Dieter Hoffmann: Parallel zu den Berliner Dadaisten entwickelte in Hannover Kurt Schwitters die so genannte MERZ-Kunst. Auch hierfür war - wie schon aus der von Schwitters erläuterten Herkunft des Begriffes MERZ hervorgeht - die Collagentechnik von zentraler Bedeutung: Ich nannte meine neue Gestaltung mit prinzipiell jedem Material MERZ. Das ist die 2te Silbe von Kommerz. Es entstand beim Merz-Bild, einem Bilde, auf dem unter abstrakten Formen das Wort MERZ, aufgeklebt und ausgeschnitten aus einer Anzeige der KOMMERZ- UND PRIVATBANK, zu lesen war.^86 Die für das MERZ-Bild angewandte Technik sah Schwitters als stilbildend für seine Kunst an, so dass er den für dieses Bild gewählten Titel auf alle nach demselben Verfahren erstellten Werke übertrug. Das künstlerische Verfahren selbst erklärte er dabei folgendermaßen: Ich nehme (...) jedes beliebige Material, wenn es das Bild verlangt. Indem ich verschiedenartige Materialien gegeneinander abstimme, habe ich gegenüber der Nur-Ölmalerei ein Plus, da ich außer Farbe gegen Farbe, Linie gegen Linie, Form gegen Form usw. noch Material gegen Material, etwa Holz gegen Sackleinen werte.^S7 Wie in Köln, wo Hans Arp und Max Ernst (1891-1976) eine dadaistische Gruppe gegründet hatten, stand in Hannover die bildende Kunst im Vordergrund. Dabei ging es Schwitters allerdings stets darum, die verschiedenen Künste stärker miteinander zu verbinden. Sein Ziel war die Schaffung eines ´Merzgesamtkunstwerks´. Über sein Vorgehen zu dessen Realisierung berichtete er 1921: Zunächst habe ich einzelne Kunstarten miteinander vermählt. Ich habe Gedichte aus Worten und Sätzen so zusammengeklebt, daß die Anordnung rhythmisch eine Zeichnung ergibt. Ich habe umgekehrt Bilder und Zeichnungen geklebt, auf denen Sätze gelesen werden sollen. Ich habe Bilder so genagelt, daß neben der malerischen Bildwirkung eine plastische Reliefwirkung entsteht.^88 Durch seine Lautgedichte - berühmt ist seine Sonate in Urlauten, die er später Ursonate nannte (1927/1932) - bezog Schwitters auch die Musik in seine Bemühungen um das Gesamtkunstwerk mit ein. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde er allerdings weniger hierdurch als vielmehr durch die typisch dadaistische Aktion, von der die Präsentation seines Gedichts An Anna Blume begleitet war. Schwitters´ Verleger, Paul Steegemann, brachte im Juni 1920 an einer Reihe von Litfass-Säulen der Stadt Hannover Plakate an, auf denen unter der Überschrift "Irret Euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten!" die Zehn Gebote aufgeführt waren. Eine Woche später ließ er neben diese Plakate ein ebenso großes Plakat hängen, auf dem Schwitters´ Gedicht^» Anna Blume zu lesen war. Die Wirkung dieser Aktion war phänomenal. In den Zeitungen der Stadt entbrannte eine heiße Diskussion über das Gedicht. Neben einigen vehementen Befürwortern des Werkes gab es zahlreiche empörte Zuschriften, in denen Schwitters vorgeworfen wurde, er missachte die Not des deutschen Volkes nach dem Ersten Weltkrieg oder mache sich über diese lustig. Andere sprachen dem Gedicht jeden literarischen Rang ab und beschimpften Schwitters als "Idiot´´´, dem, werde er weiter derartigen "Blödsinn" veröffentlichen, "die Hosen strammgezogen" würden. Psychiater diskutierten nicht nur den Geisteszustand, sondern auch die Art der möglichen Erkrankung von Schwitters, und eine Dame schrieb mitleidsvoll über den "Unglücklichen ": Sollte er nicht mehr zu retten sein? Sollte nicht wenigstens der Versuch gemacht werden, ihn durch Unterbringung in einer Heilanstalt von seinem Irrsinn, soweit er auch fortgeschritten sein mag, zu heilen? Wenn Sie zur Deckung der Kosten eine Sammlung veranstalten wollen, bin ich gern bereit, mich zu beteiligen.^89 Dem aktionistischen Charakter, den sein Gedicht durch die öffentliche Plakatierung und anschließende Besprechung in den Leserbriefspalten der Zeitungen erhalten hatte, entsprach es auch, dass Schwitters auf Zuschriften wie diese persönlich antwortete (wobei der Briefwechsel dann selbst wieder in einem Buch gesammelt und veröffentlicht wurde): Ihr Mitleid rührt mich, und ich freue mich an dem Anteil, den Sie an mir Unglücklichem nehmen. Ihre Idee, eine Sammlung zur Heilung meiner ´Nerven´ zu veranstalten, finde ich so famos, daß Ich (Verzeihung.) ich selbst mich entschlossen habe, die Verwaltung des gesammelten Geldes zu übernehmen. (...) Ich (...) rechne nach Ihrer Karte auf Ihre tatkräftige auf Propaganda und besonders auf Übersendung Ihres Anteils.