RUSSELL E.BROWN: ALFRED WOLFENSTEIN Alfred Wolfenstein ist eine der seltsamsten und problematischsten Nebenfiguren des Expressionismus, einer Bewegung, der es wahrlich nicht an Vielfalt und Eigenart gefehlt hat. In Halle geboren, wurde er als Rechtsanwalt ausgebildet, nahm an der expressionistischen Bewegung als Lyriker erst in Berlin, dann in München teil. Dort heiratete er Henriette Hardenberg, eine der wenigen Dichterinnen des Expressionismus. Nach 1919 hat er sich dem Drama und der Erzählung, auch Übersetzungen (Shelley, Poe, französische Symbolisten und Moderne) gewidmet. Nach 1933 lebte er zunächst in Prag, später in Paris, während des Krieges in Südfrankreich, dauernd auf der Flucht, um gleich nach der Befreiung in einem Pariser Krankenhaus Selbstmord zu begehen. So widerspruchsvoll wie sein Ende erscheint auch seine dichterische Laufbahn. Obwohl Wolfenstein von den Zeitgenossen reichlich anerkannt wurde (von Pinthus, Hasenclever, Rubiner, Hiller, aber auch von Rilke und Musil) und in den damaligen Anthologien und Zeitschriften gut vertreten ist (beispielsweise in der Menschheitsdämmerung mit dreizehn Gedichten), ist er heute, abgesehen von den immer wieder anthologisierten Gedichten, so gut wie vergessen, so daß Carl Mumm ihm einen Band in der Reihe«Verschollene und Vergessene» widmen konnte. Er war ein Großstadtdichter, der die Großstadt haßte. Er war ein Aktivist, dem der Aktivismus bald gefährlich erschien. Man hat ihn immer wieder als Nihilisten bezeichnet; doch suchte er durchweg nach Gemeinschaft, Freundschaft, nach einer utopischen Weltordnung. Die Zeitgenossen sahen in ihm einen kühnen Erneuerer der lyrischen Sprache; doch übernahm er viele Klischees und Oberflächlichkeiten sowohl der eigenen wie der früheren, vermeintlich schon überwundenen Dichtergeneration. Bei diesem höchst widerspruchsvollen Autor wollen wir uns vor allem auf seinen Beitrag zur expressionistischen Lyrik konzentrieren; anschließend sei seine Entwicklung als Dramatiker umrissen. Wolfenstein hat eigentlich nicht viele Gedichte veröffentlicht; die vier Gedichtsammlungen in seiner Bibliographie verschmelzen zu wenig,mehr als zwei, da sein Menschlicher Kämpfer (1919) sich als eine Auswahl von seinen zwei früheren Lyrikbänden, Die Gottlosen Jahre (1914) und Die Freundschaft (1917), erweist. Die Bewegungen von 1928 enthalten nur acht neue Gedichte neben vierzehn früheren. Zwei späte Gedichte aus der Exilzeit sind in der Anthologie An den Wind geschrieben (i960) und in Mumms Gedenkband enthalten. Die Gottlosen Jahre, eine Sammlung von dreiundsechzig meist kurzen Gedichten, wird von dem programmatischen «Musik nicht will ich machen, sondern schreiten» eingeleitet. Die Gedichte folgen in drei Gruppen unter den Titeln «Die Unsicherheit», «Nichts» und «Das neue Bewußtsein» mit der deutlichen Absicht, einen dialektischen autobiographischen Entwicklungsgang darzustellen. Die Mehrzahl von Wolfensteins Gedichten geht von einer konkreten Lebenssituation aus: sie sind Stimmungs- oder Erlebnisgedichte, die jedoch immer zum Bekenntnisgedicht hinwollen. Mehr als die Hälfte benutzen die Ich-Form; darüber hinaus beziehen sich «er» und «du» häufig auf die Person des Autors. Zusammengenommen bilden die vielen Gedichte vom Erlebnistyp eine kleine Autobiographie, in der alle wichtigen Stationen im Leben des Gymnasiasten, später des Studenten in der Großstadt durchlaufen werden. Wir sehen ihn bei den Schulaufgaben zu Hause