflikt ist der Streit um eine grundsätzliche Verfassungsfrage (z. B. Kurhessen 1831, Hannover 1833, Preußen 1862-6). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Real, W., Der hannoversche Verfassungskonflikt, 1972; Becker, W., Die angebliche Lücke der Gesetzgebung, Hist. Jb. 100 (1980), 257 Verfassungsrecht ist die Gesamtheit der die -> Verfassung betreffenden Rechtssätze. Lit.: Köbler, DRG 7; Huber, E., Verfassungsrecht des großdeutschen Reiches, 1939; Mampel, S., Das Recht in Mitteldeutschland, 1966; Klecatsky, H./Morscher, S., Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 3. A. 1982; Ridder, H., Verfassungsrecht oder Staatsrecht?, Bll. f. dt. u. internat. Politik 1988, 660; Roggemann, H., Die DDR- Verfassungen, 4. A. 1989; Entstehen und Wandel verfassungsrechtlichen Denkens, hg. v. Mussgnug, R., 814 1996; Deutsches Verfassungsrecht 1806 bis 1918, hg. v. Kotulla, M., Bd. 1 2005 Verfassungsschutz Lit.: Buschfort, W., Geheime Hüter der Verfassung, 2004 Verfassungsurkunde ist die eine -> Verfassung schriftlich verkörpernde Urkunde (formelle Verfassung). Verfassungsurkunden gibt es (nach wissenschaftlicher Konvention) seit 1776 (-> Virginia Bill of Rights). Lit.: Usee, K., Der Einfluss der französischen Verfassungen, Diss. jur. Greifswald 1911; Ingelmann, A., Ständische Elemente in der Volksvertretung, 1914; Goldschmitt, R., Geschichte der badischen Verfassungsurkunde, 1918 Verfassungswirklichkeit ist der tatsächliche Verfassungszustand eines Staates im Gegensatz zu dem von der Verfassungsurkunde angestrebten Verfassungszustand. Lit.: Huber, E., Verfassungswirklichkeit und Verfassungswert, FS G. Schmelzeisen, 1980, 126 Verfestung ist seit dem Hochmittelalter in Norddeutschland eine Rechtsfolge bei Ladungsungehorsam, die der -> Acht ähnelt. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Francke, O., Das Verfestungsbuch der Stadt Stralsund, 1875; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 291; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 433, Neudruck 1964; Feuring, A., Die Verfestung nach dem Sachsenspiegel, Diss. jur. Bonn 1995 Verfügung ist im Privatrecht das Rechts- geschäft, durch das ein Recht unmittelbar geändert, aufgehoben, übertragen oder belastet wird (z. B. Übereignung). Bereits das römische Recht unterscheidet die V. von der -> Verpflichtung. Ob das germanische Recht die V. kennt, ist streitig. Im 19. Jh. wird die V. von der Verpflichtung abstrahiert. Letztwillige V. ist die für den Fall des Todes über den Nachlass getroffene V. Im öffentlichen Recht ist V. ein - > Verwaltungsakt. Lit.: Kaser §§ 5 I, 11 IV, 15 I 4b, 60 II 3c, 62 II 2; Köbler, DRG 123; Demuth, E., Die wechselseitigen Verfügungen von Todes wegen nach alamannisch- zürcherischem Recht, 1901; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210; Schönfeld, W., Die Vollstreckung von Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen Quellen, ZRG GA 42 (1921), 240; Kilchmann, A., Die Verfügungen von Todes wegen nach den aargauischen Rechtsquellen, 1928; Buss, H., Letztwillige Verfügungen nach ostfriesischem Recht, Diss. jur. Göttingen 1966; Hattenhauer, H., Die Entdeckung der Verfügungsmsacht, 1969; Wilhelm, W., Begriff und Theorie der Verfügung, Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 213; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985 § 30, Bd. 2 1989 § 64 Verfügungsgeschäft ist das eine -> Verfügung anstrebende bzw. bewirkende -> Rechtsgeschäft. Vergabung ist das Übertragen eines Gegenstandes an eine andere Person. -> Schen- kung Lit.: Kroeschell, DRG 1 Vergehen ist die rechtswidrige Tat, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit einer Geldstrafe bedroht ist. Als allgemeine Erscheinungsform wird das V. nach französischem Vorbild zu Beginn des 19. Jh.s erfasst (Bayern 1813). Der Versuch eines Vergehens ist nur bei besonderer gesetzlicher Bestimmung strafbar. Lit.: Köbler, DRG 119, 204, 264; Hanamann, Über die Grenzlinie zwischen Verbrechen und Vergehen, 1805; Cucumus, Über die Einteilung der Verbrechen, Vergehen und Übertretungen, 1823; Daimer, H., Die Unterscheidung der strafbaren Handlungen, Diss. jur. Erlangen 1915 Vergeltung ist ein -> Strafzweck. Vergewaltigung ist die Nötigung einer Frau mit Gewalt oder Drohung zum Beischlaf mit dem Nötigenden oder einem Dritten (-> Notzucht). Am Ende des 20. Jh.s (1997) wird auch die V. in der-> Ehe strafbar (Österreich 1989, Schweiz 1992, Deutschland 1997). In Deutschland wird 1997 die V. als eigenständiger Tatbestand aufgegeben und als besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung eingeordnet. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Thornhill, R./Palmer, C., A Natural History of Rape, 2000; Balthasar, S., Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Künzel, C., Unzucht ­ Notzucht ­ Vergewaltigung, 2003 Vergleich (lat. [F.] transactio) ist der gegenseitige Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit von Parteien über ein 815 Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beendet wird. Der V. ist im klassischen römischen Recht ein -> Erlass, wird aber von -> Justinian (527-565) hiervon abgelöst. Der V. ist auch im deutschen Recht zulässig. Seit dem Spätmittelalter wird das justinianische Recht aufgenommen. Lit.: Kaser §§ 50 II 6, 53 II 3; Oertmann, P., Der Vergleich im gemeinen Zivilrecht, 1895; Steinwenter, A., Die Streitbeendigung, 2. A. 1971; Ebel, F., Berichtung, Transactio und Vergleich, 1978; Bork, R., Der Vergleich, 1988 Verhaftung ist seit der frühen Neuzeit die amtliche Festnahme eines Straftatverdächtigen. Für sie verdichten sich seit der Aufklärung die gesetzlich festzulegenden Voraussetzungen. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht, 1997 Verhältnismäßigkeit ist der Grundsatz des Verwaltungsrechtes, dass die Verwaltung unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen nur die wählen darf, die den Betroffenen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt. Der Grundsatz der V. ist an sich naheliegend, wird aber erst im 20. Jh. artikuliert. Lit.: Avoine, M. d', Die Entwicklung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, Diss. jur. Trier 1994 Verhältniswahlrecht ist die Art des Wahlrechts, bei der die Gesamtzahl der Parlamentssitze auf die Parteien im Verhältnis der Gesamtstimmenzahl zu der auf die einzelne Partei im gesamten Wahlgebiet abgegebenen Zahl der Stimmen verteilt wird (z. B. Deutsches Reich 1919, pro 60000 Stimmen im ganzen Reich ein Abgeordneter). Das V. bildet einen Gegensatz zum Mehrheitswahlrecht. Es kann klare politische Entscheidungen erschweren, entspricht aber den politischen Verhältnissen im gesamten Wahlvolk besser. Lit.: Köbler, DRG 230, 257; Smend, R., Die Verschiebung der konstitutionellen Ordnung durch das Verhältniswahlrecht, in: Smend, R., Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. A. 1968, 60 Verhandlung ist die Erörterung eines Gegenstandes durch Beteiligte, insbesondere die Erörterung vor einem Gericht. Bei der hiervon abgeleiteten Verhandlungsmaxime des Zivilprozesses steht es bei den Parteien, welchen Streitstoff sie dem Gericht unter- breiten. Lit.: Köbler, DRG 155, 201; Tiegelkamp, K., Geschichte und Stellung der Verhandlungsmaxime, 1940; Bomsdorf, Prozessmaximen und Rechtswirklichkeit, 1971 Verhör ist die eindringliche Befragung eines Menschen durch einen andern Menschen zur Ermittlung von Umständen, insbesondere die Befragung von Verdächtigen durch einen Ermittler. Lit.: Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Niehaus, M., Das Verhör, 2003 Verjährung ist der durch Zeitablauf eintretende Rechtsverlust. In fester Form wird die V. als (lat.) praescriptio (F.) temporis aller Klagen von den römischen Kaisern Honorius (393-423) und Arcadius bzw. Theodosius II. (424) mit einer Frist von grundsätzlich 30 (in bestimmten Fällen auch 40, 20, 10 Jahren oder einem Jahr) eingeführt. Danach strahlt die V. bereits auf das Frühmittelalter aus und wird später allgemein aus dem römischen Recht aufgenommen. Mit ihr verschmilzt die -> Verschweigung. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) kennt neben der regelmäßigen Verjährung binnen 30 Jahren verschiedene kürzere Verjährungsfristen. Seit 2002 ist in Deutschland die regelmäßige Verjährungsfrist auf 3 Jahre festgelegt. V. gibt es auch für die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung. Lit.: Kaser § 4 III; Köbler, DRG 61; Kroeschell, 20. Jh.; Unterholzner, K., Ausführliche Entwicklung der gesamten Verjährungslehre, 2. A. 1858; Schwarz, F., Bemerkungen zur Lehre von der Verjährung, 1866; Reich, O., Die Entwicklung der kanonistischen Verjährungslehre, 1908; Iterson, W. van, Immemoriale possessie en prescriptie, Themis 1962, 427; Schmachtenberg, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ebihara, A., Savigny und die gemeinrechtliche Verjährungslehre, ZRG RA 110 (1993), 602 Verkauf -> Kauf Verkaufspfand ist das bereits dem klassischen römischen Recht bekannte, bei Pfandreife durch Verkauf der Pfandsache an einen Dritten zu verwertende Pfand. Das V. erscheint im Mittelalter in den Städten seit dem 13. Jh., auf dem Land seit dem 14. Jh. In der frühen Neuzeit erfolgt der Verkauf durch das Gericht oder eine andere hierzu bestellte Einrichtung. 816 Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird der verpfändete Gegenstand meist durch öffentliche Versteigerung bzw. bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung verwertet. Lit.: Kaser § 31; Hübner; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1912; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Klink, R., Die Behandlung des Pfandrechts, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Verkehr ist ausgehend vom Vertrieb von Waren die Bewegung oder Beförderung von Menschen oder Gegenständen auf dafür vorgesehenen Wegen. Das Verkehrswesen ist im römischen Reich bereits hoch entwickelt. Dieser Zustand wird erst in der Neuzeit wieder erreicht. Seit dem 19. Jh. verdichtet sich der V. immer mehr. Besondere Bedeutung kommt dem Schienenverkehr, dem Straßenverkehr und dem Luftverkehr zu. Für sie werden jeweils besondere Verkehrsregeln entwickelt. Lit.: Köbler, DRG 113, 176, 225, 251; Untersuchungen zu Handel und Verkehr, hg. v. Düwel, K. u. a., Bd. 1ff. 1985ff.; Helmedach, A., Das Verkehrssystem als Modernisierungsfaktor, 2000; Schubert, W., Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 194 Verkehrssicherungspflicht ist die im 20. Jh. von der deutschen Rechtsprechung entwickelte Pflicht des Eröffners eines Verkehrs, die Benützer vor hieraus erwachsenden Gefahren zu sichern. Bei schuldhafter Verletzung der V. ist Schadensersatz aus unerlaubter Handlung zu leisten. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Verklarung ist im Seerecht die Einreichung eines Berichts des Kapitäns eines Schiffes über den Hergang eines Unfalls beim zuständigen Gericht. Die V. ist nach bereits rö- mischrechtlichen Ansätzen im Spätmittelalter in vielen Seerechten erkennbar. Ihr Zusammenhang mit der allgemeinen Ver- schweigung ist ungewiss. Lit.: Wöhler, A., Die Verklarung, Diss. jur. Erlangen 1913 Verknechtung ist der Verlust der Freiheit durch Überführung in Knechtschaft. Sie erfolgt in unterschiedlichen Zeiten auf Grund verschiedener Voraussetzungen. Lit.: Kaser; Hübner; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Mayer-Maly, T., Das Notverkaufsrecht des Hausvaters, ZRG RA 75 (1958), 116 Verkündung ist die Kundgabe eines Gedankens. Recht bedarf zu seiner Wirksamkeit vielfach der V. Zur Sicherung der V. werden bereits im römischen Altertum die Zwölf-Tafel-Gesetze in Bronze auf dem Forum (Markt) aufgestellt. In Ermangelung der Schriftform erfolgt die V. zumindest zunächst mündlich. Seit dem Spätmittelalter wird das geltende Recht an vielen Orten zu bestimmten Zeiten verlesen. Seit dem 18. Jh. wird die Veröffentlichung in Schriftform zur Voraussetzung für die Geltung eines neuen Rechtssatzes. Lit.: Feigl, H., Von der mündlichen Rechtsweisung zur Aufzeichnung, in: Recht und Schrift im Mittelalter 1977, 425; Willoweit, D., Gebot und Verbot, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94 Verlag ist der gewerbsmäßige Vertrieb von Erzeugnissen, insbesondere von Werken der Tonkunst und Literatur. Der V. erscheint seit dem Spätmittelalter (Flandern 13. Jh.), wobei der Verleger oft auch einen Teil der Geräte und Stoffe liefert und Art und Umfang der Erzeugung der von ihm vertriebenen Gegenstände bestimmt. In der frühen Neuzeit erfasst der V. sachlich vor allem das Tex- tilgewerbe und das Metallgewerbe und räum- lich neben der Stadt auch das Land. Seit dem 19. Jh. geht der V. überwiegend in der Industrie auf. In seinen Resten außerhalb des Vertriebes von Werken der Tonkunst und Literatur (deutsches Verlagsgesetz 1901) wird er vielfach als Heimarbeit bezeichnet. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 97, 134, 175, 184; Furger, F., Zum Verlagssystem, 1927; Festschrift zum zweihundertjährigen Bestehen des Verlages C. H. Beck, 1963; Marwinski, K., Von der Hofbuchdruckerei zum Verlag Böhlau, 1974; Scherner, K., Handwerker und Verleger, in: Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982, 7; Verlag C. H. Beck, 1988; Juristen im Portrait, 1988; Holbach, R., Frühformen von Verlag und Großbetrieb, 1994; Breil, M., Die Augsburger Allgemeine Zeitung, 1996 Verlagsrecht ist objektiv die Gesamtheit der den -> Verlag betreffenden Rechtssätze und subjektiv das dem Verleger vom Verlaggeber eingeräumte Nutzungsrecht. Seinen Aus- gangspunkt nimmt das V. auf dem Gebiet der Tonkunst und Literatur in den als Folge des 817 Buchdrucks am Ende des Mittelalters zunächst in Italien aufkommenden Druckerprivilegien gegen Nachdruck. Nach einem englischen Gesetz des Jahres 1709 entwickelt sich die Lehre vom -> geistigen Eigentum, das aber zeitlich beschränkt wird. Im preußischen -> Allgemeinen Landrecht (1794) und in weiteren Einzelstaatsgesetzen (Preußen 1837) des Deutschen Bundes wird das V. gesetzlich geregelt. Dem folgt auf der Grundlage der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (1886) 1901 das deutsche Verlagsgesetz. Lit.: Waechter, O., Das Verlagsrecht, 1857f.; Ortloff, H., Das Autor- und Verlagsrecht, Jh. Jb. f. d. Dogmatik 5 (1861), 263; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Hubmann, H./Rehbinder, M., Urheber- und Verlagsrecht, 8. A. 1995; Wadle, E., Neuere Forschungen zur Geschichte des Urheber- und Verlagsrechts, ZNR 1990, 51; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, hg. v. Beier, F. u. a., Bd. 1 1991 Verlassungsbuch ist ein mittelalterliches -> Grundbuch. Lit.: Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Gesch.bll. N.F. 26 (1971), 1 Verletzung -> Körperverletzung Verleumdung ist die wider besseres Wissen erfolgende Behauptung oder Verbreitung einer unwahren Tatsache in Beziehung auf einen anderen, die geeignet ist, denselben verächtlich zu machen, in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden. Die V. wird am Beginn des 19. Jh.s aus der allgemeineren Beleidigung zu einem besonderen Straftatbestand verselbständigt. Zwischen V. und übler Nachrede unterscheidet 1843 ein Entwurf eines preußischen Strafgesetzbuches mit Hilfe des Merkmals ,,wider besseres Wissen". Lit.: Hirsch, J., Ehre und Beleidigung, 1967; Srensen, P., The unmanly man, 1983 Verliegenschaftung (F.) Veränderung einer beweglichen Sache zu einer Liegenschaft Verlöbnis ist der Vertrag, durch den sich zwei Menschen verschiedenen Geschlechts gegen- seitig versprechen, die Ehe miteinander einzugehen sowie das durch diesen Vertrag begründete Gemeinschaftsverhältnis. Das V. ist bereits dem altrömischen Recht als ein zunächst zwischen Gewalthaber der Braut und Bräutigam abgeschlossenes Rechtsgeschäft (lat. [F.] sponsio -> [N.Pl.] sponsalia) bekannt, das später von der Stipulationsform gelöst wird und seine Klagbarkeit verliert. Im spätantiken römischen Recht wird eine aus dem semitischen Brautkauf übernommene Verlöb- nisgabe (lat. arrha [F.] sponsalicia) des Bräutigams an die Braut üblich und kann das V. nur noch unter vermögensrechtlichen Nachteilen aufgelöst werden. In der Folge finden die von der Kirche entwickelten Regeln Anwendung. Hier entsteht seit dem 11. Jh. die Unterscheidung zwischen den (lat.) sponsalia (N.Pl.) de futuro (Verlöbnis) und den (lat.) sponsalia (N.Pl.) de praesenti (Eheschließung). Die darauf gegründete Klagbarkeit des Eheversprechens wird im 19. Jh. wieder beseitigt. 1875 wird in Deutschland das Eherecht verweltlicht. Im 20. Jh. verliert das V. seine rechtliche Bedeutsamkeit (Deutsche Demokratische Republik, Bundesrepublik Deutschland 1996). Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22, 58, 88; Friedberg, E., Verlobung und Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876; Lehmann, K., Verlobung und Hochzeit nach den nordgermanischen Rechten, 1882; Ciccaglione, F., Gli sponsali, 1888; Bächtold, H., Die Verlobung im Volks- und Rechtsbrauch, 1913; Wehrli, P., Verlobung und Trauung, 1933; Kristein, R., Die Entwicklung der Sponsalienlehre, 1966; Schwab, D., Zum gerichtlichen Verhältnis von Verlobung und Eheschließung, FamRZ 1968, 637; Strätz, H., Der Verlobungskuss, 1979; Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004 Verlobung s. Verlöbnis Vermächtnis ist die Verfügung von Todes wegen, durch die der Erblasser einem anderen einen einzelnen Vermögensvorteil zuwendet, ohne ihn als Erben einzusetzen. Das V. ist bereits dem altrömischen Recht in verschiedenen Formen bekannt (lat. [N.] -> legatum bzw. -> fideicommissum). Mit dem römischen Recht wird seit dem Spätmittelalter auch das V. aufgenommen. Im deutschen Bür- gerlichen Gesetzbuch (1900) ist es Damnationslegat und begründet deshalb nur einen Anspruch des Vermächtnisnehmers gegen den Erben. Lit.: Kaser §§ 76, 77; Söllner §§ 14, 17; Hübner § 111; 818 Köbler, DRG 23, 38, 60, 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Vermählung -> Eheschließung vermehrter Sachsenspiegel -> Meißener Rechtsbuch Vermittlungsausschuss ist der der Vermittlung zwischen unterschiedlichen Vorstellungen zweier Gremien dienende Ausschuss. Nach amerikanischem Vorbild kennt Deutschland seit 1949 einen V. zwischen Bundestag und Bundesrat. Vermögen ist die Gesamtheit der einer Person zustehenden Gegenstände von wirtschaftlichem Wert einschließlich von Erwerbschancen. Für das V. gilt das jeweilige Sachenrecht, Schuldrecht und Erbrecht. In das V. wird bei Bedarf vollstreckt. Die Einziehung des Vermögens kann eine Strafe sein. Das V. kann mit Vermögensteuer besteuert werden. Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 18 I 1, 58 II, 60 II, 85 II; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Laband, P., Die vermögensrechtlichen Klagen, 1869; Brauweiler, H., Der Vermögensbegriff, Diss. jur. Erlangen 1910; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Hirschberg, R., Der Vermögensbegriff im Strafrecht, 1934; Dießelhorst, M., Das Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs, 1976; Mempel, H., Die Vermögenssäkularisation, 1979; Knothe, H., Das gemeine Kindesvermögensrecht, ZRG GA 98 (1981), 255; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Schroeder, K., Deutsches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch, ZRG GA 109 (1992), 159; Hubig, S., Die historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004 Vermögensstrafe ist die auf den vollständigen oder teilweisen Verlust des Vermögens gerichtete, bereits den Römern bekannte und durch Gesetz vom 15. Juli 1992 in Deutschland eingeführte, aber durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands vom 20. 03. 2002 wegen mangelnder Bestimmtheit als verfassungswidrig beurteilte Strafe. Lit.: Schnieders, R., Die Geschichte der Vermögensstrafe in Deutschland, 2002 Vermutung ist der Satz, nach dem von dem Vorliegen eines bestimmten Umstandes auf einen bestimmten anderen Umstand geschlossen werden soll. Die V. ist (als [lat.] praesumptio [F.]) bereits dem römischen Recht bekannt. Sie wird mit diesem später aufgenommen. Lit.: Köbler, DRG 29 Vernunft ist die Fähigkeit, nachvollziehbare, verständige Entscheidungen zu treffen. Auf die V. stellt die Aufklärung der frühen Neuzeit besonders ab. Namengebend wird die V. für das hierauf gegründete Vernunftrecht. Lit.: Köbler, DRG 136, 146; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970 Vernunftrecht ist das allein durch die -> Vernunft gerechtfertigte und begründete Recht. Es ist die im 17. und 18. Jh. vorherrschende Art des Naturrechts. Das V. nimmt seinen Ausgang von spanischen Spätscholastikern (Francisco de -> Vitoria 1483/1493-1546, Fernando -> Vazquez 1512-1569), die zwecks Gewinnung einer verlässlichen Lösung für die am Beginn der Neuzeit entstehenden rechtlichen Fragen aus einem als allgemein behaupteten Naturrecht gewisse allgemeine Völkerrechtssätze ableiten. Auf dieser Grundlage entwickelt Hugo -> Grotius 1625 ein Allgemeinrecht für alle Rechtsverhältnisse, das ausschließlich aus dem naturgegebenen Streben (lat. [M.] appetitus) des Einzelnen vernünftigerweise Verträge erfüllt, verursachte Schäden ausgleicht und das Eigentum anderer achtet. Seine Grundsätze würden auch dann gelten, wenn es keinen Gott gäbe oder dieser sich um die menschlichen Angelegenheiten nicht kümmerte. Damit ist einerseits das vom Christentum auf Gott bezogene Naturrecht verweltlicht und zu einer irdischen Sozialethik erhoben sowie andererseits die göttliche Offenbarung der Theologie zurückgegeben. Die menschliche Vernunft allein - nicht die geschichtliche Erfahrung - bildet den Maßstab für das Recht. Dem folgt neben David -> Mevius etwa -> Pufendorf (1672), der in geometrischer Art für das private Recht ein Gesamtsystem von einleuchtenden Vernunftsätzen bilden will. Christian -> Wolff (1679-1754) will überhaupt durch mathematisch-demonstrative, logisch- synthetische Deduktion mit Hilfe des Syllogismus als Erkenntnissmittel aus wenigen vernunftrechtlichen Obersätzen zur Lösung jedes einzelnen Falles kommen. Allerdings werden dabei nur bereits als vernünftig anerkannte Sätze des geltenden Rechts als Naturrecht behauptet und ist die davon ausgehende Ableitung meist logisch nicht 819 einwandfrei. Unmittelbare Übernahmen von behaupteten Naturrechtssätzen in die Rechtswirklichkeit sind selten. Wenig später widerlegt Immanuel -> Kant (1724-1804) die Vorstellung eines überpositiven Rechtes ohne geschichtliche Grundlage ganz. Dennoch erfahren preußisches -> Allgemeines Landrecht (1794), -> Code civil (1804) und österreichisches -> Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (1811/2) eine bedeutsame naturrechtlich-systematische Prägung. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 139, 140, 144, 145, 159, 163, 166, 207; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932, Neudruck 1973; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte, 2. A. 1954; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius, 1968; Bärmann, J., Zur Methode des Vernunftrechts, FS zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969, 3; Carpintero- Benitez, F., Del derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Krause, D., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1979; Luig, K., Der Einfluss des Naturrechts, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts, 1980; Christian Wolff 1679- 1754, hg. v. Schneiders, W., 1983; Link, C., Hugo Grotius als Staatsdenker, 1983; Vernunftrecht und Rechtsreform, hg. v. Krause, P., 1988; Bühler, T., Die Naturrechtslehre und Christian Thomasius, 1989; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001 Verona an der Etsch wird auf angeblich keltischer Grundlage 89 v. Chr. römische (lat [F.]) colonia. Seit dem 3. Jh. ist es Sitz eines Bischofs, später Sitz Theoderichs des Großen (Dietrich von Bern) und des Langobardenkönigs Alboin. Im 12. Jh. wird es freie Kommune, die 1228 und 1276 Statuten aufzeichnet. Über Mailand (1387), Venedig (1405) und -> Österreich (1797) gelangt es 1866 zu -> Italien. Lit.: Cipolla, C., Compendio della storia politica, 1976; Westhues, P., Die Kommunalstatuten von Verona im 13. Jahrhundert, 1995 Verordnung ist die behördliche Anordnung an eine unbestimmte Zahl von Personen für eine unbestimmte Zahl von Fällen. Sie erscheint sachlich mit dem Auftreten von Herrschaft, also etwa bereits im römischen Altertum oder im Frühmittelalter (z. B. -> Kapitularien). Systematisch erfasst wird sie aber erst seit der frühen Neuzeit. Seitdem steht sie vor allem dem Gesetz gegenüber. -> Notverordnung Lit.: Köbler, DRG 227; Sammlung der churbaierischen Generalien und Landesverordnungen, 1771; Gerstlacher, C., Sammlung aller Baden-Durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Handbuch aller unter der Regierung Josefs II. ergangenen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff. 1785; Sammlung aller kaiserlich- königlichen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff. 1786/7; Jellinek, G., Gesetz und Verordnung, 1887, Neudruck 1964; Seitz, J., Die landständische Verordnung in Bayern, 1999; Höner, M., Die Diskussion um das richterliche Prüfungsrecht und das monarchische Verordnungsrecht, 2001 verpachten -> Pacht Verpfählung Lit.: Der Rechtsbrauch des Verpfählens, ZRG GA 42 (19219, 110 verpfänden (als Pfand geben) Lit.: Werminghoff, A., Die Verpfändungen der mittel- und niederrheinischen Reichsstädte, 1893; Müller, K., Der Rechtsbrauch des Verpfählens, ZRG GA 42 (1921), 110; Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in der Reichsstadt Ulm, 1960; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittealter, 1967 Verpflichtung (Schuld, Verbindlichkeit) Verpflichtungsgeschäft ist das bereits dem römischen Recht bekannte, eine -> Verpflichtung begründende Rechtsgeschäft (z. B. Kauf) im Gegensatz zu dem diese Verpflichtung tilgenden Erfüllungsgeschäft (z. B. Übereignung), das -> Verfügungsgeschäft ist. Lit.: Kaser §§ 5 I, 11, 15 I, 60 II, 62 III 2; Köbler, DRG 46 Verrat ist die unbefugte, treuwidrige Offenbarung eines Geheimnisses. Bereits bei den Germanen folgt dem Volksverrat die Tötung durch Aufhängen. Im Übrigen werden die verschiedenen Fälle von V. (Hochverrat, Landesverrat) im Einzelnen unterschiedlich verfolgt. Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937; Ritter, J., Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, 1942 Verrichtungsgehilfe ist nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein Mensch, 820 welchem von einer anderen Person, von deren Weisungen er mehr oder weniger abhängig ist, eine Tätigkeit übertragen worden ist. Der Geschäftsherr hat für vermutetes Verschulden bei Auswahl und Überwachung eines schädigenden Verrichtungsgehilfen einzuste- hen. Lit.: Köbler, DRG 216, 271; Niethammer, Entwicklung der Haftung für Gehilfenhandeln, 1973; Wicke, H., Haftung für Verrichtungsgehilfen, in: Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 165; Wicke, H., Respondeat superior, 2000; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen, 2000 Versailles ist der südwestlich von Paris gelegene, 1037 erstmals bezeugte und 1561 mit Marktrecht begabte Ort, an dem Ludwig XIV. im 17. Jh. ein Schloss errichten lässt, das dem König von Frankreich als Residenz dient. Am 18. 1. 1871 wird in V. der König von Preußen zum Kaiser von Deutschland ausgerufen. Am 28. 6. 1919 wird in V. der in 15 Teile mit 440 Artikeln gegliederte, von vielen als Diktat betrachtete Friedensvertrag der alliierten Siegermächte des ersten Weltkrieges mit dem Deutschen Reich unterzeichnet. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Berber, F., Das Diktat von Versailles, 1939; Haffner, S. u. a., Der Vertrag von Versailles, 1978; Versailles 1919, hg. v. Krumeich, G., 2001 Versammlungsfreiheit ist das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die V. entwickelt sich im 19. Jh. zu einem Grundrecht. Lit.: Kroeschell, DRG 3 Versäumnisverfahren ist das bei Säumnis einer Partei betreibbare Gerichtsverfahren. Es ist bereits dem römischen Recht bekannt. In der Gegenwart wird bei Säumnis des Beklagten nach dem Vorbild des sächsischen Prozesses auf der Grundlage des Vortrags des Klägers ein Versäumnisurteil erlassen, bei Säumnis des Klägers die Klage abgewiesen. Lit.: Kaser §§ 84 II, 87; Köbler, DRG 34; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 268; Mitteis, H., Studien zur Geschichte des Versäumnisurteils, ZRG GA 42 (1921), 137; Kulessa, M., Ladungsungehorsam und prozessuale Säumnis, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Reinschmidt, T., Die Einleitung des Rechtsganges, Diss. jur. Frankfurt am Main 1968, 123; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Steinhauer, T., Versäumnisurteile in Europa, 1996 Verschollenheit ist das Fehlen von Nachrichten über das Leben oder Versterben eines Menschen, dessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist und an dessen Fortleben nach den Umständen ernstliche Zweifel bestehen. Die V. wird bereits im römischen Recht erfasst (Auflösung der Ehe, Kriegsverschollenheit [lat. ius postliminii]). Im 18. Jh. wird für die V. das Verfahren der -> Todeserklärung eingerichtet. Dieses ist in der deutschen Gegenwart im besonderen Ver- schollenheitsgesetz (15. 1. 1951) geregelt. Am 6. 4. 1950 wird die Konvention der Vereinten Nationen über die Todeserklärung Verschollener vereinbart. Lit.: Kaser § 58 VII 1a; Köbler, DRG 120, 160, 206, 237, 266; Schmidt, R., Die Verschollenheit, 1938; Arnold, E., Verschollenheit, 1951; Strebel, H., Die Verschollenheit als Rechtsproblem, 1954; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 199 Verschulden ist das objektiv pflichtwidrige und subjektiv vorwerfbare Verhalten (str.) eines schuldfähigen Menschen. Das V. ist bereits im römischen Recht ein bedeutsames Merkmal für Strafe und Schadensersatz (lat. [F.] culpa, [M.] dolus). Für das ältere deutsche Recht wird überwiegend von einer -> Erfolgshaftung ausgegangen, ohne dass ausgeschlossen werden kann, dass nicht doch auch Verschuldensgesichtspunkte selbstver- ständlich mitberücksichtigt werden. Im 19. Jh. setzt sich das dem Liberalismus entgegenkommende Verschuldensprinzip durch (Egid von Löhr 1806/8, Hasse 1815, Ihering 1867), doch wird gleichzeitig eine Schadensersatzpflicht aus -> Gefährdungs- haftung (Preußen 1838 für Eisenbahnen usw.) geschaffen. In der Folge wird im Strafrecht das V. subjektiv, im Privatrecht objektiv bestimmt. Lit.: Kaser; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 128, 209, 214, 216; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2 (1969), 187; Benöhr, H., Die Entscheidung für das Verschuldensprinzip, TRG 46 (1978), 1 Verschwägerung (F.) verwandtschaftsähnliche Verbindung durch Heirat (ein Mensch ist mit den Verwandten seines Ehegatten verschwägert, nicht verwandt) 821 Lit.: Gernhuber, J., Die Schwägerschaft als Quelle gesetzlicher Unterhaltspflichten, FamRZ 1955, 193 Verschweigung ist die Unterlassung der Geltendmachung eines Rechts, die seit dem Mittelalter meist nach -> Jahr und Tag zum Verlust des Rechts führt. In der Neuzeit wird die V. vor allem von der -> Verjährung und der -> Ersitzung verdrängt. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125, 163; Immerwahr, W., Die Verschweigung, 1895; Schulte, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Köln 1966; Schmachtenberg, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971 Verschwender (lat. [M.] prodigus) ist, wer länger unnütze und übermäßige Ausgaben tätigt. Der V. erhält schon nach altrömischem Recht einen treuhänderisch handelnden Pfleger (lat. [M.] curator). Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. Der V. kann entmündigt werden, ohne dass dies rechtstatsächlich häufig erfolgt. Seit 1. 1. 1992 steht in Deutschland an der Stelle der -> Entmündigung die -> Betreuung. Lit.: Kaser §§ 14 V, 64; Hübner; Köbler, DRG 22; Schwarz, A., Die Entmündigung des Verschwenders, 1891; Trompetter, J., Die Entmündigung wegen Verschwendungssucht, 1996 Versenken im Moor ist die Art der Tötung, die nach Tacitus bei den Germanen der Unzucht folgt. -> Moorleiche Lit.: Köbler, DRG 71; Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922 Versicherung ist die Schaffung von Sicherheit durch ein Verhalten, insbesondere der Erwerb eines Anspruchs auf eine Schadensaus- gleichsleistung durch regelmäßige Vorleistungen. Die V. entsteht vielleicht bereits im Frühmittelalter, spätestens im Hochmittel- alter auf der Grundlage der Gegenseitigkeit der Schadenshilfe (Diebstahl, Brand, Be- erdigungskosten, Lösegeldzahlung, Schiffs- verlust [Italien 14. Jh.]). Sie gewinnt seit der frühen Neuzeit an Bedeutung. Seit dem 17. Jh. wird die -> Lebensversicherung möglich. Neben die genossenschaftliche Gegenseitigkeit tritt dabei bald die unternehmerische Versicherungsaktiengesellschaft. Der absolute Staat führt zwecks allgemeiner Wohlfahrt die Zwangsversicherung (Preußen 1718 Brand- versicherung) ein. 1908 wird im Deutschen Reich ein Versicherungsvertragsgesetz für die zunehmenden Versicherungen geschaffen, über die der Staat die Aufsicht führt (Preußen 1781). Neben der Privatversicherung steht die 1881/1884 aufgegriffene -> Sozialver- sicherung. Lit.: Köbler, DRG 128, 167, 184, 216, 243; Bensa, E., Il contratto di assicurazione, 1884; Helmer, G., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, Bd. 1f. 1925/6; Ebel, W., Die Hamburger Feuerkontrakte, 1936; Schmitt-Lermann, Hans, Der Versicherungsgedanke im deutschen Geistesleben des Barock und der Aufklärung, 1954; Raynes, H., A History of British Insurance, 2. A. 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,848; Koch, P., Epochen der Versicherungsgeschichte, 1967; Schöpfer, G., Sozialer Schutz im 16.-18. Jahrhundert, 1976; Koch, P., Bilder zur Versicherungsgeschichte, 1978; Peters, H., Die Geschichte der sozialen Versicherung, 3. A. 1978; Ebel, F., Die Anfänge der rechtswissenschaftlichen Behandlung, Z. f. d. ges. VersWiss 34 (1980), 7; Nehlsen-von Stryk, K., Die venezianische Seeversicherung, 1986; Duvinage, A., Die Vorgeschichte und die Entstehung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag, 1987; Dreyer, T., Die Assecuranz- und Haverey-Ordnung, 1990; Hofmann, E., Privatversicherungsrecht, 3. A. 1991; Neugebauer, R., Versicherungsrecht vor dem Versicherungsvertrags- gesetz, 1990; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Ebel, W., Quellennachweis und Bibliographie zur Geschichte des Versicherungsrechts, hg. v. Ebel, F., 1993; Koch, P., Die Behandlung des Versicherungsvertrages im preußischen Allgemeinen Landrecht, Versicherungsrecht 1994, 629; Wandel, E., Banken und Versicherungen, 1997; Koch, P., Geschichte der Versicherungswissenschaft, 1998; Van Niekerk, J., The Development of the Principles of Insurance Law in the Netherlands, 1998; Schewe, D., Geschichte der sozialen und privaten Versicherung im Mittelalter in den Gilden, 2000; Feldman, G., Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft, 2001 Versicherung an Eides Statt Lit.: Lex, P., Die Versicherung an Eides Statt, Diss. jur. Zürich 1967 versio (F.) in rem (lat.) Verwendung auf eine Sache Lit.: Kaser §§ 11 II, 49 II Versionsklage (lat. actio [F.] de in rem verso) ist im römischen Recht die Klage auf das zu 822 einer Bereicherung des Vermögens des Geschäftsherrn seitens des Sklaven Verwendete, die Justinian (527-565) auf eine Haftung des Geschäftsherrn aus dem Handeln Gewaltfreier erweitert. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) geht die V. in den Bereicherungsansprüchen auf. Lit.: Kaser § 49 II 1b; Kupisch, B., Die Versionsklage, 1965 Versitzung ist der Rechtsverlust des bisherigen Berechtigten beim Rechtserwerb durch -> Ersitzung. Versorgungsausgleich ist der Ausgleich der Ansprüche auf sozialversicherungsrechtliche Versorgung außerhalb eines aktiven Dienst- verhältnisses zwischen zwei Ehegatten im Falle der Ehescheidung. Der V. wird in Deutschland 1976 eingeführt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 267; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 169 Versprechen Lit.: Die Ordnung des Versprechens, hg. v. Schneider, M., 2005 Verstaatlichung ist die Überführung von Privateigentum in Eigentum des Staates. Sie ist im Rechtsstaat als -> Enteignung nur gegen Entschädigung zulässig. Versteigerung ist der öffentliche Verkauf eines Gegenstands an den Meistbietenden. Die V. ist bereits dem römischen Prozessrecht bekannt. Sie wird in den mittelalterlichen Städten erneut aufgegriffen. Sie kann privatrechtlich oder öffentlichrechtlich durchgeführt werden. Besonders bedeutsam ist sie in der -> Zwangsvollstreckung (-> Zwangsversteige- rung). Lit.: Kaser § 85 II 2b; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Dunkel, H., Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, 1970; Mannheims, H./Oberem, P., Versteigerung, 2003 Verstümmelung ist die Entfernung oder Unbrauchbarmachung eines Teiles des menschlichen Körpers durch unmittelbare mechanische Einwirkung (z. B. Abhacken der Hand, Ausreißen der Zunge, Blenden, Brandmarken, Kastrieren, Lähmen). Die V. wird als Strafe bereits im römischen Altertum verwendet. Mit der peinlichen Strafe tritt sie im Mittelalter hervor. Von der Aufklärung der Neuzeit wird sie bekämpft und schließlich beseitigt. Als -> Maßnahme der Sicherung und Besserung wird aber die Kastration im -> Dritten Reich wieder durchgeführt. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Browe, P., Zur Geschichte der Entmannung, 1936; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Versuch ist im Strafrecht die Betätigung des Entschlusses zur Begehung einer Straftat durch Handlungen, die zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes unmittelbar ansetzen, aber nicht zur Vollendung führen. Der V. ist so alt wie die Straftat. Er wird anfangs aber nur als verselbständigte Tat bestimmter Fälle erfasst (z. B. Messerziehen). In Italien befassen sich aber bereits die Glosatoren verstärkt auch mit den die Anfänge einer Straftat betreffenden Textstellen. In der frühen Neuzeit wird er als solcher gesehen (Constitutio Criminalis Bambergensis 1507) und einschließlich des -> Rücktritts als allgemeine Figur in den allgemeinen Teil des Strafrechts aufgenommen. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 91, 119, 158, 204; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Hemmer, R., Warum war der Verbrechensversuch nach altgermanischem Recht straflos? 1963 (9 S.); Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973, 157; Sellner, D., Der Durchbruch der Lehre vom Verbrechensversuch, 1961; Hellbling, E., Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241; Kracht, H., Die Entwicklung des strafrechtlichen Versuchsbegriffs, Diss. jur. Würzburg 1978; Glöckner, H., Cogitationis poenam non patitur (D. 48. 19. 18). Zu den Anfängen einer Versuchslehre in der Jurisprudenz der Glossatoren, 1989, 1989; Müller, M., Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom Versuch, 1995 Verteidiger ist der Beistand des Beschuldigten im Strafverfahren. Er ist bereits dem römischen Recht bekannt, gewinnt aber insbesondere erst als Folge des neuzeitlichen Inquisitionsverfahrens im Rechtsstaat des 19. Jh.s an Gewicht. -> Strafverteidiger Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 34, 203, 264; Henschel, Die Strafverteidigung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Armbrüster, K., Die Entwicklung der Verteidigung in Strafsachen, 1980; Hettinger, M., Das 823 Fragerecht der Verteidigung, 1985; Klein, H., Der Strafverteidiger, 1996; Falk, U., Zur Geschichte der Strafverteidigung, ZRG GA 117 (2000), 395 Vertrag ist das grundsätzlich durch zwei einander wechselseitig entsprechende Willens- erklärungen zustandekommende, zweiseitige -> Rechtsgeschäft. Der V. erscheint mit den Anfängen des Rechts (Tausch, Schenkung, Ehe). Die römische Rechtswissenschaft unter- scheidet mehrere verschiedene Arten (-> Realkontrakt, -> Verbalkontrakt, -> Litteral- kontrakt, -> Konsensualkontrakt). In der hochmittelalterlichen Kirche entwickelt sich entgegen dem römischrechtlichen Ausgangs- punkt (lat. ex nudo pacto actio non oritur, aus einem bloßen Vertrag entsteht kein Klaganspruch) die Vorstellung von der Verbindlichkeit jeglichen Vertrages. Vielleicht geht der Durchbruch der Vorstellung von der Klagbarkeit aller Verträge auch im weltlichen Recht auf Matthaeus Wesenbeck (Antwerpen 1531-Wittenberg 1586) zurück (1582). Als allgemeine Grundfigur wird der V. in der frühen Neuzeit (16.