^90 Überlegen Sie, worauf der von Schwitters´Anna Blume-Gedicht ausgelöste öffentliche Aufruhr zurückzuführen sein könnte. Kurt Schwitters An Anna Blume O, Du Geliebte meiner siebenundzwanzig Sinne, ich liebe dir! - /Du deiner dich dir, ich dir, du mir. - Wir? Das gehört (beiläufig) nicht hierher. Wer bist du, ungezähltes Frauenzimmer? Du bist - bist du? - /Die Leute sagen, du wärest - laß sie sagen, sie /wissen nicht, wie der Kirchturm steht. Du trägst den Hut auf deinen Füßen und wanderst auf die /Hände, auf den Händen wanderst du. Hallo deine roten Kleider, in weiße Falten zersägt. Rot liebe ich /Anna Blume, rot liebe ich dir! - Du deiner dich dir, ich dir, /mir. - Wir? Das gehört (beiläufig) in die kalte Glut. Rote Blume, rote Anna Blume, wie sagen die Leute? Preisfrage: 1. Anna Blume hat ein Vogel. 2. Anna Blume ist rot. 3. Welche Farbe hat der Vogel? Blau ist die Farbe deines gelben Haares. Rot ist das Girren deines grünen Vogels. Du schlichtes Mädchen im Alltagskleid, du liebes grünes Tier, /ich liebe dir! - Du deiner dich dir, ich dir, du mir. - Wir? Das gehört (beiläufig) in die Glutenkiste. Anna Blume! Anna, a-n-n-a ich träufle deinen Namen. Dein /Name tropft wie weiches Rindertalg. Weißt du es Anna, weißt du es schon? Man kann dich auch von hinten lesen, und du, du Herrlichste /von allen, du bist von hinten wie von vorne: "a-n-n-a". Rindertalg träufelt streicheln über meinen Rücken. Anna Blume, du tropfes Tier, ich liebe dir! (v 1919) V. 18: Glutenkiste: bei Kohleöfen der Auffangbehälter für die erkalteten Kohlen 1. Nach Friedhelm Lach enthält An An im Blume die typischen Merkmale eines traditionellen Liebesgedichts, nämlich • Anrufung der Geliebten • Unnahbarkeit der Geliebten • Liebesklage und Liebespreis, Liebesschwur • Frage nach dem Wesen der Geliebten • Beschreibung des Verhaltens und des äußeren Erscheinungsbildes der Geliebten • öffentliches Ansehen der Geliebten^91 Zeigen Sie, wie Schwitters diese Elemente einsetzt und wie er sie jeweils abwandelt. 2. Über die Collagentechnik schreibt Schwitters; 3. Die Materialien sind nicht logisch in ihren gegenständlichen Beziehungen, sondern innerhalb der Logik des Kunstwerkes zu verwenden. Je intensiver das Kunstwerk die verstandesmäßig gegenständliche Logik zerstört, umso größer ist die Möglichkeit künstlerischen Aufbauens,^92 ^: Belegen Sie an einzelnen Stellen aus dem Gedicht, dass dieses die "verstandesmäßige gegenständliche Logik" in Frage stellt. Welche Wirkung wird hierdurch jeweils erzielt? 3. In einer dichterischen Selbstäußerung zum ´Wesen´ von Anna Blume ruft Schwitters - unter der Überschrift Nennen Sie es Ausschlachtung - seine Leser dazu auf, phantasievoll mit dem Gedicht umzugehen: Anna Blume ist die Stimmung, direkt vor und direkt nach dem Zubettgehen Anna Blume ist die Dame neben Dir Anna Blume ist das einzige Gefühl für Liebe, dessen Du überhaupt fähig bist Anna Blume bist Du Anna Blume ausschlachten heißt Dich schlachten Bist du schon einmal geschlachtet worden? Anna Blume schlachten heißt dich ausschlachten Du läßt Dich gern ausschlachten? Schlachte Anna Blume, die Stimmung vor dem Zubettgehen Schlachte Anna Blume, die Dame neben Dir Anna Blume schlachten, ist die einzige Ausschlachtung deren du überhaupt /fähig bist Wenn du nicht zufällig, Merz wolle dich bewahren, ein ganz unfähiger /Mensch sein solltest^93 Versuchen Sie die von Schwitters gegebenen Bestimmungen der ´Anna Blume´ auf das Gedicht zu beziehen. Welches Dichtungsverständnis spricht aus Schwitters´ Aufruf? 4. Aus psychoanalytischer Sicht schreibt Serge Leclaire über die Bedeutung Der Buchstaben für den Menschen: Für den Psychoanalytiker ist der Buchstabe Stigma der Lust, ist Inskription und Zeichen mit der Eigenschaft, ah ein Objekt vom Körper ablösbar zu sein, auf dem er ausgeprägt ist. Diese objektive Eigenschaft des Buchstabens - nämlich abstrahiert werden zu können - ist ganz eng mit jener anderen Eigenschaft verknüpft, derzufolge er positiv eine erogene Differenz anzuzeigen vermag, eine Spur, wo Lust sich lokalisiert und unterscheidbar -wird. Inwiefern lässt sich das Gedicht auch als Dokument einer ausgeprägten Lust am Sich-Ausdrücken, als eine Art Liebeserklärung an die Sprache verstehen? 