sitzen; mehrmals wird die Flucht aus der engen bürgerlichen Wohnung geschildert; wir erleben seine flüchtigen, unbefriedigenden Begegnungen mit Dirnen. Mehrere Gedichte folgen dem jungen Mann auf seinem nächtlichen Spaziergang durch die grellbeleuchtete Stadt. In größerer Distanz zum persönlichen Erleben des Dichters steht eine Anzahl von Gedichten, die die allgemeine Lage des Autors und seine Generation zum Thema haben. Dabei kann der Ton jeweils bekenntnishaft-klagend («Leidendes Wohnen»), männlich-programmatisch («Die Laternen») oder rein symbolisch («Unten») ausfallen. Die Themen der Gottlosen Jahre sind wohl typisch für den expressiven Lyriker der ersten Welle dieser literarischen Bewegung. Vielleicht mehr dem persönlichen Schicksal zugewendet als andere, etwa Heym oder Beim, wie die Häufigkeit der Erlebnis- und Stimmungsgedichte zeigt, will Wolfenstein zunächst ohne Ziel das Negative identifizieren und abschütteln. Bei den Schilderungen der Flucht aus der elterlichen Wohnung steht dieser verlassene Raum einfach für die ganze spätbürgerliche Kultur. Wolfenstein gebraucht durchgehend den Raum und Raumwechsel bewußt symbolisch; das Fenster als Standort des Beobachtenden kommt fast so häufig wie bei Mörike vor. Aber der dem Zimmer entgegengesetzte Ort, die Straße, die als Synekdoche für die Großstadt und die moderne technologisierteWelt überhaupt steht, wird auch negativ geschildert. Wie die Frau auf der Straße (die Prostituierte) dieselben abstoßenden Eigenschaften wie die Frau zu Hause (die Mutter) besitzt, so ist die Stadt auf überraschende Weise eben der verlassenen bürgerlichen Wohnung ähnlich: langweilig, trügerisch und leer. Wohl charakteristisch für die frühexpressionistische Selbstdarstellung des jugendlichen Autors sind der Ekel vor sich selbst, die Unsicherheit und Einsamkeit, worüber die gelegentliche Verherrlichung des eigenen Ichs nicht hinwegtäuschen kann. Im zweiten Teil des Bandes, «Nichts», lebt der Dichter ganz allein, gepeinigt von Gefühlen des Hasses, die nicht nur gegen seine Zeit, sondern auch gegen sich selbst, besonders seinen Körper, gerichtet sind: «Es widert mich, das Knie so steil zu rühren.» Beim Auskleiden: «Dieses sich entblößt Erleiden.» Oder im Bett: «Lieg ich wie ein Tier in meines Seufzens Luft.» Sind nacheinander die enge bürgerliche Welt, die Großstadtwelt, die Frauen (bei denen stets Begriffe wie Schmerz, Langeweile, Entmannung auftauchen) und schließlich noch das eigene Ich verdammt, was bleibt dem Dichter übrig als positive Alternative? Erst im dritten Teil des Bandes, «Das neue Bewußtsein», von einigen früheren neuromantisch-symbolischen Gedichten abgesehen, erscheint auf zwei Ebenen ein neues Ideal. In «Begegnungen» sucht der Dichter noch einmal die Gesichter der Menge auf- diesmal entdeckt er Glaubensgenossen: So innig lichte wie der Nächte Lichter Ihr nicht sehr vielen, doch so vollen ihr, Von andrer Höh, - von gleichem Licht mit mir ... Das neue Bewußtsein wird in erster Linie von Männern miterlebt; die Gedichte «Szene» und «Begierde» drücken noch dasselbe Mißtrauen und denselben Haß gegenüber den Frauen aus wie früher «An eine oder alle» und «Die Dichterin». So weist auch «Vereinigung» nicht auf die zu erwartende geschlechtliche Vereinigung hin, und «Der Mann» endet: «Im Eise blanksten Denkens singt des Mannes Melodie.» In der gleichen neuen Lebensstimmung, aber nicht direkt mit dem Thema der Freundschaft verbunden, das erst in dem zweiten