-18. Jh.) erfasst. Die einzelnen Vertragsarten werden unter Aufgabe geschichtlich bedingter Einzelheiten im Wesentlichen aus dem römischen Recht übernommen. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der V. im allgemeinen Teil geregelt. Die Regeln über den privatrechtlichen V. gelten im Wesentlichen auch für den V. zwischen Völkerrechts- subjekten sowie für den öffentlichrechtlichen V. -> Gesellschaftsvertrag Lit.: Kaser §§ 5 II, 8 I, II; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 42, 125, 127, 140, 164, 181, 208, 249, 259; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 901; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855; Karsten, C., Die Lehre vom Vertrag, 1882; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Charmatz, H., Zur Geschichte und Konstruktion der Vertragstypen, 1937; Mitteis, H., Politische Verträge im Mittelalter, ZRG GA 67 (1950), 76; Trusen, W., Wiener Vertragslehren des 14. Jahrhunderts, Diss. jur. Mainz 1957; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 182; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Politische Verträge des frühen Mittelalters, hg. v. Classen, P., 1966; Stoljar, A History of Contract, 1975; Kiefner, H., Der abstrakte obligatorische Vertrag, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 74; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Nanz, K., Die Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs, 1985; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59 (1973), 117; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Towards a general law of contract, ed. by Barton, J., 1990; Gordley, J., The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine, 1991; Bühler, D., Die Entstehung der allgemeinen Vertragsschluss- Vorschriften, 1991; Lambrecht, P., Die Lehre vom faktischen Vertragsverhältnis, 1994; Deyerling, A., Die Vertragslehre, 1996; Oechsler, J., Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997; Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im deutschen und italienischen Recht, 2002; Ikadatsu, Y., Der Paradigmawechsel der Privatrechtstheorie und die Rekonstruktion der Vertragstheorie, 2002 Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte ist der von der deutschen Rechtsprechung im späten 20. Jh. (um 1960) entwickelter Vertrag, der bestimmte schützenswerte Dritte in den Schutz eines von anderen abgeschlossenen Vertrages einbezieht, um den unzureichenden Schutz des Deliktrechts auszugleichen (seit 2002 in Deutschland § 311 III BGB). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 270 Vertrag zugunsten Dritter ist der einen Dritten begünstigende Vertrag (z. B. Lebensversicherung zugunsten der Hinter- bliebenen). Er wird nach älteren vernunftrecht- lichen Ansätzen in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s ausgebildet. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist er knapp geregelt. Lit.: Kaser §§ 34 I 2e, 53 I 3; Söllner §§ 18, 23; Hübner 548; Köbler, DRG 165, 208, 214; Busch, F., Doktrin und Praxis über die Gültigkeit von Verträgen zugunsten Dritter, 1860; Tartufari, L., Dei contratti a favore di terzi, 1889; Wesenberg, G., Verträge zugunsten Dritter, 1949; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Vertragsaufhebung ist die überall und jederzeit mögliche Beseitigung eines Vertrags durch einen zweiten Vertrag der Beteiligten. Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus, 1968 Vertragsfreiheit (Privatautonomie) ist die Freiheit in Abschluss, Form und Inhalt eines Vertrages. Sie ist als Grundsatz am Beginn des Rechts vorauszusetzen, wird aber geschichtlich 824 verschiedentlich eingeschränkt (z. B. durch Typenzwang, Höchstpreise, Zwangswirtschaft usw.). In der Kirche wird schon im Hochmittelalter die Verbindlichkeit aller Versprechen gefordert. Der Liberalismus des 19. Jh.s setzt sich erfolgreich für die V. ein. Der Sozialismus schränkt andererseits aus gesellschaftspolitischen Überlegungen die V. verschiedentlich ein. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 214, 240; Scherrer, W., Die geschichtliche Entwicklung des Prinzips der Vertragsfreiheit, 1948; Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung, 1962; Wolter, U., Ius canonicum in iure civile, 1975; Atiyah, P., The Rise and Fall of Freedom of Contract, 1979; Höfling, W., Vertragsfreiheit, 1991 Vertragsrecht ist die Gesamtheit der einen -> Vertrag betreffenden Rechtssätze. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59 (1973), 117; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Vertragsrecht, 5. A. 1995 Vertragsstrafe (lat. [F.] poena) ist die meist in Geld bestehende Leistung, die der Schuldner für den Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung einer Verbindlichkeit verspricht. Die V. ist bereits dem römischen Recht als eine Art der -> Stipulation bekannt. Im Frühmittelalter sichert sie die Erfüllung. Seit dem Spätmittelalter wird die V., gefördert von der Kirche, aus dem römischen Recht aufgenommen und allgemein anerkannt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) nimmt sie unter Wahrung der vom Naturrecht begünstigten richterlichen Ermäßigungsmög- lichkeit auf. Lit.: Kaser §§ 40 I 4b, 58 III 2; Hübner 552; Kroeschell, DRG 2; Loening, R., Der Vertragsbruch, 1876; Sjögren, W., Über die römische Konventionalstrafe und die Strafklauseln der fränkischen Urkunden, 1896; Boye, F., Über die Poenformeln, AUF 6 (1918), 77; Flineaux, A., L'evolution du concept du clause pénale, in: Mélanges Fournier, 1929; Lang, H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Knütel, R., Stipulatio poenae, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Sossna, R., Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, 1993 Vertragsverletzung -> Leistungsstörung, positive Forderungsverletzung Lit.: Harting, F., Die positive Vertragsverletzung, Diss. jur. Hamburg 1967 Vertrauenshaftung ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s geforderte Haftung für die Verletzung eines Vertrauens. -> Treu und Glauben Lit.: Canaris, C., Die Vertrauenshaftung, 1971; Vertrauen, hg. v. Frebert, U., 2003 Vertreibung ist die durch Gewalt oder Drohung erreichte Entfernung von Menschen von einem von ihnen besessenen Ort (z. B. Entdeutschung). Sie ist völkerrechtswidrig. Unrecht kann durch zuvor begangenes Unrecht nicht zu Recht werden. Lit.: Dokumente der Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa, hg. v. Bundesministerium für Vertriebene, Bd. 1ff. 1958ff.; Wenninger, M., Man bedarf keiner Juden mehr, 1980; Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, hg. v. Benz, W., 1985; Nawratil, H., Schwarzbuch der Vertreibung, 4. A. 1999; Unsere Heimat ist uns fremd geworden, hg. v. Borodziej, W. u. a., Bd. 1ff. 2000ff.; Vertriebene in Deutschland, hg. v. Hoffmann, D. u. a., 2000; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Brandes, D. Der Weg zur Vertreibung 1938-1945, 2001; Nitschke, B., Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949, 2003; Glotz, P., Die Vertreibung, 2003; Vertreibung europäisch erinnern, hg. v. Bingen, D. u. a., 2003; Urban, T., Der Verlust, 2004; Stickler, M., Ostdeutsch heißt gesamtdeutsch, 2004 vertretbar (wegen der Bestimmung nach Zahl, Maß oder Gewicht ersetzbar, annehmbar) Lit.: Köbler, DRG 39; Rüfner, T., Vertretbare Sachen?, 1999 Vertretung -> Stellvertretung Lit.: Köbler, DRG 43, 44, 87, 116, 165, 208, 214; Gottwald, F., Die Vertretung des kleinen nichtadeligen Grundbesitzes, Diss. jur. Greifswald 1915; Henze, G., Das Handeln für andere vor Gericht im lübischen Recht, Diss. jur. Göttingen 1959; Ständische Vertretungen in Europa, hg. v. Gerhard, D., 1969; Müller, U., Die ständische Vertretung, 1984; Kunstreich, T., Gesamtvertretung, 1992 Verwahrung (lat. [N.] depositum) ist der entweder gegenseitige oder unvollkommen 825 zweiseitig verpflichtender Vertrag, durch den sich der Verwahrer verpflichtet, eine ihm von dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache aufzubewahren. Die V. ist dem römischen Recht als zunächst unentgeltlicher -> Realvertrag bekannt. Auch im Mittelalter findet sie sich vielfach. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 45; Massetto, G., Ricerche sul deposito, SDHI 44 (1978), 219; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Verwaltung ist die auf längere Dauer gerichtete Besorgung einer Angelegenheit, insbesondere die Ausführung staatlicher Aufgaben. V. gibt es bereits im altrömischen Recht. Sie nimmt mit der Ausdehnung des römischen Reiches trotz Bevorzugung aristokratischer Herrschaftstechnik gegenüber bürokratischen Apparaten stetig an Umfang zu. Seit dem Übergang zum Prinzipat entwickelt sie bürokratische und von Zwangsmaßnahmen gekennzeichnete Formen. Demgegenüber be- trifft die V. bei den Germanen nur wenige allgemeine Bereiche. Im Frühmittelalter erscheinen neben dem König, der seine Rechte im Reich im Umherziehen verwaltet (Reisekönigtum), die Träger von Hofämtern (Truchsess, Kämmerer, Marschall, Schenk, Kanzler) und die Grafen. Eine Verdichtung findet erst seit dem Hochmittelalter in den Ländern und Städten statt. Am Beginn der Neuzeit wird die V. in besonderen Ordnungen geregelt und rationaler gestaltet (z. B. maximilianische Verwaltungsreformen). Der Absolutismus beruht dann bereits auch auf einer vom Polizeigedanken geprägten viel- gliederigen Verwaltungsorganisation mit zahlreichen Beamten, die mehr und mehr auf den Staat statt auf die Person des Fürsten ausgerichtet wird. Der Liberalismus des 19. Jh.s will zwar die V. auf die Herstellung von Sicherheit und Ordnung beschränken, Eingriffe der V. (Eingriffsverwaltung) in die Freiheit des Einzelnen nur bei einer gesetzlichen Grundlage zulassen und eher -> Selbstverwaltung fördern, doch fordert die Gesamtheit der Staatsbürger umfangreiche Leistungen der Allgemeinheit (-> Leistungsverwaltung z. B. Versorgung, Ent- sorgung, Verkehr, Bildung, soziale Sicherung). Aus diesem Grund werden immer mehr hierarchisch-bürokratisch strukturierte Behör- den geschaffen. In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s setzt sich die Vorstellung von der Überprüfung des Verwaltungshandelns durch ein Gericht (-> Verwaltungsgericht) in Deutschland durch. Der Umfang der V. und damit auch ihre Kosten wachsen unvermindert weiter. Lit.: Kaser § 62 II 3; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55, 20, 83, 112, 150, 196, 225, 232, 251, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Marquardt, J., Römische Staatsverwaltung, Bd. 1ff. 2./3. A. 1884ff., Neudruck 1952; Below, G., Die städtische Verwaltung des Mittelalters, HZ 75 (1895), 396; Beidtel, J., Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung, Bd. 1f. 1898; Cam, H., Local government in Francia and England, 1912; Köttgen, A., Deutsche Verwaltung, 3. A. 1944; Forsthoff, E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Samse, H., Die Zentralverwaltung in den südwelfischen Landen, 1940; Hausherr, H., Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, 1953; Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1970; Damkowski, W., Die Entstehung des Verwaltungsbegriffs, 1969; Der deutsche Terrritorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. Patze, W., Bd. 1f. 1970f.; Janssen, W., Landesherrliche Verwaltung und landständische Vertretung in den niederrheinischen Territorien 1250-1350, 1971; Engelhaupt, H., Die Einführung hessen-darmstädtischer Verwaltung im nördlichen Teil des Departements Donnersberg, 1971; Schwab, D., Die Selbstverwaltungsidee des Freiherrn vom Stein, 1971; Entwicklungsfragen der Verwaltung in Mitteleuropa, 1972; Verwaltungshistorische Studien, Bd. 1f. 1972; Grundriss der deutschen Verwaltungsgeschichte, hg. v. Hubatsch, W., Bd. 1ff. 1975ff.; Anderhub, A., Verwaltung im Regierungsbezirk Wiesbaden 1866-1885, 1977; Entwicklung der städtischen und regionalen Verwaltung in den letzten 100 Jahren in Mittel- und Osteuropa, hg. v. d. Eötvös Lórand- Univeristät Budapest, 1978; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Histoire comparée de l'administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Asch, R., Verwaltung und 826 Beamtentum, 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff. 1988ff.; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Die Verwaltung und ihre Ressourcen,( red. v. Dilcher, G.), 1991; Schulz, A., Herrschaft durch Verwaltung, 1991; Verfassung und Verwaltung. Festschrift für Kurt G. A. Jeserich zum 90. Geburtstag, 1994; Bürsch, M., Die Modernisierung der deutschen Landesverwaltungen, 1996; Willoweit, D., Begriff und Wege verwaltungsgeschichtlicher Forschung, Zs f. bay. LG. 61 (1998), 7; Ausbüttel, F., Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches, 1998; Die öffentliche Verwaltung im totalitären System, hg. v. Heyen, E., 1998; Die deutsche Verwaltung unter 50 Jahren Grundgesetz, hg. v. König, K. u. a., 2000; Raphael, L., Recht und Ordnung. Herrschaft durch Verwaltung, 2000; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Verwaltungslehre in Hamburg 1962-2002, hg. v. Bull, H., 2003; Grau, U., Historische Entwicklung und Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge, 2004; Ernst, A., Die Einführung des napoleonischen Steuer- und Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004 Verwaltungsakt ist die formlos mögliche Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (z. B. Bauerlaubnis, Steuerbescheid). Der urteilsähnliche V. entsteht mit der -> Verwaltung. Das Wort V. tritt anscheinend erstmals 1821 bei dem bayerischen Regierungsrat Anton Kurz auf. Als allgemeine Erscheinung wird der V. nach älteren Vorarbeiten 1895 von Otto -> Mayer nach französischem Vorbild (acte administratif) erfasst. Gesetzlich geregelt wird er in Verwaltungsverfahrensgesetzen (Österreich 1925, Deutschland 1976) Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199, 259; Schmitthenner, F., Grundlinien des allgemeinen oder idealen Staatsrechts, 1845; Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862; Loening, E., Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts, 1884; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, 1895/1896; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Erichsen, H., Verfassungs- und verwaltungs- geschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt, 1971; Hueber, A., Otto Mayer, 1981; Schmidt de Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, 1998; Engert, M., Die historische Ntwicklung des Rechtsinstituts Verwaltungsakt, 2002; Lieb, T., Privileg und Verwaltungsakt, 2004 Verwaltungsgemeinschaft ist der Güterstand des Ehegüterrechts, bei dem ein Ehegatte (Ehemann) die Güter der Ehegatten gemeinschaftlich verwaltet. Die V. findet sich bereits sehr früh. Sie entfällt mit der Gleichstellung der Frau in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s. Lit.: Hübner 669ff.; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts, Bd. 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Offen, J., Von der Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994 Verwaltungsgericht ist das verwaltungs- rechtliche Streitigkeiten entscheidende Gericht. Bereits im 18. Jh. kann sich der Untertan mit dem Verlangen nach Rechtsschutz gegenüber dem landesherrn an ein Gericht wenden, wenn er sich auf ein wohlerworbenes Recht oder ein Privileg berufen kann. In der ersten Hälfte des 19. Jh.s wird die gerichtliche Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns zu einer politischen Forderung, weil die Verwaltungstätigkeit während der gesamten frühen Neuzeit zunimmt und der Rechtsstaatsgedanke die gerichtliche Überprüfbarkeit allen Handelns nahelegt. Die von manchen angestrebte verwaltungsinterne Überprüfung wird bereits in der Entwurf gebliebenen Verfassung des Deutschen Reichs von 1849 als unzureichend abgelehnt. Im Streit um eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (Otto -> Bähr 1864) oder die Einrichtung besonderer Verwaltungsgerichte (Rudolf von -> Gneist 1857, 1872) setzt sich die zweite Ansicht durch. Dementsprechend entsteht das besondere V. (Baden 1863, Preußen 1872, Hessen 1874, Württemberg 1876, Bayern 1878, Sachsen 1900). Die dabei eintretende Zersplitterung wird erst durch die deutsche Verwaltungsgerichtsordnung (21. 1. 1960) beseitigt, die an die Spitze der Verwaltungsgerichtsbarkeit das 1952 geschaffene Bundesverwaltungsgericht stellt. Österreich kennt keine unabhängigen Verwaltungsgerichte, sondern nur (seit 1875) einen einzigen Verwaltungsgerichtshof. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 200, 234, 261; Bähr, O., Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R. v., Der Rechtsstaat, 1872, Neudruck 1968; Poppitz, J., Die 827 Anfänge der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Archiv f. öff. Recht N.F. 33 (1943), 158; Eyermann, E., Verwaltungsgerichtsgesetz für Bayern, 1950; Sellmann, M., Entwicklung und Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Oldenburg, 1957; Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Neunzig Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, hg. v. Verwaltungsgerichtshof, 1966; Die Entwicklung der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, hg. v. Lehne, F. u. a., 1976; Stump, U., Preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1980; Stolleis, M., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Nationalsozialismus, FS C. Menger, 1985, 57; Kimminich, O., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Weimarer Republik, Vwbll. f. Baden-Württemberg, 1988, 10; Ule, C., Zu den Anfängen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Verwaltungs- archiv 1989, 303; Kohl, W., Das Reichsverwaltungs- gericht, 1991; Das sächsische Oberverwaltungsgericht, 1994; Hudenmann-Simon, C., L'tat et la santé, 1995; Liessem, P., Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996; Bauer, I., Von der Administrativjustiz bis zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996; 50 Jahre bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach, 1996; Heil, T., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; 50 Jahre schleswig-holsteinisches Verwaltungsgericht, 1996; Emmert, R., Die Entwicklung der Verwaltungs- gerichtsbarkeit in Bayern, Bay. VwBll. 1997, 8; Verwaltungsgericht Karlsruhe, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen des Rechts, hg. v. Polaschek, M. u. a., 1997; Mandahbileg, B., Rechtsschutz durch richterliche Reichsbehörden, Diss. jur. Heidelberg 1998; Dorfverwaltungsgerichtsbarkeit im Wandel, hg. v. Thiemel, R., 1999; Olechowski, T., Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, 1999; Sydow, G., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000; Nowatius, N., Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen, Diss. jur. Bonn 2000; Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000; Montag, M., Die Entwiclung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden und Württemberg von 1945 bis 1960, 2001; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechts- schutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003 Verwaltungsrecht ist die Gesamtheit der die öffentliche Verwaltung betreffenden Rechtssätze. V. entsteht in ersten Ansätzen wohl bereits mit der Ausbildung von -> Verwaltung. Als Einheit innerhalb der älteren Polizeiwissenschaft erfasst wird es erst in der Mitte des 19. Jh.s. Eine gesetzliche Festlegung des Verwaltungsverfahrens erfolgt im 20. Jh. (Österreich 1925, Deutschland 1976). Kernstück des Verwaltungshandelns ist der -> Verwaltungsakt. Zu gliedern ist das V. in einen allgemeinen Teil und zahlreiche besondere Gebiete (Beamtenrecht, Gemeinderecht, Baurecht, Polizeirecht, Gewerberecht, Gesund- heitsrecht, Schulrecht, Straßenrecht, Steuer- recht, Sozialrecht usw.). Lit.: Köbler, DRG 8, 199; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1831; Mohl, R. v., Polizeiwissenschaft, 1832/1833; Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852; Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862; Bornhak, C., Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts, Bd. 1ff. 1884ff.; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, 1895/6; Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich, 1897ff.; Linder, O., Die Entstehung der Verwaltungsrechtspflege des geheimen Rats in Württemberg, 1940; Bülck, Zur Dogmengeschichte des europäischen Verwaltungsrechts, FS Hermann Krause, 1964, 29; Magerl, H., Verwaltungsrechtsschutz in Württemberg in der Zeit von 1760-1950, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Feist, H., Die Entstehung des Verwaltungsrechts als Rechtsdisziplin, 1968; Heyen, E., Otto Mayer, 1981; Hueber, A., Otto Mayer, 1982; Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft in Europa, hg. v. Heyen, E., 1982; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1f. 1988; Schwarz, J., Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1f. 1988; Ishikawa, T., Friedrich Franz von Mayer, 1992; Lepsius, O., Verwaltungsrecht unter dem Common Law, 1997; Mannori, L./Sordi, B., Storia del diritto administrativo, 2001; Weidenfeld, K., Les origines médiévales du contentieux administratif, 2002; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungs- rechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003 Verwaltungsreform ist die bewusste Umgestaltung einer bestehenden -> Verwaltung, wie sie sich bereits im römischen Altertum und dann spätestens wieder seit Beginn der Neuzeit findet (u. a. Maximilian 1497). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ohnsorge, W., Die Verwaltungsreform, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen, 1970 Verwaltungsverfahren ist die nach außen 828 wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Das V. wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s von der Rechtswissenschaft erfasst und in Österreich 1925 (in Kraft 1926) infolge internationalen Drucks zwecks Verwaltungsvereinfachung als Voraussetzung einer Völkerbundanleihe sowie in (Thüringen 1926 Landesverwaltungs- ordnung, Württemberg 1931 Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung, Bremen 1943 Verwaltungsgesetz und allgemein in) Deutschland 1976 gesetzlich geordnet. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 259; Baltl/Kocher; Pakeruut, W., Die Entwicklung der Dogmatik des verwaltungsrechtlichen Vertrags, 2000 Verwandter ist der Mensch, der zu einem anderen Menschen oder zu einem gemeinsamen dritten Menschen in einem Abstammungs- verhältnis steht (z. B. Vater, Sohn, Tante, Nichte). Die Verwandtschaft ist vom Beginn des Rechts an von Bedeutung. Die väterliche Gewalt erfasst grundsätzlich nur Verwandte. Das -> Erbrecht ist zunächst Verwandten- erbrecht. Darüber hinaus kann sich ein Verhältnis als Verwandter auch anderweitig auswirken (z. B. Ehehindernis, Zeugnisver- weigerungsrecht, Blutschande). Künstliche Verwandtschaft kann beispielsweise durch -> Adoption hergestellt werden. Unterschieden werden kann innerhalb der Verwandten zwischen -> Agnaten und -> Kognaten. Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 61 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 89, 162, 210, 267; Stutz, U., Das Verwandschaftsbild des Sachsenspiegels, 1890; Heymann, E., Die Grundzüge des gesetzlichen Verwandtenerbrechts, 1896; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im germanischen Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Murray, A., Germanic Kinship Structure, 1983; Althoff, G., Verwandte, Freunde, Getreue, 1990; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 176; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Peters, U., Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Leurs, E., Die Rechtsstellung der Großeltern gegenüber den Enkelkindern, 2003 Verwendung ist die bereits dem römischen Recht bekannte Vermögensaufwendung, die einen Erstattungsanspruch begründen kann. Lit.: Kaser § 49 II 1b; Köbler, DRG 61; Verse, D., Verwendungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, 1999; Greiner, D., Die Haftung auf Verwendungsersatz, 2000 Verwertung Lit.: Schulze, E., Geschätzte und geschützte Noten. Zur Geschichte der Verwertungsgesellschaften, 1995 Verwirkung ist der im 20. Jh. (1905) neben der Verjährung anerkannte, aus Treu und Glauben folgende Verlust eines Rechtes infolge unterlassener oder verspäteter Geltendma- chung. Lit.: Köbler, DRG 240; Siebert, W., Verwirkung und Unzulässigkeit der Rechtsausübung, 1934 Verzicht ist die rechtsgeschäftliche Aufgabe eines Rechts oder eines rechtlichen Vorteils. Der V. ist bereits dem römischen Rechts bekannt. Vermutlich unabhängig hiervon tritt er auch im Frühmittelalter auf. Auffällig sind die Verzichte auf römische Einreden in hochmittelalterlichen und spätmittelalterlichen Urkunden. Eine allgemeine Regelung ist nirgends erfolgt. Ein Sonderfall des Verzichts ist der Erbverzicht. Lit.: Kaser §§ 28 II 2, 29; Hübner 790; Cohn, L., Erlass und Verzicht, Gruchots Beiträge 47 (1903), 221; Müller, U., Das Aufkommen der Rechtsverzichtsformeln, Diss. phil. München 1948; Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln, 1963; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968), 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Verzug (lat. [F.] mora) ist die rechtswidrige Verzögerung der Leistung durch den Schuldner. Der V. ist bereits dem römischen Recht als Leistungsstörung bekannt. Seit dem Spätmittelalter wird der V. aufgenommen und mit deutschrechtlichen Einrichtungen ver- schmolzen. Folgen des Verzuges sind die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen und zum Ersatz des Verzugsschadens. Das Naturrecht anerkennt ein Rücktrittsrecht. Lit.: Kaser §§ 34 IV, 37 II; Hübner 552; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 44, 214; Mitteis, H., Die Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim Kaufvertrag nach niederländischen Quellen des Mittelalters, 1913; Heymann, E., Das Verschulden beim Erfüllungsverzug, 1913; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen, 1960; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung, 1965; Hoffmann-Burchardi, H., Die geschichtlichen Grundlagen der Vorschriften des BGB 829 bei Leistungsstörungen, Diss. jur. Münster 1974; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990 vestigii minatio (F.) (mlat.) Spurfolge vestitura (lat./mlat. [F.]) Kleidung, Bekleidung, Einkleidung, Gewere Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 1975, 195 Veto ist der Einspruch gegen ein Verhalten, insbesondere gegen einen Beschluss oder eine Maßnahme. Das aus einem Recht (Interzessionsrecht) römischer Magistrate (z. B. Volkstribune) gegen Maßnahmen (z. B. Senatsbeschlüsse) erwachsene V. erscheint an unterschiedlichen Stellen (z. B. V. des englischen Königs gegen ein vom Parlament beschlossenes Gesetz im 16. und 17. Jh., suspensives V. des Reichsoberhauptes nach der Entwurf gebliebenen deutschen Verfassung von 1849, suspensives V. des Präsidenten der Vereinigten Staaten gegen Gesetzgebungs- beschlüsse). Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1 3. A. 1887, Neudruck 1963; Schade, H., Das Vetorecht, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1929; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972 vi (lat.) durch Gewalt Lit.: Kaser § 21 I via (lat. [F.]) Weg, Wegerecht (als Vorform der [lat. F.] servitus) Lit.: Kaser § 28 I 2a; Köbler, DRG 26 via (F.) lacina (mlat.-afrk.) Wegsperre Vicarius (lat. [M.]) ist im spätrömischen Recht der Stellvertreter des Kaisers in der Reichsdiözese. Im fränkisch-deutschen Reich erscheint in ähnlicher Weise verschiedentlich ein Reichsvikar. Daneben gibt es (lat.) vicarii (M.Pl.) auch für weniger bedeutende Aufgaben und Vikare als Berechtigte auf Dauer eingerichteter Pfründen. Lit.: Kaser § 87 II, 2, 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55, 84; Köbler, LAW; Prange, W., Vikarien und Vikare in Lübeck bis zur Reformation, 2003; Arnswaldt, A. v., De vicariatus controversia, 2004 vicinus (lat. [M.]) Nachbar vicus (lat. [M.]) Viertel, Gasse, Dorf, Siedlung Lit.: Köbler, LAW; Köbler, G., Vicus und thorf, in: Das Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136 Vidal de Canellas, nach Studium des Rechts in Bologna (um 1221) Bischof von Huesca (1236- 1252) und Kanzler König Jaimes I. von Aragón, erstellt eine erweiterte Fassung (lat. maior compilatio) des Fuero von Aragón von 1247. Lit.: Vidal Mayor, hg. v. Tilander, G., 1956 Vidalín, Pall Jónsson (1667-1727) wird nach dem Studium in Kopenhagen Lehrer an der Domschule in Skálholt/Island, Amtmann und Richter. Nach 1719 erstellt er einen Entwurf für ein isländisches Gesetzbuch. Lit.: Danske og Norske Lov i 300 ar, hg. v. Tamm, D., 1987, 350 Videant consules ne quid detrimenti res publica capiat (lat.). Die Konsuln mögen achthaben, dass der Staat keinen Schaden nimmt. Lit.: Mendner, S., Videant consules, Philologies 109 (1965), 258; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Cicero 106-43 v. Chr., Erste Rede gegen Catilina § 4) vidimus (lat.) wir haben gesehen (Beglaubigungsvermerk für Abschriften im Mittelalter) Lit.: Brandt, A. v., Werkzeug des Historikers, 14. A. 1994, 96 Vieh ist die Gesamtbezeichnung für die unmittelbar nutzbaren Haustiere, die in den älteren Zeiten der wichtigste Vermögens- bestandteil sind. Dementsprechend besteht die ältere Wirtschaftsform außer in Ackerbau vor allem in Viehzucht. Im römischen Recht zählen Rinder, Pferde, Esel und Maultiere zu den (lat.) -> res (F.Pl.) mancipi. Im mittelalterlich- neuzeitlichen Recht werden entgegen der deutschrechtlichen Regel ,,Augen auf, Kauf ist Kauf" bestimmte Mängel (Hauptmängel) gewisser Haustiere innerhalb kurzer Fristen doch als Sachmangel anerkannt. Vieh- verstellung ist Einstellung von Vieh auf Zeit bei einem anderen. Lit.: Hübner; Köbler, DRG 13, 24, 67, 78, 166; Wackernagel, J., Die Viehverstellung, 1923; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff. Vierteilen ist die durch Zerreißen des lebenden Menschen in vier Teile vollzogene -> Todesstrafe. Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Vikar -> vicarius 830 villa (lat. [F.]) Hof, Dorf Lit.: Köbler, LAW; Grazianskij, N., Zur Auslegung des terminus ,,villa" in der Lex Salica, ZRG GA 55 (1948), 368; Köbler, G., Vicus und thorf, in: Das Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136: Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983 villicus (lat. [M.]) Verwalter, Meier, Dorfvorsteher Lit.: Kroeschell, DRG 1 Villikation (F.) Fronhof mit abhängigen Höfen in der -> Grundherrschaft Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 96; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., Bd. 1f. 1983; Rösener, W., Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, 1989 Vilsbiburg Lit.: Schwarz, G., Vilsbiburg, 1976 Vindex (lat. [M.] Gewaltsager) ist im altrömischen Verfahren jemand, der für einen als Schuldknecht Ergriffenen (Schuldner) auftreten und die an diesen gelegte Hand wegschlagen kann, wodurch es zum Streit zwischen dem Verfolger (Gläubiger) und dem Dritten (v.) kommt, bei dessen Verlust durch den Dritten sich die Summe, gegen die der Ergriffene (Schuldner) ausgelöst werden kann, verdoppelt. Lit.: Kaser §§ 32 II, 81 III, 82 I; Söllner § 8; Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 vindicatio (lat. [F.]) Gewaltandrohung, Herausgabeverlangen (z. B. in libertatem, in servitutem, pignoris, rei servitutis, ususfructus) Lit.: Kaser §§ 15 I, 16 I 28 III, 29 I, 31 III; Söllner § 9 vindicta (lat. [F.]) Stab (bei der Vindikation), Rache, Strafe Lit.: Kaser §§ 27 I 2, 81 II 1a; Köbler, DRG 29 Vindikation (lat. [F.] vindicatio) ist seit dem altrömischen Recht das Herausgabeverlangen. Zur Zeit der Zwölftafelgesetze (451/50 v. Chr.) fasst der Kläger in Gegenwart des Beklagten vor dem Gerichtsmagistrat den tatsächlich oder symbolisch vorhandenen streitigen Gegenstand an, berührt ihn mit einem Stab (lat. [F.] vindicta, festuca) und erklärt in einer festen Formel, dass der Gegenstand ihm gehöre. Der Beklagte, der den Gegenstand verteidigen will, muss dieses Vorgehen auf ihn bezogen wiederholen. In der Folge wird dann eine Summe gesetzt und die (lat.) -> legisactio (F.) sacramento durchgeführt. Nach Aufgabe der geschichtlich entstandenen Besonderheiten entwickelt sich hieraus der Herausgabe- anspruch des Eigentümers gegen den nichtbesitzberechtigten Besitzer. Lit.: Köbler, DRG 24, 212; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 Vindikationslegat (N.) ist das auf unmittelbaren Rechtserwerb (und deshalb mögliche -> Vindikation) des Vermächtnis- nehmers gerichtete -> Vermächtnis im Gegensatz zum schuldrechtlich wirkenden -> Damnationslegat. Lit.: Köbler, DRG 23 Vinding Kruse, Frederik (1880-1963) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Kopenhagen. Er wirkt maßgeblich bei der 1927 erfolgten Einführung eines neuen Grund- buchsystems in Dänemark mit. Sein wichtigstes Werk befasst sich mit dem Eigentum (Ejendomsretten, Bd. 1ff. 1929ff.). Lit.: Tamm. D., Retsvidenskaben in Danmark, 1992, 184 Vinnius, Arnold (Monster 1588-Leiden 1657) wird nach dem Rechtsstudium in Leiden 1633 außerordentlicher und 1636 ordentlicher Professor in Leiden. Unter dem durch seinen Lehrer vermittelten Einfluss Hugo -> Doneaus (Donellus) veröffentlicht er 1642 einen Kommentar zu den Institutionen. Darin bietet er mit großem Erfolg eine philologisch- historische Erklärung des Textes mit vielen Angaben zum einheimischen geltenden Recht, so dass er als erster eleganter Jurist angesehen wird. Lit.: Feenstra, R./Waal, C., Seventeenth-century Leyden law Professors, 1975, 24, 52; Ahsmann, M., Collegia en colleges, Diss. jur. Leiden 1990, 18 Virginia Bill of Rights ist die von George Mason (1725-1792) entworfene und am 12. 6. 1776 vom Konvent der nach Unabhängigkeit strebenden englischen Kolonien Virginia verabschiedete Menschenrechtserklärung, die als älteste formelle -> Verfassung angesehen wird. Lit.: Köbler, DRG 191 Virilstimme ist die Einzelstimme eines Mitgliedes im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) bzw. im Deutschen Bund im Gegensatz zu der mehrere Mitglieder vereinenden -> Kuriatstimme. Lit.: Köbler, DRG 148; Köbler, Historisches Lexikon; Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 831 1882; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 24 II 2 vir (M.) inluster (lat.) ist ein spätantik- frühmittelalterlicher hervorhebender Titel. Lit.: Wolfram, H., Intitulatio I, 1967 vis (lat. [F.]) Gewalt -> vi Lit.: Köbler, DRG 42, 43 Visby auf Gotland ist die Hansestadt (1280), die sich im Hochmittelalter zum Mittelpunkt des Handels in der Ostsee entwickelt. V. überliefert in mittelniederdeutscher Sprache ein in den Jahren 1341-1344 aufgezeichnetes Stadtrecht. Dieses gliedert sich in vier Bücher mit 60, 52, 52 und 38 Kapiteln (Verfassung- Verfahren-Strafe, Verfahren, Grundstücke- Zins-Schiffe, Ehe-Vormundschaft-Erbe). Es ist von Lübeck, Schleswig, Hamburg, Soest, dem Sachsenspiegel und schwedischen Rechten beeinflusst und wirkt seinerseits auf das Recht von Riga und Nowgorod. Zwei Bruchstücke des Stadtrechts von V. könnten von etwa 1270 stammen. 1361 fällt V. an Dänemark, 1645 an Schweden. Das Seerecht von V. (15. Jh.) ist eine Verbindung von niederländischen und hansischen Rechtsgrundsätzen ohne Zusam- menhang mit dem Stadtrecht. Lit.: Codices iuris Visbyensis, hg. v. Schlyter, C., 1853, 1; Schlüter, W., Zwei Bruchstücke einer mittelniederdeutschen Fassung des Wisbyschen Stadtrechts, Mitt. aus d. Gebiet d. gesch. Livlands 18 (1903-8), 487; Frensdorff, F., Das Stadtrecht von Wisby, Hans. Geschbll. 22 (1916), 1; Hasselberg, G., Studier rörande Visby Stadslag, 1953; Ebel, W., Lübisches Recht, 1971; Sjöholm, E., Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte, 1976 Visitation ist die in der Kirche schon früh entwickelte aufsichtliche Überprüfung der Pfarreien durch den Bischof oder später den Archidiakon. In der Neuzeit finden zwischen 1507 und 1776 mit geringer Regelmäßigkeit Visitationen auch am -> Reichskammergericht statt. Lit.: Lingg, M., Geschichte des Instituts der Pfarrvisitationen, 1888; Winkler, A., Über die Visitation des Reichskammergerichts, 1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Cheney, C., Episcopal Visitation, 2. A. 1983; Mencke, K., Die Visitationen am Reichskammergericht, 1984 Vis (F.) maior (lat.) ist schon im römischen Recht die höhere Gewalt (z. B. Feuer, Überschwemmung, Erdbeben), die den Schuldner von einer Haftung befreien kann. Lit.: Kaser §§ 36, 39 III 1; Doll, A., Von der vis maior zur höheren Gewalt, 1989 Vita (lat. [F.]) Lebensbeschreibung Lit.: Haarländer, S., Vitae episcoporum, 2000; Scripturus vitam, hg. v. Walz, D., 2001 Vitoria, Francisco de (Burgos ? 1483/93-12. 8. 1546) wird nach dem Studium von Philosophie und Theologie in Paris spätscholastischer Theologielehrer in Paris (1512), Valladolid (1523) und Salamanca (1526). Unter Verwendung der (lat.) Summa (F.) theologiae des -> Thomas von Aquin gründet der Dominikaner die Schule von -> Salamanca. Angeregt durch die Entdeckung der Neuen Welt versteht er das Völkerrecht als Recht zwischen den Völkern. Eine Verletzung des Völkerrechts (z. B. Behinderung der kirchlichen Mission, Verfolgung von Christen) berechtigt nach Naturrecht zum Krieg. Die Indianer stuft er als schutzbedürftige Minderjährige ein. Lit.: Vitoria, F. de, Relectio de Indis, hg. v. Perea, L. u. a. 1967; Brown Scott, J., The Spanish Origin of International Law, 1934; Beltran de Heredia, V., Francisco de Vitoria, 1939; Otte, G., Das Privatrecht bei Francisco de Vitoria, 1964; Molinero, R., La doctrina colonial de Francisco de Vitoria, 1993 Viztum, Vitztum (lat. [M.] vicedominus) ist verschiedentlich ein Vertreter eines Herrn. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2 Vladimirskij-Budanov, Michail Flegontovic (1838-1916) wird 1868 Professor für Rechtsgeschichte am Lyzeum in Jaroslawl und 1875 an der Universität Kiew. Seit 1872 veröffentlicht er eine dreibändige Quellensammlung zur russischen Rechtsgeschichte des 10.-17. Jh.s (Chrestomatij po istorii russkago prava), 1886 einen rechtsgeschichtlichen Grundriss (Obzor istorii russkago pravo). Lit.: Taranovskij, F., Pamjati M. F. Vladimirskago- Budanova, in: Jurisdiceskij Vestnik 2 (1916), 84 Vöcklabruck Lit.: Zauner, A., Vöcklabruck und der Attergau 1, 1971 Voet, Johannes (Utrecht 1647-Leiden 1713), Rechtsprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Utrecht 1670 Professor in Herborn, 1674 in Utrecht und 1680 in Leiden. Seit 1687 erfasst er auch das zeitgenössische Recht. Sein Hauptwerk ist ein Naturrecht und 832 Partikularrecht aufnehmender (lat.) Commentarius (M.) ad pandectas (Pandektenkommentar), der den modernen Gebrauch der Pandekten erfolgreich darstellt. 1682 bzw. 1700 veröffentlicht er Grundrisse zu Pandekten bzw. Institutionen. Lit.: Feenstra, R./Waal, C., Seventeenth-century Leiden law Professors, 1974, 35, 69 vogelfrei (frei wie ein Vogel, preisgegeben) Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Vogelfrei, ZRG GA 58 (1938), 525; Schmidt-Wiegand, R., Frei wie ein Vogel, Jb. d. Brüder-Grimm-Ges. 2 (1992), 189 Vogt (zu lat. [M.] advocatus) ist in Fortführung antiker Entwicklungen seit dem Frühmittelalter der schützende weltliche Sachwalter eines Menschen oder einer Kirche, der vielfach frei gewählt werden darf. Seit 782/786 wird der V. für die Kirche vorgeschrieben. In der -> Immunität nimmt er die Aufgaben des Immunitätsberechtigten wahr. Verschiedentlich gelingt ihm der Aufstieg zum Landesherrn (z. B. Tirol). Seit dem 13. Jh. ist V. auch ein Amtsträger weltlicher Herren (z. B. Reichslandvogt), im Spätmittelalter auch der Vormund. In der frühen Neuzeit wird die Kirchenvogtei als bloßes Schutzrecht verstanden und die niedere Vogtei als Grund- lage einer neben der Landesherrschaft stehenden beschränkten Herrschaftsgewalt schwächerer Reichsglieder. Mit dem Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) verschwindet 1806 auch der V. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 86, 111, 113; Pischek, A., Die Vogtgerichtsbarkeit süddeutscher Klöster, 1907; Glitsch, H., Untersuchungen zur mittelalterlichen Vogtgerichtsbarkeit, 1912; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg, hg. v. Landkreistag, Bd. 1f. 1975; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 63, 213; Dohrmann, W., Die Vögte des Klosters St. Gallen, 1985 Vogtei ist die Stellung als -> Vogt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Heilmann, A., Die Klostervogtei im rechtsrheinischen Teil der Diözese Konstanz, 1908; Waas, A., Vogtei und Bede, Bd. 1f. 1919ff.; Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei, 1933; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise, 1960; Endemann, T., Vogtei und Herrschaft, 1967; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Hofacker, H., Die schwäbischen Reichslandvogteien, 1980; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995 Vohenstrauß Lit.: Bernd, D., Vohenstrauß, 1977 Vokabular ist das Wörterbuch, das es seit dem 12. Jh. auch für den Bereich des Rechts gibt (Ulrich von Albeck, Promptuarium iuris, um 1420, Jodocus Verbarius, Vocabularius utriusque iuris, um 1452). Bei alphabetischer Anlage kann es auch -> Abecedarium heißen. Zum -> Sachsenspiegel sind zwei nicht- alphabetische lateinisch-deutsche Vokabulare bekannt, die in einem Druck von 1474 und einer Handschrift von 1475 überliefert sind. Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur, 1867; Kisch, G., Zwei Sachsenspiegel-Vokabularien, ZRG GA 44, (1924), 307; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 258, 352; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 80, 305 Volenti non fit iniuria (lat.). Dem Wollenden geschieht kein Unrecht. Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Ulpian, um 170-um 230, Digesten 47, 10, 1 § 5) Volk ist die durch gemeinschaftliche geistige, kulturelle oder politische Entwicklung verbundene umfassende Personenmehrheit. V. sind z. B. Griechen, Römer, Germanen, Franken usw. Im Frühmittelalter zeichnen viele Völker oder Stämme ihr Recht als -> Volksrecht auf. Wenig später entwickelt sich aus mehreren Stämmen das deutsche V., dessen Herrschaftsgebiet gegen Ende des Mittelalters als Heiliges Römisches Reich (deutscher Nation) verstanden wird. In der frühen Neuzeit tritt das V. dem absoluten Herrscher als eine politisch weitgehend rechtlose Gesamtheit von Untertanen gegenüber. Demgegenüber versteht die Aufklärung (-> Rousseau) das V. als den eigentlichen Träger der Souveränität. Diese Vorstellung gewinnt im Laufe des 19. Jh.s an Gewicht und wird 1918 vielerorts verwirklicht. Gegenüber anderen Völkern werden vielfach eine geschlossene Nation und ein Nationalstaat angestrebt. Im Nationalsozialismus ist der Einzelne nichts, die völkische Gemeinschaft dagegen alles. In der multikulturellen Gesellschaft des ausgehenden 20. Jh.s wird die Bedeutung des Volkes geringer. 833 Lit.: Köbler, DRG 18, 110, 111, 148, 149, 191, 202, 223, 230, 256; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141; Mommsen, T., Die Grundrechte des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Schmitt, C., Staat, Bewegung, Volk, 1933; Meyer, H., Recht und Volkstum, 1933; Herold, G., Der Volksbegriff, 1941; Franz, G., Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk, 3. A. 1961; Nack, R., Germanen, 1965; Joachimsen, P., Vom deutschen Volk zum deutschen Staat, 4. A. 1967; Mosse, E., Ein Volk, ein Reich, ein Führer, 1979; Kershaw, I., ,,Widerstand ohne Volk?", 1986; Stadler-Planzer, H., Die Souveränität beruht im Volk, 1988; Petri, M., Die Urvolkhypothese, 1990; Volk und Nation, hg. v. Herrmann, U., 1994; Elsner, B., Die Bedeutung des Volkes im Völkerrecht, 2000; Geary, P., Europäische Völker im frühen Mittelalter, 2002; Regna and Gentes, hg. v. Goetz, H., 2002; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als Staatsaufgabe 2002 Völkerbund ist der von 1920 bis 1946 bestehende Bund von zunächst 45 Staaten mit einer Satzung (Völkerbundakte) vom 28. 4. 1919 und einer Bundesversammlung in Genf, einem Völkerbundrat mit den Hauptwelt- mächten als ständigen und weiteren nicht- ständigen Mitgliedern sowie einem Sekretariat als Organen. Die Vereinigten Staaten von Amerika treten nicht bei, Brasilien (1928), Deutsches Reich (1933), Japan (1933) sowie Italien (1937) treten aus, die Sowjetunion wird 1939 ausgeschlossen. Nach Gründung der Vereinten Nationen löst sich der V. am 18. 4. 1946 auf. Lit.: Schoch, O., Der Völkerbundsgedanke zur Zeit des deutschen Idealismus, 1960; Pfeil, A., Der Völkerbund, 1976; Sharma, S., Der Völkerbund, 1978; The League of Nations in retrospect, 1983; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Fellner, F., Vom Dreibund zum Völkerbund, 1994; Knipping, F. u. a., Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995; Wintzer, J., Deutschland und der Völkerbund 1918-1926, 2005 Völkermord (Genozid) ist die Tötung einer erheblichen Anzahl der Angehörigen eines Volkes wegen der Zugehörigkeit zu diesem Volk (z. B. Armenier, Juden, Deutsche, Tschetschenen-Inguschen, Krim-Tataren). Lit.: Heinsohn, G., Lexikon der Völkermorde, 1998; Blumenwitz, D., Rechtsgutachten über die Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944-1948, 2002; Genocide of the ethnic Germans in Yugoslavia 1944- 1948, hg. v. Documentation Project Committee, 2003; Naimark, N., Flammender Hass. Ethnische Säuberungen im 20. Jahrhundert, 2004 Völkerrecht ist die Gesamtheit der die Rechte und Pflichten der Staaten und anderen Völkerrechtssubjekte enthaltenden Rechtssätze. Das V. reicht in seinen einfachsten Anfängen (Krieg, Frieden, Bündnisse, Gesandte) Jahr- tausende vor die Zeitenwende zurück. Es ist vom römischen (lat.) -> ius (N.) gentium (bei allen Völkern ­ für alle Rechtssubjekte - geltendes Recht) wegen dessen Erstreckung auf den Rechtsverkehr mit und unter Nichtrömern zu unterscheiden. In seiner modernen Gestalt entwickelt es sich mit der Ausbildung des Staates im ausgehenden Mittelalter. Hier leiten die spanischen Spätscholastiker (Francisco de - > Vitoria 1483/93-1546, Fernando -> Vazquez 1512-69) aus einem als allgemein geltend behaupteten Naturrecht gewisse allgemeine Völkerrechtssätze ab. Hugo -> Grotius be- gründet 1625 mit (lat.) De iure belli ac pacis libri tres (Drei Bücher Recht des Krieges und Friedens) überhaupt ein allgemeines Recht für alle Rechtsverhältnisse. Von 1648 bis 1815 reicht das sog. französische Zeitalter des Völkerrechts, von 1815 bis 1914 das sog. englische Zeitalter. Nach 1750 wird auf der Grundlage von Überlegungen Thomas Hobbes' der Herrscher als Subjekt des Völkerrechts durch den Staat oder das Volk als Bezugspunkt ersetzt. 1758 wendet Emer de -> Vattel in einem bedeutsamen Werk das Vernunftrecht auf das V. an. 1785 versucht Georg Friedrich von -> Martens in seinen (lat.) Primae lineae (F.Pl.) iuris gentium Europaearum practici (Grundlinien des praktischen Völkerrechts Europas) eine neuartige Gliederung und legt 1797 eine Sammlung der wichtigsten völkerrechtlichen Verträge vor. Bis zum 19. Jh. bezieht das V. nur die christlichen Staaten Europas (und Amerikas) ein, bis 1856 das osmanische Reich (Türkei) aufgenommen wird. Seit dem 20. Jh. gewinnt das V. infolge der Tätigkeit der Vereinten Nationen größeres Gewicht und entwickelt sich von einem reinen Zwischenstaatsrecht zu einem Schutzrecht für Opfer bzw. einem Verantwortungsrecht für Täter (Nürnberger Militärtribunal 1945ff., internationale Strafgerichtshöfe für Jugo- slawien und Ruanda, Entscheidung des britischen House of Lords im Fall Pinochet 834 1999). Quellen des Völkerrechts sind (mangels der Souveränität eines [Völkerrechts- ]Gesetzgebers) hauptsächlich Verträge und Völkergewohnheitsrecht. Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 97; Walker, T., A History of the Law of Nations, 1899; Wegner, A., Geschichte des Völkerrechts, 1936; Reibstein E., Die Anfänge des neueren Völkerrechts, 1949; Histoire des relations internationales, hg. v. Renouvin, P., Bd. 1 1953; Rie, R., Der Wiener Kongress und das Völkerrecht, 1957; Nussbaum, A., Geschichte des Völkerrechts in gedrängter Darstellung, 1960 (dt. Übersetzung der 2. amerikanischen A.); Reibstein, E., Völkerrecht ­ Eine Geschichte seiner Ideen, Bd. 1f. 1957ff.; Preiser, W., Die Völkerrechtsgeschichte, 1964; Reibstein, E., Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen römischen Reiches, 1967; Mössner, J., Die Völkerrechtspersönlichkeit und die Völkerrechtspraxis der Barbareskenstaaten (Algier, Tripolis, Tunis 1518- 1830), 1968; Muldoon, J., Popes, Lawyers and Infidels, 1979; Kunisch, J., Staatsverfassung und Mächtepolitik, 1979; Verdross, A./Simma, B., Universelles Völkerrecht, 3. A. 1984; The Consolidation. Treaty Series, hg. v. Parry, C., Bd. 1ff. 1969ff.; Grewe, W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984; Fontes historiae iuris gentium, hg. v. Grewe, W., Bd. 1ff. 1988ff.; Nörr, D., Aspekte des römischen Völkerrechts, 1989; Gordley, J., The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine, 1991; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Eick, C., Indianerverträge in Nouvelle-France, 1994; Kleinschmidt, H., Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Schröder, J., Die Entstehung des modernen Völkerrechtsbegriffs im Naturrecht der frühen Neuzeit, in: Die Entstehung und Entwicklung der Moralwissenschaften, hg. v. Byrd B. u. a., 2000; Ziegler, K., Biblische Grundlagen des europäischen Völkerrechts, ZRG KA 86 (2000), 1; Paulus, A., Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001; Koskenniemi, M., The Gentle Civilizer of Nations. The Rise and Fall of International Law 1870-1960, 2001; Bederman, D., International Law in Antiquity, 2001; Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im Mittelalter, hg. v. Berg, D. u. a., 2002; König, K., Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, 2003; Materialien zum Völkerstrafgesetzbuch, hg. v. Lüder, S. u. a., 2003; Werle, G., Völkerstrafrecht, 2003; Steck, P., Zwischen Volk und Staat, 2003; Röben, B., Johann Caspar Bluntschli, Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861-1881, 2003 Völkerwanderung ist allgemein die dauerhafte Veränderung des ständigen Aufenthaltsorts eines mehr oder weniger vollständigen Volks (z. B. Kimbern, Teutonen, Helvetier) und besonders die durch einen Vorstoß der Hunnen (-> Türke) aus Asien 375 n. Chr. ausgelöste Wanderung germanischer Völker in die Gebiete des weströmischen Reiches (z. B. Ostgoten, Westgoten, Burgunder, Vandalen, Sueben, Alemannen, -> Franken, Angeln, Jüten, Sachsen und Langobarden). Die V. endet 568 n. Chr. mit dem Vorstoß der Langobarden nach Italien. Im Ergebnis entstehen mehrere neue Reiche. Umstritten ist die Frage der Fortdauer antiker Einrichtungen. In keinem Fall darf aber die Bedeutung des von der Kirche vermittelten Wissens über das Altertum unterschätzt werden. Umfangreiche Wanderungsbewe- gungen finden darüber hinaus bis in die Gegenwart ebenso statt wie Versuche ihrer Abwehr oder Lenkung. Lit.: Köbler, DRG 67; Dahn, F., Die Könige der Germanen, Bd. 1ff. 1861ff.; Lot, F., Les invasions germaniques, 1935; Zöllner, E., Geschichte der Franken, 1970; Diesner, H., Die Völkerwanderung, 1976ff.; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; Maczynska, M., Die Völkerwanderung, 1993; Anderson, M., The Rise of Modern Diplomacy, 1993; Martin, J., Spätantike und Völkerwanderung, 3. A. 1995; Baldus, C., Regelhafte Vertragsauslegung, 1998; Bade, K., Europa in Bewegung, 2000; Pohl, W., Die Völkerwanderung, 2002; Arens, P., Sturm über Europa, 2002; Rosen, K., Die Völkerwanderung, 2002; Regna und gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002 Volksabstimmung ist die Abstimmung der stimmberechtigten Staatsbürger über eine einzelne Sachfrage. In kleinen einfachen Gesellschaften finden Volksabstimmungen in der -> Volksversammlung statt. In größeren, komplexen Gesellschaften geht diese Einrichtung verloren. Seit der Aufklärung wird sie in unterschiedlicher Weise wiederbelebt (Massachusetts 1780, Frankreich 1793, helvetische Republik 1798, Deutsches Reich 1919ff.). Lit.: Schmitt, C., Volksentscheid und Volksbegehren, 1927; Tipke, K., Das Recht des Volksentscheids, Diss. jur. Hamburg 1952 masch.schr.; Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie, 1971; Schefold, D., Volks- souveränität und repräsentative Demokratie, 1966; Bugiel, K., Volkswille und repräsentative Entscheidung, 1991; Jung, O., Plebiszität und Diktatur, 1995 Volksbegehren ist das Begehren einer 835 bestimmten Zahl von Bürgern eines Staates, Gesetzesentwürfe vorzulegen und darüber eine Volksabstimmung zu verlangen. Das V. findet sich seit der Aufklärung an unterschiedlichen Orten (Georgia 1777, Schweiz 1830ff., Deutsches Reich 1919ff.) Lit.: Schambeck, H., Das Volksbegehren, 1971; Hartmann, D., Volksinitiativen, 1976; Jung, O., Direkte Demokratie in der Weimarer Republik, 1989; Mester, G., Die Volksinitiative in Sachsen, 2003 Volksdemokratie ist im sozialistischen Verfassungsrecht des 20. Jh.s die der bürgerlichen Demokratie bewusst entgegen- gesetzte Staatsform, in der die politische Macht in den Händen der kommunistischen Arbeiterpartei als Vertreterin des Volkes liegt. Nach 1945 werden zahlreiche Volksdemo- kratien geschaffen (z. B. Deutsche Demokratische Republik). Um 1990 tritt die V. als erfolglos zurück. Lit.: Kroeschell, DRG 3 Volkseigen (dem Volk [und damit keinem Einzelnen] gehörig) Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Krause, W., Die Entstehung des Volkseigentums in der Industrie, 1958; Hoffmann, M., Das Volkseigentum an Grund und Boden in der DDR, 1978 Volksempfinden Lit.: Rückert, J., Das ,,gesunde Volksempfinden" ­ eine Erbschaft Savignys?, ZRG GA 103 (1986), 199 Volksgeist ist vielleicht in Wiedergabe des möglicherweise auf der bereits bei Aristoteles und dann bei Jean Bodin (1566, 1576) betonten Verschiedenheit der Völker gründenden französischen l'esprit de la nation die Gesamtheit der einem jeweiligen Volk innewohnenden teilweise unbewusst wirkenden schöpferischen Kräfte. Auf diese nationalen Kräfte greift in der deutschen Romantik Herder (1744-1803) mit Volkssprache und Volkslied zurück. -> Savigny übernimmt diese Vorstellung für die Rechtsquellenlehre der -> historischen Rechtsschule. Allerdings geht er dabei schon seit 1808/1809 davon aus, dass die Wanderungen und Revolutionen der germanischen Stämme verhindert hätten, dass das ursprüngliche germanische Recht einen festen Bezugspunkt und einzigen Mittelpunkt gefunden habe, weshalb die Deutschen gar kein eigenes ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das römische Recht das eigentümliche, vom V. zu bearbeitende Recht sei. 1828 verwendet -> Puchta den V. als eine von mehreren Tätigkeiten des Volkes, die eine einheitliche Rechtsauffassung auf der Grundlage gemeinschaftlich geteilter Überzeugung schafft. 1840 gebraucht auch Savigny das Wort. Lit.: Köbler, DRG 178, 188; Möller, E. v., Die Entstehung des Dogmas von dem Ursprung des Rechtes aus dem Volksgeist, MIÖG 30 (1909), 1; Kantorowicz, H., Volksgeist und historische Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295; Zahradnik, K., Nationalgeist, Diss. phil. Wien 1938 masch.schr.; Schröder, J., Zur Vorgeschichte der Volksgeistlehre, ZRG GA 109 (1992), 1 Volksgerichtshof ist das am 24. 4. 1934 geschaffene Gericht des Dritten Reiches für Hochverrat und -> Landesverrat. Der V. sichert die nationalsozialistische Herrschaft. Unter seinem Präsidenten Roland Freisler werden bis 1945 bei 16342 Angeklagten 5243 Todesurteile verhängt. Am 25. 1. 1985 erklärt der deutsche Bundestag alle Entscheidungen des Volksgerichtshofes als nichtig. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Buchheit, G., Richter in roter Robe, 1968; Wagner, W., Der Volksgerichtshof, 1974; Im Namen des deutschen Volkes, hg. v. Hillermeier, H., 2. A. 1982; Koch, H., Der Volksgerichtshof, 1988; Marxen, K., Der Volksgerichtshof, Anwaltsbl. 1989, 17; Marxen, K., Das Volk und sein Gerichtshof, 1994; Schlüter, H., Die Urteilspraxis des nationalsozialistischen Volksgerichtshofs, 1995; Die Angeklagten des 20. Juli vor dem Volksgerichtshof, hg. v. Mühlen, B. v. zu, 2001; Eder, W., Das italienische Tribunale speciale per la difesa dello stato und der deutsche Volksgerichtshof, 2002; Breuning, S., Roland Freisler, 2002; Terror und Normalität, v. Marxen, K. u. a., 2004 Volksgesetzbuch ist das schon im 18. Jh. angestrebte volkstümliche, das gesamte Recht eines -> Volkes verständlich zusammen- fassende Gesetzbuch. Seit 1938 befasst sich die -> Akademie für deutsches Recht mit einem Projekt eines in 8 Bücher (Volksgenosse, Familie, Erbe, Vertrag und Haftung, Eigentum, Arbeit, Unternehmen, Vereinigung) geglie- derten Volksgesetzbuches. Dieses teils reaktionäre, teils fortschrittliche Vorhaben einer gemäßigten Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) wird im August 1944 eingestellt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 237; Hedemann, 836 J., Das Volksgesetzbuch der Deutschen, 1941; Krause, H., Wirtschaftsrecht und Volksgesetzbuch, Deutsche Rechtswissenschaft 1941, 204; Hedemann, J./Lehmann, H./Siebert, W., Volksgesetzbuch, 1942; Hattenhauer, H., Das NS-Volksgesetzbuch, FS R. Gmür 1983, 255; Volksgesetzbuch, hg. v. Schubert, W., 1988 Volkshaus ist die Bezeichnung für das Parlament in der nicht verwirklichten deutschen Verfassung von 1849. Seine Abgeordneten sollen durch geheime, direkte, allgemeine und gleiche Wahlen bestimmt werden. Lit.: Köbler, DRG 194; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005 Volksheer ist das vom gesamten Volk gebildete Heer, wie es bei allen Völkern am Anfang stehen dürfte. Im fränkischen Reich tritt das V. gegenüber dem von Lehnsmannen gebildeten Reiterheer zurück. Das moderne V. erscheint in den Befreiungskriegen gegen Napoleon (Österreich 1808, Preußen 1808/13) und setzt die der Volkssouveränität entsprechende allgemeine -> Wehrpflicht voraus. Im späten 20. Jh. dringt die Vorstellung einer Berufsarmee wieder vor. Lit.: Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Frauenholz, E. v., Das deutsche Wehrwesen, 1941; Hermann, H., Deutsche Militärgeschichte, 1966 Volkskammer ist das Parlament der -> Deutschen Demokratischen Republik. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 258; Lapp, P., Die Volkskammer der DDR, 1975; Lapp, P., Wahlen in der DDR, 1982 Volkskunde ist die Lehre von den Wesenszügen eines -> Volkes. Die rechtliche V. bezieht sich dabei vornehmlich auf das Recht. Ihre Ansätze gehen in das 18. Jh. zurück. 1886/1887 erscheint in Frankreich eine folklore juridique (Rolland), 1925 in Deutschland die rechtliche V. (Künßberg). Ihre Quellen sind Sprachgut (z. B. Namen), Sachgut (z. B. Rathaus), Brauchgut (z. B. Umritt), Glaubensgut (z. B. Eid) und anderes. In der Gegenwart versteht sich die V. zunehmend als Teil der allgemeinen Ethnologie. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Künßberg, E. v. Rechtliche Volkskunde, 1936; Künßberg, E. Frhr. v., Lesestücke zur rechtlichen Volkskunde, 1936; Boehm, M., Volkskunde, 1937; Mackensen, L., Volkskunde der deutschen Frühzeit, 1937; Wohlhaupter, E., Beiträge zur rechtlichen Volkskunde Schleswig-Holsteins, Nordelbingen 16 (1940), 74, 17/18 (1942), 51, Bader, K., Die zimmerische Chronik als Quelle rechtlicher Volkskunde, 1942; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Walker, M., Das volkstümliche Leben im 15. und 16. Jahrhundert, Diss. phil. Tübingen 1954; Wackernagel, H., Altes Volkstum der Schweiz, 1956; Kramer, K., Bauer und Bürger im nachmittelalterlichen Unterfranken, 1957; Volkskunde, hg. v. Lutz, G., 1958; Strübin, E., Grundfragen des Volkslebens bei Jeremias Gotthelf, 1959; Kramer, K., Volksleben im Fürstentum Ansbach, 1961; Jacobeit, W., Schafhaltung und Schäfer, 1961; Zur Geschichte von Volkskunde und Mundartforschung in Württemberg, 1964; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtsgeschichte und Volkskunde, bearb. v. Tzermias, P., 1965; Das Ochsenfurter Kauzenbuch 1611-1802, 1967; Siebs, B., Weltbild, 1969; Duenninger, J. u. a., Bräuche und Feste im fränkischen Jahreslauf, 1971; Kramer, K., Grundriss einer rechtlichen Volkskunde, 1974; Das Recht der kleinen Leute, hg. v. Köstlin, K. u. a., 1976; Forschungen zur Rechtsarchäologie und rechtlichen Volkskunde, hg. v. Carlen, L., 1978ff.; Mohrmann, R., Volksleben in Wilster, 1977; Göttsch, S., Stapelholmer Volkskultur, 1981; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Volksrecht ist das Recht eines Volkes, ins- besondere das Recht eines der frühmittelalterlichen Nachfolgevölker der Germanen (lat. [F.] lex, ahd. [F.] ewa). Die Aufzeichnungen der Volksrechte in lateinischer Sprache beginnen nach römischem und kirchlichem Vorbild noch am Ende des Altertums ([lat.] Codex [M.] Euricianus 475). Überliefert sind Volksrechte der Goten, Burgunder, Franken (ab 507-511?), Alemannen, Bayern, Langobarden, Sachsen, Thüringer, Friesen und (in der Volkssprache) der Angelsachsen (-> lex, leges). Inhaltlich setzen sie sich aus Gewohnheitsrecht und Gesetzesrecht zusammen. Sachlich bedeutsam sind vor allem der Unrechtserfolgsausgleich durch -> Wergeld und Buße (-> Kompo- sitionensystem) und das Verfahren. Die Aufzeichnung der durch -> Kapitularien ergänzten Volksrechte endet im frühen 9. Jahrhundert (802), die Überlieferung im Hochmittelalter, in dem das V. durch das -> Landrecht (z. B. Sachsenspiegel 1221-1224) abgelöst wird. Das V. ist bereits durch römisches Recht und kirchliches Recht Gelöscht: 837 beeinflusst. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 79, 80, 101; Thöl, H., Volksrecht, Juristenrecht, 1846; Mitteis, L., Volksrecht und Reichsrecht, 1891, Neudruck 1963; Halban, A. v., Das römische Recht in den germanischen Volksstaaten, 1899ff.; Mayer-Homberg, E., Die fränkischen Volksrechte im Mittelalter, Bd. 1 1912; Eckhardt, K., Gesetze der Merowinger und Karolinger, ZRG GA 55 (1935), 232; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Amira, K. v., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991 Volksrichter ist der nicht durch eine rechtswissenschaftliche Ausbildung ausgewiesene, durch Volksvertretung oder Bürger gewählte Richter der -> Deutschen Demokratischen Republik. Lit.: Köbler, DRG 262; Pfannkuch, J., Volksrichter- ausbildung in Sachsen, 1993; Hattenhauer, H., Über Volksrichterkarrieren, 1995; Volksrichter in der SBZ/DDR, hg. v. Wentker, H., 1997; Backhaus, J., Volksrichterkarrieren in der DDR, 1998; Mathes, R., Volksrichter, Schöffen, Kollektive, 1999 Volksschädling ist nach einer besonderen nationalsozialistischen Verordnung des Dritten Reiches (1935), wer den Interessen des deutschen Volkes schadet. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 237; Jansen, S. Schädling, 1999 Volkssouveränität ist die Innehabung der Staatsgewalt durch das Volk als Souverän. Die V. entwickelt sich nach bereits antiken (-> Cicero 106-43 v. Chr.) und mittelalterlichen (-> Marsilius von Padua 1324) Ansätzen aus der Souveränitätsvorstellung der frühen Neuzeit (Bodin 1527). Nach Emer de Vattel (1758) und Jean-Jacques -> Rousseau (1762) ist Inhaber der Souveränität das Volk. Dementsprechend erklärt die -> Virginia Bill of Rights 1776, dass alle Gewalt vom Volk ausgehe. Auch die französische Revolution behauptet die Verankerung jeglicher Souveränität in der Nation. Dem folgen deutsche Politiker seit etwa 1820, wenn sie die V. dem -> monarchischen Prinzip, dem Gottesgnadentum und der Fürstensouveränität gegenüberstellen. Die Weimarer Reichsverfassung (1919) und die späteren deutschen Verfassungen führen dann uneingeschränkt alle Staatsgewalt auf das Volk zurück. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 191, 230, 248; Murhard, F., Die Volkssouveränität, 1832; Koch, G., Manegold von Lautenbach und die Lehre von der Volkssouveränität, 1902; Wolf, H., Volkssouveränität und Diktatur in den italienischen Stadtrepubliken, 1937; Schefold, D., Volkssouveränität und repräsentative Demokratie in der schweizerischen Regeneration, 1966; Schubert, F., Volkssouveränität und Heiliges römisches Reich, HZ 213 (1971), 91; Reibstein, E., Volkssouveränität und Freiheitsrechte, hg. v. Schott, C., Bd. 1f. 1972; Kielmannsegg, P., Volkssouveränität, 1977; David, M., La souveraineté du peuple, 1996; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2001 Volkssprache ist die Sprache eines Volkes im Gegensatz zur Sprache anderer Völker bzw. die Sprache des einfachen Volkes im Gegensatz zu einer Sprache der Gebildeten oder Gelehrten. Im fränkischen Frühmittelalter ist die Grundlage der Volkssprachen im östlichen Reichsteil (z. B. althochdeutsch, altnie- derfränkisch, altsächsisch) germanistisch, die Überlieferungssprache dagegen lateinisch. Das führt zu einem -> Übersetzungsproblem. Seit dem 13. Jh. dringt die Volkssprache in der Überlieferung allgemein vor, in der Aufklärung setzt sie sich (im Heiligen Römischen Reich unter Vereinheitlichung auf das Neuhoch- deutsche) gegenüber fremden Sprachen durch. Dessenungeachtet bleiben Prägungen der V. durch die römische Jurisprudenz bestehen. Im 20. Jh. macht sich zunehmend angloameri- kanischer Einfluss bemerkbar. Lit.: Schulze, U., Lateinisch-deutsche Parallelurkunden, 1975; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; Sprache, Recht, Geschichte, hg. v. Eckert, J. u. a., 1991; Schmidt- Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Sousa Costa, Studien zu volkssprachlichen Wörtern in karolingischen Kapitularien 1993 Volkstribun (lat. tribunus [M.] plebis) ist im altrömischen Recht das seit 494 v. Chr. anerkannte Sonderorgan der Plebejer. Der V. ist unverletzlich. Er leitet die Versammlung der Plebejer und hat ein Einspruchsrecht (Interzessionsrecht) gegen Handlungen eines Magistrats (z. B. Konsuls) gegen einen Bürger sowie ein Vetorecht gegen Senatsbeschlüsse. Lit.: Köbler, DRG 18; Söllner §§ 6, 13, 14; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 838 Volksverrat ist der Verrat des eigenen Volkes an Fremde. Der V. wird bei den Germanen durch Aufhängen des Verräters verfolgt. Lit.: Köbler, DRG 71 Volksversammlung ist die Versammlung der freien Angehörigen eines Volkes. Sie ist in frühen Zeiten das allgemeine Organ des Volkes. Im altrömischen Recht finden sich etwa (lat.) comitia (N.Pl.) curiata, comitia centuriata und Versammlung der (lat. [F.]) plebs. Die V. entscheidet in allen allgemein wichtigen Angelegenheiten. Mit der Ausdehnung einer Herrschaft tritt sie notwendigerweise zurück. Überreste finden sich in der Landsgemeinde Schweizer Kantone (in Appenzell-Außerrhoden 1997 abgeschafft) und in Demonstrationsversammlungen. Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 10, 14; Köbler, DRG 18, 20, 69, 70, 83; Hahndorf, S., Die Volksversammlung, 1848; Liebermann, F., The national assembly in the Anglo- Saxon period, 1913 Volksvertretung -> Parlament Lit.: Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, hg. v. Rausch, H., Bd. 1f. 1974ff. Volkswirtschaft (Nationalökonomie) ist die gesamte Wirtschaft eines Volkes oder Staates (im Gegensatz zur Wirtschaft des einzelnen Betriebs, Betriebswirtschaftslehre, beginnend mit Gründung der ersten Handelshochschule 1898). Geschichtlich folgen an Schulen oder Strömungen wirtschaftlichen Denkens einzelnen Vorläufern des Altertums und des Mittelalters Merkantilismus, Physiokratismus, klassischer Liberalismus, Sozialismus, Historismus und Grenznutzenlehre. Am Ende des 20. Jh.s stehen Neoklassik, Institutionen- ökonomik, Keynesianismus, Neoliberalismus und evolutorische Wirtschaftstheorie nebenei- nander. Lit.: Sombart, W., Die deutsche Volkswirtschaft, 8. A. 1954; Schumacher, H., Die Wirtschaft in Leben und Lehre, 1943; Kolb, G., Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 1998 Vollbort (F.) Zustimmung Vollenhoven, Cornelis van (1874-1933) wird nach dem Studium von Sprachen, Philosophie und Recht Verwaltungsbeamter im nieder- ländischen Kolonialministerium und 1901 Professor für Staatsrecht und Verwaltungsrecht der Kolonien. Er vertritt die Ansicht, dass die europäischen Rechtsvorstellungen nicht den niederländisch-ostindischen Gebieten gemäß seien. Sein Hauptwerk untersucht das Gewohnheitsrecht (Adat) Niederländisch- Ostindiens. Lit.: Vollenhoven, C. van, Het adatrecht, Bd. 1ff. 1918ff.; Zestig juristen, 1987, 377; de Kanter-van Hettinga Tromp, B./Eyffinger, A., Cornelius van Vollenhoven, 1992 Volljährigkeit ist das Lebensalter, mit dem die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erreicht wird. Die V. verdrängt in der frühen Neuzeit die ältere -> Mündigkeit. Sie tritt nach römischem Recht meist mit 25 Jahren ein (in Deutschland zuerst im Deutschenspiegel von etwa 1275, dagegen Auctor vetus 24, Sachsenspiegel Lehnrecht 21). Dem folgt das gemeine Recht, während man in den altpreußischen Provinzen (1790, ALR 1794) und in Österreich (1753- 1919) im 19. Jahrhundert mit 24 Jahren volljährig wird. Das französische Recht, das sächsische Recht, später Preußen (9. 12. 186) und das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lassen sie mit 21 beginnen. Das 20. Jh. setzt die V. weiter herab (Deutschland 18, Österreich erst 19, dann ebenfalls 18). Lit.: Kaser § 14; Hübner; Köbler, DRG 160, 207, 266; Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 1 Vollmacht ist die durch -> Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht. Sie erscheint dort, wo -> Stellvertretung zulässig ist. 1866 weist Laband (1838-1919) die Notwendigkeit der Trennung von Innenverhältnis zwischen handelnder und betroffener Person (Mandat, Auftrag) und Außenverhältnis zwischen handelnder und dritter Person (V.) entsprechend dem Abstraktionsprinzip nach. Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 208, 238, 266; Müller-Freienfels, W., Die Abstraktion der Vollmachterteilung, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 144; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Albrecht, G., Vollmacht und Auftrag, 1970; Bader, P., Duldungs- und Anscheinsvollmacht, 1978 Vollstreckung ist die zwangsweise Durchsetzung eines Anspruchs oder einer Anordnung. Im altrömischen Recht geschieht die V. im Legisaktionenverfahren mit Hilfe der -> Legisaktion durch Handanlegen (lat. [F.] -> legis actio per manus iniectionem) und der Legisaktion durch Pfandergreifen (lat. -> legis 839 actio [F.] per pignoris capionem) bzw. bei den Klagansprüchen auf eine Sache meist durch den eigenmächtigen Zugriff auf die Sache. Das Strafurteil wird durch die Magistrate und ihre Hilfspersonen vollstreckt. Im klassischen römischen Recht ersetzt die (lat.) -> actio (F.) iudicati die Legisaktion durch Handanlegen, wobei hauptsächlich auf den Menschen zugegriffen wird (Schuldknechtschaft). Im Kognitionsverfahren kann allmählich ein einzelner Gegenstand weggenommen und ausgehändigt oder versteigert werden. Vollstreckt wird im Amtsbetrieb. Möglich ist eine Gesamtvollstreckung (-> Konkurs). Bei den Germanen muss die Partei zur V. Selbsthilfe üben. Die Tötung von Volksverrätern und Unzüchtigen wird wohl von der Allgemeinheit ausgeführt. Im Frühmit- telalter wird die zuvor selbständig vorzunehmende Pfändung von der Geneh- migung des Richters (Grafen) abhängig gemacht oder überhaupt Amtsträgern über- lassen. Im Hochmittelalter und Spätmittelalter erfolgt die V. durch Büttel oder Fronboten durch öffentliche -> Pfändung von beweglichen Sachen und Grundstücken, die im Falle der Nichtauslösung meist veräußert werden. Hilfsweise ist -> Schuldhaft möglich. Für die oberen Gesellschaftsschichten ist das Einlager bedeutsam. -> Arrest und -> Konkurs werden ausgebildet. Die Pfandnahme ohne Erlaubnis des Richters wird (im Mainzer Landfrieden von 1235) dem Raub gleichgestellt. Die peinliche - > Strafe wird vom Henker als berufsmäßigem Scharfrichter vollstreckt. In der frühen Neuzeit wird die V. reichskammergerichtlicher Urteile den Reichskreisen übertragen. Bereits die Landesordnung Bayerns von 1501 sieht eine ausschließliche Pfändung durch Amtsträger vor. Zum Regelfall der V. wird die V. in das Vermögen. Der Codex iuris Bavarici iudiciarii des Jahres 1753 trennt zwischen Einzelvollstreckung und Konkurs. Allmählich befasst sich die Wissenschaft mit der V. Im 19. Jh. wird das Vollstreckungsverfahren (Zwangsvollstreckung) besonders gesetzlich geregelt (-> Zivilprozessordnung, -> Strafprozessordnung). Vollstreckungsorgane im Zivilprozess sind Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht, Prozessgericht und Grundbuchamt. Die Schuldhaft wird beseitigt (1868). Die Strafvollstreckung (Strafvollzug) wird allmählich humanisiert und später durch die Resozialisierungsidee mitgeprägt. Lit.: Kaser §§ 85, 87; Köbler, DRG 19, 33, 34, 56, 70, 86, 116, 117, 118, 119, 156, 202, 232; Briegleb, H., Geschichte des Exekutionsprozesses, 2. A. 1845; Amira, K. v., Das altnorwegische Vollstreckungsverfahren, 1874, Neudruck 1965; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 268; Planitz, H., Die Entwickelung der Vermögensvollstreckung im salfränkischen Rechte, 1909 (Habilitationsschrift); Planitz, H., Die Vermögensvoll- streckung, 1912; Haff, K., Vollstreckungsordnung für das fürstbischöflich augsburgische Pflegeamt Füssen vom Jahre 1585, ZRG GA 34 (1913), 435; Schönfeld, W., Die Vollstreckung der Verfügungen von Todes wegen, ZRG GA 42 (1921), 240; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, 1966; Elsener, F., Die Exkommunikation als prozessuales Vollstreckungsmittel, FS E. Kern 1968, 69; Lippross, O., Grundlagen und System des Vollstreckungsschutzes, 1983; Sellert, W., Vollstreckung und Vollstreckungspraxis, FS W. Henckel, 1995, 817; Hofmann, D., Die Entwicklung und Bedeutung der Vereitelung der Zwangsvollstreckung, Diss. jur. Mainz 1997; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004 Vollstreckungsklausel (lat. clausula [F.] executorialis) ist der seit der frühen Neuzeit aus der Klausel, dass der Schuldner das Urteil bin- nen einer Frist vollziehen soll, entwickelte Ver- merk des Urkundsbeamten auf der vollstreck- baren Ausfertigung eines Vollstreckungstitels, der die Vollstreckbarkeit bescheinigt. Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 3. A. 1878 ; Kohler, J., Zur Geschichte der exekutorischen Urkunde in Frankreich, ZRG GA 8 (1887), 120 volonté (F.) génerale (frz.) Allgemeinwille Voltaire (Arouet), F. (Paris 21. 11. 1694­30. 5. 1778), Notarssohn, wird nach Aufenthalten in England (1726-1729), Lothringen, Preußen und Genf durch die Gesamtheit seiner vielen Schriften einer der wichtigsten Vertreter der -> Aufklärung. Lit.: Voltaire, hg. v. Baader, H., 1980; Lange, J., Voltaire, JuS 1998, 491 Volumen (parvum) (lat. [N.] [kleiner] Band) sind die Bücher 10 bis 12 des -> Codex Justinians, die glossierten Novellen und die Institutionen. Vom Rechte 840 Lit.: Speicher, S., Vom Rechte, 1986 von Gottes Gnaden -> Dei gratia Lit.: Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980 Vonnisse von Damme sind eine flämische Fassung der -> Rôles d'Oléron. Vorarlberg ist das zwischen Bodensee und Arlberg gelegene, alemannisch besiedelte Gebiet, das seit dem Spätmittelalter stückweise an -> Habsburg gelangt und seit 1918 selbständiges Bundesland -> Österreichs ist. Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Brunner, A., Die Vorarlberger Landstände, 1929; Welti, L., Geschichte der Rechsgrafschaft Hohenems und des Reichshofes Lustenau, 1930; Bundsmann, A., Die Entwicklung der politischen Verwaltung in Tirol und Vorarlberg, 1961; Das Vorarlberger Landesarchiv, hg. v. Burmeister, K. u. a., 1969; Burmeister, K., Die Vorarlberger Landsbräuche und ihr Standort in der Weistumsforschung, 1970; Bilgeri, B., Geschichte Vorarlbergs, Bd. 1ff. 1971ff., 2. A. 1972ff.; Vorarlberger Weistümer, Bd. 1, hg. v. Kurmeister, K., 1973; Welti, L., Siedlungs- und Sozialgeschichte von Vorarlberg, hg. v. Grass, N., 1973; Witzig, D., Die Vorarlberger Frage, 2. A. 1974; Janotta, C., Das Privilegienbuch der Stadt Feldkirch, 1979; Quellen zur Geschichte der Stadt Bregenz, hg. v. Niederstätter, A., 1985; Burmeister, K., Geschichte Vorarlbergs, 4. A. 1998; Hoch- und Spätmittelalter zwischen Alpen und Bodenseee, hg. v. Hartung, W. u. a., 1992 Voraus ist der Anspruch des überlebenden Ehegatten auf die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände und die Hochzeits- geschenke. Der V. ist dem römischen Recht ansatzweise bekannt. Er findet sich auch im Spätmittelalter neben -> Heergewäte und -> Gerade. Der eheliche V. wird 1900 in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch und 1914 in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs aufgenommen. Lit.: Hübner; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hirschhorn, M., Der Voraus und der Dreißigste, 1908; Wesener, G., Der Voraus des überlebenden Ehegatten, FamRZ 6 (1959), 84 Vorausvermächtnis (lat. [N.] praelegatum) ist das bereits dem römischen Recht bekannte Vermächtnis einzelner Gegenstände an einen Erben. Lit.: Kaser § 76 II 3b; Rudolf, I., Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, 1966 Vorbehalt des Gesetzes ist im 19. Jh. (z. B. § 5 VI des Grundgesetzes Sachsen-Weimars von 1816) der Grundsatz, dass ein Eingriff in ein Rechtsgut eines Einzelnen (z. B. Freiheit, Eigentum) von einer Gestattung durch ein -> Gesetz abhängig ist. Lit.: Köbler, DRG 199; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005 Vorbehaltsgut ist bei der ehelichen Gütergemeinschaft das besondere, aus dem Gesamtgut ausgeschlossene, der alleinigen Zuständigkeit und selbständigen Verwaltung durch den einzelnen Ehegatten vorbehaltene Gut. Es findet sich bereits im Mittelalter (z. B. bei -> Morgengabe). Von den vernunf- trechtlichen Gesetzbüchern wird es anerkannt. Lit.: Hübner 669; Schröder, R., Das eheliche Güterrecht, 1900, Neudruck 1967 Vorderösterreich ist die Gesamtheit der im deutschen Südwesten gelegenen Güter Habsburgs bzw. Österreichs seit dem Spätmittelalter. Ein Teil hiervon bildet später - > Vorarlberg, ein anderer geht in Baden, Württemberg und Frankreich auf. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwarzweber, J., Die Landstände Vorderösterreichs im 15. Jahrhundert, 1908; Vorderösterreich, hg. v. Metz, F., 1967, 3. A. 1978; Quarthal, F./Wieland, G., Die Behördenorganisa- tion Vorderösterreichs, 1977; Seidel, K., Der Oberelsass, 1980; Vorderösterreich in der frühen Neuzeit, hg. v. Maier, H. u. a., 1989; Vorderösterreichische Regierung und Kammer 1753-1805, bearb. v. Haggenmüller, M. u. a., 2004 Voreid ist der vor Abgabe einer Erklärung zu leistende Eid. Er erscheint bereits im Frühmittelalter. Ein möglicher Zusammenhang mit dem Kalumnieneid ist ungeklärt. Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973 Vorerbe ist der Erbe, der in der Weise zunächst zur Erbschaft berufen ist, dass nach ihm zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt (Nacherbfall) ein anderer Erbe (Nacherbe) wird. Eine Nacherbschaft ist im römischen Recht an sich ausgeschlossen, wird aber auf dem Weg über ein -> Fideikommiss dennoch erreicht. Mit der Aufnahme des Testaments im Heiligen Römischen Reich (13. Jh.) wird auch die Vorerbschaft möglich (z. B. Friedberg Ende 14. Jh.s). Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch 841 (1900) schränkt aus liberalen Überlegungen auf einen Zeitraum von 30 Jahren ein. Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Hübner; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Schartl, R., Das Privatrecht der Reichsstadt Friedberg, Diss. jur. Gießen 1987; Eckert, J., Der Kampf um die Familien- fideikommisse, 1992; Straub, S., Zur Entstehung der Vor- und Nacherbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch, ZRG GA 120 (2003), 235 Vorkaufsrecht ist das einer Person zustehende Recht, einen Gegenstand von dem Verpflichteten zu erwerben, sobald dieser den betreffenden Gegenstand an einen Käufer verkauft. Das V. ist dem römischen Recht an sich zunächst unbekannt, erscheint in unterschiedlichen Einzelfällen aber dann doch. Ihm steht in Deutschland das -> Näherrecht gegenüber. In der frühen Neuzeit wird beides miteinander vermischt. Die vernunftrechtlichen Gesetzbücher nehmen das V. auf und teilen ihm teils nur schuldrechtliche, teils auch sachenrechtliche Wirkung zu. Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 30 I 2, 41 VII; Kroeschell, DRG 2; Frommhold, G., Über die Geschichte des Familienvorkaufsrechts, ZRG GA 32 (19119, 337; Wesener, G., Vorkaufs- und Einstandsrecht der ,,gesippten Freunde", Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 535; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 383 Vorlesung (lat. [F.] praelectio) ist die im Vorlesen und Erklären eines (geschriebenen) Textes (z. B. Digesten) durch einen im Gegensatz zu seinen Hörern über den Text Verfügenden bestehende älteste Lehrver- anstaltung der Universität. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 106; Schröder, K., Vorläufiges Verzeichnis der in Bibliotheken und Archiven vorhandenen Vorlesungsverzeichnisse, 1964; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen, Jb. f. fränk, Landesforschung 27 (1967), 241; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie, 1979; Köbler, G., Gießener juristische Vorlesungen, 1982, 2. A. 2003 (elektronisch); Blanke, H., Bibliographie der in periodischer Literatur abgedruckten Vorlesungs- verzeichnisse, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 6 (1983), 205, 10 (1987), 17, 11 (1988), 105; Schröder, J., Vorlesungsverzeichnisse als rechtsgeschichtliche Quelle, in: Die Bedeutung der Wörter, 1991, 383; Vorlesungsverzeichnisse der Universität Königsberg, hg. v. Oberhausen, M. u. a., 1999; Apel, H., Die Vorlesung, 1999 Vormärz ist die von fürstlicher Reaktion (Karlsruher Beschlüsse 1819) auf liberale Forderungen (Wartburgfest 1817, Hambacher Fest 1832) gekennzeichnete Zeit vor dem März 1848 im -> Deutschen Bund. Bereits im V. werden verschiedene Verfassungen erlassen. Seit 1848 treten bedeutende allgemeine Veränderungen ein. Lit.: Dunk, H. v. d., Der deutsche Vormärz, 1966; Brandt, H., Landständische Repräsentation im deutschen Vormärz, 1968; Conze, W., Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz, 2. A. 1970; Boldt, W., Deutsche Staatslehre im Vormärz, 1975; Wende, P., Radikalismus im Vormärz, 1975; Vormärz und Revolution, hg. v. Fenske, H., 1976; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Teil 1f. 1979; Deutsche Juristen im Vormärz (Briefe), hg. v. Strauch, D., 1999 Vormerkung ist die vorläufige Grundbuch- eintragung zur Sicherung eines Anspruchs auf Eintragung einer Rechtsänderung. Sie wird im ersten Ansatz 1750 in Preußen sichtbar und übernimmt im 19. Jh. die Aufgaben des (lat.) -> ius (N.) ad rem. Sie soll ursprünglich die Augabe erfüllen, die später dem Widerspruch zukommt. Lit.: Köbler, DRG 212; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Günther, P., Die historische Entwicklung der Vormerkung, Diss. jur Bielefeld 2000 Vormund ist, wer durch Anordnung des Vormundschaftsgerichts zur Führung einer amtlich verordneten, verwaltenden Fürsorge- tätigkeit für Minderjährige (bzw. Frauen und entmündigte Volljährige) bestellt ist. Der V. (lat. [M.] tutor) ist dem römischen wie wohl auch dem germanischen Recht bekannt, doch erscheint ahd. foramundo erst vereinzelt im 10. Jh. Meist ist der nächste männliche Verwandte (Bruder, Vatersbruder usw.) V. Er hat eine treuhänderische Gewalt über Person und Vermögen des Mündels und damit vor allem Rechte. Bereits seit dem Frühmittelalter unterfällt er wegen der Missbrauchsgefahr einer von der Kirche geförderten öffentlichen Aufsicht (Obervormundschaft). Hieraus entwickelt sich in der Neuzeit das Vormundschaftsgericht. Die Vormundschaft endet mit der Volljährigkeit. Seit 1. 1. 1992 842 gibt es in Deutschland statt der Vormundschaft über Volljährige die -> Betreuung. Lit.: Kaser §§ 62, 63; Söllner §§ 8, 11; Hübner § 100; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 36, 88, 121, 160, 210, 268; Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1f. 1835ff.; Rive, F., Geschichte der deutschen Vormundschaft, Bd. 1ff. 1862ff.; Schlüter, R., Das Vormundschaftsrecht in den Kodifikationen, 1961; Tetzlaff, W., Der Kaiser als Obervormund, Diss. jur. Frankfurt am Main 1965; Pelz, F., Die Vormundschaft in den Stadt- und Landrechts- reformationen, 1966; Kranz, E., Die Vormundschaft im mittelalterlichen Lübeck, Diss. jur. Kiel 1967; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 357; Taupitz, J., Von der entrechtenden Bevormundung zur helfenden Betreuung, JuS 1992, 1; Signori, G., Geschlechtsvormundschaft und Gesellschaft, ZRG 116 (1999), 119 Vormundschaft -> Vormund Vorparlament ist die Versammlung zur Vorbereitung eines Parlamentes (z. B. Frankfurt am Main 1848). Lit.: Nipperdey, T., Deutsche Geschichte, 1983, 606 Vorrang des Gesetzes ist der Vorrang des formellen Gesetzes vor jeder anderen staatlichen Willenserkärung seit dem 19. Jh. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 199 Vorrecht (N.) Sonderrecht, Privileg Vorsate -> Vorsatz Lit.: Löning, G., Vorsate und vorrat, ZRG GA 61 (1941), 266 Vorsatz (lat. [M.] dolus) ist im Strafrecht der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis all seiner Tatumstände, im Privatrecht das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit. Der V. ist so alt wie das menschliche Verhalten. Als solcher erfasst wird er von der römischen und der neuzeitlichen Wissenschaft. Diese stellt dem V. die -> Fahrlässigkeit gegenüber. Lit.: Köbler, DRG 158, 204, 264; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, Bd. 1 1895; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973 Vorsprecher -> Fürsprech, Fürsprecher Vortäuschung einer Straftat ist der 1913 in die Diskussion eingebrachte, 1943 gesetzlich festgelegte Straftatbestand des deutschen Strafrechts, nach dem sich jemand dadurch strafbar macht, dass er eine nicht vorhandene Straftat vortäuscht. Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003 Vorverfahren ist ein einem eigentlichen Verfahren zeitlich vorangehendes Verfahren (z. B. Inquisition im spätmittelalterlich-frühneu- zeitlichen Inquisitionsprozess). Es dient der Vorbereitung oder Entlastung. In der Gegenwart muss es rechtsstaatliche Anforderungen erfüllen. Lit.: Köbler, DRG 117, 263 Vorvertrag ist der auf Abschluss eines Vertrages gerichtete, vorbereitende -> Vertrag. Er ist dem römischen Recht bereits bekannt. Er ist gegebenenfalls formbedürftig. Lit.: Kaser § 39 I 2; Wabnitz, B., Der Vorvertrag, Diss. jur. Münster 1962 votum (N.) ad imperatorem (lat.) Vorlage bei dem Kaiser Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973, 346 Vsehrdy, Viktorin Cornelius von (um 1460- 1520), Bürgerssohn, wird nach dem artistischen Studium in Prag Artist, 1493 stellvertretender Schreiber des Königreichs -> Böhmen. Seit 1495 verfasst er Neun Bücher über die Rechtsordnung des Landes Böhmen. Nach 1501 überarbeitet er dieses bedeutende Werk nochmals. Lit.: Vsehrdy, V., O právích zeme ceské knihy devatery, hg. v. Jirecek, H., 1874 Vulgarrecht ist das spätantike weströmische Recht (3.-5. Jh.). Es ist gekennzeichnet durch die durchaus nicht vom Volk, sondern den führenden Schichten ausgehende teilweise propagandistisch bedingte, vulgare Haltung. Sie zeigt sich in einfachem, unverhülltem Zweckstreben, in bildhafter Anschaulichkeit und in gefühlsbetonter rhetorisierter Moralität. Die klassische rechtswissenschaftliche Begrifflichkeit verfällt. Demgegenüber wird sie im Osten von -> Justinian (527-565) restauriert. Vulgarrechtliche Quellen sind etwa die (lat.) -> sententiae (F.Pl.) Pauli, die -> regulae (F.Pl.) Ulpiani, die -> res (F.Pl.) cottidianae, der -> Gaius von Autun, die -> Collatio (F.) legum Mosaicarum et Romanarum, die -> Consultatio (F.) cuiusdam veteris iurisconsulti, die -> interpretationes (F.Pl.) oder die romanistischen 843 -> Volksrechte der Westgoten, Burgunder und Ostgoten (str.). Lit.: Kaser §§ 1 II, 2 II, 3 III; Söllner § 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 52, 62; Levy, E., West Roman Vulgar Law, 1951; Wieacker, F., Vulgarismus und Klassizismus im Recht der Spätantike, SB. d. Akad. d. Wiss. Heidelberg 1953; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Stühff, G., Vulgarrecht im Kaiserrecht, 1966; Schmidt, H., Die Vulgarrechtsdiskussion, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 1; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997 Vulgarsubstitution ist im römischen Recht die Einsetzung eines Ersatzerben für den einfachen Fall, dass der an erster Stelle Eingesetzte nicht Erbe wird. Die regelmäßige V. steht in Gegensatz zur Pupillarsubstitution, bei der einem unmündigen (lat. [M.]) suus (pupillus) (Hauserben) für den Fall, dass er als Unmündiger sterben sollte, ein Ersatzerbe eingesetzt wird. Lit.: Kaser § 68 II 5a; Söllner § 11 Vulgata -> Vulgathandschrift Vulgathandschrift (F.) Handschrift einer meistgebrauchten Fassung eines Textes (z. B. der -> Digesten) Lit.: Söllner § 22 W Waadt (Vaud, ,,Wald") ist das Gebiet zwischen Jura, Genfer See, Alpen und Saarne, das über Römer, Burgunder und Burgund 1032 zum deutschen Reich gelangt. Nach 1218 gerät es unter den Einfluss der Grafen von Savoyen. 1536 fällt es an Bern. 1616 erhält die W. ein eigenes Landrecht. Am 30. 3. 1798 wird die W. Kanton der Helvetischen Republik, 1803 der -> Schweiz. Die Verfassung der W. stammt von 1885. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Champeaux, E., Le coutumier vaudois de Quisard, 1930; Chapuis, M., Recherches sur les institutions politiques, 1940; Ammann, H., Über das waadtländische Städtewesen, Schweizerische Zs. für Geschichte 4 (1954), 1; Poudret, J., La succession testamentaire dans le pays de Vaud, 1955 (Diss. Lausanne); Bercher, J., Approche systématique de l'ancien droit privé vaudois, 888-1250, 1963; Anex, D., Le servage au pays de Vaud, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,464, 3,2,1870; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Les sources du droit du canton de Vaud, Bd. 1ff. 1972ff.; Hubler, L., Histoire du Pays de Vaud, 1991 Wachszins (M.) Zins in Bienenwachs Wächter, Carl Joseph Georg Sigismund (Marbach/Neckar 24. 12. 1797-Leipzig 15. 01. 1880), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Heidelberg (Thibaut) Richter, außerordentlicher Professor (Tübingen 1817) und ordentlicher Professor (Tübingen 1822, Leipzig 1833, Tübingen 1836), 1851 Präsident des Oberappellations- gerichts in Lübeck und 1852 nochmals Professor in Leipzig. Neben einem Lehrbuch zum Strafrecht veröffentlicht er seit 1839 ein unvollendetes Handbuch des im Königreich -> Württemberg geltenden Privatrechts und 1841 eine wichtige Abhandlung zum internationalen Privatrecht. Lit.: Wächter, P. v., Carl Georg von Wächter, 1891; 500 Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., Bd. 1 1977; Sandemann, N., Grundlagen und Einfluss der international- privatrechtlichen Lehre, Diss. jur. Münster 1979; Laufs, A., Das wirklich geltende, durch den allgemeinen Willen gesetzte Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Jungemann, L., Carl Georg von Wächter, 1999; Zwischen Romanistik und Germanistik, hg. v. Kern, B., 2000; Mauntel, C., Carl Georg von Wächter (1797- 1880), 2004 wadiare (lat.-afrk.) wetten, versprechen Lit.: Kroeschell, DRG 1 Wadiatio Lit: Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1 wadium (lat.-afrk. [N.]) Wette, Versprechen, Pfand Lit.: Kroeschell, DRG 1 Waffe ist jeder Gegenstand, der seiner Art nach dazu geeignet ist, Widerstand durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Die W. ist bedeutsam im Kampf. Sie erleichtert auch Unrechtserfolge. Deshalb wird der Waffengebrauch bereits seit dem Frühmittelalter allmählich eingeschränkt. Seit der Neuzeit bedarf er vielfach behördlicher Erlaubnis. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Fehr, H., Das Waffenrecht der Bauern, ZRG GA 35 (1914), 111, 38 844 (1917), 1; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Krogmann, W., Mit Wehr und Waffen, ZRG GA 83 (1966), 280 Wagatsuma, Sakae (1897-1973) wird nach dem Rechtsstudium (Hatoyama) 1922 außerordentlicher Professor in Tokio und nach soziologischem Studium in Chicago und Berlin 1927 ordentlicher Professor. In zwei unvollendet gebliebenen Werken (Der Primat des Forderungsrechts, 1927ff., Minpô kôgi, 1933) versucht er eine vorbildliche Verbindung von Systematik und Soziologie. Bei der Abschaffung des japanischen Haussystems nach dem zweiten Weltkrieg wirkt er maßgeblich mit. Lit.: Hôritsugaku to watashi, hg. v. Toshitani, N. u. a., 1967, 1; Wagatsuma, H./Bai, K., Wagatsuma Sakae- sensei no hito to sokuseki, 1993 Wahl ist die Berufung eines Menschen zu einer Aufgabe durch Abstimmung. Sie findet sich bereits im Altertum. In der Kirche werden Papst, Bischof, Abt und Pfarrer vielfach gewählt. Im Mittelalter werden König, Bürgermeister, Ratsherren, Schöffen, Rektoren oder Dekane durch Wahlen bestimmt. Dabei wird anfangs meist von der Einstimmigkeit ausgegangen. Seit dem 12. Jh. ist eine Entwicklung zur Aufwertung der Einzelstimme erkennbar, die letztlich zur Anerkennung des Mehrheitsgrundsatzes führt. Im 19. Jh. entsteht allmählich die geheime, gleiche, allgemeine und unmittelbare W. (mit Wahlprüfungsverfahren), zu der auch die Frau zugelassen wird (Österreich 1918, Deutsches Reich 1919, England 1928, Frankreich 1944). Geregelt wird die W. in besonderen Wahlgesetzen oder Wahlordnungen. Unter- schieden werden dabei hauptsächlich Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahlrecht. Lit.: Köbler, DRG 18, 83, 109, 194, 225, 230, 257; Köbler, WAS; Gerlach, H. v., Die Geschichte des preußischen Wahlrechts, 1908; Hoyer, E., Die Selbstwahl vor, in und nach der Goldenen Bulle, ZRG GA 42 (1921), 1; Vollrath, W., Der parlamentarische Kampf um das preußische Dreiklassenwahlrecht, Diss. jur. Jena 1931; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Schlotterose, B., Die Ratswahlen, Diss. phil. München 1953 masch.schr.; Boyer, L., Wahlrecht in Österreich, Bd. 1 1961; Kurze, D., Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Milatz, A., Wähler und Wahlen in der Weimarer Republik, 2. A. 1968; Die Wahl der Parlamente und anderer Staatsorgane, Bd. 1 Europa, hg. v. Sternberger, D. u. a., 1969; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Reisinger, R., Die römisch-deutschen Könige und ihre Wähler 1198 bis 1273, 1977; Castorph, B., Die Ausbildung des römischen Königswahlrechtes, 1978; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Bd. 1f. 1979; Gaudemet, J., Les elections dans l'eglise, 1979; Reuling, U., Die Kur in Deutschland und Frankreich, 1979; Mackie, T./Rose, R., The international Almanac of Electoral History, 2. A. 1982; Lapp, P., Wahlen in der DDR, 1982; Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland, 1987; Wahlen und Wähler im Mittelalter, hg. v. Schneider, R. u. a., 1990; Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in Deutschland, 1991; Rohe, K., Wahlen und Wählertraditionen, 1992; Lässig, S., Wahlrechtskampf und Wahlreform in Sachsen, 1996; Wahlen und Wahlkämpfe in Deutschland, hg. v. Ritter, G., 1996; Nadig, W., Ardet ambitus, 1997; Rosenbusch, U., Der Weg zum Frauenwahlrecht in Deutschland,1998; Yakobson, A., Elections and Electioneering in Rome, 1999; Strafjustiz und DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1 Wahlfälschung, 2000; Müller, J., Symbol 89 ­ Die DDR-Wahlfälschungen, 2001; Wahlen und Wahlrecht, 2001; Hartenstein, W., Dem Wähler auf der Spur, 2002; Arsenschenk, R., Der Kampf um die Wahlfreiheit im Kaiserreich, 2003; Nanninga, F., Wählen in der Reichsgründungsepoche, 2004; Funk, R., Die Wahlprüfung, 2005 Wähler -> Wahl Wahlfeststellung ist die wahldeutige Verurteilung eines Täters aus zwei (oder mehr) Straftatbeständen, von denen zwar nur einer vorliegen kann, aber ungewiss ist, der von ihnen vorliegt. Die rechtsstaatlich fragwürdige W. wird im Deutschen Reich am 28. 6. 1935 zugelassen, nach 1945 aber grundsätzlich aufgegeben. Lit.: Köbler, DRG 236 Wahlkapitulation ist seit dem Mittelalter die älteren Wahlversprechen folgende, in der Lage vor der Wahl naheliegende Zusage eines Bewerbers an die Wähler für den Fall der Wahl in ein Amt (z. B. Venedig 1192, Papstwahl 1352 [22. 9. 1695 verboten], Heiliges Römisches Reich [deutscher Nation] 1519). Seit dem Westfälischen Frieden von 1648 vereinbaren die Kurfürsten im Namen der Reichsstände die 1711 als ständige W. gefasste W. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 147; Musatti, E., 845 Storia della promissione ducale, 1888; Siemsen, A., Kurbrandenburgs Anteil an den kaiserlichen Wahlkapitulationen von 1689 bis 1742, 1909; Iwand, Die Wahlkapitulationen, 1919; Haider, S., Die Wahlversprechen der römisch-deutschen Könige, 1968; Kleinheyer, G., Die kaiserlichen Wahlkapitulationen, 1968; Pick, E., Die Bemühungen der Stände um eine ständige Wahlkapitulation, 1969; Maier, K., Das Domkapitel von Konstanz, 1990; Empell, H., De eligendo regis vivente imperatore, ZNR 16 (1994), 11; Buschmann, A., Die Rechtsstellung des Kaisers, Gedächtnisschrift H. Hofmeister, 1996, 89 Wahlrecht ist objektiv die Gesamtheit der für eine -> Wahl geltenden Rechtssätze und subjektiv das Recht zu wählen (aktives W.) oder gewählt zu werden (passives W.). Im 19. Jh. gilt in Preußen z. B. (bis 1918) das -> Dreiklassenwahlrecht und sind in England nur etwa 5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung wahlberechtigt. -> Frauen erhalten das Wahlrecht in Australien 1902, in Finnland 1906, in der Sowjetunion 1917, im Deutschen Reich 1918, in Großbritannien 1928, in Frankreich 1944, in Italien 1946 und in der Schweiz 1971. Seit der Mitte des 19. Jh.s wird in Frankreich (erfolglos) ein Familienwahlrecht gefordert. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Boyer, L., Wahlrecht in Österreich, Bd. 1 1961; Schenk, H., Die feministische Herausforderung, 3. A. 1983; Kritzer, P., Zur bayerischen Wahlrechtsreform von 1906, Z. f. bay. LG. 48 (1985), 719; Ruszoly, J., Zwischen ständischer Repräsentation und Volksvertretung, ZRG GA 107 (1990), 409; Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Spalinger, A., Die Proporzbewegung während der dritten Republik Frankreichs, 2003; Bavaj, R., Reform statt Revolution, HZ 278 (2004), 683; Simon- Holtorf, Geschichte des Familienwahlrechts in Frankreich (1871 bis 1945), 2004 Wahlschuld ist die bereits dem römischen Recht bekannte Art der Schuld, bei der mehrere Leistungen in der Weise geschuldet werden, dass nur die eine oder die andere zu bewirken ist. Lit.: Kaser § 34 III 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Wahnsinn ist die laienhafte Benennung der Störung der Geistestätigkeit. -> Geisteskranker Wahrheit ist der mit Gründen einlösbare und insofern haltbare Geltungsausspruch über einen Sachverhalt. Die W. ist eine wichtige Grundlage der Freiheit und Gerechtigkeit (lat. in veritate libertas), die der Lügner und Betrüger bewusst zum eigenen Vorteil und zum fremden Schaden verlässt. In Untersuchungs- verfahren ist die Findung der W. Ziel des Verfahrens. Zeugen sind zur W. verpflichtet. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schwinge, E., Verfälschung und Wahrheit, 1988; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004 Währschaftsbuch ist seit dem Spätmittelalter die landschaftlich verbreitete Art des -> Grundbuches. Lit.: Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914 Wahrschaubrief ist das seit dem 14. Jh. in Nordosteuropa erscheinende, an Dritte gerichtete, mit der Wegnahme von Schiff und Gut im Fall der Unterstützung eines Feindes drohende Handelsverbot. Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur. Fankfurt am Main 1970 Währung ist das in der Gegenwart meist gesetzlich geregelte Zahlungsmittel eines Gemeinwesens. In der Zuständigkeit eines Staates steht es, seine Währung zu gestalten (z. B. durch Aufwertung oder Abwertung [Währungsreform Deutsches Reich 20./21. 6. 1948]). Möglich ist auch eine Währungsunion mehrerer Staaten durch Vertrag (z. B. Währungsunion zwischen Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik 1990, Europäische Währungsunion). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 50, 224, 249; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986 Waise ist das teilweise oder gänzlich elternlose -> Kind. Es erhält einen -> Vormund. In der frühen Neuzeit werden besondere Häuser für Waisen (Waisenhäuser) eingerichtet (Preußen 1885 396 Waisenhäuser mit 19000 Waisen). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Graetz, Beiträge zur Geschichte der Erziehung der Waisen, 1888; Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen Reich, 1995; Crespo, M., Verwalten und Erziehen, 2001; Waisenhäuser in der frühen Neuzeit, hg. v. Sträter, U., 2003 Waitz, Georg (Flensburg 9. 10. 1813-Berlin 25. 5. 1886) wird nach dem Studium von Recht und Geschichte in Kiel und Berlin Professor in Kiel (1842), Göttingen (1849) und Berlin 846 (1875). Er leitet die (lat.) Monumenta (N.Pl.) Germaniae Historica (1875-86). Seit 1844 veröffentlicht er eine achtbändige deutsche Verfassungsgeschichte. Walachai ist das Gebiet zwischen Karpaten und Donau, in dem 1330 ein von Ungarn gelöstes Fürstentum entsteht. Seit 1415 wird die W. von den -> Osmanen (Türken) abhängig. 1862 geht sie in -> Rumänien auf. Wald ist die mit Forstpflanzen bestückte Grundfläche einschließlich der Lichtungen und Waldwiesen. Der W. wird vom Menschen im Altertum nur am Mittelmeer intensiv genutzt und dabei an vielen Stellen beseitigt. Im Mittelalter wird er auch sonst durch Landesausbau bzw. Binnenkolonisation zurückgedrängt. Er ist teilweise königlich (-> Forst), teilweise grundherrschaftlich und teilweise genossenschaftlich bzw. gemeinschaftlich. Im 19. Jh. wird er vielfach in Einzeleigentum aufgeteilt. Das Betreten des Waldes ist Gemeingebrauch. Lit.: Hoops, J., Waldbäume und Kulturpflanzen, 1905, Neudruck 1965; Merz, W., Die Waldungen der Stadt Zofingen, 1922; Weiß, L., Studien zur Geschichte der Zürcher Stadtwaldungen, 1924; Graner, F., Geschichte der Waldgerechtigkeiten im Schönbuch, 1929; Deck, S., Étude sur la Fort d'Eu, 1929; Faesch, J., Die Waldrechte der Hubengenossenschaft Schwamendingen, 1931; Westermann, H., Die Forstnutzungsrechte, 1942; Erler, A., Bäuerliche Waldgerechtsame an der Schwanne im Odenwald, ZRG GA 65 (1947), 348; Hopf, C., Waldnutzung und Waldwirtschaft, Diss. jur. Jena 1952; Frank, G., Die rechtshistorische Entwicklung der Forstrechte im Chiemgau, Diss. jur. München 1957; Kieß, R., Die Rolle der Forsten im Aufbau des württembergischen Territoriums, 1958; Mager, F., Der Wald in Altpreußen als Wirtschaftsraum, 1960; Egli, J., Der Erlosenwald, 1963; Kern, H., Das Kirchspiel Altensteig, 1966; Brandl, H., Der Stadtwald von Freiburg, 1970; Wobst, A., Der Markwald, 1971; Wörlen, R., Waldeigentümergemeinschaften, 1981; Hasel, K., Forstgeschichte, 1986; Knöppel, V., Forstnutzungsrechte, Diss. jur. Marburg 1988; Der Wald, hg. v. Semmler, J., 1991; Epperlein, S., Waldnutzung, 1993; Küster, H., Geschichte des Waldes, 1998; Below, S. v., Wald, 1998; Die Waldordnungen des Erzstiftes Salzburg, hg. v. Pallauf, S. u. a. 2001; Demandt, A., Über allen Wipfeln, 2002; Rohland, S./Noack, H., das holz all der dorfer gemeyne, 2004; Grewe, B., Der versperrte Wald, 2004 Waldeck Lit.: Weigel, D., Fürst, Stände und Verfassung im frühen 19. Jahrhundert, 1968 Wales ist die westliche Halbinsel Britanniens, auf der sich nach dem Abzug der Römer im 5. Jh. britische -> Kelten zu halten vermögen. 1091 kommt der Süden unter die Herrschaft Englands. 1277/1282/1284 wird das Gebiet ganz in -> England eingegliedert. 1999 erhält es eine eigene Versammlung mit beschränkten eigenen Rechten (ohne eigenen finanziellen Spielraum). Lit.: Seebohm, F., The tribal system in Wales, 1904; The Welsh Law of Women, hg. v. Jenkins, D. u. a., 1980; Sager, P., Wales, 1985; The Law of Hywel Dda, hg. v. Jenkins, D., 1986 Walkenried Lit.: Urkundenbuch des Klosters Walkenried, bearb. v. Dolle, J., 2002 Wallfahrt Lit.: Wallfahrt und Volkstum in Geschichte und Leben, hg. v. Schreiber, G., 1934; Wallfahrt und Recht im Abendland, 1987 Wallis ist der um das 1032 an das deutsche Reich gelangte oberste Tal der Rhone gebildete zugewandte Ort (1475) bzw. Kanton (1814) der -> Schweiz. Lit.: Heusler, A., Rechtsquellen des Cantons Wallis, 1890; Stebler, F., Ob den Heidenreben, 1901; Stebler, F., Das Goms, 1903; Grenat, P., Histoire moderne du Valais, 1904; Liebeskind, W., Bischof Walters II. auf der Flüe Landrecht und Gerichtsordnung, 1930; Kämpfen, W., Ein Burgerrechtsstreit im Wallis, 1942; Werra, R. v., Die Vormundschaft über Unmündige nach dem Rechte der alten Landschaft Wallis, Blätter aus der Walliser Geschichte 2 (1953), 165; Niederer, A., Gemeinwerk im Wallis, 1956; Partsch, G., Das Mitwirkungsrecht der Familiengemeinschaft im älteren Walliser Recht, 1955; Carlen, L., Das Landrecht des Kardinals Schiner, 1955; Carlen, L., Rechtsaltertümer aus dem Wallis, 1967; Carlen, L., Gericht und Gemeinde im Goms, 1967; Carlen, L., Beiträge zur Walliser Rechtsgeschichte, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,465, 3,2,1886; Sulser, M., Die Zivilgesetzgebung des Kantons Wallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1976; Julen, T., Das Bürgerrecht im Oberwallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1978; Carlen, L., Kultur des Wallis 1500-1800, 1984; Carlen, L., Näherrechte im Wallis, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 52; Troger, T., Geschichte der Verfassung des Kantons Wallis, Diss. 847 jur. Freiburg im Üchtland, 1987; Carlen, L., Walliser Rechtsgeschichte, 1993 (Aufsätze); Carlen, L., Das Wallis vor 150 Jahren, Bll. aus der Walliser Geschichte 31 (1999), 77; Schnyder, C., Reformation und Demokratie im Wallis (1524-1613), 2002 Wallonien (französischsprachiges Gebiet Belgiens) Walser ist ein seit dem 13. Jh. aus dem -> Wallis ausgewanderter, im Süden, in Graubünden und in Vorarlberg (z. B. Kleines Walsertal) zu ziemlich freiem Recht angesiedelter, katholischer Alemanne. Lit.: Branger, E., Rechtsgeschichte der freien Walser in der Ostschweiz, 1905; Liver, P., Mittelalterliches Kolonistenrecht und freie Walser in Graubünden, 1943; Ilg, K., Die Walser in Vorarlberg, Bd. 1f. 1948ff.; Balmer, E., Die Walser im Piemont, 1949; Kreis, H., Die Walser, 1958; Zinsli, P., Walser Volkstum, 6. A. 1991; Rizzi, E., Geschichte der Walser, 1993 Walther (zu Walthersweil), Bernhard (Leipzig 1516-Graz 5. 12. 1584), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig, Bologna (Alciat) und Pavia 1514 Professor in Wien, 1547 Rat in Niederösterreich und 1556 Kanzler. In seinen der Anleitung herrschaftlicher Tätigkeiten dienenden, 1716 gedruckten Traktaten gibt er eine Darstellung der Verbindung von einheimischem und ergänzendem römischem Recht. Lit.: Köbler, DRG 143; Baltl/Kocher; Bernhard Walthers privatrechtliche Traktate, hg. v. Rintelen, M., 1937; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 39, 369 Wandale -> Vandale Wandlung ist die Rückgängigmachung des Kaufes wegen eines Mangels der Kaufsache. Sie entstammt der Tätigkeit der kurulischen Ädile als Marktaufseher in Rom, die beim Kauf von Sklaven und später auch Zugtieren bei gewissen Mängeln innerhalb kurzer Fristen dem Käufer nach seiner Wahl entweder die Rückgewährung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Kaufsache (lat. -> actio [F.] redhibitoria) oder die Minderung (lat. -> actio [F.] quanti minoris) verheißen. Seit dem Spätmittelalter wird die W. aus dem römischen Recht aufgenommen, in Deutschland aber 2002 durch den Rücktritt ersetzt. Lit.: Kaser § 41 VI; Söllner § 9; Hübner; Köbler, DRG 46, 165, 215; Lederle, R., Mortuus redhibetur, Diss. jur. Mannheim 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Wappen ist seit dem 16. Jh. die Bezeichnung für das im 12. Jh. entstehende, seit dem 13. Jh. individualisierte farbige Erkennungszeichen des gerüsteten und damit unkenntlich gewordenen Ritters. -> Adler, Heraldik Lit.: Siebmacher, J., Großes und allgemeines Wappenbuch, neu hg. 1854ff., Neudruck 1970ff.; Seyler, G., Geschichte der Heraldik, 1885ff., Neudruck 1970; Hauptmann, F., Das Wappenrecht, 1896; Beck, E., Grundfragen der Wappenlehre, 1931; Demandt, K./Renkhoff, O., Hessisches Ortswappenbuch, 1956; Zier, H., Wappenbuch des Kreises Bühl. 1964; Wappenfibel, 15. A. 1967; Neubecker, O./Rentzmann, W., Wappen-Bilder-Lexikon, 1974; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Waldner, H., Die ältesten Wappenbilder, 1992 Ware ist die bewegliche, vom Kaufmann veräußerte Sache. -> Kauf, -> Handelsrecht Warenmarke ist eine -> Marke für eine -> Ware. Im 19. Jh. wird das Recht der W. gesetzlich geregelt (Deutsches Reich 1874 Markenschutzgesetz). Eine europäisierende, das Warenzeichengesetz zum 31. 12. 1994 ablösende Neugestaltung (Marke) erfolgt zum 1. 1. 1995. Lit.: Kohler, J., Das Recht des Markenschutzes, 1884; Müller, K., Ein Warenzeichenschutzprozess um 1500 (Schwäbisch Gmünd), ZRG GA 55 (1935), 244, Ilgenfritz, H., Das Warenzeichenrecht der Stadt Nürnberg, 1954; Deutsch, E., Sortenname und Warenzeichen, Diss. jur. Heidelberg 1953; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Bd. 1f. 1977ff.; Henning-Bodewig, F./Kur, A., Marke und Verbraucher, Bd. 1f. 1988 Warenzeichen -> Warenmarke wargus (lat.-germ. [M.]) Würger, Wolf, Verbrecher Lit.: Unruh, G. v., Wargus. Friedlosigkeit und magisch- kulturelle Vorstellungen bei den Germanen, ZRG GA 74 (1954), 1; Jacoby, M., wargus, 1974; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991, 472 Warnkönig, Leopold August (1794-1866), Steuereinnehmerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Heise, Thibaut, Zachariä) und Göttingen (Hugo) 1817 Professor in Lüttich, 1821 in Löwen, 1831 in Genf, 1836 in Freiburg im Breisgau und 1844 in Tübingen. 1835ff. legt er eine dreibändige Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte, 1845 848 eine dreibändige französische Staats- und Rechtsgeschichte vor. Er bringt damit das Gedankengut der historischen Rechtsschule nach Belgien. Lit.: Wild, G., Leopold August Warnkönig, 1961 Warren, Earl (1891-1974), skandinavischer Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Kalifornien 1914 Anwalt, 1919 Staatsanwalt, 1946 Gouverneur und 1953 Vorsitzender des amerikanischen Supreme Court. 1954 verfasst er das die Rassentrennung in öffentlichen Schulen für verfassungswidrig erklärende, einstimmig gefällte Urteil. Auch in anderen bedeutsamen Entscheidungen sichert er Freiheit und Gleichheit. Lit.: Pollack, J., Earl Warren, 1979; White, G., Earl Warren, 1982 Warschau an der mittleren Weichsel wird 1241 als Siedlung erwähnt. Es erhält wohl vor 1339 Stadtrecht. Ab 1596 ist es Sitz des Königs von -> Polen. 1815 erhält es im mit Russland in Personalunion vereinigten Königreich Polen (Kongresspolen) eine Universität. 1943/1944 wird W. weitgehend zerstört. Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2 2107,2111, 3,3,3506,3508; Huber, W., Warschau, 2005 Wartburgfest ist das nationalliberal geprägte Treffen von etwa 500 Vertretern deutscher Universitäten (darunter viele Jenaer Studenten) am 18. 10. 1817 auf der Wartburg bei Eisenach, an dessen Ende konservative Schriften und der Code Napoléon verbrannt werden. Daraufhin verbietet Preußen studentische Verbindungen an den Universitäten. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Tümmler, H., Ein Haufen verwilderter Professoren, 1974; Badstübner, E., Die Wartburg, 1994; Das Wartburgfest, hg. v. Dedner, B., 1994 Wartrecht -> Erbenwartrecht, -> Näherrecht Was dem einen recht ist, das ist dem anderen billig. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 274 (Franck 1541) Wasser ist die für das irdische Leben bedeutsamste Flüssigkeit. Schon früh werden große Gewässer der Allgemeinheit bzw. später dem Staat, kleine Gewässer mit dem angrenzenden Grundstück Einzelnen zugeordnet. Seit dem 19. Jh. wird das W. nach mittelalterlich-städtischen Anfängen immer stärker rechtlich erfasst (Teil des deutschen Privatrechts), gesetzlich geregelt (preußisches Allgemeines Landrecht von 1794, Landeswassergesetze, Wasserverbandverord- nung vom 3. 9. 1937, Wasserhaushaltsgesetz 1960) und als schützenswertes Umweltgut angesehen. Im Mittelalter ist die Wasserprobe eine Form des Gottesurteils. -> Meer, -> Mühle, -> Stromregal Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 205; Ossig, A., Römisches Wasserrecht, 1885; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Geffcken, H., Zur Geschichte des deutschen Wasserrechts, ZRG GA 21 (1900), 173; Peterka, O., Das Wasserrecht der Weistümer, 1905; Aström, A., Über das Wasserrecht in Nord- und Mitteleuropa, 1905; Zollinger, K., Das Wasserrecht der Langeten, 1906; Motzfeldt, U., Den norske Vasdragsrets Historie, 1908; Köttgen, A., Grundprobleme des Wasserrechts, 1925; Flachsbarth, O., Geschichte der Goslarer Wasserwirtschaft, 1928; Haff, K., Ein verschollenes Wasserrechtsweistum, ZRG GA 52 (1932), 336; Haff, K., Über die alten Wasserrodegenossenschaften im Etschtale, ZRG GA 58 (1938), 810; Beeg, H., Die Entwicklung des Wasserkraftrechts vom 14. bis zum 19. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971;Breuer, R., Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. A. 1987; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Benning, R., Die Verwaltung der Wasserstraßen, Diss. jur. Bonn 1994; Sieder, F. u. a., Kommentar zum Wasserhaushaltsgesetz, 3. A. 1995; Olmer, B., Wasser, 1998; Geißler, K., Die öffentliche Wasserversorgung im römischen Recht, 1998; Rönnau, C., Die Beratungen des Wasserrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht zu einem Reichswassergesetz (1934-1941), 2001; Ausschuss für Wasserrecht 1934-1941, hg. v. Schubert, W. u. a., 2004 Wasserburg Lit.: Burkard, T., Wasserburg und Kling, 1965 Wasserzeichen Lit.: Weiß, W., Thüringer Papiermühlen und ihre Wasserzeichen, 1953; Die Kronen-Wasserzeichen, bearb. v. Piccard, G., 1961 Waterrecht ist die gotländische Fortführung der flämischen -> Vonnisse von Damme. Lit.: Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997 watschar (mhd.) freigewordener Gemein- 849 schaftsanteil, Abgabe Lit.: Hübner § 21 Weber, Marianne (Oerlinghausen/Lippe 2. 8. 1870-Heidelberg 12. 3. 1954), geb. Schnitger, Arztstochter, wird nach der Heirat mit (dem als Cousin zweiten Grades verwandten) Max -> Weber und dem Studium der Philosophie und Sozialwissenschaften Frauenrechtlerin. Seit 1900 erforscht sie die ,,Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung" (1907). Ziel ist eine aufklärend-wertende Geschichtsbetrachtung. Lit.: Max Weber. Ein Lebensbild, 1989; Borchert, M./Buchholz, S., Marianne Weber, in: Überlieferung, Bewahrung und Gestaltung, hg. v. Buchholz, S. u. a., 1993, 23; Hennis, W., Max Weber und Thukydides, 2003; Marianne Weber, hg. v. Meurer, B. 2004 Weber, Max (Erfurt 21. 4. 1864-München 14. 7. 1920), Politikerssohn, mütterlicherseits aus einer der reichsten deutsch-englischen Familien, wird nach dem Studium von Recht, Wirtschaft, Geschichte und Philosophie in Heidelberg, Straßburg, Berlin und Göttingen Professor in Berlin (1893), Freiburg im Breisgau (1894), Heidelberg (1897) sowie nach längerer Erkrankung Wien (1918) und München (1919). Im Mittelpunkt seiner überwiegend soziologischen Arbeiten stehen Studien über das Verhältnis von Religion, Wirtschaft und Gesellschaft. Mit Hilfe von Idealtypen versucht er deutend die gesellschaftliche Wirklichkeit zu erschließen. Den Entwicklungsvorgang der Industriegesell- schaft versteht er als Entzauberung. Lit.: Köbler, DRG 228; Loos, F., Zur Wert- und Rechtslehre Max Webers, 1970; Mommsen, W., Max Weber, 1974; Hilterhaus, F., Zum Rechtsbegriff in der Soziologie Max Webers, 1965; Speer, H., Herrschaft und Legitimität, 1978; Weber, M., Max Weber, 3. A. 1984; Zur Rechtssoziologie Max Webers, hg. v. Breuer, S. u. a., 1984; Hennis, W., Max Webers Fragestellungen, 1987; Schöllgen, G., Max Weber, 1998; Hecht, M., Modernität und Bürgerlichkeit, 1998; Tenbruck, F., Das Werk Webers, 1998; Hecht, M., Modernität und Bürgerlichkeit, 1998; Roth, G., Max Webers deutsch- englische Familiengeschichte 1800-1950, 2001; Max Webers Herrschaftssoziologie, hg. v. Hanke, E./Mommsen, W., 2001; Ringer, F., Max Weber, 2004 Wechsel ist die besonders strengen gesetzlichen Formvorschriften unterliegende Urkunde, in der eine oder mehrere gegenüber einem Grundgeschäft abstrakte Zahlungs- verpflichtungen verbrieft sind. Der W. entsteht im 13. Jh. in Oberitalien zur Sicherung des Zahlungsverkehrs vor Überfällen auf Geldstückbeförderungen. Er breitet sich rasch aus. Seit dem Ende des 16. Jh.s kann er durch Vermerk auf der Rückseite (-> Indossament) leicht weitergegeben werden. Zahlreiche partikulare Wechselordnungen versuchen eine Regelung der mit ihm verbundenen Fragen. Ihre Vereinheitlichung im Deutschen Bund strebt die Allgemeine Deutsche Wechselordnung (1848) an. Eine Übereinkunft der Genfer Wechselrechtskonferenz von 1930 führt zu weiterer Internationalisierung (Deutsches Reich 1. 1. 1934 Wechselgesetz). Tatsächlich tritt der W. aber allmählich hinter den Kontokorrentkredit zurück. Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 128, 167; Mittermaier, C., Über den Zustand der Gesetzgebung, AcP 25 (1842), 114, 284, 26 (1843), 114, 446, 27 (1844), 120; Protocolle der zur Beratung einer Allgemeinen Deutschen Wechselordnung ..., 1848; Canstein, R. v., Lehrbuch des Wechselrechts, 1890; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Schaube, A., Einige Beobachtungen zur Entstehungsgeschichte der Tratte, ZRG GA 14 (1893), 111; Freundt, C., Das Wechselrecht der Postglossatoren, 1899ff.; Valery, J., Une treite de Philippe Le Bel, 1909; Nicolini, U., Studi storici sul pagheró cambiario, 1936; Holden, J., The History of Negotiable Instruments, 1955; Cassandro, G., Vicende storiche della lettera di cambio, Bolltettino dell'Archivio storico del Banco di Napoli 1955; Dabin, L., Fondements du droit cambiaire allemand, 1959; Urfus, V., (Die Anfänge des Wechselrechts in den böhmischen Ländern und die Anfänge des neuzeitlichen Handelsrechts), 1959 (deutsche Zusammenfassung); Sedatis, L., Über den Ursprung der Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,844, 3,3,2,893; Remde, A., Lettera di cambio und suftada, Diss. jur. Köln 1987; Huber, U., Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978, 77; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, ZHR 144 (1980), 484; Wesenberg, G./ Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 224; Bergfeld, C., Deutsches und schweizerisches Wechselrecht, FS H. Thieme, 1986; Denzel, M., La Practica della Cambiatura, 1994; Riedi Hunold, D., Die 850 Einführung der allgemeinen Wechselfähigkeit in der Schweiz, 2004 Wechselrecht -> Wechsel wederstadinge (mnd. [F.]) Wiedererstattung, Gegenwert Weg ist die zum regelmäßigen Gehen oder Fahren benutzte oder bestimmte Erdoberfläche. Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die Wegeverwaltung in Preußen, Bd. 1f. 1890; Friehe, H., Wegerecht und Wegeverwaltung in der alten Grafschaft Schaumburg, 1971 Wegfall der Geschäftsgrundlage ist das Entfallen der vorausgesetzten Umstände eines Geschäftes. Der W. d. G. wird in Deutschland im 20. Jh. als Nachfolger der sog. (lat.) clausula (F.) rebus sic stantibus zur Erfassung unvorhergesehener Verläufe entwickelt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 270 Wegsperre (lat. via [F.] lacina) ist vor allem im Frühmittelalter die Versperrung eines Weges, die als bußpflichtiges Verhalten eingeordnet wird. Lit.: Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973 wehading (ahd. [N.]) Zweikampf Wehr Lit.: Krogmann, W., Mit Wehr und Waffen, ZRG GA 83 (1966), 280 Wehrdienst ist der seit der allgemeinen Wehrpflicht des 19. Jh.s (Preußen 1814) erscheinende Dienst als Soldat bei den Streitkräften. Lit.: Baltl/Kocher; Müller, T., Die Wehrverfassung des Dritten Reiches und die DDR, 1998; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u. a., 1998; Wehrmacht und Vernichtungspolitik, hg. v. Pohl, K., 1999 Wehrersatzkommission ist die in Preußen seit dem 18. Jh. (1743, 1764, 1793, 1814) eingeführte Behörde für Musterungen und Festlegungen der Reihenfolge der Verfügbarkeit. Lit.: Jähns, M., Geschichte der Kriegswissenschaft, Bd. 3 1891, Neudruck 1966; Witte, F., Die rechtliche Stellung der Bundeswehrverwaltung, 1963 Wehrmacht s. Heer Lit.: Hartmann, C. u. a., Verbrechen der Wehrmacht, 2005; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005 Wehrpflicht ist die Pflicht, dem Staat als Soldat zu dienen. Sie erscheint als Ausgleich der demokratischen Teilhabe am Staat seit dem späten 18. Jh. (Frankreich 1793, Preußen 3. 