5. Bei einem Empfang der Nationalsozialisten (anwesend waren u.a. Goebbels und Göring) für den im faschistischen Italien Mussolinis zu Amt und Würden gelangten Futuristen Marinetti rief Schwitters in ein allgemeines Schweigen aus vollem Hals die Worte: Oh Anna Blume, Du bist von hinten wie von vom A-n-n-a.^95 Was bezweckte er Ihrer Ansicht nach mit dieser Aktion? 6. Über die Zusammenhänge zwischen seinen Anfängen als Künstler und der Situation in Deutschland gegen Ende des Ersten Weltkriegs schrieb Schwitters einmal: Ich verließ meine Arbeitsstelle ohne jede Kündigung und mm gings los. Jetzt begann das Gären erst richtig. Ich fühlte mich frei Und mußte meinen Jubel hinausschreien in die Welt. Aus Sparsamkeit nahm ich dazu, was ich fand, denn wir waren ein verarmtes Land. Man kann auch mit Müllabfällen schreien, und das tat ich, indem ich sie zusammen leimte und nagelte. Ich nannte es Merz (...) Kaputt war sowieso alles, und es galt, aus den Scherben Neues zu bauen.^96 Inwiefern spiegelt sich diese Stimmungslage auch in Schwitters´ Anna-Blume-Dichtung wider? 8. Könnte man in dem Namen ´Anna Blume´ auch eine Anspielung auf das romantische Symbol der blauen Blume sehen? In welcher Weise würde Schwitters dann auf dieses Bezug nehmen? 9. Vergleichen Sie Schwitters´ Art des Spiels mit der lyrischen Tradition mit Hans Arps Bezugnahme auf diese in dessen Gedicht weh unser guter kaspar ist tot (s.o.). Berücksichtigen Sie dafür auch dir Anspielungen auf das Dichten bzw. den Dichter in beiden Texten. Kurt Schwitters An Anna Blume Wie schon der Titel zeigt, handelt es sich bei dem Gedicht um eine Liebeserklärung "an Anna Blume". Als Liebesgedicht weist sich das Werk auch dadurch aus, dass es alle Elemente aufweist, die ein solches traditionellerweise enthält: • Die Anrufung der Geliebten zieht sich, teilweise in Verbindung mit Liebespreis und Liebesschwur, leitmotivartig durch das Gedicht (vgl. V. 1, 5, 13, 15, 17, 19). Gegen Ende tritt sie häufiger auf, was darauf hindeutet, dass das Liebesempfinden des lyrischen Ichs im Verlauf des Gedichts an Intensität zunimmt. • Verhalten und äußeres Erscheinungsbild der Geliebten werden in den Abschnitten zwischen den einzelnen Anrufungsversen beschrieben, teilweise aber auch mit dem Liebesschwur verbunden. Auffallend ist dabei, dass Anna Blumes Verhalten und Aussehen einerseits nicht normgerecht ist bzw. recht exaltiert erscheint - sie geht auf den Händen (vgl. V. 4), und ihre "roten Kleider" sind "in weiße Falten zersägt" (V. 5) -, dass sie andererseits aber als "schlichtes Mädchen im Alltagskleid" (V. 13) bezeichnet wird. Der hierin zum Ausdruck kommenden Unsicherheit über ihr wahres Aussehen und Auftreten entspricht auch die paradoxe Beschreibung ihrer Haarfarbe sowie der Laute, die ihr Vogel von sich gibt (vgl. V. 11/12). • Das öffentliche Ansehen der Geliebten wird in Vers 3 sowie insbesondere in Vers 7 bis 10 angedeutet. Wie angesichts der Unklarheit bezüglich ihres äußeren Erscheinungsbildes nicht anders zu erwarten, erweist es sich als äußerst diffus. Über eine "Preisfrage" (V. 8) wird daher zu klären versucht, was man der Geliebten nachsagt bzw. nachsagen kann. • Nach dem Wesen der Geliebten wird explizit in Vers 3 gefragt. Im Grunde lässt sich jedoch das ganze Gedicht als Reflexion über das Wesen von Anna Blume ansehen. Das Ergebnis wäre dann - sowohl auf der Ebene des lyrischen Ichs wie hinsichtlich des öffentlichen Ansehens der Geliebten -, dass dieses sich nicht hinreichend beschreiben lässt, also unfassbar ist. So erscheint das Gedicht in seiner Gesamtheit auch als Ausdruck für die Unnahbarkeit der Geliebten -was den Liebenden nicht davon abhält, Anna Blume zu verehren. Vielmehr intensiviert sich seine Anbetung der Geliebten parallel zu der immer stärkeren Durchbrechung der sprachlogischen Bezüge, die am Ende auch mit einer