Gedichtbande Wolfensteins richtig verwertet sein wird, steht eine Anzahl Gedichte, die metaphorisch die Überwindung der Schranken der Großstadt feiern. Eisenbahngedichte, wie sie so häufig um diese Zeit auftauchen, werden von einem neuen, positiven Naturbild begleitet; sogar der Anblick eines fernen Parks vom Stadtfenster aus rettet den Dichter jetzt vor der Verzweiflung («Hinterm Fenster»). Es folgt die rauschhafte «Besteigung» eines Berges: «Daß ich am Gipfel spüre ... Ferne einer Stadt! / Vier Millionen war ich da und nun bin ich.» Die Verwandlung des Dichters wird schließlich in den Gedichten «Luftschiff üb er der Stadt» und «Flieger» versinnbildlicht, doch hat diese Selbstbefreiung eigentlich einen rein rhetorischen, unwirklichen Charakter. Trotz der angekündigten Abneigung gegen «Musik» bewegen sich die Gedichte der Gottlosen Jahre formal in wohlbekannten Bahnen. Außer neun Sonetten sind nicht weniger als vierzig Gedichte in gereimten Strophen, in der Mehrzahl Vierzeiler, aufgebaut; nur fünf Gedichte sind reimlos. Dabei wimmeln die Gedichte förmlich von allen Kunstgriffen des Klangs wie des Binnenreims, Schlagreims, rührenden Reims, der Assonanz und Alliteration. Als Beispiel dieser Lautspielerei seien einige der in den Gottlosen Jahren vorkommenden Schlagreime aufgeführt: «zu süßen Flüssen», «dem guten Blut», «der kleine Schein», «schierer Gier» und «von treuer Dauer». Obwohl es nur ein einziges ausgesprochen komisches Gedicht, «Solitudo», in den Gottlosen Jahren gibt, spielt Wolfenstein dauernd, auch in ernsten Gedichten, mit unmöglichen Reimen und grammatischen Gewalttaten. Es reimen sich «Gemecker» und «Wecker», «Luft» und «verpufft», «Spasma» und «nicht da», «Vorhang da» und «Mama». Jemand steigt «auf und aufer»; «die Luft umballt sich ganzer». «Gipfel verinnen wie bleichste Schneee ...»Wie sonst im frühen Expressionismus, etwa bei Heym, van Hoddis, Benn, will der Dichter mit diesen Spielereien zugleich den Bürger empören und die verbrauchten lyrischen Klischees der Neuromantik zerstören. Heym hat George einen schwachen Kadaver, Rilke ein überschminktes Frauenzimmer und einen Spatz mit Pfauenfedern genannt; Marinetti hat einen Generalangriff auf das abgenutzte romantische Motiv des Mondes eingeleitet. Wolfenstein macht selbstverständlich von den im Expressionismus üblichen sprachlichen Neubildungen Gebrauch, etwa «vorbeigeschah», «knochenstarre Augen» oder «winddurchsirrt». Solche Neologismen haben nicht das negative Ziel der Zerstörung des nicht mehr Gültigen, sondern sie wollen schöpferisches Neuland erobern. Gerade auf dem Gebiet dieser Neubildungen und Metaphern zeigt sich eine ernste Gefahr für Wolfenstein. Wie Hohoff und Henel mit Recht geklagt haben, verliert Wolfenstein manchmal im Rausch des lyrischen Ergusses die Übersicht über seine Bilderwelt. Hohoff weist auf den Metaphernkomplex «das hart geballte Reiten der Heere von Seelen» aus «Musiknicht willichmachensondern schreiten» als Beispiel der « Schachtelungen nicht zueinander passender Bilder» hin, während Henel in einer feinsinnigen und ausführlichen Analyse des Gedichtes «Fahrt» aus dem Band Freundschaft streng urteilt: «Seine Ekstase scheint mehr eine Erhitzung, seine Entrückung mehr Erschöpfung, seine Vision eine bloße Phantasie.» Statt willkürlich irgendein kleines Gedicht auf die Stichhaltigkeit oder Brüchigkeit seiner Bildwelt zu untersuchen, nehmen wir als Beispiel ein bestimmtes Motiv, das in den Gottlosen