9. 1814). Lit.: Baumann, W., Die Entwicklung der Wehrpflicht in der schweizerischen Eidgenossenschaft 1803-1874, 1932, Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Böhme, H., Die Wehrverfassung in Hessen-Kassel, 1954; Händel, H., Der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht in der Wehrverfassung des Königreiches Preußen, Diss. jur. Bonn 1961; Die Wehrpflicht, hg. v. Foerster, R., 1994; Frevert, U., Militärdienst und Zivilgesellschaft in Deutschland, 2001; Fritsche, M., Entziehungen, 2004 Weibel (M.) Büttel, Fronbote, Gerichtsdiener Lit.: Müller, W., Die Weibelhuben, ZRG GA 83 (1966), 202 (bisher 39 Weibelhuben in Südwestdeutschland ab 12. Jh. bekannt) Weiberlehen ist das seit dem 12. Jh. nachweisbare, später weiter verbreitete, jedoch stets als Abweichung vom Grundsatz verstandene Lehen an eine Frau (z. B. Österreich 1156). Bei der Erbfolge gilt die weibliche Lehnsfolge als subsidiär. Lit.: Bovet, S., Die Stellung der Frau, Diss. jur. Basel 1927; Ermolaef, A., Die Sonderstellung der Frau, Diss. jur. Bern 1930; Ven, G. van der, Die Entwicklung der weiblichen Erbfolge, Diss. jur. Marburg 1949; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Iblher von Greiffen, N., Die Lehenserbfolge in weiblicher Linie, 1990 Weichbild (lat. forma [F.] vici?) ist die Art und das Recht einer geschlossenen Siedlung in Norddeutschland seit dem 12. Jh. (1170 Westfalen). Damit werden später das Stadtrecht und das Stadtgebiet bezeichnet. Sachlich ist mit W. vor allem eine besondere Erbleihe angesprochen. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 104; Kroeschell, K., Weichbild, 1960; Kroeschell, K., Stadtgründung und Weichbildrecht, 1960; Köbler, G., Civitas und vicus, in: Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, 1973, 61; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Wik und Weichbild, ZRG GA 95 (1978), 121 Weichbildglosse ist die im 14. Jh. vermutlich in Magdeburg verfasste mittelniederdeutsche Glossierung des sächsischen Weichbildrechts (Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung). Eine ursprüngliche Fassung des sich auf einen Dr. decretorum unde legum Burchard von Mangel- felt zurückführenden, stark römischrechtlich durchsetzten Werkes liegt in 10 Handschriften vor, eine erweiterte Fassung in 5 Hand- 851 schriften. Hinzu kommen zwei Sonderformen. Lit.: Das sächsische Weichbildrecht, hg. v. Daniels, A. v. u. a., 1857; Steffenhagen, E., Deutsche Rechtsquellen in Preußen, 1875; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 75 Weichbildrecht (Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung) ist das vielleicht zwischen 1257-1261 (1241-1269) in Magdeburg (oder Halle) unter freier Benutzung des -> Sachsenspiegels niedergeschriebene Rechts- buch, das später mehrfach ergänzt und im letzten Drittel zur Weichbildvulgata erweitert wird. Lit.: Laband, P., Magdeburger Rechtsquellen, 1869, 32; Oppitz, D., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47 Weichbildvulgata ist das im letzten Drittel des 13. Jh.s aus -> Weichbildrecht, einer Weichbildchronik und Schöffenrecht mit Auszügen aus dem -> Sachsenspiegel und anderen Quellen entstandene Rechtsbuch in 136 Artikeln. Lit.: Das buk wichbilderecht, hg. v. Daniels, A. v., 1853; Das sächsische Weichbild, hg. v. Daniels, A. v. u. a., 1857; Oppitz, D., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47 Weiderecht (Hutrecht) ist das in Mittelalter und früher Neuzeit weitverbreitete Recht, Vieh auf eine Weide zu treiben. Es ist vielfach in Weistümern näher geregelt. Im 19. Jh. werden viele Weiderechte aufgehoben. Lit.: Hübner; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948, 82; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962, 170; Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Heindl, M., Die Ablösung der Weiderechte, Diss. jur. Regensburg, 1995 Weidlich, Christoph (Schafstädt bei Magdeburg 1713­Halle 1781) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (Nettelbladt) sächsischer Rat und Advokat. Er veröffentlicht seit 1748 biographische Notizen von Juristen seiner Zeit. Weigel, Erhard (Weiden 16. 12. 1625-Jena 21. 4. 1699) befasst sich als Professor der Mathematik in Jena mit der Anwendung der mathematischen Methode (lat. mos [M.] geometricus) auf Ethik, Politik und Recht. Obwohl er über bloße Zahlenspielerei nicht hinausgelangt, beeinflusst er -> Pufendorf und - > Leibniz. Pufendorf bezieht von ihm die Anregung allgemeiner Teile der Rechts- wissenschaft. Lit.: Spieß, E., Erhard, Weigel, 1881; Stephanitz, D. v., Exakte Wissenschaft und Recht, 1970; Denzer, H., Moralphilosophie und Naturrecht, 1972 Weimar an der Ilm ist die 975 erstmals erwähnte Burg, die 1382 Sitz einer Linie des Hauses -> Wettin wird. Berühmt wird W. durch die dortige Tätigkeit -> Goethes. 1919 wird Weimar Tagungsort der deutschen Nationalversammlung, die am 14. 8. 1919 eine -> Verfassung für das Republik gewordene Deutsche Reich verabschiedet (Grundrechte). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Steinfeld, T., Weimar, 1988; Merseburger, P., Mythos Weimar, 1998; Boden, R., Die Weimarer Nationalversammlung und die deutsche Außenpolitik, 2000; Die Weimarer Stadtbücher, hg. v. Steinführer, H., 2005 Weimarer Nationalversammlung -> Weimar Weimarer Reichsverfassung ist die von dem linksliberalen Berliner Staatsrechtler Hugo -> Preuß seit 15. 11. 1918 entworfene und am 14. 8. 1919 von der Weimarer Nationalver- sammlung (9,6 Prozent Frauen) verabschiedete Verfassung des Deutschen Reiches. Ihre 181 Artikel gliedern sich in einen Organisationsteil (1-108) und einen Grundrechtsteil (109-165). Danach ist das Reich ein unitarischer Bundesstaat mit zuletzt 17 Ländern (Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Thüringen, Oldenburg, Braunschweig, Meck- lenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Anhalt, Bremen, Hamburg, Lübeck, Lippe, Schaumburg-Lippe). Es ist eine Republik, in der alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, das Volk Volksentscheide und Volksbegehren durchführen kann und in allgemeinen, direkten, gleichen und geheimen Wahlen den Reichspräsidenten und den Reichstag (Verhältniswahlrecht mit 60000 Stimmen pro Abgeordneten) bestimmt. Der Reichstag ist zuständig für die Gesetzgebung. Der Reichs- präsident ist Staatsoberhaupt und regiert durch den Reichskanzler und die Reichsminister, die des Vertrauens des Reichstages bedürfen. Er hat ein Notverordnungsrecht und kann den Reichstag auflösen. Oberstes Gericht ist das Reichsgericht. Reichsrecht bricht Landesrecht. Die Ausführung der Gesetze steht den Ländern zu. Die Gerichtsbarkeit ist weitgehend Sache der Länder. Die Grundrechte sind in erster 852 Linie Programmsätze. Die W. R. endet am 30. 1. 1933 bzw. allmählich zwischen dem 28. 2. 1933 und dem 30. 1. 1934 durch Aushöhlung. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Bracher, D., Die Entstehung der Weimarer Verfassung, 1963; Apelt, W., Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. A. 1964; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 37; Gusy, C., Die Weimarer Reichsverfassung, 1997; Achtzig Jahre Weimarer Reichsverfassung, hg. v. Eichenhofer, E., 1999; Fromme, F., Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz, 3. A. 1999; Schau, G., Das Verhältnis von Verfassung und einfachem Recht, 2002; Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004 Weimarer Republik ist der nichtamtliche Name für das Deutsche Reich vom 9. 11. 1918 bzw. 14. 8. 1919 bis zur Ernennung Adolf Hitlers als Reichskanzler am 30. 1. 1933. Die als Folge des Versailler Vertrages an erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten leidende W. R. ist zwar demokratisch verfasst, aber in der politischen Wirklichkeit instabil, weil sich große Teile der Bevölkerung, insbesondere auch die politisch bestimmende Klasse, nicht mit dem Staat identifizieren. Die wirtschaftlichen Krisen verunsichern die Bevölkerung und treiben sie auf der Grundlage der immer weiter um sich greifenden Überzeugung, dass eine vollständige Umkehr unvermeidlich und eine neue Ordnung unentbehrlich sei, den extremen Parteien zu, von denen 1932 die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) Adolf -> Hitlers stärkste Partei des Reichstages wird. Im Januar 1933 versucht der im November 1932 gestürzte Reichskanzler Franz von Papen mit dem durch Wahlniederlagen in Thüringen und Sachsen geschwächten Hitler an die Macht zurückzukehren. Mit Hitler endet die W. R. durch die Diktatur des -> Dritten Reiches. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Braun, O., Von Weimar zu Hitler, 3. A. 1949; Akten der Reichskanzlei Weimarer Republik, Bd. 1f. 1968ff.; Rosenberg, A., Geschichte der Weimarer Republik, 12. A. 1971; Heiber, A., Die Republik von Weimar, 5. A. 1971; Bracher, K., Die Auflösung der Weimarer Republik, 5. A. 1971; Meinck, J., Weimarer Staatslehre und Nationalsozialismus, 1978; Das Ende der Weimarer Republik, hg. v. Gessner, D., 1978; Ambrosius, G., Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, 1984; Kolb, E., Die Weimarer Republik, 3. A. 1998; Die Weimarer Republik, hg. v. Bracher, K. u. a., 1987; Weimar-Index. Deutscher Reichsanzeiger und preußischer Staatsanzeiger, Register 1918-1933, bearb. v. Schumacher, M., 1988; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, hg. v. Benz, W. u. a., 1988; Winkler, H., Weimar 1918-1933, 2. A. 1994; Rückert, A., Politik und Privatrecht, 1997; Hoppe, B., Von der parlamentarischen Demokratie zum Präsidialstaat, 1999; Lehnert, D., Die Weimarer Republik, 1999; Demokratisches Denken in der Weimarer Republik, hg. v. Gusy, C., 2000; Wirsching, A., Die Weimarer Republik, 2000; Gessner, D., Die Weimarer Republik, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik, 2002; Scheidemann, P., Das historische Versagen der SPD, 2002; Die Weimarer Republik, hg. v. Fröhlich, M., 2002; Linke Juristen in der Weimarer Republik, hg. v. Gangl, M., 2003; Marcowitz, R., Weimarer Republik 1929-1933, 2004; Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004 Wein ist das aus der Frucht des Weinstocks erzeugte, schon den Römern bekannte alkoholische Getränk. Die Römer kennen auch bereits die Weinverfälschung. Im Mittelalter erscheint der W. bei Abschluss von Kaufverträgen. Rechtlich wird die Herstellung von W. vor allem seit dem 19. Jh. (1892, 1901, 1909, 1930, 1971, 1982, 1992) genauer geordnet. Lit.: Hübner; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 306; Bassermann-Jordan, F. v., Geschichte des Weinbaues, 2. A. 1923; Mell, A., Das steirische Weinbergrecht und dessen Kodifikation im Jahre 1543, 1928 (SB Wien); Beyerle, F., Weinkauf und Gottespfennig, FS A. Schultze, 1934, 251; Herold, H., Rechtsverhältnisse im schweizerischen Weinbau, 1936; Rieger, R., Die Weinfälschung im Strafrecht, 1949; Gönnenwein, O., Zur Geschichte des Weinbaurechts, ZRG GA 80 (1963), 157; Koch, H, Weintrinker und Weingesetz, 1970; Zipfel, W., Weinrecht, 1972; Schoene, R., Bibliographie zur Geschichte des Weines, 1976; Schreiber, G., Deutsche Weingeschichte, 1980; Freund, G., Die Reichspolizeiordnungen, ZNR 11 (1989), 1; Koch, H., Das neue Weingesetz, NJW 1994, 2880; Kiewisch, S., Obstbau und Kellerei in lateinischen Fachprosaschriften, 1995; Dippel, H., Hundert Jahre deutsches Weinrecht, ZNR 20 (1998); Weinproduktion und Weinkonsum im Mittelalter, hg. v. Matheus, M., 1999; Wunderer, R., Weinbau und Weinbereitung im 853 Mittelalter, 2001; Koch, H., Neues vom Weinrecht, NJW 2004, 2135 Weißenburg im Elsass ist die an der Lauter in der zweiten Hälfte des 7. Jh.s gegründete Benediktinerabtei, die zahlreiche Gaben schon früh beurkundet (Chartular von 855/860, mehr als 250 Urkunden, rund 70 nachweisbare Schreiber). Daneben entwickelt sich eine Reichsstadt. 1672 wird W. von Frankreich annektiert. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Traditiones Wizen- burgenses, hg. v. Doll, A., 1979 Weistum ist das durch mündliche Erklärung (Weisung) alter Männer als bestehend erwiesene Gewohnheitsrecht. Nach dem Vorbild des (lat.) Pactus (M.) legis Salicae nimmt man an, dass große Teile der -> Volksrechte als W. zur Schriftform gefunden haben. Seit dem Hochmittelalter werden verallgemeinernd die ländlichen und dörflichen Rechtsquellen als Weistümer bezeichnet. Ihre Aufzeichnung findet vor allem in Spätmittelalter und Frühneuzeit statt. Ihr Inhalt kann auf bewusster Setzung, Vereinbarung oder gewohnheitsmäßiger Anerkennung beruhen. Die Setzung kann durch einen Herrn oder die Betroffenen geschehen. Sie kann als Privileg oder mit allgemeiner Geltungskraft erfolgen. Die moderne Erforschung der Weistümer beginnt mit der Sammlung der Weistümer durch Jakob Grimm (1840). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 102, 104; Weistümer, hg. v. Grimm, J., Bd. 1ff. 1840ff.; Österreichische Weistümer, Bd. 1ff. 1870ff.; Die Weistümer der Rheinprovinz, Bd. 1ff. 1900ff.; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Kurkölnische Weistümer, hg. v. Aubin, H. u. a., Bd. 1ff. 1913ff.; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1ff. 1917ff.; Patzelt, E., Entstehung und Charakter der Weistümer in Österreich, 1924, Neudruck 1979; Wießner, H., Sachinhalt und wirtschaftliche Bedeutung der Weistümer, 1934; Finsterwalder, P., Beiträge zur Kenntnis oberelsässischer Weistümer, ZRG GA 56 (1936), 380; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in der Kurpfalz, 1937; Gehring, P., Um die Weistümer, ZRG GA 60 (1940), 261; Oberösterreichische Wistümer, Bd. 1ff. 1939ff.; Kollnig, K., Elsässische Weistümer, , 1941; Baltl, H., Die österreichischen Weistümer, MIÖG 59 (1951), 365, 61 (1953), 38; Fränkische Bauernweistümer, hg. v. Dinklage, K., 1954ff.; Pfälzische Weistümer, hg. v. Weizsäcker, W. u. a., Bd. 1ff. 1957ff.; Müller, W., Die Offnungen der Fürstabtei Sankt Gallen, 1964; Die Weistümer der Zent Schriesheim, hg. v. Kollnig, K. 1968; Kocher, G., Richter und Stabübergabe, 1971; Werkmüller, D., Über Aufkommen und Verbreitung der Weistümer, 1973; Vorarlberger Weistümer, hg. v. Burmeister, K., 1973; Feigl, H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs, 1974; Eder. I., Die saarländischen Weistümer, 1978; Laufs, A., Die Weistümer der Zenten Schriesheim und Kirchheim, ZRG GA 98 (1981), 276; Werkmüller, D., Die Weistümer, in: Brüder-Grimm-Symposion, 1986, 103; Reis, R., Deutsches Privatrecht in den Weistümern, 1987; Schildt, B., Die Weistümer der Grafschaft Mark, Beitr. z. G. Dortumnds 88 (1997), 140 Weißrussland (Belarus) Lit.: Handbuch der Geschichte Weißrusslands, hg. v. Beyrau, D. u. a., 2001 Welcker, Karl Theodor (Oberofleiden in Oberhessen 29. 3. 1790-Heidelberg 10. 3. 1869), Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Heidelberg 1813 Professor in Gießen, 1814 in Kiel, 1816 in Heidelberg, 1819 in Bonn und 1822 in Freiburg im Breisgau. 1831 fordert er die Bildung eines deutschen Parlamentes. Zusammen mit -> Rotteck veröffentlicht er von 1834ff. an das den Liberalismus prägende Staatslexikon. 1848 ist er Mitglied der Frankfurter Nationalver- sammlung. Lit.: Wild, K., Karl Theodor Welcker, 1913; Böhringer, A., Die Rechtslehre Karl Theodor Welckers, Diss. jur. Tübingen 1952; Müller-Dietz, H., Das Leben des Rechtslehrers und Politikers Karl Theodor Welcker, 1968; Schöttle, R., Politische Freiheit für die deutsche Nation, 1985 Welfe ist der Angehörige eines bayerischen, schwäbischen oder fränkischen, vielleicht seit der Mitte des 8. Jh.s nördlich des Bodensees begüterten, 819 erstmals sicher nachweisbaren Geschlechts. Der bekannteste W. ist -> Heinrich der Löwe (1129-1191), der als Vetter und Gegner Friedrichs I. Barbarossa 1180 die Herzogtümer Bayern und Sachsen verliert. Den Welfen bleibt das Eigengut Braunschweig- Lüneburg (1235 Herzogtum) bis 1866 (Lüneburg bzw. Hannover) bzw. 1918 (Braun- schweig). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Köbler, Historisches Lexikon; Historia Welforum, hg. v. König, E., 1938; Diederich, A., Staufer und Welfen, 1938; 854 Diestelkamp, B., Welfische Stadtgründungen und Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Kleinau, H., Die von Werle, 1971; Pischke, G., Die Landesteilungen der Welfen, 1987; Die Welfen und ihr Braunschweiger Hof, hg. v. Schneidmüller, B., 1995; Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in Sachsen, 1995; Hechberger, W., Staufer und Welfen, 1996; Schneidmüller, B., Die Welfen, 2000; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Welf IV., hg. v. Bauer, D. u. a., 2004 Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) ist die 1995 aus dem General Agreement on Tariffs and Trade erwachsene internationale Organisation für den Welthandel (Verhandlungsforum, Handelsorga- nisation). Lit.: Beise, M., Die Welthandelsorganisation (WTO), 2001 Weltkrieg ist der die gesamte Welt erfassende Krieg (1914-1918, 1939-1945). Lit.: Köbler, DRG 173, 223, 244; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Der erste Weltkrieg, hg. v. Michalka, W., 1994; Stolleis, M., Der lange Abschied vom neunzehnten Jahrhundert, 1997; Achter Mai 1945 ­ Befreung oder Kapitulation?, hg. v. Schröder, R., 1997; Overmans, R., Deutsche militärische Verluste im zweiten Weltkrieg, 1999; Borchard, M., Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, 2000; Strachan, H., The first World war, Bd. 1 2001; Müller, K., Oktroyierte Verliererjustiz nach dem ersten Weltkrieg, Archiv des Völkerrechts 39 (2001), 201; Pöhlmann, Markus, Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik: Der erste Weltkrieg, 2002; Salewski, M., Der erste Weltkrieg, 2. A. 2004; Enzyklopädie des ersten Weltkriegs, hg. v. Hirschfeld, G. u. a., 2002, 2. A. 2004; Erster Weltkrieg ­ zweiter Weltkrieg, hg. v. Thoß, B. u. a., 2002; Pöhlmann, M., Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik ­ Der erste Weltkrieg, 2002; Der erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, hg. v. Winter, J. u. a., 2002; Schreiber, G., Der zweite Weltkrieg, 2002; Berghahn, V., Der erste Weltkrieg, 2003; Barth, B., Dolchstoßlegende und politische Desintegration, 2003; Overy, R., Russlands Krieg 1941-1945, 2003; Salewski, M., Der erste Weltkrieg, 2. A. 2004; Neitzel, S., Deutschland und der erste Weltkrieg, 2003; Enzyklopädie erster Weltkrieg, hg. v. Hirschfeld, G. u. a., 2003; Horne, J./Kramer, A., Deutsche Kriegsgreuel 1914, 2004; Der erste Weltkrieg, hg. v. Burgdorff, S. u. a. 2004; Strachan, H., Der erste Weltkrieg, 2004; Rombeck-Jaschinski, U., Das Londoner Schuldenabkommen, 2004; Kriegsende 1945, hg. v. Rusinek, B., 2004; Müller, R., Der Bombenkrieg 1939- 1945, 2004; Müller, R., Der zweite Weltkrieg, 2004; Schreiber, G., Kurze Geschichte des zweiten Weltkriegs, 2005; Ueberschär, G. u. a., 1945, 2005; Salewski, M., Deutschland und der zweite Weltkrieg, 2005 Weltliches Recht (lat. ius [N.] civile) ist das für weltliche Angelegenheiten geltende bzw. das von weltlichen Kreisen geschaffene Recht im Gegensatz zum Kirchenrecht (lat. ius [N.] canonicum). Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, Das Recht im frühen Mittelalter, 1971 Weltraum Lit.: Reinke, N., Geschichte der deutschen Raumfahrtpolitik, 2004 Welzel, Hans (Artern/Unstrut 25. 3. 1904- Andernach 5. 5. 1977) wird nach dem Rechtsstudium in Jena 1937 Professor in Göttingen und 1952 in Bonn. Er entwickelt für das Strafrecht den finalen Handlungsbegriff, der den Vorsatz als subjektiven Tatbestand zum Tatbestand im engeren Sinn zieht. In seiner Rechtsphilosophie fordert er für die Rechts- geltung die Anerkennung des Menschen als verantwortliches Wesen und den Bezug auf Vernunft, Gewissen und demokratische Diskussion. Lit.: Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Gössel, K., Wertungsprobleme des Begriffs der finalen Handlung, 1966; Kaufmann, A., Strafrechtsdogmatik, 1982; Sticht, O., Sachlogik als Naturrecht?, 2000 Wende ist die ältere Sammelbezeichnung für den -> Slawen an der deutschen Nordostgrenze. Lit.: Hugelmann, K., Die Rechtsstellung der Wenden im deutschen Mittelalter, ZRG GA 58 (1938), 214; Die Slawen in Deutschland, hg. v. Herrmann, E., 1970; Oschlies, W., Die Sorben, 1972 Wenger, Leopold (Obervellach/Kärnten 4. 9. 1874-21. 9. 1953), Bauernsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Graz 1902 außerordentlicher Professor, dann ordentlicher Professor in Wien (1904), Graz (1905), Heidelberg (1908), München (1909) und Wien (1935). Beeinflusst von Ludwig Mitteis wendet er sich der Papyrologie zu und versteht als sein Forschungsgebiet umfassend die antike Rechtsgeschichte. Innerhalb des römischen Rechts bietet er eine grundlegende Zusammen- fassung über ,,Die Quellen des römischen Rechts" (1953). 855 Lit.: Kaser, M., Leopold Wenger, ZRG GA 71 (1954), XIII Wer A sagt, muss auch B sagen. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, 1996, 25 (Pistorius 1716) Werböczy, Stephanus (um 1458-1541) wird nach einem (nicht gesicherten) Studium im Ausland Protonotar hoher ungarischer Gerichte (1502) und schließlich Kanzler eines Gegenkönigs. 1514 veröffentlicht er eine Zusammenfassung des in Ungarn geltenden Gewohnheitsrechts ([lat.] Tripartitum opus [N.] iuris consuetudinarii incliti regni Hungariae. Dreiteiliges Werk des Gewohnheitsrechts des ruhmreichen Königreichs Ungarn). Obwohl das vom Landtag gebilligte Werk nie in Kraft tritt, gilt es teilweise bis 1945 gewohnheitsrechtlich. Lit.: Frankói, V., Werböczy, 1899; Zlinszky, J., Werböczy jog forrástana, in: Jogtudományi Közlöny, 1993, 374 Werbung Lit.: Rücker, M., Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus, 2000 Werden Lit.: Hoederath, H., Hufe, Manse und Mark in den Quellen der Großgrundherrschaft Werden am Ausgang der Karolingerzeit, ZRG GA 68 (1951), 211; Brand, J., Geschichte der ehemaligen Stifter Essen und Werden während der Übergangszeit, Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 86 (1971) Werfen ist das einen Gegenstand durch die Luft Schleudern. Es kann im Mittelalter rechtssymbolische Bedeutung haben. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943 Wergeld ist im Mittelalter die in Sachen (z. B. Vieh, Waffen, Geräte) erbrachte Ausgleichs- leistung für die ausgleichspflichtige Tötung eines Menschen. Das W. lässt sich bereits für die Germanen vermuten. Es fällt teilweise an die Verwandten des Getöteten, teilweise an den König (Friedensgeld). Es wird vermutlich ursprünglich im einzelnen Fall besonders ausgehandelt. In den Volksrechten erscheinen feste, vom jeweiligen Stand abhängige Schillingbeträge (-> Kompositionensystem z. B. bei einem fränkischen Freien 200 Schillinge d. h. 100 Rinder) als Rechnungseinheiten. Mit dem Aufkommen der peinlichen -> Strafe seit dem 11. Jh. verschwindet es allmählich. Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 91, 119, 120; Köbler, WAS; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, ZRG GA 3 (1882), 1; Vinogradoff, P., Wergeld und Stand, ZRG GA 23 (1902), 123; Jaekel, H., Weregildus, ZRG GA 28 (1907), 102; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Lintzel, M., Zur altsächsischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 52 (1932), 294; Ganahl, K., Hufe und Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208; Stutz, U., J. Brissaud und Heinrich Brunners Erklärung des Römerwergeldes, ZRG GA 55 (1935), 287; Fenger, O., Fehde og mandebod, 1971 Werkvertrag ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich der Unternehmer verpflichtet, ein Werk für den Besteller gegen Entgelt herzustellen. Der W. ist bereits dem römischen Recht als (lat.) locatio (F.) conductio operis (z. B. Herstellung einer Sache aus übergebenem Stoff, Reinigung einer Sache, Beförderung einer Sache, Unterrichtung eines Sklaven) bekannt. Danach erscheint der W. wieder in der hochmittelalterlichen Stadt. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. In der Aufklärung wird der W. aus der Verbindung mit der Miete gelöst und dem Dienstvertrag zur Seite gestellt. Von ihm ist er durch den notwendigen Erfolg zu unterscheiden. Lit.: Kaser § 42 I, IV; Söllner § 9; Hübner 584; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 45, 127; Riezler, E., Der Werkvertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, 1900; Rothenbücher, K., Geschichte des Werkvertrages, 1906; Benöhr, H., Das Gesetz als Instrument zur Lösung sozialpolitischer Konflikte, ZRG GA 95 (1978), 221; Schubert, W., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Werkvertrag, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 281; Fels, A., Die Sachmängelgewährleistung im Werkvertragsrecht des BGB, 2000; Büscher, M., Künstlerverträge in der Florentiner Renaissance, 2002 Wertheim Lit.: Der Lehenhof der Grafen von Wertheim, 1955; Zimmermann, K., Obrigkeit, Bürgertum und Wirtschaftsformen im alten Wertheim, 1975 Wertpapier ist die Urkunde, deren Innehabung Voraussetzung für die Geltendmachung des in ihr verbrieften Rechtes ist. Die erst von Heinrich Brunner zusammengefassten Wertpapiere erscheinen in Frühformen an oberitalienischen Handelsplätzen seit dem 12. Jh. Im Vordergrund steht dabei der -> Wechsel. 856 In der frühen Neuzeit gewinnt das W. allgemeinere Bedeutung. In der Mitte des 19. Jh.s bildet es den ersten Ansatzpunkt zur gesetzlichen Rechtsvereinheitlichung im Deutschen Bund (-> Allgemeine Deutsche Wechselordnung). 1908 wird im Deutschen Reich auch der -> Scheck W. Am Ende des 20. Jh.s treten die nur noch elektronisch dokumentierten Rechte vor. Lit.: Hübner § 88; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128, 167, 218, 272; Salvioli, I titoli al portatore, 1882; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Cordes, J., Begriffe und Arten der Wertpapiere, Diss. jur. Kiel 1898; Schultze-von Lasaulx, H., Beiträge zur Geschichte des Wertpapierrechts, 1931; Sedatis, L., Über den Ursprung der Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,686; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen Funktion mittelalterlicher Urkunden, FS Eichler, H., 1977, 645; Abschied vom Wertpapier, hg. v. Kreuzer, K., 1988 Wertsicherung ist die Sicherung des Wertes einer Geldforderung gegen die Geldentwertung. Sie wird im Deutschen Reich seit 1914 bedeutsam. Seit 1934 werden diesbezügliche Vertragsklauseln eingeschränkt. Lit.: Dürkes, W., Wertsicherungsklauseln, 10. A. 1992 Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 100 (Henisch 1616, lat. prior tempore potior iure) Wesel Lit.: Stadtrechnungen von Wesel 1349-1450, bearb. v. Gorissen F., 1963 Wesenbeck, Matthaeus (Antwerpen 1531- Wittenberg 1586) wird nach dem Rechtsstudium in Löwen (Mudaeus), Paris und Löwen 1557 Dozent in Jena und 1569 Professor in Wittenberg. 1576 veröffentlicht er eine Sammlung seiner Rechtsgutachten, 1563 verfasst er einen Kommentar zu den Pandekten. Darin geht er synthetisch vor und bezieht die Rechtspraxis ein. Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Dekkers, R., Het humanisme en de rechtswetenschap, 1938, 191; Lück, H., Ein Niederländer in Wittenberg, Jb. d. Zentrums f. Niederlande-Studien 1991, 199 Westeuropäische Union (WEU) ist der am 17. 3. 1948 ursprünglich gegen Deutschland gerichtete, erweitert am 6. 5. 1955 in Kraft getretene Beistandsvertrag zwischen Großbritannien, Frankreich, Belgien, Luxem- burg, den Niederlanden, Deutschland und Italien mit einem Rat, einer Versammlung und einem Generalsekretariat als wichtigsten Organ. Am 13. 11. 2000 werden die operativen Aufgaben auf die Europäische Union übertragen. Lit.: Fleuß, M., Die operationelle Rolle der Westeuropäischen Union, 1996; Birk, E., Der Funktionswandel der Westeuropäischen Union, 1999 Westfale ist der im Frühmittelalter (2. H. 8. Jh.s) erkennbare Angehörige eines Teilstammes der Sachsen. Als rechtliche Besonderheit der Westfalen wird die Gütergemeinschaft hervor- gehoben. 1180 wird Westfalen Territorialherzogtum des Erzbischofs von Köln, das 1815 teilweise an Preußen gelangt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 112, 256; Westfälisches Urkundenbuch, hg. v. Erhard, H., Bd. 1ff. 1847ff.; Lappe, J., Die Entstehung und Feldmarkverfassung der Stadt Werne, Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde Westfalens 76 (1917); His, R., Eine eigentümliche Klausel in westfälischen Schuldurkunden, ZRG GA 42 (1921), 481; Hömberg, A., Siedlungsgeschichte des oberen Sauerlandes, 1938; Klocke, F. v., Fürstenberg- sche Geschichte, Bd. 1 1939; Hagemann, A., Von den mittelalterlichen Ständen Westfalens, ZRG GA 69 (1952), 328; Hagemann, A., Das westfälisch- niedersächsische Wappenbild, ZRG GA 69 (1952), 340; Deutsches Städtebuch, Bd. 3, 2 Westfälisches Städtebuch 1954; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche Güterrecht, 1978; Droege, G., Das kölnische Herzogtum Westfalen, 1980; Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen, FS G. Schmelzeisen, 1980, 166; Scharpwinkel, K., Die westfälischen Eigentumsord- nungen, 1965; Klueting, H., Geschichte Westfalens, 1998; Zunker, D., Adel in Westfalen, 2003 Westfalen Lit.: Der Raum Westfalen, Bd. 1ff. hg. v. Aubin, H. u. a., 1931ff.; Süderländische Geschichtsquellen und Forschungen, hg. v. Dösseler, E., Bd. 1f. 1954f.; Westfalen ­ Hanse ­ Ostseeraum, Beiträge von Winterfeld, L. v. u. a., 1955; Haase, C., Die Entstehung der westfälischen Städte, 1960, 2. A. 1963; Wüllner, Zivilrecht und Zivilrechtspflege in den westlichen Teilen Westfalens am Ende des 18. Jahrhunderts, 1964; Klocke, 857 F. v., Westfalen und Nordosteuropa, 1964; Hartlieb von Wallthor, A., Die landschaftliche Selbstverwaltung Westfalens, 1965; Hömberg, A., Zwischen Rhein und Weser, 1967 (Aufsätze); Ludwig Freiherr Vincke, hg. v. Behr, H. u. a., 1994 Westfälischer Friede ist der am 24. 10. 1648 in Münster unterzeichnete Vertrag von Münster und Osnabrück, der den Dreißigjährigen Krieg beendet. Er bestätigt den Rechtsstand des Augsburger Religionsfriedens von 1555. Er schwächt das Reich, weil es umfangreiche Gebiete verliert (Elsass an Frankreich, Bremen, Verden und Vorpommern an Schweden) und im Übrigen den etwa 300 nun vorhandenen Reichsgliedern verschiedener Größe und Bedeutung wesentliche Rechte (u. a. Bündnisrecht) zugesteht und damit die Möglichkeit des Gegensatzes und der Auseinandersetzung verstärkt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 130; Kürschner, T., Die Landeshoheit der deutschen Länder, 1938; Dickmann, F., Der westfälische Friede, 1959, 6. A. 1992; Acta pacis Westfalicae, hg. v. der Nordrhein- Westfälischen Ak. D. Wiss., Serie Iff. 1962ff.; Dickmann, F., Der westfälische Frieden, 1965; Forschungen und Studien zur Geschichte des westfälischen Friedens, 1965; Scharpwinkel, K., Die westfälischen Eigentumsordnungen des 17. und 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen 1965; Böckenförde, E., Der westfälische Friede, Der Staat 8 (1969), 449; Instrumenta pacis Westphalicae, hg. v. Müller, K., 2. A. 1966; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972; Ruppert, K., Die kaiserliche Politik auf dem westfälischen Friedenskongress 1643-48, 1979; Kremer, B., Der westfälische Friede, 1989; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Immler, G., Kurfürst Maximilian I. und der westfälische Friedenskongress, 1992; Der westfälische Friede, hg. v. Duchhardt, H., 1998; Der westfälische Frieden, hg. v. Hey, B., 1998; Repgen, K., Der westfälische Friede, 1999; Der westfälische Frieden, hg. v. Moorman van Kappen, O., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Ziegler, K., Die Bedeutung des westfälischen Friedens von 1648 für das europäische Völkerrecht, Archiv des Völkerrechts 37 (1999), 129; 350 Jahre westfälischer Friede, hg. v. Schröder, M., 2000; Westfälische Jurisprudenz, hg. v. Großfeld, B. u. a., 2000; Gantet, C., La paix de Westphalie, 2001; Croxton, D./Tischer, A., The Peace of Westphalia, 2002 westfränkisch -> Frankreich Westgalizien ist der westliche Teil Galiziens, der 1795 bei der dritten Teilung Polens an Österreich gelangt. 1796 tritt dort die österreichische -> Allgemeine Gerichtsordnung in etwas veränderter Form als Westgalizische Gerichtsordnung in Kraft. Am 13. 2. 1797 wird nach Wiederaufnahme (1790) der Gesetzgebungsarbeiten an einem bürgerlichen Gesetzbuch, die 1786 nur zu dem Josephinischen Gesetzbuch geführt hatten, eine frühe, vollständige, aus dem sog. Entwurf Martini (1795) entwickelte Fassung des späteren -> Allgemeinen Bürgerlichen Gesetz- buches als Westgalizisches Gesetzbuch in Kraft gesetzt (in Ostgalizien und in der Bukowina am 8. 9. 1797 zum 1. 1. 1798). Lit.: Köbler, DRG 131, 155; Baltl/Kocher; Der Ur- Entwurf, hg. v. Ofner, J., Bd. 1 1889, 1ff.; Pfaff, L., Zur Entstehungsgeschichte des Westgalizischen Gesetzbuches, Jur. Bll. 1890, 399 Westgote ist der Angehörige des seit 269 n. Chr. sichtbaren westlichen (?) Teilstammes der Goten. 418/419 gründen die Westgoten ein Reich in Südgallien (Toulouse). Vermutlich um 475 wird unter König Eurich im (lat.) -> Codex (M.) Euricianus ihr Recht aufgezeichnet. Vor 507 entsteht die für die römische Bevölkerung geltende (lat.) -> Lex (F.) Romana Visigo- thorum. 507 verlieren die Westgoten ihr in Gallien liegendes Gebiet an die Franken und werden auf das inzwischen eingenommene -> Spanien (Toledo) verwiesen. Das Recht der Westgoten wird in der (lat.) -> Lex (F.) Visigothorum weiter entwickelt (Leovigild, Chindasvinth, Reccesvinth). Überreste finden in die -> Fueros Eingang. 711 geraten die Westgoten unter die Herrschaft der -> Araber. Lit.: Söllner § 19; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 67, 75, 80; Schmeltzer, R., Die Redaktionen des Westgotenrechts, ZRG GA 2 (1881), 123; Ein neuentdecktes westgotisches Gesetz, ZRG GA 7 (1886), 236; Dopsch, A., Westgotisches Recht im Capitulare de villis, ZRG GA 36 (1915), 1; Bergin, A., The Law of the Westgoths, 1906; Melicher, T., Der Kampf zwischen Gesetzes- und Gewohnheitsrecht im Westgotenreiche, 1930; Gesetze der Westgoten, hg. v. Wohlhaupter, E., 1936; Stroheker, K., Eurich, 1937; Mera, P., O poder paternal, Boletim da faculdade de direito 15 (1939); Schultze, A., Über westgotisch-spanisches Eherecht, 1944 (SB Leipzig); Mera, P., Estudos de direito Visigótico, 1948; Beyerle, F., Zur Frühgeschichte der 858 westgotischen Gesetzgebung, ZRG GA 67 (1950), 1; Reinhart, W., Über die Territorialität der westgotischen Gesetzbücher, ZRG GA 68 (1951), 348; Claude, D., Geschichte der Westgoten, 1970; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Claude, D., Adel, Kirche und Königtum im Westgotenreich, 1971; King, P., Law and society, 1972; García-Moreno, L., Historia de Espaa Visigoda, 1989; Völkl, A., Der Verkauf der fremden Sache, ZRG RA 110 (1993), 425; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; The Visigoths, hg. v. Ferreiro, A., 1999; Heather, P., The Visigoths, 2001 Westgötenrecht (Westgötalagh, Västgötalagh) ist die älteste, um 1220 beginnende, vor allem in Westergötland (Westgötaland) geltende, schwedische Rechtsaufzeichnung. Von der ältesten Fassung sind nur Bruchstücke erhalten, von der nächstälteren (Mitte 13. Jh.) eine Handschrift von etwa 1285, von der jüngeren, wohl 1281 bis 1300 entstandenen Fassung zahlreiche Handschriften seit etwa 1350. Anfänglicher Verfasser (1220/5) ist vielleicht Eskil Magnusson (um 1175-1227). Lit.: Westgöta-Lagen, hg. v. Collin, H. u. a., 1827, Neudruck 1976Schwedische Rechte, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Nelson, A., Envig och ära, in: Saga och sed, 1944, 57; Äldere Vastgötalagen, hg. v. Holmbäck, A. u. a., 1946; Ericsson, G., Den kanoniska rätten, 1967; Aquist, G., Frieden und Eidschwur, 1968; Hafström, G., De svenska rättskällornas historia, 1978; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988 Westmannalagh, Västmannalagh, (Schweden um 1330) -> nordisches Recht Lit.: Hafström, G., De svenska rättskällornas historia, 1978 Westphalen ist das kurzlebige, von -> Napoleon um Westfalen errichtete Königreich (18. 8. 1807-1. 10. 1813) um Kassel mit einer liberalen Verfassung vom 15. 10. 1807. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Berding, G., Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik, 1973; Regierungsakten des Königreichs Westphalen 1807-1813, bearb. v. Rob, K., 1992; Code Napoléon. Französisch-deutsch, 1808, Neudruck 1997; Der Code pénal des Königreichs Westphalen von 1813, hg. v. Schubert, W., 2001; Wrobel, K., Von Tribunalen, Friedensrichtern und Maires, 2004; Ham, R., Die Constitution für das Königreich Westphalen von 1807, ZNR 2004, 227; Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005 Westzone ist die von 1945 bis 1949 währende Besatzungszone einer der westlichen Alliierten Besatzungsmächte (Vereinigte Staaten von Amerika, Großbritannien, Frankreich) des Deutschen Reiches. Aus den drei Westzonen entsteht die -> Bundesrepublik Deutschland. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Dilcher, H., Bürgerliches Recht in den Westzonen, in: Staat, Kirche, Wissenschaft, 1989 Wettbewerb ist das Streben mehrerer nach einem Ziel, das nicht alle gleichzeitig erreichen können, insbesondere das Streben jedes von mehreren Unternehmen, auf einem gemeinsamen Markt mit möglichst vielen Kunden abzuschließen. In der mittelalterlichen Stadt wird der W. durch die -> Zunft eingeschränkt. Mit der Liberalisierung des 19. Jh.s wird dagegen der W. freigegeben (-> Gewerbefreiheit Deutschland 1869). Um daraus entstehende Missbräuche zu beseitigen wird im Deutschen Reich nach Einzelregeln (1894) ein Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. 5. 896 erlassen, das 1909 (und 2004) neu gefasst wird. Umgekehrt muss nach einer Kartellverordnung bereits von 2. 11. 1923 am 27. 7. 1957 gegen die aus der steigenden Machtkonzentration erwachsenden Gefahren ein Gesetz gegen Wettbewerbs- beschränkungen geschaffen werden, das später noch verschärft wird (1965, 3. 8. 1973 vorbeugende Fusionskontrolle, Beseitigung der vertikalen Preisbindung für Markenartikel, Verstärkung der Missbrauchsaufsicht, 1976, 1980, 1989). Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 272; Ulmer, E., Warenzeichen und Wettbewerb, 1929; Swoboda, R., Das Wettbewerbsverbot unter Handelsgesellschaftern, Diss. jur. Heidelberg 1931; Blaich, F., Kartell- und Monopolpolitik, 1973; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3749; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts, 1983; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Baums, T., Kartellrecht in Preußen, 1990; Nörr, K., Die Leiden des Privatrechts, 1994; Heße, M., Die historische Entwicklung der Wettbewerbsverbote, 1994; Wadle, E., Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren 859 Wettbewerbs von 1896, JuS 1996, 1064; Volckart, O., Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkung im vormodernen Deutschland 1000-1800, 2002; Stechow, H. v., Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, 2002; Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004; Bormann, J., Wettbewerbsbeschrän- kungen durch Grundstücksrechte, 2004 Wette ist das gegenseitige, zur Bekräftigung bestimmter widerstreitender Behauptungen mehrerer Vertragspartner dienende Ver- sprechen dahingehend, dass dem, dessen Behauptung sich als richtig erweist, ein Gewinn zufallen soll. Eine W. ist im römischen Recht in gewisser Weise in der (lat.) legis actio (F.) sacramento enthalten. Bei den Germanen ist das Spiel mit hohem Einsatz möglich. Im Frühmittelalter wird unter W. vielfach das Pfandrecht verstanden. Seit dem Spätmittelalter wird die W. missbilligt. In der Neuzeit ist die Lotterie weitverbreitet. Der W. wird die Klagbarkeit der Schuld abgesprochen. Lit.: Kaser § 81 II 1c; Hübner 595; Kroeschell, DRG 1, 2; Hagemann, H., Wette, FS H. Liermann, 1964, 60; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Wetterau ist die Landschaft an der Wetter nördlich der Mündung des Maines in den Rhein. Sie ist nacheinander keltisch, römisch und fränkisch. Im Hochmittelalter ist sie königsnah. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kropat, A., Reich, Adel und Kirche, 1965; Hardt-Friedrichs, F., Das königliche Freigericht Kaichen, 1975; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Schmidt, W., Der Wetterauer Grafenverein, 1989; Geschichte von Wetterau und Vogelsberg, hg. v. Stobbe, R., Bd. 1 1999 Wettin ist die Burg bei Halle an der Saale, nach der sich ein Geschlecht benennt, an das 1423 Sachsen gegeben wird. Die Wettiner teilen sich 1485 in eine albertinische Linie (-> Sachsen) und eine ernestinische Linie (-> Thüringen). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Posse, O., Die Wettiner, 1897; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat, 1980; Philippi, H., Die Wettiner in Sachsen und Thüringen, 1989; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004 Wetzlar an der Lahn erscheint im 9. Jh. Es wird Reichsstadt nach Frankfurter Recht. Von 1603 bis 1806 beherbergt W. das -> Reichskammergericht. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Velten, A., Beiträge zur Geschichte, Diss. jur. Gießen, 1922; Interthal, K., Die Reichsvogtei Wetzlar, 1928; Clauß, F., Wetzlarer Richter-, Schöffen- und Ratsfamilien, Mitteilungen des oberhessischen Geschichtsvereins 35 (1937), 1; Ranieri, F., Die Arbeit des Reichskammergerichts, 1988; Schmidt-von Rhein, G., Das Reichskammergericht, 1990; Hahn, H., Altständisches Bürgertum zwischen Beharrung und Wandel, Wetzlar 1689-1870, 1991 WEU -> Westeuropäische Union Weyer, Johann (Grave an der Maas um 1515- Tecklenburg 24. 2. 1588) wird nach dem Medizinstudium in Paris und Orléans Arzt in Arnheim (1545) und Kleve-Jülich-Berg. 1563 veröffentlicht er sein gegen Zauberei- und Hexereiaberglauben gerichtetes, humanis- tisches Hauptwerk (De praestigiis daemonum). Es wird auf den kirchlichen Index der verbotenen Bücher gesetzt. Lit.: Schneider, U., Das Werk ,,De praestigiis daemonum", Diss. jur. Bonn 1951 masch.schr.; Nahl, R. van, Zauberglaube und Hexenwahn, 1983; Siefener, M., Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie, 1992 whig (M.) Vertreter des aufgeklärten Volksinteresses in England (Schimpfname, Tory angeblich von Tar a ry, komm o König, um 1680). Wibald von Stablo (1098-1158) ist der aus Stabloer Ministerialität hervorgegangene, 1117 in den geistlichen Stand übergetretene, spätere Abt von Stablo-Malmedy (1130) und (Montecassino 1137 sowie) Corvey (1146), der den Kaisern Lothar III., Konrad III. und Friedrich Barbarossa als wichtiger Berater dient. Lit.: Jakobi, F., Wibald von Stablo und Corvey, 1979 Widerlegung (F.) Ersatzleistung Lit.: Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts, 1973, 51, 364 Widerruf ist im Privatrecht die Willenserklärung, die eine noch nicht endgültig wirksame Willenserklärung von Anfang an beseitigen soll, bzw. im Verwaltungsrecht die Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungs- aktes. Der privatrechtliche W. ist bereits dem römischen Recht bekannt. Der öffentlichrechtliche W. wird erst mit der dogmatischen Verfestigung des Verwaltungs- rechts als solcher geformt. 860 Lit.: Kaser §§ 16 II 1, 47 II, 60 IV 2b, 76 IV 2b, 77 II 5b, 79 I 2b; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Krause, H., Der Widerruf von Privilegien, Archival. Z. 75 (1979), 117 Widersagung (F.) Fehdeankündigung Lit.: Tewes, U., Zum Fehdewesen, 1994 Widerspruch ist die Gegenäußerung zu einer Äußerung (z. B. W. gegen die Richtigkeit des Grundbuches seit dem 19. Jh.). In Deutschland wird seit 1960 ein W. bei der höheren Verwaltungsbehörde zur einheitlichen Voraussetzung für eine verwaltungsrechtliche Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage. Lit.: Köbler, DRG 263 Widerstand ist die entgegenstehende Haltung oder Kraft. Die Frage eines Rechtes zum W. gegen eine herrschaftliche Maßnahme wird schon früh diskutiert (Manegold von Lautenbach 11. Jh., Magna Charta 1215). Gegen den ungerechten Herrscher (z. B. Diktator) ist W. rechtmäßig. Die jeweilige Grenze zwischen rechtmäßigem und rechtswidrigem W. ist zweifelhaft. Der W. gegen die Staatsgewalt ist seit dem 19. Jh. ein Straftatbestand. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kroeschell, 20. Jh.; Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, 1915, 7. A. 1980; Zeumer, K., Das vermeintliche Widerstandsrecht gegen Unrecht des Königs und Richters im Sachsenspiegel, ZRG GA 35 (1914), 68; Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Haensel, W., Kants Lehre vom Widerstandsrecht, 1926; Ritter, G., Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, 3. A. 1956; Schönfeld, W., Zur Frage des Widerstandsrechts, 1955; Mayer-Tasch, P., Thomas Hobbes und das Widerstandsrecht, 1965; Hoffmann, P., Widerstand - Staatsstreich - Attentat, 1969; Köhler, M., Die Lehre vom Widerstandsrecht, 1973; Schulze, W., Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft, 1980; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Der deutsche Widerstand, hg. v. Müller, K., 2. A. 1990; Böttcher, D., Ungehorsam oder Widerstand?, 1991; Mehringer, H., Widerstand und Emigration, 1998; Lexikon des Widerstandes 1933-1945, hg. v. Steinbach, P./Tuchel, J., 1998; Widerstand als ,,Hochverrat" 1933-1945, bearb. v. Zarusky, J. u. a., 1998; Steinbach, P., Widerstand im Widerstreit, 1999; Quin, E., Personenrechte und Widerstandsrecht, 1999; Friedeburg, R. v., Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, 1999; Widerstandsrecht in der frühen Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v., 2001; Meyer, A., Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944) ­ Völkerrecht im Widerstand, 2001; Wassermann, R., Juristen im Widerstand gegen das NS-Regime, NJW 2002, 1018; Der deutsche Widerstand gegen Hitler, hg. v. Ueberschär, G., 2002; Bald, D.,Die weiße Rose, 2. A. 2003; Wissen, Gewissen und Wissenschaft im Widerstandsrecht (16.-18. Jh.), hg. v. De Benedictis, A. u. a., 2003; Badische Juristen im Widerstand, hg. v. Borgstedt, A., 2004; Wuermeling, H., Doppelspiel, 2004 Wieacker, Franz (Stargard 5. 8. 1908- Göttingen 17. 2. 1994), Landgerichtspräsidentensohn, wird nach dem Rechtsstudium (u. a. Palermo, Rom) 1937 planmäßiger außerordentlicher Professor in Leipzig, 1939 ordentlicher Professor in Leipzig, 1948 in Freiburg im Breisgau und 1953 in Göttingen (1973 emeritiert). Die frühen Arbeiten betreffen neben dem geltenden Recht das römische Recht, für das W. 1988 den ersten Band einer zusammenfassenden römischen Rechtsgeschichte vorlegt. Daneben veröffent- licht der universale Gelehrte 1952 eine ideengeschichtlich ausgerichtete grundlegende Privatrechtsgeschichte der Neuzeit. Lit.: Wolf, J., In memoriam Franz Wieacker, SDH I 60 (1994), 763; Wieacker, F., Zivilistische Schriften, hg. v. Wollschläger, C., 2000 Wiederaufnahme des Verfahrens ist die erneute Durchführung eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Die W. d. V. geht auf die aus dem oberitalienisch-kanonischen Verfahren im 15. Jh. aufgenommene (lat.) -> restitutio (F.) in integrum zurück (Reichskam- mergerichtsordnung 1495). Lit.: Seyfarts, J., Teutscher Reichsprozess. 1738, 548; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965, 233; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die gerichtliche Entscheidung, durch die eine versäumte und nachgeholte Prozesshandlung als rechtzeitig fingiert wird. Die W. i. d. v. S. wird seit dem 15. Jh. aus dem oberitalienisch- kanonischen Verfahren (lat. restitutio [F.] in integrum contra lapsum fatalium) aufgenommen (Reichskammergerichtsordnung 1495). Lit.: Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichts- prozess, Diss. jur. Münster 1965, 233; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973, 289; Vogel, J., Wiedereinsetzungsrecht im Strafprozess, 1996 861 Wiedergutmachung ist die Milderung von Schäden durch Ausgleich. Die W. ist insbesondere im Anschluss an den zweiten Weltkrieg bedeutsam. Lit.: Brodesser, H./Fehn, J./Franosch, T. u. a., Wiedergutmachung und Kriegsfolgenliquidation, 2000 Wiederkauf ist der schon im römischen Recht durch besondere Vereinbarung mögliche Verkauf mit Vorbehalt des Rückkaufes. Durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklä- rung des Verkäufers wird dann der Käufer verpflichtet, die gekaufte Sache gegen die Erstattung des Preises zurückzuübertragen. Lit.: Kaser § 41 VII; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961, 205; Busse, K., Der Wiederkauf in der Rechtsliteratur des 12.-18. Jahrhunderts, 1965; Mayer-Maly, T., Beobachtungen und Gedanken zum Wiederkauf, FS F. Wieacker, 1978, 424; Trusen, W., Zum Kauf auf Wiederkauf, in: FS G. Schmelzeisen, 1980, 347; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Wiedertäufer (Anabaptist) ist der Angehörige einer vor allem im 16. Jh. auftretenden, die Erwachsenentaufe anstrebenden christlichen Glaubensgemeinschaft (z. B. Zürich um 1520, Münster 1534). Lit.: Cornelius, A., Geschichte des münsterischen Aufruhrs, Bd. 1f. 1855ff.; Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, hg. v. Bossert, G., 1930; Goertz, H., Die Täufer, 1980 Wiedervereinigung -> Deutsche Demokrati- sche Republik Wie du mir, so ich dir. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 350 (Körte 1837) Wiek ist die Landschaft im Bistum Oesel in Livland, für die im 14. Jh. (1322-37?) aus dem livländischen Spiegel, dem Bauernrecht der Esten in der Wiek und dem ältesten livländischen Ritterrecht eine in hochdeutschen Handschriften seit dem 16. Jh. überlieferte Rechtssammlung hergestellt. Dieses wiek- oeselsche Recht mit dem wenig zutreffenden Titel Dies seindt die Lehen-Rechte, das in 5 Bücher zu 82, 70, 68, 12 und 67 Artikel gegliedert ist, findet teilweise Eingang in das mittlere livländische Ritterrecht (vor 1424), das systematische livländische Ritterrecht (vor 1450?) und in Philipp Cruisus' Des Herzogtums Esthen Ritter- und Landrechte. Lit.: Bunge, F. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879, 95; Arbusow, L., Die altlivländischen Bauernrechte, Mitt. a. d. Gebiete der Geschichte Livlands usw. 23 (1924/26), 75; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 163 Wielant, Filips (1441-1520) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes (Künste) in Paris und des weltlichen Rechts in Löwen Anwalt und Hofratsmitglied in Flandern. In seinen Werken Corte instructie in materie civile (1508ff.) und Corte instructie in materie criminele (1510ff.) bietet er einen Überblick über den Verlauf eines Zivilverfahrens und eines Strafverfahrens. Er verarbeitet dabei das einheimische, flämische Gewohnheitsrecht zu einer an romanistischen Vorbildern ausgerichteten Einheit. Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1996 Wien an der Donau ist die auf keltischer (Vindobona) bzw. römischer Grundlage errichtete Siedlung (Wenia 881), die seit 1156 Sitz der -> Babenberger wird. Nach der Gewährung eines Stadtrechts (1221) wird W. kurzzeitig reichsunmittelbar (1246-1250) und erhält 1365 eine Universität. Wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 14. Jh.s wird unter Benutzung des Schwabenspiegels das in 24 Handschriften überlieferte Wiener Stad- trechtsbuch in 151 Artikeln aufgezeichnet (Gericht, Verfahren, Kauf, Miete, Erbe, Ehegüter, Bergrecht, Burgrecht, Bürgschaft, Pfand). Seit 1438/1439 wird W. zum Sitz des Kaisers des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation), 1469 Bischofssitz und 1722/3 Erzbischofssitz. Vom 18. 9. 1814 bis 9. 6. 1815 tagt in W. der sog. Wiener Kongress, auf dem Europa nach den napoleonischen Kriegen neu geordnet wird (-> Deutscher Bund). Später folgt die Wiener Schlussakte (15. 5. 1820) des Deutschen Bundes. Bis 1922 gehört W. dem Bundesland Niederösterreich an, von dem es sich verselbständigt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 100, 150, 769; Baltl/Kocher; Kroeschell, DRG 3; Kink, R., Die Rechtslehre an der Universität Wien, 1853; Aegidi, L., Die Schlussakte, 1860; Das Wiener Stadtrechtsbuch, hg. v. Schuster, H., 1873; Die Rechte und Freiheiten der Stadt Wien, hg. v. Tomaschek, J., Bd. 1f., 1877ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, Bd. 1ff. 1895ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt Wien ­ Die ältesten Kaufbücher, bearb. v. Staub, F., 1898; Geschichte der Stadt Wien, hg. v. Altertumsverein zu Wien (Bd. 1, 2 862 Schuster, Heinrich, Die Entwicklung des Rechtslebens, Verfassung und Verwaltung, 1897ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, Grundbücher Bd. 2, bearb. v. Staub, F., 1911; Voltelini, H. v., Die Anfänge der Stadt Wien, 1913; Voltelini, H., Zur Rezeption des gemeinen Rechts in Wien, FS d. akad. Vereines dt. Historiker in Wien, 1914, 79; Luntz, I., Die allgemeine Entwiclung der Wiener Privaturkunde bis zum Jahre 1360, 1916; Luntz, I., Beiträge zur Geschichte der Wiener Ratsurkunde, 1916; Stowasser, O., Die Entstehungszeit des Eisenbuches der Stadt Wien, MIÖG Ergänzungsband 10, 1916, 19; Schalk, K., Aus der Zeit des österreichischen Faustrechts 1440-1463, 1919; Die Summa legum brevis, hg. v., Gal, A., 1926; Brunner, O., Die Finanzen der Stadt Wien, 1929; Sailer, L., Die Wiener Ratsbürger des 14. Jahrhunderts, 1931; Klebel, E., Zur Frühgeschichte Wiens, Festgaben für Hans Voltelini, 1932, 7; Lentze, H., Die rechtliche Struktur des mittelalterlichen Zunftwesens in Wien, Mitteilungen des Vereines für die Geschichte der Stadt Wien 15 (1935); Zatschek, H., Handwerk und Gewerbe in Wien, 1949; Lentze, H., Das Wiener Testamentsrecht des Mittelalters, ZRG GA 69 (1952) 103, 70 (1953), 159; Weizsäcker, W., Wien und Brünn in der Stadtrechtsgeschichte, ZRG GA 70 (1953), 125; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz, 1961; Benna, A., Wiener Recht in einer Sammelhandschrift des Stiftes Heiligenkreuz, ZRG GA 79 (1962), 248; Studien zur Geschichte der Universität Wien, Bd. 1f. 1965; Der Wiener Kongress 1814/5, hg. v. Dyroff, H., 1966; Demelius, H., Eheliches Güterrecht im spätmittelalterlichen Wien, 1970 (SB Wien); Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Baltzarek, F., Das Steueramt der Stadt Wien 1526-1760, 1971; Brauneder, W., Die Geltung obrigkeitlichen Privatrechts im spätmittelalterlichen Wien, ZRG GA 92 (1975), 195; Csendes, P., Wien in den Fehden der Jahre 1461-1463, 1974; Vetricek, A., Die Lehrer der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät, Diss. geisteswiss. Wien 1980; Wiener Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v. Demelius, H., 1980; Walter, G., Der Zusammenbruch des Heiligen Römischen Reiches, 1980; Die Rechtsquellen der Stadt Wien, hg. v. Csendes, P., 1986; Das Wiener Stadtrechtsprivileg, hg. v. Csendes, P., 1987; Die Wiener Stadtbücher, Bd. 1 1395-1400, hg. v. Brauneder, W. u. a., 1989; Csendes, P., Geschichte Wiens, 2. A. 1990; Brauneder, W., Leseverein und Rechtskultur, 1992; Ogris, W., Vom Galgenberg zum Ringtheaterbrand, 1997; Festschrift 100 Jahre Wirtschaftsuniversität Wien, red. v. Rill, H., 1999; Opll, F., Das große Wiener Stadtbuch, 1999; Wien, hg. v. Csendes, P. u. a., Bd. 2 2003; Opll, F., Wien im Bild, 2. A. 2004 Wiesentheid Lit.: Domarus, M., Territorium Wiesentheid, 1956 Wigle van -> Aytta wik (M.) Dorf, Siedlung, -> Weichbild Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 78; Köbler, WAS; Köbler, G., Civitas und vicus, in: Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973, 61; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt- Wiegand, R., Wik und Weichbild, ZRG GA 95 (1978), 121 Wikinger ist der Angehörige seefahrender Nordgermanen (Norweger, Dänen) im Frühmittelalter (793-1066). Um 850 entdecken die W. Island, um 900 Grönland und 986, 1001 Amerika. Als -> Normannen dringen sie nach Frankreich, Sizilien und wohl auch nach Russland vor, gehen aber jeweils bald in der ansässigen Bevölkerung auf. Lit.: Kroeschell, DRG; Stemberger, M., Vikingar, 1935; Jänichen, H., Die Wikinger im Weichsel- und Odergebiet, 1938; Vernadsky, G., The Origin of Russia, 1959; Langenberg, I., Die Vinland-Fahrten, 1977; Boyer, R., Les Vikings, 1992; Simek, R., Die Wikinger, 1998; Sawyer, P., Die Wikinger, 2000; Sawyer, B./Sawyer, P., Die Welt der Wikinger, 2002; Magnusson, M., Die Wikinger, 2003 Wilda, Wilhelm Eduard ([Seligmann, Wolf Ephraim] Altona 17. 8. 1800-Kiel 9. 8. 1856), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (Hugo, Eichhorn) und Heidelberg (Thibaut, Mittermaier) und dem Übertritt zum Christentum (1825) Advokat in Hamburg. 1831 wird er außerordentlicher Professor in Halle, 1842 ordentlicher Professor in Breslau und 1854 in Kiel. Seine wichtigsten Werke betreffen das Gildenwesen im Mittelalter (1831) und das Strafrecht der Germanen (1842) (bis zum Frühmittelalter). Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 111; Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben, 1974; Kern, B., Georg Beseler, 1982 Wildbann (M.) Jagdregal Lit.: Haff, K., Die Wildbannverleihungen, ZRG GA 69 (1952), 301; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001 Wilderei ist die Verletzung des Jagdrechts oder Fischereirechts eines anderen. Der W. folgt im Frühmittelalter meist die Buße von 60 Schillingen. Erst im Spätmittelalter wird eine 863 peinliche Strafe üblich. Die Strafandrohung ist verschiedentlich sehr streng (Blenden, Hängen). Die Neuzeit behandelt die W. teilweise als einen Fall des Diebstahls, bis 1871 die W. wieder verselbständigt wird. Lit.: Marcus, J., Zur Lehre von der Wilderei, Diss. jur. Breslau 1917; Fösser, R., Das Jagdstrafrecht, Diss. jur. Bonn 1937; Löhr, U., Die Wilderei, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Schindler, N., Wilderer im Zeitalter der französischen Revolution, 2001 Wildfangrecht ist in Spätmittelalter und Frühneuzeit das Recht von Landesherren oder bestimmten Grundherren, Fremde für ihre Herrschaft in Anspruch zu nehmen. In der frühen Neuzeit ist das W. oft streitig. Im 18. Jh. läuft es allmählich aus. Lit.: Kolde, F., Über die Wildfänge, Diss. phil. Rostock 1898 Wilhelm -> Ockham Wilhelmus de Cabriano (Casus Codicis wahrscheinlich auf der Grundlage der Vorlesungen des Bulgarus über den Codex, Mitte 12. Jh.s) Lit.: Wallinga, T., The Casus Codicis of Wilhelmus de Cabriano, 2005 Wille ist die Fähigkeit des Menschen, sich für ein bestimmtes Verhalten zu entscheiden. Der W. kommt in einem Verhalten (z. B. Sprechen, Schießen) zum Ausdruck. Bei dessen Bewertung wird teils nur auf die Erschei- nungsform abgestellt, teils auch auf den ihr zugrundeliegenden Willen. Lit.: Hübner 489; Köbler, DRG 43; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 293; Köckritz, S. v., Die Bedeutung des Willens für den Verbrechensbegriff Carpzovs, 1955; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Iherings, 1982; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Willebrief ist seit dem 12. Jh. (1177) die Zustimmungsurkunde der Fürsten zu Erklärungen des Königs. Der W. kommt im 17. Jh. ab. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Fritz, W., Kurfürstliche Willebriefe, DA 23 (1967), 171 Willenserklärung ist die private, auf einen rechtlichen Erfolg gerichtete Äußerung des -> Willens (z. B. Erklärung, ein Buch kaufen zu wollen). Sie wird für das Rechtsgeschäft vorausgesetzt. Als rechtswissenschaftliche Grundfigur wird sie erst im 18. Jh. (Höpfner 1743-1797) erkannt (vgl. aber bereits Connan, 1508-1551). Die W. kann einen -> Willensmangel enthalten. Lit.: Kaser §§ 5 I, 8 I 1; Köbler, DRG 140, 164, 208; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Willensfreiheit ist die Unabhängigkeit des Willens von äußeren, die Willenshandlung zwangsweise bestimmenden Umständen. Ob W. besteht, ist in der menschlichen Geschichte (zeitweise) umstritten. Überwiegend wird, obwohl die Frage nach Freiheit oder Gebundenheit des menschlichen Willens (bisher) nicht eindeutig entschieden werden kann, von der vermuteten W. ausgegangen. Ein rechtsstaatliches Strafrecht setzt sie voraus. Lit.: Holzhauer, H., Willensfreiheit und Strafe, 1970 Willensmangel ist der den Willen oder allgemeiner die Willenserklärung betreffende Mangel. Einzelne Willensmängel berücksichtigt bereits das römische Recht (z. B. -> Irrtum). Eine Verallgemeinerung findet erst in der späten Neuzeit statt. Lit.: Kaser § 8; Hübner; Coing, H., Europäische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1985ff. Willkür ist die freie, bis zum Belieben reichende Wahl des Willens. Insofern kann sie den Gegensatz zum Recht bilden. In einem anderen Sinn wird als W. im Mittelalter das durch Zustimmung geschaffene städtische gesetzte Recht verstanden. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Simson, P., Geschichte der Danziger Willkür, 1904; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Rheinheimer, M., Die holsteinischen Dorfordnungen, ZRG GA 115 (1998), 529 Wilten Lit.: Wilten, 1924 Wimpfen Lit.: Jülch, R., Die Entwicklung des Wirtschaftsplatzes Wimpfen, 1961; Laufs, A., Das Wimpfener Rechtsbuch, ZRG GA 89 (1972), 175 Windscheid, Bernhard (Düsseldorf 26. 6. 1817-Leipzig 26. 10. 1892) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny) und Bonn 1847 außerordentlicher Professor in Bonn und 1847 ordentlicher Professor in Basel, Greifswald (1852), München (1857), Heidelberg (1871) und Leipzig (1874). Sein Hauptwerk ist ein dreibändiges Lehrbuch des Pandektenrechts (1861), in dem er das römische Recht seiner Zeit so vorbildlich 864 zusammenfasst, dass das Werk bis 1900 das fehlende deutsche Bürgerliche Gesetzbuch vertritt. Als Mitglied der ersten Kommission zur Schaffung eines Bürgerlichen Gesetzbuches beeinflusst er den ersten Entwurf erheblich. Lit.: Söllner § 25; Rümelin, M., Bernhard Windscheid, 1907; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses, 1965, 71; Wieacker, F., Privatrechts- geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Falk, U., Ein Gelehrter wie Windscheid, 1989; Ober, J., Bernhard Windscheid, Diss. jur. Köln 1989; Rückert, J., Bernhard Windscheid, JuS 1992, 902 Windsheim Lit.: Erbar, W., Die Windsheimer Reformation von 1521, Diss. jur. Erlangen 1928; Urkundenbuch der Stadt Windsheim von 741-1400, bearb. v. Schultheiß, W., 1963; Die Rechtsreformation des Stadtschreibers Johan Greffinger für die Reichsstadt Windsheim (1521), bearb. v. Hünefeld, H., 1974 Winterthur Lit.: Stauber, E., Die Burgen des Bezirkes Winterthur 1953 Wippe (F.) Gerät zum Fallenlassen eines Täters in eine Flüssigkeit Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 575, Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988 Wippen (N.) Prellen, Schnellen, von der Wippe fallen Lassen Wirtschaft ist die Gesamtheit der Einrichtungen und Maßnahmen zur planvollen Deckung des menschlichen Bedarfs an Gütern. Die W. beginnt bereits in vorgeschichtlicher Zeit. Den Sammlern und Jägern folgen die Viehzüchter und Ackerbauern. Nach der Sesshaftwerdung entwickelt sich in Rom aus der kleinbäuerlichen W. die Plan- tagenwirtschaft. Von diesen römischen Ver- hältnissen wird wohl die frühmittelalterliche -> Grundherrschaft beeinflusst. In ihr gewinnt das -> Gewerbe (Schmied, Töpfer, Weber) an Bedeutung. Bereits in den letzten Jahrzehnten des 8. Jh.s könnte ein neuer Aufscwung eingesetzt haben. Über den Markt entsteht im 11. Jh. -> die Stadt als der Mittelpunkt von Gewerbe und Handel. Tauschmittel wird das -> Geld. Bereits am Beginn der frühen Neuzeit werden frühkapitalistische Züge sichtbar. Danach wendet sich der Landesherr der durch die Entdeckungen belebten W. zu und versucht im -> Merkantilismus möglichst hohen Ertrag. In Auseinandersetzung mit dem -> Physiokra- tismus wird vor allem von Adam Smith der -> Liberalismus entwickelt, der die Erwerbs- tätigkeit des Menschen außerhalb der Landwirtschaft erleichtert. Im 19. Jh. strömt die wachsende Bevölkerung dem Wirtschaftssektor Gewerbe zu, im 20. Jh. dem Wirtschaftssektor Dienstleistungen. Die Selbstversorgung tritt fast völlig zurück. Die Wirtschaft des gesamten Volkes oder Staates wird als Volkswirtschaft wissenschaftlich erfasst. Um 1850 setzt mit der Entwicklung des Verkehrswesens, der inter- nationalen Kapitalmobilität und der Massen- migration die Verflechtung der einzelstaat- lichen Wirtschaften zur Weltwirtchaft ein. In der Auseinandersetzung zwischen Planwirt- schaft und Marktwirtschaft behält die Markt- wirtschaft in der zunehmend globalisierten Weltwirtschaft die Oberhand. Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 28, 50, 76, 77, 96, 133, 173, 217, 224, 242, 249, 267, 271; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 511; Below, G. v., Mittelalterliche Stadtwirtschaft und gegenwärtige Kriegswirtschaft, 1917; Bechtel, H., Wirtschaftsstil des deutschen Spätmittelalters, 1930; Spangenberg, H., Territorialwirtschaft und Stadtwirtschaft, 1932; Facius, F., Wirtschaft und Staat, 1959; Lütge, F., Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 3. A. 1966, Neudruck 1976, 1979; Dirlmeier, U., Mittelalterliche Hoheitsträger im wirtschaftlichen Wettbewerb, 1966; Treue, W./Boelcke, A., Geschichte der Wirtschaftspolitik, 1970; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973f.; Winkel, H., Die Wirtschaft im geteilten Deutschland, 1974; Hefermehl, W., Die Entjudung der deutschen Wirtschaft, Deutsche Justiz 1938, 1981; Wirtschaftsgeschichte der deutschsprachigen Länder, hg. v. Schäfer, H., 1989; Mathis, F., Die deutsche Wirtschaft im 16. Jahrhundert, 1992; Kloft, H., Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt, 1992; Cordes, A., Stuben und Stubengesellschaften, 1993; Rücker, M., Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus, 2000; Drexhage, H./Konnen, H./Ruffing, K., Die Wirtschaft des römischen Reiches (1.-3. Jahrhundert), 2001; Hesse, H., Ökonomen-Lexikon, 2003; Walter, R., Wirtschaftsgeschichte, 4. A. 2003; McCormick, m., Origins of the European Economy, 2001; Wijffels, A., Gelehrtes Recht und Wirtschaftsordnung, ZNR 25 (2003), 177; Bloch, R., Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert, 2004; Wirtschaft und Wirtschaftstheorien, hg. v. Kervégan, J. u. a., 2004; Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktarut, hg. v. 865 Gosewinkel, D., 2004; Torp, C., Weltwirtschaft vor dem Weltkrieg, HZ 279 (2004), 561; Boch, R., Staat und Wirtschaft, 2004 Wirtschaftsgemeinschaft -> Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Wirtschaftsgeschichte ist der die -> Wirtschaft betreffende Teil der Geschichte. Lit.: Köbler, DRG 9; Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, 1885f.; Kowalewsky, M., Die ökonomische Entwicklung Europas, 1901; Caro, G., Neue Beiträge zur deutschen Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte, 1911; Dopsch, A., Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, Teil 1f. 1912f.; Dopsch, A., Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, 1918ff.; Below, G. v., Probleme der Wirtschaftsgeschichte, 1920; Bücher, Karl, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, 1922; Kachel, J., Herberge und Gastwirtschaft in Deutschland bis zum 17. Jahrhundert, 1924; Urkunden zur deutschen Agrargeschichte, hg. v. Wopfner, H., 1925; Ganz, W., Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte des Großmünsterstiftes in Zürich, Diss. phil. Zürich 1925; Klaiber, L., Beiträge zur Wirtschaftspolitik oberschwäbischer Reichsstädte, 1927; Rörig, F., Hansische Beiträge zur deutschen Wirtschaftsgeschichte, 1928; Strieder, J., Aus Antwerpener Notariatsarchiven, 1930, Neudruck 1962; Dopsch, A., Die ältere Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Bauern, 1930; Sieveking, H., Wirtschaftsgeschichte, 1935; Bechtel, H., Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, 1941; Ammann, H., Mittelalterliche Wirtschaft im Alltag, ZRG GA 65 (1947), 391; Lütge, F., Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1966; Wehler, H., Bibliographie zur modernen deutschen Wirtschaftsgeschichte, 1976; Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Fischer, W., Bd. 1ff. 1980ff.; Abelshauser, W., Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik, 1983; Europäische Wirtschafts- geschichte, hg. v. Cipolla u. a., 1983; Ambrosius, G./Hubbard, W., Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas, 1986; Kulischer, J., Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, 6. unv. A. 1988; Wirtschafts- geschichte der deutschsprachigen Länder, hg. v. Schäfer, H., 1989; Martino, F. de, Wirtschaftsgeschichte des alten Rom, 2. A. 1991; Henning, F., Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1991ff.; Sandgruber, R., Ökonomie und Politik, 1995; Buchheim, C., Einführung in die Wirtschaftsgeschichte, 1997; Moderne Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Ambrosius, G. u. a., 1996; Germany, hg. v. Ogilvie, S., Bd. 2 1996; Schultz, H., Handwerker, Kaufleute, Bankiers, 1997; Kaufer, E., Spiegelungen wirtschaftlichen Denkens im Mittelalter, 1998; Walter, R., Wirtschaftsgeschichte,1998, 3. A. 2001; Weimer, W., Deutsche Wirtschaftsgeschichte, 1998; Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 1999; Deutsche Wirtschaftsgeschichte, hg. v. North, M., 2000; Jay, P., Das Streben nach Wohlstand, 2000; Geschichte der deutschen Wirtschaft im 20. Jahrhundert, hg. v. Spree, R., 2001; Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Schulz, G. u. a., 2003; Abelshauser, W., Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, 2004; Bloch, R., Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert, 2004; Wischermann, C./Nieberding, A., Die institutionelle Revolution, 2004; Schefold, B., Beiträge zur ökonomischen Dogmengeschichte, 2004 Wirtschaftskriminalität ist die ; Butschek, F., Vom Staatsvertrag zur EU, 2004die Wirtschaft betreffende Kriminalität, die seit dem 20. Jh. deutlich zunimmt. Lit.: Köbler, DRG 265; Müller, R./Wabnitz, H., Wirtschaftskriminalität, 3. A. 1993 Wirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die Wirtschaft betreffenden Rechtssätze. W. ist bereits in der Spätantike bedeutsam, gewinnt in der hochmittelalterlichen Stadt (Markt, Münze, Zunft) an Gewicht, wird durch die Landes- herren der Neuzeit erweitert (Merkantilismus) und wird zu Beginn des 20. Jh.s (1914 Kriegswirtschaftsgesetze) als eigenes Rechtsgebiet erfasst. Seitdem wird der freien Marktwirtschaft eine ausgleichende Komponente eingefügt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Endemann, W., Studien in der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff., Neudruck 1962; Nussbaum, A., Das neue deutsche Wirtschaftsrecht, 1920; Beiträge zum Wirtschaftsrecht, hg. v. Klausing, F. u. a., 1932; Schmelzeisen, G., Wirtschaftsrecht im 16. bis 18. Jahrhundert, Sozialwiss. Abh. 7 (1958), 9; Pleyer, K./Lieser, J., Das Zivil- und Wirtschaftsrecht der DDR, 1973; Buchner, H., Das Wirtschaftsrecht im Nationalsozialismus, in: Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, 1982; Fikentscher, W., Wirtschaftsrecht, Bd. 1f. 1983; Puppo, R., Die wirtschaftsrechtliche Gesetzgebung des Dritten Reiches, 1988; Nörr, K., Das Reichskaligesetz 1910 ­ ein Musterstatut der organisierten Wirtschaft, ZRG GA 108 (1991), 347; Sandmann, H., Die Entwicklung von Begriff und Inhalt des Wirtschaftsrechts durch die Rechtswissenschaft in der Weimarer Republik, 2000; Zacher, C., Die Entstehung des Wirtschaftsrechts in 866 Deutschland, 2002; Gschwend, L., Wirtschafts-Rechts- Geschichte?, ZRG GA 121 (2004), 471; Mohnhaupt, H., Justus Wilhelm Hedemann und die Entwicklung der Disziplin Wirtschaftsrecht, ZNR 2003, 238; Gschwend, L., Wirtschafts-Rechts-Geschichte?, ZRG GA 121 (2004), 471 Wismar ist der 1229 erstmals als Stadt erwähnte Ort an der Spitze der Wismarer Bucht der Ostsee. W. hat lübisches Recht. Aus ihmsind zahlreiche Bürgersprachen (Statuten) überliefert. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Techen, F., Die Bürgersprachen der Stadt Wismar, 1906; Brügmann, J., Das Zunftwesen der Seestadt Wismar, Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 99 (1935); Das zweite wismarsche Stadtbuch 1272-1297, bearb. v. Knabe, L., 1966; Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653- 1806), 2004 Wissenschaft ist die mit einleuchtend erscheinenden Gründen versehene Sammlung menschlichen Wissens. Die Anfänge der W. liegen in der griechischen Philosophie (Sokrates, Aristoteles). Der bemerkenswerte Wandel der W. vom ausgehenden 16. Jh. bis zum Beginn des 18. Jh.s ist vor allem durch die genauere Beobachtung der Natur und durch Sachverhalte prüfende und danach Gesetze ableitende Experimente geprägt. Inwieweit die Rechtswissenschaft W. ist, ist streitig. Lit.: Kuhn, T., The Structure of Scientific Revolutions, 1962; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., 1974; Wissenschaften im Zeitalter der Aufklärung, hg. v. Vierhaus, R., 1985; Schindling, A., Bildung und Wissenschaft, 1994; Sailer, R., Verwissenschaftlichung des Rechts in der Rechtspraxis?, ZRG 119 (2002), 106; Wussing, H., Die große Erneuerung ­ Zur Geschichte der wissenschaftlichen Revolution, 2002; Seiffert, H., Einführung in die Wissenschaftstheorie, 13. A. 2003; Hammerstein, N., Bidlung und Wissenschaft vom 15. bis zum 17. Jahrhundert, 2003; Macht des Wissens, hg. v. Dülmen, Richard van u. a., 2004 Wissenschaftsfreiheit ist die bereits 1848 in der Frankfurter Paulskirchenverfassung gewährte Freiheit der wissenschaftlichen Tätigkeit. Lit.: Schmidt, W., Die Freiheit der Wissenschaft, 1929; Mallmann, W./Strauch, H., Die Verfassungsgarantie der freien Wissenschaft, 1970; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Losch, B., Wissenschaftsfreiheit, 1993 Witte, Karl (Lochau bei Halle 1. 7. 1800-Halle 6. 3. 1883) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg 1823 Professor in Breslau und danach in Halle. Auf seinen Hinweis entdeckt Niebuhr in Verona die Handschrift der Institutionen des -> Gaius. Lit.: Witte, K., Karl Witte, Bd. 1 1819 Wittelsbach bei Aichach ist die Burg, nach der sich seit 1116/1120 Grafen nennen, die 1180 Herzöge von Bayern werden. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Wittelsbach und Bayern, hg. v. Glaser, H., 1980; Heimann, H., Hausordnung und Staatsbildung, 1993; Straub, E., Die Wittelsbacher, 1994; Kaufhold, M., Entscheidungsstrukturen in Dynastie und Reich, ZRG GA 120 (2003), 126; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004 Wittenberg an der Elbe erscheint 1180 als Burgward. Seit 1212 ist es Vorort einer zunächst askanischen Herrschaft. 1502 wird es Sitz einer Universität (bis 1813/1816). -> Luther Lit.: Distel, T., Beitrag zur Verfassungsgeschichte des Hofgerichts zu Wittenberg, ZRG GA 12 (1891), 117; Lück, H., Die Spruchtätigkeit der Wittenberger Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1982, 1998; 700 Jahre Wittenberg, hg. v. Oehmig, S., 1996; Kathe, H., Die Wittenberger philosophische Fakultät, 2002; Gößner, A., Die Studenten an der Universität Wittenberg, 2003; Wittenberg, hg. v. Lück, H. u. a., 2005 Wittenwiler, Heinrich (2. H. 14. Jh.) ist der 1395 als Advokat und Notar bezeichnete Hinterthurgauer Landadliger, der vielleicht zur Zeit des Konzils von Konstanz (1414-1418) das 9700 Verse umfassende Lehrgedicht ,,Ring" mit zahlreichen rechtlichen Bezügen verfasst. Lit.: Mittler, E., Das Recht in Heinrich Wittenwilers Ring, 1967; Wießner, E., Der Wortschatz von Heinrich Wittenwilers Ring, hg. v. Boesch, B., 1970 Wittgenstein an der oberen Lahn ist seit dem 12. Jh. Sitz eines Grafengeschlechtes. Für W. wird 1579 ein eigenes Landrecht aufgezeichnet. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, Historisches Lexikon; Wrede, G., Territorialgeschichte der Grafschaft Wittgenstein, 1927; Das Wittgensteiner Landrecht, hg. v. Hartnack, W., 1960; Wittgenstein, hg. v. Krämer, F., Bd. 1f. 1965 Wittum ist seit germanischer Zeit die Gabe des Bräutigams an den Muntwalt der Braut und später an die Braut. Das W. dient der Vorsorge für den Unterhalt der Frau nach dem Tod des 867 Mannes. Es steht ohne klare Trennung neben der Morgengabe. Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts, 1863, Neudruck 1967, 43, 63, 76; Müller-Lindenlauf, H., Germanische und spätrömisch-christliche Eheauffassung, 1969; Mikat, P., Dotierte Ehe - rechte Ehe, 1978 Witwe ist der weibliche Ehegatte nach dem Tod des Ehemannes. Meist geht die Personalgewalt auf die Verwandten des Mannes über. Die Wiederverheiratung ist möglich, wird von der christlichen Spätantike (Hieronymus) aber abgelehnt, so dass gelegentlich die W. als eigentliche Gründer- figur des Mittelalters angesehen wird. Lit.: Hübner 650; Schwab, D., Grundlage und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung, 1967; Humbert, M., Le remarriage Rome, 1972; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie, 1986; Kötting, B., Die Bewertung der Wiederverheiratung, 1988; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen Reich, 1995; Jussen, B., Der Name der Witwe, 2000; Dübeck, I., Legal Status of Widows in Denmark 1500-1900, Scand. J. History 29, 209 Witzenhausen Lit.: Eckardt, K., Politische Geschichte der Stadt Witzenhausen, 1925; Eckhardt, K., Politische Geschichte der Landschaft an der Werra und der Stadt Witzenhausen, 2. A. 1928; Natzmer, O. v., Das Liegenschaftsrecht des Witzenhäuser Stadtbuchs 1558- 1612, in Beiträge zur Geschichte der Werralandschaft 4, 1937 Woche ist die aus sieben Tagen bestehende, schon im alten Ägypten bekannte Zeiteinheit. Sie findet sich auch im Judentum und danach im Christentum. In jeder W. ist der Sonntag Feiertag. An einem bestimmten Wochentag findet der Wochenmarkt statt. Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1988, 1994; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980 Wohlerworben Lit.: Lübbe-Wolff, G., Das wohlerworbene Recht als Grenze der Gesetzgebung im 19. Jahrhundert, ZRG GA 103 (1986), 104 Wohlfahrt ist der Zustand der angenehmen Befindlichkeit. Seit der frühen Neuzeit wird die allgemeine W. zu einem Ziel herrschaftlichen Handelns. Dabei geht es zunehmend um Wirtschaftspolitik zur Erreichung von Wohlstand. Am Ende des 18. Jh.s kämpft der Liberalismus gegen die damit verbundene Ausdehnung der staatlichen Tätigkeit an. 1882 spricht das preußische Oberverwaltungsgericht der Polizei die allgemeine Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege ab. Lit.: Köbler, DRG 146, 198, 252, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 595; Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS A. Schultze, 1934; Verpaalen, A., Der Begriff des Gemeinwohls bei Thomas von Aquin, 1954; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Guldimann, T., Die Grenzen des Wohlfahrtsstaates, 1976; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Die Entstehung des Wohlfahrtsstaates, hg. v. Mommsen, W., 1982; Ritter, G., Der Sozialstaat, 1989; Hammerschmidt, P., Die Wohlfahrtsverbände im NS-Staat, 1998; Kaufmann, F., Varianten des Wohlfahrtsstaats, 2003 Wohlhaupter, Eugen (Unterwiesenbach/- Schwaben 7. 9. 1900-Tönsheide/Schleswig- Holstein 23. 12. 1946), Volksschullehrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in München (Eichmann) 1934 Lehrstuhlvertreter in Greifswald und Kiel (1934/1935) sowie 1935 außerordentlicher und 1944 planmäßiger außerordentlicher Professor in Kiel. Seine Arbeiten betreffen unterschiedliche rechtsgeschichtliche Gebiete. Lit.: Hattenhauer, H., Rechtswissenschaft im NS-Staat, 1987 Wohnsitz ist der örtliche Schwerpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen. Er ist bereits dem römischen Recht bekannt, wird aber erst seit dem Spätmittelalter bedeutsamer. Seit dem 18. Jh. wird seine Begründung und Veränderung formalisiert. Lit.: Nörr, D., Origo, TRG 31 (1963), 525; Lauter, R., Der Wohnsitz nach dem BGB, 1911; Walser, M., Die Bedeutung des Wohnsitzes im kanonischen Recht, 1992 Wohnung ist das meist aus mehreren Räumen bestehende befriedete Besitztum eines oder mehrerer Menschen zum auf längere Zeit angelegten Aufenthalt. Das Wohnungsrecht findet sich bereits im spätrömischen Recht. Die W. wird vielfach durch -> Miete erlangt, doch kann ihrem Besitz auch ein dingliches Recht zugrunde liegen. In der frühen Neuzeit wird die W. freiheitsrechtlich gegen Herrschaft geschützt (Kurhessen 1831). Etwa 1895 beginnt die Wohnungsbauförderung für die im öffentlichen Dienst Beschäftigten durch Staat und Gemeinden. Im 20. Jh. wird zeitweise der gesamte Bestand an Wohnungen staatlicher 868 Zwangswirtschaft unterstellt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 127; Feldbauer, P., Stadtwachstum und Wohnungsnot, 1977; Kohlmorgen, G., Johann Füchting und Füchtings Hof in Lübeck, 1982; Wolter, U., Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984; Teuteberg, H./Wischermann, C., Wohnalltag in Deutschland 1850-1914, 1985; Schlichting, F., Haus und Wohnen in Schleswig- Holstein, 1985; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Zimmermann, C., Von der Wohnungsfrage zur Wohnungspolitik, 1991; Geschichte des Wohnens, hg. v. Reulicke, J. u. a., Bd. 1ff. 1997ff. Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer -> Wohnung in Verbindung mit einem Miteigentumsanteil an dem die Wohnung tragenden Grundstück. Es ist in Fortsetzung des älteren -> Stockwerkseigentums im Gegensatz zu dem römischrechtlichen Grundsatz (lat.) superficies solo cedit (die Oberfläche folgt dem Grund) seit der Mitte des 20. Jh.s aus sozialrechtlichen Überlegungen zugelassen, so dass in Deutschland am Ende des 20. Jh.s die Zahl der (Wohnungs-)Eigentümer die Zahl der (Wohnungs-)Mieter übersteigt. Lit.: Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG GA 106 (1989), 327; Bärmann, J./Pick, E., Wohnungseigentumsgesetz, 13. A. 1994 Wo kein Kläger, da kein Richter. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 209 (Sachsenspiegel 1221-1224, lat. nemo iudex sine actore) Wolf Lit.: Koschorreck, W., Der Wolf, Diss. jur. Jena 1952 Wolf, Erik (Biebrich bei Wiesbaden 13. 5. 1902-Freiburg im Breisgau 13. 10. 1977) wird nach dem Studium von Volkswirtschaft und Recht in Frankfurt am Main und Jena Professor in Rostock (1928), Kiel (1930) und Freiburg im Breisgau (1930). Bekannt ist sein Werk über die großen Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte (1939, 2. A. 1943, 3. A. 1951, 4. A. 1963). Lit.: Wolf, E., Ausgewählte Schriften, Bd. 1ff. 1972ff.; Hollerbach, A., Erik Wolf, ZRG GA 95 (1978), 33 Wolff, Christian (Breslau 24. 1. 1679-Halle 9. 4. 1754), Gerberssohn, wird nach dem 1699 aufgenommenen Studium von Theologie, Mathematik, Physik, Philosophie und Recht in Jena und (1702) Leipzig (Leibniz) Philosophielehrer in Leipzig (1703), Professor für Mathematik in Halle (1706), (nach Landesverweis unter Tötungsandrohung wegen gefährlicher Gedanken) Professor für Mathematik und Philosophie in Marburg (1723) und (nach Rückruf durch Friedrich den Großen) Professor für Naturrecht, Völkerrecht und Mathematik in Halle (1740). Auf der Grundlage der Lehren Leibnizs wie des Gedankens, dass der (angeboren freie und gleiche) Mensch verpflichtet sei, nach Vollkommenheit zu streben, stellt er (vor allem auch in deutschsprachigen Veröffentlichungen sowie anscheinend in allmählicher Entwicklung) durch Ableitung aus wenigen Grundsätzen ein geschlossenes System naturrechtlicher Sätze insgesamt auf (lat. Ius [N.] naturae methodo scientifica pertractatum), mit dem er jedoch, weil er in konstruktiver Überspitzung etwa für einen einzigen Satz bis zu 300 Obersätze voraussetzt, die Ablösung des -> Naturrechts als in der Rechtswirklichkeit nicht brauchbar einleitet. Seine wichtigsten Schüler sind Cramer, Ickstatt, Darjes und Nettelbladt. Lit.: Köbler, DRG 136, 145, 146, 160, 208; Wunner, S., Christian Wolff, 1968; Backmann, H., Die naturrechtliche Staatslehre Christian Wolffs, 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Christian Wolff, hg. v. Schneiders, W., 1983; Stipperger, E., Freiheit und Institution bei Christian Wolff, 1984; Ebihara, A., Justis Staatslehre und Wolffs Naturrechtslehre, ZRG GA 102 (1985), 239; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988, 289; Luig, K., Die Pflichtenlehre des Privatrechts, in: Wieacker Symposion, hg. v. Behrends, O. u. a., 1991, 209; Christian Wolff und die hessischen Universitäten, hg. v. Eckhardt, W., 2004; Timme, M., Christian Wolff, JuS 2004, 1042; Gómez Tutor, J., Die wissenschaftliche Methode bei Christian Wolff, 2004 Wolff, Martin (Berlin 26. 9. 1872-London 20. 7. 1953), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin 1903 außerordent- licher Professor, 1914 ordentlicher Professor in Marburg, Bonn (1919) und Berlin (1921), bis er 1934 aus seinem Amt entfernt wird und nach London auswandert. Sein 1910 veröffentlichtes Sachenrecht gilt als eines der besten privatrechtlichen Werke des 20. Jh.s. Lit.: Wolff, M., Der Bau auf fremdem Boden, 1900; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 543 Wolhynien, Wolynien, ist das Gebiet zwischen 869 Bug und Dnjepr. Es bildet im 11./12. Jh. ein unabhängiges Herzogtum (Lodomerien), wird aber 1188 mit -> Galizien vereinigt. 1793/1795 kommt es bei Teilungen Polens an Russland, von 1921 bis 1944 teilweise an Polen. Die im 19. Jh. eingewanderten Deutschen werden mehrfach verschleppt und umgesiedelt. Wöllner Johann Christoph von (1732-1800) wird in Preußen 1788 Minister des geistlichen Departements. Nach ihm ist ein am 9. 7. 1788 erlassenes Edikt benannt. Es anerkennt den Grundsatz der religiösen -> Toleranz und konfessionellen Parität der drei christlichen Hauptkonfessionen. Lit.: Valjavec, F., Das Wöllnersche Religionsedikt, Hist. Jb. 72 (1953), 386; Theisinger, T., Die Irrlehrefrage im Wöllnerschen Religionsedikt, Diss. jur. Heidelberg 1975 Wo nichts ist, da hat der Kaiser sein Recht verloren. Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 190 (Pistorius 1716) Wood, Thomas (1661-1722) wird nach dem Studium in Oxford 1703 Doctor of Civil Law und 1704 geistlicher Rektor von Hardwick in Buckinghamshire. 1720 veröffentlicht er An Institute of the Laws of England. Beeinflusst von Domat versucht er eine Ordnung und Systematisierung des -> common law nach römischrechtlichen Methoden. Seine Verbin- dung von römischem Recht und englischem Recht wirkt fast während des gesamten 18. Jh.s prägend. Lit.: Holdsworth, W., History of English Law, Bd. 12 1938, 418; Coquillette, D., The Civilian Writers, 1988, 198; Robinson, R., The Two Institutes of Thomas Woods, American Journal of Legal History, 35 (1991), 432 Worms ist die ursprünglich keltische Siedlung am linken Ufer des mittleren Rheins, die vielleicht seit 346 Sitz eines Bischofs ist. 1273 erlangt die bischöfliche, seit 1074 mit Privilegien begabte Stadt, in der am 23. 9. 1122 nach längeren Verhandlungen das einen gewissen Ausgleich im Investiturstreit bringende Wormser Konkordat vereinbart wird, Reichsfreiheit. 1498/1499 erneuert sie in weitgehender Romanisierung ihr Recht in einer -> Reformation. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93; Köbler, Historisches Lexikon; Koehne, K., Die Reformation des Wormser Stadtrechts, 1897; Wormser Recht und Wormser Reformation. Älteres Wormser Recht, hg. v. Kohler, J. u. a., 1915; Sofsky, G., Die verfassungsrechtliche Lage des Hochstifts Worms, Diss. jur. Mainz 1955; Theuerkauf, G., Burchard von Worms, Frühmittelalterliche Studien 2 (1968), 144; Hüttemann, H., Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte, 1970; Der Statt Wormbs Reformation, hg. v. Köbler, G., 1985 Wormser Konkordat ist der Vertrag zwischen Papst und Kaiser vom 23. 9. 1122, der den -> Investiturstreit vorläufig abschließt. Der Kaiser überlässt der Kirche jede Investitur mit Ring und Stab und erlaubt kanonische Wahlen und freie Weihe. Der Papst lässt zu, dass im deutschen Reich die Wahl der Bischöfe in Gegenwart des Kaisers vollzogen wird und im Falle der Uneinigkeit der Kaiser den klügeren Teil unterstützen darf. Nach der Wahl darf der Kaiser die Regalien übertragen. Damit wird die Einheit von geistlicher und weltlicher Herr- schaft aufgegeben. Lit.: Bernheim, E., Das Wormser Konkordat, 1906; Rudorff, H., Zur Erklärung des Wormser Konkordats, 1906; Bernheim, E., Die praesentia regis im Wormser Konkordat, Historische Vierteljahresschrift 1907, 196; Salomon, F., Der Sachsenspiegel und das Wormser Konkordat, ZRG GA 31 (1910), 137; Hofmeister, A., Das Wormser Konkordat, 1962; Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbotes, 1981; Schilling, B., Ist das Wormser Konkordat überhaupt nicht geschlossen worden?, DA 58 (2002), 123 Wort Lit.: Wörter und Sachen im Lichte der Bezeichnungsforschung, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1981 Writ ist im englischen Recht das über eine Bitte an den königlichen Kanzler gegen Entgelt zu erlangende Privileg des Königs, in dem er in lateinischer Sprache den Sheriff der Grafschaft des Beklagten anweist, dem Beklagten z. B. zurückzugeben, was er schuldet oder zum königlichen Gericht zu kommen und zu erklären, warum er es nicht tut. Diese streng formalisierte verfahrensrechtliche Weisung ist vielleicht über Kirche und Universität durch das römische Recht beeinflusst. 1227 werden insgesamt 56 Arten von writs unterschieden. 1258 werden neue writs verboten aber als writs upon the case doch wieder zugelassen. Für Verträge wird ein w. erst 1602 anerkannt. 1832 870 bestehen 76 verschiedene Arten von writs und damit Klagen. 1852 wird das System der forms of action aufgegeben. Die Technik der einzelnen writs kann praktisch nur in den -> inn of courts zuverlässig erlernt werden. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Peter, H., Actio und writ, 1957; Caenegem, R. von, Royal Writs, 1959; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002 Wucher ist das unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwächen eines anderen erfolgende Versprechenlassen oder Gewährenlassen von solchen Vermögensvorteilen für eine Leistung, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Im Mittelalter erklärt sich das kirchliche Gericht für wucherische Geschäfte zuständig. Zum Ausgleich für den Wegfall des kanonischen -> Zinsverbotes und der neuzeitlichen Höchstzinssätze im Liberalismus wird im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein Wucherverbot geschaffen. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 214; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; Rösch, G., Wucher in Deutschland 1200-1350, HZ 259, (1994), 593; Dilcher, J., Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002 Wunder (lat. miraculum) ist das auf vermuteter göttlicher Einwirkung beruhende, Erfahrungs- erwartungen widersprechende erwünschte Geschehen (z. B. Heilung schwerer Krankheiten, unerwartetes Bestehen von Gefahrenlagen). Es erweckt Hoffnungen anderer. Es trägt unter Ausnutzung seelischer Nöte Schwacher zum Wohlstand parasitärer Promotoren von Wallfahrten bei. Lit.: Wallfahrt St. Georgenberg, hg. v. Ingenhaeff- Berenkamp, W., 1986; Schuh, B., Jenseitigkeit in diesseitigen Formen, 1989; Mirakel im Mittelalter, hg. v. Heinzelmann, M. u. a., 2002; Rendtel, C./Wittmer- Butsch, M., Miracula, 2003; Schwegler, M., Kleines Lexikon der Vorzeichen und Wunder, 2004; Mirakelberichte des frühen und hohen Mittelalters, hg. v. Herbers, K., 2005 Würde -> Menschenwürde Lit.: Wagner, W., Die Würde des Menschen, 1991 Wurm, Nikolaus (Neuruppin vor Mitte 14. Jh.s-Liegnitz nach 1401), Schüler des Johannes von Lignano in Bologna, ist der sächsische gelehrte Jurist, der an verschiedenen sächsischen Werken Verbesserungen vornimmt wie z. B. an der buchschen Glosse oder an der Lehnrechtsglosse (1386) des Sachsenspiegels. Außerdem verfasst er ein Liegnitzer Stadtrechtsbuch (1399), die Blume von Magdeburg (um 1390) und die Blume über den Sachsenspiegel (1397). Lit.: Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 162, 178ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58, 72; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990 Wursten (aus wort-seten, auf Wurten Sitzende) ist die seit dem 6. Jh. von Friesen besiedelte Landschaft an der unteren Weser. 1508 wird eine niederdeutsche Übersetzung der Rüstringer Küren aufgezeichnet, 1611 das Wurstener Landrecht. Lit.: Lehe, E. v., Geschichte des Landes Wursten, 1973 Württemberg ist die 1081/92 erscheinende Burg bei Esslingen, nach der sich Grafen benennen, welche die Landesherrschaft im östlichen Teil Schwabens erreichen (W.). 1555 wird ein durch Sichard romanistisch geprägtes, vierteiliges -> Landrecht (Prozess, Vertrag, gewillkürtes Erbrecht, gesetzliches Erbrecht) erlassen, das unter Änderungen (1567, 1610) bis 1900 in Geltung bleibt. Am Beginn des 19. Jh.s wird der Umfang des Landes von 9800 Quadratkilometern auf 19500 Quadratkilometer erweitert. Am 25. 9. 1819 gewährt der König von W. eine -> Verfassung. Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 192, 202, 256, 269; Köbler, Historisches Lexikon; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1831; Wirtembergisches Urkundenbuch, Bd. 1ff.; Erzberger, Die Säkularisation in Württemberg, 1902; Wintterlin, F., Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, Bd. 1f. 1904ff.; Weller, K., Württembergische Geschichte, 1909, 5. A. 1963; Württembegische ländliche Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1910ff.; Württembergische Landtagsakten, Reihe 2, Bd. 1ff. 1910ff.; Beschreibung des Oberamts Tettnang, 2. A. 1915; Württembergische Regesten, hg. v. kgl. Haus und württemberg. Staatsarchiv, 1916ff.; Knapp, T., Neue Beiträge zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des württembergischen Bauernstandes, 1919; Knapp, T., Das württembergische Hofgericht zu Tübingen und das württembergische privilegium de non appellando, ZRG 871 GA 48 (1928), 1; Mock, A., Die Entstehung der Landeshoheit der Grafen von Wirtemberg, 1926; Beschreibung des Oberamtes Leonberg, 2. A. 1930; Hölzle, E., Das alte Recht und die Revolution, 1931; Enst, F., Eberhard im Bart, 1933; Miller, M., Die Organisation und Verwaltung von Neuwürttemberg, 1934; Hölzle, E., Württemberg im Zeitalter Napoleons, 1937; Müller, K., Gesamtübersicht über die Bestände der staatlichen Archive Württembergs, 1937; Weller, K., Besiedlungsgeschichte Württembergs vom 3. bis 13. Jahrhundert, 1938; Kothe, I., Der fürstliche Rat in Württemberg, 1938; Linder, O., Die Entstehung der Verwaltungsrechtspflege des geheimen Rats in Württemberg, 1940; Graessle, H., Sindelfingen, 1954, Grube, W., Der Stuttgarter Landtag, 1957; Sauer, P., Das württembergische Heer, 1958; Naujoks, E., Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Rummer, J., Die Pforzheimer Prob, 1963; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Hess, R., Familien- und Erbrecht im württembergischen Landrecht von 1555, 1968; Struck, W., Geschichte der Stadt Geisenheim, 1972; Philippi, H., Das Königreich Württemberg im Spiegel der preußischen Gesandtschaftsberichte 1871-1914, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2662, 3,3,2864,3700; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg, 1973; Bernhardt, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, 1973; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden- Württemberg 1, 2, hg. v. Landkreistag, 1975; Maier, K., Die Bürgschaft, 1980; Feuchte, P., Verfas- sungsgeschichte von Baden-Württemberg, 1983; Stadtwerdung im Landkreis Sigmaringen, 1985; Stettner, W., Ebingen, 1986; Pforzheim in der frühen Neuzeit, hg. v. Becht, H., 1989; Gerner, J., Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung, 1989; Frey, S., Das württembergische Hofgericht, 1989; Schwarzmeier, H., Handbuch der baden- württembergischen Geschichte, Bd. 3 1992; Haug- Moritz, G., Württembergischer Städtekonflikt und deutscher Dualismus, 1992; Gotthard, A., Konfession und Staatsräson, 1992; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu moderner und rechtsstaatlicher Gerichtsverfassung, 1997; Schuler, P., Regesten zur Herrschaft der Grafen von Württemberg 1325-1378, 1998; Raberg, F., Biographisches Handbuch der württtembergischen Landtagsabgeordneten 1815-1933, 2001; Württembergisches Klosterbuch, hg. v. Zimmermann, W. u. a., 2003; Württemberg 1797-1816/19, bearb. v. Paul, I., 2004; Die Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern, Bd. 1 bearb. v. Raberg, F., 2004; Württemberg 1797-1816/19, bearb. v. Paul, I., 2005 Wurtzins (M.) Hausstättenzins Wurzach Lit.: Vogel, A., Die Rechtsverhältnisse der reichstruchsess-waldburgischen Stadt Wurzach, Diss. jur. Tübingen 1958 Würzburg am Main wird nach älteren Siedlungsspuren 704 als Vorort eines fränkischen Herzogtums bezeugt. 741/742 wird es Sitz eines Bischofs, von dem zwischen 995 und 1223 386 Urkunden nachgewiesen sind. 1402/1410 wird eine 1582 erneuerte Universität eingerichtet. Um 1200 hat es 7000 bis 8000, um 1500 rund 9000 Einwohner.Das Würzburger Landgericht will für das Herzog- tum -> Franken zuständig sein. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Knapp, H., Die Zenten des Hochstifts Würzburg, 1907; Würzburger Polizeisätze, hg. v. Hoffmann, H., 1955; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae, 1956; Urkundenregesten zur Geschichte der Städte des Hochstifts Würzburg (1172-1413), bearb. v. Engel, W., 1956; Seberich, F., Das Stadtmodell Würzburg um 1500, 1968; Johanek, P., Die Frühzeit der Siegelurkunde im Bistum Würzburg, 1969; Schubert, Ernst, Materielle und organisatorische Grundlagen der Würzburger Universitätsentwicklung, 1973; Schich, W., Würzburg im Mittelalter, 1977; Trüdinger, K., Stadt und Kirche im spätmittelalterlichen Würzburg, 1978; Fries, L., Chronik der Bischöfe von Würzburg 741-1495, hg. v. Wagner, U. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Kummer, C., Die Illustration der Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries aus dem Jahre 1546, 1995; Geschichte der Stadt Würzburg, hg. v. Wagner, U., Bd. 1f. 2001ff.; Raum und Recht ­ Festschrift 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, hg. v. Dreier, H. u. a., 2002; Schäfer, D., Geschichte Würzburgs, 2003; Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Benkert, C., Die juristische Fakultät der Universität Würzburg 1914 bis 1960, 2005 Wüstung ist die zerstörte oder verlassene Siedlung. W. (Zerstörung) eines Gutes ist auch als Rechtsfolge möglich (z. B. bei Landesverrat, Ketzerei, Tötung, Notzucht). Lit.: Kroeschell, DRG 2; Lappe, J., Die Wüstungen der Provinz Westfalen, 1916, Frölich, K., Rechtsgeschichte und Wüstungskunde, ZRG GA 64 (1944), 277; Largiadr, A., Ein später Fall von strafrechtlicher 872 Wüstung, ZRG GA 72 (1955), 244; Zahn, N., Die Wüstung, Diss. jur. Basel 1956; Fischer, H., Die Hauszerstörung, 1957; Abel, W., Die Wüstungen, 1943, 2. A. 1955, 3. A. 1976; Wüstungen in Deutschland ­ Ein Sammelbericht, hg. v. Abel, W., 1967 X Xanten Lit.: Urkundenbuch des Stiftes Xanten, hg. v. Weiler, P., Bd. 1 1935 Xiphilinos, Johannes (Trapezunt 1010) wird nach Ausbildung in Konstantinopel Rechtslehrer einer Rechtsschule und kommentiert das in den -> Basiliken über- lieferte römische Recht. Lit.: Schminck, A., Studien zu mittelbyzantinischen Rechtsbüchern, 1986, 29, 40 Y Year book ist die Bezeichnung der Jahrbücher, in denen die Entscheidungen des -> englischen Rechts von jungen Anwälten in -> Law French aufgenommen sind (reports, von 1292 bis 1535 erhalten, Gegensatz lateinische records). Lit.: Year books Bd. 1ff. 1903ff.; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000 Z Zabarella, Francesco (Padua 1360-1417), Patrizierssohn, wird nach dem Studium des Kirchenrechts in Bologna (Antonius de Butrio) Rechtslehrer in Padua und Bischof von Florenz. Auf dem Konzil von Konstanz setzt er sich für die Erweiterung der Rechte des Konzils zu Lasten des Papstes ein. Lit.: Girgensohn, D., Francesco Zabarella, ZRG KA 79 (1993), 232 Zachariä (1842 von Lingenthal), Carl Salomo (Meißen 14. 9. 1769-Heidelberg 27. 3. 1843), Advokatensohn, wird nach dem Studium der Philosophie, Philologie und des Rechts in Leipzig 1802 Professor in Wittenberg und Heidelberg (1807). 1808 veröffentlicht er ein systematisch abgefasstes Handbuch des französischen Civilrechts. 1810 legt der als schillernd beschriebene Gelehrte das aufgeklärte ,,Staatsrecht der rheinischen Bundesstaaten" vor. Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 2 1992, 169; Lang, T., Die Staats- und Verfassungslehre Carl Salomo Zachariaes, 1996 Zachariae, Heinrich Albert (Herbsleben bei Bad Langensalza 20. 11. 1806-Cannstadt 29. 4. 1875) wird 1829/1830 Strafprozessrechtler und Staatsrechtler in Göttingen (Grundlinien des gemeinen deutschen Kriminalprozesses, 1837). Lit.: Mohl, R. v., Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. 2 1855, Neudruck 1960, 266; Bandemer, D. , Heinrich Albert Zachariae, 1985 Zagreb (Agram) an der oberen Save geht auf antike Grundlagen zurück. 1093 ist es Sitz eines Bischofs. 1242 wird die nach der Zerstörung (1242) neu entstandene Siedlung Gradec königlich ungarische Freistadt. 1526 fällt Z. an -> Österreich. 1669 erhält es eine Universität. 1718 wird Z. Hauptstadt -> Kroatiens. Lit.: Grothusen, K., Entstehung und Geschichte Zagrebs bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts, 1967 Zahl ist die Umstände nach ihrer Menge fortlaufend ordnende Einheit. Frühmittel- alterliche Zahlenangaben sind wohl grund- sätzlich verlässlich. Bei hohen Heeresangaben sind Übertreibungen anzunehmen. Lit.: Ifrah, G., Universalgeschichte der Zahlen, 2. A. 1991; Sonntag, R., Studien zur Bewertung von Zahlenangaben in der Geschichtsschreibung des frühen Mittelaters, 1987 Zahlung ist die Tilgung einer Geldschuld. Sie erfolgt zunächst durch Übereignung der Sache Geldstück, seit dem 19. Jh. zunehmend bargeldlos. Lit.: Meder, S., Die bargeldlose Zahlung, 1996 Zähringen bei Freiburg im Breisgau ist die namengebende Burg einer alemannischen Familie, die 1092 den Titel eines Herzogs (Gegenherzogs) von Schwaben annimmt. Ihr durch viele Stadtgründungen (z. B. -> Freiburg im Breisgau, -> Bern) gekennzeichnetes Herrschaftsgebiet fällt bei ihrem Aussterben 1218 an verschiedene Nachfolger. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Hamm, E., Die Städtegründungen der Herzöge, 1932; Mayer, T., Der Staat der Herzöge, 1935; Büttner, H., Egino von Urach-Freiburg, der Erbe der Zähringer, 1939; Die Zähringer, hg. v. Schadek, H. u. a., 1986; Die 873 Zähringer, hg. v. Schmid, K. u. a., 1990; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004 Zar (M.) ist der nach lat. Caesar gebildete slawische Herrschertitel (Russland 1547-1917, Bulgarien 1908-1946). -> Kaiser Lit.: Die russischen Zaren, hg. v. Torke, H., 1995; Fedorowski, W., Die Zarinnen, 2001 Zalaszowski, Mikolaj (1631-1703) wird nach dem Studium in Krakau, Rom und Deutschland Professor in Krakau und Posen. Seit 1699 veröffentlicht er (lat.) Ius (N.) regni Poloniae (Recht des Königreichs Polen). Lit.: Malinowska, I., Mikolaj Zalaszowski, 1960 Zasius (Zäsy), Ulrich (Huldreich) (Konstanz 1461-Freiburg im Breisgau 24. 11. 1535) wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen Gerichtsschreiber in Konstanz und Stadt- schreiber in Freiburg, wo er nach weiteren Studien 1506 Professor wird. Er fördert die in Frankreich gegen die herkömmliche italienische Art (lat. -> mos [M.] Italicus) entwickelten humanistisch-philologischen Neuansätze (-> Alciat, lat. -> mos [M.] Gallicus). Bei dem 1520 vorgelegten neuen römischrechtlich beeinflussten Stadtrecht (Reformation) -> Freiburgs wirkt er maß- geblich mit. Er ist der erste europäisch bedeutsame deutsche Jurist. Lit.: Köbler, DRG 144, 160; Stintzing, R., Ulrich Zasius, 1857, Neudruck 1857; Bremer, F., Ulrich Zasius und das Famileinstatut der von Rappoltstein vom Jahre 1511, ZRG GA 18 (1897), 170; Knoche, H., Ulrich Zasius und das Freiburger Stadtrecht von 1520, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Winterberg, H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961 (132 Schüler und Hörer); Kisch, G., Zasius und Reuchlin, 1961; Fleischer, G., Ulrich Zasius und Petrus Stella, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1966); Nüwe Stattrechten und Statuten, hg. v. Köbler, G., 1986; Rowan, S., Ulrich Zasuis, 1987; Schroeder, K., Ulrich Zasius, JuS 35 (1995), 97 Zauber ist die Zuhilfenahme von nicht- menschlichen geistigen Kräften zur Verwirklichung menschlicher Zwecke. Der Z. gehört bereits der Vorgeschichte an. Die christliche Kirche wendet sich gegen bestimmte Formen von Z. und Zauberei und verfolgt insbesondere in der frühen Neuzeit -> Hexen. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 87; Köbler, WAS; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hansen, J., Zauberwahn, 1900, Neudruck 1964, 1983; Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941; Leutenbauer, S., Hexerei und Zauberdelikt, 1972; Zauber, Magie und Rituale, hg. v. Büttner, C., 1985; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Blauert, A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Clerc, J., Homines magici, 1995; Kleinöder- Strobel, S., Die Verfolgung von Zauberei und Hexerei in den fränkischen Markgraftümern, 2002; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003 Zauberei -> Zauber Zaudengericht Lit.: Diels, P./Koebner, R., Das Zaudengericht in Böhmen, Mähren und Schlesien, 1935 Zaun Lit.: Amira, K. v., Zaunpflicht zwischen Gemeinweiden und Kulturland, ZRG GA 29 (1928), 336 zehn Gebote -> Dekalog Zehnt ist der bereits den Juden im Alten Testament bekannte, von der Kirche zwischen Spätantike (6. Jh.) und Frühneuzeit unter Berufung auf biblische Stellen (3. Mose 27,30) geforderte zehnte Teil eines Ertrages. Er wird von dem merowingischen Hausmeier Karl Martell nach der im Zuge der Abwehr des Ansturmes der Araber (732) erfolgten Säkularisierung (Verweltlichung) des Kirchengutes erneuert. Im 13. Jh. wird er zur Geldleistung. Im 19. Jh. wird der Z. im Gefolge der französischen Revolution durch die -> Kirchensteuer ersetzt (Preußen 20. 6. 1875). Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 198; Stutz, U., Das karolingische Zehntgebot, ZRG GA 29 (1908), 180; Viard, P., Histoire de la dîme ecclésiastique, 1909; Schmid, H., Der Gegenstand des Zehntstreites zwischen Mainz und den Thüringern im 11. Jahrhundert, ZRG GA 43 (1922), 267; Plöchl, W., Das kirchliche Zehntwesen, 1935; Gmür, R., Der Zehnt im alten Bern, 1954; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Harrer, R., Der kirchliche Zehnt im Gebiet des Hochstifts Würzburg, 1992; Pribnow, V., Die Rechtfertigung obrigkeitlicher Steuer- und Zehnterhebung, 1996; Jursa, M., Der Tempelzehnt in Baylonien, 1998; Person-Weber, G., Der Liber decimationis des Bistums Konstanz, 2001 Zeichen -> Marke, Warenzeichen Lit.: Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995 Zeil Lit.: Inventar des Archivs Trauchburg, bearb. v. Rauh, R., 1968; Rauh, R., Das Hausrecht der 874 Reichserbtruchsessene Fürsten von Waldburg, Bd. 1f. 1971f. Zeiller, Franz von (Graz 14. 1. 1751-Hietzing bei Wien 23. 8. 1828) wird nach dem Studium der Philosophie in Graz und des Rechts in Wien (Martini) Hauslehrer Martinis, 1778 außerordentlicher Professor, 1782 ordentlicher Professor in Wien und 1797 Beisitzer der Hofkommission in Justizgesetzsachen. Er bearbeitet das westgalizische Strafgesetzbuch. Sein 1802 veröffentlichtes natürliches Privatrecht prägt den anschließend von ihm umgestalteten Stoff des späteren -> Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (1811/1812). Sein 1810 eingeführter Studien- plan drängt die Geschichte zugunsten der Systematik (auf eine rein dienende Aufgabe) zurück, doch wird dies 1855 wieder beseitigt. Lit.: Köbler, DRG 142; Swoboda, E., Franz von Zeiller, 1931; Forschungsband Franz von Zeiller, hg. v. Selb, W. u. a., 1980; Franz von Zeiller. Symposium, hg. v. Desput, J. u. a., 2003 Zeitgeschichte ist die die jüngere Vergangenheit betreffende Geschichte. In der allgemeinen Geschichte wird die Geschichte der Zeit seit 1918 (Hans Rothfels 1953 Zeit der Mitlebenden) (bzw. seit 1945) als Z. verstanden. Seit etwa 1970 wird auch eine juristische Z. angestrebt. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Klippel, D., Juristische Zeitgeschichte, 1985; Juristische Zeitgeschichte - ein neues Fach?, hg. v. Stolleis, M., 1993; Ramm, T., Rechtszeitgeschichte, 1998, 587; Forum Juristische Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998; Rückert, J., Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 115 (1998), 1; Kramer, H., Plädoyer für ein Forum zur juristischen Zeitgeschichte, hg. v. Verein Forum Justizgeschichte, 1998; 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a., 1999; Vormbaum, T., Beiträge zur juristischen Zeitgeschichte, 1999; Themen juristischer Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F./Vormbaum, T., 1999; Rückert, J., Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 117 (2000), 290; Diestelkamp, B., Rechtsgeschichte als Zeitgeschichte, 2001 (Beiträge); Gehler, M., Zeitgeschichte im dynamischen Mehrebenensystem, 2001; Senn, M., Recht ­ Gestern und heute, 2002; Einführung in die Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a., 2003; Topitsch, E., Im Irrgarten der Zeitgeschichte, 2003; Metzler, G., Einführung in das Studium der Zeitgeschichte, 2004; Wagner, W., Bildatlas der österreichischen Zeitgeschichte, 2004; Zeitgeschichte als Problem, hg. v. Nützenadel, A. u. a., 2004; Metzler, G., Einführung in das Studium der Zeitgeschichte, 2004 Zeitschrift für Rechtsgeschichte ist die der von Savigny und anderen für Romanistik und Germanistik begründeten Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft (1815-1845) und der von Reyscher und Wilda herausgegebenen (germanistischeren) Zeit- schrift für deutsches Recht ab 1861 folgende, Romanistik und Germanistk wieder vereinende, 1880 in eine germanistische Abteilung und eine romanistische Abteilung gegliederte und (durch Ulrich Stutz) 1911 um eine kanonistische Abteilung erweiterte Zeitschrift für rechtsgeschichtliche Forschungen und Besprechungen (,,Deutschlands berühmteste Zeitschrift). Lit.: Thieme, H., Hundert Jahre Zeitschrift für Rechtsgeschichte, ZRG GA 78 (1961), XII; Mayer-Maly, T., Deutschlands berühmteste Zeitschrift, ZRG GA 102 (1985), 1 Zeitung Lit.: Breil, M., Die Augsburger Allgemeine Zeitung, 1996; Juristische Zeitschriften, hg. v. Stolleis, M., 1999; Pross, H., Zeitungsreport, 2000; Schultheiß-Heinz, S., Politik in der europäischen Publizistik, 2004 Zensor ist der altrömische Amtsträger, der wohl seit 444 v. Chr. für die Aufsicht über die Sitten und die Vermögensveranlagung zuständig ist. Lit.: Söllner § 6; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 Zensur ist die Aufsicht über das gesellschaftliche Verhalten, insbesondere über die Veröffentlichung von Gedanken in Schriftform. Von 1559/1564 bis 1967 führt die katholische Kirche einen (lat.) Index (M.) librorum prohibitorum (Anzeiger verbotener Bücher). Dem folgen die neuzeitlichen Landesherren, bis im 19. Jh. der Liberalismus die -> Pressefreiheit erreicht. Lit.: Krempel, O., Das Zensurrecht in Deutschland, Diss. jur. Würzburg 1921; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht, 1970; Busch, R., Die Aufsicht über das Bücher- und Pressewesen in den Rheinbundstaaten Berg, Westfalen und Frankfurt, 1970; Neumann, D., Staatliche Bücherzensur, 1977; Ziegler, E., Literarische Zensur, 1983; ,,Unmoralisch an sich...", hg. v. Göpfert, H. u. a., 1988; Schütz, H., Der mächtigste Zensor, Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel 1989, 2, 70; Schroeder-Angermund, C., 875 Von der Zensur zur Pressefreiheit, 1993; Leesen, H. v., Eine Zensur findet nicht statt, Criticon 155 (1997), 145; Eisenhardt, U., Strafe und Strafzweck bei der Bestrafung von Autoren, Druckern und Händlern verbotener Schriften, FS G. Bemmann 1997, 36; Inquisition ­ Index ­ Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Széchényi, B., Rechtliche Grundlagen bayerischer Zensur, 2003; Arnold, M., Pressefreiheit und Zensur im Baden des Vormärz, 2003; Müller, B., Zensur im modernen deutschen Kulturraum, 2003 Zensus (M.) Steuerleistung (z. B. als Grundlage eines gestuften Wahlrechts im 19. Jh., in Österreich bis 1907) Lit.: Söllner § 6; Baltl/Kocher; De Biasio, G., Il censo e il voto, 1993 Zent (zu lat. centum, Num. Kard., hundert) ist eine in Herkunft und Bedeutung streitige Verwaltungs- und Gerichtseinheit (Zentgericht) des Mittelalters. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Die Zenten des Hochstifts Würzburg, hg. v. Knapp, H., 1907; Kroeschell, K., Die Zentgerichte in Hessen und die fränkische Centene, ZRG GA 73 (1956), 300; Die Anfänge der Landgemeinde, 1964 Zentenar Lit.: Glitsch, H., Der alamannische Zentenar und sein Gericht, 1917 Zentgericht ist das die -> Zent betreffende Gericht. Lit.: Erler, A., Die Zentgerichtsordnung von Lützelbach, ZRG GA 66 (1948), 528; Birr, C., Konflikt und Strafgericht, 2002 Zentralbehörde ist vor allem in der Neuzeit die zusammenfassende Behörde der staatlichen Verwaltung. Sie ist meist bürokratisch organisiert. Lit.: Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum, 1908; Gundlach, F., Die hessischen Zentralbehörden, Teil 1ff. 1930ff.; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg, Bd. 1f. 1973; Lanzinner, M., Fürst, Räte und Landstände, 1980; Ehlert, H., Die wirtschaftliche Zentralbehörde des Deutschen Reiches, 1982 Zentralismus Lit.: Centralismo e federalismo tra otto(cento) e novecento, hg. v. Janz, O. u. a., 1997 Zentraluntersuchungskommission ist eine Untersuchungskommission des -> Deutschen Bundes (1819-1828, 1833-1848) gegen revolutionäre Umtriebe. Lit.: Weber, E., Die Mainzer Zentraluntersuchungs- kommission, 1970 Zentrumspartei ist im zweiten Deutschen Reich (1871ff.) die Partei des konservativen Katholizismus. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bachem, K., Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck 1968; Anderson, M., Windthorst, 1981; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen Staat und Kirche, 2001 Zepter (N.) Herrscherstab Lit.: Paatz, W., Sceptrum universitatis, 1953; Vorbrodt, C./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter, 1971; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992 Zerrüttung ist die Zerstörung durch Erschütterung, im Recht insbesondere die Z. der ehelichen Lebensgemeinschaft, die in Deutschland 1976 zur Voraussetzung der erleichterten Ehescheidung wird. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 267; Hattenhauer, H., Das Zerrüttungsprinzip, FS E. Wolf, 1985, 143; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip, FamRZ 1988, 1271; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991 Zerreißen ist eine Form der -> Todesstrafe (14.-18. Jh.). Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922, 131 Zession (F.) Abtretung Lit.: Buch, G., Zur Zession im deutschen mittelalterlichen Recht, ZRG GA 34 (1913), 429; Huwiler, B., Der Begriff der Zession, 1975; Luig, K., Zession und Abstraktionsprinzip, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 112; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Behr, V., Das reichsrechtliche Zessionsverbot von 1551, Diss. jur. Bochum 2000 Zeuge (lat. [M.] testis) ist der Mensch, der über Tatsachen, die er wahrgenommen hat, aussagen soll. Zeugen gibt es, solange es Menschen gibt. Die Bedeutsamkeit von Zeugen für den Beweis von Tatsachen ist zu unterschiedlichen Zeiten verschieden groß. Zu unterscheiden sind zufällige Zeugen (Zufallszeugen) und Ge- schäftszeugen (zur Vornahme eines Geschäfts zugezogene Zeugen). Vielfach ist der Z. bewusst oder unbewusst unzuverlässig. Spätestens mit dem Inquisitionsprozess erscheint die Pflicht, in gerichtlichen Verfahren als Z. auszusagen. Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 13 III, 58 IV 2a, 74 I 2c, 87 II 6; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 86, 105, 116, 876 126, 155, 156, 202; Köbler, WAS; Ruth, R., Zeugen und Eidhelfer, 1922, Neudruck 1973; Karitzky, B., Die Geschichte des Zeugnisverweigerungsrechts, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1959; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Gawlik, A., Intervenienten und Zeugen in den Diplomen Kaiser Heinrichs IV., 1970; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Schott, C., Ein Zeuge, kein Zeuge, FS F. Elsener, 1977, 222; Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a., 1994; Bogisch, M., Nemo testis in causa sua, 1998; Plassmann, A., Die Struktur des Hofes, 1998; Lepsius, S., Der Richter und die Zeugen, 2003; Lepsius, S., Von Zweifeln zur Überzeugung, 2003; Garnot, B., Les témoins devant la justice, 2003 Zeumer, Karl (Hannover 31. 7. 1849-Berlin 18. 4. 1914), Kürschnerssohn, wird nach dem Studium der deutschen Sprache und Geschichte in Göttingen, Leipzig und Berlin Herausgeber wichtiger, vor allem rechtlicher Quellen (1889 außerordentlicher Professor in Berlin). Lit.: Historische Aufsätze (FS), 1910; Krammer, M., Karl Zeumer, ZRG GA 35 (1914), IX; Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 35 (1914), 646 Ziegenhain Lit.: Brauer, F., Die Grafschaft Ziegenhain, 1934 Zigeuner ist die ältere, in der Gegenwart durch die Eigenbezeichung Roma oder Sinti ersetzte Benennung des Angehörigen eines im 10. Jh. aus Nordindien ausgewanderten, seit dem 15. Jh. im Heiligen Römischen Reich (1399 Böhmen, 1407 Hildesheim, 1414 Hessen) erscheinenden indogermanischen Volkes. Der Ausdruck Z. wird politisch um 1860 soziographisch (Fehlen eines festen Wohnsitzes) geprägt wirksam. Der ausländische Z. wird nach 1871 des Deutschen Reichs verwiesen, der deutsche Z. seit 1886 polizeilicher Überwachung und Erfassung unterstellt. Im -> Nationalsozialismus wird der Z. ohne totale Tötungsabsicht verfolgt. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Majer, D., Fremdvölkische im Dritten Reich, 1981; Gronemeyer, R./Rakelmann, G., Die Zigeuner, 1988; Hohmann, J. Neue deutsche Zigeunerbibliographie, 1992; Gilsenbach, R., Weltchronik der Zigeuner, Bd. 1ff. 1994ff. z. T. 2. A. 1997; Lucassen, L, Zigeuner, 1996; Rütten, W., ,,Lustig ist das Zigeunerleben", ZRG GA 114 (1997), 233; Stichwort Zigeuner, hg. v. Awosusi, A., 1998; Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Lewy, G., Rückkehr nicht erwünscht, 2001; Bonillo, M., Zigeunerpolitik im Deutschen Kaiserreich 1871-1918, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der Roma und Sinti, 2002; Albrecht, A., Zigeuner in Altbayern 1871-1914, 2002 Zins ist die bereits dem römischen Recht bekannte Vergütung für den Gebrauch eines Kapitals, im allgemeineren Sinn die Abgabe. Der Z. wird in der Naturalwirtschaft in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld erbracht. Das kanonische -> Zinsverbot verbietet Christen das entgeltliche Darlehen. Seit 1530 wird im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der Z. auf 5% festgelegt (1654 6%). Seit 1804 (Code civil) bzw. 1848 setzt sich die Zinsfreiheit durch, doch bildet das Verbot des - > Wuchers eine Schranke. Lit.: Kaser §§ 33 III, 34 IV, 37 II 2b, 39 I, 41 III 2; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 125, 127, 241; Mentz, F., Nasenzins im Elsass?, ZRG GA 47 (1927), 669; Jecklin, F., Zinsbuch der Galluskirche in Fideris, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 56 (1927); Kleinau, H., Der Grundzins in der Stadt Braunschweig, 1929; Gutbrod, W., Die Brechung der Zinsknechtschaft, in: Das Grundeigentum 1937, 135; Gebauer, J., Worthzins und Fronzins in der Stadt Hildesheim, ZRG GA 61 (1941), 150; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Brand, O., Das internationale Zinsrecht Englands, 2002; Dilcher, J., Die Zins-Wucher- Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002; Gómez Rojo, M., Historia jurídica del anatocismo, 2003 Zinsverbot ist das Verbot, einen -> Zins für eine Leistung zu nehmen. Im Mittelalter verbietet die christliche Kirche wegen Lukas 6,35 Christen das Nehmen von Zins für -> Darlehen, weshalb Umgehungsgeschäfte entwickelt werden und im Übrigen das entgelt- liche Darlehensgeschäft von den -> Juden durchgeführt wird. Seit der frühen Neuzeit wird das kanonische Zinsverbot von Höchst- zinssätzen (Heiliges Römisches Reich deutscher Nation 1654 6%) abgelöst. Dem folgt im 19. Jh. durch den Liberalismus die nur durch das Wucherverbot geschützte Freigabe des Zinses. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 166; Funk, F., Geschichte des kirchlichen Zinsverbots, 1876; Lange, H., Das kanonische Zinsverbot, FS J. Bärmann, 1975, 99; Blomeyer, A., Die Consilienpraxis zum kanonischen Zinsverbot, ZRG KA 97 (1980), 317; Horn, N., Zinsforderung und Zinsverbot, FS H. Lange, 1992 877 Zips ist die unter der Hohen Tatra gelegene Landschaft. 