Überschreitung der Grenzen zwischen den einzelnen Wortarten einhergeht (vgl. V. 18/19). Gerade die fehlende Beschreibbarkeit und die - sich darin ausdrückende - Unnahbarkeit der Geliebten scheinen es zu sein, die das lyrische Ich zu dieser hinziehen. Ebenso deutlich, wie das Werk als Liebesgedicht zu erkennen ist, enthüllt sich andererseits auch sein parodistischer Charakter. Dieser ergibt sich gleich zu Anfang durch die Verletzung der sprachlichen Norm, die in der Verwendung des Dativs (statt des Akkusativs) in Verbindung mit dem Verb ´lieben´ liegt. Zwar wird unmittelbar darauf das Nachdenken über sprachliche Normen als nicht zum Thema (nämlich der Preisung von Anna Blume) gehörend zurückgewiesen, doch wird gerade damit die grammatikalische Reflexion direkt mit der Anrufung der Geliebten verbunden. Der parodistische Effekt, der sich hieraus ergibt, wird dadurch noch gesteigert, dass sowohl die grammatisch inkorrekte Anbetungsformel als auch die Reflexion über ihre sprachliche Richtigkeit in regelmäßigen Abständen wiederholt werden (vgl. V. 1/2, 5/6 und 13/14; auch als Schlussakkord des Gedichts folgt noch einmal der Ausruf "ich liehe dir!"). Bewusste Abweichungen von der sprachlichen Norm finden sich darüber hinaus auch in Vers 4 und 8. Für ein Liebesgedicht unpassend (und dadurch komisch) erscheint auch die Verknüpfung der Preisung des öffentlichen Ansehens der Geliebten mit einer "Preisfrage" (V. 8). Dem intimen Charakter des Liebesempfindens widerspricht die marktschreierische und wettbewerbsmäßige Form, in der das Ansehen der Geliebten ermittelt werden soll. Untypisch (zumindest im Rahmen eines öffentlich vorgetragenen Gedichtes) für eine Liebeserklärung sind auch die Koseworte, mit denen das lyrische Ich die Angebetete betitelt. Zwar passt es zu dem ungewöhnlichen Verhalten und Aussehen von Anna Blume (vgl. V. 4/5), wenn diese als "liebes grünes" bzw. "tropfes Tier" (V. 13/19) bezeichnet wird, doch bleibt es dennoch fraglich, ob eine reale Geliebte es gerne hören würde, dass ihr Name "wie weiches Rindertalg" "tropft" (V. 15) - auch wenn dieses vom Geliebten als Liebkosung erlebt wird (vgl. V. 18). So wirken letztendlich auch die Gefühle des lyrischen Ichs befremdlich auf den Leser; denn weder die Beschreibung von Anna Blume selbst noch die Worte, mit denen das lyrische Ich seine Empfindungen für diese zum Ausdruck bringt, entsprechen den Erwartungen an ein traditionelles Liebesgedicht. Form und Inhalt scheinen einander in eklatanter Weise zu widersprechen. Diese Widersprüchlichkeit korrespondiert andererseits wiederum mit den Unklarheiten, die hinsichtlich der inneren und äußeren Gestalt von Anna Blume bestehen. Insofern erscheint sie als einzig adäquater Ausdruck für die Gefühle des Liebenden. Dies gilt umso mehr, als das Wesen von Anna Blume nicht nur schwer zu fassen ist, sondern in sich die Gesetze der Logik aufzuheben scheint. So besteht etwa die "Preisfrage" formal aus zwei Prämissen und einem Syllogismus, bildet also in sich den Grundbaustein logischen Denkens ab. Die Schlussfolgerung, die aus den beiden Prämissen gezogen wird, lässt sich jedoch logisch nicht aus diesen ableiten, so dass auch hier wieder Form und Inhalt auseinander fallen. In ähnlicher Weise sind auch die Aussagen in Vers 11 und 12 formal korrekt, inhaltlich jedoch unsinnig. Ein Sinn würde sich erst dann ergeben, wenn man die zu Anfang der beiden Sätze erwähnten Farben adverbial verstünde, ihnen also eine übertragene Bedeutung zuschreiben würde - etwa in dem Sinne, dass das Haar von Anna Blume ´auf blaue Weise´ gelb ist (was, gemäß der traditionellen Farbensymbolik, darauf hindeuten würde, dass das Haar den Liebenden zu einem melancholisch gefärbten Träumen anregt). Dies entspräche aber gerade einer Abweichung von der vorgegebenen Sprachlogik, so dass der Sinn sich hier ausschließlich jenseits derselben zu konstituieren scheint. Dies korrespondiert mit der Beschreibung des Wesens von Anna Blume, als dessen zentrales Kennzeichen hervorgehoben wird, dass man die Geliebte "auch von hinten lesen" könne (V. 17). Das Verkehrte bzw. Verdrehte - also das, was gemäß den konventionellen Normen als sinnlos gilt - wird demnach offenbar