Jahren häufig auftaucht. Da Wolfenstein so sehr Großstadtdichter gewesen ist, nehmen wir die «Straße». Die Straße, wie das Zimmer ein häufiges Lokal des Gedichts bei Wolfenstein, wird in vierzehn Gedichten der Sammlung genannt und sonst oft («Asphaltwiesen») bildlich dargestellt. Zunächst zeigt sich die Straße unter zwei Aspekten. Einmal ist sie «leer», «entseelt», «steif», «ein trüber Tunnel». Verschiedene Grade der Dynamisierung und Personifikation kommen vor, bis zu «Die Straße grell / Schlägt lautlos mir ins frierende Angesicht». Andererseits kann die Straße genau umgekehrt als laut, übervoll, verwirrend erscheinen: «Und unten pfeift die Straße vor Schnellsein» und «Es rauscht der Straßen dichtes Einerlei». Die metaphorische Verbindung von Straße und Fluß zieht Wolfenstein häufig; indem diese auf leicht verständliche gemeinsame Eigenschaften der zwei Elemente hinweist, ist sie eine Metapher von traditionellem Typus, obwohl in den folgenden Beispielen in einer für Wolfenstein wohl typisch verwirrenden Umgebung: «schau und atme ich erlöst den Fluß der Straße hin» oder «Ah fließt die Straße strotzend aus». Manchmal ist das Wortspiel bloß oberflächlich interessant, ohne auf irgendwelche Bedeutung oder Stimmung hinzuweisen: «Die Straße war so asphaltiert zu schreiten. »Wenn der Dichter aber die Straße auf ganz originelle Weise metaphorisiert, sie «eine streichelnde Laute» nennt, die aus folgenden Geräuschen besteht - «der Bahn Geklingel, Baß der Autos, rennender Jungens Pfiffe» -, so verwickelt er sich in die von Hohoff und Henel erwähnten Gefahren. Die Laute ist eigentlich nicht als sich selber streichelnd, sondern als gestreichelt vorzustellen. Der "Wunsch, dynamisch und personifizierend zu arbeiten, verursacht lediglich ein unklares Bild. Daß die Lautenmusik aus Geklingel, Baß und Pfiffen bestehen soll, will auch nicht gefallen. Problematisch ist auch die seltsame Personifikation der Straße in folgendem Beispiel aus den Gottlosen Jahren: «Gähnend endet die Straße - / Und die klebenden Lippen atmen ins Freie hinaus, /Wo sich hell der Tiefe Grün und goldene Hoheit empfängt -.» Von den verwirrenden Metaphern der Natur in der dritten Zeile abgesehen, wird die Straße als hingestreckter Mensch vorgestellt, der das offene Land am Rande der Stadt scheinbar langweilig findet. Die «klebenden Lippen» wollen auf die enge Parallelität der Straßenseiten hindeuten. Doch können Lippen nicht mehr kleben, wenn sie gähnen - von atmen bei gleichzeitigem Kleben und Gähnen zu schweigen. Nicht selten werden die Metaphernkomplexe auf diese Weise lächerlich oder verstimmen wenigstens, wenn man sie genau untersucht. In dem bekannten Gedicht «Städter» lautet die erste Strophe: Dicht wie Löcher eines Siebes stehn Fenster beieinander, drängend fassen Häuser sich so dicht an, daß die Straßen Grau geschwollen wie Gewürgte sehen. Erstens paßt das Bild eines Siebes nicht zu dem Bild massiver, drückender Häuser ; zweitens muß man sich den Druck vorstellen, entweder als seitwärts (wobei die Straßen gar nicht gewürgt sein würden) oder aber auf die gegenüberliegenden Häuser gerichtet (so daß überhaupt kein Platz für eine Straße, zumal eine geschwollene, vorhanden wäre). Weiter sind die Wiederholung von «dicht» bei veränderter Bedeutung und der Gebrauch von «sehn» für «aussehn» als fragwürdig zu bezeichnen. Leider sind die hier aufgeführten Unklarheiten und Widersprüche in der Bilderwelt des Gedichts viel ernster zu nehmen