Martina: Bei der Oma Ein kleines dunkles Zimmer in einem alten Haus. Ein Fester, das immer geschlossen ist. Wahrscheinlich eine alte Gewohnheit oder die Angst vor dem Leben drauβen. Vielleicht nur die Nachlässigkeit der alten Dame, die das am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts gebaute Haus besitzt. Alle Bewohner sind noch tief am schlafen. Eigentlich nicht alle...Er liegt im Bett und schaut zum ziemlich grossen Fenster hinaus. Die Vögel auf den Ästen der Bäumen singen nicht. In seiner Heimatstadt ist es nicht üblig auf etwas Lebendiges zu treffen. Er sieht jetzt aber nur das Fenster. Genau so eins hatte er und seine Familie auf dem Ort, wo sie lebten, als er und sie Kinder waren. Er sieht sie, wie sie sich über seine Versuche lustig zu sein freut, wie sie lacht wenn er über ihre Nachbarin ezählt, wie sie ihren Blick abwendet, wenn er etwas Schlimmes sagt, was sie als ein gut erzogenes Mädches nicht zulassen kann. Ihre Wangen werden plötzlich rot und er redet weiter bis sie sich umdreht und zur Mutter läuft. Er fand es damals so doof aber jetzt erinnert er sich daran mit den Tränen in den Augen. Diese wunderschönen Tage sind vorbei. Seit Jahren ist es anders. Aber das kleine Mädchen bleibt in seinen Gedanken und in seinem geschlossenen Herzen. Seitdem wurde er ruhiger. Er erwischte sich beim ständigen Starren aus dem alten Fenster. Es tagt und die Amseln wachen auf. Es kommt wieder ein Tag, der ihm gar nichts bringen kann. Er vergass fast, wie er bis hier zur Oma gekommen ist. Er weiss nur, das er ihre Adresse nicht finden konnte. Dann war es, als ob er alles verschlafen hätte. Jetzt ist er hier und ist froh, dass alles gut klappte. Ob es aber wirklich so positiv ist, dass er endlich ins Omas Haus ankam, wusste er nicht. Er versteht sie nicht. Sie ist so anders. Nicht weil sie eine andere Generation ist, sondern weil sie unglaublich viel redet, Egal worüber! Die Oma findet immer ein schönes und wahnsinnig interessantes Thema. Vielleicht kauften die Nachbaren ein neues Auto und sie fragt sich wie lange sie das Geld für so eine Maschine gespart hatten?! Oder wie zum letzten Mal wenn die Tochter ihrer besten Freundin eine neue, eigentlich etwas extravagante, Frisur hatte... Das war er noch jünger aber schon damals wusste er dass es ihn nicht interessiert. Plaudern, klatschen, verleumden. Warum tun es die Leute überhaupt, wundert er sich. Ist er verrückt oder sind das die anderen, die das im Kopf nicht in Ordnung haben?! „Peeeeter!!! Aufstehen! Das Frühstück wartet!“ „Alles klar, ich komm gleich!“ Er steht auf und schaut sich herum. Das Zimmer scheint ihm gröβer zu sein als in der Nacht. Trotzdem sehr leer. Ein Tisch, ein Stuhl und eine alte grüne Lampe, die vielleicht keine Glühbirne hat. Er übt das Nötigste aus und geht die Holztreppe runter. Sie ist so eng, dass er sich halten muss. Frisches Gebäck und eine Tasse Tee, genau wie er das mag. Die Oma hat's nicht vergessen. In diesen Sachen war sie immer sehr aufmerksam. „Hast du das schon gehört, Peter?“ Oh nein, dachte er, nicht beginnen bitte, nicht jetzt! „Ich kann's nicht glauben, mein Junge...Das muss ich dir erzählen! Kennst du Frau Poláček? Nein? Macht nix! Sie ist einmal so...“ Weiter hörte Peter nicht mehr. Mit dem Kopfnicken deutet er an, dass er alles genau versteht und dass er sich genauso wundert, wie sie. Die Oma scheint zufrieden zu sein. Sie erzählt ihre Geschichte und er hofft und harrt. Dabei stellt er sich vor, wie es nur wäre, wenn sie noch da wäre. Das wunderschöne Kleid, das sie zum ihren neunten Geburtstag bekam...Er weiss, dass es ein Unsinn ist. Er muss aufhören. Er denkt zu viel nach. Es ist auch nicht gut, das ist ihm klar. Er spürt seinen jungen Körper, der schüttelt. „Peter? Peter!“ Die Oma sitzt gegen ihm und trinkt ihren Kaffe, ohne den sie nicht leben kann. Turek. Seiner Meinung nach schmeckt er wie Scheisse. Woher bekam er eigentlich so einen komischen Namen? Die Oma meldet sich aber wieder ums Wort. „Ich hab für heute eine alte Freundin von mir zum Mittagessen eingeladen. Sie kommt auch mit einem jungen Mann, der als Hauslehrer ihrer Kinder arbeitet. Er lebt auch in Deutschland, du findest sicher einen Freund in ihm. Der Arme kennt keine lebendige Seele in der Stadt.“ „Ja, ja, Oma, ich freue mich schon.“ Bei der Antwort war er aber lange irgenwo anders. Das Mädchen. Das Fenster. Die Kälte...