durch Anna Blume rehabilitiert bzw. neu in seinem Sinngehalt entdeckt. So gesehen ließe sich das Gedicht ganz allgemein als Reflexion über die Möglichkeiten und Grenzen sprachlicher Bedeutungsvermittlung sowie über Sinn und Unsinn sprachlicher Konventionen verstehen. Die ´´siebenundzwanzig Sinne" aus Vers 1 könnte man dann (wenn man das ´ß´ dazu rechnet) auf die Buchstaben des Alphabets beziehen, und die wiederholte Zurückweisung der Diskussion über die Normgerechtheit des Liebesschwurs wäre dann im Sinne eines Plädoyers für eine größere Freiheit im Umgang mit der Sprache interpretierbar. Hierzu passt auch, dass Anna Blume am Ende völlig mit ihrer sprachlichen Bezeichnung gleichgesetzt wird und als solche gepriesen wird (vgl. V. 17). Auf der anderen Seite ist es gerade diese naive Gleichsetzung von außersprachlicher Erscheinung und sprachlichem Äquivalent, die das Gedicht in seiner Gesamtheit wie auch durch einzelne Verse kritisiert. So werden Wesen und äußere Erscheinung von Anna Blume durch ihre Beschreibung im Verlauf des Gedichts immer verschwommener, anstatt dass dem Leser eine klare Vorstellung hiervon vermittelt würde. Folgerichtig wird die Existenz von Anna Blume auch gleich zu Beginn des Gedichts offen angezweifelt ("Du bist - bist du?"; V. 3). Dies lässt sich zunächst auf Anna Blume als einen konkreten Menschen beziehen, wobei das Gedicht dann die Möglichkeit von dessen eindeutiger Charakterisierung - und, analog hierzu, auch die klare Beschreibbarkeit anderer außersprachlicher Erscheinungen - in Frage stellen würde. Dem entspricht auch, dass sich in dem Gedicht - selbst wenn man an die Existenz von "Anna Blume" glaubt - reale und phantastische Elemente so stark miteinander vermischen, dass unklar bleibt, welche Elemente die konkrete Erscheinung der Geliebten in analoger Weise abbilden und welche rein imaginärer Natur sind. Dahinter verbirgt sich eine allgemeine Kritik der menschlichen Wahrnehmung: Nur wer einem traditionellen Weltbild und den für ein solches charakteristischen eindimensionalen, um ein sinngenerierendes Zentrum herum angeordneten Deutungsmustern folgt (wer nicht weiß, "wie der Kirchturm steht" - nämlich verkehrt herum), kann daran glauben, dass die einzelnen Begriffe die außersprachlichen Erscheinungen in ein-deutiger Weise abbilden. Daneben könnte man "Anna Blume" auch als Chiffre für die Sprache in ihrer Gesamtheit verstehen. Das Gedicht würde dann die Tatsache thematisieren, dass von den ´ungezählten´ Kombinationsmöglichkeiten des sprachlichen Materials - denen ebenso viele Nuancen der Sinnerfassung bzw. Sinngebung in Bezug auf die außersprachliche Realität entsprechen - nur ein verschwindend kleiner Teil realisiert wird. Die Frage nach der Existenz von Anna Blume ließe sich dann als Zweifel daran deuten, ob die Sprache — wenn ihre Möglichkeiten nur in einem unbedeutenden Ausmaß genutzt werden - überhaupt existiert. Wenn das Gedicht diese Frage auch nicht eindeutig verneint, so ist doch die sich parallel zu der zunehmenden Destruktion aller logischen Bezüge steigernde Liebe zu Anna Blume ein klarer Hinweis darauf, dass diese gerade auf der Vielfalt der Seinsweisen und Deutungsmöglichkeiten der Geliebten beruht. Die Liebeserklärung an Anna Blume wäre insofern im Sinne eines Bekenntnisses zur Freiheit des sprachlichen bzw. - im engeren Sinne - dichterischen Ausdrucks zu verstehen. Da diese dem chaotischen, alogischen Wesen des Seins eher gerecht wird als eine normativ festgelegte Sprache, könnte man hierin auch das Bestreben sehen, Sprache und Sein in existenzieller - statt nur funktionaler, die tägliche Kommunikation sichernder - Weise aufeinander zu beziehen. Dabei scheint es nun nicht darum zu gehen, mittels der Sprache eine dichterische Gegenwelt zu konstruieren, die parallel zur Alltagswelt existiert und dem Einzelnen zur Entlastung von den darin auftretenden Problemen verhilft. Dies zeigt außer dem Rezeptionskontext des Gedichts auch der Name der Geliebten, der als Verweis auf die ´blaue Blume´ - als Symbol für die meditativen Traumwelten der Romantik - verstanden werden kann. Zwar widerspricht auch Anna Blume mit ihrer Existenz den linearen Kausalbeziehungen, in