als die frivolen Reime und sonstigen Wortspielereien; ja, sie sind geradezu ausschlaggebend für die Beurteilung. Wie so häufig in der expressionistischen Lyrik - man denke an Zech, Ehrenstein, auch an Werfel - vermag der Enthusiasmus und Schwung des Moments nicht über einen Mangel an Klarheit hinwegzutäuschen. Wie man erwarten könnte, sind die Gedichte dieses Bandes nicht frei von Anlehnungen an zeitgenössische Lyriker, zumal Rilke und George. Einzelne Gedichte verraten auch den Einfluß junger expressionistischer Dichter aus Wolfensteins unmittelbarer Umgebung. Heym, dessen Ewiger Tag 1911 erschien, steht wohl hinter dem Gedicht «Lune», worin Nacht und Mond grotesk personifiziert auftreten: Ihr liegender fahler Körper sucht aus Durch eisige Sternlöcher schreiend, zwingt uns Zu keuchen im Dunkel, zu dulden, küßt uns, Und oben besieht uns mit saugender Weiße Der fleischige stumpfe Totenkopf... Eine klinisch genaue Darstellung des menschlichen Körpers, zusammen mit dem Großstadtmilieu von Dirnen und Nachtcafés, erinnert an Benns Morgue-Zyklus (1912), zum Beispiel in «An das Geschick», während «Einblick» fast reiner Benn ist; letzteres Gedicht beginnt:« Dieser taube Abgrund zwischen / Herz und Hirn ... fast wie ich so breit ... / Auch von besten Tränen nie hinweggeweint ...» Stärker scheint der konservative Einfluß der impressionistisch-symbolistischen Dichter Hofmannsthal, George («Spät im Jahr», vgl. Jahr der Seele) und Rilke. Rilke, der Die Gottlosen Jahre gelobt hat, bildet ein nicht zu unterschätzendes Moment in Wolfensteins andersgerichteter Lyrik. Hier sind «Erwachsenheit», «Die Dichterin», «Mund» und«Nichts» voll der feierlichen Benennung der Dinge, der Körperteile. Konjunktivische Vergleiche im Nebensatz, wie sie Rilke liebt, und viele religiös-mystische Anspielungen verstärken eine oft verblüffende Ähnlichkeit mit Rilkes Neuen Gedichten (erster Teil, 1907). «Erwachsenheit» beginnt so: «Der so tief und groß und innen, dieser Baum vor mir steht /Wie ein überallhin abgewendetes Gebet, / Und als wüchse er so still, so rauschend, weil er fleht...» Die Freundschaft, Wolfensteins zweite Lyriksammlung, ist wie die erste dreigegliedert: «Allegro der Finsternis» (39 Gedichte), «Andante der Freundschaft» (28 Gedichte) und «Scherzo der Einsamkeit» (zwei, darunter ein Zyklus von acht Gedichten). Lassen wir die nichtssagenden Musiktermini weg, so bringt dieses Buch wieder eine biographie interieure, diesmal mit negativem Ausgang. Die formale Virtuosität läßt hier schon etwas nach. Es gibt nur zwei Sonette, nur ein reimloses Gedicht; fast alle haben Strophenform, wobei genau die Hälfte der Gedichte aus jener Grundform der deutschen Lyrik, dem Vierzeiler, besteht. Wolfenstein experimentiert zwar immer noch mit bestimmten Strophenformen, die nach einiger Zeit wieder fallengelassen werden: so hier im ersten Teil der Freundschaft in acht Gedichten mit der fünfzeiligen Strophe XXXAA, die später nicht mehr auftaucht. Bei den Vierzeilern herrscht im ersten Teil der Kreuzreim, im zweiten Teil dagegen treffen wir Reimpaare und das etwas ungewöhnliche Reimschema AAXA. Auffallend ist die Tendenz, jetzt - statt kurzer, im Sinne von Staiger «lyrischer» Gedichte - längere Gedichte und Gedichtzyklen zu verfassen; in den Gottlosen Jahren waren nur zwei Gedichte von mittlerer Länge, hier zählen neun Gedichte jeweils mehr als acht Vierzeiler, außerdem finden sich sechs kleine lyrische Zyklen. Sowohl in der Wahl der