1370 erscheint das Landrecht der Zipser, das durch 14 Handschriften des 15.-18. Jh.s überliefert wird. Es umfasst anfangs 93 Artikel (Familie, Erbe, Vermögen, Handel, Verfahren, Verwaltung). Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 54; Piirainen, I./Papsonova, M., Das Recht der Spis, 1992 Zisleithanien ist das diesseits (westlich) der Leitha gelegene Gebiet Österreich-Ungarns. Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher Zisterzienser ist der Angehörige des nach dem 1098 von Robert von Molesme und dem heiligen Alberich gegründeten Kloster Citeaux in Burgund benannten benediktinischen Reformordens. Wichtige deutsche Niederlas- sungen sind Kamp, Ebrach und Heiligenkreuz (um 1500 fast 150 Niederlassungen im deutschen Sprachraum). Lit.: Croix Bouton, J. de la, Histoire de l'Ordre de Citeaux, 1959ff.; Die Zisterzienser, hg. v. Elm, K. u. a. 1980; Toepfer, M., Die Konversen der Zisterzienser, 1983; Die Zisterzienser, hg. v. Sydow, J. u. a., 1989; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Kinder, T., Die Welt der Zisterzienser, 1997; Zisterzienser zwischen Zentralisierung und Regionalisierung, hg. v. Nehlsen, H. u. a., 1998; Rüffer, J., Orbis Cisterciensis, 1998; Anfänge der Zisterzienser in Südwestdeutschland, hg. v. Rück, P. u. a., 1999; Von Cîteaux nach Bebenhausen, hg. v. Scholkmann, B. u. a., 2000; Berman, C., The Cistercian Evolution, 2000; Eberl, I. Die Zisterzienser, 2002 Zitelmann, Ernst (Stettin 7. 8. 1852-Bonn 25. 11. 1923), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Leipzig und Bonn 1879 Professor in Rostock, 1881 in Halle und 1884 in Bonn. Er befasst sich vor allem mit dem Privatrecht (-> Willenserklärung, -> Irrtum). Lit.: Bonner Festgabe für Ernst Zitelmann, 1923; Repgen, T., Die Kritik Zitelmanns, ZRG GA 114 (1997), 73 Zitiergesetz ist (nach Gustav -> Hugo) das 426 von den römischen Kaisern Theodosius II. und Valentinian III. erlassene Gesetz, das -> Papinian, -> Paulus, -> Ulpian, -> Modestin und -> Gaius als maßgebliche Juristen benennt und bei Verschiedenheit der von ihnen vorgetragenen Ansichten formale Entschei- dungsregeln für die Richtigkeit einer Lösung festlegt. Lit.: Dulckeit/Schwarz//Waldstein; Söllner § 19; Köbler, DRG 52; Teipel, G., Zitiergesetze, ZRG RA 72 (1955), 245; Pringsheim, F., Zur Textgeschichte des Zitiergesetzes, SDHI 27 (1961), 235 Zittau Lit.: Zittauer Urkundenbuch, hg. v. Prochno, J., 1939 Zivilehe ist die durch weltliche Formen zustandekommende -> Ehe der Neuzeit. Sie erscheint bereits im 16. Jh. in den Niederlanden als Möglichkeit (fakultative Z.), in England 1653 kurzzeitig sogar als einzige Möglichkeit (obligatorische Z.). In Frankreich wird sie 1792, im Deutschen Reich 1875 verwirklicht. Lit.: Köbler, DRG 161, 209; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen Zivilehe durch die französische Revolution, ZRG GA 67 (1950), 336; Woopen, A., Die Zivilehe, 1956; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1973; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert, W., Preußen und die Zivilehe in der Nachmärzzeit, ZRG GA 104 (1987), 216; Fuhrmann, I., Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe, 1998 Zivilgesetzbuch ist die in mehreren Ländern verwendete Bezeichnung für ein Privatrechts- gesetzbuch (Schweiz 1907/12, Deutsche Demokratische Republik 19. 6. 1975 [Vorarbeiten seit September 1952]). Das Zivilgesetzbuch der Schweiz ist seit 1. 1. 1912 in Kraft (Person, Familie, Erbe, Sache [, Obligationenrecht]). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 184, 255; Walliser, P., Der Gesetzgeber Johann Baptist Reinert, 1948; Sontis, J., Das griechische Zivilgesetzbuch, ZRG RA 78 (1961), 355; Gauye, O., Inventar zur Dokumentation, Schweizerische Z. f. Gesch. 13 (1963); Gmür, R., Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965; Peter, V., Vergleich einiger grundlegender Rechtsinstitute, Z. f. vergleich. Rechtswiss. 77 (1978), 277; Schnyder, P., Siebzig Jahre Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 1983; Göhring, J. u. a., Erfahrungen bei der Verwirklichung des Zivilgesetzbuches, 1986; Das Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik, hg. v. Eckert, J. u. a., 1995; Eichler, H., Zivilgesetzbücher im deutschsprachigen Rechtskreis, 1996; Flinder, M., Die Entstehungsgeschichte des Zivilgesetzbuches der DDR, 1999 Zivilliste (F.) Ausgaben eines Staates für die Hofhaltung (England 1689) Lit.: Gneist, R., Das englische Verwaltungsrecht, Bd. 1f. 878 3. A. 1883f. Zivilprozess (Zivilverfahren) ist das öffentliche Gerichtsverfahren zwischen einem Kläger und einem Beklagten in privaten Rechtsstreitigkeiten. Es wird bereits in Rom vom Strafprozess unterschieden und erfolgt im altrömischen Recht als Legisaktionenverfahren (-> legisactio), danach als -> Formularverfahren und seit der Zeitwende als - > Kognitionsverfahren (-> cognitio). Im Mittelalter spaltet sich das wohl zunächst weitgehend einheitliche Verfahren, in dem seit der zweiten Hälfte des 11. Jh.s das Vorgehen in sog. (lat.) ordines (M.Pl.) iudiciarii erörtert wird, erst im Hochmittelalter (13. Jh.) vermutlich aus rationalen, wirtschaftlichen Gründen in bürgerliche Sachen (Z.) und peinliche Sachen (-> Strafprozess) auf (str.). Bei den bürgerlichen Klagen werden als verschiedene Arten die Klage um Schuld, um Gut und um Eigen und Erbe unterschieden. Dabei leitet auf Antrag des Klägers der Richter das Verfahren ein, das im Ding stattfindet. Der Beklagte kann sich, wenn er sich dem Begehren des Klägers widersetzt, durch Eid von der Klage reinigen, sofern ihm der Kläger nicht unter bestimmten Voraussetzungen den Eid verlegt. Dann entscheidet das -> Gericht durch -> Urteil der Schöffen, wer das bessere Recht glaubhaft macht oder das stärkere Beweismittel anbietet und damit näher zum -> Beweis ist (Beweisrecht). Wegen des Urteils können seit dem Spätmittelalter die Akten an eine als sachkundiger eingeschätzte Stelle versendet werden. In Oberitalien bildet sich während des Mittelalters auf der Grundlage des justinianischen Rechts das römisch-kanonische Verfahren aus, das allmählich vor allem in den geistlichen Gerichten üblich wird. Es beginnt mit der vom Kläger bei dem gelehrten Richter erwirkten Ladung des Beklagten zu einem Termin. Hier überreicht der Kläger dem Be- klagten die Klageschrift mit seiner Rechtsbehauptung. In einem nächsten Termin hat der Beklagte alle verfahrensablehnenden Verteidigungsgründe vorzubringen. Beide Parteien können sich vor Gericht durch Prokuratoren vertreten und außerhalb des Gerichts durch Advokaten beraten lassen. Nach der Leistung eines Gefährdeeids und der Streitbefestigung ist der Stoff vom Kläger artikuliert vorzutragen und vom Beklagten ebenso zu beantworten. Die geheime Beurteilung der Beweisergebnisse durch den selbst in -> Subsumtion des Sachverhalts unter den Tatbestand entscheidenden -> Richter ist an feste Beweisregeln gebunden. Der gesamte Verfahrensstoff wird aufgezeichnet. Der Vollstreckung des kirchengerichtlichen Urteils dient die Exkommunikation. Gegen das Urteil ist -> Appellation und seit dem 12./13. Jh. in bestimmten Fällen auch Nichtigkeitsklage zulässig. Vor allem über das -> Reichskammergericht setzt sich der gelehrte Z. in der Neuzeit weitgehend durch. Der Liberalismus kehrt dagegen nach dem Vorbild des französischen -> Code de procédure civile von 1806 im 19. Jh. zu -> Mündlichkeit und -> Öffentlichkeit zurück (Baden 1831, Hannover 1850, Preußen Entwurf 1864). Im Deutschen Reich wird auf diesen Grundlagen 1877/1879 der Z. in der -> Zivilprozessordnung geregelt (Österreich 1895, in Kraft 1898, mit Verständnis von Rechtsdurchsetzung als Ge- meinschaftsaufgabe zur Sicherung der allge- meinen Wohlfahrt und daraus folgender starker Stellung des Richters, weitgehender Übergang zum Einzelrichter 1914). Seit dem ausgehenden 18. Jh. ist im Übrigen anscheinend in Ab- hängigkeit von der Ausdehnung des Kredit- verkehrs die Zahl der Zivilprozesse so sehr gestiegen, dass durch zahlreiche Novellen eine Vereinfachung und Beschleunigung (ohne überzeugenden Erfolg) angestrebt wird. Lit.: Kaser 80ff.; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 18, 30, 31, 55, 116, 155, 181, 201, 235, 262; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Bülow, O., Gemeines deutsches Zivilprozessrecht, hg. v. Braun, J., 2003; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Kühtmann, A., Die Romanisierung des Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891; Heusler, A., Der Zivilprozess der Schweiz, 1923; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess, 1961; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht, 1965; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Schubert, W., Das Streben nach Prozessbeschleunigung und Verfahrensgliederung im Zivilprozessrecht des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 85 (1968), 127; Wedelind, W.-, Bijdrage tot de kennis van de ontwikkeling van de procesgang in civiele zaken, 1971; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess 879 nach bayerischen Quellen, 1971; Dahlmanns, G., Der Strukturwandel des deutschen Zivilprozesses, 1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972; Steins, A., Der ordentliche Zivilprozess, Diss. jur. Bonn 1972; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Nörr, K., Hauptthemen legislatorischer Zivilprozessreform, ZZP 87 (1974), 274; König, B., Konformität, Aktenwidrigkeit und offenbare Gesetzeswidrigkeit im zivilgerichtlichen Verfahren, 1975; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Nörr, K., Naturrecht und Zivilprozess, 1976; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Wollschläger, C., Zivilprozessstatistik und Wirtschaftsentwicklung, ZNR 1981, 16; Ebel, F., 200 Jahre preußischer Zivilprozess, 1982; Dannreuther, D., Der Zivilprozess, 1987; Schoibl, N., Die Entwicklung des österreichischen Zivilverfahrensrechts, 1987; Forschungsband Franz Klein, hg. v. Hofmeister, H., 1988; Faber, R., Die Bemühungen im Herzogtum Nassau, 1990; Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, hg. v. Grunsky, W. u. a., 1994; Köster, A., Die Beschleunigung der Zivilprozesse, 1995; Wollschläger, C., Streitgegenstände und Parteien am Friedensgericht Xanten 1826-1830, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Metzger, E., A new outline of the Roman civil trial, 1997; Litewski, W., Der römisch-kanonische Zivilprozess nach den älteren ordines iudiciarii, 1999; Rhee, C. van, Litigation and legislation ­ civil procedure at first instance in the Great Council for the Netherlands in Malines (1522- 1559), 1997; Mölling, A., Der Zivilprozess vor dem rheinischen Friedensgericht, 2000; Weinreich, O., Der Zivilprozess nach der münsterischen Landgerichtsordnung von 1571 sowie der vechtischen Gerichtsordnung von 1578, 2004; Unger, D., Adolf Wach (1843-1926) und das liberale Zivilprozessrecht, 2005 Zivilprozessordnung -> Zivilprozess Lit.: Köbler, DRG 183, 201, 262, 264; Hahn, C., Die gesammten Materialien zur CPO, 1880; Dahlmanns, G., Neudrucke zivilprozessualer Kodifikationen und Entwürfe des 19. Jahrhunderts, 1971; Protokolle der Kommission zur Beratung einer allgemeinen Zivilprozessordnung für die deutschen Bundesstaaten, hg. v. Schubert, W., 1985; Schubert, W., Entstehung und Quellen der Civilprozessordnung von 1877, 1987; Entwurf und Motive einer Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den preußischen Staat (von 1864), hg. v. Schubert, W., 1994; Langer, A., Männer um die österreichische Zivilprozessordnung 1895, 1995; Die Civilprozessordnung für das Königreich Württemberg von 1868, hg. v. Schubert, W., 1997; Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Großherzogtum Baden von 1851 und 1865, hg. v. Schubert, W., 1997; Entwürfe zu einer bürgerlichen Prozessordnung für das Königreich Sachsen von 1864 und 1865, hg. v. Schubert, W., 1997; 100 Jahre österreichische Zivilprozessordnung, hg. v. Mayr, P., 1998; 100 Jahre ZPO, hg. v. Bundesministerium der Justiz, 1998; Schade, J., Die Anfrage bei der Gesetzkommission, Diss. jur. Bochum 1998; 100 Jahre österreichische Zivilprozessgesetze, hg. v. Mayr, P., 2000; Schöniger-Hekele, B., Die österreichische Zivilprozessreform 1895, 2000; Biebl, G., Bayerns Justizminister v. Fäustle und die deutschen Reichsjustizgesetze, 2003 Zivilrecht ist das Privatrecht oder in etwas engerem Sinn das bürgerliche Recht. Das Z. nimmt seinen sprachlichen Ausgangspunkt von (lat.) -> ius (N.) civile, dem für die Römer geltenden Recht im Gegensatz zu (lat.) ius (N.) gentium. Sachlich ist es daneben zumindest aus heutiger Sicht vom öffentlichen Recht zu trennen. Im Mittelalter ist ziviles Recht vor allem das weltliche Recht im Gegensatz zum kirchlichen Recht, aber auch das besondere Stadtrecht im Gegensatz zum Landrecht. Mit dem Hervortreten der Bürger als bedeutsame politische Kraft im 18. Jh. wird das Z. vorrangig auf sie bezogen. Deswegen enthalten der Code civil, Zivilgesetzbuch oder Bürger- liches Gesetzbuch hauptsächlich das für den Bürger wichtige -> Privatrecht. Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts, Teil 1f. 1910ff., Neudruck 1968; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts, 1950; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Peter, H., Vom Einfluss des deutschen Zivilrechts, FS K. Bader 1965, 321; Kiefner, H., Der Einfluss Kants, in: Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Markovits, I., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich, N., Kodifikation und Reform des russischen Zivilrechts, Ius commune 3 (1970), 152; Die Entwicklung des Zivilrechts in Mitteleuropa, hg. v. Csizmadia, A. u. a., 1970; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des europäischen Zivilrechts in Japan, 1970; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Das neue Zivilrecht der DDR, hg. v. Westen, K., 1977; Fellner, C., Die Reform der bayerischen Zivilrechtspflege, Diss. jur. Kiel 1986; Zivilrechtslehrer deutscher Sprache, hg. v. Kim, H. u. a., 1988; Schröder, R., ,,... aber im Zivilrecht", 1988; Das deutsche 880 Zivilrecht 100 Jahre nach der Verkündung des BGB, hg. v. Willigmann, A. u. a., 1997; Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935, hg. v. Hadding, W., 1999; Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001 Zivilsache ist das Verfahren in einer privatrechtlichen Angelegenheit im Wege des - > Zivilprozesses. Lit.: Daut, Untersuchung über den Einfluss national- sozialistischer Anschauungen, Diss. jur. Göttingen 1965 Znaim ist der 1048 erstmals erwähnte, 1226 mit Stadtrecht begabte Ort an der mittleren Thaya, aus dem ein Stadtrechtsbuch von 1523 überliefert ist. Lit.: Bornemann, H., Znaim, das Stadtrechtsbuch von 1523, 1992 Zölibat ist im katholischen Kirchenrecht die Ehelosigkeit des Geistlichen seit der Synode von Elvira (um 306). Seit 1139 sind alle Inhaber höherer Weihen zu einem ehelosen Leben verpflichtet. Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Leinweber, W., Der Streit um das Zölibat im 19. Jahrhundert, 1978; Denzler, G., Die Geschichte des Zölibats, 1993; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Heid, S., Zölibat in der frühen Kirche, 1997 Zoll ist die meist an der Grenze eines Staates erhobene, bereits dem römischen Altertum bekannte -> Steuer auf die Einfuhr oder Ausfuhr von Waren. Das entsprechende Zollregal geht vom mittelalterlichen König meist auf die Landesherren über. Im 19. Jh. bemüht sich der Deutsche -> Zollverein von 1834, im 20. Jh. die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft um Beseitigung von Zöllen innerhalb des Gebietes der zusammengeschlossenen Staaten. Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 98, 113, 134, 198, 233; Böhmer, J., Das Zollwesen in Deutschland, 1832; Wetzel, E., Das Zollrecht des deutschen Königs, 1893; Haff, K., Rott- und Zollordnung des Fürstbischofs Peter von Augsburg vom Jahre 1428, ZRG GA 31 (1910), 424; Ashley, P., Modern tariff history, 1920; Clausnitzer, M., Deutsche Zollgeschichte, 1933; Grams, W., Der deutsche Zoll, 1954; Hassinger, H., Die Bedeutung des Zollregals, FS H. Aubin Bd. 1 1965, 151; Scholz-Babisch, M., Quellen zur Geschichte des klevischen Rheinzollwesens vom 11. bis 18. Jahrhundert, 1971; Das Katzenelnbogener Rheinzollerbe 1479-1584, bearb. v. Demandt, K., Bd. 1ff. 1978ff.; Eichstaedt, A., Der Zöllner, Diss. jur. Frankfurt am Main 1981; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995; Adam, H., Das Zollwesen im fränkischen Reich, 1996; Badian, E., Zöllner und Sünder, 1997; Pfeiffer, F., Rheinische Transitzölle, 1997; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern, 2002; Linke, H., Das Zollkriminalamt, 2004 Zollverein ist der Zusammenschluss mehrerer Staaten zu einem einheitlichen Zollgebiet. 1828 vereinbaren Bayern und Württemberg, Preußen und Hessen sowie mitteldeutsche Staaten je einen Z., zum 1. 1. 1834 die deutschen Staaten (ohne das 1865 die Meistbegünstigung erreichende Österreich) einen deutschen Z. Er ist eine wichtige Vorstufe zur Ausbildung des Deutschen Reiches von 1871. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 176; Hahn, H., Geschichte des deutschen Zollvereins, 1984; Wadle, E., Der Zollverein und die deutsche Rechtseinheit, ZRG GA 102 (1985), 99 Zone ist ein Teil eines größeren Gebietes (z. B. Besatzungszone). Lit.: Kroeschell, 20. Jh. Zöpfl, Heinrich (Bamberg 1807-Heidelberg 1877) wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg 1839 außerordentlicher Professor und 1842 ordentlicher Professor in Heidelberg. Seine deutsche Staats- und Rechtsgeschichte ist ein Institutionenlehrbuch des gemeinen deutschen Privatrechts. Bedeutsam sind seine Grundsätze des allgemeinen und deutschen Staatsrechts, 1841, 5. A. 1863. Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 2 1992, 92 Zubehör ist die bewegliche Sache, die ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, nach der Verkehrsanschauung dem wirtschaftlichen Zweck einer Hauptsache zu dienen bestimmt ist und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis steht (z. B. Zugtiere auf Bauernhof). Wem das Ei- gentum am Z. zusteht, hängt nach römischem Recht von den Einzelumständen ab. Lit.: Kaser § 18 II; Köbler, DRG 39; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Zuchthaus ist das der zwangsweisen Erziehung von Erwachsenen dienende Gebäude. Die zwangsweise Erziehung in einem Z. wird seit der frühen Neuzeit als sinnvoll angesehen (Bridewell bei London 1555 house of correction, Amsterdam 1595, Bremen, 881 Hamburg, Lübeck, Anfang 17. Jh., Nürnberg 1769). Später setzt sich Z. als Bezeichnung für eine Freiheitsstrafe durch, wird aber am 1. 4. 1969 wegen der mit dem Z. auch verbundenen schädlichen Folgen aufgegeben. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 205; Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Radbruch, G., Elegantiae iuris criminalis, 1950; Schlue, H., Die Geschichte des Bonner Zuchthauses, Diss. jur. Bonn 1957; Nöldeke, W., Die Kölner Zuchthauspläne von 1609, ZRG GA 79 (1962), 288; Sothmann, M., Das Armen-, Arbeits-, Zucht- und Werkhaus in Nürnberg, 1970; Stekl, H., Österreichische Zucht- und Arbeitshäuser, 1978; Fumasoli, G., Ursprünge und Anfänge der Schellenwerke, 1981; Stier, B., Fürsorge und Disziplinierung im Zeitalter des Absolutismus, 1988; Eisenbach, U., Zuchthäuser, Armenanstalten und Waisenhäuser in Nassau, 1994; Viebig, M., Das Zuchthaus Halle/Saale, 1998; Elling- Ruhwinkel, E., Sichern und Strafen, 2005 Züchtigungsrecht ist das Recht eines Menschen, einem anderen Menschen zum Zweck der Erziehung ein schmerzliches Übel zuzufügen. In frühen Zeiten steht vor allem dem Hausvater in weitem Umfang ein Z. zu. Das Z. des Ehemannes gegenüber der Ehefrau verschwindet im 19. Jh. (Preußen 28. 2. 1812, im kanonischen Recht mit der Ersetzung des Corpus iuris canonici durch den Codex iuris canonici 1917/1918), das Z. der Eltern gegenüber den Kindern ist noch durch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) nicht ausgeschlossen, tritt aber im 20. Jh. mehr und mehr zurück. Ein Z. gegenüber Gesinde endet in Preußen 1860, das Z. des Lehrers gegenüber Schülern in Deutschland durch Gesetz von 1951. Lit.: Köbler, DRG 18; Kober, Die körperliche Züchtigung, Theolog. Quartalsschr. 57 (1875); Wiens, W., Das Züchtigungsrecht des Ehemannes, 1909; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1980; Gebhardt, J., Prügelstrafe und Züchtigungsrecht, 1994; Priester, J., Das Ende des Züchtigungsrechts, 2000; Behnke, J., Forschungen und Forschungsdesiderate zur körperlichen Züchtigung, 2002 Zufall ist ein Ergebnis, für das keine Gesetzmäßigkeit zu erkennen ist (z. B. Hagel). Der durch Z. eintretende Schaden fällt bereits im römischen Recht grundsätzlich dem zur Last, dem die Sache oder Leistung gebührt. Lit.: Kaser §§ 36 III 5, 37 II 2b; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 44; Hentig, H. v., Sinnvoller Zufall, eine alte Rechtsanschauung, ZRG GA 80 (1963), 344; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Zug am Zuger See ist der um 1200 von den Grafen von Kiburg gegründete, 1273 an König Rudolf I. von Habsburg gelangte Ort. 1352 wird Z. von den umgebenden Orten der Eidgenossenschaft der -> Schweiz zum Eintritt in die Eidgenossenschaft gezwungen. 1814 erhält der kleinste Kanton der Schweiz eine Verfassung. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwerzmann, J., Das Zuger Schuldbetreibungsrecht, 1962; Die Rechtsquellen des Kantons Zug, hg. v. Gruber, E., Bd. 1 1971; Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Zwicky, M., Prozess und Recht im alten Zug, 2003 Zug auf den Gewähren -> Gewährschaft Zugabe Lit.: Götting, H., Die neuere Entwicklung des Zugaberechts, 1986 Zugewinngemeinschaft ist der in Deutschland durch das deutsche Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 geschaffene Regelgüterstand von Eheleuten. Er bedeutet Gütertrennung mit Zugewinnausgleich nach Auflösung der Ehe. Er kann vertraglich ausgeschlossen werden. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, 267; Offen, J., Von der Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994 Zugrecht -> Näherrecht Zunft ist der Zusammenschluss von Gewerbetreibenden eines Gewerbes in der hochmittelalterlichen Stadt (z. B. Metzger, Bäcker, Fischer). Die von den Zunftmitgliedern geschaffene Zunftverfassung enthält viele Zwangselemente. Sie wird im 19. Jh. durch die Einführung der Gewerbefreiheit (Frankreich 1791, England 1814, Preußen 1807/1810/- 1811/1845) seitens des Liberalismus beseitigt. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 97; Köbler, WAS; Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Gallion, W., Der Ursprung der Zünfte in Paris, 1911; Hegi, F., Geschichte der Zunft zur Schmiden in Zürich, 1914; Eberstadt, R., Der Ursprung des Zunftwesens und die älteren Handwerkerverbände des Mittelalters, 2. A. 1915; Akkerman, J., Het ontstaan der ambachtsgilden, 1919; Dieling, F., Zunftrecht, 1932; Lentze, H., Der Kaiser und die Zunftverfassung, 1933, Neudruck 1954; Mickwitz, G., Die Kartellfunktionen der Zünfte, 1936; Klapper, H., 882 Das Zunftwesen der Stadt Guhrau, 1936; Siemsen, R., Germanengut im Zunftbrauch, 1942; Johanni, O., Zünfte und Zunftrecht in der Grafschaft Saarbrücken, Diss. jur. Saarbrücken 1957; Johanni, O., Zünfte und Zunftrecht in der Grafschaft Saarbrücken, 1957; Holland, W., Die schmalkaldischen Handwerkerzünfte, Diss. jur. Jena 1957; Naujoks, E., Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Eckhardt, A., Eschweger Zunftverfassung und hessische Zunftpolitik, 1964; Luther, R., Gab es eine Zunftdemokratie?, 1968; Klinger, H., Das Weberamt in Preetz, 1971; Ennen, R., Zünfte und Wettbewerb, 1971; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Uhl, H., Handwerk und Zünfte in Eferding, 1973; Göttmann, F., Die Frankfurter Bäckerzunft, 1975; Horsch, F., Die Konstanzer Zünfte, 1979; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Obst, K., Der Wandel in den Bezeichnungen für gewerbliche Zusammenschlüsse, 1983; Peitsch, D., Zunftgesetzge- bung, 1985; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985; Henkel, M., Zunftmissbräuche, 1989; Decker, K., Bürger, Kurfürst und Regierung, 1990; Ebstein, S., Wage, Labor and Guilds, 1991; Das Ende der Zünfte, hg. v. Haupt, H., 2002; Oestmann, P., Zunftzwang und Handelsfreiheit im frühen 19. Jahrhundert, ZNR 2004, 246 Zurechnungsfähigkeit ist die Möglichkeit, einem Menschen unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten einen Unrechtserfolg zuzurechnen und allgemeiner die Fähigkeit, zusammen- gehörige Umstände einander überzeugend zuzuordnen. Die moderne Zurechnungslehre im Strafrecht beginnt mit Samuel Pufendorf (1632- 1694). -> Unzurechnungsfähigkeit Lit.: Kroeschell, DRG 2; Lubbers, F., Die Geschichte der Zurechnungsfähigkeit, 1938; Larenz, K., Hegels Zurechnungslehre, 1927; Gschwend, L., Zur Geschichte der Lehre von der Zurechnungsfähigkeit, 1996 Zürich am Zürichsee bzw. der Limmat erscheint im Altertum als römisches Turicum. 1218 ist es reichsunmittelbar. 1351 verbündet es sich mit den Eidgenossen der -> Schweiz. Ab 1383 ist es für wenige Jahre Sitz eines kaiserlichen Hofgerichts. 1833 erhält es eine Universität. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,466, 3,2,1939; Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, hg. v. einer Kommission der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. 1ff. 1889ff.; Zeller- Werdmüller, H., Die Zürcher Stadtbücher, 1899; Huber, M., Das Staatsrecht der Republik Zürich vor dem Jahre 1798, 1904; Fecht, O., Die Gewerbe der Stadt Zürich, 1909; Hoppeler, R., Die Rechtsquellen des Kantons Zürich, Teil 1, Bd. 1ff., 1910ff.; Glitsch, H., Zum Strafrecht des Zürcher Richtebriefs, ZRG GA 38 (1917), 203; Rippmann, F., Die Landeshoheit der Stadt Zürich über Stadt und Kloster Stein, Zeitschrift für schweizerisches Recht N. F. 37 (1917); Nabholz, H. u. a., Die Steuerbücher von Stadt und Landschaft Zürich, Bd. 1f. 1918ff.; Largiadr, A., Untersuchungen zur zürcherischen Landeshoheit, 1920; Schultheß, H., Politische, soziale und wirtschaftliche Miszellen aus dem alten Zürich, 1921; Schoch, F., Das letzte Kloster im Kanton Zürich, 1921; Vetter, F., Der Übergang der Stadt Stein am Rhein an Zürich, 1923; Eichholzer, Eduard, Zur Geschichte und Rechtsstellung des zürcherischen Untervogtes, ZRG GA 44 (1924), 197; Guggenbühl, P., Die Entstehung des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches, Diss. jur. Zürich 1924; Schnyder, W., Die Bevölkerung der Stadt und Landschaft Zürich, 1925; Schultheß, H., Die politische Bedeutung der Zünfte, 1926; Bauhofer, A., Entstehung und Bedeutung des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches von 1853- 1855, Z. f. schw. R. n F. 46 (1927), 1; Huber, W., Das gesetzliche Erbrecht des Kantons Zürich, 1929; Wege, E., Die Zünfte als Träger wirtschaftlicher Kollektivmaßnahmen, 1930; Weisz, L., Aus dem Leben des Bürgermeisters Salomon Hirzel 1580-1652, 1930; Schultheß, Hans, Kulturbilder aus Zürichs Vergangenheit, 1930; Largiadr, A., Die Anfänge der zürcherischen Landschaftsverwaltung, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 12 (1932): Fritzsche, H., Begründung und Ausbau der neuzeitlichen Rechtspflege des Kantons Zürich, 1931; Largiadr, A., Hundert Jahre antiquarische Gesellschaft in Zürich, 1932; Schmid, A., Winterthur unter zürcherischer Landeshoheit, 1934; Quellen zur Zürcher Wirtschaftsgeschichte, bearb. v. Schnyder, W., 1934ff.; Weisz, L., Die zürcherische Exportindustrie, 1936; Schultheß, H., Kulturbilder aus Zürichs Vergangenheit, 1935, Usteri, P., Gerichtsorganisation und Zivilprozess im Kanton Zürich während der Helvetik, 1935; Largiadr, A., Bürgermeister Rudolf Brun und die Zürcher Revolution von 1336, 1936; Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte, hg. v. Schnyder, W., 1936; Largiadr, A., Die Entwicklung des Zürcher Siegels, ZRG GA 58 (1938), 367; Schwarz, A., Das römische Recht an der Universität Zürich, 1938; Geilinger, E., Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Zürichs im Mittelalter, 1938; Schwarz, D., Münz- und Geldgeschichte Zürichs im Mittelalter, 1940; Ruoff, W., Die Zürcher Räte als 883 Strafgericht, 1941; Herzog, H., Beiträge zur Geschichte des ehelichen Güterrechts der Stadt Zürich, 1942, Zimmermann, D., Das persönliche Eherecht des zürcherischen Matrimonialgesetzes von 1804, 1942; Guyer, P., Verfassungsgeschichte der Stadt Zürich, 1943; Largiadr, A., Zürichs Bund mit den Waldstätten, 1953; Schoop, R., Rechtsstellung, politische und wirtschaftliche Bedeutung der Zürcher Zünfte, Diss. jur. Zürich 1958; Usteri, E., Die Schildner zum Schneggen, 1960; Truffer, H., Der Einfluss des Standes im allgemeinen und zürcherischen Strafrecht, 1960; Zürcher, M., Die Behandlung jugendlicher Delinquenten, 1960; Steiger, E., Geschichte der Frauenarbeit in Zürich, 1964; Züsli-Niscosi, F., Beiträge zur Geschichte der Polizeiorganisation der Republik Zürich, 1967; Plattner, A., Die Herrschaft Weinfelden, 1969; Kramer, S., Hans Caspar Hirzel, 1974; Weibel, T., Erbrecht und Familie, 1988; Richner, F., David von Wyss (1763-1839), 1988; Burghartz, S., Leib, Ehre und Gut, 1990; Wernli, M., Das kaiserliche Hofgericht in Zürich, 1991; Landert- Scheuber, M., Das politische Institut in Zürich 1807- 1833, 1992; Gabathuler, M., Die Kanoniker, 1998; Malamud, S./Sutter, P:, Die Betreibungs- und Eingewinnungsverfahren der Stadt Zürich, ZRG GA 116 (1999), 87; Zürich 650 Jahre eidgenössisch, 2001; Kleine Zürcher Verfassungsgeschichte, hg. v. Staatsarchiv des Kantons Zürich, 2000; Malamud, S., Die Ächtung des Bösen, 2003; Müller, M., Gesellschaftlicher Wandel und Rechtsordnung, 2005 Zurückbehaltungsrecht (lat. [F.] retentio) ist das bereits dem römischen Recht bekannte Recht im Austauschvertrag, die Leistung so lange zurückzuhalten, bis die Gegenleistung angeboten wird. Lit.: Kaser § 38 IV; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Zusicherung Lit.: Böckler, R., Die Entwicklung der Zusicherung in der Rechtsprechung, 1987 Zuständigkeit ist die Berechtigung und Verpflichtung der Wahrnehmung einer Aufgabe. In einer Rechtsordnung muss die jeweilige Z. festgelegt werden. Dies muss umso genauer geschehen, je komplexer die betreffende Gesellschaft gestaltet ist. Lit.: Kaser § 82 II 3b, c; Sellert, W., Über die Zuständigkeitsabgrenzung, 1965; Hafke, H., Zustän- digkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972; Weitzel, J., Die Zuständigkeit des Reichskammergerichtes, ZRG GA 90 (1973), 213; Fricke, M., Die autonome Anerkenn- ungszuständigkeitsregel im deutschen Recht des 19. Jahrhunderts, 1993 Zustellung ist der in bestimmter, gesetzlich vorgeschriebener Form vorzunehmende und zu beurkundende Vorgang der Verschaffung der Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstückes. 1877/1879 übernimmt die amtliche Z. der Klage die meisten Wirkungen der aufgegebenen Streitbefestigung (lat. -> litis contestatio [F.]). Lit.: Köbler, DRG 202 Zutphen Lit.: Vries, W. de, De opkomst van Zutphen, 1960 Zwang (lat. [F.] vis) ist die Einwirkung mit Gewalt auf einen Menschen oder eine Sache. Jedes auf Z. beruhende Verhalten verletzt bereits im römischen Recht ohne weiteres die gute Treue. Der Prätor (um 71 v. Chr.) und später das unter Kaiser Hadrian entstandene Edikt gewähren in diesem Fall die Wiederherstellung in den früheren Zustand (lat. restitutio [F.] in integrum). Lit.: Kaser §§ 8 IV, 33 IV, 51 V 1; Köbler, DRG 42, 43; Koehne, C., Studien über die Entstehung der Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA 25 (1904), 172; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1913; Wießner, H., Twing und Bann, 1935; Kranig, A., Lockung und Zwang, 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff. Zwangsarbeit ist die unter äußerem Zwang geleistete Arbeit (z. B. im Dritten Reich). Lit.: Spoerer, M., Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001; Hammermann, G., Zwangsarbeit für den Verbündeten, 2002; Zwangsarbeit im Dritten Reich, hg. v. Zumbansen, P., 2002 Zwangsversteigerung ist die in Deutschland 1897 in einem besonderen Gesetz geregelte Versteigerung eines -> Grundstücks im Wege der -> Zwangsvollstreckung. Lit.: Köbler, DRG 184 Zwangsvollstreckung ist die Durchsetzung eines dem Gläubiger gegen den Schuldner im Vollstreckungstitel (z. B. -> Urteil) verbrieften Anspruches. Sie steht meist am Ende eines Zivilprozesses. Im Deutschen Reich wird die Personalexekution durch Gesetz vom 16. April 1871 abgeschafft und durch die Realexekution ersetzt. Ihr Ablauf wird im Deutschen Reich 1877/1879 in der Zivilprozessordnung ausführlich geregelt. -> Vollstreckung. Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 184, 240; Schönke, A., Zwangsvollstreckungsrecht, 1940; Staehelin, A., 884 Zwangsvollstreckung in älteren Schweizer Stadtrechten, ZRG GA 93 (1976), 184; Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Jakobs, H./Schubert, W., Sachenrecht 4, 1983; Schubert, W., Das Zwangsvollstreckungsrecht im Entwurf einer Zivilprozessordnung von 1931, ZRG GA 121 (2004), 350; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004 Zweckverband Lit.: Vom Städtebund zum Zweckverband, hg. v. Kirchgässner, B., 1994 Zweibrücken Lit.: Pöhlmann, C., Regesten der Grafen von Zweibrücken, bearb. v. Doll, A., 1962; 150 Jahre pfälzisches Oberlandesgericht, hg. v. Reinheimer, W., 1965; Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969 Zweigewaltenlehre ist die von Papst Gelasius I. (1. 3. 492­19. 11. 496) an Hand von Lukas 22,38 (in verfehlter) Auslegung entwickelte Lehre von zwei gleichberechtigten Gewalten. - > Zweischwerterlehre Zweikammersystem ist das durch die Teilung des Parlaments in zwei Kammern gekennzeichnete politische System. Ursprüng- lich entsprechen die beiden Kammern z. B. in England verschiedenen Ständen (Adel im Oberhaus, Nichtadlige im Unterhaus), später kann die zweite Kammer auch föderalistische Interessen sichern (z. B. Bundestag Deutschlands, Senat der Vereinigten Staaten von Amerika). Lit.: Kroeschell, DRG 3 Zweikampf ist der verabredete Kampf zweier Menschen mit Waffen. Er wird im Mittelalter verschiedentlich zur Entscheidung eines Streites verwendet. Sein später Ausläufer ist bis zum 19. Jh. das -> Duell. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70; Gál, A., Der Zweikampf im fränkischen Prozess, ZRG GA 28 (1907), 236; Fehr, H., Der Zweikampf, 1908; Coulin, A., Der gerichtliche Zweikampf im altfranzösischen Prozess, 1906; Coulin A., Verfassl des offiziellen und Entstehung des privaten Zweikampfes in Frankreich, 1909; Fehr, H., Zur Geschichte des Zweikampfes, ZRG GA 34 (1913), 422; Bruun, H., Om Tvekampens Stilling i oldgermansk Rettergang, 1930; Levi, G., Il duello giudiziario, 1932; Wierschin, M., Meister Johann Liechtenauers Kunst des Fechtens, 1965; Hils, H., Der da sigelos wirt dem sleht man die hant ab, ZRG GA 102 (1985), 328; Baumgarten, R., Zweikampf §§ 201-210 a. F. StGB, 2002 Zweiplusvierverhandlungen sind die Ver- handlungen der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs mit der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1990. Sie enden mit dem Zweiplusviervertrag. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 247; Müller, R., Der ,,2+4"-Vertrag, 1997 Zweischwerterlehre ist (12./13. Jh.) die (in verfehlter Auslegung) an Lukas 22,38 (Herr [Jesu Christ], siehe, hier sind zwei Schwerter [zur Verteidigung]) anknüpfende Lehre von zwei Schwertern, die Gott den Menschen als Zeichen irdischer Herrschaftsgewalt gelassen habe. Nach imperialer Ansicht (z. B. Sachsenspiegel 1221-1224) stehen das geistliche Schwert des Papstes und das weltliche Schwert des Königs gleichberechtigt nebeneinander. Nach kurialistischer Ansicht (z. B. Bernhard von Clairvaux, Gregor IX., Innozenz IV., Bonifaz VIII., Schwabenspiegel um 1275, str.) gibt Gott dem Papst zwei Schwerter, von denen der Papst eines dem Kaiser weitergibt. -> Zweigewaltenlehre des Papstes Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109 Zweiter Weltkrieg ist der 1939 auf Grund der Ansprüche Adolf Hitlers auf mehr Lebensraum für die Deutschen entstandene Krieg Deutschlands, Italiens und Japans gegen die Alliierten (Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich). Er endet mit der Kapitulation (Italiens,) Deutschlands bzw. Japans 1945. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 244; Gruchmann, L., Der zweite Weltkrieg, 9. A. 1999; Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel-Rohwer, 1985 Zweizüngiges Urteil ist das mittelalterliche Urteil, das den Ausgang des Verfahrens sowohl für den Fall des Gelingens des einem der Beteiligten aufgegebenen Beweises wie auch für den Fall des Misslingens festlegt. Der Beweis erfolgt nach dem Urteil. Der Ausgang der Beweisführung entscheidet darüber, welche der beiden um Urteil enthaltenen Möglichkeiten sich verwirklicht. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70 885 Zwickau Lit.: Das Zwickauer Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Die Zwickauer Stadtrechtsreformation 1539/69, hg. v. Berthold, H. u. a., 1935; Schultze, A., Zur Zwickauer Stadtrechtsreformation, ZRG GA 58 (1938), 709; Zwickauer Rechtsbuch, hg. v. Ullrich, G., 1941, Simm, H., Für Zwickau ergangene Leipziger Schöffensprüche, Diss. jur. Leipzig 1941 (masch.schr.) Zwing Lit.: Stutz, U., Zur Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289 Zwingli Lit.: Köhler, W., Das Buch der Reformation Huldrych Zwinglis, 1926; Pribnow, V., Die Rechtfertigung obrigkeitlicher Steuer- und kirchlicher Zehnterhebung bei Huldrich Zwingli, 1996 Zwölftafelgesetz (lat. duodecim tabulae [F.Pl.] legum bzw. lex [F.] duodecimarum legum) ist das am Beginn der römischen Gesetz- gebungsgeschichte stehende Gesetz von 451/50 v. Chr. Es ist zu etwa einem Drittel in Bruchstücken in Gesetzesform hauptsächlich durch Varro, Cicero, Gellius und Festus überliefert und danach von der neuzeitlichen Wissenschaft wiederhergestellt. Nach den Vorbildern von -> Lykurg (Sparta 8. Jh. v. Chr.), -> Drakon und -> Solon (Athen 621, 594) legt es in seinen erst 10, dann 12 Tafeln, die eine Zehnmännerkommission (lat. [M.Pl.] decemviri) zur Annahme als Gesetz (lat. [F.] -> lex) vorbringt, das Recht in sehr verschiedenen Angelegenheiten für alle erkennbar fest. Es wird in Bronze, Holz oder Elfenbein auf dem Forum (Markt) aufgestellt. Seine Auslegung (lat. [F.] interpretatio) betreibt die Priesterschaft als eine Geheimwissenschaft, aus der sich später die -> Jurisprudenz entwickelt. Das Z. wird niemals förmlich außer Kraft gesetzt. Den ersten noch unvollkommenen Rekonstruktionsversuch veröffentlicht 1515 Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius). Lit.: Kaser §§ 1 II 1, 2 I 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Solon und die XII- Tafeln, in: Studi in onore di E. Volterra, Bd. 4 1971, 757; Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Das Zwölftafelgesetz, hg. v. Düll, R., 7. A. 1995; Flach, Die Gesetze der frühen römischen Republik, 1994, 109; Flach, A., Fortgeltung des Zwölftafelrechts, 2004 Zypern ist die drittgrößte, im Nordosten gelegene Insel des Mittelmeeres. Sie wird im ausgehenden 2. Jt. V. Chr. von Griechen besiedelt und 58 v. Chr. von den Römern erobert. Zwischen 688 und 965 steht es unter gemeinsamer Herrschaft Ostroms (-> Byzanz) und der -> Araber. Über Venedig (1489) gelangt es an die Türken (1573) bzw. Osmanen. 1878 übernimmt Großbritannien die Verwal- tung und annektiert 1923 Z. 1959 wird Z. unabhängig. 1974 besetzt die Türkei 40% des Gebietes im Norden und Nordosten (1985 Türkische Republik Nordzypern). Das Recht Zyperns ist dementsprechend nacheinander griechisch, römisch, arabisch, türkisch und westlich geprägt. 2004 tritt Zypern (in seinem griechischen Teil) der Europäischen Union bei. Lit.: Reden, S. v., Zypern, 2. A. 1974; Hitchins, C., Cyprus, 1984; Shermann, A., Zypern. Insel des Leids, 1998; Südosteuropahandbuch, Bd. 8 Zypern, hg. v. Grothusen, K. u. a., 1998; Anstötz, S., Perspektiven zur staatlichen Neuordnung Zyperns, 2003