denen der rational denkende Mensch - vermittelt über entsprechende sprachliche Strukturen - die Realität wahrnimmt. Anders als die romantische blaue Blume konstituiert sie sich dabei aber nicht außerhalb derselben, sondern ragt mitten in diese hinein bzw. existiert als deren bewusste Verkehrung. Dies zeigt das Verhalten der dichterischen Anna-Blume-Gestalt ebenso wie die Art und Weise, in der Schwitters zeitlebens auf diese Bezug nahm. Obwohl ihr Wesen mit logischen Kategorien nicht zu fassen und sie damit den rational ausgerichteten Gesellschaftsstrukturen klar entgegengesetzt ist, ist sie doch ein "schlichtes Mädchen im Alltagskleid" (V. 13), d.h. erstens auf den Alltag eben dieser Gesellschaft bezogen und zweitens - im Gegensatz zu den Gegenwelten der Romantik, aber auch zu den künstlichen Welten von Décadence, Jugendstil und Symbolismus - für jeden Menschen jederzeit erreichbar. Insofern kommt in "Anna Blume" auch ein Verständnis von Dichtung zum Ausdruck, das dieser eine aktive Rolle bei der Gestaltung der gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse sowie bei der Auseinandersetzung des Einzelnen mit diesen zuschreibt. Wenn Schwitters in einem anderen Gedicht seine Leser dazu auffordert, Anna Blume ´auszuschlachten´´und dies mit einer ´Selbstschlachtung´ des Lesers gleichsetzt (vgl. Aufgabenteil), so spiegelt sich darin vor diesem Hintergrund die Möglichkeit zur Selbsterforschung und Selbstverwirklichung wider, die nach Schwitters über eine Befreiung des sprachlichen Ausdrucks aus den geltenden Konventionen - und die damit zusammenhängende Erweiterung der geistigen Autonomie des Einzelnen - erlangt werden kann. Nur wer bereit ist, mit den traditionellen sprachlichen Strukturen und den durch sie vermittelten geistigen Deutungsmustern zu brechen (sie ´zu schlachten´), kann seine (sprachlich vermittelten) geistigen Möglichkeiten voll ausnutzen (sie "ausschlachten´^7). Auf diese Weise wird er sich selbst besser kennen lernen (wird er seine diffusen ´Stimmungen´ geistig durchdringen können) und damit zugleich auch sensibler werden für etwaige Bedrohungen, denen seine geistige Autonomie im Alltag ausgesetzt ist. So lässt sich auch Schwitters´ Zitat aus seiner Anna-Blume-Dichtung bei dem Empfang führender Nationalsozialisten für Marinetti als Protest gegen die sinnverdrehende Verwendung der Sprache durch Faschismus und Totalitarismus verstehen: Deren sinnentstellender Propaganda wird die bewusste - und damit diese als solche entlarvende - ´Verkehrtheit´ der befreiten Sprache entgegengesetzt. Bezieht man die Anna-Blume-Dichtung auf den zeithistorischen Kontext, in dem sie entstanden ist, so lässt sie sich wohl als Protest gegen die geistige Erstarrung der bürgerlichen Kultur, deren Ausmaß und Gefahrenpotenzial durch den Ersten Weltkrieg offenbar geworden waren, verstehen. Das Problem, das sich in ihr widerspiegelt, ist jedoch - wie auch Schwitters´ eigene spätere Bezugnahme auf das Gedicht zeigt - nicht an eine bestimmte Zeit gebunden. Denn die Gefahr, dass der Einzelne durch zu stark normierte, propagandistisch entstellte, lückenhafte oder unflexible sprachliche Strukturen etwas von seiner geistigen Autonomie einbüßt, ist offenbar zu allen Zeiten gegeben. Eben deshalb führt Schwitters seinen Lesern auch so drastisch vor Augen, dass sie - da ihre geistigen Prozesse zu einem großen Teil sprachlich bestimmt sind - nichts anderes ´sind´ als "Anna Blume", d.h. Sprache, und dass sie sich damit auch in fundamentaler Weise von sich selbst und ihrem Mensch-Sein entfremden, wenn sie sich sprachlichen Prozessen gegenüber nicht sensibel zeigen bzw. es für sich selbst ablehnen, zumindest ansatzweise auch jene sprachliche Autonomie zu realisieren, wie sie Schwitters in seiner Anna-Blume-Dichtung exemplarisch vor Augen geführt hat. Hoffmann, Dieter: Arbeitsbuch deutschsprachige Lyrik 1880-1916 : vom Naturalismus bis zum Expressionismus. Tübingen ; Basel: Francke, 2001 ISBN 3-8252-2199-7 (UTB), ISBN 3-7720-2974-4 (Francke). S. 51–56, 409-414. Hans H. Hiebel: An Anna Blume^13 O du, Geliebte meiner siebenundzwanzig Sinne, ich liebe dir! - Du deiner dich dir, ich dir, du mir. - Wir? Das gehört (beiläufig) nicht hierher. Wer bist du, ungezähltes Frauenzimmer? Du bist — bist du? Die Leute sagen, du wärest, - laß sie sagen, sie wissen nicht, wie der Kirchturm steht. Schon die skurrile Namensgebung läßt Humor und Albernheiten erwarten, die denn auch prompt nach der Apostrophe der Geliebten einsetzen: Mit „siebenundzwanzig Sinnen", also mit dem Seh-, Gehör-, Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinn, total, wird die Angebetete erfaßt und geliebt; mehr, mit 27 Sinnen wird sie wahrgenommen, und da dies quasi mehr als eine Hyperbel bzw. Übertreibung ist, bewegt sich der Text in die Richtung witziger Absurdität und humoristischer Nonsens-Lyrik. Dieser Trend wird fortgesetzt durch die sinnfreie, um nicht zu sagen sinnlose Deklination „Du deiner dich dir", die ausgelöst wird durch die Berlinerische Vertauschung von Akkusativ und Dativ: „ich liebe dir [...] ich dir, du mir". Ihr folgt die ungrammatische Attribuierung „ungezähltes Frauenzimmer", die ein nur im Plural verwendbares Adjektiv in einen absurden Singular verwandelt; das Emphatische und Hyperbolische, das in „ungezählte" steckt, wird zwar auf „Anna Blume" übertragen, doch sein semantischer Sinn führt zu einem unauflöslichen, alogischen Gedankenknoten. Mit solchen Dekonstruktionen der sprachlichen und lyrischen Konventionen, die auch die weiteren Zeilen des Gedichts prägen, stehen wir am Eingang zum Raum der noch radikaleren Sprachexperimente Schwitters´ und der anderen Dadaisten. ^13 Kurt Schwitters: An Anna Blume. In: Werner Schmalenbach: Kurt Schwitters, Köln 1967, S. 228. Auch in: Kurt Schwitters: Das literarische Werk. Bd. 1: Lyrik, hg. von Friedhelm Lach, Köln: DuMont 1975S. 214. Hiebel, Hans H. Das Spektrum der modernen Poesie: Interpretationen deutschsprachiger Lyrik 1900-2000 im internationalen Kontext der Moderne. Teil 1(1900-1945). Würzburg: Königshausen & Neumann, 2005. S. 245–248. ANNAKVÍTEK Ó milenko mých sedmadvaceti smyslů, miluju ti! - Ty tebe tobě tě ty tobě tebou, já tě, ty mě. - My? To sem /mimochodem/ nepatří. Kdo jsi, ty nesčetná ženská? Ty jsi - - jsi ty? - Lidé říkají,že bys byla - a-L- si mluví, nevědí, jak stojí kostelní věž. Nosíš klobouk na nohou a chodíš po rukou, po rukou chodíš. Haló, tvé rudé šaty, rozřezané do bílých záhybů. Rudě miluju Annukvítek,rudě ti miluju! - Ty tebe tobě tě ty tobě tebou, já tě, ty mě. - My? To patří /mimochodem/ do chladného žáru. Rudý kvítku, rudý Annokvítku, jak to lidé říkají? Soutěžní otázka: 1. Annakvítek má pták. 2. Annakvítek je rud. 3. Jakou barvu má pták? Modrá je barva tvých žlutých vlasů. Rudé je cukrování tvého zeleného ptáka. Ty prostá dívko ve všedních šatech, ty moje zelené zvířátko, miluju ti! - Ty tebe tobě tě ty tobě tebou,já tě, ty mě. - My? To patří /mimochodem/ do žárové bedny. Annakvítek! Anna, a-n-n-a, po kapkách tvoje jméno! Tvé jméno krápe jak rozměklý hovězí lůj. Víš to, Anno, už to víš? Lze tě číst také odzadu a ty, nejnádhernější ze všech, jsi zezadu jako zepředu: "a-n-n-a". Hovězí lúj mi hladivě kapká po zádech. Annokvítku, ty mé krápotné zvíře, ano, miluju ti! Ta báseň, jejíž ohlas, kladný i záporný, byl vskutku mimořádný, se netěšila velké lásce některých dadaistů. Vytýkali jí sentimentalitu, ačkoliv jde vskutku virtuózně na ostré hraně MEZI. Měli Schwittersovi také za zlé jeho smysl pro sebereklamu /ačkoliv to je znak obecně dadaistický/, popuzoval je jeho "měšĚácký způsob života". V souvislosti s básní Annakvítek Schwitters napsal: "Merz-poezie je abstraktní. Užívá obdobně jako merz-malířství jako daných částí hotových vět z novin, plakátů, katalogů, rozhovorů´atd., s obměnami i bez nich. /To je strašlivé/. Tyto části nemusí odpovídat smyslu, nebot žádný smysl už neexistuje. /To je strašlivé,/ Neexistují už taky sloni, existují už jen části básně. /To je strašlivé./ A vy? /Kreslete válečnou půjčku!/ Orčete sami, co je báseň a co rám. Anněkvítku vděčím hodně. Ještě víc vděčím Sturmu. Sturm tiskl nejdříve mé nejlepší básně a ukázal v kolekci mé merz-obrazy...". Chceme-li mermomocí najít přísné kategorie, člení se Schwittersova tvorba v obrazy, kresby a grafiku, v koláže, asam-bláže, reliéfy a plastiku. Většinou však se ty techniky prolínají, překřižují, těžko definovatelně kombinují. Společný jmenovatel: žádný, opravdu žádný materiál není pro Schwitterse nepoužitelný. Bez estétských předsudků zužitkovával, "zmerzovával" vše. Čím starší, upotřebenější, odpadkovější materiál, tím lépe. A ačkoli Schwittersovy merz-obrazy a merz-koláže zásadně neusilují o reálný prostor, o náznak horizontu, o figurativnost, nýbrž "jen a jen o umění", jsou mnohonásobně- "prosáklé" lidskou realitou všech těch předmětii, z nichž jsou složeny. Tyto "deriváty života" dávají Schwittersovym merz-obrazům, reliéfům a zvláště kolážím velmi vyhraněné rysy intimity málem domácké. Možná, že právě tyto rysy, toto lidské teplo, popuzovalo některé chladněji vyhraněné modernisty a vedlo je k odsudkům o sentimentálnosti a naivitě Schwittersova umění. Obojí jistěže Schwitterse vyznačuje, obojím se - v rozplynuté formě ovšem - Schwitters odlišuje od asketických racionalisti"! Mondrianova druhu - ale i od vražedných satiriků Groszova ražení. Je to však právě to, co ho vyčleňuje z rámce uniformy. Jeho umění je díky svému materiálu poznamenáno dlouholetým soužitím s lidmi, opotřebované v jejich službách, humanizované. Ludvík Kundera. DADA. Vydala Jazzová sekce. Určeno pouze pro interní potřebu členu Jazzové sekce. Praha: 1983. S. 95-97. Simile Ein feines silbergesprenkeltes, In der Hand von 5 bis 6 todesmutigen Menschen. Ein Schifflein, Und damit die rote, Und dann, Wenn niemand mehr kann, Die Blume Anna aus vollem Halse gesungen. Fließen auf Erden der Tränen auch viel, Über ein Kleines hat alles. GEDICHTE DES EXPRESSIONISMUS HERAUSGEGEBEN VON DIETRICH BODE Stuttgart: Reclam,1981. ISBN 3-15-008726-0. S. 198. ERICH FRIED An Anna Emulb Junogedicht 1 - in memoriam Kurt Schwitters Weißt du es, weißt du es schon? Nicht er hat dich geliebt, mein ebenbürtiges, falsch, verkehrt geschriebenes Idyll und Ideal, mein helles, das meine Augen fast trübt vor Liebe: Nicht er hat dich geliebt, sondern ich! Nicht jener Turk, jener Heide mit seiner Vielsinnlichkeit, nicht jener Heini, sondern ich, sondern ich liebe dich! Trotz seiner vielen Sinne ist er sinnlos geblieben: Nur halb hat er dich erkannt, deinen Nemanuz hat er nutzlos beiseite gelassen! Das ist keine Liebe, dieses nur halbe und nur annale Erkennen. Nicht er hat dich geliebt, sondern ich liebe dich: Ich will dich ganz lieben und will dich ganz erkennen, deinen Nemanuz und auch deinen Nemanrov! »Man kann dich auch von hinten lesen« hat er gesagt »und du, du Herrlichste von allen, du bist von hinten wie von vorne: »a-n-n-a.« Aber du, Anna Emulb, bist nicht von hinten wie von vorne, wie dieser annale Annalphabeth es behauptet, der schlappmacht auf halbem Weg; das gehört sich nicht! Der gehört (beiläufig) in die kalte Glutenkiste. Hörst du mich, hörst du mich schon, Anna Emulb? Erhörst du mich wieder? Ich eme dich, ich aime dich sehr, du mein Ziel, du mein aim! Ich will dich mulben und ulben, denn du bist nicht, wie er sagte, von hinten wie von vorne, und er soll seinen Rindertalg für sich behalten. Pfui! Ich sag es ganz unverblümt: Er soll seinen Rücken, seine Kehrseite, einfetten und streicheln, denn ich bin es, der jetzt lebt und liebt und dich mulbt und dann ulbt und dann lbt, solange du willst! Ja, ich lbe dich! Ich lbe dir! Du deiner dich dir! Ich dir, du mir-Wir? Ich lbe dich unter Ulmen und unter Ulben, wie trunken von Bulmer´s Cider und zwiebelig weinend wie unter Bulben! Ich will dich lben, überall und überhaupt, bis ich mich lege wie Yeats liegt unter Ben Bulbens kahles Haupt. 0 Emulb! ich will die großen Liebenden aller Zeiten emulibieren, bis ich zu Mulm werde, und ich will immer den Emu für dich imitieren, der zwar nicht fliegen kann, doch ich will rund um dich rennen mit ausgebreiteten Armen: Ich will dich erkennen und richtig benennen! Mir wird ganz mulmig vor Liebe, wie sichs gebührt, ganz betrübt bin ich von der Bürde der Liebe zu dir, zu dir, du, meine einzige Hilfe, mein Holp und mein Hülp und main aid, mein Idyll und mein Ideal, o du, mein Aidyl, zu dem Anna Emulb mich durch die Blume führt. Poetische Sprachspiele. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart.Herausgegeben von Klaus Peter Dencker.Stuttgart: Reclam, 2002. S. 314-315.